LOKA ENMARK

Das Fliederbett

 

Siehst du, siehst du nicht, wie sie sich bewegen! Ihre Bewegungen sind zwanglos, natürlich; man wird nie müde, sie zu betrachten. Welcher »man« wird nie müde, fragst du? Alle Menschen natürlich. Warum soll man nicht nach allen Männern und Frauen sehen, frage ich mich, ich, die ich mich nie nach Frauen umgedreht habe und jetzt mit fast der gleichen Begeisterung nach Negerinnen wie nach Negern sehe. Stell dir vor, ganz genauso, wie die sich bewegen, ist es, mit ihnen zu schlafen... Du siehst gelangweilt aus. Du bist trotzdem höflicher als ich zu meiner Zeit. Ich zog eine Grimasse, als ich das hier hörte: man soll so spät wie möglich mit Negern anfangen, weil man danach nichts anderes mehr will.

Die lyrischen Ergüsse der Freundinnen über die Vorzüge schwarzer Herren machten mich ein bißchen neugierig und sehr mißtrauisch. Mißtrauischer kannst du nicht sein. Jedesmal, wenn jemand anfing von dem zu fantasieren, was es in der weißen Welt nicht gibt, fiel ich ihm ungeniert ins Wort. Da gibt es, deklamierte ich geziert, wunderbare, schöne, blauschwarze Gesichter, in denen die Augäpfel und Zähne wie Gänseblümchen leuchten, seidene Haut, den wunderbar herben Geruch, der einen beinah dazu bringt, sich zwischen den verschwitzten Weißen eine Gasmaske zuzulegen, und dann dieses Tingeltangel da zwischen den Beinen, mit dem sie angeblich, weiß der Teufel wie viele Male, in einer Nacht mit einem lieben können. — Mit so wunderbaren Requisiten

muß es auch in den stärksten Ekstasen unmöglich sein zu versagen, lästerte ich weiter und schloß mit der Frage: der ganze Zauber mit denen soll also sein, daß man auf eine völlig neue Art mit den Beinen strampelt? Und wenn das getan ist, erscheinen mit einem Schlag alle Weißen exakt so sexy wie Spanferkel?

Ich war dieser weiblichen Lobgesänge überdrüssig und beforschte die Männer, was sie von dieser Sache hielten. Ich hörte ein ganz neues Lied. Als wenn es die großen Schwänze wären! riefen sie indigniert. Alle kannten die Masse von Frauen, die darüber weinten und klagten, daß ihre Männer zu große Schwänze hätten. Außerdem hätte die Größe gar nichts zu sagen. Es käme auf die richtige Anwendung an. Aber es war ja klar, daß sich unnormale Frauen mit Riesenöffnungen, denen ein gewöhnlicher, erstklassiger Mann nicht genügte, an Neger hängen müßten.

Waren es mehrere Männer, so konnte es fast zum Streit kommen. Ein Mutiger oder Gedankenloser fragte zum Beispiel, ob es wahr sei, daß ein Neger die ganze Nacht könnte, in einem fort, ohne schlaff zu werden. »Ich finde das merkwürdig«, beichtete der Unüberlegte, »wenn es bei mir gegangen ist, bin ich für mehrere Stunden hinterher groggy.« Mit lautem Gebrüll wurde ihm geantwortet: wer hat denn gesagt, daß es für einen selbst genauso oft gehen muß wie für die Frau. Man kann mit diesen kleinen Krämpfen sparen. Sie sind gar nicht so wichtig. Aha, aha. Diese neue Interpretation gefiel mir sehr. Einmal steigerte sie mein Interesse an Negern, zum anderen brachte sie mich zum Lachen.

Mehr aus Zufall geriet ich mit diesem für mich so wichtigen Negerproblem an einen Juden. Glaubte er, daß es so sehr viel anders sein müßte, mit einem Neger zu schlafen? Er betrachtete mich voller Abscheu und begann über Rassendiskriminierung und was er davon hielt, zu sprechen. Zum besseren Verständnis setzte er hinzu, daß er für sein Teil mit einer Negerin geschlafen hätte, und da gäbe es überhaupt keinen Unterschied. Als einziges waren ihm blaue Brustwarzen aufgefallen. Aber absolut kein Geruch. Absolut keiner. Der Gedanke, daß Neger riechen könnten, brachte ihn mehr auf, als des alten Albert Engströms Geschichte vom Teppichhändler, der sagt: »Das sind nicht die Teppiche, die stinken, das bin ich.« Ein netter Mann, den ich traf, erklärte das so: ich verstehe vollkommen, daß es netter sein muß, mit Negern zu schlafen. Meine einzige Erfahrung auf diesem Gebiet besteht aus pornographischen Filmen, und da sieht man ja, daß ein Neger so ist, wie es sein soll. Weiße sind bloß Karikaturen.

