20

Sophie und Ben warteten bei ihrer Ankunft bereits ungeduldig am Steg. Ein Anruf von Sean hatte sie alarmiert.

J.D. erhob sich steif von seinem Platz, trat einen Schritt zurück und ließ Dru und Tate den Vortritt. Er dankte den beiden jungen Männern für die prompte Rettung, kletterte auf den Steg, beobachtete, wie Ben das Tau des Bootes löste und Sean wieder zuwarf, und atmete in Erwartung der unvermeidlichen Schimpftirade des Älteren tief ein.

Sophie stürzte sich, noch ehe das Boot den Steg wieder verlassen hatte, auf Drucilla und Tate und drückte sie eng an sich. »Ist mit euch beiden alles in Ordnung?« »Ja«, antwortete Dru. »Aber J.D. ist verletzt.«

»Er hat mich unter Wasser geschubst, Oma«, erklärte Tate mit aufgeregter Stimme und J.D. dachte bewundernd, wie schnell sich der Junge von dem Schrecken doch erholt zu haben schien. »Ich dachte, er wollte mich ertränken, aber er hat mich vor dem Kanu gerettet, das volle Kanne aufs Wasser geklatscht ist. Und dann – pafff – hat es stattdessen ihn selbst erwischt.«

Dru löste sich aus der Umarmung ihrer Tante. »Onkel Ben, da drüben in meiner Tasche sind Handtücher. Könntest du mir die bitte geben?« Dann wandte sie sich an J.D. »Dreh dich um. Ich will mir deinen Rücken angucken.«

»Schon gut«, entgegnete er brüsk. »Das war nicht weiter schlimm. Nicht nötig, dass du deshalb ein solches Aufhebens machst.« Auch wenn die Stelle wie Feuer brannte.

Aber er hatte nichts anderes verdient. Er ließ gequält die Schultern kreisen und hätte angesichts des dabei aufwallenden Schmerzes beinahe gestöhnt.

Dru betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. Ihr Adrenalinspiegel war immer noch erhöht und sie war nicht in der Stimmung für seinen ausgeprägten Dickkopf. Er hatte sich ohne Rücksicht auf sich selbst in der Minute der Gefahr für sie und ihren Jungen eingesetzt, aber wenn sie die Rollen einmal tauschen wollte, hieß es »sie solle kein unnötiges Aufhebens machen«.

»Du scheinst nicht zu verstehen«, erklärte sie mit einer Ruhe, auf die sie wirklich stolz war, denn lieber hätte sie ihn angeschrien und durch vehementes Schütteln zur Vernunft gebracht. »Das war keine Bitte. Dreh dich also endlich um!«

Zu ihrer Überraschung gehorchte er tatsächlich. Er wirkte darüber alles andere als glücklich und brummelte Unverständliches, als er ihr seinen Rücken zuwandte.

Sie atmete hörbar zischend ein. Die aufgerissene Haut zwischen seinen Schulterblättern bildete ein rot leuchtendes, auf dem Kopf stehendes V, und weitere Schrammen verliefen entlang seines gesamten Rückgrats. An der Stelle, an der das Kanu ihn getroffen hatte, war die Haut sichtlich geschwollen und dunkelviolette Hämatome blühten wie die Flügel eines bösartigen Schmetterlings auf seinen Schulterblättern.

»Oh«, wisperte sie mit zitternder, ungewöhnlich heller Stimme, räusperte sich und rief: »Onkel Ben! Komm mal bitte her!«

Sie spürte, dass J.D. erstarrte, doch das war ihr egal. Wenn jemand wüsste, was in einem solchen Fall zu tun war, dann ihr Onkel.

Ben musterte J.D.'s Rücken und zuckte zurück. »Autsch. Sieht aus, als hätte ihn das Ding tatsächlich mit voller Wucht erwischt.«

»Wenn sich J.D. nicht zwischen ihn und das Kanu geworfen hätte, wäre das Tates Kopf gewesen.«

»Schließlich war es auch mein verdammtes Kanu, durch das er überhaupt erst in diese Situation geraten ist«, knurrte J.D. anklagend.

