„Das werde ich Ihnen sagen“, sagte Jim. Er lächelte ein wenig grimmig. „Weil ich in den Archiven der Thronwelt ausreichende Beweise gefunden habe, um mich davon zu überzeugen, daß die Erde tatsächlich ursprünglich von der Thronwelt aus kolonisiert worden ist - von einer Gruppe, die mehrere Hochgeborene enthielt, wie man damals gerade begann, sie zu nennen. Und.“ - er zögerte, sprach aber dann sehr langsam und deutlich - „. ich selbst bin eine Rückentwicklung zu diesen Hochgeborenen, genau wie Ro eine Rückentwicklung ist. Ich bin ein Hochgeborener. Sonst hätte ich gegen Galyan und andere Hochgeborene niemals das geschafft, was mir gelungen ist. Ich bin eine Rückentwicklung zu einer früheren, gesünderen Version ihrer Aristokratie, und mein Aussehen würde das auch noch deutlicher bestätigen, wenn nicht im Alter von zehn Jahren mein Wachstum durch Behandlungen aufgehalten worden wäre! “
In der Stille, die auf diese Erklärung folgte, drehte Jim sich um und sah dem Gouverneur voll ins Gesicht. Der Gouverneur saß wie angefroren da. Sein Mund war leicht geöffnet, und er starrte Jim mit seinen braunen Augen unverwandt an. Jim spürte, wie die Sympathie und der Glaube an ihn, der sich im Verlauf seiner Erklärung aufgebaut hatte - selbst bei dem Untersuchungsausschuß, selbst bei Heinmann - durch eine abkühlende Reaktion von Ungläubigkeit und Mißtrauen weggewischt wurden.
„Ein Hochgeborener? Sie?“ sagte Heinmann mit leiser Stimme und starrte ihn an.
Es hatte fast den Anschein, als stellte der Vorsitzende die Frage an sich selbst. Einen langen Augenblick starrte er Jim noch an - dann schüttelte er sich und bekam sich wieder unter Kontrolle. Es war ihm deutlich eingefallen, wer er war und wo er war.
„Das ist schwer zu glauben“, sagte er, und in seiner Stimme klang wieder der gleiche Sarkasmus mit, wie er ihn zu Beginn von Jims Befragung gezeigt hatte. „Welchen Beweis haben Sie, um eine solche Behauptung zu unterstützen?“
Jim nickte ruhig dem Gouverneur von Alpha Centauri III zu. „Der Gouverneur kennt die Hochgeborenen“, sagte Jim. Seine Augen waren auf den kleinen Mann gerichtet. „Nicht nur das, sondern er hat mich auch auf der Thronwelt zwischen den dort geborenen Hochgeborenen gesehen. Es müßte ihm eigentlich möglich sein, Ihnen zu sagen, ob ich ein Hochgeborener bin oder nicht. Das heißt natürlich, wenn Sie seine Aussage als Beweis anerkennen.“
„Oh“, sagte Heinmann und lehnte sich nicht nur zurück, sondern kippte sogar seinen Sessel etwas zurück. „Ich denke, wir können die Aussage des Gouverneurs akzeptieren.“ Er wandte sich der kleinen Gestalt neben ihm zu und fragte laut genug, daß es alle im Raum hören konnten: „Mr. Kell hier behauptet, zu den Hochgeborenen zu gehören. Was meinen Sie, Gouverneur?“
Der Gouverneur starrte Jim unverwandt an. Er öffnete den Mund, zögerte und sprach dann mit hartem Akzent in der Erdensprache.
„Nein, nein“, sagte er. „Er ist kein Hochgeborener. Nie könnte er ein Hochgeborener sein. Nein. Nein!“
Eine Art leises Seufzen, ein Stöhnen von Reaktion, durchlief das Publikum hinter Jim. Jim stand langsam auf und verschränkte die Arme.
„Setzen Sie sich hin, Mr. Kell!“ fuhr Heinmann ihn an, aber Jim ignorierte ihn.
„Adok!“ sagte er in die Luft.
Plötzlich war Adok da und stand vor Jims Tisch in dem kleinen freien Raum zwischen ihm und dem Podest, auf dem der Tisch des Untersuchungsausschusses stand. Er stand wortlos da. Sein kraftvoller Körper glänzte leicht unter der Beleuchtung, und die weißen Kraftverstärker an seinen Armen und Beinen und um seinen Körper traten kraß hervor.
Aus dem Raum kam wieder ein zitternder Seufzer. Dann herrschte Stille.
Jim drehte sich um und deutete auf eine lange Wand des Raums.
„Adok“, sagte er. „Dies ist eine Außenwand. Ich möchte, daß du sie öffnest. Ich will keinen Schutt oder zuviel Wärme. Sie soll nur geöffnet werden.“
Adok drehte sich leicht zu der Wand hin, auf die Jim gezeigt hatte. Sonst schien sich der Starkianer nicht zu bewegen, aber dann folgte ein kurzer Lichtblitz, der hell genug schien, um sie alle zu blenden, wenn er nicht so extrem kurz angehalten hätte, und etwas wie ein unerträgliches Geräusch von ebenso kurzer Dauer.
