28. Kapitel
16. Februar 2010
Haiti, in der Mine
10.48 Uhr
„He, was ist da unten los? Ecks?“, hörte Ondragon Rods Stimme beinahe schmerzhaft in sein Ohr bellen. Das brachte ihn wieder zu klaren Gedanken.
„Alles in Ordnung. Ich bin hier auf ein Kind gestoßen. Vermutlich das aus der Expeditionsgruppe. Es ist verletzt.“ Er beobachtete, wie das Mädchen sich auf den Bauch rollte und verzweifelt versuchte, sich mit den Armen voran über den Boden zu ziehen, dabei wimmerte und schrie es, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Ondragon kam in den Sinn, dass er mit der Gasmaske ja auch aussehen musste wie ein Wesen aus der Hölle. Außerdem schien ihr das geschwollene Bein unsägliche Schmerzen zu breiten. Wahrscheinlich hatte sie es sich gebrochen, als sie in den Schacht gestürzt war.
Fieberhaft überlegte Ondragon, was er tun sollte. Dann schnappte er sich das schreiende Kind und trug es zum Schacht.
„Ich werde der Kleinen jetzt das Seil umlegen und ihr zieht sie hinauf. Kümmert euch um sie. Sie hat sich ein Bein gebrochen.“
„Klar, machen wir“, antwortete Rod.
Ondragon wand das Seil um den schmalen Brustkorb des Mädchens, das inzwischen das Bewusstsein verloren hatte und schlaff in seinen Armen hing. Er stellte eine Schlinge mit einem Knoten her, der sich nicht zusammenzog. Dann ruckte er dreimal am Seil, bis es sich straffte. Langsam schwebte der Körper mit herabhängenden Armen und nach vorn gekipptem Kopf hinauf zu dem viereckigen Licht.
„Wir haben sie!“, sagte Rod schnaubend vor Anstrengung.
„Gut. Die Madame soll sie versorgen, dich brauche ich weiterhin als Wache am Schacht, Rod. Ich werde jetzt dem Gang in den Berg folgen. Er führt genau in die Richtung des Darwin-Geländes, wenn ich mich nicht irre.“
„Roger, Ecks!“
Ondragon sah, wie das Seil wieder zu ihm heruntergelassen wurde, und begab sich zurück in den Gang, in dem endlich Ruhe herrschte. Er atmete einmal tief durch, um sich auf seine bevorstehende Aufgabe zu fokussieren, und setzte sich dann in Bewegung.
Der Stollen war niedrig und immer wieder musste er aufpassen, sich nicht den Kopf an einem der Felsen einzurammen. Geduckt ging er unter der trügerischen Sicherheit der Stützbalken hindurch und hoffte darauf, einen Luftzug zu spüren. Aber da war keiner. Der Schacht, durch den er sich abgeseilt hatte, blieb also vorerst der einzige Ausgang. Nicht gerade beruhigend.
An einigen Stellen war der Gang leicht verschüttet, ob nun kürzlich vom Erdbeben oder schon vor längerer Zeit, war egal, Ondragon musste umständlich über die Schuttberge krabbeln. In regelmäßigen Abständen gab er ein Signal an Rod. Noch war der Empfang okay.
Schwitzend arbeitete er sich voran und zwängte sich, seinen Rucksack vor sich herschiebend, durch den Durchschlupf von gerade mal zwei Fuß. Die verdammte Gasmaske beeinträchtigte dabei seine Sicht. Er konnte kaum nach vorne sehen, während er auf dem Bauch kroch, aber er hatte Angst, sie abzusetzen.
Es gibt bestimmt keinen Zugang von dieser Seite zum Labor, dachte er. Daher dürfte die Luft hier sauber sein bis auf die Scheiße von den Fledermausviechern. Du könntest die Maske absetzen. Er schüttelte den Kopf. Nein, sicher war sicher. Er würde die Maske aufbehalten, auch wenn sie ihn nervte. Er hatte kein Bedürfnis, dass ihn noch einmal jene hilflose Furcht heimsuchte, die er gespürt hatte, als er dachte, er sei mit Milzbrand infiziert.
Endlich erreichte er die andere Seite des Geröllhaufens, kroch hinunter und richtete sich auf. Schwer atmend leuchtete er vor sich in den Gang, begleitet von dem unheimlichen Ächzen der Gasmaske.