Auf diese idiotische Bemerkung ging Dru gar nicht erst ein. »Tu was!«, verlangte sie von Ben.

Er tastete vorsichtig an den schlimmsten Abschürfungen herum und nickte. »Lasst uns rauf zum Haus gehen.« Er drückte J.D.'s Schulter. »Ich bin sicher, dass das wie der Teufel wehtut, aber ich glaube nicht, dass eine ernsthafte oder dauerhafte Schädigung vorliegt.«

»Genau das habe ich Dru bereits zu erklären versucht«, meinte auch J.D. und drehte sich zu ihnen um. Seine Haltung verriet einen gewissen Argwohn, seine Miene jedoch ließ nicht die geringste Gefühlsregung erkennen. »Hört zu, ich gehe jetzt einfach nach Hause und stelle mich unter die Dusche.«

»Nein«, antwortete Ben entschieden. »Du kommst mit rauf ins Haus und lässt mich die Wunde säubern und ordnungsgemäß verbinden.«

»Opa war Sanitäter in Vietnam«, informierte Tate J.D. mit stolzer Stimme. »Also machst du besser was er sagt.« Er rannte um J.D. herum, um sich die Verletzung mit eigenen Augen anzusehen, der Anblick jedoch ließ ihn erstarren. »Himmel.« Er schluckte und verzog unglücklich das Gesicht. »Ah, verdammt, J.D., es tut mir Leid.«

J.D. drehte sich um und blickte überrascht auf ihn herab. »Es gibt nichts, was dir Leid tun müsste, Kumpel. Du konntest nichts dazu.«

»Oh, nein. Du hast mir gesagt, ich soll so weit wie möglich von dem Kanu wegschwimmen, aber ich war nicht schnell genug.«

»Nein«, beharrte J.D., »du hast dich von Anfang bis Ende hervorragend geschlagen. Falls jemanden eine Schuld trifft, dann ausschließlich mich. Ich hätte dich nie in das Kanu lassen sollen, ohne vorher genau zu überprüfen, ob mir bei der Renovierung irgendein Fehler unterlaufen ist.«

»Also bitte«, mischte sich Sophie ungeduldig ein und wandte sich stirnrunzelnd an J.D. »Ich habe dich immer als intelligenten Menschen eingestuft, also fang jetzt nicht mit derart schwachsinnigen Äußerungen an.«

Sie griff nach einem Handtuch, legte es dem Jungen um die Schultern, warf eins ihrer Nichte zu, trat mit dem letzten vor J.D. und hielt es ihm mit strenger Miene hin.

Es überraschte Dru zu sehen, dass er unter ihrem Blick ebenso unbehaglich von einem Bein aufs andere trat wie Tate, wenn er der unglückliche Adressat von Sophies Unmut war. Nur hatte J.D. offensichtlich nicht gelernt, dass man in einem solchen Fall am besten irgendwo in Deckung ging. Also nahm er das Handtuch entgegen, schlang es sich um den Nacken, sah ihr ins Gesicht und erklärte starrsinnig: »Trotzdem hätte ich die beiden nicht einfach einer solchen Gefahr aussetzen sollen.«

»Treib mich nicht zur Weißglut, Junge«, begann Sophie hitzig, doch Ben griff beherzt in die Auseinandersetzung zwischen den beiden ein.

»J.D., du begibst dich hier auf ein äußerst gefährliches Terrain«, sagte er und dirigierte den jüngeren Mann entschieden Richtung Weg. »Soph ist nämlich der festen Überzeugung, dass jeder die Verantwortung für sein Tun selber übernehmen soll.«

»Genau das versuche ich ja gerade!«

»Und du machst deine Sache wirklich gut. Was du aber nicht tust, ist Dru und Tate zuzugestehen, die Verantwortung für ihr eigenes Tun selbst zu übernehmen.«

