EVA BERGGRÉN
Ferienschule
Mette lag auf dem Rücken im Gras neben der verwilderten Fliederlaube und büffelte Deutsch. Die Sonne brannte, und die Luft war erfüllt vom Summen der Insekten. Ein Stück weiter stand Rakel und hängte Wäsche auf. Das sah schön und kühl aus. Mette seufzte. Sie seufzte oft, wenn sie Rakel sah, denn Rakel war so schön, daß einem das Herz im Leibe stehenbleiben könnte. Sonderbar, daß jemand mit ihrem Aussehen Lehrerin inr Deutsch geworden ist! Das paßt irgendwie nicht zusammen.
Rakel war ihre jüngste Tante. Sie hatte ein Baby. Mette half bei der Babypflege, und Rakel gab ihr dafür Unterricht in Deutsch. Auf diese Weise konnte sie den Sommer in den Schären verbringen und leistete Rakel Gesellschaft, während Lars-Erik in San Mariego war und Tunnel sprengte. San Mariego hatte tropisches Klima. Mette verjagte eine Fliege. Wie heiß mochte es wohl da sein, wenn es hier auf Krokön schon so warm sein konnte?
»Wie geht es«, fragte Rakel, »verstehst du etwas nicht?« Sie wrang ein Babylaken aus, daß die Wassertropfen spritzten. Trotz der Entfernung konnte Mette deutlich ihren nackten Körper sehen, lang und braun, mit einer Brust, die vor Milch strotzte. Während der Hitzewelle gingen sie und Mette tagsüber nackt. Sie wohnten so abgeschieden, daß sie sich ungestört fühlten. Mette setzte sich auf.
»Ich habe Durst«, sagte sie, »da kann man nicht büffeln.«
Rakel hängte das Laken auf.
»Trink eine Limonade. Dann geht es vielleicht besser«, schlug sie vor.
Sie hielt eine Wäscheklammer zwischen den Zähnen. Mette beeilte sich, dem Vorschlag zu folgen. Im Keller war es erfrischend. Der Boden kühlte die nackten Füße. Sie nahm einen Pommac aus der Kiste. Als sie wieder nach draußen kam, stand Rakel am Kinderwagen, weil Lotta angefangen hatte zu schreien. Sie beugte sich nieder und nahm sie hoch.
»Ich gehe nach oben und stille Lotta«, sagte sie und küßte den dunklen Kopf, der auf ihrer Schulter lag. »Danach muß ich die Liste schreiben für alles, was wir einkaufen müssen, wenn Åke kommt.«
Ja, Åke. Mette setzte sich ins Gras und trank aus der Flasche. Es schmeckte himmlisch. Sie wußte schon, wer Åke war. Das wußten sogar ihre Eltern. Er kam nicht bloß, um guten Tag zu sagen. Sie stellte die Flasche in bequeme Reichweite. Trotzdem war sie neugierig. Sie hatte ihn nie vorher gesehen. Überhaupt hatte sie nie den Liebhaber einer Freundin getroffen. Sicher war er unsterblich in Rakel verliebt. Unsterblich.
Sie legte sich auf den Rücken. Wie sie Rakel beneidete. Wie wunderbar, siebenundzwanzig zu sein, viel amüsanter als siebzehn, und sogar ein eigenes Baby zu haben. Sie lächelte vor sich hin. Jetzt lag Lotta und sog an Rakels Brust. Wie herrlich mußte das sein. Mette strich über ihre Brustwarzen. Sie erschauerte vor Wohlbehagen und dachte an den Unterricht am Morgen. Wegen der Wärme hatte sie unter der Eiche gesessen. Rakel hatte sich mit einem Stück Papier Luft zugefächelt. Es war Zeit zum Stillen gewesen, und einzelne weiße Tropfen waren aus Rakels Brust gesickert. Mette hätte sie ablecken mögen. Sie hatte gefragt, wie das schmeckt. »Probier selbst«, antwortete Rakel, »ich habe genug, es reicht auch für dich mit.«
Warum hatte Mette es nicht gewagt? Sie liebte ja Rakels Brust. Nun war die Gelegenheit verpaßt. Sie öffnete die Grammatik. Die starke und schwache Beugung der Adjektive war an der Reihe. Wie dumm, ein Adjektiv auf mehr als eine Weise zu beugen. Seufzend ließ sie das Buch sinken und sah auf das lindgrüne Haus, dessen rotes Ziegeldach über die Reihe knorriger Apfelbäume ragte. Das Gras klebte an ihrem Rücken, und sie drehte sich auf den Bauch. Was würde Lars-Erik tun, wenn er wüßte, daß Rakel hinter seinem Rücken einen Liebhaber hatte? Sich erschießen? Vielleicht. Mette kamen beinahe Tränen in die Augen. Sie konnte Lars-Erik so gut leiden. Genaugenommen war Rakel recht herzlos. Jemand müßte einmal ein ernstes Wort mit ihr reden. Wäre sie vielleicht die Rechte? Sie könnte es wohl versuchen. In aller Freundschaft natürlich.
Es bewegte sich etwas im Flieder. Die fast ausgeblühten Dolden strömten einen so schweren Wohlgeruch aus, daß ihr fast der Kopf schmerzte. Jetzt bewegte es sich wieder. Im gleichen Augenblick wehte der Wind ein paar Zweige zur Seite, und ihr wurde mitten im Sonnenschein kalt: Ein Junge stand da und äugte nach ihr. Sie wollte ihn eben anschreien, als sie merkte, daß etwas komisch war: nun sah sie auch, was. Er hatte sie heruntergezogen und war nackt. Er hielt diesen da, der grotesk groß und rot war, und bewegte die Hand hin und her, hin und her.
Mette war wie versteinert. Sie hatte keine Ahnung davon, daß dieser da so aussehen könnte. Sicher war er mißgebildet oder aber pervers. Eklige Alte machten so etwas, hatte sie gehört. Aber solche Ekel wären gefährlich. Endlich löste sich ihre Erstarrung, sie sprang auf die Füße, raste den Weg hinauf zum grünen Haus und hinein in das Schlafzimmer, wo Rakel gerade dabei war, Lottas Windeln zu wechseln.
»Rakel«, rief sie atemlos, »ein ekliger Kerl steht im Flieder.« Rakel legte Lotta in den Korb.
»Wo sollte er denn sonst stehen?« fragte sie ruhig.
Mette lehnte sich keuchend gegen den Türrahmen. »Es ist wahr«, sagte sie heftig, »ich spaße nicht. Es stand ein ekliger Alter im Flieder. Auf Ehrenwort!«
Rakel wurde leicht irritiert. Sie begann Lottas Kleider zusammenzulegen.
»Wie sah das Ekel aus?« fragte sie. »Wir sollten vielleicht sein Signalement der Polizei geben.«
Mette fühlte Erleichterung. Endlich glaubte Rakel ihr. Sie runzelte die Stirn und grub in ihrem Gedächtnis.
»Ich weiß nicht richtig«, sagte sie. Da fiel ihr ein Detail ein. »Er hatte Badehosen«, sagte sie eifrig, »rot aus Nylon.«
Rakel stellte das Zellstoffpaket in den Schrank. »Siehst du«, sagte sie, »immerhin etwas. Na, und sein Alter, wie würdest du das einschätzen?«
Mette errötete plötzlich.
»Nicht so alt«, meinte sie.
Rakel ging zum Spiegel und begann, ihr langes schwarzes Haar zu bürsten. Um ihre Lippen spielte die Ahnung eines Lächelns. »Vielleicht war er in deinem Alter«, sagte sie freundlich.
Mette nickte.
»Ich glaube«, flüsterte sie.
»Der eklige Kerl war vielleicht ein Schuljunge«,, sagte Rakel, »ein gewöhnlicher, netter Schuljunge, der im Gebüsch herumschlich, um ein süßes Mädchen zu sehen, das zu allem Überfluß noch nackt war.«
Mette schüttelte den Kopf in heftigem Protest.
»Er hatte diesen da herausgeholt«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Er machte... Er war dabei... Oh, Rakel«, rief sie zum Schluß, außer sich über Rakels Mangel an Interesse, »der war so groß, du wirst es mir um nichts in der Welt glauben!«
Rakel steckte das Haar auf. Sie betrachtete ihr Spiegelbild. »Armer Junge«, sagte sie träumend. »Ich hätte dortsein sollen. Da hätte er wahrhaftig nicht dazustehen und auf die Erde zu spritzen brauchen.«
Mette starrte sie an.
»Du machst dich lustig«, sagte sie zum Schluß. Ihre Stimme war dem Weinen nahe. Sie ging zum Wickeltisch und fing an, mit den Büchsen und Flaschen herumzuhantieren. Sie wendete Rakel, die immer noch die Bürste in der Hand hielt, den Rücken. Ein paar Grashalme saßen festgeklebt auf ihrem nackten Hintern. Rakel wurde warm ums Herz.
»Kleine Unschuld«, sagte sie leise, »meine Jungfrau mit Gras im Haar... oder auf jeden Fall auf dem Hintern.«
Mette drehte sich heftig um. In ihrer Bewegung lag etwas Wachsames.
Rakel sah plötzlich die Bürste in ihrer Hand. »Was denkst du?« fragte sie und sah von der Bürste zu Mette.
»Nichts«, sagte Mette hastig, »gar nichts.«
»Aber ich denke etwas«, sagte Rakel. »Hier gehst du, ein süßes und hübsches Mädchen von siebzehn Jahren, umher wie die grünste Unschuld. Dabei solltest du vollauf mit Liebesabenteuern beschäftigt sein. Aber da du Jungen als eklige Alte ansiehst, ist es vielleicht nicht so merkwürdig, daß du immer noch im Stande der Jungfräulichkeit bist.«
Mette öffnete den Mund, um etwas zu antworten, ließ es aber. In ihren Augen war immer noch der wachsame Ausdruck. Rakel sah verblüfft auf ihre Bürste. Da verstand sie plötzlich und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie schüttelte leicht den Kopf.
»Mette«, sagte sie, »komm.«
Mette machte einige zögernde Schritte zu ihr hin. Ein Stück vor der Tante blieb sie stehen und machte den Versuch, überlegen auszusehen. Rakel mußte wieder lächeln. Sie zog das Mädchen an sich. Mette schloß die Augen, überwältigt davon, diesen runden Schultern und schwellenden Brüsten plötzlich so nahe zu sein.
»Als ich in deinem Alter war, hatte ich bereits eine ganze Reihe von Liebhabern.« Rakel hielt die Lippen an Mettes Haar. Das Mädchen entzog sich ihr heftig.
»Glaubst du, ich will werden wie du?« brach sie aus. Die Wachsamkeit war spurlos verschwunden. Sie erinnerte sich an ihren Entschluß, mit Rakel ein ernstes Wort zu reden. »Du, die sich nicht schämt, hinter Lars-Eriks Rücken Liebschaften zu haben, während er allein in San Mariego sitzt und im Schweiße seines Angesichts schuftet, um dich zu versorgen.«
Sie stampfte mit dem Fuß auf.
»Ja, du kannst es nicht abstreiten, daß Åke dein Liebhaber ist. Ich weiß es aus sicherster Quelle. Versuch doch, das Gegenteil zu beweisen, versuch es doch.«
Rakel betrachtete das schäumende Mädchen mit einer Mischung aus Ärger und Zärtlichkeit. Da stand sie mit ihren langen, glatten Haaren, strähnigen Stirnlocken, verschwitzt und sommersprossig, mit runden und kräftigen Hüften und dem süßesten, krauslockigen Schamhaar, das genauso braun wie ihr Kopfhaar war.
