8. KAPITEL

Als Camilla und Greg am nächsten Morgen zum Frühstück ins Wohnhaus hinübergingen, war Davie bereits aufs Feld gefahren, und Katherine hängte im Garten Wäsche auf. Beim Anblick ihrer Gäste unterbrach sie jedoch ihre Arbeit und führte die beiden in die Küche.

“Setzt euch. Ich mache Porridge und Toast.”

“Das kann ich doch auch tun!”, protestierte Camilla, aber Katherine wollte nichts davon hören.

“Wenn Sie sich nützlich machen möchten, behalten Sie die Kinder ein bisschen im Auge.”

Das hatte Greg bereits übernommen. Die beiden kleinsten, Robbie und Kirsty, waren den Erwachsenen ins Haus gefolgt und drängten sich jetzt aufgeregt um “Onkel Greg”.

Wie schon am Abend zuvor staunte Camilla darüber, wie unbefangen er mit den Kindern umging. Er zeigte sich sanft und geduldig, ganz anders als sonst. Dieser große, kräftige Mann, der manchmal so bedrohlich wirkte, war in die Rolle des Beschützers geschlüpft – eine Rolle, die er gewissenhaft und gut spielte. Um jemanden zu verteidigen, der ihm etwas bedeutete, würde er gewiss ebenso kompromisslos sein wie beim Angriff auf seine Gegner.

Camillas Hals war plötzlich wie zugeschnürt. Die Feinde Greg McKeowns hatten Grund, sich vor ihm zu fürchten, aber die Menschen, die er liebte, konnten sich glücklich schätzen. Einen Moment verspürte sie Bedauern darüber, dass sie nicht dazugehörte. Die Frau, die er eines Tages heiraten würde – falls er je heiratete –, war zu beneiden.

Camilla merkte, dass Greg sie ansah, und blickte rasch weg.

“Was meinst du?”, fragte er. “Gebe ich wohl einen guten Vater ab?” Er hatte den Vorfall am Abend zuvor zwar mit keinem Wort erwähnt, doch duzte er sie seitdem. Behutsam lockerte er den Griff, mit dem Kirsty ihn umklammert hielt, und fuhr fort: “Ich werde nämlich eine ganze Kinderschar haben, mindestens so viele wie Davie und Katherine.”

“Vorausgesetzt, du findest deine Traumfrau”, erinnerte Camilla ihn und schaute ihn herausfordernd an. Sie wusste nicht, was sie ihm mehr übel nahm – seine gelassene Voraussage über die Zukunft oder die Gefühle, die er in ihr weckte.

“Keine Angst”, entgegnete er. “Die finde ich garantiert.”

“Oh …” Sie schluckte.

“Garantiert”, wiederholte er. “Und vergiss nicht, im Gegensatz zu dir werde ich mich nicht mit einer Notlösung zufriedengeben.”

Das versetzte Camilla einen Stich. Nun ja, wie sollte Greg, der in der Überzeugung aufgewachsen war, jeder seiner Wünsche sei erfüllbar, ihr Bedürfnis verstehen, Kompromisse zu schließen? Auf dem langen und mühsamen Weg nach oben hatte sie gelernt, ihre Ansprüche nicht zu hoch zu schrauben. Nicht alle Träume wurden wahr – schon gar nicht die von Leuten, die nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden waren.

“Zweifellos werdet ihr – du und Eric – euch nach der Heirat genau an die Norm von zwei Kindern halten”, stichelte Greg. “Ich bin sicher, dass dein Eric auf keinen Fall mehr haben will.”

Darauf wusste Camilla keine Antwort, und sie war erleichtert, dass Katherine in diesem Moment mit zwei dampfenden Schüsseln an den Tisch trat.

“Echter Hochland-Porridge”, verkündete sie strahlend. “Etwas Besseres gibt es nicht.” Sie schob Camilla und Greg einen Krug Milch zu. “Und nun werde ich euch bei einer Tasse Kaffee Gesellschaft leisten, ehe ich mich wieder an die Arbeit mache.”

Der Porridge schmeckte köstlich – viel besser als die Fertigprodukte, die Camilla kannte. Sie aß hungrig und versuchte die Erkenntnis zu verdrängen, die ihr bei Gregs Bemerkung gekommen war.

Eric und sie hatten bisher nie über Kinder gesprochen, geschweige denn darüber, wie viele sie haben wollten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass das eigentlich seltsam war. Aber es handelte sich hier bestimmt nur um ein bedeutungsloses Versäumnis. Eric und sie hatten noch viel Zeit, darüber zu reden, und sicherlich würden sie wie immer einer Meinung sein.

