Hanse Nachtschatten
Rebellen werden nicht in Palästen geboren
Andrew J. Offutt
Setzte
man einen Preis für die heruntergekommenste, verruchteste Spelunke
in Freistatt aus, würde Fuchs’ Kneipe den Preis zweifellos mit
Abstand gewinnen. Sie liegt an der Gabelung von Gerberstraße, Odd
Birts Zuflucht und der Nord-Süd-Windung des Schlangenwegs (neben
dem Irrwegpark). Das sind ›Straßen‹, über deren Bezeichnung man mit
einem Grinsen hinwegsehen sollte, wie es die Bewohner jenes
Stadtteils, das aus gutem Grund ›Labyrinth‹ genannt wird, auch tun.
Jedenfalls liegt Fuchs’ Kneipe im Labyrinth, diesem
lasterhaftesten, schmutzigsten Viertel von Freistatt, ja
wahrscheinlich des ganzen Kontinents, vielleicht auch der Welt,
aber soweit wollen wir nicht gehen.
Alle im Labyrinth und in Abwind wissen, wo sich Fuchs’ Kneipe befindet, und doch könnte keiner die genaue Adresse angeben. Schlangenweg, diese sich wie betrunken durch das Labyrinth schlängelnde Verbindungsstraße, wäre nicht ganz richtig, ebensowenig Gerberstraße, die eigentlich eher eine Gasse ist. Und Odd Birts Zuflucht als Adresse würde auch nicht völlig stimmen. Fuchs’ Kneipe liegt genau dort an diesem Dreieck, dieser Gabelung, wo die kleine Hanse-Nachahmung Athavul vor zwei Jahren bekam, was sie verdiente; und wo Menostric, der seltsame Adept, keineswegs ganz nüchtern, das Hasenpanier ergriff und auf einem Häufchen menschlichen – nennen wir es nicht beim Namen – ausglitt und doch tatsächlich drei Straßen weit rutschte, ehe er zu einem erniedrigenden, aber passenden Halt in der Gosse kam, und zwar so um die Ecke herum, daß sein Kopf gegen den Rinnstein in der Gerberstraße drückte und seine Füße doch tatsächlich in den Irrwegpark hineinwiesen. Es ist auch genau die Gegend, in der es zu so vielen Meinungsverschiedenheiten kam, die rasch zu blutigen Auseinandersetzungen ausarteten, daß ein Heiler, namens Alamanthis, geschäftstüchtig einen Block weiter, in der Gerberstraße, ein Haus mietete, sich einen stämmigen Leibwächter nahm, der keinen Tropfen anrührte, und quasi Straßenbesuche machte. Er verlangte sein Honorar im vorhinein, schlief tagsüber und wurde reich. Möge er verflucht und gesegnet sein!
Fuchs’ Kneipe! Bei Vater Ils, Fuchs war bereits vor drei Jahren an der Wassersucht gestorben, trotzdem hieß die Spelunke immer noch nach ihm, da ihr jetziger Besitzer, wer immer es war, nicht zugeben wollte, daß sie ihm gehörte und er auch nicht die Absicht hatte, die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Durch all die Probleme mit den beysibischen Fischäugigen und der Hexerei im Wilden Einhorn und der deshalb erfolgten Razzia und neuen Bestimmung (oder kam die Bestimmung zuerst und dann die Razzia?), blühte das Geschäft in Fuchs’ Kneipe. Der Besitzer, wer immer es war, wurde verdammt reich durch Fuchs’ Kneipe. Möge er verflucht und gesegnet sein! Oder sie!
In dieser Spelunke hatten sich zwei Rebellen/Patrioten eingefunden und warteten auf einen gebetenen Gast. In einer Stadt, die zuerst von Rankanern besetzt worden war und dann von diesen Fischäugigen von Übersee konnten Rebellen/Patrioten sich schließlich nicht in einem feinen Oberstadtlokal treffen wie in der Goldenen Oase oder Haris Bar oder etwa gar in der Goldenen Echse.
Die beiden warteten schon eine geraume Weile und inzwischen hatte bereits eine Messerstecherei stattgefunden, die eine Weinkanne, zwei Krüge, den kleinen Finger eines am Kampf unbeteiligten Gastes, einen billigen Stuhl und eine Niere gekostet hatte.
»Wenn dieser Hurensohn nur endlich käme«, brummte der eine, der Zip hieß. Er hatte Augen, die man lieber hinter Gitterstäben sehen würde.
Der andere junge Mann runzelte die Stirn und blickte ekelerfüllt auf den Krug, der vor Zip stand. »Du solltest so etwas nicht sagen – du weißt ja gar nicht, wer seine Mutter war.«
»Das wußte sein Vater auch nicht, Jes.«
Jes versuchte darüber nicht zu lachen. »Na schön, dann nenn ihn einen Bastard, wenn du willst, aber laß unfeine Anspielungen auf Frauen aus dem Spiel!«
»Ihr Götter, du bist aber empfindlich!«
»In dieser Beziehung allerdings!«
Zip sagte nicht, daß Bastard ja auch kein gutes Licht auf dessen Abstammung mütterlicherseits warf, aber nur, weil ihm das nicht einfiel. Für die Formulierung einer solchen Entgegnung war sein Verstand nicht geeignet, ja überhaupt nicht für kluge Reden. Er war Rebell und Kämpfer, kein Denker. Dafür war er jedoch ein verdammt guter Patriot und Rebell. Wie gesagt, sein Name war Zip, und er hatte immer viel von einem gewissen Nachtschatten gehalten und versucht ihm nachzueifern, bis vor kurzem. Jetzt hatte er seinen Respekt vor ihm verloren, aber er brauchte Nachtschatten.
»Das ist er«, sagte Zip. »Ein Bastard. Sowohl durch Geburt wie im Wesen.«
Diesmal lächelte Jes. »Das hast du gut gesagt, Zip. Oh – der Wirt starrt uns schon wieder an.« Jes hieß in Wirklichkeit Kama, und sie war ganz anders als Zip, außer daß auch sie heute abend verkleidet war. Sie hatte jedoch eine dieser erstaunlichen Entdeckungen gemacht, wie sie bisher Ahnungslosen, die eigentlich mit etwas Besserem gerechnet hatten, ganz plötzlich bewußt werden können: Sie mochte Zip, und zwar mehr als nur ein bißchen.
»O nein! Jetzt muß ich noch mehr von der Katzenpisse bestellen, ich werde … Ah, da kommt dieser Hu … – der Ba … – er kommt gerade!« Zip schaute an ihr vorbei. Sie mußte sich nicht umdrehen, um zur Tür zu blicken. Sie hatten sich so gesetzt, daß sie sehen konnten, wer eintrat, ohne ihr Interesse zu zeigen.
Die Tür befand sich eine Stufe höher als die Schankstube, und als Vorhang dienten einunddreißig Stränge syresischer Schnur, jeder, wie es der Aberglaube erforderte, einunddreißigmal geknotet. Sie hingen bis knapp über den geölten hölzernen Fußboden. Durch diesen merkwürdigen Behang war soeben die schmale, drahtige Gestalt eines jungen Mannes von Durchschnittsgröße getreten, doch von weit mehr als durchschnittlicher Persönlichkeit. Gesicht, Haltung und Schritt verrieten eine fast herausfordernde Selbstsicherheit. Er war einige Jahre jünger als Zip, und ganz in Schwarz gekleidet, von einer knallroten Schärpe abgesehen. Sein Haar war noch schwärzer als schwarz (wenn so etwas möglich wäre) und kräuselte sich über den fast schwarzen Augen. Er hatte eine Adlernase, breite Schultern und sehr schmale Hüften. Es konnte schon vorkommen, daß jemand, der ihn ansah, es mit der Angst bekam.
Wie eine Kurtisane mit Schmuck, war er mit Waffen überladen: als Warnung und Herausforderung. Über die Schärpe hatte er sich einen Pferdeledergürtel geschlungen, in ihm steckte an der rechten Hüfte ein Krummesser, und an der linken ein Ilbarsidolch, dessen Klinge gut zwanzig Zoll lang war. Das mit Kupfer verzierte Lederband um seinen rechten Oberarm war mehr als Zier: In ihm steckte eine lange schwarze Klinge, ohne Schaft, ein Wurfmesser. Ein breites Schutzband aus schwarzem Leder am Unterarm enthielt ebenfalls ein Wurfmesser. Mehr als ein Gast in Fuchs’ Kneipe wußte, daß die Verzierung an seinem linken Halbstiefel der Griff einer Klinge war, die ihre Scheide in dem weichen Leder des Schaftes hatte. (Aber sie täuschten sich: Hanse hatte die Klinge in den rechten Stiefel gesteckt, wo nichts von ihr zu sehen war.) Vielleicht trug er noch weitere Klingen an sich, vielleicht auch nicht, darüber gab es die unterschiedlichsten Gerüchte.
Unter dem wie Rabenflügel leicht abstehenden Haar schaute er sich in der Spelunke um, als gehöre sie ihm und als verabscheue er sie und überlege, ob er morgen früh eine Zoohandlung aus ihr machen solle oder einen Fischladen. (Sie gehörte ihm nicht.) Was ihm gehörte, war der rankanische Reichsadler, den er bloß so zum Spaß vom Dach der Kaserne des 3. Kommandos gestohlen hatte und jetzt als Nachttopf benutzte; und eine kurze Weile hatte ihm auch das Savankh gehört, der rankanische Statthalterstab, den er aus dem Palast entwendet hatte (in den, wie jeder wußte, unbefugter Zutritt unmöglich war). Er hatte ihn jedoch gegen eine Entschädigung seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben, einem netten, wohlmeinenden Blonden von etwa seinem Alter.(4)
Ein beachtlicher Bursche war dieser (mit voller Berechnung) finster aussehende junge Mann, der einmal zu einem Prinzen aus dem rankanischen Kaiserhaus gesagt hatte, daß Töten die Sache jener sei, die herrschen, nicht die von Dieben – und der dann doch in einer Nacht zwei Männer getötet hatte (seine ersten und letzten), eines Mannes wegen, den er achtete und den zu mögen ihm trotzdem schwerfiel.(5) Weil er in Abwind als Sohn von kaum miteinander bekannten Eltern geboren war, brauchte er unbedingt Stolz und jegliche Art von Respekt; aber er war inzwischen sicher, daß er über Abwind hinausgewachsen war. Nun, das Labyrinth mochte tatsächlich über Abwind stehen – etwa einen Spinnenschritt darüber.
Vier Personen in Fuchs’ Kneipe winkten ihm zu oder grüßten ihn laut, zwei beim Namen, einer beim Spitznamen. Doch zu den vieren gehörten nicht die beiden, die ihn erwarteten. Mit Augen, die an Granit- oder Basaltsplitter erinnerten, schaute er sich um. Als sein Blick Zips begegnete, tupfte Zip als Zeichen mit einem Finger auf die Nase. Der Neuankömmling nickte, schaute sich weiterhin um, nickte jemandem zu, hob lässig die Hand, um ein Mädchen namens Nimsy (die ihm zuzwinkerte) zu grüßen, bemerkte zwei von Zips Männern, drei Tische von dem verkleideten Zip entfernt, und verzog keine Miene. Dann stieg er die Eingangsstufe hinunter in die Düsternis und Alkoholdünste der Wirtsstube.