»Eine Hure bist du«, schrie Mette im selben Augenblick, »und du willst, daß ich genauso werde... da gehe ich lieber ins Kloster, das kann ich dir sagen, tausend-, tausendmal lieber!«
»Du kleiner Idiot.« Rakel spürte, wie der Ärger in ihr hochkam. Sie setzte sich auf das Fußende des Bettes, und im Nu lag das Mädel über ihren Knien. Mette kam nicht einmal zum Protestieren, Ihr war, wie wenn man aus einem Traum erwacht, und sie fühlte sich gelähmt, als sie daran dachte, was sie gesagt hatte. Sie, mit der Rakel in aller Freundlichkeit reden wollte. Nun würde Rakel sie sicher totschlagen, totschlagen...
Die weißlackierte Haarbürste war platt und breit. Sie tanzte auf und nieder auf dem sonnengebräunten Mädchenhintern und hinterließ prächtige, rote Flecke. Mette schrie ohrenbetäubend. Rakels Zorn verrauchte und wich einer wachsenden Zufriedenheit. Die kleine Unschuld bekam, was sie verdiente. Danach würde Rakel ein ernstes Wort mit ihr reden. Im übrigen reichte es vielleicht schon, die Bürste sprechen zu lassen. Das war anscheinend eine Sprache, die sie verstand. Also vorwärts für König und Vaterland...
Zum Schluß war die Erziehungsfläche knallrot.
Mette hörte auf zu schreien und starrte mit tränenerblindeten Augen auf Rakels rote Zehennägel. Warum war sie nicht tot? Wie hatte sie jemals auf die Idee kommen können, mit Rakel vernünftig reden zu wollen. Die Arschbacken brannten unausstehlich, aber noch schlimmer, daß Rakel so böse geworden und vielleicht immer noch böse war.
»Verzeih mir«, murmelte sie schluchzend, »Liebe du, verzeih…«
Rakel nahm sie in die Arme, streichelte und küßte sie und strich ihr über das Haar.
»Kleiner Dummbart«, sagte sie, »das hast du davon, daß du dich aufführtest, als wolltest du eine Unterschriftensammlung starten für die Hebung der Moral des schwedischen Volkes. Außerdem ist Åke wirklich nicht mein einziger Liebhaber.«
»Meinetwegen kannst du gern tausend Liebhaber haben.« Mette heulte und heulte, bis Rakels Brüste naß von Tränen waren. Sie versuchte, ihr Gesicht mit ihrem langen Haar zu trocknen. Da nahm aber Rakel ein Taschentuch aus dem Nachttischkasten.
»Nein, mein Kind«, sagte sij bestimmt, »nun ist es genug. Trockne die Tränen ab, schneuze dich, und danach sind wir wieder Freunde.«
Mette gehorchte und lehnte sich wieder an Rakels Brüste. »Oh, Rakel«, Sagte sie. »ich wünschte, daß Åke am Samstag nicht kommt. Ich wünschte, daß es weder Åke noch Lars-Erik gäbe. Nur dich und mich dürfte es geben, nur dich und mich auf der ganzen Welt.«
Rakel sah in das tränenüberströmte Gesicht. Sie spürte, wie sich die Gefühle des Mädchens verändert hatten und war selbst erregt von dem, was geschehen war. Sie ließ den Blick über Mettes Körper gleiten und sah auf die dichtgeschlossenen Schenkel. Gedankenverloren ließ sie ihre Hand darübergleiten. Mette seufzte ein bißchen, die Unterlippe zitterte. Da trennte Rakel Mettes Schenkel und legte die Hand über die krauslockige Scham, einen Finger zwischen Mettes Schamlippen; sie liebkoste sie ganz leicht, so, wie man eine kleine und feste Rosenknopse berührt.
Für Mette kam die Berührung völlig unerwartet. Heftig bohrte sie ihr Gesicht in Rakels Brüste. Rakel rückte ihre Brustwarze nahe an Mettes Mund.
»Trink«, sagte sie, »du warst ja neugierig, wie es schmeckt. «
Ihre Hand lag immer noch zwischen Mettes Beinen. Sie rief Wollust hervor, von der Mette keine Ahnung gehabt hatte. In empfindsamer Verwirrung öffnete sie die Lippen, um die dunkelrote Brustwarze entgegenzunehmen. Sie wuchs im Mund und füllte den Gaumen mit kitzelnder Wollust. Unerwartet warm und süß kam der Strahl. Mette vergaß alles. Sie trank und schluckte, während Rakels Finger rhythmisch ihre Klitoris berührte.
Schwindlig und taumelnd stand sie einen Augenblick später auf dem Fußboden und spürte Rakels Hände fest um ihre Hüften. Sie weinte beinahe vor Enttäuschung.
»Mehr«, sagte sie bittend, »liebe Rakel, mehr.«
Rakel mußte über den braungekräuselten Schoß lächeln, der sich ihr entgegenstreckte und dessen Duft in ihre Nasenlöcher stach.
»Einen Mann brauchst du, das ist es. Diesen Jungen im Flieder zum Beispiel. Er ist genau das, was du jetzt brauchst.«
»Nein, nein«, Mette schüttelte den Kopf. »Du bist es, die ich brauche. Oh, warum kannst du mir nicht helfen, Rakel? Warum kannst du mir nicht helfen?«
Rakel lockerte den Griff um ihre Hüften.
»Nein, meine Jungfrau.« Sie reckte sich, strich den Bett-
Überzug glatt und legte die Bürste zurück auf die Kommode. »Nun werden wir uns nach einem Mann für dich umsehen.« Sie lächelte Mette zu, die unglücklich und mit hängenden Armen dastand. Obwohl ihr die kleine Unschuld leid tat, war ihr vollkommen klar, daß es leichter sein würde, in ihrem jetzigen Zustand einen Mann für sie zu finden, als wenn sie erst befriedigt wäre. Sollte Rakel etwas tun, so dieses: den Topf am Kochen halten.
»Komm«, sagte sie, »so kannst du nicht gehen.«
Hoffnungsvoll ging Mette ihr entgegen, aber Rakel bürstete ihr nur das Haar und rieb ihr die Wangen mit Eau de Cologne ab.
»Nun hast du meine Milch getrunken«, sagte sie und legte den Arm um Mettes Schulter, »darum mußt du genau das tun, was ich sage. Zieh dir etwas an und mache einen Spaziergang zum Strand. Das hilft dir, deine Gedanken zu ordnen. Ich schreibe den Speiseplan und mache die Heringe sauber. Und dabei werde ich versuchen, einen geeigneten Mann für dich ausfindig zu machen. Wir sprechen heute abend darüber.« Sie legte die Hand auf Mettes Hinterteil und trieb das widerstrebende Mädchen aus dem Zimmer.
Mette zog sich wie im Traum Bluse und Shorts an. Geistesabwesend ging sie über die Wiese und bog in den grünen Waldweg ein. Dort war es schön und kühl. Ein paar Vögel zwitscherten im Gebüsch. Es klang, als wenn sie sagten: Sieh her, sieh her. Ein Bachstelzenpaar lehrte die Jungen das Fliegen. Die Vogelbrüste waren wie Daunenbälle. Ein gelber Schmetterling kam geflattert, setzte sich auf eine Blume und flog sofort wieder auf, Mette schräg entgegen, als würde er vom Wind getrieben. Ein Eichhörnchen schwatzte auf einem Baum. Es sah mit Augen wie Glasperlen auf Mette. Sie erinnerte sich plötzlich an die Haare in Rakels Armhöhle, die weich waren und nach Schweiß dufteten. Sie schloß die Augen, stolperte aber über eine Wurzel und machte sie schnell wieder auf. Das Gras sah aus wie grüner Samt. Sie bekam Lust, es mit der Hand zu berühren. Wie weich es war. Wie oft war sie diesen Weg gegangen! Warum war ihr nie aufgefallen, wie schön er ist.
Überraschend blau öffnete sich die Förde, als sie endlich aus dem Wald kam. Sie ging an einer Gruppe von Häusern vorbei und hörte durchs offene Fenster Geschirr klappern. Am Strand streifte sie die Sandalen ab und stand mit nackten Füßen im trockenen Sand. Sie betrachtete ein einlaufendes Segelboot. Warum war alles so lieblich, so wonnig, daß man kaum zu atmen wagte? War sie wirklich immer noch Mette? Ein Kind weinte in einem der Häuschen. Aus dem Vorgarten des weißen Hauses wehte ein betäubender Jasminduft, gemischt mit dem Geruch von Tang und Bootsstegen. Die Klippen am anderen Ufer leuchteten auf. Hätte sie den Badeanzug mitgehabt, wäre sie hingeschwommen, geschwommen und geschwommen.
Das Segelboot kam näher. Ein Mann mit bloßem Oberkörper war dabei, die Segel niederzuholen. Er war so nahe, daß Mette deutlich sein Gesicht erkennen konnte. Ab und an sah er zu ihr hin. >Kann er mir ansehen, was ich erlebt habe<, dachte sie ängstlich. Und als wenn der Mann ihre Gedanken erraten hätte, lächelte er ihr plötzlich zu. Verwirrt legte sie den Finger an den Mund. Im gleichen Moment war der Mann vergessen. Sie strich und strich über ihre Lippen, war mit Körper und Seele wieder bei Rakel, erinnerte sich an die Süße ihrer Milch und an das liebliche Kitzeln der Brustwarze am Gaumen.
Nachmittags kam ein Gewitterschauer auf. Die Küche wurde dunkel wie am Abend. Rakel schaltete die Deckenlampe ein. Sie kochte Rhabarbersaft und sah aus, als erinnere sie sich nicht an das, was geschehen war. Die ganze Küche duftete nach Saft. Mette verabscheute ihn plötzlich mit jeder Faser ihrer Seele. Rakel hatte sie zum Flaschenwaschen angestellt. Mette hätte vor Enttäuschung weinen können. Rakel schien überhaupt nichts zu merken. Sie rührte im Saftkessel und schmeckte ab. Als Mette endlich mit den Flaschen fertig war, durfte sie sich an den Küchentisch setzen und mit so zierlicher Schrift wie möglich >Rhabarbersaft 1965< auf eine Reihe kleiner, weißer Etiketten schreiben. Währenddessen ging Rakel hinauf ins Schlafzimmer, um Lotta zu versorgen.
Doch es war keineswegs so, daß Rakel etwas vergessen hätte. Mit nüchternem Blick erkannte sie, wie nahe die kleine Unschuld dem Siedepunkt war. Aber wie sie ihr Gehirn auch anstrengte, sie konnte den Mann nicht finden, in dessen Arme das Mädchen wie eine reife Frucht fallen sollte. Ein netter Mann müßte es sein, ein reifer Mann, ein erfahrener Mann, ein zärtlicher und etwas väterlicher Mann. >Wo bist du, du gute Zigarre?« dachte sie, während sie sich über die lallende Lotta beugte. Lars-Erik wäre ideal gewesen, aber leider saß er in San Mariego. Und ihre kleine Unschuld auf gut Glück auf den Tanzboden schicken, das wollte sie nicht. Das erste Erlebnis war viel zu wichtig für kommende Freuden, als daß man wagen könnte, es dem Zufall zu überlassen.
Erst nach dem Stillen kam sie darauf und wurde so froh, daß sie Lotta über ihren Kopf hob. >Åke! Ich sehe den Wald vor Bäumen nicht«, dachte sie. >Wie konnte ich einen Mann wie Åke übersehen.« Mit Lotta im Arm tanzte sie umher. Aber Lotta protestierte, und Rakel mußte sich beherrschen.
