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Die Terroristin, die sie jagten, war eine von vielen Zuschauern, die auf Klappstühlen und Matten auf dem Boden an einem Ende einer alten Wellblechhütte aus den 1940ern saßen. Das Gebäude war gut in Schuss gehalten und zu einer Art Schulturnhalle umgebaut worden. Die Turnhalle wiederum wurde nun als behelfsmäßiges Theater benutzt.

Was bedeutete, dass die Zielperson von Zivilisten umgeben war, die meisten davon Kinder, die dasaßen und eine Aufführung von H.M.S. Pinafore von Gilbert und Sullivan verfolgten. In einem Paschtu-Dialekt.

»Ihre Buttercup-Darstellerin ist ziemlich beeindruckend«, verkündete Magic, als er sich neben Shane kauerte, der mit Rick als Wachposten an einem möglichst sicheren Ort gelassen worden war, verborgen an einem Berghang, von dem aus man das Dorf überblicken konnte.

»Und Suliman ist definitiv hier?«

»Ich hatte selbst noch keinen Sichtkontakt«, sagte Magic und reichte Shane das Sichtgerät. Es war mehr als eine Kamera, obwohl es auch digitale Bilder aufzeichnete. Besonders nützlich war es, weil es mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware Zielpersonen wie Rebekah Suliman bestätigen konnte. »Aber der Senior sagt, es ist ein Treffer.«

Shane hielt sich das Gerät vor die Augen und wählte die Nachtsichteinstellung, die ihm erlaubte, die Bilder zu betrachten, ohne dass die Gewöhnung seiner Pupillen an die Dunkelheit gestört wurde. Der flexible Aufsatz passte sich seiner Gesichtsform an, sodass auch nicht der kleinste Schimmer zu sehen war, noch nicht einmal aus nächster Nähe.

Der Senior Chief ging gern auf Nummer sicher und hatte digitale Bilder im Überfluss aufgenommen.

Den Außenbereich der Wellblechhütte, das Schulschild, das alle willkommen hieß, nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen, die Bühne mit ihrer grob zusammengezimmerten Kulisse und der Gruppe schlecht kostümierter Schauspieler, die sich nicht so ganz wohl in ihrer Haut fühlten – alles Kinder zwischen zwölf und achtzehn.

Und da war sie. Rebekah Suliman.

Die CSO-Akte über Suliman war dünn, aber die Analyse bei der US Covert Security Organization stufte die Frau nicht bloß als eine Nummer eins der meistgesuchten Terroristen ein, sondern als Eins-X. Was bedeutete, dass sie gestanden hatte oder dass es – ohne jeden Zweifel – bewiesen war, dass sie für den Tod von Hunderten Zivilisten, darunter auch Kinder, verantwortlich war. Dieses X identifizierte sie als jemanden, der sich absichtlich eine Schule, einen Bus oder die Kinderabteilung eines Krankenhauses als Ziel ausgesucht hatte. Dieses X bedeutete, dass Shanes Mission darin bestand, sie – und jeden, der ihr Zuflucht gewährte – zu finden und für die Eliminierung durch eine Tarnkappenrakete zu markieren.

Sein Team sollte so dicht ran wie möglich und Bilder machen, anhand derer andere Mitglieder ihrer Terrorzelle identifiziert werden konnten. Dann, nachdem sie die Koordinaten durchgegeben hatten, sollten sie ein Gebiet einkreisen und nach Ausreißern Ausschau halten – Personen, die versuchten, den niederregnenden Flammen und der Vernichtung zu entkommen.

Als Shane sich durch die Bilder klickte, sah er, dass der Senior Suliman auf einer Reihe von Aufnahmen durch einen Identifizierungskreis gekennzeichnet hatte. Es gab zwanzig Sitzreihen, die durch einen Gang in der Mitte zweigeteilt wurden, und jede Halbreihe zählte ein Dutzend Plätze. Was bedeutete, dass sich fast fünfhundert Personen in dieser Wellblechhütte befanden, die Kinder auf der überfüllten Bühne nicht mitgerechnet.