Wo früher die Wand gestanden hatte, war nun eine unregelmäßige Öffnung von drei Meter Höhe und fünfzehn Meter Länge mit glatten Kanten zu sehen, als seien die Steine der Mauer geschmolzen.
Durch die Öffnung war über die Dächer einiger benachbarter Gebäude der blaue Himmel zu sehen, in dem sechs massige Wolken schwebten. Jim deutete an den Himmel.
„Die Wolken da, Adok“, sagte er leise. „Schaff sie weg.“
Fünf oder sechs kurze, pfeifende Geräusche ertönten - wieder wie mächtige Geräusche, die so kurz anhielten, daß das menschliche Ohr sie ohne Schaden hören konnte.
Der Himmel war wolkenlos.
Jim drehte sich wieder zu dem Tisch auf dem Podest um. Er hob langsam den Arm und deutete auf den Gouverneur von Alpha Centauri III.
„Adok.“, begann er. Die gedrungene braune Gestalt sprang über den Tisch vor sich, von dem Podest herunter und eilte zu Jims Tisch, wo sie flehentlich die Hände hob.
„Nein, nein, Hochgeborener!“ rief der Gouverneur in der Sprache des Reichs. Dann fiel er verzweifelt wieder ins Englische.
„Nein!“ rief er und verdrehte den Kopf, um über die Schulter zurück zu dem Untersuchungsausschuß zu sehen. Seine Stimme klang mit ihrem starken Akzent wild durch die Stille im Raum. „Ich hatte unrecht! Unrecht! Er ist ein Hochgeborener. Ich sage euch, er ist es!“
Der Gouverneur hob verzweifelt seine Stimme, denn Heinmann und die anderen Ausschußmitglieder starrten ihn in einer Mischung von Schrecken und Ungläubigkeit auf ihren Gesichtern an. Er drehte sich zu ihnen um.
„Nein, nein!“ rief er mit erstickter Stimme. „Ich sage das nicht, weil er auf mich gedeutet hat. Nein! Es ist wegen des Starkianers! Ihr versteht das nicht! Starkianer gehorchen nur dem Kaiser und solchen Hochgeborenen, denen sie vom Kaiser unterstellt werden.
Der Starkianer könnte niemandem als einem Hochgeborenen so gehorchen! Es ist wahr! Er ist tatsächlich ein Hochgeborener, und ich hatte unrecht! Ich hatte unrecht! Ihr müßt ihn wie einen Hochgeborenen behandeln, weil er das ist! “
Der Gouverneur brach hysterisch weinend auf der Tischplatte zusammen. Jim spürte, wie sich eine Hand in seine schob. Er sah auf und bemerkte Ro, die plötzlich neben ihm stand.
„Ja, so ist es“, sagte Ro langsam in sorgfältigem, aber ungeübtem Englisch zu Heinmann. „Ich bin eine Hochgeborene, und ich sage euch, daß auch Jim ein Hochgeborener ist. Der Kaiser hat ihn als solchen adoptiert, aber sogar er hat gesagt, daß er Jim nichts gäbe, was er nicht schon besitze. Jim hat für euch alle sein Leben aufs Spiel gesetzt, und er hat mich und Adok mit hierhergebracht, um aus euch das Volk zu machen, das eines Tages das Reich erben wird.“
Sie stockte, drehte sich um und deutete auf den schluchzenden Gouverneur.
„Dieser Mann“, sagte sie, „muß zu den Kolonialisten gehören, die an Galyans Komplott beteiligt waren. Er hat in Jims Namen einen Stein von der Erde geschickt. Es war aber kein Stein, sondern ein Gerät, das über Vhotan ein blaues, verzerrendes Licht projiziert hat - und als dieser Effekt eintrat, hat der arme Kaiser geglaubt, er sähe die blaue Bestie aus seinen Alpträumen, und so sehr Angst bekommen, daß er, wie Galyan es geplant hatte, Vhotan töten ließ. War das nicht der Mann, von dem der Vorschlag kam, Jim wegen Hochverrats anzuklagen?“
„Ich habe gelogen. Ich habe ihnen gesagt, Prinzessin Afuan werde in Kürze den Hochgeborenen Slothiel beseitigen und dann müsse die Erde für das bezahlen, was Jim getan hat“, stöhnte der Gouverneur und schwankte, die Hände vor das Gesicht gepreßt. „Aber ich hatte unrecht - unrecht! Er ist ein Hochgeborener! Nicht nur durch Adoption, sondern durch Geburt. Ich hatte unrecht, unrecht.“
In Heinmanns Gesicht stritten sich die Empfindungen, aber allmählich siegte ein Ausdruck, der ihn wie einen Mann aussehen ließ, der gerade aus einem viele Meilen langen, dunklen Tunnel herauskam und das Tageslicht als viel heller empfindet, als er das erwartet hatte, so daß es für ihn fast schmerzhaft ist, es zu ertragen.
Jim sah ihn an, deutete mit einem Nicken auf den weinenden Gouverneur herab, um dann seinen Blick grimmig wieder auf Heinmann zu richten.
„Ja“, sagte Jim. „Jetzt verstehen Sie also. Und jetzt werden Sie auch verstehen, warum das Reich um jeden Preis von der Erde ferngehalten werden mußte.“