»Mette«, rief sie, »schnell, komm!«
Ein Ruck fuhr durch Mette, als sie endlich Rakels Rufen hörte. Sie hatte so lange gewartet, daß sie sich krank fühlte. Zitternd vor Aufregung ging sie die Treppe hinauf. Sie griff fest um das Treppengeländer. >Sie wird mich nur um eine Gefälligkeit bitten«, dachte sie sich. Mit klopfendem Herzen trat sie ins Schlafzimmer und glaubte, daß ihre Erregtheit deutlich zu sehen sein müßte.
Das war sie auch. Rakel konnte ein Gefühl des Mitleids nicht unterdrücken. Sie legte Lotta in den Korb und stopfte die Decke fest. Nach der Mahlzeit schlief Lotta immer sekundenschnell ein. Sie machte die Deckenlampe aus und knipste die kleine Lampe auf dem Nachttisch an.
»Setz dich«, sagte sie und nickte in Richtung des Bettes. Mette gehorchte. Sie glaubte, nicht atmen zu können. Rakel setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter.
»Meine Jungfrau«, sagte sie und biß ihr zärtlich ins Ohr. »Am Freitag wirst du deine Unschuld los. Wird das nicht schön?«
Mette kamen vor Enttäuschung Tränen in die Augen. Sie starrte auf Rakel, deren rosa Kleid umschloß, was Mette einzig und allein begehrte. Sie senkte den Kopf und sah durch einen Tränenschleier auf ihre Knie.
»Das ist doch kein Grund zum Weinen.« Rakels Stimme war voller Zärtlichkeit: »Wenn du nur ahnen könntest, wie nett Åke ist. Ich wette, daß du dich in ihn verlieben wirst. Laß die Nase nicht hängen, Mette. Du weißt ja doch, daß alles so wird, wie ich will.«
Sie machte einen Versuch, Mettes Kopf zu heben, aber Mette brach in lautes Weinen aus.
»Ich will Åke nicht haben«, schrie sie. »Ich will dich haben. Nur dich.«
Rakel zog Mette an sich.
»Ja, ja«, sagte sie beruhigend. »Jenes Vergnügen, das ich dir geben kann, ist klein im Vergleich zu dem, das ein Mann schenkt. Mein Finger ist nur ein Finger. Finger hast du im übrigen selbst. Aber, siehst du, der Mann hat etwas, das alle Finger der Welt übertrifft. Und wenn du das am Freitag fühlst, wirst du mir recht geben. Weine nun nicht. Mein Kleid wird völlig zerknittert und naß, und du wirst am Freitag auf keinen Fall drum herumkommen. Siehst du wohl, mein Kleines, mach nun keine Schwierigkeiten. Du weißt, daß ich das nicht leiden kann!«
Wenn Rakel so war, wußte Mette, daß es sich nicht lohnte, etwas dagegen zu sagen. Sie versuchte, sich zu beherrschen, nahm das Taschentuch und trocknete ihr verweintes Gesicht ab. Sie würde gezwungen sein, Åke das da machen zu lassen. Einen Mann, den sie nicht einmal kannte. Einen Mann, der nicht zögerte, mit der Frau eines anderen ins Bett zu gehen. Eine heftige Sehnsucht nach Lars-Erik überkam sie. Wenn er nur wüßte, wenn er nur ahnte! Wieder überwältigte sie das Weinen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und ließ die Tränen strömen.
»Armer Lars-Erik«, schluchzte sie, »armer, armer Lars-Erik!«
Rakel mußte lächeln.
»Warum ist es schade um Lars-Erik?«
Mette machte einen Ruck mit dem Kopf.
»Er schuftet und schuftet«, sagte sie mit halberstickter Stimme, »in einem fremden Land.« Sie merkte, daß es schwerer war, sich vorzustellen, was er machte, als sie geglaubt hatte. »Eines schönen Tages wird er sich zu Tode arbeiten«, setzte sie fort und begann sich zu fragen, ob es wirklich so schwer sei, als Diplomingenieur zu arbeiten. »Armer Lars-Erik jedenfalls«, endete sie lahm.
Rakel lachte, bis ihr die Tränen in die Augen kamen. Mette sah sie erstaunt an. Sie bekam beinah selbst Lust zu lachen.
»Ja, was weiß ich, was er macht«, sagte sie verlegen.
»Aber ich weiß es«, sagte Rakel immer noch lachend, zog die Nachttischschublade auf und nahm ein Blatt heraus. »Ich glaube, es könnte dir gut bekommen, einige Zeilen aus seinem letzten Brief zu hören«, setzte sie fort.
Es wehte kühl durch das offene Fenster. Mit dem Wind kam ein Duft von Jasmin. Rakel begann zu lesen:
»Gestern war ich wieder in Esperanza, denn wenn es auch teuer ist, so bekommt man doch nirgendwo süßere Mädchen. Sie sitzen dort sittsam aufgereiht in ihren kurzen Kleidchen, erheben sich auf Befehl, lüften ihre kleinen Hemden und zeigen ihre Reize. Man faßt hier nach einem Hintern, streicht dort über einen Haarbusch oder wölbt die Hand um eine Brust. Gestern verlor ich ein wenig die gute Laune, weil ich eine Dreizehnjährige bestellt hatte, die meistens belegt ist; aus Versehen bekam ein anderer Kunde sie. Du weißt, wie es ist, wenn man sich auf etwas gespitzt hat. Ich wünschte, ich könnte sie Dir beschreiben: ihre zarten Schultern, die Hüften noch nicht fertig ausgewachsen, die Brust, die gerade begonnen hat zu knospen. Gleichzeitig hat sie so etwas Freches an sich. Sie wirft einem Blicke zu, die einen Mann dazu bringen, sich verloren zu fühlen. Eine richtige Lolita. Die Wirtin nimmt aber auch entsprechende Preise. Na ja, ich ging also mit der Wirtin und besah die Mädchen. Ein Strom von Entschuldigungen floß die ganze Zeit aus ihrem Mund. Gab es keine, mit der ich mich heute abend zerstreuen wollte? Sie hatte eine Fünfzehnjährige, die tatsächlich noch frei war. Wenn ich mitkommen wollte, würde sie sie mir selbst vorführen. Die Fünfzehnjährige hieß Fiorella. Sie maulte ein bißchen, aber niemand konnte leugnen, daß sie süß war. Glattes, kohlschwarzes Haar, runde Wangen und ein Körper, so rund und prächtig, daß ich mich mit dem Gedanken versöhnte, die Dreizehnjährige nicht zu bekommen.
>Zieh das Hemd aus, Fiorella<, sagte die Wirtin und Fiorella gehorchte, obwohl der Blick, den sie mir zuwarf, nicht gerade fröhlich war. Die Wirtin drehte sie herum, und ihr Redefluß strömte die ganze Zeit: >Fühlen Sie hier, Monsieur, welcher Hintern, welcher Bauch, und die Brüste, Monsieur, haben Monsieur jemals so rosige Brustwarzen gesehen?« Ich stellte mich zweifelnd. Die Wirtin ärgerte sich über Fiorella und gab ihr einen Klaps, der sie in die Luft hopsen ließ. Und danach war Schluß mit der Sauertöpfigkeit Fiorellas. Als ihre saure Miene verschwand, sah ich, daß sie den hübschesten Mund der Welt hatte. Er war zum Küssen schön, so daß mein Ärger über die Unzuverlässigkeit der Wirtin endgültig fortgeblasen wurde. Ich nahm also Fiorella, obgleich sie teuer wie die Sünde war, und welche Nacht, Rakel, welche Nacht! Ich wünschte, Du wärest dabei gewesen. Beim letztenmal saß ich auf einem Stuhl, während Fiorella auf mir ritt, so geschmeidig, wie es nur eine kann, die unzählige Gelegenheiten zur Übung hatte. Die festen Brüste schaukelten, die wohlgenährten Schinken klatschten auf meine Schenkel, rhythmisch, taktfest. Als ich die Auslösung nicht mehr länger zurückhalten konnte, beugte sie sich vornüber, so daß ihre Brustwarzen meine Lippen kitzelten. Ich sog sie ein in meinen Mund und dachte an dich. Hinterher bat sie mich, wiederzukommen, und das werde ich sicher tun, aber zuerst muß ich diese Dreizehnjährige haben. Ich fühle keine Ruhe in meinem Körper, bevor ich nicht weiß, wie es ist, mit einer zu schlafen, die noch nicht ausgewachsen ist.«
Mette fühlte eine grenzenlose Verwirrung. Sie erinnerte sich plötzlich an ein Gänseessen vor mehreren Jahren. Ahnungslos hatte sie gesessen und von dem guten Fleisch gegessen, als Onkel Knut ein Wohl aussprach auf den armen Märten. Erst da war ihr klargeworden, daß das Fleisch, von dem sie alle aßen, ihr eigener Gänsefreund Märten war. Und es hatte nicht geholfen, daß sie sich hinterher erbrach. Davon wurde Märten nicht wieder lebendig. Etwas von der gleichen Verzweiflung spürte sie jetzt. Sie faltete die Hände, wie um ein Unglück abzuwehren.
»Oh, Rakel«, rief sie mit schmerzerfüllter Stimme, »werdet ihr euch scheiden lassen, du und Lars-Erik?«
»Gott bewahre uns.« Rakel zog Mettes Kopf herab auf ihre Knie und spielte zerstreut mit ihrem Haar: »Findest du, daß der Brief wie von einem Mann klang, der sich scheiden lassen will?« Sie strich Mette über die Lippen. »Findest du?«
Mette wußte nicht, was sie sagen sollte. Die Berührung mit Rakels Fingern verwirrte sie noch mehr. »Wirst du nicht eifersüchtig?« fragte sie. »Ich würde es tun. Ich würde völlig verrückt sein vor Eifersucht!«
Rakel lächelte, spielte mit Mettes Ohr, das zart wie ein Rosenblatt war.
»Verrückt werde ich vielleicht, aber nicht vor Eifersucht«, antwortete sie. »Gott, was habe ich früher von Bordellen fantasiert. Hast du das nie?«
Mette fiel ein alter Wunschtraum ein und sie errötete. »Doch«, murmelte sie.
Rakels Gesicht wurde verträumt:
»Welche möchtest du lieber sein? Fiorella oder die Dreizehnjährige?«
Mette fühlte eine steigende Erregung. Sie blickte auf Rakel, und alles, was sie sah, erschien ihr so schön, daß die Begierde in ihr brannte.
»Die Dreizehnjährige«, antwortete sie widerwillig. Ihre Erregung wuchs. Warum war kein Mann in ihr Leben gekommen, als sie dreizehn war?
Rakel zog sie zu sich hoch.
»Siehst du«, sagte sie, »und nun bist du siebzehn, aber deine Unschuld hast du immer noch. Ich glaube, Fiorella und die Dreizehnjährige würden lachen über dich, wenn sie wüßten, wie grün du bist.«
Mette errötete vor Entrüstung.
»Grün bin ich wohl nicht«, murmelte sie.
Rakel legte den Arm um sie und schüttelte ihr das Haar zurecht. »Doch, kleiner Grünschnabel«, sagte sie und rieb ihre Nase leicht an Mettes. »Aber das macht nichts«, tröstete sie. »Am Freitag setzen wir die Liebe auf den Stundenplan. Ich bin überzeugt, daß es dir leichterfallen wird als Deutsch und daß du viel bessere Zensuren bekommst.«
Mette bebte vor Unruhe.