»Ich werde mich mal zu den zweien dort setzen«, sagte er fast von oben herab zu einem, der ihn sowohl beim Namen wie auch Spitznamen gerufen hatte. »Trink nicht zuviel von dem billigen Bier, Maldu. Ahdio braut es selbst, und es ist besser, wenn du nicht weißt, wo!«
Als er weiterging, sagte Maldu laut: »Ohhh, Hanse!« Und leise zu seinen zwei Begleitern: »Seht ihr? Ihr habt es ja nicht glauben wollen! Hanse und ich sind alte Kumpel. Hab’ ich euch schon mal erzählt, wie er den ollen Shive, den Hehler-ich-mein’-Tauscher, hereingelegt hat, haha?«
Hanse ließ sich an dem runden, dreisitzigen Tisch nieder, wo Kama und Zip warteten. Er blickte zur Theke, hob die Rechte, bog sie halb zum rechten Winkel, nahm sie über den Kopf und streckte drei Finger aus. Der Wirt nickte und zapfte drei Krug von dem guten Bier. Den Schaum blies er ab, damit er sie für jene, die dafür bezahlten, auch ehrlich füllen konnte.
»Soll ich zugeben, daß ich dich in der schwarzen Perücke und diesem traurig herunterhängenden Schnurrbart nicht erkannt habe?« wandte Hanse sich an Zip.
»Hanse«, sagte der Mann mit dem normalerweise sehr kurzen Haar und glatt geschabten Gesicht, »das ist Jes.« Viel leiser fügte er hastig hinzu: »Heute – in Wirklichkeit heißt sie Kama.«
Nachtschatten blickte auf den ebenfalls schnurrbärtigen Jüngling neben Zip und war beeindruckt. Die junge Frau war hochgewachsen und ihre Maskierung so gut, daß er sie tatsächlich für einen Burschen gehalten hatte. Sein Gesicht blieb unbewegt.
»Jeder Freund Zips ist suspekt«, erklärte er freundlich.
Sie blinzelte, fing sich jedoch rasch und entgegnete: »Ich kann das Kompliment nur erwidern.«
Hanses schwarze, dicht beisammenliegende Brauen hoben sich, und jetzt blinzelte er. Sein Gesicht sah aus, als erwäge es ernsthaft ein Lächeln. Doch dabei beließ er es und wandte den Blick wieder Zip zu.
»Wir warten schon eine ganze Weile«, sagte der Herr der Abwinder Straßen.
Nachtschatten schwieg.
Ahdiovizun brachte drei glasierte Krüge Bier auf einem Tablett. Fuchs’ Kneipe stellte keine Schankmaiden an, da ihre Anwesenheit unweigerlich zu Problemen – Streitigkeiten und viel Schlimmerem – führte. Jedermann wußte, daß dieser Wirt, nachdem er die Kneipe geschlossen hatte, mit nur einem Stock und nicht einem Kupferstück in der Tasche nach Hause ging. Jeder wußte, daß Ahdio von Twand stammte (was nicht stimmte) und ein Riese an Gestalt war. Ebenso bekannt war, daß er imstande war, mit bloßen Händen zu töten. Tatsächlich hatte er ein mresevadanisches Pferd mit einem Fausthieb auf den Kopf gefällt. Sein Kettenhemd war ein wahrhaftig ungewöhnliches Kleidungsstück für einen Wirt. Es sollte der Kneipe wohl eine besondere Atmosphäre geben, was es auch tat, obwohl es ursprünglich nicht so gedacht war. Jedenfalls aber war Ahdio in Fuchs’ Kneipe Schankwirt, er hatte schon mehrere Gegner getötet, und manchmal stellte er sich zwischen zwei Raufbolde. Daß er ein Kettenhemd trug, war nicht zu übersehen, aber keineswegs verließ er, nachdem die letzten Gäste gegangen waren, das Haus allein, sondern schlief über der Kneipe, bewacht von zwei gefährlichen Katzen, denn Ahdio war nicht dumm.
»Prost«, sagte er. »Drei vom Besten. Die zwei zahlen immer gleich.«
»Wie schön. Aber diese Runde geht auf mich«, erklärte Hanse.
Ahdios Lächeln war offen und freundlich. »Hattest du eine, ah, gute Nacht, Hanse?«
»Nein«, entgegnete Hanse. Er griff nach dem Krug, den Ahdio soeben vor Zip abgesetzt hatte, und leerte ihn zur Hälfte. Dann stellte er ihn zurück, ohne auf die betrübte Miene des Rebellen/Patrioten zu achten. »Nein, bedauerlicherweise nicht. Das war gestern abend.«
Ahdio, der Hanse nie zuvor einen so tiefen Schluck hatte nehmen sehen, hielt es für das beste, bloß »ah« zu sagen.
»Ah«, echote Zip, der erwartete, mehr zu hören. »Aber … du trinkst doch nicht, Hanse!«
Nachtschatten blickte ihn an. »Was habe ich dann gerade getan?« Seine schmale Hand legte sich, ohne daß er die Augen darauf richtete, um Kamas/Jes’ Krug. Er blickte zu Ahdio hoch, dessen Figur erstaunlich viele Tische hinter ihm verbarg. »Ich bin hierhergekommen, um mich mit diesen beiden zu treffen, und ich habe mich verspätet. Sorgst du dafür, daß es zu keiner Streiterei kommt, damit wir uns nicht anderswo hinverziehen müssen?«
Ahdio nickte, ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu bewegen. Nachtschatten nickte ebenfalls.
»Das ist nett von dir, Ahdio.« Er nahm auch von Kamas Krug einen erstaunlichen Schluck. »Nein, Ahdio, es war wahrhaftig keine gute Nacht. Ich habe gerade einen Starrauge getötet.«
Zip blinzelte überrascht, dann grinste er und blickte Kama bedeutungsvoll an, die, wie er feststellte, ihn bedeutungsvoll anblickte. »Eine gute Nacht für Freistatt!« sagte Zip.
»Starrauge?« murmelte Ahdio überlegend. »Ich glaube nicht, daß ich ihn gekannt habe.«
»Starr-Auge«, betonte Hanse es jetzt etwas anders und ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ah!« Ahdio lächelte wieder. »Ein Fischäugiger! Eine gute Nacht für uns alle! Ich beeile mich wohl besser. Noch mal drei vom selben, diesmal auf mich.«
Nachtschatten nickte, und seine Miene kam nun einem Lächeln ganz nahe. Ahdio eilte zur Theke zurück. Unterwegs wollte ein Gast ihn aufhalten, aber der zog rasch die Hand mit aufgerissenen Fingerspitzen zurück. Ahdios Harnisch aus fünffach miteinander verbundenen Kettengliedern war absolut echt.
»Scheiße«, fluchte er.
»Kommt sofort.« Ahdio warf den Kopf zurück.
Unter allgemeinem Gelächter lehnte Zip sich vor. »Wie ist es passiert, Hanse?« (Er unterließ es, nach dem Gebräu zu greifen, das Hanse bestellt hatte und bezahlen würde.) Nachtschatten war kein Killer, wie allgemein bekannt war, er hatte in letzter Zeit ein gutes und leichtes Leben geführt, mit reichlich Bettgesellschaft, und offenbar hatte er heute einen ehrlichen und gewaltigen Durst.
Hanse versuchte sichtlich, sich zu entspannen. Er senkte die Schultern und beugte sich ein wenig über den Tisch.
»Diese … Kreatur hielt mich an, baute sich vor mir auf und tat, als wäre sie ein kleiner Gott, wißt ihr? Richtig hochmütig und unverschämt, wollte unbedingt, daß ich Sandwurm unter ihren Füßen spiele. Das tat ich nicht, da wurde der Kerl ausfallend. Ich ließ es eine Weile hingehen und wollte nichts als weiter, um unsere Verabredung einzuhalten, Zip. Aber er hörte nicht auf. Wollte sich nicht damit abfinden, daß ich gar nicht daran dachte, ihm die Füße zu küssen. Er wurde noch ausfallender. Als er schließlich eine Pause machte, um zu sehen, ob ich tot umgefallen sei, oder seine Worte mich zu Tränen gerührt hätten, fragte ich ihn, wirklich sehr höflich, wer von den beiden der Fisch gewesen sei, seine Mama oder sein Papa. Der Himmel weiß warum, aber er betrachtete das als Beleidigung und griff nach einer Waffe.«
Als er schwieg, blickten die beiden andern ihn nur stumm an. Irgendwie bemerkte Hanse, daß er seinen Krug geleert hatte, und sagte »Keinen Durst?« ehe er nach Zips’ langte und auch ihn leerte.
Eine schöne Geschichte, dachte Kama, eine Rankanerin, Kriegerin, noch dazu, als Mann verkleidet, in einer ilsiger Schenke, unter lauter Ilsigern. Einer von uns muß fragen, er zwingt uns. Und sie fragte ihn:
»Und dann, Hanse?«
Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. »Jes, erschrick nicht, wenn ich deine linke Schulter berühre.«
Kama/Jes, die zu seiner Linken saß, mit der rechten Schulter neben seiner linken, blickte ihn verständnislos an. »Schon gut«, versicherte sie ihm und sah verschwommen etwas Dunkles, spürte eine Berührung an der linken Schulter, und da saß Hanse ganz ruhig mit den Ellbogen auf dem Tisch und blickte sie mit Augen, so dunkel wie der Grund eines Brunnens zur mondlosen Mitternacht, ausdruckslos an.
»Du …«, begann sie, unterbrach sich jedoch, weil ihre Stimme schrill wurde. Sie schluckte so unauffällig wie nur möglich und sagte schließlich: »Ich … verstehe.. Du bist schnell.«
Zip lachte übertrieben, genau wie Ahdio, der drei frisch gefüllte Krüge abstellte.
»Du bist Rankanerin«, hatte Hanse ganz leise gesagt. Nur sie selbst hatte es gehört und nickte jetzt. Sie war aufs neue beeindruckt.
»Du hast heute nacht wirklich einen niedergemacht, Hanse?«
Hanse nickte. »Auf der Zeile, Ahdio, drei Türen von der Straße der Gerüche entfernt.«
Ahdios Lächeln wirkte echt. »Das freut mich! Wie? Verzeih – erzählst du es jetzt?«
»Er griff an.« Hanse tupfte lässig auf das kupferbesetzte Lederband um seinen rechten Oberarm. »Ins Auge. Das rechte. Ich wischte das Blut an seinem seltsamen Gewand ab.«
Ahdio grinste. »Hast du was dagegen, wenn ich es weitererzähle?«
»Ist das nicht riskant?«
»Du glaubst doch nicht, daß wir Spitzel hier im Labyrinth haben?« Ehrliche Verblüffung sprach aus Ahdios Stimme.
»O doch! Die Hälfte der Gäste hier würden ihre eigene Schwester verkaufen, wenn sie ein gutes Angebot bekämen. Und ich glaube, jeder einzelne würde unter Folter alles hinausschreien. Also sage ich besser, daß ich was dagegen habe, Ahdio!«
Der Riese seufzte. »Meine Lippen sind versiegelt. Ihr drei seht aus, als würdet ihr euch lieber in der Kammer unterhalten.«
Zip und Hanse nickten.