Die Gruppe, die sich die Vorführung ansah, bestand hauptsächlich aus Frauen und Kindern, nur hier und da saß ein einzelner Mann. Und selbst wenn jeder einzelne Erwachsene in dieser Menge wusste, wer Suliman war und ihr trotz ihrer Verbrechen aktiv Unterschlupf gewährte, hielt Shane die Kinder für unschuldig.

An dem Tag, an dem sie anfingen, Schulen anzugreifen, konnten sie genauso gut die amerikanische Flagge verbrennen, denn dann waren sie keinen Deut besser als der Terroristenabschaum, auf den sie Jagd machten.

»Wie lang geht das Stück noch?«, fragte Shane.

»Ich … kenne es nicht so gut«, gab Magic zu. »Ich habe es nur einmal gesehen, aber … wenn ich raten müsste, würde ich sagen, das ist wahrscheinlich der letzte Akt.«

»Also nicht mehr so lang.« Shane blätterte zu den nächsten Bildern – Aufnahmen von Suliman aus immer größerer Nähe, wie sie in der dritten Reihe saß, zweiter Platz von außen, mit einem breiten, glücklichen Lächeln in ihrem gottverdammten Kindermördergesicht.

»Von wegen, du kennst Gilbert und Sullivan nicht, oder?«, sagte Magic. »Der Mist kann noch endlos weitergehen.«

Auf der nächsten Bilderserie beugte Suliman sich zur Seite, als höre sie dem Kind zu – einem kleinen Jungen – der auf dem Platz neben ihr saß. Und dann – in einer weiteren Reihe von Aufnahmen, die die Bewegung in eingefrorenen Augenblicken wiedergab – hob sie den Jungen hoch, sodass er auf ihrem Schoß sitzen konnte. Das Gesicht nah an dem des Jungen zeigte sie auf die Bühne, der Junge klatschte in die Hände, und beide lachten.

Scheiße. »Im Bericht steht nichts davon, dass sie Kinder hat«, sagte Shane verbissen.

»Suliman?«, sagte Magic. »Hat sie auch nicht. Das heißt, sie hatte welche, aber jetzt nicht mehr. Sie sind alle tot.«

»Vielleicht … Nichten und Neffen …?« Shane blätterte durch die Bilder zurück.

»Nein, sie wurden alle umgebracht«, sagte Magic. »Ihre ganze Familie wurde zur Hölle gejagt. Das hat sie so verdammt skrupellos gemacht. Sie hat niemanden, Commander. Die hat vor nichts mehr Angst, kennt nur noch ihre Wut.«

Shane schaltete das Sichtgerät ab und nahm es herunter. »Nenn mich nicht so.«

»Du weißt doch, dass du’s so gut wie geschafft hast«, sagte Magic. »Nach dem Einsatz …? Wird Admiral Hotkiss den Flieger persönlich in Empfang nehmen und dich abknutschen. Und dann wird er dir die Hand seiner Nichte geben – ach, Moment. Was für ein Zufall! Das hat er ja schon.«

Magic war überzeugt, dass Shanes Verlobung mit Ashley Hotchkiss gleichzusetzen war mit einer arrangierten Ehe zwischen Mitgliedern der Konzern-Aristokratie und einem jungen, rasch aufstrebenden Offizier der US Navy. Sie war, beharrte er, Teil eines heimtückischen Plans, die zukünftigen Führer des US-Militärs sicher unter der Kontrolle der Konzerne zu halten.

Aber Magic kannte Ashley nicht so gut wie Shane. Die Vorstellung, dass sie Shane bloß heiratete, weil der Bruder ihres Vaters es verlangte, war einfach lächerlich.