Wie das Auge im Zentrum eines schwarzen Loches starrte der Gang zurück – kein Licht am Ende des Tunnels.
Wie weit war es wohl noch, bis er zu einer Abzweigung käme? Würde er überhaupt auf das Labor stoßen? Vielleicht gab es gar keine Verbindung. Er sah auf die Uhr. Er war jetzt schon eine halbe Stunde im Berg unterwegs. Ob er sich schon in der Nähe des gesprengten Eingangs befand? Ondragon blickte nach oben, als könne er durch den Fels an die Oberfläche sehen. Wo war er? Er zuckte mit den Schultern. Noch war alles entspannt. Schließlich hatte er bisher keine große Möglichkeit gehabt, sich zu verirren.
Er setzte den Rucksack wieder auf und ging weiter. Nach einigen Yards stieß er endlich auf Abwechslung. Der Gang verbreiterte sich nach allen Seiten hin zu einem kleinen Gewölbe, von dem aus in alle Richtungen und ohne erkennbares System kleine Wurmgänge abzweigten. Loch um Loch reihte sich aneinander. Der Fels war durchbohrt wie ein Rattenbau. Ondragon ließ das Licht umherschweifen. Rötliche und schwarze Adern durchzogen das Gestein, und gelbliche Kristalle glitzerten ihm entgegen wie Tausende winziger Augen.
Hier müssen sie das Erz abgebaut haben, dachte er und suchte mit der Lampe nach etwas, das wie ein Ausgang aus diesem Gewirr von Öffnungen aussah. Schräg rechts tat sich ein größeres schwarzes Loch auf. Er markierte den Stollen, aus dem er gekommen war, mit einem Streifen Panzerband auf dem felsigen Boden und trat in den nächsten hinein. Hier war die Decke kaum noch mit Stützbalken gesichert und der gesamte Gang eher rund im Durchmesser. Mühsam kraxelte er durch den Trichter, der immer enger wurde. Oder kam ihm das nur so vor?
„Alles in Ordnung?“, fragte Rods Stimme in seinem Ohr.
„Ja, klar.“
„Du stöhnst so, deshalb.“
„Ist verdammt eng hier.“
„Wo bist du?“
„Sehr witzig!“
„Schon gut. Sag Bescheid, wenn du auf etwas Interessantes stößt. Over.“
„Over.“
Geduckt stolperte Ondragon weiter. Immer wieder musste er sich an Geröll vorbeiquetschen, das von den bröckeligen Wänden in den Gang gefallen war. Hoffentlich stürzte hinter ihm nicht noch mehr ein.
Dann war der Gang plötzlich zu Ende.
Ondragon hielt inne und starrte auf eine ebenmäßige Wand aus Beton, die senkrecht in den Fels gezogen worden war. Er legte eine Hand auf die hellgraue Fläche, die vom Boden bis zur Decke von einem tiefen Riss durchzogen war.
„Ich habe es gefunden!“, sprach er ins Mikrofon.
„Das La-or?“, fragte Rod. Leider begann die Übertragung, stark zu rauschen und zu knistern.
„Ja, das muss es sein. Da ist eine Wand, die eindeutig nicht hierhergehört.“
„Sa-st du, ein---and? Ich verst---dich schl-cht. Bitte wie--hole.“
„Eine Wand aus Beton!“, sagte Ondragon laut in die Maske. „Ich werde die Sprengladungen anbringen und zu euch raufkommen. Die Zündschnur reicht nicht bis nach oben, deshalb werde ich sie so weit legen, wie es geht, sie dann zünden und schnell zum Schacht laufen. Ihr müsst mich hochziehen! Verstanden?“
„Ro-er. Du m---as. Wir wa---Oh----wa---Sch--“ Die Verbindung brach ab. Es war auch erstaunlich gewesen, dass sie überhaupt so weit gereicht hatte.
In der nun entstandenen Stille öffnete Ondragon seinen Rucksack und holte die Dynamitstangen hervor. Vier Stangen stopfte er in den Riss in der Wand, der wahrscheinlich durch das Beben verursacht worden und ideal für eine Sprengung war. Den Rest reihte er in aller Ruhe am Fuß der Mauer auf, verband sämtliche Zündschnüre mit der Hauptschnur und bedeckte das Dynamit am Boden mit großen Steinen, die er schwitzend und fluchend aus dem Gang herbeischaffte. Das alles dauerte eine ganze Stunde, in der er immer durstiger wurde. Leider konnte er mit der Maske auf dem Gesicht nichts trinken. Er musste also durchhalten, bis er wieder oben war.