Ärgerlich fand Camilla allerdings, dass sie wenig über die Ansichten ihres zukünftigen Mannes über Kinder wusste, inzwischen aber vollständig in die Familienplanung von Greg McKeown eingeweiht war.

Nach dem Frühstück begannen Greg und Camilla ihre Suche nach dem Goldnebel.

“Ich schlage vor, wir fangen in dem alten Turm an, wo der Schmuck ursprünglich aufbewahrt wurde”, sagte Greg, während sie das Haus verließen. “Wenn es diesen wohlmeinenden Dieb, von dessen Existenz du so fest überzeugt bist, wirklich gibt, müsste er ihn dorthin zurückgebracht haben.”

“Fahren wir also los”, antwortete Camilla, hängte sich ihre Kameratasche um und stieg in den Land Rover.

Der alte Turm stand auf der anderen Seite der Insel. Anstatt die Abkürzung zu nehmen, fuhr Greg über die schmale, steinige Küstenstraße, die an atemberaubenden Stränden und steilen Klippen entlangführte. Staunend betrachtete Camilla die grandiose Landschaft und blickte dann verstohlen zu dem Mann am Steuer. Was war das wohl für ein Gefühl, fest in der Geschichte einer Gegend verwurzelt zu sein und zu wissen, dass man eines Tages all das Land erben würde und dazu noch Schloss Crannach mitsamt dem riesigen Gut, das dazugehörte? Vielleicht war eine gewisse Arroganz verzeihlich bei jemandem, der sich seines Platzes im Leben so sicher sein konnte.

Versonnen richtete Camilla den Blick wieder auf die Straße. Eigenartig, obwohl sie und Greg ständig stritten, fühlte sie sich zunehmend ungezwungen, wenn sie zusammen waren, ebenso wie dieses raue, unwirtliche Land ihr von Tag zu Tag vertrauter wurde.

Dennoch wusste sie, dass sie sich besser nicht zu sehr an Greg und seine Heimat gewöhnen sollte. Hier wurden zu viele Dinge aufgeworfen, die die Grundlagen all dessen erschütterten, woran sie bisher geglaubt hatte.

Nachdem Camilla und Greg den alten Turm drei Stunden lang sorgfältig durchsucht hatten, sah es aus, als wäre ihre Reise umsonst gewesen. Sie hatten in jedem Zimmer und jeder Nische nachgesehen, aber keine Spur des Goldnebels gefunden.

Dennoch ließ Camilla sich nicht davon abbringen, dass der Schmuck hier war.

“Er muss irgendwo in der Nähe sein, beharrte sie. “Eine andere Erklärung gibt es nicht dafür, dass du den schrecklichen Unfall vorgestern überlebt hast.”

Greg zuckte nachsichtig die Schultern. “Wenn du so sicher bist, dann suchen wir eben weiter.”

Eine halbe Stunde später waren sie froh darüber.

Camilla hatte noch einmal alle wahrscheinlichen Verstecke wie Schränke, Kamine und Vertiefungen überprüft. Da kam sie auf den Gedanken, ihre Suche auch auf weniger appetitliche Orte auszudehnen – zum Beispiel das Abflussrohr, das von der Küche in einen Entwässerungsgraben führte. Also wuchtete sie das schwere Eisengitter hoch, das darüber lag, ging in die Knie und schob die Hand so weit wie möglich in das Rohr.

Zuerst griff Camilla ins Leere, doch sie gab nicht auf. Ein schwer erklärbares Gefühl sagte ihr, dass sie auf der richtigen Spur war. Als ihre Finger einen festen Gegenstand berührten, stockte ihr der Atem.

Es fühlt sich an wie eine Schachtel, dachte sie aufgeregt und versuchte, das Ding zu fassen. Es rutschte weg.

Sie sprang auf. “Greg! Greg! Komm schnell!”, rief sie. “Ich glaube, ich habe etwas gefunden.”

Er kam angelaufen. “Wo denn?”

“Hier drin.” Camilla deutete auf den offenen Abfluss. “Ich habe etwas gefühlt, aber mein Arm ist nicht lang genug, es zu fassen.”

“Lass mich mal.” Greg ging in die Hocke, schob seinen Ärmel hoch und griff in das Rohr. Camilla wartete mit angehaltenem Atem. Plötzlich begann Greg zu lächeln. “Du hast recht. Hier ist tatsächlich etwas.”