»Ich kenne ja Åke gar nicht«, sagte sie. »Oh, Rakel, ich werde so schüchtern und dumm sein. Worüber soll ich mit ihm sprechen? Und wie macht man es? Liegt man bloß da wie ein Idiot und tut nichts? Er wird denken, daß ich kindisch bin, so kindisch, so kindisch.«
Rakel war ein paar Augenblicke still. Impulsiv zog sie das Mädchen an sich. »Es wird alles gutgehen«, sagte sie beruhigend, »verlaß dich auf mich.«
Aber Mette schüttelte den Kopf.
»Wenn du doch dabeisein könntest«, seufzte sie. »Können wir ihn nicht fragen, ob du das darfst?«
»Willst du es denn?« fragte Rakel.
Mette nickte
»Dann würde ich viel weniger ängstlich sein«, sagte sie.
Rakel erhob sich vom Bett.
»Da kannst du von jetzt an aufhören Angst zu haben«, sagte sie. Sie glättete ihr Kleid und sah auf die Armbanduhr. »Du liebe Zeit, wie spät es geworden ist«, rief sie aus. »Willst du nicht eine Tasse Schokolade für uns zurechtmachen, während ich Lottas Sachen wegräume?«
Am nächsten Tag war Rakel genau wie sonst. Deutsch schien wieder das Wichtigste der Welt zu sein. Die Lektionen nahmen kein Ende. Nach Präpositionen kam manchmal der Dativ, manchmal der Akkusativ, und intransitive Verben mußte man mit >sein< beugen. Sie saß im Schatten der Eiche bei den weißen Möbeln. Mette sah seufzend auf Rakels Brust. Würde sie jemals wieder Rakels Milch schmecken dürfen? Sie blickte auf das kohlschwarze Schamhaar und wurde von Schwindel ergriffen.
»Ja, es ist warm«, sagte Rakel, »aber versuch dich trotzdem zu konzentrieren. Die Lektion ist gleich zu Ende.«
Der Abend war nicht besser. Mettes Unruhe wuchs. Sie hatte gedacht, daß sie beide wie zwei Schwestern über den kommenden Freitagabend sprechen würden. Aber Rakel war dabei, die Schnur der Spinnangel zu entwirren, die sich verheddert hatte. Ab und zu traf Mettes Blick sie über die Lampe hinweg. Sie saßen auf der Veranda. Manchmal stießen die Äste des Mehlbeerbaums gegen die Fensterscheiben. Das klang einsam und verlassen, und Mette seufzte.
»Morgen haben wir Åke hier«, sagte Rakel fröhlich. Als wenn Mette das nicht wüßte. Als wenn sie an etwas anderes denken würde.
»Morgen werde ich versuchen, einen Hecht zu fangen«, sagte Rakel, »deshalb muß ich die verflixte Schnur in Ordnung bringen.«
Natürlich fing Rakel ihren Hecht. Sie machte ihn in der Küche sauber. Mette stand nichtstuend dabei.
»Ich finde Hechte eklig«, sagte sie.
Rakel sah erstaunt aus.
»Man kann sich nicht vor Hechten ekeln«, sagte sie.
Mette gab keine Antwort. Sie bastelte an der Fischschere herum. »Hast du schon einmal welchen gegessen?« fragte Rakel mißtrauisch.
Mette ließ die Fischschere fallen.
»Kann sein, daß ich es habe«, sagte sie mürrisch. »Aber ich verabscheue Fisch. Ich will nicht ein Stück davon zu Mittag essen. Ich denke auch nicht daran, meine Erdbeeren zu essen. Ihr könnt gern meine Portion nehmen.«
Aber zur Mittagszeit konnte sich Mette der ansteckenden Feststimmung nicht entziehen. Die Fahne war gehißt. Auf der Veranda stand der Tisch, mit einem weißen Tuch bedeckt, und sie trug ihr bestes Sommerkleid. Es war gelb und so weit, daß der Rock waagerecht stand, wenn sie sich nur ein bißchen darin drehte. Mette stieg vorsichtig über den frisch geharkten Hof. Rakel hatte sie gebeten, Blumen für das Schlafzimmer zu pflücken. Sie machte auf der Wiese halt, kurz vor dem Walde; dort standen so viele Margeriten und Kornblumen, daß man kaum das Gras sah.
Rakel ging vorbei, auf dem Weg zur Landungsbrücke. Sie hatte ein weißes, ärmelloses Kleid an, das wie ein Futteral an ihrem langen, schönen Körper saß. Mette konnte es sich nicht verkneifen, neidisch zu sein. Das schwarze Haar war hoch auf dem Kopf aufgebaut und zeigte den vollendeten Hals. Mette bekam Lust, ihn zu küssen. Rakel lächelte ihr zu.
»Ja, das ist ein hübsches Kleid«, gab sie zu, »besonders, wenn man sonnengebräunt ist.« Sie strich sich über die nackten Arme, in die sie verliebt war. Schnell fand sie in die Wirklichkeit zurück.
»Setz die Kartoffeln nicht auf, bevor wir kommen«, sagte sie, »und weck bloß Lotta nicht. Sie hat heute so schrecklich wenig geschlafen. Ich möchte, daß sie riesig nett ist, wenn Åke kommt.«
Mettes Herz klopfte, als sie sich ins Schlafzimmer schlich, um die Blumen hinzustellen. Sie sah auf Rakels breites Bett. Da sollte es also geschehen. Mette strich vorsichtig darüber hin. Sie sah einen Schimmer von sich im Spiegel und trat näher heran, lächelte prüfend ihr Bild an. Genauso würde sie lächeln, wenn Åke kam, weltgewandt wie Rakel. Sie würde nicht ängstlich aussehen. Mette probierte eine neue Miene, vielleicht war die besser. Sie würde ihm natürlich das Profil zuwenden, denn sie war im Profil am hübschesten. Und das Haar sollte glänzen. Vielleicht müßte sie es mehr nach hinten kämmen? Sie griff nach Rakels Kamm und Bürste. Dabei fiel eine Wattedose herunter und landete mit einem Knall auf dem Fußboden.
Das genügte, um Lotta zu wecken. Mette hielt fast den Atem an. Würde sie wieder einschlafen? Aber nein, sie drehte sich um nach dem Geräusch. Als sie niemanden sah, begann sie versuchsweise zu weinen, zuerst mißvergnügt und bald mehr und mehr verzweifelt, weil keiner kam und sie hochnahm.
Mette nahm sie auf den Arm und ging hin und her, um sie zu beruhigen. Am liebsten hätte sie sie geschüttelt. Es fehlte nur noch, daß Åke und Rakel jetzt kämen! Oh, sei still, liebste Lotta, sei still, mir zuliebe, nur mir zuliebe. Aber Lotta dachte nicht daran, still zu sein. Sie nahm Anlauf und schrie, bis sie völlig rot im Gesicht war.
Im selben Moment sah Mette, wie Rakel und ein langer, hellhaariger Mann in den Hof einbogen.#
»Und ich stehe hier mit der schreienden Kleinen im Arm«, klagte sie, dem Weinen nahe. »Ich verstecke mich. In der Küche...« Aber ehe sie die Treppe hinunterkam, waren Rakel und Åke schon im Flur.
Sie blieb wie angewurzelt stehen. Was sollte sie tun? Sie konnte ja nicht einfach an ihnen vorbeilaufen. Und Lotta, die immer noch schrie. Sie drückte sie fester an sich. So sah Åke sie. Sie beschloß, die Augen zu schließen. Es gab keinen anderen Ausweg.
»Hej«, sagte Åke, und sie begriff, daß sie in jedem Fall hinsehen mußte. Mit geschlossenen Augen dazustehen, mußte ja stockdumm wirken. »Ich habe etwas ins Auge bekommen«, sagte sie, »ein Sandkorn oder so etwas.«
»Hilf ihr, es herauszumachen«, sagte Rakel. Sie nahm Mette im Vorbeigehen auf der Treppe die schreiende Lotta ab und ging hinauf in das Schlafzimmer. So würdig sie konnte, schritt Mette in die Küche, ohne Åke eines Blickes zu würdigen. Aber er kam nach. Sie setzte den Kartoffeltopf auf den Herd. Åke nahm sein Taschentuch.
»Darf ich sehen?« sagte er. »Komm her zum Fenster.«
Sie verwünschte ihre Lüge. Stumm stand sie vor ihm und ließ ihn nach einem Korn suchen, das es nicht gab und nie gegeben hatte. Sie fühlte seinen Atem. Er roch nicht unangenehm, aber fremd. Sein Mund war auch fremd. Er schüttelte den Kopf.
»Ich kann nichts finden«, sagte er, »ist’s besser?«
Sie sah flüchtig seine intensiv blauen Augen und senkte den Blick. »Ich glaube«, murmelte sie. Sie fand die Szene am Fenster so unwürdig und demütigend, daß sie hätte weinen können. Heftig wandte sie sich von ihm ab. Ihr Blick fiel auf den Meerrettich, der gerieben werden mußte. Sie machte sich sogleich darüber her. Åke betrachtete sie. Er hatte das Gefühl, daß dies Sandkorn eine Erfindung wäre, ließ sich aber nichts anmerken. Er fand sie überirdisch süß. Die Finger, die den Meerrettich hielten, zitterten, und sie sah hartnäckig auf ihre Arbeit. Es war nicht schwer zu bemerken, daß sie ihn fortwünschte.
»Sei nicht ängstlich«, sagte er. »Ich will dich nicht aufessen.« In der nächsten Sekunde wünschte er, daß er sich lieber die Zunge abgebissen hätte. Das Mädchen drehte sich mit einer Verbitterung nach ihm um, die ihn begreifen ließ, wie sehr er sie verletzt hatte.
»Ich bin kein Kindskopf«, sagte sie und sah ihm gerade ins Gesicht. »Glaube bloß nicht, daß ich ein Kindskopf bin.«
Weder in seinem Blick noch in seinem Gesicht war die Spur eines Lächelns zu finden. Mette atmete auf. Gott sei Dank, er lachte nicht! »Ich bin siebzehn«, sagte sie in ruhigerem Ton. »Ich bin gar nicht so unschuldsvoll, wie ich aussehe. Ich bin erfahren... mehr jedenfalls, als Rakel erzählt hat.«
Er nahm ein Radieschen, besah es einige Augenblicke, ehe er es in den Mund steckte.
»Was Rakel sagt, nehme ich nicht so ernst«, sagte er. »Ich verlasse mich auf mein eigenes Urteil.«
Sie spürte, wie sich ihr Herzklopfen etwas legte, und beugte sich wieder über den Meerrettich. Gott sei Dank, daß er sich nicht kümmerte, was Rakel sagte. Sie tat einen tiefen Atemzug. Blödsinnig war nur, daß Lotta schreien mußte. Nun hatte sie das Haar nicht noch einmal kämmen können. Vorsichtig wandte sie ihm das Profil zu, damit er ihre Nase sehen konnte.
Beim Mittagessen stellte sie fest, daß sie trotz allem Hecht gut essen konnte. Åke saß in aufgekrempelten Hemdsärmeln da. Die sonnengebräunten, haarigen Arme bewegten sich elegant, wenn er den Fisch auseinandernahm. Unter dem Nylonhemd waren deutlich seine breiten, kräftigen Schultern zu sehen. Er langte nach der Schale mit zerlassener Butter. In der Bewegung lag etwas Energisches, das Mettes Herz klopfen ließ. Er fing ihren Blick auf.