Als er seine Arbeiten beendet hatte, stopfte er schnell den Rest seiner Ausrüstung in den Rucksack und trat den Rückzug an, dabei ließ er die rote Zündschnur von einer kleinen Rolle hinter sich ablaufen. Hoffentlich war die Betonbarriere nicht zu massiv. Nur äußerst ungern wollte er ein zweites Mal dorthin kriechen und sprengen müssen. Niemand konnte sagen, welche Schäden sich bereits in den Felsen versteckten, die durch das Erdbeben verursacht worden waren und jede Sekunde eine Wand zum Einsturz bringen konnten. Dazu kamen noch die Detonationen des Dynamits, die alles noch einmal gehörig durchrüttelten und einen Aufenthalt hier unten immer kritischer machten. Es war ohnehin lebensmüde, überhaupt noch einmal reinzugehen, dachte er. Nicht nur wegen des drohenden Einsturzes, sondern auch wegen der ungewissen Gefahren aus dem Labor. Missmutig stapfte er weiter.
„Rod? Ich komme zurück zum Schacht. Haltet euch bereit“, gab er seinem Freund durch das Mikro zu verstehen, bekam aber keine Antwort. Offensichtlich war der Funkkontakt noch immer gestört, obwohl er vorhin an dieser Stelle noch prima funktioniert hatte. Stirnrunzelnd passierte Ondragon das durchlöcherte Gewölbe und bog in den großen Stollen ein, den er markiert hatte. Die Rolle war bereits halbleer. Hoffentlich reichte die Schnur wenigstens noch bis hinter den Durchschlupf.
Natürlich tat sie das nicht!
„Fuck, war ja klar!“, schimpfte er laut und nahm den Rucksack vom Rücken. Auf der Rolle waren 75 Yards Zündschnur gewesen. Nicht genug. Aber immerhin wusste er jetzt, wie weit es von hier aus bis zu der Betonwand war. Er legte das Ende der Schnur unter einen Stein und holte sein Sturmfeuerzeug hervor.
„Hallo da oben? Rod, falls du mich hören kannst, ich zünde jetzt die Schnur!“
Stille.
Verdammt, warum meldete sich niemand? Vorhin war die Verbindung doch gut gewesen. Ondragon überlegte, ob er besser erst zünden sollte, wenn er den Kontakt zu seinem Freund hergestellt hatte. Aber wer wusste schon, wie viel Zeit ihnen dabei verlorenging. Schließlich konnte es sein, dass es mit dem Funk gar nicht mehr klappte. Er könnte zum Schacht gehen und nach oben rufen. Aber dann müsste er sich noch zwei Mal mehr durch diesen beschissenen Durchschlupf zwängen. Hatte er Lust dazu? Nein!
Er überschlug im Kopf, wie viel Zeit ihm anhand der Länge der Schnur bis zur Explosion blieb. Es war etwas her, seit er mit Sprengstoff dieser Art gearbeitet hatte, aber er meinte, sich zu entsinnen, dass die rote Schnur, das war die schnelle – verdammt, warum hatten sie die schnelle mitgenommen? – mit einer Sekunde pro Inch abbrannte. 75 Yards waren 2700 Inches, demnach hatte er 45 Minuten, um von hier zum Schacht und am Seil hinaufzugelangen. Das war knapp, aber zu schaffen.
Angestrengt stieß er Luft aus und versuchte es dann noch einmal bei Rod. Leider auch diesmal erfolglos. Was soll‘s. Er schnippte das Feuerzeug an, drückte einen Knopf an seiner Uhr und legte nach einem kurzen Zögern die gelbe Flamme an die Lunte, die sofort wie eine Wunderkerze zu brennen begann.
No risk, no fun! Ondragon warf sich mit dem Rucksack voran auf den Geröllhaufen. Keuchend zwängte er sich durch den schmalen Spalt zwischen Decke und Schutt, was ihn ganze sieben Minuten kostete. Mit zerschrammten Armen und angeschlagenen Knien sprang er am anderen Ende auf und hastete weiter, bis er endlich in die helle Lichtsäule des Schachtes tauchte.
Er nahm das Seil und fädelte es in das Geschirr ein. Dann hob er den Kopf.