Die Kumpane sagten schlecht und recht: willst du hübsche Dinger haben, schlaf mit Negern. Sie sind oft groß und vor allem, rein plastisch gesehen, schön. Nimm dich nur vor ihnen als Menschen in acht. Sie sind wie arme, gierige Kinder. Paßt du nicht auf, nehmen sie alles, was du besitzt; das heißt, sie bitten und du gibst, weil du es so rührend findest, ihre traurigen Kindergesichter aufleuchten zu sehen. Übrigens, sogar das sind sie wert. Gott, welche Dinger!

Nach allem diesen hier war eine Sache klar: was ich auch für oder gegen Neger hatte, nun sollten sie ausprobiert werden. Man brauchte es nur zu halten wie Dimitri Karamasov, sich hineinstürzen — kopfüber.

Ich saß hier in der Nähe, wo wir jetzt sitzen, und dachte, daß man sich alles über diese Stadt anlesen könnte. Aber auch jedes Gebäude, was einem gleichgültig ist, wird beschrieben. Ich sehe keine Häuser in fremden Städten, und ich glaube auch nicht, daß andere Frauen welche sehen. Man reist, um Eindrücke des anderen Geschlechts zusammenzuraffen. Möglichst viele Eindrücke. Alles über diese Stadt kann man also lesen, bis auf eine Sache, die vergessen wurde: hier gibt es Neger. Massen von Negern. Merkst du nicht, daß du eigentlich nie vorher Neger gesehen hast? Zu Hause trifft man mal ein oder zwei, und da guckt man weg, als ginge es um einen Verkehrsunfall oder einen Invaliden oder so etwas. Man will nicht verletzen, indem man glotzt. Hier kann man schauen, soviel man will. Das machte ich auch. Verliebt wurde ich davon nicht. Eher hatte ich vor all den pechschwarzen Gesichtern dasselbe Gefühl wie vor einer riesengroßen, schwarzen Hummel. Ich hatte nicht direkt Angst, war aber ziemlich bange.

Ein großer Neger in Hemd und Hose, weißem Hemd, kam über die Straße. Böse sah ich ihn an. Da kannst du herumstreunen mit deinen breiten, geraden Schultern, deiner langen Taille und diesem kleinen, harten Hintern, auf den alle so verrückt sind, dachte ich boshaft. Aber er sah wohl nur, daß ich ihn ununterbrochen anstarrte. Im nächsten Moment bat er, sich setzen zu dürfen. Seine Augen waren außerordentlich schön und blickten freundlich und traurig. Sie überrumpelten mich hinreichend lange, so daß er Zeit fand, Platz zu nehmen. Als er fragte, ob ich mit zu einem Tanzklub kommen wolle, erhob ich mich. Tanzen, Whisky trinken und Tra-la-la, dachte ich. Morgen weiß ich auf jeden Fall mehr.

In dem Keller, in den er mich führte, tanzten fast nur Neger. Ich schaute ihnen zu. Bei ihnen sah man nie irgendwelche häßlich erregten Bewegungen. Wenn sie tanzten, wirkte es zweckmäßig. Ich verglich sie mit den Weißen und erstarrte völlig. Es war mir unmöglich, die Tanzfläche zu betreten. Vor Schreck zischte ich ihn an. Als er mit anderen tanzte, wurde ich noch unglücklicher. Dem Weinen nahe saß ich da und hätte sonst etwas darum gegeben, fortlaufen zu können. Es war bloß so, daß ich mich nicht von der Stelle rühren mochte, solange alle Schwarzen so herrlich tanzten. Den Whisky konnte ich allein trinken. Er trank Coca-Cola. Es war schwer zu erraten, wieviel er von dem begriff, was in mir vorging. Vielleicht verstand er alles von selbst. Jedenfalls faßte er mich unerwartet an der Hand, zog mich vom Stuhl und sprang mit mir die Treppe hinauf. Er eilte fast bis oben rauf, blieb mich umarmend stehen und wiederholte wieder und wieder, beinahe wild: »You want me! You want me!«

Die großen, blauen Lippen kamen näher. Ich zögerte eine Sekunde — es war, als hielt die ganze Welt den Atem an — dann küßte er mich, sehr mit dem Mund, aber am meisten mit dem Körper.