»Möchtest du haben?« fragte er und reichte ihr die Schale. Seine Finger streiften ihre. Mette sah schnell hin. Sie waren lang und geschmeidig. Sie würde es gern sehen, wenn er sie nochmals berührt hätte.
»Draußen auf dem Boot war ein Herr, der einige Damen mit der Schwedischen Sünde unterhielt«, sagte Åke und nahm vom Meerrettich. »Es hörten nicht nur die Damen zu. Mehrere Passagiere senkten interessiert die Zeitung. >Wir sind verrufen in der ganzen Weite, sagte er und die Damen stimmten ihm zu. Hin und wieder vertiefte er sich ins Svenska Dagbladet, um Stärkung und Trost zu finden, nehme ich an. Bei Kappelskär trafen wir das Finnlandboot. Durch den Wellengang entfiel ihm plötzlich die Zeitung, und ratet, was herausfiel...«
Rakel hob das Glas zum Wohle.
»Liebe 1«, sagte sie lächelnd.
Åke hob auch das Glas.
»Du hast die Geschichte früher gehört«, sagte er.
»Ja«, sagte Rakel, »aber das erstemal, als du sie erzähltest, fiel Liebe 2 heraus.«
»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen«, sagte Mette tiefsinnig auf Deutsch.
»Und kann er das nicht, muß er etwas erfinden.« Rakel lachte: »Bravo, Mette, das hast du perfekt zitiert. Habe ich nicht eine tüchtige Schülerin, Åke?«
Verliebt blickte Mette auf Rakels rote Lippen und weiße Zähne. Ihr schien, als schaukele sie auf einem Meer der Freude. Durch das Verandafenster sah sie die Turmschwalben hin- und herschießen auf der Jagd nach Mücken. Rakel trank ihr zu, Åke ebenfalls. Sie hatte bereits zwei Gläser Wein getrunken. Nun sah Åke nur auf Rakel.
»Prost«, sagte er, »auf dich und die Frauen aus deinem Geschlecht.«
Sie tranken den Kaffee im Wohnzimmer. Åke saß neben Mette auf dem Sofa und legte den Arm über die Rückenlehne, so daß seine Hand ab und an, gleichsam unabsichtlich, Mettes Hals streifte. Sie beugte sich nach hinten, so genoß sie die Berührung.
»Zwei Pfennige für deine Gedanken«, sagte er. »Woran denkst du?«
Mette wurde verwirrt. Woran sie gedacht hatte: an ihn natürlich und wie schön es war mit seiner Hand im Nacken.
»An dich«, sagte sie, außerstande sich zu verstellen.
»An mich?« Er zog sie näher an sich, legte den Arm um ihren Rücken. Das war auch schön. Sie meinte, alles wiege sich; sie wünschte sich, die ganze Nacht so zu sitzen, an seine Brust gelehnt. Rakel beugte sich über sie.
»Ich glaube, unsere Jungfrau ist am Einschlafen«, sagte sie. »Möchte jemand noch etwas haben?«
Sie traf Åkes Blick, der deutlicher als Worte sagte, was er haben wollte. Sie lächelten über Mettes halbschlafenden Körper. Rakel flüsterte ihr ins Ohr:
»Komm, meine Unschuld, das Bett wartet.«
Diese Worte machten Mette hellwach. Sie setzte sich auf. Die Stutzuhr auf dem Sekretär schlug zehn. Wo war der Abend geblieben?
»Ich will nicht«, sagte Mette, »ich wage es nicht.«
»Will nicht«, wiederholte Åke, »wage nicht. Was ist es, was du nicht wagst und willst?«
Er nahm sie in seine Arme und beugte sich über das rosige Mädchengesicht. Sie bewegte die Lippen, als wenn sie etwas sagen wollte. >Jetzt küßt er mich<, dachte sie. Den ganzen Abend hatte sie sich gefragt, wie das sein könnte. Er hatte so einen schönen Mund, sensibel und gut. Als sie seine Lippen endlich auf ihren fühlte, fuhr er plötzlich zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Du nimmst zuviel Zucker in den Kaffee«, sagte er. Sie riß enttäuscht die Augen auf.
»Nein, wirklich nicht«, rief sie aus, »nur zwei Stück.«
»Ich muß es wohl noch einmal probieren«, sagte er. Sie
merkte, wie sie den Atem anhielt. Wie dumm, er könnte glauben, daß sie unerfahren sei. Im gleichen Augenblick spürte sie aufs neue seine Lippen und vergaß alles, weil die Welt sich drehte. Jammernd klammerte sie sich an ihn. Nun sollte er nicht aufhören. Aber gerade, als sie am meisten wollte, daß er nicht aufhöre, tat er es trotzdem. Rakel zog sie hoch, sie stand auf zitternden Beinen, nicht unähnlich einem armen Fisch, der eben aus dem Wasser geholt worden war.
»Laß sie ihren Portwein austrinken«, sagte Åke. Rakel hielt ihr das Glas an die Lippen. Sie trank gehorsam. Rakels Kleid schien im Dunkeln zu leuchten, und begehrlich sog sie den Duft ihrer Haut ein. Sie kicherte leise. Auch Rakel lachte. Wollust zog durch Mettes Körper.
»Erzähle, warum lachst du?« bat sie neugierig. Åke war beinah vergessen. Rakel zog sie, immer noch lachend, die Treppe hinauf.
»Du würdest nur klatschen«, sagte sie, genießerisch Åkes Blick auf sich fühlend. Im Schlafzimmer machte sie das Licht auf dem Nachttisch an, und sein rosa Schein ergoß sich über die gehäkelte Bettdecke.
»Ich verspreche, nicht zu klatschen«, sagte Mette eifrig-
Rakel zog sich das Kleid über den Kopf und stand in Büstenhalter und den dünnen Schlüpfern auf dem Bettvorleger.
»Ich bin verliebt«, sagte sie mit geheimnisvoller Stimme. Sie knöpfte den Büstenhalter auf. Mette starrte auf ihre Brust.
»In Åke?«
Rakel lächelte.
»Warum hast du nie gesagt, daß er so gut aussieht?« Mettes Stimme klang verwundert. Rakel dehnte sich. Nie war sie Mette so schön erschienen.
»Ich hatte es selbst vergessen«, antwortete sie.
Mette fühlte eine unbestimmte Eifersucht, ohne zu wissen, auf wen: auf Rakel oder Åke. Aber Rakel knöpfte ihr das Kleid auf, löste den Büstenhalter und wölbte die Hände um ihre Brust.
»Am meisten mag ich ihn, weil er nett ist«, entschied sie. Mette fühlte die Eifersucht weichen.
»Er ist so groß«, murmelte sie, »und kräftig... Genauso, wie ich finde, daß ein Mann aussehen soll.«
Sie kleidete sich aus und stellte sich nackt vor den Spiegel.
»Findest du, daß ich süß bin?« fragte sie bittend.
Rakel gab ihr einen Klaps hintendrauf.
»Ich finde, es wird höchste Zeit, daß du anfängst, dich zu waschen«, sagte sie, »sonst kommt Åke herein, bevor du fertig bist. So sehr viel Geduld hat er nicht.«
Als Mette sich gewaschen hatte, puderte Rakel sie mit Talkum und stäubte etwas Eau de Cologne in ihr Haar.
»Himmel, wie gut ich rieche«, sagte Mette entzückt. Sie zog das Nachthemd an.
»Kann ich nicht auch von deinem Parfüm bekommen?«
Rakel stand vorm Spiegel und bürstete ihr Haar.
»Eine Heckenrose soll wie eine Heckenrose duften«, sagte sie. »Teufel«, fuhr sie im gleichen Atemzug fort, »mein Nachthemd hängt draußen auf der Leine.«
Mette zog sich den Morgenrock über, um es zu holen. Sie sprang über den Rasen mit dem weißen Nachthemd über dem Arm. Es war feucht vom Tau und duftete nach Sonne und Wind. Sie bohrte ihr Gesicht in den kühlen Stoff. Als sie zurückkam, hatte Rakel ihr Haar gebürstet. Schwarz und glänzend fiel es über ihre Schultern. Sie war so schön, daß Mette sich eine Sekunde mutlos fühlte.
»Er wird nur für dich Augen haben«, murmelte sie und ließ das Nachthemd auf den Boden fallen.
Rakel zog sie an sich.
»Heute abend bist du die Hauptperson«, sagte sie. »Nimm den Morgenrock ab, damit ich weiß, wie du aussiehst.«
Mettes Nachthemd reichte nur bis zu den Leisten. Es war hellblau und ärmellos. Durch das dünne Nylon schimmerten die rosigen Brustwarzen. Rakel saugte ein bißchen daran. Mette reagierte sofort. Heftig legte sie die Hände auf Rakels schwellende Brust, als bettele sie darum, noch einmal von deren Naß kosten zu dürfen.
Den ganzen Abend hatte Rakel eine steigende Unruhe gespürt. Der Anblick des nackten Mädchens ließ ihre Erregung plötzlich den Gipfelpunkt erreichen. Leidenschaftlich fuhr sie mit den Händen unter Mettes kurzes Hemd, glitt den prächtigen Jungmädchenkörper hinauf und strich über die festen, spitzen Brüste. Außer sich küßte sie zum Schluß Mettes Mund, während sie den Finger zwischen ihre Schamlippen führte. Sie war so gefangen von ihren Gefühlen, daß sie nicht merkte, wie Åke in den Raum kam.
»Hört auf«, sagte er. »Ich möchte auch dabeisein.«
Sofort wandte sie sich ihm zu.
»Mach du weiter«, sagte sie. »Ich wärme inzwischen das Bett an.«
Er stellte eine Flasche Portwein und drei Gläser auf den Nachttisch. »Es sieht nicht so aus, als wenn das nötig wäre«, sagte er zu Rakel. Er fühlte sich wirr im Kopf. Hereinzukommen und zwei so schöne Frauen sich umarmen zu sehen, das war beinah mehr, als er aushalten konnte.
Mette zog und zog an ihrem Nachthemd. Nie war es ihr so kurz erschienen. Sie glaubte, sie müsse vor Scham sterben. Alles war Rakels Fehler. Sie fragte sich, wieviel Åke gesehen hatte. Wie frech von ihm, einfach so hereinzukommen, wie unglaublich frech. Sie würde ihm das nie verzeihen. Nie!
Mit einem halben Auge verfolgte er ihren Kampf mit dem Nachthemd. Wenn sie es vorn herunterzog, glitt es über den Hintern hoch, und zog sie es hinten herunter, zeigten sich vorn die gleichen verhängnisvollen Folgen.
»Ich habe schon alles gesehen«, sagte er. »Geh und leg dich neben Rakel, wenn du dich da sicherer fühlst.«
Sie sprang wie ein Reh über den Fußboden. Rakel empfing sie.
»Ist er boshaft?« fragte sie. »Kriech herein zu mir. Wir werden ihm zeigen, wie gut wir ohne ihn fertig werden können.«
Er goß sich Portwein ein und blickte kurz um sich. Das Zimmer durftete nach Frauen, nach Seife und Eau de Cologne. Gierig sog seine Nase den Duft ein. Dann kostete er seinen Portwein und setzte sich auf die Bettkante.