Vorsichtig zog er den Gegenstand heraus. Er war völlig verschmutzt, aber sie erkannte sofort die geschnitzte Schatulle, die den Goldnebel enthielt. Oder vielleicht enthalten hatte. Mit klopfendem Herzen sah Camilla zu, wie Greg den silbernen Schlüssel herumdrehte und den Deckel öffnete. Der Schmuck lag unbeschädigt auf seinem Kissen aus blauem Samt.

“Ich hab’s gewusst!” Vor Freude machte Camilla einen Luftsprung. Am liebsten hätte sie Greg umarmt. Ihre blauen Augen leuchteten triumphierend. “Ich hab’s gewusst, dass der Goldnebel hier ist!”

Greg strahlte übers ganze Gesicht. Er machte kein Hehl daraus, dass er sich ebenso freute wie sie.

“Das ist also die berühmte weibliche Intuition. Ich bin froh, dass ich ausnahmsweise einmal darauf gehört habe. Danke, Camilla”, sagte er. “Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich nie daran gedacht, hier zu suchen.”

“Aber wie ist der Schmuck hierhergekommen? Wer hat ihn aus Schloss Crannach entfernt?” Camillas Miene wurde nachdenklich. “Es muss der junge Mann gewesen sein, von dem Davie gestern erzählt hat. Wer um alles in der Welt kann das sein?”

Greg schüttelte lächelnd den Kopf und klappte die Schatulle wieder zu. “Ich möchte noch keinen Namen nennen, aber ich habe einen gewissen Verdacht. Wir werden bald herausfinden, ob ich recht habe. Am wichtigsten ist jetzt, dass ich den Schmuck wiederhabe, und das verdanke ich dir.” Ehe sie sich’s versah, hatte er ihr die Hand unters Kinn gelegt. “Nimm das als Zeichen meines Dankes”, murmelte er und küsste Camilla sanft auf den Mund.

Es war der netteste Kuss, den sie je bekommen hatte – weich, warm und liebevoll. Doch hinter der Sanftheit verbarg sich eine Leidenschaft, die ihr den Atem nahm. Als Greg die Finger durch ihr seidiges Haar gleiten ließ, wurde ihr heiß, und ihr Herz begann heftig zu schlagen.

Plötzlich zog er sie fest an sich und küsste sie leidenschaftlicher. Seufzend schloss sie die Augen. Dieser Kuss schien das Natürlichste der Welt zu sein.

Schließlich hob Greg den Kopf und betrachtete Camilla zärtlich. “Ich schlage vor, du machst jetzt deine Aufnahmen. Es ist die einzige Gelegenheit für dich, den Goldnebel an seinem ursprünglichen Platz zu fotografieren.”

Sie räusperte sich und nickte. “Daran habe ich auch schon gedacht.”

Genau genommen stimmt das gar nicht, gestand sie sich ein, als sie ihre Kamera holen ging. In Wahrheit bin ich in Gedanken noch bei Gregs Kuss gewesen und habe mir gewünscht, er hätte ewig gedauert!

Licht und Hintergrund waren perfekt. Diese Fotos werden eine Sensation, dachte Camilla, während sie auf den Zinnen des alten Turms eine Rolle Film nach der anderen verschoss. Sie werden das Glanzstück des Buches werden, wenn nicht gar der Höhepunkt meines Schaffens.

Aus einiger Entfernung sah Greg ihr fasziniert bei der Arbeit zu. Camilla spürte seinen Blick, aber sie fühlte sich nicht davon gestört. Im Gegenteil, sie empfand seine Anwesenheit sogar als beruhigend und ermutigend. Dabei mochte sie sonst kein Publikum, wenn sie arbeitete.

Es war schon nach Mittag, als sie schließlich ihre Kamera verstaute. Greg schaute auf die Uhr.

“Am besten fahren wir zurück zu Katherine und Davie und fragen, ob wir noch etwas zu essen bekommen können. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich könnte einen ganzen Ochsen verspeisen.”

“Ich auch.” Camilla lachte. “Hoffen wir, dass Katherine ein paar davon in der Tiefkühltruhe hat.”

Er schmunzelte. “Wenn nicht, schicken wir sie in den Supermarkt, damit sie welche kaufen kann.” Als Camilla sich nach ihrer Kameratasche bückte, streckte er die Hand danach aus. “Die nehme ich. Sie ist viel zu schwer für dich.”