Ich traute meinen Augen nicht, als er mitten im Hotelzimmer anfing, sich auszuziehen. Er stand so, daß ich seinen Körper im Profil sehen konnte. Er war sicher mächtig groß. Aber was zwischen seinen Beinen bis zur Taillengegend hochschoß, war wie ein Unterarm. Seine Dicke, die ich gleich darauf fühlte, war nicht weniger bemerkenswert. Trotzdem wirkte es in keiner Weise peinlich, damit zu tun zu haben. Sein großes Organ war beweglich und lebendig wie ein heißer Aal, dehnte sich aus und glitt in langen, weichen Stößen ein, Stück für Stück. Erst in mir nahm es seine eigentliche, ungeheuer schwellende Form wieder an. Es tat nicht weh. Alles war nur mächtiger und behutsamer, härter, schneller...

Erst als er sich auf den Rücken legte und versuchte, mich auf seinem blauschwarzen Instrument aufzurichten — stell dir eine schwarze Küchenpapierrolle vor — zeigte sich, daß das unmöglich war. Wie wir auch kämpften, er kam einfach nicht hinein. Da drehte er mich ganz vorsichtig nur mit seinen Händen um — ich erinnere mich, wie seine weißen Zähne im Dunkeln aufleuchteten — hob sich an mich und drang langsam ein. Langsam und zäh zog er ihn heraus und ließ ihn sich wieder hineinbohren, raus und rein, langsam, langsam, und der sonderbare, massive Genuß dehnte sich bis zum Bersten aus, ehe er mich herumwarf und sich in einem wilden, wahnsinnigen Akt in mich drückte. Mit Eisenkrallen hielten wir uns umschlungen. Es rann von seinen großen, weichen Lippen. Stürmisch versuchten wir, einander noch näher zu kommen, als möglich war. Ich weiß nicht, wie lange wir in einem Genuß stöhnten, der uns überwältigte, ehe der Schrei der Erlösung und mit ihm sein warmer Samen kam, der in langen Zügen in mich spritzte.

Ich werde völlig matt, wenn ich daran denke. — Und da soll bloß so ein Dummkopf kommen und behaupten, daß es unwichtig ist, ob es für den Mann geht. Für die Frau ist es jedenfalls alles andere als unwichtig!

Ja, sicher, ja, das mußt du wissen. Das mit dem Nachwuchs mußt du selbst regeln. Die gehen nur einfach drauflos. Vom Pessar hast du keine Freude. Empfindlich, wie sie sind, merken sie es sofort. Entweder sie reißen es voller Raserei heraus oder sie steigen einfach ab.

Es war komisch, das erstemal mit einem großen, schwarzen Kopf neben sich auf dem Kissen zu erwachen. Mir wurde beinah schwindlig, als ich mich aufsetzte und ihn ansah. Er war mit nichts zu vergleichen. Die Stirn schimmerte blau, die Wangen waren schwarzbraun, die Augenwimpern unerwartet kurz und die Lippen, die Lippen waren unglaublich. Wie eine riesengroße Blume breiteten sie sich über dem Gesicht aus, von Blau in Silberbraun und Rosa übergehend. Er schlief wie ein großes Tier, entspannt und durch nichts zu stören. Entzückt betrachtete ich den Arm, der mich umschlungen hielt — ich tue es immer wieder mit der gleichen Begeisterung, wenn ich mit einem Neger schlafe — die Finger, die Handfläche, entzückt über all das Neue und Fremde, das in meinem Besitz war. Der Sicherheit halber beschnupperte ich ihn auch bei Tageslicht. Der herbe Geruch war ebenso neu und fantastisch für mich wie sein Gesicht. Ich legte mich mit der Nase an seiner Haut wieder zurück.

Was war geschehen? Vielleicht nichts Besonderes, aber ich empfand es als außergewöhnlich. Wir hatten uns geliebt, wir ruhten Seite an Seite aus, und aus diesen einfachen Bewegungen war eine Art von Gemeinsamkeit entstanden. Sie war warm, gut, geborgen...