Rakel hatte sich nicht die Mühe gemacht, ein Nachthemd anzuziehen. Mette kroch an ihren Körper heran. Was es auch sein mochte, alles war besser als Åke. Sie lag mit der Wange an Rakels Brust. Plötzlich wurde sie sich dessen bewußt. Die Erregung von vorhin kehrte zurück. Rakel merkte es und schob ihr die Brustwarze an den Mund. Die Versuchung war unwiderstehlich. Gierig sog sie die Brustwarze ein, ließ sie schwellen und den Gaumen mit kitzelnder Wollust füllen. Åke war vergessen. Sie fiel durch einen Abgrund ohne Anfang und Ende. Bis Åke sie plötzlich an der Schulter nahm und mit Gewalt zwang aufzuhören.
Widerstand war sinnlos. Er war zu stark. Keuchend blickte sie in sein Gesicht, meinte es zu hassen. Da sah sie, daß er den Schlafanzug ausgezogen hatte. Seine Brust war behaart und kraftvoll. Sie schlug mit geballten Fäusten darauf ein. Er schien sich nicht darum zu kümmern, sondern neigte sich über sie, bis sie den Geruch seines Atems spürte.
Es waren noch immer ein paar Milchtropfen auf ihrer Unterlippe. Er kostete davon. Sie waren voll himmlischer Süße. Sie bewegte den Kopf ein wenig. Ihre weichen Lippen streiften seine. Er küßte sie. Sie versuchte, ihn fortzuschieben und hielt ihn gleichzeitig fest, als wüßte sie nicht länger, was sie wollte. Heftiger küßte er sie, angestachelt von dem süßen Geruch. Schließlich zwang er seine Zunge zwischen ihre widerstrebenden Lippen. Und endlich spürte er, wie sich ihr Mund für ihn öffnete, weich und gefügig, während ihre Zunge die seine traf.
Alle Leidenschaft, die Rakel in ihr entzündet hatte, wandte sich jetzt plötzlich Åke zu. Sie berauschte sich, vergaß Zeit und Raum. Nichts in der Welt könnte wunderbarer sein als Küsse. Ihr wurde schwindelig, als hätte sie sich auf einem Karussell gedreht. Aber das war ein lieblicher Schwindel, der nie enden dürfte. Oh, Åke, Åke, höre nicht auf mich zu küssen. In Ewigkeit sollst du mich küssen, in Ewigkeit!
Aber Åke machte eine Pause. Erstaunt öffnete sie die Augen. Sein helles Haar hing in die Stirn. Er warf es mit einer Kopfbewegung zur Seite. Sie meinte, daß sie nicht genug von ihm bekommen könnte. Ihre Augen reichten nicht aus. Sie mußte ihn auch fühlen. Sie strich und strich über sejne haarige Brust, befühlte die muskulösen Schultern. Aber selbst das Fühlen war nicht genug. Mißmutig ließ sie die Hände sinken. »Tu etwas« bat sie, »irgendwas.«
Er zog ihr das Nachthemd aus, streichelte über den nackten sonnengebräunten Rücken. Sie setzte sich auf und versteckte das Gesicht an seiner Brust. Das Haar hing ihr braun und zerzaust um die Schultern. Er fuhr mit den Fingern hindurch. Seine Hand war stark und rauh. Sie erschauerte vor Wollust. »Ist das schön?« fragte er, und sie nickte. »Ich friere«, sagte sie, »ich bekomme Gänsehaut. Du hast solche Finger.« Er drückte sie nieder auf das Kissen. »Mal sehen, ob du jetzt Gänsehaut bekommst«, sagte er und lächelte über den Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie war so süß und schön. Er streichelte ihr über den Hals und die Schultern. »Ja, das ist genauso schön«, sagte sie. »Du hältst die Finger auf eine besondere Art, das macht es so wunderbar.«
Er strich über ihre Brüste. Sie hielt die Hände vors Gesicht. »Tut es weh?« fragte er. »Nein, nein«, sagte sie schnell. Er sah auf ihre spitzen Brustwarzen und mußte sie küssen. Glatt und steif fühlte er sie an seinen Lippen. Sie legte die Hände um seinen Kopf, um ihn festzuhalten, und wimmerte dabei vor Erregung. Oh, warum war das so schön, warum war das nur so schön?
Er setzte sich auf. Ihre Erregung hatte ihn angesteckt. Er mußte sich ein wenig beruhigen. Sie drückte den Kopf in das Kissen. Die Augen glänzten wie im Fieber. »Das war zu schön«, flüsterte sie, »ich habe es kaum ausgehalten.« Sie atmete heftig, als wenn ihr die Luft knapp würde. Ihre Hand fiel auf seinen Schenkel. Es durchfuhr ihn wie ein Schlag. Schlafwandlerisch sah er auf ihren Bauch, strich über die runden Hüften. Ihr Atem ging immer unregelmäßiger. Seine Hand streifte das Haar ihrer Scham. Es war dicht und hart. Er zwang sich, nicht darauf zu sehen, beugte sich herunter und küßte sie genau unterhalb der Magengrube. Seine Hände drückten die Hüften, wo sie am breitesten waren.
Rakel sah, mit welcher Mühe Åke sich zusammennahm. Sein Glied zeigte schräg nach oben und machte sie matt vor Erregung. Mette hatte die Augen geschlossen.
»Wie wäre es mit etwas Portwein«, fragte Rakel. Sie nahm die Flasche und füllte die drei Gläser auf dem Nachttisch.
Mette merkte nicht einmal, daß sie Portwein trank. Irritiert über die Unterbrechung leerte sie das Glas, als wäre es Wasser.
»Wie trödelig ihr seid«, klagte sie. »Ihr habt ja kaum den Wein angerührt.« Rakel strich ihr über die roten Wangen, die so heiß waren, daß sie lächeln mußte.
»Na, na, kleine Jungfrau«, sagte sie. »So eilig haben wir es wohl nicht.«
Mette lehnte für einen Augenblick das Gesicht an ihre Schulter. »Oh, Rakel, Rakel, warum hast du nie gesagt, daß es so schön ist?«
Rakel streichelte ihr das Haar.
»Es wird noch schöner«, sagte sie. Sie seufzte ein bißchen. Åke stellte das Glas weg.
»Leg dich hin«, sagte er zu Mette, »wir wollen sehen, ob Rakel recht hat.«
Sie sank zurück auf das Kissen, glücklich, daß die Unterbrechung beendet war. »Nun trinken wir keinen Wein mehr«, wollte sie sagen, aber Åke ließ ihr keine Zeit dazu. Er ließ die Hand von den Hüften nieder zu ihren Schenkeln gleiten. Ihr Herz begann zu klopfen. Nun strich er wieder über ihren Bauch. Das Herzklopfen nahm zu. Ihr ganzes Fühlen konzentrierte sich dahin, wo Åkes Hände waren. Mit den Fingerspitzen strich er über ihren Bauch, unablässig neue Beben der Wollust hervorrufend. Gedanken hörten auf, Gedanken zu sein. Die Welt gab es nicht mehr. Das einzige, was existierte, waren Åkes Hände und jemand, der stöhnte. Es dauerte eine Weile, ehe sie begriff, daß sie das selbst war.
Åke sah auf die kräftigen Mädchenschenkel, die so vollendet wirkten, daß er außer sich geriet. Sie bewegten sich ununterbrochen, als könnten sie nicht still sein. Er sah auf ihren Venusberg, der sich im Takt hob und senkte. Er legte die Hand darüber und drückte ihn fest. Unter dem weichen Hügel spürte man das harte Schambein. Das Haar kitzelte seine Handfläche. Liebkosend führte er die Schenkel zur Seite und glitt mit einem Finger über die geöffneten Schamlippen. Er sah, daß der Durchgang noch eng war. Vielleicht könnte er es nicht vermeiden, ihr weh zu tun. Er streichelte ihre Klitoris. Sie wölbte sich ihm entgegen wie eine Brücke.
»Tu etwas«, wimmerte sie. »Åke... Rakel... tut etwas.«
Er legte sich vor ihr auf den Bauch, schlang die Arme um ihre Schenkel und zog sie so weit wie möglich auseinander. Der Duft ihres Schoßes war frisch. Begierig sog er ihn ein, führte den Mund an die rosa Schamlippen, die noch nichts von einem Manne wußten. Zart und vorsichtig küßte er sie, während seine Hände ihre Schenkel drückten. Die Innenseiten streiften weich an seihe Wangen. Sie versuchte, sich aufzusetzen, aber da kamen Rakels Hände. Beruhigend drückte sie sie nieder und liebkoste ihr Brust und Schultern. Wimmernd gab Mette jeden Gedanken an Widerstand auf. Es war zu wonnig... zu wonnig. Åkes Küsse wurden immer heftiger. Sie fühlte die Zunge in die Scheide gleiten. Erschöpft legte sie die Arme über den Kopf, drehte ihn leise von einer Seite zur andern, und die Tränen rannen ihr die Wangen hinab.
Åke erhob sich halb. Sein Gesicht war wie verwischt vor Verlangen. Mette sah ihn an. Die Schweißtropfen perlten auf seinen Wangen, der Mund bewegte sich, als suchte er nach Worten, die es nicht gab. Mit einem Mal fühlte sie eine schmerzliche Zärtlichkeit für ihn. »Es ist nichts Gefährliches«, wollte sie flüstern, »es ist überhaupt nichts Gefährliches.« Sie streckte die Hand aus, um ihn zu streicheln, aber die Hand sank machtlos herab. »Åke«, flüsterte sie, »Åke, Åke.«
Er führte sein Glied an ihren Scheideneingang. Seine Erregung war so groß, daß er sie kaum ertragen konnte. Ein Beben ging über ihr Gesicht. Ihre Stirnlocken waren feucht vom Schweiß, die dunkelblauen Augen sahen ihn abwesend an, die Mädchenlippen entblößten eine blendendweiße Zahnreihe. Vorsichtig führte er das Glied rund um ihre Scheiden Öffnung, glitt vor und zurück über ihre Klitoris. Er sah ihre Wollust sich sprunghaft steigern, bis er davon so mitgerissen wurde, daß er sich nur mit äußerster Mühe bezwingen konnte, vorsichtig einzudringen. In einer Reihe erst vorsichtiger, dann immer kräftigerer Stöße passierte er das weiche Hindernis. Sie keuchte vor Schmerz, aber’ einen Augenblick danach schrie sie vor Wollust, als er ganz tief eindrang.
Der Schrei ließ ihn alles vergessen. Wie in Trance biß er sie in den Hals und fühlte, wie sich ihre Nägel in seine Schultern einbohrten.
Sie kratzte ihn mit gekrümmten Fingern quer über den Rücken, während ein Lachen in ihrem Hals gurgelte, wild und unkontrolliert. Mette empfand, wie die ganze Welt strahlte und sie in einem Bogen hoch über die Sterne geschleudert wurde. Selbst eine Sonne unter Sonnen, wurde sie plötzlich in einer Lichtflamme vernichtet, flog sie wie ein Lichtstern durch das All.
Leise, leise verwandelte sich die Welt in ein warmes Dunkel, in dem sie ausruhte. Allmählich tauchten verwischte Bilder auf, sinnlose: sie sah Rakel draußen bei Örkobben den Hecht herausziehen, sah Åke lächelnd auf das Wohl der Frauen trinken, sah das weiße Nachthemd auf der Wäscheleine. Die Bilder waren voller Süße, rätselhaft und unerklärlich. Sie wußte nicht, ob sie schlief oder wachte.