Ashley mit ihrer lebhaften Schönheit, den umwerfenden blauen Augen, ihrem klassisch hübschen Gesicht, dem gertenschlanken Körper einer Tänzerin, ihrem scharfen Verstand und Sinn für Humor … Sie hätte jeden Mann haben können – jeden – den sie wollte, einschließlich eines ganzen Haufens mächtiger Offiziere viel höheren Rangs. Aber sie hatte sich in Shane verliebt. Dafür hatte er gesorgt.

»Dieser Schwachsinn wird langsam alt.« Shane reichte seinem Freund jetzt das Sichtgerät. »Benutz dein Riesenhirn zur Abwechslung mal für was Sinnvolles und sieh dir diese Bilder an – insbesondere die zum Ende hin. Dieser kleine Junge sieht Suliman viel zu ähnlich, um nicht ihr Kind zu sein.«

Und das bedeutete, dass ihr Job hier gerade noch schwerer geworden war. Denn wenn dieser Junge der von Suliman war, konnte Shane nicht einfach einen Schlag auf das Haus, wo sie heute Nacht schlief, anordnen, denn sonst würde das Kind auch getötet werden.

In der Zwischenzeit ging Magic die Bilder durch. »Mann, was …? Moment … Nein, nein, nein, das ist sie nicht.«

Na ja, Shane könnte es anordnen, aber er würde nicht, und …

»Wie bitte?«, fragte er schroff.

»Himmel, du kannst echt nerven«, murmelte Magic. »Wir sind allein hier draußen, Ricky kann uns nicht hören, und trotzdem willst du unbedingt, dass ich dich Sir nenne, bloß weil ich deine Schickimicki-Freundin aufgezogen habe?«

»Schickimicki-Verlobte«, korrigierte Shane ihn. »Und, nein, Arschloch. Ich habe nachgefragt, weil ich dachte, du hättest gerade gesagt –«

»Dass das nicht Rebekah Suliman ist? So ist es. Ich habe keinen blassen Schimmer, wer das ist, jedenfalls nicht sie.«

»Aber die Gesichtserkennungssoftware –«

»Irrt sich«, beendete Magic wieder den Satz für ihn, während er immer noch durch die Bilder blätterte. »Ich starte sie noch mal neu, und … Nein, sie identifiziert diese Person immer noch als Suliman, aber ich sage dir, Bruder, sie ist es nicht.« Er schaltete das Sichtgerät aus und gab es Shane zurück. »Eure königliche Hoheit Lordschaft Sir, vielleicht erinnerst du dich nicht daran, weil dein zukünftiger Schwiegeronkel mit den Fingern geschnippt und dir für irgendeine Party freigegeben hat-«

»Die Hochzeit von Ashleys Schwester.«

»Was auch immer«, sagte Magic.

»Es war eine große Sache«, protestierte Shane.

»Das glaube ich. Aber während du mit der alten Tante Edwina den Electric Slide getanzt hast, wurde ich dem Team sechs ausgeliehen. Ich habe es bisher nicht erwähnt, weil es eine von diesen klammheimlichen Aktionen war, über die man auf gar keinen Fall ein Wort verlieren darf. Aber lange – streng geheime – Rede, kurzer Sinn, ich habe Suliman durch das Zielfernrohr eines Gewehrs gesehen.«

»Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte Shane. Er wusste nicht, was überraschender war – dass Magic mit Team sechs zu einem Einsatz gegangen war, oder dass der geschwätzige SEAL Shane bis jetzt nichts davon erzählt hatte. »Wie lang warst du denn …?«

»Es war eine ziemlich beschissene Woche«, sagte Magic. »Ich war vor dir wieder auf dem Stützpunkt. Suliman ist uns entwischt, was doppelt enttäuschend war. Aber ich kann dir mit absoluter Sicherheit sagen, dass das hier« – er tippte auf das Sichtgerät – »nicht sie ist. Dem Miststück fehlt ein Auge. Und egal, was heutzutage in Paris alles an wiederherstellender Chirurgie betrieben wird, und selbst, wenn sie durch irgendein Wunder dorthin ist und sich ihr Gesicht hat neu gestalten lassen, sie ist es trotzdem nicht. Es sei denn, sie haben beide Augen durch braune ersetzt, sie zehn Jahre jünger gemacht, einen halben Kopf größer und ihr auch noch einen Satz neue Zähne verpasst.«

Shane sah diesen Mann an, dem er immer und immer wieder vertraut hatte, in dessen Hände er nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben ihrer Teamkameraden gelegt hatte.