Eine Minute später führte Ahdio Hanse und Kama, nachdem sie Zip eine gute Nacht gewünscht hatten, zu der Kammer, einem Nebenraum der Schankstube. An ihren Wänden hingen einige Gerätschaften und zwei volle Ledersäcke. Der Tisch war quadratisch und wie die Stühle gut gearbeitet. Außerdem lagerten hier etwa zwanzig Faß Bier. Eine große rote Katze mit einem zerfledderten Ohr, unruhigem Schwanz und bedrohlich wirkendem Gesichtsausdruck saß herum. Sie blickte Hanse an. Hanse war kein sonderlicher Katzenfreund. Jedes Tier, das einem Menschen so lange in die Augen starren konnte, daß er sie schließlich abwenden mußte, gehörte verboten, fand er. Diese hier sah noch dazu aus, als verschlinge sie mühelos große lebende Hunde.
»Das sind Freunde, Wunder«, erklärte Ahdio der Katze. »Entschuldigt mich bitte«, sagte er ruhig, dann tätschelte er Hanses und Kamas Schulter. »Freunde, Wunder. Gönn dir ein Nickerchen.«
Wunder blinzelte lange stumm und beobachtete die Fremden. Kama tat, als wäre die Katze nicht da, während Hanse zurückstarrte. Ahdio trat zu den Fässern und hob eines zur Seite, das mehrere hundert Pfund wog, dann das nächste dahinter. Schließlich kauerte er sich nieder. Als Zips Klopfen erklang, war er bereit, die winzige Geheimtür zu öffnen. Er wich zur Seite, während Zip auf allen vieren in die Kammer kroch. Ahdio schloß die niedrige Tür wieder, schob beide Riegel vor und stellte die Fässer zurück. Er legte auch Zip Entschuldigung heischend die Hand auf die Schulter, deutete auf den Tisch und die Stühle und machte sich ans Gehen.
»Oh«, sagte er an der Tür zur Gaststube. »Wenn ihr etwas braucht, wartet bitte eine Weile, ich schicke euch Throde.«
»Wer ist Throde?« erkundigte sich Zip, während Hanse sagte: »Soll das heißen, daß wir dieser Katze wegen lieber nicht aufstehen und zur Tür gehen sollen, Ahdio?«
»Es ist eine verdammt gute Katze, Hanse. Vor geraumer Zeit wollte einer hier eindringen, da schrie Wunder so laut, daß sie jeden Möchtegerneinbrecher von hier bis zur Straße des Erbrechens erschreckt hat. Ein anderer Halunke, der nichts Gutes im Schild führte, ist mir eines Nachts hierher gefolgt, doch noch ehe er seinen Dolch ziehen konnte, hat Wunder ihm in den Arm gebissen. Sie mag Bier, aber sie nimmt es von niemandem außer mir. Zip, Throde ist mein Helfer. Du kennst ihn, sie nennen ihn Humpler. Guter Junge. Aus Twand. Der Sohn meines Vetters.«
Da Hanse sehr wohl wußte, daß Ahdiovizun gar nicht aus Twand war, zweifelte er an Throde oder Humplers Verwandtschaft mit ihm. Doch was machte das schon. Ahdio war in Ordnung, und Throde war sein Helfer, und Zip sowie Jes – wie lautete noch ihr richtiger Name? – waren in Verkleidung, und … Aber was spielte es schon für eine Rolle, wie viele Lügen in der Schenke erzählt und gelebt wurden?
Die Geschichte über Wunder, die rote Katze, glaubte Hanse durchaus.
Ahdio verließ sie. Ohne Vorrede und auch nur eine Spur von Lächeln, forderte Hanse Zip auf: »Heraus damit! Du bist jetzt Führer einer Schar, die sich Volksfront für die Befreiung Freistatts nennt, und vor kurzem hättest du bald ins Gras gebissen. Diese als Mann verkleidete Frau hat einen Akzent, weiß sich zu bewegen und sagt, sie sei aus Ranke. Also wohl ein Bündnis gegen die Starraugen? Aber was soll ich dabei? Ich habe nichts mit Politik zu tun.«
»Du hast natürlich recht, was Kama betrifft«, bestätigte Zip. »Sie gehört dem 3. Rankanischen Kommando an, das genauso scharf darauf ist wie wir, die Starraugen – Fischäugigen, meinetwegen – loszuwerden. Das gelingt uns natürlich nicht von heute auf morgen, auch nicht bis zum nächsten Eshtag. Wir brauchen größere Anerkennung, mehr Geld, mehr gute Leute, mehr, die unsere Sache unterstützen.«
Hanse hatte aufgehört, nach den Bierkrügen zu greifen oder auch nur einen Blick danach zu werfen. »Ich habe kein Geld, und bin für eure Zwecke weder ein guter Mann, noch bin ich daran interessiert, mich der VFBF anzuschließen.« Er zuckte die Schultern. »Ihr bekommt mehr Anerkennung, wenn ihr bewiesen habt, daß ihr mehr könnt, als blutige Botschaften an die Wände des Wilden Einhorns zu malen und Eindaumen oder andere in Schwierigkeiten zu bringen!«
»Das hat nicht die VFBF getan, Hanse, genausowenig wie ich. Und du hast recht – es war schändlich. Diese Fischäugigen, die ins Einhorn gestürmt sind, um sich auszutoben, waren nicht offiziell geschickt.(6) Und Hanse, wir – Kama und ich – wissen, wie wir Ansehen, Geld und weitere Anhänger gewinnen können, und zwar mit einem einzigen Streich, bei dem es keine Toten geben wird. Nicht einen. Nur …«
»Du träumst!«
Kama gab einen leisen Laut von sich, doch Hanse achtete nicht auf sie, er beobachtete Wunder, die damit beschäftigt war, eingehend ihre linke Vorderpfote zu studieren, während ihr Schwanz von einer zur andern Seite über den Boden fegte.
»Verdammt, Hanse …«
»Zip?« Kama wartete einen Augenblick, und Zip lehnte sich zurück und bemühte sich, seinen Ärger nicht zu zeigen. »Hanse«, sagte sie, »man erzählt, daß doch einmal jemand unbemerkt in den Palast eingedrungen ist und Kadakithis’ Statthalterstab stahl – das Symbol des rankanischen Reichs – und nicht erwischt wurde. Ob die Idee von ihm ausging oder nicht, weiß man nicht so recht, aber es ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Kadakithis’ hält sich entweder irgendwo versteckt oder wird festgehalten, und die Beysa schläft in der Statthaltersuite – allein, vermutlich – als Herrscherin über Freistatt. Weiter erzählt man, daß der Einbrecher, dem dieser Meisterstreich gelang, sich das Savankh vom Prinzen auslösen ließ. Möglicherweise sind dabei ein oder zwei Hochverräter auf der Strecke geblieben, vielleicht aber auch nicht; möglicherweise schuldet der Prinz dem Einbrecher sogar einen Gefallen, vielleicht aber auch nicht. Doch all das spielt keine Rolle.«
Sie machte eine Pause und wartete. Hanse wartete zunächst ebenfalls, doch als sie nach einer Weile immer noch schwieg, sagte er: »Ich habe diese Geschichte auch gehört, oder zumindest einen Teil davon. Aber was soll das, Jes?«
»Nenn mich Kama. Was es soll? Nun, was wäre passiert, wenn sich herumgesprochen hätte, daß das Savankh sich in der Hand der Freistätter befand – der Ilsiger? Es hätte dem Ansehen des Prinzen außerordentlich geschadet und dem Reich, dessen Vertreter er ist! In der Stadt hätte man sich vor Lachen gebogen. Und eine Menge Leute hätten sich jenen angeschlossen, in dessen Besitz sich das Savankh befand, vielleicht hätten sie sie auch mit Gold unterstützt. Jetzt aber sieht es schlechter aus. Viele waren gegen die rankanische Herrschaft über Freistatt, aber niemand mag diese fischäugigen Eindringlinge!«
»Das steht fest«, murmelte Zip.
»Stimmt«, bestätigte Hanse und blickte auf Wunder. Versuchsweise schlug er auf sein Bein. Wunder wandte sich von der Betrachtung ihrer Vorderpfote ab und starrte Hanse an. »Ich glaube, ich mag diese Katze«, erklärte er.
Auf einen Wink von Kama sagte Zip: »Wenn wir – die VFBF – das Beysin-Zepter hätten, ihr Machtsymbol … und wir dafür sorgten, daß alle es erfahren, ja wir es herumzeigten …«
»Hättet ihr eine Million Beysiber auf dem Hals.«
»Hundert, vielleicht«, verbesserte ihn Zip, »und nicht direkt auf dem Hals, denn sie würden uns nicht finden. Und alle Freistätter würden nur zu gern für uns lügen, sie in die Irre führen und sich uns anschließen, um Freistatt wirklich zur freien Stadt zu machen, und dafür sorgen, daß wir Unterstützung jeder Art bekommen, ja sie könnten möglicherweise sogar etwas unternehmen, Waffen hierher zu bekommen.«
»Ohne mich!« erklärte Hanse. »Ich möchte noch länger leben, und mit Politik will ich nichts zu tun haben. Es stimmt, daß ich und Prinz Kadakithis menschlich gesehen gut miteinander auskommen, aber ich bin Ilsiger und er ist Rankaner. Und das einzige, was ich tun würde, wäre, ihn aus Freistatt hinauszuschmuggeln – vorausgesetzt, er käme nicht mehr als Statthalter zurück.«
Kama trommelte kurz mit einem Finger auf den Tisch. »Das wird nicht nötig sein. Hör zu, Hanse … Auch Ranke steckt in großen Schwierigkeiten. Es geht nicht nur um die Beysiber in Freistatt. Ein Reich ist eine Menge Land, eine Menge Leute, eine Menge Freistätte. Die vereinten und siegreichen Bürger von Freistatt, die die Beysiber vertrieben haben, wären zu stolz, den Prinzen in den Statthalterpalast zurückkehren zu lassen, und ich muß dir sagen, daß er nicht stark genug ist, es zu erzwingen.« Sie wandte den Blick ab. »Er könnte auch nicht mit Hilfe von Ranke rechnen. Ranke ist anderweitig beschäftigt. Wie gesagt, Ranke ist in Schwierigkeiten.«
»Stimmt es, daß Vashanka tot ist?« fragte Hanse.
Sowohl Kama wie Zip starrten ihn an, und Hanse wunderte sich über ihren Gesichtsausdruck.