Ihre Finger berührten sich, und ein Kribbeln lief Camilla über den Rücken, doch sie erwiderte Gregs Blick offen. “Das ist wirklich nicht nötig. Ich trage die Tasche doch immer.”

Greg hängte sich die Ausrüstung trotzdem um und klemmte sich die Schatulle mit dem Goldnebel unter den Arm. Den anderen legte er um Camillas Schulter. “Heute nicht, junge Lady. Heute sollst du einmal richtig verwöhnt werden. Das hast du dir verdient.”

Sie lächelte. Ritterlichkeit – so unerwartet und, das gab sie offen zu, so erfreulich! Genieße sie, so lange du kannst, dachte sie bei sich. Vielleicht hält seine gute Laune nicht an.

Die Mutmaßung erwies sich als richtig, obwohl Camilla nie erraten hätte, wie heftig sein Stimmungsumschwung sein würde.

Es geschah, nachdem sie ins Auto gestiegen waren. Ihr fiel plötzlich etwas ein, und sie erkundigte sich: “Was willst du denn jetzt mit dem Schmuck machen?”

Greg ließ den Motor an. “Wieso? Natürlich nehme ich ihn mit zurück nach Schloss Crannach.”

Die Antwort hätte sie nicht erwartet. “Wie kannst du bloß nach allem, was passiert ist, an so etwas denken!”, rief sie erschrocken.

Er sah zu ihr hinüber. “Dass ich verunglückt bin, war reiner Zufall, Camilla. Ich habe dir doch schon mehrmals gesagt, dass ich nicht an Flüche und solchen Zauber glaube. Daran hat sich nichts geändert.”

“Du solltest es trotzdem nicht darauf ankommen lassen”, beharrte sie. Seine Worte hatten sie mehr beunruhigt, als sie zugeben wollte. “Warum lässt du den Goldnebel nicht an einem sicheren Ort auf der Insel zurück? Du brauchst ihn doch nicht im Schloss aufzubewahren.”

“Ich möchte ihn aber dort haben, und deshalb nehme ich ihn mit.” Seine Stimme hatte plötzlich einen gereizten Unterton. “Der Schmuck hat seit vielen, vielen Jahren seinen Platz auf Schloss Crannach. Ich sehe keinen Anlass, daran etwas zu ändern.”

“Aber denk doch dran, was deinem Vater zugestoßen ist! Willst du, dass dir das Gleiche passiert? Wie kannst du nur so unvernünftig sein. Lass den Goldnebel doch wenigstens bis nach deinem fünfunddreißigsten Geburtstag hier. Was machen ein paar Monate schon aus?”

“Du verschwendest nur deine Zeit, Camilla”, entgegnete Greg barsch. “Bitte lassen wir das Thema.”

Doch das konnte sie nicht. Greg begab sich unnötig in Gefahr, und sie musste ihn zur Vernunft bringen!

Ohne sich um sein missbilligendes Schweigen zu kümmern, versuchte Camilla immer noch, Greg zu überzeugen, den Goldnebel auf der Insel zu lassen, als sie vor dem Hof der McLeods hielten.

Es war niemand zu Hause. Offenbar war Katherine mit den Kindern weggefahren. Greg stieg aus und ging zum Schuppen voraus.

“Wir bringen erst deine Tasche und den Schmuck ins Zimmer und schauen dann, ob wir etwas zu essen finden”, sagte Greg unfreundlich.

Camilla fühlte sich völlig frustriert. Offenbar hatte er ihr überhaupt nicht zugehört.

“Musst du denn so stur sein?”, fragte sie aufgebracht. “Warum kannst du zur Abwechslung nicht einmal auf jemand anders hören?”

Er hatte ihr den Rücken zugewandt, während er die Schatulle in einen Eckschrank schloss. Jetzt drehte er sich um.

“Ich habe Hunger, Camilla”, sagte er ausdruckslos. “Gehen wir essen.”

Sie stellte sich ihm in den Weg. “Greg, bitte! Siehst du denn nicht, dass es zu deinem eigenen Besten ist?”

Sein Blick war eiskalt. “Bitte lass mich vorbei, Camilla. Ich habe allmählich genug von diesem Unsinn.”

Er behandelt mich so herablassend, als wäre ich ein unvernünftiges kleines Kind, dachte sie wütend. Als Nächstes wird er mich wahrscheinlich zur Seite schieben wie ein lästiges Hindernis, aber wenn er glaubt, dass ich mir das gefallen lasse, hat er sich geirrt!