»Ich schätze, das mit den Zähnen fällt unter möglich«, fuhr Magic fort und kratzte sich am Kopf. »Aber wenn sie ihr schon neue machen, warum dann so schäbige und schiefe? Und kombiniert mit dem ganzen beschissenen Rest …?« Er schüttelte den Kopf. »Nö.« Er stieß die einzelne Silbe knapp hervor, eine Angewohnheit, die er nach jahrelanger Zusammenarbeit von Shane angenommen hatte. »Ist sie nicht.«

Shane wechselte unter Schmerzen die Position und versuchte, den Rucksack zu erreichen, in dem sich Slingers Ausrüstung befand. »Lassen wir das Bild durch ein Gesichtserkennungsprogramm laufen, das nicht von offizieller Seite kommt.«

»Gute Idee, hab ihn schon«, sagte Magic und zog den Rucksack zu sich. Er wühlte sich durch den Kabelsalat und suchte nach dem Kabel, mit dem man das Sichtgerät mit Slingers aufgemotztem Mini-Tab verbinden konnte.

Aber da schaltete sich Shanes Funkkopfhörer ein, und über einen verschlüsselten Kanal war Scotty Lindens tiefer Bariton zu hören. Er war einer der beiden SEALs, die Slinger folgen sollten. »L.T., Linden hier. Over.«

»Ich höre, Scott«, sagte Shane und gab Magic ein Zeichen, seinen Funkkopfhörer ebenfalls einzuschalten, ehe er die beiden Geräte miteinander verband. »Was gibt es? Over.«

»Ein sechsköpfiges Team«, berichtete Scott. »Drei folgen Slinger, drei sind in Ihre Richtung aufgebrochen. Dex verfolgt sie, ich die anderen. Sind alle angezogen wie Einheimische, bewegen sich aber wie Amis. Wenn ich um Geld wetten müsste, würde ich auf CSO setzen. Over.«

Das ergab keinen Sinn. Wenn die Vereinigten Staaten bereits ein Black-Op-Team der elitären und streng geheimen Covert Security Organization hier vor Ort hätten, würden sie sich nicht die Mühe machen, ein SEAL-Team herzuschicken.

Es sei denn …

»L.T.«, sagte Magic, und seine gedämpfte Stimme kam nicht über Funk. Er hatte sein Mikrofon abgestellt.

Shane blickte zu ihm und stellte fest, dass Magic das Sichtgerät heruntergenommen hatte. Was er auch immer gesehen hatte, hatte ihn ernüchtert.

»Bleiben Sie dran, Linden«, sagte Shane. »Over.« Er schaltete sein Lippenmikrofon ebenfalls ab und fragte Magic, »Wer ist sie?«

»Das wird dir nicht gefallen, Shane«, sagte Magic.

Shane nickte. Jepp. Es gefiel ihm jetzt schon nicht. »Sag’s mir einfach.«

»Slingers Gesichtserkennungssoftware hat sie als Tomasin Montague identifiziert. Ihre Mutter stammte von hier, und ihr Vater war Frankokanadier«, erstattete Magic Bericht.

»Und warum kommt mir der Name bekannt vor?«, fragte Shane.

»Sie ist die einzige überlebende Zeugin des Karachi-Massakers«, klärte Magic ihn auf.

Und … das war es.