»Jedenfalls«, fuhr er fort, »würde ich sagen, daß ihr eine Menge Aufregung heraufbeschwört, euch in eine Menge Schwierigkeiten bringt, ein paar Starraugen tötet, und daß durch euch eine Menge unserer Leute umgebracht werden. Und dann zermalmen sie euch. Wenn ihr Glück habt, geht ihr gleich dabei drauf, wenn nicht werdet ihr zu Tode gefoltert. So, und jetzt werde ich wieder meinen eigenen Geschäften nachgehen, aber nicht mit euch oder euren Leuten. Wie gesagt, Politik ist nichts für mich!«
Zip war so wütend, daß er ihn fast »Feigling« beschimpft hätte, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen und nicht so etwas Dummes zu sagen, denn er hatte keine Lust, jetzt gleich zu sterben. Statt dessen murmelte er: »Hanse, Hanse … du hast gesagt, du hättest heute nacht einen getötet!«
Hanse blickte ihn durchdringend an. »Hätte?«
Zip seufzte. »So, wie du es verstanden hast, war es nicht gemeint. Ich dachte nicht daran, es in Frage zu stellen. Die Sache ist …«
»Die Sache ist, daß ich es getan habe. Ich hatte dreierlei Möglichkeiten: davonlaufen, sterben oder töten. So sah es aus. Ich mußte es tun. Es war nichts Politisches.« Jetzt seufzte auch er und schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht behauptet, daß ich diese starräugigen Kreaturen, die mir unheimlich sind, mag – ich sagte, und tu es jetzt wieder, daß ich nichts mit Politik zu tun haben will und nicht daran denke, mich irgendeiner politischen Gruppe anzuschließen!«
Zip schlug etwas härter auf den Tisch als beabsichtigt, was Wunder mit einem warnenden Knurren tief im Hals erwiderte. »Wir haben nicht vor, dich zu überreden, daß du dich uns anschließt, Hanse, wenn du das nicht möchtest, und wir wollen auch kein Geld von dir. Du hast die Chance, mehr für Freistatt zu tun, für deine Ilsiger und gegen die Beysiber, als irgend jemand anders – weil nur du in den Palast eindringen und das Zepter der Beysa stehlen kannst!«
Hanse starrte Zip an, als hätte der VFBFler gerade von ihm verlangt, daß er sich ausziehe und nackt durch die Straßen tanze. Er zuckte bei Kamas Berührung zusammen – sie hatte ihn nur ganz leicht aufs Handgelenk getupft, das verriet ihm, daß sie sowohl klug wie gefährlich war und wußte daß man einem, der sehr empfindlich auf so etwas reagierte, nicht fester anlangte, wie es so gut wie jede andere Frau an ihrer Stelle getan hätte. Er blickte sie ausdruckslos an.
»Hanse … nur einer in Freistatt und wahrscheinlich auf der ganzen Welt könnte es tun! Wir – Freistatt braucht dich, Hanse!«
»Und sobald es geschafft ist, behaupten wir, daß wir Hilfe vom Palast hatten!« rief Zip aufgeregt. »Dann verdächtigen sie ihre eigenen Leute! Und von uns erfährt nie jemand, daß du es getan hast!«
»Das glaube ich dir sogar«, sagte Hanse, »weil ich es nämlich nicht tun werde. Noch einmal: Keine Politik für mich. Ich liebe das Leben. Du hast gesagt, du hättest diese großartige Idee, wie ihr mit einem Streich zu so gut wie allem kommen könntet und daß es keine Toten dabei geben würde. Was du möchtest, erfordert jedoch den Tod von zumindest einer Person.«
Zip blickte Kama kurz an, dann den geschicktesten Dieb des ganzen Kontinents. »Einverstanden.« Er schlug auf den Tisch. »Wer muß sterben?«
»Ich, du verdammter Narr, wenn ich so dumm wäre, in den Palast einzubrechen, um das Zepter Ihrer Fischheit zu stehlen und es hinauszubringen!« Hanse stand auf, schob den Stuhl zurück und wandte sich der Tür zu – und blickte in die Augen der Katze, die plötzlich zwei Fuß vor seinen Stiefeln saß und ihn mit Augen ansah wie in grüne Mandeln gesteckte schwarze Murmeln. Sie hatte die Ohren so weit zurückgelegt, daß sie fast nicht zu sehen waren, und stieß einen drohenden Laut aus.
Ein dramatischer Abgang vereitelt durch eine Katze! Hanse seufzte und ließ sich zurück auf den Stuhl gleiten, um auf Ahdios lahmen Helfer zu warten.
»Du verdammtes Katzenvieh«, brummte er und griff nach seinem Krug. »Ich glaube, ich mag dich. Möchtest du einen Schluck Bier?«
Wunder fauchte.
»ICH KANN NICHT DURCH WAFFEN DEINER EBENE GETÖTET WERDEN, IDIOT, KLEINER DIEB, LÄCHERLICHER HALBSTERBLICHER«, hatte Vashanka zu Hanse gesagt, und dann hatte Hanse das Messer geworfen, und Vashanka war tödlich getroffen worden und mußte sterben, während er gleichzeitig Hanses Tod verursachte. Doch Vashanka hatte recht: Er konnte nicht getötet werden, deshalb wurde er für immer von dieser Ebene geschleudert, auf der die Diebeswelt, Freistatt und Ranke, Vashankas erwählte Stadt und seine erwählten Anhänger existierten. Und er konnte nie wieder zurückkehren, da er hier getötet worden war.
Weil Vashanka Hanse getötet hatte, aber nicht auf dieser Ebene existierte, und so Hanse nicht getötet haben konnte, kam es zum Paradoxon, und Paradoxa, hatte Ils, der Gott der Ilsiger gesagt, konnte es nicht geben. Deshalb war Hanse, genannt Nachtschatten, am Leben und unversehrt. Und Ils blickte auf ihn hinab und sagte:
Du, geliebter Sohn des Schattens, hast einen Gott besiegt und so mich meinem Volk in Freistatt zurückgegeben. Und da Vashanka zum mächtigsten Gott der Rankaner geworden war, wird die Macht dieses Volkes schwinden. Reiche sterben langsam, doch sein Untergang hat in diesem Augenblick begonnen.«
Und dann: »Zehn Umdrehungen der Sonne lang sollst du haben, was du dir wünschst. Alles, was du dir ersehnst … Solange werden wir nicht für dich erreichbar sein. Danach aber sehen wir uns wieder, geliebter Hanse, und du darfst mir noch einen, deinen größten Wunsch nennen.«
Als Hanse Nachtschatten, Sohn des Schattengottes Shalpa (und Bezwinger eines Gottes), sich in jener Nacht erschöpft von dem schweren Kampf nach Hause schleppte, wünschte er sich, er wäre nicht müde – und da war er es nicht mehr. Grinsend wünschte er sich noch etwas, und als er seine Kammer betrat, war sie tatsächlich da: Die Gewünschte erwartete ihn mit schmachtenden Augen unter langen Wimpern in seinem Bett.
Danach war die Nacht wundervoll, diese Nacht von Hanses großem Triumph und Vashankas Tod/Verbannung für immer. Und am Morgen sah man die Schiffe. Die Beysiber waren unterwegs nach Freistatt.
Hanse schlenderte an jenem Tag zum Hafen und sah, daß die Schiffe immer näher kamen, und er überlegte und grübelte. Dann stieg er hinauf zum Adlerhorst, von manchen auch Adlerschnabel genannt, wo er Gast von Göttern gewesen war und mit einem Gott gekämpft hatte. Die Götter waren jetzt nicht da, nur die Ruinen. Und der Brunnen. Hanse seufzte. In diesem Brunnen lagen zwei Satteltaschen voll Silbermünzen – mit einigen Goldstücken ebenfalls –, seit vielen, vielen Monaten schon, und dieses Geld gehörte ihm. Ohne war es ihm, seltsamerweise, weder besser noch schlechter ergangen. Hanse, der Dieb, dachte lediglich an seinen nächsten Einbruch, an sein nächstes Mädchen, und er malte sich aus, wie es mit jenen wäre, die er nicht haben konnte …
Aber er konnte sie doch haben, oder nicht? Ils hatte ihm Esaria, die bildschöne junge Tochter des ehrenwerten Shafralain ins Bett geschickt. Es war eine wundervolle Nacht gewesen und hatte keine unangenehmen Folgen gehabt. Ein Schauer durchrann ihn, als er sich erinnerte, daß auch die Liebesgöttin Eshi sein Bett mit ihm geteilt hatte – dachte er. Und irgendwie hatte sie etwas mit Mignureal zu tun, der Tochter von Mondblume, die ihn gebeten hatte, ihrer Kleinen fernzubleiben oder vielmehr, sie als nicht mehr denn eine Schwester anzusehen. Er war dazu durchaus bereit gewesen, aber seither … Oh, seither war all das geschehen.
Grübelnd kehrte er nach Freistatt zurück und ließ seiner Phantasie freien Lauf. Unterwegs hatte er Gelegenheit, etwas auf die Probe zu stellen. Ein Riese von Mann wollte sich mit ihm anlegen. Hanse machte sich zur Abwehr bereit und wünschte sich, der Bursche würde ihn in Ruhe lassen und sich lieber schlafen legen oder sonst was. Da sah er, wie der Mann herzhaft gähnte und zusammensackte. Staunend untersuchte Hanse ihn. Er war nicht etwa tot zusammengebrochen, sondern atmete tief und gleichmäßig und schlief sichtlich den Schlaf, nun, nicht unbedingt des Gerechten.
»Aber – ich habe zehn Tage (oder Monate? Doch nicht etwa Jahre?), in denen meine Wünsche erfüllt werden! Alles, was ich mir wünsche!«
In seiner Aufregung redete er laut und machte übermütig ein paar Tanzschritte. Glücklich betrat er Freistatt, und eine wundervolle Vision nach der andern zog vor seinem innern Auge vorbei. Er eilte zu seiner geliebten Seherin Mondblume und überraschte sie mit einer stürmischen Umarmung, während er sich wünschte, sie möge doppelt so viele Münzen wie sie glaubte unter dem Schultertuch haben, in dem Spalt zwischen den üppigen Brüsten, den sie ihre Schatztruhe nannte. Er hörte das Klingeln und sah ihre Verblüffung, als dieser Wunsch sich sofort erfüllte.
Lachend sprang er davon und spazierte freudig durch die Stadt, so daß andere sich wunderten, worüber er so glücklich sein konnte, während viele daran dachten, der immer näherkommenden Invasionsflotte wegen, aus der Stadt zu flüchten. Hanse war zum Kind mit einem neuen wundervollen Spielzeug geworden, ja dem wundervollsten überhaupt! Auf einer Straße der Oberstadt bemerkte er eine bezaubernde Frau und wünschte sich, er könne sie haben, woraufhin sie sich umdrehte und ihn sah. Sofort ging sie mit wiegenden Hüften und strahlendem Lächeln auf ihn zu.
»Du bist umwerfend«, sagte sie. »Bring mich in dein Bett!«
Doch ehe sie das Haus erreichten, in dem Hanse seine Kammer hatte, sah er eine andere und tauschte sie quasi gegen die erste aus, die glücklich davontrippelte, ohne Erinnerung an das, was sie getan hatte oder vielmehr fast getan hätte. Hanse hatte bereits etwas gelernt! Und wie billig diese Lektionen waren, gar nicht wie im richtigen Leben. Die zweite Frau war bildschön und hatte eine aufregende Figur, aber hinter der verschlossenen Tür auf dem Bett stellte er rasch fest, daß sie eine Niete war. Doch mit einem zweiten Wunsch konnte er das ändern …
In der Dämmerung machte er sich wieder auf den Weg, zwar etwas schwach auf den Beinen, aber glücklich (er hatte zu einem Wunsch Zuflucht nehmen müssen, damit sie ging und ihn alleinließ), denn ihm war eine wundervolle Aufgabe für sich, für Hanse Gottbezwinger, eingefallen. Unterwegs knurrte sein Magen. Er wünschte sich einen Apfel, und der erste Obsthändler, dem er begegnete, rief »He!« und warf ihm ein Prachtstück von Apfel zu.