Drucilla, die den beiden dicht auf den Fersen folgte, sah, dass J.D. ihren Onkel verdutzt ansah, ehe er stirnrunzelnd fragte: »Was in aller Welt wollen Sie damit sagen?«

»Verdammt, Junge, denk doch mal drüber nach. Die beiden wussten schon, bevor sie dein Kanu bestiegen haben, dass es ein altes, bestenfalls halbwegs seetüchtiges Wrack war.«

»In Ordnung, das gebe ich zu«, stimmte J.D. überraschend zu. »Aber ebenso wussten sie, dass ich gut im Reparieren aller möglichen Dinge bin. Sie haben darauf vertraut, dass das Kanu nach der Renovierung seetüchtig war.« Er blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Und genau das habe ich gedacht. Ich schwöre Ihnen, Ben, ich habe das Boot sozusagen mit der Lupe überprüft. Ich habe alles über das Thema gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte, und ich hätte jeden Eid drauf abgelegt, dass es ganz sicher fährt.« »Du hast halt trotzdem irgendetwas übersehen.« Schulterzuckend setzte sich Ben wieder in Bewegung. »So etwas kann passieren.«

»Mir nicht. Normalerweise nicht.«

Dru wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass ihr Onkel J.D. für diese arrogante Haltung runterputzte.

Stattdessen erklärte er mit echter Anteilnahme: »Junge, das mit deinem Boot tut mir wirklich Leid. Ich weiß, dass du vollkommen verrückt nach dem Ding gewesen bist. Aber manchmal kommt es im Leben einfach nicht so, wie man denkt. Falls es dir ein Trost ist: Da das Teil aus Holz ist, wird es wahrscheinlich bald wieder auftauchen, und wenn du dich dann besser fühlst, können wir es gerne bergen.«

J.D. bockte. »Wozu? Wie Sie selbst gesagt haben, war es nichts weiter als ein Wrack, und ganz offensichtlich hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie man Boote restauriert.«

Ben öffnete die Tür, trat einen Schritt zurück, ließ J.D. und Dru an sich vorbei ins Haus und bedachte den jüngeren Mann mit einem ruhigen Blick. »Trotzdem. Wenn wir das Ding nicht aus dem Wasser fischen, wirst du nie erfahren, was genau schief gelaufen ist.«

»Ja, sicher.« Dann nickte J.D., wenn auch sichtlich widerstrebend. »Ja, Sie haben Recht.«

Ben führte sie in die Küche und deutete auf einen Stuhl. »Hier, setz dich«, forderte er J.D. auf. »Ich hole schnell das Verbandszeug.«

J.D. schwang den Stuhl herum, breitete sein Handtuch auf der Sitzfläche aus, nahm rittlings Platz, kreuzte die Arme auf der Lehne und stierte trübsinnig ins Leere.

Dru trat hinter ihn, legte ihre Hände auf seine Schultern und begann, ihn zärtlich zu massieren. »Auch mir tut das mit deinem Kanu furchtbar Leid.«

Er drehte den Kopf zu ihr herum. »Warum zum Teufel seid ihr alle so entsetzlich nett? Schließlich hätte ich um ein Haar deinen Jungen umgebracht!«

»Nein, verdammt, das hast du nicht!« Sie ging neben ihm in die Hocke, umfasste seine Schenkel und knetete sie sanft. »Tate und ich hätten uns niemals damit begnügt, vom Ufer aus zuzugucken, wie du die Jungfernfahrt mit deinem Kanu unternimmst. Onkel Ben hat völlig Recht – wir wussten, welche Gefahr mit einer solchen Fahrt verbunden war. Du brauchst nicht die Verantwortung für die ganze Welt zu übernehmen, John David. Lass uns für unsere eigenen Taten bitte selbst verantwortlich sein.«

J.D.'s Augen begannen zu blitzen, ehe er jedoch etwas erwidern konnte, kam Ben mit dem Verbandskasten zurück und sofort danach tobte Tate höchst lebendig, dicht gefolgt von Tante Sophie, durch die Tür. Ein paar Minuten stieg der Lärmpegel beachtlich, während Ben J.D. unter Erteilung guter Ratschläge der anderen den Rücken reinigte und fachmännisch verband.