Sie ballte die Hände zu Fäusten und trommelte gegen seine Brust. “Verdammt noch mal, Greg McKeown! Wirst du mir endlich zuhören?”

Er packte ihre Handgelenke. “Meine liebe Camilla, ich höre dir schon viel zu lange zu. Und ich kann dir versichern, dass Gewalttätigkeiten ebenso wenig Erfolg haben werden wie hirnverbrannte Argumente.” Sein Gesicht spiegelte außer Gereiztheit noch etwas anderes wider, was Camilla nicht definieren konnte. “Nun lass uns diesen Unsinn vergessen und etwas essen.”

“Es ist kein Unsinn”, widersprach sie und versuchte, sich loszumachen. “Wie kannst du so sicher sein?”

Greg hielt sie nach wie vor fest. “Es ist völliger Unsinn, Camilla. Deine Besorgnis ist zwar schmeichelhaft, aber tatsächlich völlig unangebracht.”

Sie schluckte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß diese Besorgnis war. “Ich glaube eben, dass du dich töricht verhältst.”

“Töricht?”, wiederholte er. “Vielleicht hast du recht.” Wieder entdeckte sie diesen eigenartigen Ausdruck in seinen Augen. “Da wir gerade dabei sind, Camilla … Ist das auch töricht?”

Langsam näherte sich sein Mund ihrem. Ihre Lippen trafen sich, und er gab ihre Handgelenke frei, sodass sie imstande gewesen wäre, zurückzuweichen, wenn sie das gewollt hätte. Stattdessen lehnte sie sich an ihn, begierig auf seine Berührung.

Zuerst war sein Kuss sanft und zart, fast wie ein Hauch. Dennoch flackerte sofort Erregung in Camilla auf. Dann verstärkte er den Druck langsam, und sie spürte, wie auch Greg von Leidenschaft erfasst wurde. Mit der Zunge drängte er ihre Lippen auseinander und begann, das Innere ihres Mundes zu erforschen.

Als er die Hände unter ihren Pullover schob und den BH geschickt öffnete, durchlief sie ein Zittern. Gleich darauf fühlte sie, dass Greg nach ihren nackten Brüsten tastete. Zärtlich liebkoste er sie und reizte die bereits angeschwollenen Spitzen, drückte sie leicht zusammen.

Ekstase erfasste Camilla. Erst viel später wurde ihr bewusst, dass es von diesem Augenblick an kein Zurück mehr gegeben hatte. Ihr Körper brannte vor Begehren, und es gab nur einen Weg, dieses Feuer zu löschen.

Greg schien zu spüren, dass eine Entscheidung gefallen war. Er richtete sich auf und sah sie fragend an. “Bist du dir sicher?”

Sie nickte und presste sich an ihn. “Ganz sicher.”

Daraufhin führte er sie in das Zimmer, in dem sie in der letzten Nacht allein geschlafen hatte, und legte sie aufs Bett. Camilla, die es vor Ungeduld kaum noch aushielt, streifte hastig ihren Pullover ab und schälte sich aus den beengenden grauen Hosen. Greg half ihr dabei und streichelte sie aufreizend.

Eigenartig, dachte sie benommen, nachdem ihre Unterwäsche ebenfalls auf dem Boden gelandet war, eigenartig, dass es mir so natürlich vorkommt, nackt vor einem Mann zu liegen. Schließlich ist es das erste Mal.

Jetzt kleidete Greg sich rasch aus und legte sich neben sie. Ihre Sinne gerieten in einen Taumel, während seine Lippen über ihre Haut glitten. Er küsste ihre Schläfen, das Kinn, die samtige Vertiefung am Hals, die Schulter und begann dann, am Ohrläppchen zu knabbern.

“Meine Süße”, flüsterte er heiser. “Endlich wirst du mein sein.”

Er liebkoste ihre Hüften, die Taille und den flachen Bauch, ehe er sich erneut ihren Brüsten widmete.

Sie sog scharf den Atem ein, als er über die steil aufgerichteten Spitzen strich, und bog sich zurück, um sich ihm darzubieten. Instinktiv und ohne Angst erwiderte sie seine Zärtlichkeiten und ließ die Finger über seine breiten, muskulösen Schultern, den Bauch und die Brust gleiten.