Während er ihn genußvoll kaute, dachte er: Ich wünschte, diese Rothaarige würde neben mir spazieren; wir gäben ein schönes Paar ab! Sie tat es natürlich, aber es führte zu einem Problem, als ihr Gatte angerannt kam und eine Erklärung verlangte. Da lernte Hanse noch was über diese neue Kraft: Etwas veranlaßte ihn zu wünschen, daß diese beiden ihn sogleich vergaßen und zufrieden nach Hause gingen und ihr Leben lang glücklich miteinander sein würden. Wenn das nicht das Schönste war, was jemand für einen anderen tun konnte! Mit Ils’ Hilfe, natürlich. Ein wundervoller, aufmerksamer Gott, dieser Ils!
Am Hafen fand Hanse eine nervöse Menschenmenge vor und mischte sich unter sie. Er beobachtete sie, und ihm entging ihre Angst genausowenig wie ihre lächerliche Hoffnung (»Wer immer es ist, sie werden die Rankaner vertreiben und uns in Ruhe lassen!« »An Neuankömmlingen läßt sich immer ganz ordentlich verdienen!« Sicher, dachte Hanse, vor allem, wenn sie mit über hundert Schiffen eintreffen!).
Dann blieb er hochaufgerichtet und zuversichtlich lächelnd stehen. Und während er auf diese vielen näherkommenden Schiffe blickte, wünschte er, sie würden wenden und davonsegeln und Freistatt in Ruhe lassen.
Sie kamen trotzdem näher, und Hanse lernte wieder etwas: Für manche Dinge, für große Sachen, brauchte sogar Ils länger! Morgen würden sie verschwunden sein! Doch auch das war nicht der Fall, und Hanse mußte sich damit abfinden, daß nicht alles möglich war (was er bereits gewußt hatte) und daß Ils zwar ein Gott war, doch nicht der einzige. Und daß es auch für Götter Grenzen gab.
In dieser Nacht genoß er ein vorzügliches Mahl in Shafralains Haus, nur weil Hanse diesem wohlhabenden Edlen begegnet war und sich gewünscht hatte, er würde ihn zum Essen einladen … Natürlich verbrachte er die Nacht wieder in den Armen Esarias. Als er im Morgengrauen erwachte, drängte sich ihm der Gedanke auf, daß es ratsam sei, jetzt Schluß zu machen und zu wünschen, daß Esaria und ihr Vater diese Nacht vergaßen. Auf dem Heimweg wünschte er sich, Esaria solle in ihrem zukünftigen Leben sehr glücklich sein, und wieder hatte Hanse das Unwahrscheinliche getan: etwas Gutes.
Am nächsten Tag landeten die häßlichen, aber faszinierenden Leute von Übersee und stapften in die Stadt. Es dauerte nicht lange, bis feststand, daß sie gekommen waren, um hier die Macht zu übernehmen, und daß sie sich damit ziemlich beeilten. Noch ehe der Nachmittag fortgeschritten war, hatte Hanse es mit dreizehn verschiedenen Wünschen gegen sie versucht, aber keiner fand Erfüllung. Andererseits, wenn einer der Starräugigen Hanse ansprach und ihm bedeutete, daß er für irgendwas benötigt wurde, wünschte er sich, die häßliche Kreatur würde niesen und geraume Zeit nicht damit aufhören. Das klappte jedesmal, und Hanse zog grinsend weiter. Einzelne Beysiber waren für Ils offenbar kein Problem.
Er schlenderte ins Ostviertel und blieb vor dem vornehmen Herrenhaus stehen, das er schon lange bewunderte. Oft hatte er sich gewünscht, hier einzubrechen, um zu sehen, wie es eingerichtet war, und um eine Kleinigkeit an sich zu nehmen. »Ich wünsche es mir jetzt«, murmelte er, und es war leicht, so leicht. Er verkaufte die hübschen Sachen, die er hatte mitgehen lassen, aber irgendwie fand er es lächerlich, als er ein paar Münzen dafür von einem »Tauscher« im Labyrinth bekam. Diese Umstände, wenn er sich doch soviel Geld herbeiwünschen konnte, wie er nur wollte!
Natürlich hatte er die leidenschaftlichen Küsse und anderen Zärtlichkeiten der hübschen Sklavinnen dieses Hauses genossen, und natürlich hatte er gewünscht, daß ihr Herr morgen das Bedürfnis habe, sie freizusetzen und ihnen ein großzügiges Abschiedsgeschenk zu machen. Unendlicher Ils, er hatte es wieder geschafft! Hanse hatte eine weitere gute Tat begangen!
Die Sache mit dem Geld beschäftigte ihn eine längere Weile. Er dachte an all die rankanischen Münzen im Brunnen, oben auf dem Adlerhorst. Es war ein einfacher Wunsch, der ihm da einfiel, aber er sagte ihm zu: »Wenn ich am Brunnen ankomme, möchte ich, daß die Satteltaschen mit dem Geld von selbst hochschweben und ich keine Mühe mit ihnen habe … Oh! Ich wünsche, daß sie einfach hierherkommt und findet, daß ich gut aussehe und daß sie mit mir schlafen will – nein, daß sie mir einen schönen weinroten Umhang dafür schenkt!«
Als er und sie – sie hieß Bumgada, aber was bedeutet schon ein Name? – am nächsten Morgen glücklich miteinander aufstanden, dachte er, daß etwas vergessen worden sei. Aber nein, sie nahm ihn am Arm, führte ihn in die Oberstadt und kaufte ihm, nachdem sie ihn zum Frühstück eingeladen hatte, einen schönen weinroten Umhang – einen langen, dunklen – na, wenn ihnen das nicht erstaunte Blicke einbrachte!
Während sie dahinspazierten, sagte sie etwas, und Hanse sagte etwas und fügte hinzu: »Oh, und Bumma – ich wünsche, daß du alles vergißt, was passiert ist, seit du mich gestern kennengelernt hast, und daß du meinetwegen keine Schwierigkeiten kriegst und ein glückliches Leben haben wirst.«
»Entschuldigung«, bat sie, als hätte sie ihn soeben versehentlich angerempelt, und ging ihres Weges, wohin immer der führte. Hanse schlenderte weiter und fragte sich, woran sie sich erinnerte, woran sich die beiden Sklavinnen erinnerten und woran sich Esaria und ihr Vater und ihre Dienstboten erinnerten und …
Er mußte es herausfinden! Es war schrecklich unschicklich, aber er mußte es doch erfahren, nicht wahr? Er sprach einen Wunsch aus, der damit zu tun hatte, daß ihn eine gewisse Person im Bett erwarte, wenn er heimkam. Danach wünschte er sich, sich zehnmal hintereinander als erfolgreicher Taschendieb zu betätigen. Doch das erwies sich als dumm und langweilig, weil es zu einfach war. Außerdem verzählte er sich, und sein elftes Opfer bekam seine Hand zu fassen und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, daß Hanse rasch mit dem Wünschen sein mußte. Erst nach zwei Häuserblocks hörte er zu rennen auf. Es war ja schließlich nicht mehr, als hätte er es nötig! Nur eine langjährige angenehme Angewohnheit.
Er lernte eine neue Grenze von Ils’ Macht kennen, als er sich wünschte, daß Tempus und seine Männer die Beysiber vertreiben würden – er dachte, das wäre die richtige Weise es zu tun.
Er hatte sich getäuscht. Tempus und seine Jungs verließen die Stadt; eine Menge nicht halb so tüchtiger Kerle und auch welche, die noch weniger taugten, erschienen in der Stadt. Einer pöbelte ihn an, und Hanse wünschte sich, der Schwachkopf würde auf seinen eigenen Dolch stürzen, doch als das wirklich geschah, war er gar nicht glücklich darüber. Nach ein paar Blocks ging er wieder zurück. Dadurch entdeckte er, daß er einen Toten nicht wiederauferstehen lassen konnte.
Als er an einem teuren Lokal für die ganz Reichen und Vornehmen vorbeiging, kam ihm eine Idee. Er wünschte sich, daß sie ihn wie einen hohen Gast behandeln und sich ›erinnern‹ würden, daß er bereits im vorhinein und sehr gut bezahlt habe. So betrat er es und kam eine Stunde später mit vollem Magen wieder heraus, und der Geschäftsführer sowie der Türhüter begleiteten ihn bis zur Straße, bedankten sich bei ihm, wünschten ihm mit vielen Verbeugungen alles Gute und daß er bald wiederkommen möge.
Ächzend stapfte er dahin, denn er hatte mehr gegessen, als ihm guttat. Da kam ihm ein neuer Gedanke, und er wünschte sofort, daß keine der Frauen, mit denen er sich vergnügt hatte, schwanger geworden war. Und auch, daß sie es nicht würde, die er heute im Bett finden würde. Er lächelte fast zärtlich und ging heim.
Sie hieß Mignureal und war Mondblumes Tochter. Sie hatte ihn einmal gesehen, wie niemand einen Mann sehen sollte, schon gar keinen, der so selbstsicher tat wie Nachtschatten und so viele Bedürfnisse hatte: Sie hatte ihn vor Angst – eine durch Zauberei herbeigeführte! – eines Nachts wimmern und winseln und sich krümmen sehen. Sie hatte ihn mit nach Hause genommen und gepflegt, während ihre Mutter nervös in der Nähe blieb, denn ihr war der anbetende Blick in Mignues sanften Augen nicht entgangen.(7) Und ein andermal, als er eine gefährliche Aufgabe vor sich hatte, von der sie gar nichts wissen konnte, hatte sie ihn fast angefleht: »O Hanse, Hanse – nimm das braune Gefäß mit den Kreuzen mit!«
Beklommen hatte er es getan. Das war in jener Nacht gewesen, als er einen grauenvoll verstümmelten Tempus aus den bluttriefenden Händen eines Mannes befreit hatte, dessen Beruf mit dem bestimmt schrecklichsten Wort in jeder Sprache bezeichnet wurde: Vivisezierer. Kurd zerstückelte die Lebenden – und keineswegs als Arzt. Wie sich herausstellte, rettete der Inhalt des braunen Kruges ihm in dieser Nacht tatsächlich das Leben,(8) und er hatte erkannt, daß Mignureal, die S’danzo, etwas von der Gabe des Hellsehens ihrer Mutter mit in die Wiege bekommen hatte. Und dann – dann war es Mignureals Gestalt, die Eshi, die Göttin der Liebe, angenommen hatte, als sie ihn zu diesem schrecklichen Zweikampf mit Vashanka geholt hatte.
Und Eshi liebt mich offenbar – oder begehrt mich zumindest, grübelte er, während er mit vollem Magen und weinrotem Umhang heimging. Aber liebt mich Mignureal?
Und nach ein paar weiteren Schritten: Wie alt ist sie eigentlich? Er schüttelte den Kopf.
O ihr Götter Ilsigs – was spielt das für eine Rolle? Ich weiß ja nicht einmal, wie alt ich bin!
Doch er wußte, was er wußte – wer und was er war: der Sohn einer Frau aus Abwind und – des Gottes Shalpa. Halbsterblicher hatte Vashanka ihn genannt. Das war eine Bezeichnung, die auf die andere Hälfte hinwies: Halbgott. Hanse war ein Halbgott.
Wie bei den Zehn Höllen kann ich damit leben?
Wie bei den Elf Höllen kann ich mit dieser Wünscherei leben?! Alles, was ich möchte – es wird mir jetzt schon fast langweilig!