Dru kam gar nicht auf die Idee, dass das Ganze möglicherweise für Familienfremde ein wenig seltsam war. So ging es nun mal bei den Lawrences zu, wenn einem von ihnen etwas passierte. Sie versammelten sich um ihn und versuchten ihm zu helfen. Und ihrer Meinung nach hatte sich J.D. wirklich sämtliche Befürwortungen heldenhaft verdient.

Doch sie merkte nun, dass er die Dinge etwas anders sah, so dass sie einen Schritt zurücktrat, damit er ein bisschen mehr Raum zum Luftholen bekam. Sie beobachtete unbehaglich, wie der wilde Ausdruck in seinen Augen stärker wurde und wie er vor lauter Anspannung stocksteif auf seinem Stuhl saß.

Sie hätte nicht sagen können, was das Fass zum Überlaufen brachte. Onkel Ben hatte ihn fertig verbunden, Tante Sophie hatte Kaffee aufgesetzt und sie alle ließen ihn endlich ein wenig in Ruhe. Vielleicht war es Tate, der ihn mit seiner Heldenverehrung schließlich in die Flucht trieb. Oder die Bewunderung, der Sophie während des Kaffeekochens lautstark Ausdruck verlieh.

Aus welchem Grund auch immer, sprang J.D. mit einem Mal von seinem Stuhl. »Ich muss gehen«, erklärte er mit gehetzter Stimme. »Ah, ich muss endlich meine nassen Jeans ausziehen.« Er sah sie alle nacheinander geradezu panisch an. »Tut mir Leid, okay? Ich muss ... einfach gehen.«

Unglücklich und stumm sah Dru ihm hinterher, als er aus der Küche hastete und das Haus fluchtartig verließ.

J.D. stürmte in seine Hütte und blieb dann mühsam um Atem ringend mitten im Esszimmer stehen.

Er raufte sich die Haare, strich sie sich mit beiden Händen aus der Stirn, hielt mit nach vorn ragenden Ellbogen mitten in der Bewegung inne und stöhnte. Himmel. Was machten sie mit ihm?

Er hatte bereits vor langer Zeit gelernt, weder zu erwarten noch sich zu wünschen, was es für ihn nicht geben konnte. Das hatte ihn das Leben gelehrt, und es war eine Lektion, die bisher stets von ihm beherzigt worden war.

Jetzt hatte er es mit einer Horde von Lawrences zu tun, die sich die allergrößte Mühe gaben, ihn wie einen verdammten Prinzen zu behandeln – und er konnte sehen, dass sie sich nicht lustig über ihn machten, obwohl sie doch sicher wussten, aus welchen Verhältnissen er kam.

Zur Hölle mit dieser ganzen verfluchten Sippe. Sie ließen ihn denken, er könnte tatsächlich ein vollwertiger, liebenswerter Mensch und kein Abschaum sein. Sie erweckten in ihm merkwürdige, längst verschüttet geglaubte Wünsche von Zugehörigkeit, Zuneigung und – Liebe ...

Verdammt.

Tja, aber er fiele nicht noch einmal auf ein solches Spiel herein. Es täte zu weh, wenn das Luftschloss naturgemäß früher oder später unweigerlich in sich zusammenfiele. Die Lawrences machten sich besser keine allzu großen Hoffnungen, dass er seinen Argwohn aufgab. Er würde ihnen garantiert nicht seine weiche Seite zeigen, in die sich so hervorragend eine Reihe spitzer Messer rammen ließe. Er hatte nicht so lange überlebt, um das zu vergessen.

»J.D.?«

Er wirbelte herum. Dru stand vor der Fliegentür und sah ihn an. Falls sie heute Make-up getragen hatte, war nichts mehr davon zu sehen. Immer noch trug sie ihren nassen Tankini und ihre Haare waren ebenfalls feucht. Die wenigen trockenen Strähnen standen wie Antennen von ihrem Kopf ab und eine baumelte ihr ins Auge.