Sie spürte ein Streicheln auf dem Bauch, leicht wie ein Schmetterlingsflügel, weich, warm. Verschlafen blickte sie auf und sah in Åkes Augen. Seine Pupillen waren dunkel, von einem Ernst geweitet, der bis auf den Grund ihres Wesens drang. Sein Mund flüsterte unhörbare Worte, erfüllt von unaussprechbarer Zärtlichkeit. Mette erschauerte. Sie wollte ihn streicheln, aber ihre Hand sank herab. Der Schlaf nahm sie in Besitz, ein warmer, wiegender, wonniger Schlaf. Weit weg hörte sie Rakel flüstern: »Wir lassen sie hier liegen und schlafen.« Sie spürte, wie jemand sie zudeckte. Das Letzte, was sie bemerkte, war ein Kuß auf ihrer Wange und der Duft von Rakels Parfüm. Dann überkam sie der Schlaf, und alles verschwand.
»Wir fahren mit dem Boot nach Rödskären«, sagte Rakel am nächsten Morgen. Sie tranken den Morgenkaffee unter der Eiche. Trotz des Schattens war es unerträglich heiß. Aus den Ästen des Baums hörte man unablässig das betäubende Summen der Insekten.
»Wenn ich bloß wüßte, wozu die Bienen da oben summen«, sagte Rakel. »Die Eiche hat ja gar keine Blüten.«
Åke machte sich darüber keine Gedanken. Mit Wohlbehagen strich er Butter auf eine Weißbrotscheibe und lehnte sich im Sessel zurück. Mette sah ihn mit verliebten Augen an. Sein helles Haar war zerzaust, das Hemd wegen der Wärme geöffnet. Sekundenschnell trafen sich ihre Blicke. Seine Augen waren so blau, daß sie Herzklopfen bekam. Sie schwappte Kaffee auf das Tischtuch.
»Aber Mette«, sagte Rakel, »wo hast du nur deine Gedanken? «
»Mette hat keine Gedanken«, sagte Åke. Er beugte sich vor und steckte ihr ein Zuckerstück in den Mund. Die Berührung seiner Finger war so erregend, daß ihr Herz schneller schlug. Er zwickte sie in die Nase. »Du hast die süßeste Nase der Welt«, sagte er. »Weißt du das eigentlich?«
Sie errötete, obgleich sie schon selbst manchmal auf die Idee gekommen war, wenn sie in den Spiegel sah.
»Sieh mich auch an«, sagte Rakel. »Ich habe die Shorts nur deinetwegen angezogen.«
Åke sank im Stuhl zurück und genoß es, Rakels braune Hände über die weißen Shorts streichen zu sehen.
»Gebt mir doch eine Weißbrotscheibe«, sagte er, »mit doppelt soviel Butter.«
Eifrige Hände langten nach der Butterdose. Mette gewann. Triumphierend reichte sie ihm die Schnitte. Ihre Finger zitterten leicht. Sie sah auf Åkes Mund. >Glückliche Weißbrotscheibe<, dachte sie, >glückliche, glückliche Weißbrotscheibe. <
Sie verstauten Essenkörbe, Schwimmwesten und Bademäntel im Boot. Zuletzt stellten sie Lottas Korb auf den Boden. Åke baute für sie einen Sonnenschutz mit Hilfe einer Badekappe und eines Stockes.
»Du kannst alles«, sagte Mette voller Bewunderung. Er strich ihr über das Haar.
»Mal sehen, ob ich auch den Motor in Gang bekomme«, meinte er.
Mette hielt den Atem an. Aber bereits beim ersten Ruck startete das Boot so freundlich, als hätte es nie Scherereien gemacht.
»Rakel muß manchmal fünfzehn- bis zwanzigmal ziehen«, sagte Mette zufrieden. Sie starrte ihn so entzückt an, daß Rakel lächeln mußte.
Es briste auf der sonnenglitzernden Krokö-Förde. Geblendet sah Mette darüber hin. Weit hinten öffnete sich der Meeresrachen. Der Name ließ sie immer zusammenfahren. Wenn ihr Boot davon verschlungen würde. Ein schlürfender Laut... und weg war es. Aber Åke sah nicht ängstlich aus. Er blickte abwechselnd auf die Seekarte und die Förde, seine Hand lag ruhig auf der Ruderpinne. Ihn erschreckte kein Meeresrachen. Rakel zeigte auf die Inseln: Ängsholmen, Örkobben, Tistronskär. Auf dem hohen, grünen Granöland leuchtete die Granö-Bake, rot und weiß, das Fahrwasser mit ihrer Mächtigkeit beherrschend.
»Halt nicht zu weit Backbord«, sagte Rakel, als sie durch den grünen Lindösund gingen. »Da liegt ein Stein im Schilf.«
Mette war zum erstenmal auf Rödskären. Åke zog das Boot auf den weichen Sand und stellte Lottas Korb in den Schotten eines Himbeerstrauches, wo sie mit runden Augen in die Zweige sah, die im Winde schwankten. Rakel spannte das Mückennetz über sie.
»Nun baden wir«, sagte sie, »und dann essen wir Lunch.«
Åke steckte die Armbanduhr in die Tasche seiner Shorts. Er sah auf Rakel und Mette, die nackt zum Wasser hinunterliefen.
»Wer zuerst drin ist, darf zuerst mit mir schlafen«, rief er aufmunternd.
Mette raste so heftig ins Wasser, daß sie sofort auf dem Hintern saß. Am Strand standen Åke und Rakel. Sie lachten so, daß sie sich gegenseitig halten mußten. Mette saß bis zum Bauch im Wasser, die runden Knie ragten über die Oberfläche, naß und braun.
»Ihr neckt mich bloß«, rief sie, »pfui, wie gehässig ihr seid!«
Rakel ging langsam ins Wasser.
»Du hast ja auf jeden Fall gewonnen«, tröstete sie. »Denk an mich, die immer die zweite ist.«
Sie waren alle drei ziemlich lange im Wasser. Mette glaubte, nicht genug bekommen zu können. Die Schultern waren heiß von der Sonnenhitze, der Körper unter Wasser blieb kühl und leicht. Sie schwamm und schwamm. Aber als Åke und Rakel herausgingen, verlor das Wasser sofort seinen Reiz, und sie trottete auch an Land. Sie schüttelte ihr nasses Haar, daß die Wassertropfen spritzten.
»Du siehst aus wie ein Seehund«, sagte Åke und zog sie an sich. Seine Stimme klang anders als vorhin im Wasser. Sie war leise und ließ Mette erschauern. Die Wassertropfen glänzten auf seiner Haut. Sie bohrte ihr Gesicht in seine Brust. Es roch nach Wind und Salzwasser.
»Wir essen wohl erst«, sagte Rakel vom Lunchkorb her.
Åke zum Essen zu überreden, war niemals schwer. Mit geschickten Händen half er Rakel beim Decken und öffnete schnell drei Bierbüchsen. Das Bier sprudelte hoch in die Luft.
»Ah«, sagte er. Er trank direkt aus der Büchse. »Wo sind die Oliven? Da. Und die Eier? Da. Gott, was ich für einen Hunger habe.«
Mette hielt einen Fleischklops in der Hand und war so beschäftigt damit, Åke anzusehen, daß sie das Essen vergaß. Rakel folgte ihrem Blick. »Ja, er ist hübsch, sogar wenn er ißt«, pflichtete sie bei. »Will jemand ein Heringsbrot haben?«
»Aus meinem Mund hört ihr kein Nein«, sagte Åke. Er öffnete eine weitere Bierbüchse und sog den Schaum ab. Mette trank, um ihm zu helfen. Sie hatte das Gefühl, als stände die Zeit still. Die Sonne würde nie untergehen, der Wind nie aufhören zu wehen, die drei würden nie auseinandergehen. Wenn sie Åke ansah, liebte sie ihn; wenn sie
Rakel ansah, fand sie, daß niemand in der Welt ihr glich. Wirr vor Glück nahm sie von den Speisen, ohne zu merken, was sie aß. Der Sonnenschein umfloß sie, wärmte und verzauberte sie und erfüllte ihnen alle Wünsche.
Nach dem Essen machte sie einen Streifzug um die Insel, während Åke sich im Sand ausstreckte, um auszuruhen. Überall wuchsen Heidekraut und verkrüppelte Kiefern. Die Wacholderbüsche waren klein und verkümmert, die Steinplatten der Klippen an den Stränden glatt wie Marmor. Sie sah weit hinaus auf das Älandmeer und fühlte einen leichten Schwindel; es war so komisch, kein Land zu sehen. Im Schutze einiger Felsblöcke fand sie einen Hang mit reifen Erdbeeren. Sie stieß einen Ruf des Entzückens aus. Lange Zeit pflückte und aß sie und fädelte zum Schluß eine rote, duftende Beerenreihe auf einen Halm, um sie für Åke und Rakel mitzunehmen.
Als sie zurückkam, ging Rakel mit Lotta im Arm den Strand entlang. Ab und zu tauchte sie ihre Füßchen ins Wasser. Lotta schrie vor Entzücken und zappelte mit den rosigen Fußsohlen. Åke betrachtete sie aus seiner liegenden Stellung im Sand.
»Warum sind Frauen immer so lieblich?« fragte er.
Rakel ließ die Augen nicht von Lotta.
»Darum, weil wir es sein wollen«, sagte sie in einem Ton, als wenn sie eine alte Weisheit ausgesprochen hätte. Sie drückte Lotta an sich. Mette hielt ihren Halm hin.
»Ich habe Erdbeeren gefunden«, sagte sie.
Åke sah sie an.
»Füttere mich«, sagte er. »Ich bin zu faul, mich zu rühren.«
Sie setzte sich neben ihn und steckte eine Erdbeere nach der anderen zwischen seine Lippen. Sie waren so weich, so verlockend, weniger rot als die Beeren, aber lieblicher, besonders die Unterlippe. Sie bekam Lust, ihn zu küssen. Er roch an ihren Fingern.
»Du duftest wie der ganze Sommer«, sagte er. Die Augen in seinem sonnengebräunten Gesicht waren so blau, daß sie in ihnen hätte ertrinken mögen.
»Weißt du, daß die Zeit stillsteht?« fragte sie. Bald konnte sie es nicht länger lassen, ihn zu küssen. Er legte den Arm um sie und zog sie an sich.
»Auf jeden Fall ist meine Uhr stehengeblieben«, sagte er.
Rakel setzte sich ein Stück weiter, um Lotta zu stillen.
»Dem Glücklichen schlägt keine Stunde«, sagte sie. Im gleichen Augenblick fühlte Mette seine Lippen auf ihren. Sie schmeckten nach Erdbeeren. Sie biß in seine Unterlippe. Plötzlich merkte sie, daß sie auf dem Rücken lag. Åke neigte das Gesicht über sie, sein helles Haar hing in die Stirn, der Mund bewegte sich ein wenig, die Nasenflügel bebten. So küßte er sie wieder, führte die Zunge in ihren Mund und ließ seine Hand über die Hüften hinunter zu den Schenkeln gleiten.
Rakel betrachtete sie voller Zärtlichkeit. Sie spürte eine leichte, behagliche Erregung, die mit der Wollust des Stillens zusammenfloß. Sie sah Åkes Hand die prächtigen Mädchenschenkel liebkosen, sah, wie er sie öffnete. Sich ergebend warf Mette den Kopf zurück und preßte ihren Schoß gegen seine Hand. Ihre Finger streichelten ihn, während sie Worte murmelte, die nur unartikulierte Laute waren. Åkes Gesicht war so nackt, so bebend, daß Rakels Zärtlichkeit zu heftiger Liebe anwuchs. »Oh, mein Liebling«, murmelte sie und drückte Lotta fester an sich. Åke führte sein Glied ein bis zur Wurzel. Mette schrie. Das Haar lag fächerförmig ausgebreitet auf dem Sand. >Schrei, meine Kleine<, dachte Rakel liebevoll, >schrei nur.< Jetzt sah sie, wie Mette die Nägel in Åkes Rücken bohrte, der noch Spuren vom Liebeskampf der Nacht trug.