“Oh Camilla … wie ich dich begehre …”

Er nahm eine ihrer Brustspitzen in den Mund, und Camilla schrie auf. Wie er mit der Zunge über die vor Erregung harte Knospe strich – das Gefühl raubte ihr fast den Verstand. “Greg, Greg!” Noch nie hatte ein Mann sie so erregt. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass ein Mann so leidenschaftlich auf sie reagieren konnte. Endlich drang Greg behutsam in sie ein, und nach kurzem Schmerz, den sie empfand, gab es nur noch unendliche Wonnen. Ehe sie gemeinsam eine Ebene der Ekstase erreichten, auf der alles Denken ausgeschaltet war, erfüllten Camilla ein großes Staunen und eine überwältigende Freude, dass dieses erste Mal so war, wie sie es sich als Teenager erträumt hatte. Sie hatte jedoch nie zu hoffen gewagt, dass dieser Traum für sie je Wirklichkeit werden würde.

Am nächsten Morgen waren Camilla und Greg rechtzeitig am Hafen und warteten auf die Fähre. Seit der Abfahrt vom Hof der McLeods hatten sie kein Wort gewechselt, und die Atmosphäre zwischen ihnen war spannungsgeladen.

Camilla blickte starr geradeaus und vermied es sogar, Greg auch nur von der Seite anzusehen, als er schließlich über die schmale Metallrampe aufs Schiff fuhr und den Land Rover an Backbord parkte. Verzweifelt sehnte sie das Ende dieses Beisammenseins herbei. Wenn sie nur erst wieder im Stag Hotel wäre und Greg in Schloss Crannach, wo er ihr nicht nur aus den Augen, sondern hoffentlich auch aus dem Sinn sein würde!

Ein unbeschreiblicher Schmerz, heftig und betäubend zugleich, erfüllte Camillas Herz. Der Zauber zwischen ihnen hatte sich am Tag zuvor noch vor Sonnenuntergang zu Asche verwandelt.

Zum einen hatte Greg sich trotz Camillas weiterer Bitten nicht umstimmen lassen, sondern erneut hartnäckig darauf bestanden, den Goldnebel mitzunehmen. Doch diese wieder hitzig ausgetragene Meinungsverschiedenheit war nicht der Grund, warum sie mit einem bitteren Geschmack im Mund zu Bett gegangen war – allein.

Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie an die zweite Diskussion dachte, die sie sich geliefert hatten, und sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Greg das Thema jetzt ruhen lassen würde. Doch wie befürchtet, wurde ihr Gebet nicht erhört.

Die Fähre war nur noch ein kurzes Stück von Gairloch entfernt, und Camilla und Greg standen nebeneinander an der Reling, da sagte er plötzlich: “Ich nehme an, das ist das Ende.”

Camilla hatte das Gefühl, ihr würde ein Messer ins Herz gestoßen. Während sie sich gestern liebten, hatte sie geglaubt, das sei der Anfang einer wunderbaren Zweisamkeit … Aber das durfte Greg nie erfahren.

“Ich habe dir doch schon auseinandergesetzt, dass wir einen Fehler gemacht haben”, erwiderte sie so nüchtern wie möglich. “Ich habe den Kopf verloren und wusste nicht, was ich tat.” Es fiel ihr unendlich schwer, jedoch gelang es ihr, seinem Blick standzuhalten. “Wenn du meinst, so etwas könnte sich wiederholen, dann irrst du dich.”

Das hatte sie ihm bereits am Abend zuvor erklärt, nachdem Greg schamlos versucht hatte, sie zu einer Affäre zu überreden, und damit alles zerstörte. Aber noch immer schien er nichts zu begreifen.

“Du wusstest also nicht, was du tatest? Den Eindruck hatte ich ganz und gar nicht.” Spöttisch setzte er hinzu: “Na ja, nun hast du wenigstens etwas, was du mit den vielen leidenschaftslosen Nächten an Erics Seite vergleichen kannst.”

Camilla empfand seine Worte wie einen Fluch, vor allem weil sie ahnte, dass ein Körnchen Wahrheit darin lag. Die Erinnerung an das Liebeserlebnis mit Greg würde sie ihr Leben lang begleiten. Aber auch das durfte er niemals wissen.

“Du überschätzt dich”, antwortete sie scharf. “Ich habe den Vorfall praktisch schon vergessen.”

Als sie die Fähre verließen und mit dem Rover nach Glen Crannach weiterfuhren, stand das Schweigen wie eine eisige Mauer zwischen ihnen. Keiner von beiden war auf die Überraschung gefasst, die sie erwartete. Denn vor dem Schloss stand ein Mann, der in seinem grauen Stadtanzug ziemlich fehl am Platze wirkte – Eric.