Aber – zur Hölle mit dem Weib – nie zuvor in seinem Leben hatte sich ihm ein verführerischerer Anblick geboten. Was ihn regelrecht panisch werden ließ.

»Verschwinde, Drucilla.«

»Nein.« Die Fliegentür ging quietschend auf und sie trat über die Schwelle. »Du hast einen schlimmen Tag gehabt, bist eindeutig erregt, und ich lasse dich in einem solchen Moment nicht allein.«

Zorn wallte in ihm auf und er griff dieses Gefühl beinahe dankbar auf. War es, verdammt noch mal, zu viel verlangt, einen einzigen beschissenen Nachmittag für sich allein zu wollen, ehe er sich wieder zusammenriss? Er stapfte durch das Esszimmer und baute sich beinahe drohend vor ihr auf. »Verdammt, geh nach Hause.«

Sie legte eine weiche Hand an seine Wange. »Nein.«

Plötzlich konnte er sich nicht länger beherrschen. Ohne auf den warmen Schauder zu achten, der ihn unter ihrer Berührung urplötzlich durchlief, drückte er sie mit dem Rücken gegen den Rundbogen, der den Ess- vom Wohnbereich der Hütte trennte, und stützte sich mit beiden Händen links und rechts von ihrem Kopf an der Mauer ab. »Was ist?«, fragte er, wütend auf sie, weil sie so hartnäckig war – und auch auf sich selbst, weil es ihm nicht egal war. »Denkst du, nur weil du ein lausiges Mal mit mir im Bett gewesen bist, hättest du das Recht, hier hereinzuplatzen, auch wenn du nicht erwünscht bist?«

Sie sah ihm unerschrocken ins Gesicht. »Ja.«

Alarmiert trat er einen Schritt von ihr zurück. »Geh nach Hause. Ich habe dir, verdammt noch mal, nichts zu bieten.«

»Oh, Mann«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Das ist die größte Lüge, die mir je zu Ohren gekommen ist. Du hast so vieles zu bieten.«

»Das hier.« Er neigte den Kopf, presste seinen Mund unsanft auf ihre Lippen und stieß seine Zunge tief in sie hinein. Dann riss er seinen Kopf zurück und funkelte sie zornig an. Sein trommelnder Herzschlag sprengte ihm schier die Brust. »Ich bin gut bestückt und kenne ein paar Bewegungen, die dich zu Wachs unter meinen Händen machen«, erklärte er mit grober Stimme und rieb zur Demonstration seinen Schwanz an ihrem Bauch. »Das ist alles, was ich habe.«

»Dann schätze ich, dass ich mich damit zufrieden geben werde.«

Das Blut rauschte in seinen Ohren. »Hast du mir nicht zugehört, Drucilla? Ich kann dir nichts bieten, was ich nicht schon einem Dutzend anderer Frauen angeboten habe.«

Sie zuckte leicht zusammen, sah ihm aber nach wie vor furchtlos ins Gesicht. »Es wird dir nicht gelingen, mich aus deinem Leben zu verscheuchen, John David.«

»Fahr doch zur Hölle«, herrschte er sie heiser an und presste seine Lippen auf ihren vollen Mund. Wenn sie nicht auf ihn hören wollte, müsste er ihr eben ein für alle Male deutlich machen, dass er nicht der war, für den sie ihn anscheinend hielt.

Sein Kuss war heiß und rau und unbeherrscht. Statt sie jedoch damit zu vertreiben, entfachte dieser verzweifelte Kuss in ihr ein ungeahntes Feuer. Sie vergrub die Hände in seinem braunen Haar und küsste ihn nicht minder rau zurück. Worauf es auch noch um den letzten Rest von J.D.'s mühsamer Beherrschung geschehen war.