Vor einem Jahr war ein Gipfeltreffen in Karachi, Pakistan, angesetzt gewesen, wo Staatsoberhäupter aus aller Welt über die ständig wachsende Bedrohung durch den Terrorismus im Mittleren Osten diskutieren wollten. Aber noch bevor die Gespräche offiziell begonnen hatten, war eine Bombe hochgegangen und hatte das Treffen in ein Blutbad verwandelt. Mehrere brutale Diktatoren waren getötet worden – aber auch mehr als ein halbes Dutzend demokratisch gewählte Regierungschefs, darunter auch die von Deutschland und Spanien.

Der US-Präsident und seine Delegation aus der Wirtschaft waren jedoch noch nicht eingetroffen.

Es dauerte nicht lange, bis hässliche Gerüchte aufkamen, und bald erhoben internationale Medien den Vorwurf, hinter dem Anschlag steckten Konzerne, die Teil der US-Regierung waren. Die betreffenden CEOs hatten das vergangene Jahr damit verbracht, vehement ihre Unschuld zu beteuern. Wenn sie bloß, so behaupteten sie, die junge Frau ausfindig machen könnten, die den Mann gesehen haben sollte, der die Bombe platziert hatte … Sie wusste die Wahrheit, und sie konnte und würde ihre Namen reinwaschen.

Aber die Frau – Tomasin Montague – war spurlos verschwunden.

Doch jetzt hatten sie sie gefunden. Und Shane und seine Männer waren mitnichten mit der Aufgabe betraut worden, sie und ihre Familie in Schutzhaft zu nehmen und in Sicherheit zu bringen, sodass sie die Wahrheit über das, dessen sie Zeugin geworden war, berichten konnte.

Stattdessen hatte man ihnen gesagt, sie sei eine mörderische Terroristin und ihnen befohlen, einen Luftschlag einzuleiten, der dieses Dorf möglicherweise komplett auslöschen würde.

Aber wer hatte ihnen diesen Befehl erteilt? Wer hatte die Gesichtserkennungssoftware geändert? Jemand ganz oben in der Befehlskette musste darin verwickelt sein. Aber wie weit oben? Und wer wusste noch davon?

»Scheiße«, sagte Shane jetzt. Er schaltete sein Lippenmikro wieder ein. »Scotty, gehen Sie davon aus, dass diese Typen zum Feind gehören, möglicherweise frühere CSOs, die übergelaufen sind. Verstanden? Over.«

Der Gedanke, dass es vielleicht ganz stinknormale – wenn man sie so nennen konnte – CSOs waren, war zu schrecklich.

»Verstanden, L.T.«, erwiderte Scott. »Was für eine Scheiße. Over.«

»Haben sie Slinger entdeckt?«, fragte Shane, und seine Gedanken rasten. Wie sollte er dieses Szenario, in dem sie nur verlieren konnten, zumindest in einen Teilerfolg umwandeln? »Wissen die, dass er allein ist? Over?«

»Negativ«, sagte Scotty. »Er hält sich verborgen. Over.«

»Gut. Nehmen Sie Kontakt zu ihm auf«, befahl Shane. Himmel, vielleicht – ganz vielleicht – würde das funktionieren. »Ich will nicht, dass sie ihn sehen. Ich will, dass sie denken, dass dort sieben von seiner Sorte sind, verstanden? Und ich will, dass er sie über die Grenze lockt und dann abhängt. Bleibt bis dahin bei ihm, dann stoßt zu ihm und bringt euch in Sicherheit. Das ist ein direkter Befehl. Over.«

»Aye, aye, Sir, over.«

»Over und Ende«, sagte Shane. Er blickte Magic an. »Such den Senior Chief und Owen und bring sie her.« Was er mit ihnen bereden musste, gehörte nicht zu den Gesprächen, die man über Funk führte – nicht einmal über ein verschlüsseltes Signal. »Und warne Owen schon mal vor. Ich werde ihn bitten, die Funkverbindung zwischen diesen beiden abtrünnigen Trupps anzuzapfen.«

»Dazu kannst du Owen nicht gebrauchen«, bemerkte Magic, während er sich erhob. »Für so was brauchst du Slinger.«