Ja, er studiert, dieser Junge — inzwischen weiß ich, daß ein Neger, der wie sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig aussieht, nur zwanzig ist; außerdem hatte er eine Gelegenheitsarbeit. Wir mußten uns also trennen. Das war sicher das Beste, sonst hätte ich wohl nicht mehr laufen können. Nun mußte ich mich statt dessen ein paar Tage von ihm ausruhen. Ab und zu denke ich an ihn. Das ist besser, als sinnlos in den Straßen herumzurennen. Ob ich ihn besuchen werde? Selbstverständlich. Dazu werde ich mich mit einem Metermaß bewaffnen, und, wenn er schläft, die Gelegenheit wahrnehmen und ihn messen. Er schläft ja wie ein Stock. — Ja, es stimmt, daß er ihnen fast dauernd steht, wachend oder schlafend, gehend, stehend, sitzend, liegend. Einen Abend später war ich mit ihm im Kino und lernte, daß selbst der langatmigste Film nicht langweilig wird. Hätte ich geahnt, was er mit einem Kinobesuch meinte, hätten wir nicht so ungeeignete Plätze genommen. Sie können es eben nicht bleiben lassen. Das wäre das, was du vom Kino wissen mußt.

Restaurant, tja, sie trinken selten. Wenigstens die jungen Afrikaner. Dazu trägt wohl der Islam bei. Abgesehen von dem allgemeinen Vergnügen, daß mir der Umgang mit Negern bereitet, betrachte ich auch jedes Treffen als eine Geographiestunde. Was weiß ich nicht alles über Senegal, Sierra Leone, Ghana und ein bißchen über Amerika. Ich will nach Westindien reisen. Das würde alles nicht so gekommen sein, wenn ich nicht so irritiert worden wäre durch die Talente der Neger, die wesentlich größer sind, als ich gedacht hatte. Es reizte mich, daß ich plötzlich so viele, schöne Neger sah. Ich fühlte mich von ihnen versucht wie von einem neuen Kleid, das ich anprobieren, in dem ich umhergehen und das ich dann ab werfen möchte.

Am Abend traf ich eine Freundin. Ich fand, daß sie mit ihren sprühenden blauen Augen komisch aussah. Ich schaute mich nur nach Schwarzen um. Herrgott, dachte ich, ist es möglich, daß man so verrückt nach ihnen werden kann, ob man will oder nicht? Es ist genauso, wie ich gehört habe, daß man auch während der seltenen Momente, wenn sie nicht auf einem liegen, nur noch diesen Gedanken im Schädel hat.

Wir gingen in einen Jazzklub, wo ihre letzte Entdeckung, ein amerikanischer Neger, Schlagzeug spielte. Ich erfuhr, daß die amerikanischen Neger viel leichter sind als die afrikanischen. Wir saßen an der Bar und warteten auf eine Pause der Musik. Das Tollste an ihnen ist nicht, fand sie, daß sie die ganze Zeit eine Abwechslung zustande bringen, die einen stärker und stärker empfinden läßt, das Tollste ist, genau bevor es bei einem kommt, eine Negerstimme zu hören; es spielt in dieser Situation keine Rolle, welche Negerstimme das ist, die da schreit: Give it to me! Give it to me!

Da ich das damals noch nicht selbst erlebt hatte, wußte ich nicht, wovon sie sprach. Nun weiß ich es. Sie hatte so recht, so recht. Es spielt keine Rolle, welcher Neger es ist und welche Negerstimme. Wird man nach einem Neger verrückt durch das Bett, wird man es nicht nach einer Person, sondern nach einer Art. Das ist wahr. Es ist, wie wenn man närrisch auf Schokolade wird. Man will Schokolade haben, aber welche Sorte zuerst! Man will alle Sorten haben, nicht nur haben, man will in einem Überfluß davon leben, jede Sorte, jeder Geschmack soll vertreten sein. Man braucht nur zu nehmen, wenn man gerade Lust hat, und zu saugen oder zu lutschen.

Es ist so leicht mit Schwarzen. Sie können dir nicht widerstehen; sie wollen nicht. Sie lieben es, mit ihren schwarzen Händen über deinen weißen Körper zu streichen, am liebsten vor dem Spiegel. Es ist eigenartig zu sehen, wie intensiv sie den Bewegungen ihrer Hände im Spiegelbild folgen. Sind sie nur ein Mittel für dich, so bist du es für sie in einem höheren Grad. Hast du außerdem noch Geld... Sie lassen dich nicht los, solange du freundlich zu ihnen bist. Weiße Frau + Neger ist eine perfekte erotische Kombination, nachdem nun das Thema Fräulein Julie—Jean gestorben ist.