»Ich sterbe!« schrie Mette. Sie schlug die Beine um Åke.
Rakel wandte den Blick einen Moment Lotta zu. Als sie wieder aufsah, lagen Mette und Åke wie ausgeleert am
Strand, jeder ruhte in seiner eigenen Welt. Die Sonne war gewandert, so daß sie im Schatten lagen. Rakel breitete ihren Bademantel über sie. Sie legte Lotta in den Korb. Dann nahm sie die Thermosflasche und begann, den Kaffeetisch zu decken.
Åke bemerkte als erster den Kaffeegeruch. Er sog ihn begierig ein. »Wach auf, Mette«, sagte er, »wir bekommen Kaffee ans Bett.«
Schlaftrunken setzte sich Mette auf.
»Wo kommt der her?« fragte sie, als sie den Bademantel sah. »Warum ist es so kühl?«
Åke gähnte.
»Wir sind im Schatten«, erklärte er. Mette sah ihn mit schmerzerfüllten Augen an.
»Die Sonne hat sich verzogen«, sagte sie. Ihre Stimme klang anklagend. »Die Zeit steht nicht länger still. Sie steht nicht länger still. Sie steht überhaupt nicht still.«
»Wenn sie nur so lange stillsteht, bis ich den Kaffee in mir habe, bin ich zufrieden«, sagte Åke so fröhlich, daß Mette lächeln mußte. Er stand auf, reichte Mette die Hand und zog sie auf die Füße. Die Arme umeinandergelegt, gingen sie hinaus in den Sonnenschein zu Rakel und dem wartenden Kaffee.
»Nun gehört die Nacht mir«, sagte Rakel, als der Abwasch nach dem späten Abendbrot fertig war. Mette hängte die Handtücher auf. Åke war auf dem Weg zum Speiseschrank.
»Wirst du niemals satt?« fragte Rakel. Sie legte die Hände auf seine Schultern und sah ihn mit einem Blick voll Zärtlichkeit und Spöttelei an.
Åke lächelte.
»Ich wollte nur diese Wurst hier kosten«, erklärte er. »Bleibt etwas übrig, kannst du auch was abhaben.«
Er spürte ihren Duft. Ihre Wangen glühten, die Lippen waren wie Rosen.
»Was hat diese Wurst an sich, das ich nicht habe?« fragte sie. Sie schob die Hände unter sein Hemd, streichelte ihm über die Schultern. Sein Mund bekam einen träumenden Ausdruck.
»Nichts«, murmelte er, »genaugenommen, nichts.«
Rakel küßte ihn.
»Du hast dein Herz auf den Lippen«, sagte sie. »Wenn ich sie küsse, küsse ich dein Herz.«
Mette ging hinauf in ihr Zimmer. Ihr war schwindelig vor Sonne, schwindelig vor Liebe. Die Nacht erschien ihr allzu lang ohne Åke und Rakel. Verträumt zog sie sich aus, saß lange auf dem Bett und sah durchs Fenster. Der Mond ging über den Baumwipfeln auf. Sie hörte Rakels und Åkes Stimmen aus dem Schlafzimmer. Zwischen dem Mehlbeerbaum und der Linde leuchtete die Venus mit intensivem Glanz. Liebkosend berührte sie ihre Brust, fragte sich, ob sie jemals wieder einen Mann wie Åke treffen würde.
Allmählich begriff sie, nach den Geräuschen aus dem Schlafzimmer, daß Rakel und Åke schon weit gekommen sein müßten. Eine unwiderstehliche Lust überkam sie, zu sehen, was sie machten. Lautlos öffnete sie die Tür und schlich durch den Flur. Vor Rakels Tür blieb sie stehen und hielt das Auge an das Schlüsselloch.
Sie sah genau ins Bett. Rakels schwarzes Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen, die Lippen schienen zu glühen, die Zähne leuchteten. Ihr Gesicht verriet eine Ekstase, die Mettes Herz klopfen ließ. Ja, so fühlte man es. Jetzt wußte Mette das! Rakels Hände hielten Åkes Hüften mit festem Griff umfaßt, als versuchte sie, ihn noch tiefer in sich hineinzupressen.
Als sie am Sonntagmorgen erwachte, schlief das Haus noch. Nicht einmal Lotta war munter. Sie zog ihre Shorts und das Bikinioberteil an und ging hinunter in die Küche. Zerstreut nahm sie ein Milchbrötchen aus dem Brotkasten. Die Küchenuhr stand. Das machte nichts. Sie könnte ins
Wohnzimmer gehen und nach der Stutzuhr auf dem Sekretär sehen. Aber auch die war stehengeblieben. Um so besser, dachte sie, endlich steht die Zeit richtig still. Sie nahm noch ein Milchbrötchen und ging hinunter zur Fliederlaube, um sich zu sonnen.
Der Morgen war heiß aber frisch. Die Schmetterlinge flatterten zwischen den Blumen, die Insekten summten, der Boden dampfte vor Wärme. Sie legte sich auf den Bauch in das grüne Gras . Es war ihr egal, daß die Shorts vielleicht fleckig wurden. Oh, wie es duftete. Ein Stück vor ihr saß eine Heuschrecke und sah sie mit starrem Blick an.
»Sei nicht ängstlich«, sagte sie. »Wir werden in Ewigkeit leben, du und ich.« Aber die Heuschrecke machte sich mit einem langen Sprung auf und davon. Mette lächelte vor sich hin. Da müßte sie die Ewigkeit eben allein verbringen. Das Gras würde über sie wachsen, höher und höher, die Bäume und Büsche auch, und niemand würde wissen, daß hier Mette lag, siebzehn Jahre alt.
Plötzlich bewegte sich etwas im Flieder. Mette zuckte zusammen. Sie bekam Herzklopfen. Zwischen den Zweigen sah sie ein Paar rote Badehosen. Ein Gefühl der Unwirklichkeit ergriff sie. War überhaupt etwas geschehen, seit sie diese Badehosen da zum erstenmal gesehen hatte? »Hej«, sagte sie.
Der Junge stand ganz still.
»Ich habe dich schon gesehen«, erklärte sie. »Steh nicht länger da in deinem Versteck. Komm heraus.«
Der Junge kam widerstrebend zu ihr und setzte sich ins Gras. Die geröteten Wangen zeigten deutlich seine Verlegenheit. Die schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Er glotzte sie an.
»Hab keine Angst«, sagte sie mütterlich. »Ich will dich nicht aufessen.«
Der Junge fuhr sich ungeduldig durchs Haar.
»Ätsch«, sagte er nur und machte eine mürrische Bewegung mit dem Kopf. Mette mußte lachen.
»Ich habe dich schon früher gesehen«, sagte sie.
Der Junge wurde so rot, daß er ihr plötzlich leid tat. Er biß sich auf die Lippen. Er hatte einen süßen Mund, der aber jetzt gerade störrisch aussah. Die Wangen waren noch ganz flaumig. Der sonnengebräunte Körper wirkte lang und schlaksig, jede Rippe war zu sehen.
»Willst du mit mir schlafen?« fragte sie.
Er fuhr heftig zusammen. Sein Mund zog eine Grimasse. »Darf ich?« murmelte er.
Sie nickte. »Du darfst.«
Wieder fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich habe es nie vorher getan«, sagte er, »vielleicht geht das nicht.«
Sie lächelte ihn an.
»Es wird schon gehen«, sagte sie. »Ich werde dir helfen.«
Sie zog die Shorts und den Büstenhalter aus. Er starrte sie hilflos an. Er sah aus, als würde er jeden Moment davonlaufen.
»Wie heißt du?« fragte sie.
»Bosse.« Er fuhr fort zu starren. Sein Gesicht war ganz bleich.
»Komm nun, Bosse«, sagte sie, »ich heiße Mette.«
Noch ein paar Augenblicke starrte er sie an wie versteinert. Dann riß er sich plötzlich die Badehose herunter und legte sich heftig auf ihren Körper, ohne richtig zu wissen, was er damit anfangen sollte.
Sie streichelte ihm über den schmalen Rücken, der Åkes breitem und kräftigem so ungleich war. Ihr wurde weich ums Herz.
»Du zitterst wie Espenlaub«, sagte sie. »Küß mich lieber.«
Er begann vorsichtig, ihren Mund zu küssen. Es ging bald besser. Stöhnend drückte er ihre Brüste. Sie fühlte sein Glied zwischen den Schenkeln schwellen.
»Du hast es viel zu eilig«, sagte sie.
Linkisch versuchte er, sein Glied in sie zu pressen. Sie bahnte ihm den Weg. »Siehst du«, sagte sie und streichelte ihn, »nun bist du gleich da. Nur noch ein paar Stöße. Jetzt.«
Der Junge übernahm plötzlich ganz die Führung. Heftig glitt sein Glied vor und zurück. Sie schrie vor Wollust, doch in einigen Sekunden war alles vorbei. Der Junge lag mit seiner Wange an ihrer Brust und keuchte.
»Du hattest es zu eilig«, murmelte sie, strich ihm über den schmächtigen Nacken. »Das nächste Mal wird es viel besser gehen.«
Der Junge setzte sich plötzlich auf.
»Das nächste Mal«, wiederholte er, als traute er seinen Ohren nicht.
Sie lächelte ihn an.
»Wenn du noch mal willst«, sagte sie.
Er zog sich schnell die Badehose an.
»Junge«, sagte er mit vor Begeisterung gebrochener Stimme. »Junge, Junge.«
Sie zog die Shorts an und lachte über sein unverhohlenes Entzücken. »Sag wenigstens Mädchen«, schlug sie vor.
Er griff eifrig nach ihren Händen.
»Ich muß jetzt nach Hause, spachteln«, sagte er. »Und dann muß ich mit meinen Eltern weg. Aber morgen... können wir uns morgen treffen?«
Sie ging verträumt hinauf zu dem grünen Haus. >Bosse<, dachte sie. >Was für ein netter Name. Er paßt zu ihm.< Als sie in die Küche kam, saßen Rakel und Åke beim Kaffee.
»Bravo, Mette«, sagte Rakel, »ich habe nie eine tüchtigere Schülerin gehabt.«
Åke goß Kaffee in Mettes Tasse.
»War es gut?« fragte er neckend.
Sie ließ sich auf den Stuhl fallen.
»Ihr habt zugesehen«, rief sie mit Erröten.
»Sicher«, sagte Rakel. »Können wir dafür, daß man vom Küchenfenster direkt in die Fliederlaube sieht?«
Sie reichte Mette die Zuckerdose.
»Åke sagt, du wärest eine so tüchtige Schülerin, daß ich dir Laudatur geben soll. Das war, bevor ich dich unten bei der Fliederlaube in Aktion sah. Jetzt, glaube ich, gebe ich dir statt dessen die Zensur par mihi.«
Mette rührte und rührte in ihrer Tasse und sonnte sich dabei in der Bewunderung der anderen.
»Nun wird sie gleich platzen«, sagte Åke zu Rakel. »Du solltest darauf hinweisen, was die Sklaven zu den römischen Triumphatoren sagten: >Vergiß nicht, daß auch du sterblich bist.<«
»Damit werde ich gleich morgen anfangen«, sagte Rakel und langte nach dem Brötchenkorb für Mette. »Wir sind noch nicht fertig mit dem Deutschunterricht.«