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Zu den Todesopfern zählte auch das gesamte sechsköpfige abtrünnige Team von CSO-Agenten, oder was sie auch immer gewesen waren.
Senior Chief Salantino hatte niemanden am Leben gelassen, um ihm Fragen zu stellen. Er hatte sie einfach niedergeknallt, als den Terroristenabschaum, als der sie sich erwiesen hatten. Und er hatte dafür gesorgt, dass die Leichen nicht wiedergefunden werden konnten.
Jetzt stand er da, seine Kleidung blutverschmiert nach fast vierundzwanzig Stunden, in denen er Rick bei der medizinischen Notversorgung geholfen hatte. Die SEALs hatten ihr improvisiertes Krankenhaus gerade verlassen, als sie die Nachricht erreichte, dass ein medizinisches Team von offizieller Seite auf dem Weg war und in der nächsten Stunde eintreffen sollte. Das bedeutete, dass auch Vertreter aus der CEO-Führungsriege dabei sein würden, zusammen mit von den Konzernen angeheuerten Sicherheitskräften.
Und wenn diese Typen die Bühne betraten, wollte weder Salantino noch Shane in der Nähe sein.
Magic, Owen, Rick und der Senior mussten es irgendwie zurück über die Grenze schaffen, damit ihre Geschichte aufging.
Nur Shane konnte hier darauf warten, dass ihn der Helikopter wieder aufnahm.
Aber insbesondere Magic verabscheute den Gedanken, ihn allein zurückzulassen.
»Es ist Zeit«, sagte der Senior.
»Letzte Chance«, sagte Magic zu Shane.
Shane streckte die Hand aus, und es war ihm sehr wohl bewusst, dass das seine letzte Gelegenheit war, mit seinem Freund zu sprechen, ohne dass andere zuhörten und jedes Wort überwachten. Bestenfalls für eine ziemlich lange Zeit. Schlimmstenfalls für den Rest seines bald wertlosen Lebens. »Viel Glück auf der Offiziersschule, Dean.«
Magic griff nach Shanes Hand. Es war mehr als ein Händedruck. Es war ein Versprechen. Ein Schwur. Ein Ehrenwort.
»Du weißt, dass ich dir überall hin folgen würde, Sir.« Es war das respektvollste Sir, das Shane je aus Magics respektlosem Mund gehört hatte. »Wenn du je etwas brauchst. Egal, was …«
»Das bedeutet mir sehr viel«, sagte Shane leise und ließ die Hand seines Freundes los. »Danke.«
Natürlich konnte Magic das nicht so stehen lassen. »Ich hasse dich, du verdammter Mistkerl«, sagte er. »Und – ich warne dich – vielleicht nehme ich dich beim Wort von wegen Ashley heiraten.«
Shane lachte, als Magic davonging. »Dabei wünsche ich dir auch viel Glück. Und übrigens … Sie liebt mich. Die Sache ist erst vorbei, wenn sie vorbei ist.«
Magic nickte, aber als er zu Shane zurückblickte, stand es ihm im Gesicht geschrieben und war in seinen Augen zu lesen. Die Schlussarie war bereits gesungen, und der Vorhang fiel.
Eine Stunde später hörte Shane den Helikopter über sich dröhnen; er injizierte sich das starke Schmerzmittel, das Rick ihm gegeben hatte, dieses Mal wirklich. Ihm war klar, dass es nun nicht mehr lange dauern würde, bis der Hammer fiel.
Als das Medikament seine Sinne benebelte und in ein Kissen aus Wärme und merkwürdiger Gleichgültigkeit packte, wurde er an Bord des Kampfhubschraubers gezogen, wo sich die Mediziner augenblicklich an die Arbeit an seinem Knöchel machten. Mit Sicherheit würden sie alles tun, was in ihrer Macht stand, damit die Verletzung nicht das Ende seiner Karriere bedeutete. Doch Magic hatte recht. Seine Vorgesetzten über ihm in der Befehlskette würden ihn kreuzigen.
Es war aus.
Für ihn war es aus.
Und in den letzten Augenblicken, ehe Shane der Bewusstlosigkeit nachgab, fragte er sich, was aus ihm werden würde, wohin er gehen, was er tun würde.
So hart es sein würde, wenn Ashley sich von ihm lossagte – er würde den Verlust betrauern, ihn aber überleben.
Jedoch sein Kommando zu verlieren? Unehrenhaft entlassen zu werden?
Ein SEAL zu sein, bedeutete ihm alles. Er hatte sich darüber definiert, seit er gerade mal zehn Jahre alt gewesen war. Er hatte sein Leben lang dafür gearbeitet, zu den Besten der Besten zu gehören.
Und doch wusste Shane mit einer Gewissheit, die ihn noch tiefer wärmte als die Medikamente in seinen Adern, dass er die richtige Entscheidung getroffen, er das Richtige getan hatte. Tomasin war in Sicherheit. Sein Team war in Sicherheit.
Für ihn mochte es aus sein.
Aber er war weit entfernt davon, aufzugeben.