Die Pause kam und ihr Neger. Er war groß und braun, hatte einen schweren Kopf und einen enorm schwarzen Blick, mit dem er mich abschätzte und meine Freundin fragte: »Hast du sie für mich mitgebracht?« Seine Selbstsicherheit und seine flegelhafte Art brachten mich fast zur Weißglut. Ich hörte kaum, was er sagte, obwohl er laut und deutlich sprach. Ich hörte nur eine Menge »Baby« und »Du kommst mit mir heute abend« und sein glucksendes Lachen. Außer mir vor Wut antwortete ich so unverschämt herablassend, wie ich nur konnte: »Warum soll ich mit dir gehen? Du bist ja nicht einmal richtig schwarz.« — Das war ein Volltreffer. Oh, wie verletzt er war. Er schwieg lange und ausdauernd. Dann besorgte er uns einen Tisch gegenüber der Musik, und ehe er ging, sagte er: »Du bleibst bis zum Schluß. Du kommst auf jeden Fall mit mir.« Er sah sehr anziehend aus, wenn er trommelte.

Ein Mann und drei Frauen kamen die Treppe herunter. Er war ein heller, fast gelber Neger mit schwarzem Bart und mehr asiatischen als negroiden Zügen. Die Frauen setzten sich, er aber blieb vor dem Orchester stehen und hob seine Trompete. Während er den Kopf zurückbog und die Trompete ansetzte, lachte er und sein langer, sehniger Körper, der Rücken und die vorgeschobenen Hüften und nicht zuletzt sein heißes, gutturales Lachen strömten eine dumpfe, verheerende Kraft aus. Es pochte in meinem Hals, und ich sah nur noch diesen Körper, der sich so ungehemmt erotisch bewegte. Die Trompete hörte ich kaum. Leider konnte ich ihn nicht von vorn sehen. Ich sah ihn nur im Profil, wenn er sich hin und wieder umdrehte, um seinen Whisky zu trinken. Meine Augen verschlangen seine Schultern und seinen Rücken, die sich die ganze Zeit bewegten. Mir schien, als könnte ich nie müde werden, ihn zu betrachten. Seine Bewegungen waren gleichsam besessen von Leben. Er verwandelte mich in nur noch dunkle Instinkte und Nerven. Wer er auch sein mochte, ich konnte mich nicht losreißen von diesem Mann.

Er hatte mich nicht gesehen, aber er schien einen Magneten im Leib zu haben. Unvermutet stand er neben mir und sagte: »Ich habe keine Zigaretten mehr.« Ich gab ihm meine und sagte: »Ich habe keinen Whisky mehr.« Wo ich so schnell diese geistreiche Antwort herhatte, begreife ich heute noch nicht.

Nach ein paar Minuten kam er mit dem Whisky. Eine Viertelstunde später — oh, sein Lachen, ich höre es, wann immer ich will — setzte er sich neben mich. »Ich will mit dir Weggehen von hier. Jetzt.« »Ich will auch mit dir Weggehen von hier«, sagte ich ebenso ruhig. Wir liefen fast hinaus und ins Auto. Wir parkten irgendwo in der Nähe des Hotels. Mitten auf der Straße, im Morgenlicht, zog er mich an sich und sein Mund und sein ganzer sehniger Körper ergriffen mich, wie Feuer einen Papierfetzen verzehrt. Ich glaube, es war reiner Zufall, daß er mich nicht mitten auf der Straße auszog.

Es war, als käme ich niemals richtig mit in dieser Nacht. Im Bett herrschte er selbstverständlich, und es glückte ihm, eine sonderbare Freude und einen Gehorsamsinstinkt in mir zu wecken. Er gebar eine Art von Zuversicht in mir. Überzeugt davon, daß ich bei ihm den unverzeihlichen Taktfehlern, dem verdorbenen Rhythmus, entgehen würde, erlebte ich seine Stöße, Stöße der Freude, schwebende, fliegende, leicht, schnell, leichter, schneller. Zärtlichkeit und Zärtlichkeitsbedürfnis gab es da, animalische Tiefe, die uns dem Leben nahebrachte, dem Wunder, der Schönheit.