Er kam zu Hause an und fand sie in seiner Kammer vor. Sie war zierlich und liebreizend und wirkte so verwundbar in ihrer Blöße, als sie sich in seinem Bett aufsetzte und ihm die wohlgeformten Arme entgegenstreckte. Mignureal, kleine Mignureal, Tochter der Frau, die Hanse liebte, obwohl er nicht einmal selbst wußte, daß er sich wünschte, sie wäre seine Mutter.
»Liebling! Ich dachte schon, du kämst gar nicht heim zu mir!«
Er drehte sich um, um die Tür zu schließen, und tat als hätte er Schwierigkeiten mit dem Riegel, damit er ihr den Rücken zudrehen konnte, während er mit seinen Gedanken und Gefühlen rang.
Da schwebte sie schier aus dem Bett und kam zu ihm. Sie war anmutig und noch lieblicher, so nackt im weichen Licht des Mondes, dessen sanfter Schein durch das Fenster fiel.
Hanse konnte der Verlockung ihrer Nähe, ihrer erhobenen Arme nicht widerstehen, und während sie sich küßten, wanderten seine Hände ihren Rücken auf und ab. Beide zitterten sie, in beiden war das Verlangen groß.
»Mignue, Mignue … Was machst du hier?«
Sie lächelte, schmiegte sich an ihn, und ihre Lippen liebkosten seinen Hals. »Du weißt, was ich hier tue, Hanse.«
»Bitte … Warum bist du gekommen, Mignue? Warum heute nacht? Was veranlaßte dich dazu, ausgerechnet heute nacht zu mir zu kommen?«
»Ich wollte bei dir sein, mein Liebling – will dein sein!«
Er preßte die Lider zusammen. O verdammt, verdammt! Sechs weitere Fragen brachten ähnliche erfreuliche, aber unbefriedigende Antworten. Es war ein Teufelskreis. Sie hat keine Ahnung und will das gar nicht wirklich aus sich heraus tun, dachte er in wachsender Seelenqual. Sie ist hier, weil ich es wünschte und Ils sie deshalb schickte, nur darum … Und ich fühle mich elend – ich komme mir wie ein Schuft vor!
Sie hatte bereits seinen Gürtel geöffnet und mit beiden Messerscheiden auf das alte Faß gelegt, das er als Nachttisch benutzte. Jetzt blickte sie ihn über die Schulter erwartungsvoll an. Hanse schluckte schwer und noch einmal. Er kam sich unvorstellbar gemein vor.
Sie drehte sich ganz zu ihm um, die Hände hinter dem Rücken, den Kopf leicht gesenkt, mit straffem Busen, und wiegte sich von einer zur andern Seite, doch viel eher wie ein kleines Mädchen denn eine Verführerin.
»Begehrst du mich, Hanse?«
»Ils und Eshi – welcher Mann würde dich nicht begehren, Mignue? Ich …« Doch unter den Umständen, in seiner seelischen Verfassung, war es das Verkehrteste, was er hätte sagen können! Ihr Gesicht leuchtete vor Glück auf. Sie lief die zwei Schritte auf ihn zu und schlang stürmisch die Arme um seinen Hals. Hanse erstarrte und berührte sie nur ganz leicht mit einer Hand. Er kaute an der Unterlippe und wünschte sich, er wäre … Nein! Wenn ich mir je wünschen sollte, ich wäre tot, dann möge das nicht als Wunsch gewertet werden!
»Oh!« hauchte Mignue, als sie feststellte, daß sie sich an einen spürbar erregten Mann schmiegte. Da schlossen ihre Arme sich noch fester um seinen Hals, und sie preßte sich erst recht an ihn.
Er streichelte ihr dichtes und wundervoll weiches Haar. Ihm kam der rettende Gedanke, und er sprach ihn laut aus.
»Ah, Mignue, Mignue … Ich wünsche mir, daß du dich in meinen schönen neuen Umhang hüllst und nur eine Weile mit mir redest.«
»Das klingt vielleicht sehr dumm«, flüsterte sie, an seine Brust geschmiegt, »aber weißt du, was ich gern tun würde?«
Ja, das wußte er.
Sie schaute unwahrscheinlich und – für seinen Seelenfrieden – bedrohlich liebreizend aus in diesem weinroten Umhang. Ja, natürlich erinnerte sie sich daran, daß sie ihn gebeten hatte, das braune Gefäß mit den Kreuzen mitzunehmen – und hatte er es nicht getan? – Ja. Und hatte es sich als nützlich erwiesen? Ja. Da erzählte er ihr von jener Nacht, und sie staunte, daß er das alles gemacht, daß er den mächtigen und offenbar unsterblichen Tempus gerettet hatte. Doch daß sie sein Leben gerettet hatte, verwunderte sie nicht. »Es ist das S’danzo, Hanse. Du mußt wissen, daß eine S’danzo einem Kunden nie sagt, daß sie seinen Tod vorhersieht. Auch versucht eine S’danzo sich nie in den Willen einer Welt und den Willen der Götter einzumischen, höchstens insoweit, als sie dem Betreffenden zur Vorsicht rät.« Sie saß mit den Armen um die angezogenen Beine, und sie blickte den jungen Mann nicht an, der so auf dem Fenstersims saß, daß die Zehen den Fußboden berührten. Er hatte die Vorhänge zugezogen, trotzdem war es nicht völlig dunkel in der Kammer.
»Andererseits – bei jenen, die wir lieben, können wir S’danzo nicht so gut sehen, weil wir zu sehr davon berührt sind, weißt du, Liebling? Aber etwas anderes macht das wett: Wir können manchmal die Gefahr sehen, häufig ohne daß es uns bewußt wird, und dann sehen, was die geliebte Person tun sollte, um ihr zu entgehen oder, uh, um sie zu bezwingen.«
Hanse blinzelte. Sie sagt mir, daß sie mich liebt … schon seit mindestens einem Jahr! Oh! Oh! G … Ils, Ils, Gott meines Va … uh – meiner Mutter, Gott der Götter … Ich wünschte, ich wüßte, ob das stimmt oder nicht!
»Da – jetzt habe ich es gesagt. Jetzt weißt du es, Hanse, o Hanse! Ich liebe dich, liebe dich schon seit Jahren – schon seit ich dich zum erstenmal sah, ganz bestimmt, obwohl ich da noch ein kleines Mädchen war.«
Hanse schluckte. Er fühlte sich wie schmelzendes Wachs, und etwas wie ein Schleier hatte sich vor seine Augen geschoben. Mich! Nachtschatten! Wer hat mich denn schon je geliebt?! Das ist alles, was ich je wollte – aber ich durfte es nicht zeigen, nicht wahr? Damit ich, wenn es dazu kam, wenn, wissen würde, daß es echt ist … Aber das hätte ich nie erfahren, weil ich nie daran glaubte und mich dagegen verschloß, um nur ja nicht verwundet zu werden …
Er versuchte unauffällig, diese verdammt unmännliche Träne von seiner Wange zu wischen. Doch kaum hatte er es geschafft, rollte eine aus dem anderen Auge. Ich hoffe, sie sieht es nicht, dachte er, ohne Gedanken an die Macht des Wunsches.
Er stellte ihr eine Frage nach der andern über die ganze Ils/Eshi/Vashanka-Sache. Sie erinnerte sich an nichts davon. Sie hatte allerdings einen furchtbaren Traum gehabt, daß er ihr für immer verloren, daß er unerreichbar für sie sei, weil er in den Armen einer Göttin lag; und sie war weinend aufgewacht. Ihre Mutter hatte sie in die Arme genommen und sanft zu ihr gesprochen, bis sie erkannt hatte, wie dumm das war, so gar nicht logisch oder wahrscheinlich oder möglich.
Natürlich, dachte Hanse und sagte: »Ich! Mit einer Göttin? O Mignureal!«
»Ich weiß«, sagte sie und warf einen Blick auf ihn, wandte jedoch ebenso rasch die Augen wieder ab. »Aber wir können unsere Träume nicht aussuchen, und manchmal scheinen sie so wirklich zu sein!«
Er wappnete sich, schluckte schwer und sagte: »Dies ist natürlich ein Traum.«
Sie blickte ihn scharf an. »Was?«
»Ich sagte«, es kostete ihn seine ganze Willenskraft, sie anzublicken und die Worte zu sprechen, »daß dies natürlich ein Traum ist. Du kannst nicht hier sein in meiner Kammer. Du kannst nicht nackt in meinem Bett auf mich gewartet haben. Das wäre nicht S’danzo. Das wäre unter der Würde deiner wundervollen und bewundernswerten Mutter und deines stolzen alten Volkes und –,und vor allem unter deiner, Mignue. Das ist nicht deine Art! Du würdest so etwas nicht tun. Du würdest es – es erniedrigend finden. Es ist nicht, was du und ich wirklich möchten, nein, nicht auf diese Weise, nicht jetzt. Es verträgt sich nicht mit deinem Stolz und deiner Selbstachtung.«
Sie starrte ihn an, und Tränen flossen in glitzernden Bächen über ihre Wangen und auf seinen Umhang.
»Es muß ein Traum sein, verstehst du nicht?«
Mignureal hob die Brauen, und sie war eine Frau, nicht ein Mädchen, als sie sagte: »Aber es ist kein Traum, Hanse.«
Wieder tat es weh, wieder mußte er sich wappnen, wieder schluckte er schwer und mußte tief Luft holen, damit seine Stimme festblieb. »Es ist ein Traum, Mignue. Und du wirst dich an jede Einzelheit erinnern. Ich wünsche, daß es ein Traum für dich ist, Mignureal, liebe süße Mignureal, und daß du dich an alles erinnerst und daß du schlafend zu Hause in deinem Bett liegst.«
Sie antwortete nicht darauf, denn sie war nicht mehr da. Nur der weinrote Umhang lag zerknüllt auf dem Bett. Hanse konnte noch die Tränenspuren darauf sehen, selbst vom Fenstersims aus, diese nassen, dunkleren Flecken, und er wußte Mignue sicher zu Haus in ihrem Bett.
Er saß da und fühlte sich wirklich dumm und voll Selbstmitleid. Doch nach einer Weile war ihm, als höre er das sanfte Kichern einer Frau in seinem Kopf. Da wußte er, daß es Eshi war, die kicherte und in seinem Kopf sagte: Und du hast dich gewundert, daß ich als Mignureal zu dir kam – du bist ein Esel und liebenswert als Esel, wie alle Männer!
Hanse hatte vorgehabt, die Nacht mit Mignureal im Bett zu verbringen, so, wie mit den anderen Frauen, und dann zu ihr nach Hause zu gehen, um zu erfahren, was ihre Mutter und sie und ihr Vater und ihre Geschwister wußten und dachten und woran sie sich erinnerten. Nun würde er es nicht erfahren, denn Hanse hatte endlich erkannt, was seiner nicht würdig war. Ich wünsche mir, ich könnte Mignureal und ihrer Liebe würdig sein, dachte er, auch das ohne einen Gedanken an Ils oder die Macht des Wunsches. Sofort war sein ganzes Leben verändert. Ohne es zu wissen, zog er sich aus und ging zu Bett.
Die Qual begann.
Fast eine Stunde später gab er es auf und sprach einen Wunsch.
Die sehr anmutige Tochter des Zollaufsehers Cusharlain war ganz weiche und anschmiegsame Frau in seinem Bett, und es war wundervoll, sie zu spüren und zu begehren, doch nach einer Weile in ihren Armen mußte ein armer, mitleiderregend überraschter Hanse sich wünschen, daß er aufhöre an Mignureal zu denken und daß er über diese, seine erste Erfahrung mit Impotenz hinwegkäme.