„He!“, rief er in das Mikro. „Holt mich rauf!“
Er wartete auf eine Antwort, aber nichts tat sich. Warum zum Teufel funktionierte der Funk nicht? Ungeduldig riss er sich die Gasmaske vom Gesicht und brüllte aus voller Kraft hinauf.
„Rod? Mari-Jeanne? Hallooooo! Holt mich verdammt noch mal rauf. Die Ladungen gehen gleich hoch!“
Ein Schatten erschien über der Öffnung. Kurz darauf spannte sich das Seil und er wurde emporgehoben.
Oben angekommen half Rod ihm dabei, sich über den Rand des Schachtes zu stemmen. Keuchend rollte Ondragon sich auf den Rücken und sah auf die Stoppuhr. 37 Minuten! Er ließ den Arm fallen und starrte einen Moment lang in das grelle Neonblau des Himmels.
Nur wenige Atemzüge später spürte er die Vibrationen der Explosion im Boden unter seinem Körper. Ein Grollen ging durch den Berg, als plagten ihn Verdauungsprobleme, und dann war es wieder ruhig. Hatte er sich doch um ein paar Minuten verrechnet!
„Bei der Heiligen Barbara, das war knapp!“, sagte Rod.
Ondragon richtete sich auf und blickte zum Schacht hinüber, aus dem eine gelbliche Staubwolke aufstieg wie Rauchzeichen.
„Was war denn mit dem Funk los?“, erkundigte sich Rod.
Ondragon hob die Schultern. „Schlechter Empfang. Ist wohl doch zu viel Gestein da unten, das die Wellen abschirmt. Wo ist die Madame?“
„Sie ist bei der Kleinen hinter der Kuppe dort.“ Rod wies auf einen Schuttkegel. „Mari-Jeanne hat ihr Schmerzmittel und Antibiotika gegeben und das Bein geschient. Sah böse aus.“
„Was? Ihr habt unseren Notfallkit angebrochen?“
„Mann, ja! Sollten wir das Mädchen einfach so liegenlassen?“
Ondragon machte eine wegewerfende Handbewegung. „Und, ist es das Mädchen von der Expeditionsgruppe?“
„Vermutlich“, entgegnete Rod mit funkelndem Blick.
Ondragon schielte zu der fliegenumschwirrten Frauenleiche hinüber, die glücklicherweise weit genug weg lag, so dass man den Verwesungsgeruch nicht wahrnahm. In einiger Entfernung lauerten allerdings schon wieder die Geier mit der ihnen eigenen Geduld darauf, von den blasshäutigen Störenfrieden endlich mit ihrem Festmahl alleingelassen zu werden.
„Dann war das dort ihre Mutter. Wer auch immer ihr den Hals umgedreht hat, der Macheten-Kerl oder …“
Wie auf ein Stichwort unterbrach plötzlich ein entferntes Heulen ihre Unterhaltung.
Rods Kopf fuhr herum, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Seine Augen sondierten das Gelände wie Suchscheinwerfer.
Wie von einem Katapult beschleunigt sprang auch Ondragon auf die Füße und war binnen eines Lidschlags an der Seite seines Freundes.
„Was war das?“, rief es hinter ihnen fragend. Die Madame hatte ihren Kopf über den Kegel gereckt und blickte sich gleichfalls besorgt um.
„Derselbe Heuler wie letzte Nacht, vermute ich mal“, entgegnete Rod in unheilschwangerem Ton und griff nach seiner Pistole.
Wieder schwebte das Stöhnen zu ihnen hinüber. Diesmal sahen alle drei in dieselbe Richtung: Zum Waldrand, der sich keine fünfzig Yards vor ihnen als lebendige grüne Wand erhob.
„Da!“ Rod hielt seinen Finger ausgestreckt wie ein Matrose, der Land sichtet. „Dort drüben bei dem umgestürzten Baumstamm. Da war ein Schatten. Ich hab es genau gesehen!“ In seinen blauen Eiswürfelaugen flackerte es. War das etwa Furcht?
Ondragon schirmte mit einer Hand seine Augen ab und starrte ebenfalls auf die Stelle, an der sich jetzt nichts mehr rührte.
„Ich habe es auch gesehen“, flüsterte die Madame mit banger Stimme. „Es sah aus wie ein dünner Mann.“
„Unser Zombie-Freund.“ Rod sah vom Waldrand zu Ondragon, der entnervt Luft ausstieß.