Die Lust, die er in mir geweckt hatte, wurde nur für Minuten gestillt. Gleich danach wollte ich ihn wieder in mir haben, ihm so nahe wie möglich sein. Das war das einzige, was Linderung brachte, das einzige, das normal erschien. Sobald er in mich kam, strömte eine Stärke und Süße aus, vibrierte durch Nerven, Haut, Glieder in die Zehen, Fingerspitzen, das Zwerchfell, den Schlund... So einfache Belohnung, so kostbare Belohnung.

Über mir und um mich hörte ich seine Stimme: »Give it to me! Give it to me! The whole!« und sein Lachen. So wie die Gezeiten mit nachlässiger Kraft heranrollen, bewegte sich sein heißes Lachen im Zimmer. Ich kann mich wahnsinnig sehnen nach seinem Lachen.

Die Nerven waren so beschäftigt mit ihrem Glück, daß ich nicht weiß, ob die Körper sich leicht oder schwer, stark oder schwach bewegten.

Auf einmal schlief er. Als gäbe es für ihn nur diese beiden Alternativen, Bewegung oder Schlaf. Sein Atem ging weich, wie wenn eine Katze atmet. Die ganze Zeit lagen wir dicht beieinander, Hand in Hand, Schenkel an Schenkel, seine Arme umschlangen mich ganz, mein Gesicht lag an seinem Hals, und der Schlaf wurde noch zärtlicher als die wachen Umarmungen.

»Was für schöne Füße du hast«, sagte er am Morgen. Ich fand, er besaß den schönsten Körper, den ich jemals gesehen hatte. Er erzählte von seinem Bruder und seinen Schwestern in Westindien. Sie waren alle schwarz. »Deine Haut gefällt mir«, setzte er seinen Gedankengang fort und strich mit seinen gelbbraunen Händen über meinen weißen Bauch. Wie ein überglückliches, seliges Kind sog ich seine reiche Wärme auf.

Ich weiß nicht, wie er angezogen war. Das habe ich sicher nie gesehen. Ich sah nur ihn. Sonst sind Neger verrückt auf Kleider. Selbst davon wird man mit der Zeit bezaubert. Ich liebe es, im Bett zu liegen und zuzusehen, wenn sie sich anziehen. Erst steht ein schöner, langgestreckter, gelbbrauner oder blauschwarzer Körper auf — du verstehst wohl, daß ich versuche von anderen zu erzählen, um nicht an ihn erinnert zu werden — die Schultern und Arme sind immer muskulös, die Taille lang, das Gesäß klein und hart und die Beine sehnig. Fertig angezogen, gehen sie wie kleine Puppen umher, einmal in einem engen, grauen Anzug mit schmalen Aufschlägen und verdeckten Knöpfen, einmal in einem weißen oder roten maßgeschneiderten Lederjackett, ja, ich habe sogar einen mit einem Kalblederjackett gehabt. Oder ein graugrüner Samtanzug, was hältst du davon? Große Neger in hellbraunen Jacketts mit Schulterklappen sehen aufreizend sauber und hübsch aus, besonders, wenn sie auf die Idee kommen, den schwarzblauen Ton der Haut hervorzuheben und deshalb einen blauen Schlips statt des roten tragen. Oh, sie sind so herrlich, so herrlich, so herrlich...

Zurück zu ihm. Etwas von meinem Innersten war hier dabeigewesen, etwas Hingebendes, Emporschwingendes, Abwärtsstoßendes, ich weiß nicht, was es war.

Während er sich wusch und ich allein im Bett lag, mußte ich daran denken, wie ich meine lyrischen Freundinnen ein bißchen zynisch gefragt hatte: »Welche Farbe hat denn ihr Sperma?« Und ich merkte, daß ich jetzt lächelte, wie meine Freundinnen lächelten und mit dem gleichen Gefühl der Verzauberung, das auch ich nun kannte, geantwortet hatten: »Das ist das Fantastischste von allem. Es ist hell-lila.«

Wenn sie gegangen sind, liegt man da wie in einem Fliederbett...

Was ich in diesem Augenblick empfand, erinnerte mich an das wahnsinnige, chronische Entzücken, das mich in jenem Sommer ergriff, als ich lernte unter Wasser zu schwimmen. Alles über Wasser war bereits alt und gewohnt, aber da unten wurde es geheimnisvoll, unbegreiflich und unglaublich schön. Erinnerst du dich, wie die Sandkörner glitzerten? Erinnerst du dich, wie man sich dorthin sehnte, die ganze Zeit, die ganze Zeit?