Aber Shane hatte nur Owen, nicht Slinger. »Dich brauche ich auch wieder hier. Und hol Rick rein, wenn du zurückkommst. Ach, und versuch mal, andere Kleider für dich, den Senior, Owen und Rick aufzutreiben. Ich will, dass ihr euch unters Volk mischen könnt.«

»Für dich nicht?«

Shane schüttelte den Kopf. »Nein.«

Magic war ein schlauer Fuchs und wusste, worauf Shane hinauswollte. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Er ging neben ihm in die Hocke. »Shane. Bitte. Was du auch immer vorhast … Lass mich die Schuld dafür auf mich nehmen.«

»Und wie soll das gehen?«, fragte Shane. »Was willst du machen? Mich bewusstlos schlagen?«

»Daran habe ich nicht gedacht«, sagte Magic, »aber … Ja. Könnte ich. Oder … vielleicht hat dein Kopf ja auch was abbekommen, als du dir den Knöchel verletzt hast. Wäre doch möglich.«

»Nur, dass ich schon über Funk gesprochen habe«, merkte Shane an. Davon würde es Aufzeichnungen geben.

»Das war vielleicht ein, wie wollen wir’s nennen … ein lichter Moment.«

»Und keiner schöpft Verdacht, wenn ich im Krankenhaus liege und die Verletzung an meinem Kopf gar nicht so schlimm ist, dass –«

»Vielleicht geht’s dir dann inzwischen besser«, sagte Magic und stieß gleich darauf einen Fluch aus, weil er wusste, wie dämlich er sich anhörte.

»Man nennt so was Meuterei. Dafür kommst du ins Gefängnis«, sagte Shane, »und ich verliere trotzdem das Kommando.«

»Es muss doch einen anderen Weg geben«, setzte Magic an.

Shane schnitt ihm das Wort ab. »Ich habe dir einen Befehl erteilt. Zwing mich nicht, ihn zu wiederholen.«

Magic stand auf. »Fick dich, Lieutenant Arschloch. Ich werde das nicht zulassen.«

»Doch, wirst du«, sagte Shane sanft zu seinem Freund. »Denn vielleicht ist das ja auch irgendein Fehler, die Sache mit der falschen Gesichtserkennung, und ich kriege eine Medaille, weil ich die Situation gerettet habe.«

»Glaubst du im Ernst –«

»Nein«, sagte Shane. »Aber ich tu so als ob, und vielleicht, mit einer kleinen Prise »komische Nebenwirkung der Schmerzmittel« und ein bisschen Glück, kaufen sie es mir ab, und alles wird gut. Das werde ich auch noch überstehen.«

Magic glaube ihm nicht. Wahrscheinlich, weil Shane es selbst nicht für möglich hielt. Jemand unter ihren Vorgesetzten wollte Tomasin Montague tot sehen. Und Shane würde dafür büßen – und nicht zu knapp – dass er sich geweigert hatte, den Job zu erledigen.

Trotzdem ließ er nicht locker und sagte »Du weißt doch, wie das läuft, Dean. Der Teamleiter zahlt immer für Fehler. Und wenn wir beide weg sind, wer soll dann rausfinden, wie das passiert ist? Wer soll dafür sorgen, dass so was nicht wieder passiert? Wir haben nicht geschuftet, geschwitzt und geblutet und es so weit gebracht, nur damit sie – wer immer die sind – die Teams in irgendein verdammtes privates Auftragskillerkommando verwandeln.«

Magic schüttelte den Kopf. »Fick dich doppelt, dafür, dass du immer recht hast.«

»Jetzt geh schon«, sagte Shane.

Schließlich nickte Magic. Drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Shane wurde geschäftig, holte die Spritze heraus, die Rick ihm gegeben hatte, und unterbrach gleichzeitig die Funkstille, um den SEAL zu kontaktieren, der dem mysteriösen Team folgte, das laut Scott Linden in ihre Richtung lief. »Laughlin an Dexter. Bitte Bericht, wenn möglich, over.«