Irgendwo lächelte Ils. In Hanses Bett tat es eine unglaublich schön gebaute Frau ebenfalls. Zunächst seufzte Hanse nur vor Erleichterung, doch sie wurde rasch von einem heftigeren Gefühl verdrängt und von stärkerer körperlicher Betätigung.
Nach dieser Nacht gab sich ein ziemlich nachdenklicher Nachtschatten größeren Überlegungen hin. Er konnte es kaum erwarten, wieder zu den Göttern gerufen zu werden.
Wie sich herausstellte, hatte Ils zehn Tage und Nächte gemeint, nicht Jahre oder Monate. Und wieder einmal wurden die dunklen Ruinen von Adlerhorst zu einem lichtglitzernden Palast der Götter, und Hanse von Abwind blickte die lange Tafel entlang auf den gesichtslosen Schatten, der Shalpa war, und auf das blendende Licht, das Ils mit den Tausend Augen war – er, nach dem die Ilsiger sich genannt hatten –, und auf die absolut schönste und wohlgeformteste Frau, die ein Mann je erschaut hatte. Denn das war die Gestalt, die Eshi für diese Nacht gewählt hatte, und Hanse wurde bewußt: Die Göttin zeigte ihm, wie unbeschreiblich schön sie sein konnte, daß eine Sterbliche wie Mignureal nicht mit ihr zu vergleichen war. Und daß sie das für ihn tat, erfüllte Hanse mit großem Stolz.
Er fragte, ob die Zeit, da seine Wünsche erfüllt wurden, vorbei sei. Und der Große Gott antwortete, ja, aber er dürfe sich noch etwas wünschen, das sein eigenes Leben betraf. Hanse, in dem plötzlich ein Diplomat erwachte, sagte, das sei bedauerlich, denn er hätte sich gern noch gewünscht, die Frau, die er liebte, Mignureal, würde einen Hauch der Schönheit und Herrlichkeit und Sinnlichkeit der Göttin Eshi bekommen, die für ihn unerreichbar war.
»Vater-r …«, begann Eshi, doch Ils bedeutete ihr zu schweigen.
»Und so stehst du wieder vor mir, Hanse«, sagte er. »Und nun nenne mir deinen Lebenswunsch.«
»Er ist dreifacher Art«, gestand Hanse. »Ich möchte erstens, daß weder ich noch jemand, der mir nahesteht und mir lieb und teuer ist, den Augenblick meines unvermeidbaren Todes erfährt. Habe ich mich da richtig ausgedrückt?«
»Unmißverständlich«, versicherte ihm die ruhige, klangvolle Stimme des Mächtigsten. »Es sei dir gewährt. Und?«
»Ich wünsche mir überlegene Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen sowie Gesundheit und Glück«, erklärte Hanse. »Und daß ich alles vergesse, was geschehen ist; alles, was ich gedacht und getan und gewünscht habe (von dem Traum abgesehen, den ich mit Mignureal, der S’danzotochter, gemein habe), seit ihr mich in der Sache mit Vashanka zu euch gerufen habt.«
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann sprach der Schatten, der lebende Gott, der den Schatten personifizierte und zur Rechten seines Vaters saß. »Was? Du möchtest vergessen, daß du mein Sohn bist?« Die Stimme klang rauschend, wie es sich für einen Schatten unter Schatten geziemte, doch das letzte Wort kam wie ein Donnerschlag.
Hanse blickte zu Boden. »Ja.«
»Was?« staunte auch Eshi. »Du möchtest alles vergessen, was du getan hast – ja vergessen, daß du mit mir im Bett warst?«
Wieder half seine Diplomatie Hanse: »Ich habe beschlossen, ein Mensch und sterblich zu sein, o personifizierte Schönheit. Wie könnte ein Mann seinen Seelenfrieden finden, der Euch gesehen, ja Euch sogar in den Armen gehalten hat? Das ist zuviel, Göttin Eshi. Ihr dürft nicht zulassen, daß ich mich daran entsinne und daß mich die Erinnerung quält an das was war und was hätte sein können.«
Da wurde sie sogar noch schöner und so unwiderstehlich wie das Wort, und ihr Lächeln glich Sonnenstrahlen und Mondschein, die ihn in ihrer Wärme badeten. »So sei es denn«, sagte sie und wurde zu einer gut aussehenden Frau in Weiß, und nicht mehr.
»Dein Sohn, Shalpa mein Sohn, ist sehr weise«, sagte Er-mit-den-Tausend-Augen. »Doch möchte ich dir eines zu bedenken geben, Hanse, Gottsohn, viel, sehr viel der Welt steht dir offen. Wir haben uns besprochen, du könntest sogar bei uns bleiben, um für immer und alle Zeit über die Sterblichen auf der Erde zu herrschen. Möchtest du da wirklich statt dessen einer von ihnen sein?«
»Ja …« Hanse schluckte schwer. »…Großvater.«
»Du könntest auch weiterhin jeden Wunsch erfüllt bekommen, solange du in dem Land bist, über das wir wachen, ja sogar den größten aller Wünsche: Daß jeder deiner Wünsche in Erfüllung geht.«
»Ihn«, bestätigte Shalpa mit rauschender Stimme, »und dann Vergessen.«
Hanse fiel auf die Knie und seine Stimme bebte: »Laßt mich Hanse sein!«
»Es ist die verdammte ewige Wahrheit«, sagte Eshi. »Dein charmanter halbsterblicher Sohn ist ein verdammter Weiser, Shalpa!«
»Ja, aber verdammt«, entgegnete ihr Bruder. »Verdammt durch seine eigene Zunge und seinen eigenen Wunsch. Der Bezwinger eines Gottes, der Retter seiner Stadt und Stürzer eines Reiches, der Sohn eines Gottes und Geliebter einer Göttin – und von einem Gott geliebt, eh? –, verdammt zur Sterblichkeit, zur Menschlichkeit, durch seinen eigenen dummen Wunsch!« Und der Schatten der Schatten – verschwand.
»Sagt meinem Vater«, bat Hanse leise, »ich habe darunter gelitten, daß ich meinen Vater nicht gekannt habe, und erst recht, als ich erfuhr, wer er ist. Sagt ihm, daß – daß sein Sohn stark ist.«
»Stimmt«, bestätigte Ils, »und das hätte ich nie gedacht. Du sollst deinen Wunsch haben.«
Hanse erwachte in den Ruinen von Adlerhorst, und er fragte sich, wie in aller Welt er hierhergekommen war. Doch er hatte wundervoll geträumt, von Mignureal und sich. Und die Erinnerung an diesen Traum erfüllte ihn mit Wärme und Glück, während er sich auf diesem narbigen, mit Rissen durchzogenen Steinboden auf die Füße plagte und um eingestürzte Säulen und herumliegende Trümmer ging, um dieses ehemalige Herrenhaus zu verlassen. Ohne sich ihm zu nähern, warf er nur einen flüchtigen Blick auf den alten Brunnen, dann zuckte er die Schultern. Es würde viel Arbeit und viele Hilfsmittel kosten, die Satteltaschen zu bergen. Er seufzte und stieg den Berg hinunter nach Freistatt.
Am nächsten Tag sagte Mondblume sehr ernst zu ihm, daß es vielleicht falsch von ihr gewesen sei, ihm zu verbieten, Mignureal zu sehen; vielleicht hatten Götter ihre Hand im Spiel. An diesem Tag fanden nur drei Personen auf die eine oder andere Weise den Tod durch die Fischäugigen von Übersee, doch viele Leben wurden durch sie und ihre Handlungen zerstört. An diesem Abend, während drei ihrer Geschwister sie hinter diesem oder jenem Versteck beobachteten und kicherten, stellten Hanse und die sehr junge S’danzo Mignureal fest, daß sie in der vergangenen Nacht den gleichen Traum geträumt hatten, und sie glaubten, daß Götter die Hand im Spiel hatten.
Viel später machte sich eine mit Schmuck überladene Beysiberin ein Vergnügen damit, einen Ilsiger zu bestrafen, der gegen das Gesetz verstoßen hatte – unwichtig, wie unbedeutend dieses Vergehen war. Sie nahm einen Beutel von ihrem Gürtel und reichte ihn dem jugendlichen Gesetzesübertreter. Als er ihn öffnete, schnellte der Kopf einer Beynit heraus und biß ihn. Das Schlangengift wirkte sofort. Der Freistätter war in weniger als einer Minute tot, und die Beysiberin wurde nicht bestraft. Die VFBF verbrannte eine Wagenladung Heu auf der Hauptstraße. Das war der Tag, als Hanse die Nachricht erhielt, Zip in Fuchs’ Kneipe zu treffen. (Das Gerücht wollte es, daß Throde, der Humpler, in dieser Nacht überfallen worden sei, doch es ging ihm gut am nächsten Tag, er hinkte unversehrt in der Schankstube herum, und so nahm niemand dieses Gerücht ernst.)
Sie war seit hundert Jahren (vielleicht waren es aber auch erst zwölf) Teil des Labyrinths, ohne den man es sich gar nicht vorstellen konnte. Sie saß vor dem Zuhause der Familie – das gleichzeitig das Geschäft ihres Mannes war, in dem er … nun, so allerlei verkaufte – und erzog ihre Kinderschar wirklich gut, ohne daß ihr Mann, den sie glücklich machte, dabei zu kurz gekommen wäre. Und sie sah. Sie verlangte nicht sehr viel für ihr Sehen, diese S’danzo namens Mondblume. Sie sah Freuden und Gefahren vorauf, Glück und Leid, und sie sah Verknüpfungen.
Sie hatte einmal genug gesehen, um Hanse zu sagen, daß er ahnungslos in ein großes Komplott verwickelt war. Die hochverräterische Konkubine des Statthalters hatte Hanse becirct und ihm mit einem ebenso hochverräterischen Höllenhund geholfen, eines Nachts in den Palast einzudringen, um das Savankh zu stehlen.(9) Mondblume hatte Hanse gewarnt, und er hatte sich herauswinden können, während die beiden Hochverräter ihrer gerechten Strafe nicht entgingen. Mondblume hatte noch anderes für Hanse gesehen, den sie fast wider Willen mochte und in dem sie einen guten Jungen sah, obwohl sie wußte, daß er das nicht war. Und sie hatte so manches für andere gesehen: für Ilsiger und Twander, Mresevadaner und Rankaner, Syreser und Aurveshaner – und jetzt für Beysiber.
O ja, selbst die jüngsten Eroberer kamen zu der sehr wohlbeleibten Hellseherin, die Hanse ›Passionsblume‹ nannte (denn es gelang ihm diese Frau mit seinem Charme zu erfreuen und das Verspielte in ihr zu wecken). Sie saß vor dem Geschäft auf einem Hocker, von dem sie ringsum überquoll, und trug Schicht um Schicht weiter Röcke in den verschiedensten Farben und Mustern. Sie machte am Anentag eine Sitzung für die Beysiberin Esanssu, und am Ilstag und am folgenden Anentag aufs neue. Die Fischäugige hatte sich über die Kürze der ersten Sitzung beschwert, und dann, als sie das zweitemal kam, über dessen Ungenauigkeit, obwohl es ihr geholfen hatte, beide Gegenstände wiederzufinden, die sie gesucht hatte. In ihrer Gutmütigkeit gab Mondblume ihr eine neuerliche Sitzung zum halben Preis. Da wagte dieses Weibsbild von Übersee doch tatsächlich sich darüber zu beschweren, daß sie dieses Mal nicht mit der gehörigen Achtung behandelt worden sei. (Die achtjährige Tochter Mondblumes hatte sie angestarrt, das war alles. Und es fiel einem wahrhaftig schwer, diese Fischäugigen nicht anzustarren.)