Er konnte weder seinen Mund noch seine Hände von ihr lösen und ohne zu wissen, wie ihm das gelungen war, hatte er plötzlich das Oberteil ihres Tankinis bis unter ihre Achseln hochgeschoben, während das Höschen bereits neben ihr auf dem Boden lag. Ohne seine Lippen von ihr zu lösen, nestelte er an Knopf und Reißverschluss seiner abgeschnittenen Jeans, worauf sie dank der Schwere ihres feuchten Gewichts und der Erdanziehungskraft mühelos hinab auf seine Knöchel glitt. Da er am Morgen keine Unterhose angezogen hatte, holte er tief Luft, als er spürte, wie Dru ihre Hände um seine Hüften gleiten ließ und sein nacktes Hinterteil umfing. Er schob sie an der Wand hoch und drang mit einem kraftvollen, wilden Stoß in sie ein.

Sie schlang ihre Beine um seine Taille und rang keuchend nach Luft. Er lehnte sich abrupt nach hinten, als er spürte, wie ihr Verlangen stetig zunahm. Er bewegte seine Hüften in gleichmäßigen, rhythmischen Stößen und verfolgte begierig das Spiel der Emotionen auf ihren Gesichtszügen.

Sie hatte die Augen geschlossen, riss sie nun aber auf und wisperte: »O Gott, J.D.! O Gott, ich werde, ich will...«

»Komm.« Seine Hände legten sich fester um die Rückseiten ihrer Schenkel, er rückte ihre Beine ein wenig höher, beugte seine Knie und drang in einem leicht veränderten Winkel noch tiefer in sie hinein. Tiefer und härter als zuvor, bis ihr Kopf nach hinten sank, sie blind zur Decke starrte und mit einem leisen Wimmern sich ihr Inneres fest um ihn zusammenzog, als sie endlich kam.

Auch er selbst stand kurz vor dem Orgasmus, zog sich für einen letzten Stoß ein Stück aus ihr zurück ...

... dachte plötzlich an ein winziges, aber überaus wichtiges Detail und riss seinen Schwanz vehement aus ihr heraus.

»Nein! Noch nicht, du bist noch nicht ...« Ihre Hüfte bewegte sich suchend in Richtung seines Gliedes und als er, statt sich erneut in sie zu schieben, zwischen den seidig weichen Falten außerhalb der Gefahrenzone blieb, fragte sie jämmerlich: »Warum?«

»Kein Kondom«, antwortete er keuchend, sah ihre vor Entsetzen geweiteten Augen, strich mit seiner Erektion einmal, zweimal, dreimal an ihren Schamlippen entlang ...

... und ergoss seinen Samen mit einem lauten Stöhnen über ihrem straffen Bauch.

Als die letzte Zuckung verebbte, atmete er zitternd durch, lehnte seine Stirn dicht neben ihrem Kopf an die unebene Wand, sank ermattet gegen sie und quetschte sie zwischen seinem Torso und der harten Mauer ein. Er hatte das Gefühl, als wären sämtliche Knochen in seinem Leib geschmolzen und war zufriedener als je zuvor in seinem Leben – als hätte ihn an einem bitterkalten Tag unvermittelt die Einladung zu einem gemütlichen Abend vor einem prasselnden Kaminfeuer erreicht.

»Gütiger Himmel.« Er schob seine Hände hinter ihren Rücken, um sie vor dem rauen Holz des Türbogens zu schützen und um sie gleichzeitig zu halten. »Es ist ein Wunder, dass du am Rücken nicht total verschrammt bist.«

Sie küsste seinen Hals. »Weißt du was, J.D.?«, raunte sie. »Du bist der größte Betrüger, der mir je über den Weg gelaufen ist.«

Sein Herzschlag setzte aus, sprengte ihm jedoch eine Sekunde später fast die Brust. Argwöhnisch lehnte er sich zurück und musterte sie. »Würdest du mir vielleicht erklären, was zum Teufel du damit meinst?«

»Das hier«, sagte sie und schlang ihre Beine fester um seine Hüften. »Ich meine das hier. Das, was wir beide gerade miteinander hatten, ist ganz sicher nicht das, was du bereits einem Dutzend anderer Frauen angeboten hast.«