„Zombie, na klar!“, wiederholte er sarkastisch und schaute auf die Uhr. Sie hatten keine Zeit für diesen Unfug. Er würde jetzt in die Mine zurückgehen und seinen Job erledigen, egal, was dort durch die Büsche kroch!
„Behaltet den Schatten im Auge. Rod, sichere das Seil, ich gehe jetzt wieder rein. Ich will dieses beschissene Land nämlich bis morgen verlassen haben!“ Er schenkte dem missbilligenden Schnalzen der Madame keine Beachtung und wandte sich zum Schacht, wo er das Seil wieder in seinen Klettergurt fädelte.
„Und was machen wir jetzt ohne Funk?“, wollte Rod wissen.
Ondragon fummelte sich den Sender aus dem Ohr und warf ihn weg. „Wir kommen auch so klar. Ich habe nämlich einen neuen schedule für euch, der klappt auch ohne Funk. Und zwar gehen wir wie folgt vor: Ich habe drei Stunden, um mich dort unten umzusehen. Wenn ich in spätestens dreieinhalb nicht wieder hier bin, dann geht ihr ohne mich zum Boot zurück. Klar?“
„Aber …“
„Ist das klar?“, unterbrach er Rods Einwand. Er hatte keinen Nerv mehr für Diskussionen. „Klar!“, sagte Rod mit hartem Gesichtsausdruck und fuhr sich mit der rechten Hand durchs weiße Haar. Eine Verlegenheitsgeste, wie Ondragon wusste. „Wir gehen ohne dich, Ecks.“
Irgendwie glaubte er seinem Freund nicht, und das machte ihn eher froh als unglücklich. Trotz allem wollte er ihn nicht in Gefahr bringen. Deshalb bestand er darauf, dass Rod es ihm bei der russischen Kugel in dessen linkem Schulterblatt schwor, nicht nach ihm zu suchen.
„Mann, Ecks! Hör mit diesem Pfadfinderquatsch auf. Ich mache, was du sagst, okay?“,
„Gut. Bekomme ich jetzt noch etwas zu trinken?“ Ondragon lächelte schräg und nahm die Wasserflasche, die Rod ihm reichte, entgegen. Er trank einen langen Schluck und gab sie dem Briten zusammen mit seiner Packung Kaugummis zurück. „Damit dir hier oben nicht langweilig wird. See ya!“
Er ließ sich in den Schacht hinab und erreichte in geschmeidigem Tempo die Sohle, wo er wieder seine Gasmaske aufsetzte und die Stirnlampe anschaltete. Ein Gutes hatte die kleine Verzögerung durch den Heuler wenigstens gehabt, dachte er, hier unten hatte sich der Staub der Explosion weitgehend gelegt.
Etwas geschickter als zuvor bewegte er sich durch den Gang bis zu dem Gewölbe. Einige frische Felsbrocken waren von der Decke heruntergefallen, auch vor dem Zugang zum Gewölbe lag nun ein fast mannshoher Steinkoloss. Ondragon untersuchte die Passage und stellte fest, dass er zwar durch den schmalen Spalt passte, die Wände aber sehr instabil waren und bei jedem nächsten Erdstoß herunterfallen und die Öffnung endgültig zuschütten konnten. Es bestand also eine gewisse Gefahr, für immer hier eingeschlossen zu werden, falls er diesen Punkt passierte. Viel Hoffnung auf einen anderen Ausgang gab es nicht, auch wenn er noch etwas Dynamit übrig hatte, um sich eventuell einen Weg freizusprengen. Dabei bestand jedoch auch immer das Risiko, selbst verschüttet zu werden.
Trotz aller Bedenken schlängelte sich Ondragon schließlich an dem Brocken vorbei in das Löcher-Gewölbe und schlüpfte wenig später in den tunnelartigen Gang zum Labor. Vorsichtig zwängte er sich an heruntergefallenen Gesteinsbrocken vorbei durch den unbefestigten Trichter und traf bald auf die Stelle, an der nun über einem hüfthohen Schutthaufen ein großes Loch anstatt der einstigen Betonwand im Fels gähnte. Dahinter war es dunkel.
Ondragon näherte sich dem Loch und leuchtete hinein. Staub tanzte im starken Schein seiner Lampe, und als sehe er in eine andere Welt, tat sich ein steril wirkender Korridor vor ihm auf, von dem links und rechts Türen abgingen. Das Labor!