Schließlich verließ sie diese dritte Sitzung jedoch überglücklich, denn die S’danzo hatte eine gute Wendung in Esanssus Liebesleben gesehen. In allen Rassen gibt es jedoch Verlierer, und Esanssu verdarb sich ihre Chance selbst. Natürlich kam sie zurück und gab Mondblume die Schuld. Sie schrie und tobte und bedrohte die S’danzo auf eine Weise, daß ihr Mann aus Angst um seine Frau aus dem Geschäft stürmte. Blind in ihrer Raserei sah Esanssu ihn kaum, als sie ihre Klinge zog und auf ihn einschlug. Er stürzte blutig zu Boden.
Mondblume schrie. Mit riesigen Augen starrte sie auf das schreckliche Bild und war der Ohnmacht nah. Doch sie fing sich. Vielleicht war es auch das Adrenalin, das ihr die Kraft gab, mit einem Rauschen und Rascheln von Röcken und Tüchern in allen Farben und Mustern, auf die Füße zu kommen. Ohne zu überlegen, versetzte sie der mörderischen Fischäugigen eine Ohrfeige, hinter der ihre ganze beachtliche Kraft steckte. Die Beysiberin flog gegen die Wand des Geschäfts und schlug mit dem Kopf dagegen. Sie glitt die Wand hinunter und hinterließ einen roten Streifen auf dem Verputz, bis sie auf dem Boden zu sitzen kam. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihre Beine zuckten. Mondblume kniete sich weinend neben ihren verwundeten Mann und kämpfte gegen ihr Schluchzen an, während sie Streifen von ihren Röcken riß, um sie auf die Verletzung zu drücken und so das Blut zu stillen. Plötzlich bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, daß Esanssu tot war.
All das war schon schlimm genug, und jeder wußte, daß Mondblume sich jetzt in größten Schwierigkeiten befand, denn für die Beysiber wurde Gerechtigkeit großgeschrieben, solange sie davon nicht selbst nachteilig betroffen waren. Zu allem Unglück geschah noch etwas anderes. Kinder hatten eine Harka Bey geärgert und waren, ehe sie etwas unternehmen konnte, in dem Gassengewirr verschwunden. Diese Kriegerin rannte nun herbei und verlor den Kopf in ihrer Wut und der Arroganz, die wohl allen Besatzungsmächten überall auf der Welt anhaftete. Sie zog ihre lange, einschneidige Klinge aus der Hülle auf ihrem Rücken und schlug noch im Laufen zu. Mondblumes Gatte würde am Leben bleiben; Mondblume aber starb auf der Stelle.
Hanse kam wenige Minuten nach dieser sinnlosen Gewalttätigkeit dazu. Selbst halb im Schock, bemühte er sich, die weinende Mignureal und ihre schreienden Geschwister zu beruhigen, konnte es jedoch nicht. Sein eigener Kummer verschnürte ihm die Kehle, und er war zu blind von Tränen, als daß er auch nur etwas hätte sehen können. Ohne daß es ihm wirklich bewußt wurde, rannte er blindlings, voll der Qual der Trauer davon. Und voll Wut.
Zwei Blocks entfernt raste er um eine Ecke und prallte gegen eine beysibische Ordnungshüterin. Er erfuhr nie, ob es dieselbe gewesen war, die Mondblume ermordet hatte, seine geliebte Mondblume, die Mutter Mignureals.
»Halt, was …«
»Entschuldigt«, schluchzte Hanse. Er stach seinen Dolch in die Brust der Fischäugigen, zog ihn wieder heraus und rannte, fast ohne angehalten zu haben, weiter. Alle machten ihm Platz, denn Hanse, genannt Nachtschatten, schien Amok zu laufen.
»He du, was zum Teufel, hast du hier zu suchen? Das ist Zips Bezirk, Labyrinther, und du hast eine Menge scharfes Eisen an dir. Ich und mein Kumpel werden es dir ab …«
Jing, einer von Zips Jungs, verstummte. Er kannte diesen Eindringling an der Grenze zu dem Teil von Abwind, in dem Zip das Sagen hatte, doch nie hatte er diesen finsteren Burschen so – so finster gesehen. Bedrohlich! Die schwarzen Augen unter dem schwarzen Haar und über dem weinroten Umhang blitzten gefährlich. Seine Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert, und seine Miene verriet ungeheure Wut, die nur mit größter Selbstbeherrschung unterdrückt wurde.
»Dich kenne ich nicht, aber Stottermaul neben dir sehr wohl. Wenn du nach einer deiner Waffen greifst, bist du so mausetot wie die Starräugige, die mir vor ein paar Stunden ins Messer gelaufen ist. Ich verspreche dir jedoch, daß ich nicht dasselbe für dich benutzen werde. Ich möchte doch nicht das Blut eines ilsiger Mitbürgers mit dem schwärenden Zeug vergiften, das sie als Blut haben … selbst dann nicht, wenn er bereits dabei ist, seinen Geist aufzugeben.« Er riß einen Arm zurück und deutete: »Ich bin außerhalb von Zips Revier! Geh und richte ihm aus, daß ich zu ihm will. Zip und ich kennen einander, und er erwartet mich. Ich werde zu ihm gehen, aber mit allen meinen Klingen, und ich rechne damit, daß er und du und seine Leibwächter ebenfalls bewaffnet sind. Geh du, Stottermaul, renn! Hol Zip!«
Jing runzelte die Stirn, verzog höhnisch das Gesicht und griff nach seinem Schwert. Im selben Moment sah er in Schulterhöhe ein schmales Wurfmesser in der Hand des Eindringlings und ließ sein kurzes, scharfes Schwert in der Scheide. Alle Welt wußte, daß dieser ehemalige Abwinder Hanse mit einem Messer umgehen konnte, und Jing wurde plötzlich klar, daß sein größter Wunsch war, weiterzuleben.
Das Messer kehrte in seine Scheide zurück, und zwar so rasch, als hätte Hanse es dorthin zurückgezaubert, was jedoch nicht der Fall war. Seine Miene verriet seine kaum noch unterdrückte Wut, als er Jings Begleiter anblickte.
»Stottermaul, gib Zip Bescheid. Ich und dein Freund bleiben hier und schauen uns böse an. Lauf schon, verdammt!«
Stottermaul raste davon, während Jing Hanse wütend anstarrte. Irgend etwas veranlaßte ihn dazu zu fragen: »Du hast heute wirklich eine Fischäugige getötet, Hanse?«
»Vor ein paar Stunden. Seither habe ich versucht nachzudenken und mich nicht von Leid unterkriegen zu lassen. Ja, zwei Beysiber habe ich bereits ins Jenseits befördert. Ich schäme mich, daß es nicht schon mehr sind, aber in mancher Hinsicht bin ich ein wenig schwerfällig. Und das Messer zog ich als Warnung – glaub es mir. Es ist jenes, das bereits in zwei Starraugen steckte!«
»Ahhh. Und … du sagst, daß Zip dich erwartet.«
»Verstehe nicht, daß man dir das nicht gesagt hat«, log Hanse. Der respektvolle Blick Jings entging ihm nicht. »Wie heißt du?«
Ein paar Minuten später kam Stottermaul mit dem Auftrag zurückgerannt, Hanse zu Zip zu führen. Keiner verlor ein Wort über Hanses Waffen. Sie gingen eineinhalb Block weit, durch ein Haus, wieder hinaus und in ein Faß, das zu einem Geheimgang führte, einem sehr kurzen, und dieser wiederum führte zu Zip. Er hatte seine beiden Leibwächter bei sich und schaute so blutrünstig aus wie immer.
»Hanse, du erlaubst dir allerhand, aber ich spiele mit. Was ist so …«
»Ich werde in den götterverdammten Palast einbrechen und das götterverdammte Zepter des götterverdammten Beyschweins stehlen und jeden götterverdammten starräugigen Mörder umbringen, der mir in den Weg kommt, und ich hoffe, daß es einige tun, Zip. Ich dachte, das würde dich interessieren. Willst du mir helfen? Ich brauchte ein gutes Seil aus Seide und einen sehr guten Bogenschützen mit Mumm. Überleg schnell, Mann – ich mache es gleich heute nacht!«
Als Nachtschatten das erstemal den Statthalterpalast betreten hatte, hatte er es mit Hilfe von Prinz Kadakithis’ Konkubine, der Hochverräterin Lirain, durch den Eingang getan. Er hatte lediglich ausbrechen müssen mit dem Savankh. Das zweite Mal war er ohne Hilfe eingebrochen und recht unvorsichtig, wie er erst erkannte, als er sich in des Prinzen Privatgemächern befand, ganz weit weit oben im Palast. Er hatte nichts gestohlen und ziemlich schnell verschwinden müssen. Diesmal hatte er keine Unterstützung von innen und blieb doch nicht ohne Hilfe. VFBF-Angehörige, die sich bemühten, so unauffällig wie nur möglich zu bleiben, bewachten jede Straße in unmittelbarer Nähe. Andere sammelten sich in einem anderen Straßenviertel, wo sie einen wahren Aufruhr verursachten, der eine Menge bewaffneter Beysiber herbeirief.
Aus den im Dunkeln liegenden Getreidespeichern gegenüber der äußeren Palastmauer sah Hanse zu, wie Zips bester Schütze den Pfeil hochschoß. Er sirrte an dem, einem Minarett ähnlichem Spitzturm auf dem Palast vorbei und schwang, durch das lange, an ihm befestigte Seil, zurück. Das Seil wickelte sich sechsmal um die Spitze, und der Schütze sowie seine Helferin hielten das Seil mit allen Kräften fest.
Nachtschatten hob die Brauen und nickte. »Ihr macht eure Sache sehr gut«, murmelte er. Er löste sich aus den Schatten, seinem natürlichen Element.
Der VFBFler verzog keine Miene. Nachdem Hanse nach dem Seidenseil gegriffen hatte, das fest genug war, zwei Männer seines Gewichts zu tragen, tat der Schütze sein möglichstes, Hanse nachzuahmen: Er verzog sich in die Schatten, mit einem Pfeil an der Sehne, bereit für einen Beysiber, der das Unternehmen gefährden mochte – ja sogar für einen allzu neugierigen Ilsiger –, denn diese Mission war wichtiger als ein Menschenleben. Im Augenblick war Hanse, der nicht einmal ein Angehöriger der VFBF war, für sie die wichtigste Person überhaupt, wie Zip gesagt hatte. Der beste Schütze Freistatts dachte, daß ihn das somit zum Viertwichtigsten machte, nach Zip und Kama. Im Augenblick war Kama jedoch die vierte, da sie als seine Helferin fungierte.
Er sah zu, wie dieser lebende Schatten auf das Dach des Speichers kletterte und sich über die Straße schwang. Sah ganz so aus, als wäre er ziemlich heftig gegen die Palastmauer geprallt. Aber schon nach einem Augenblick setzte er seinen Weg weiter aufwärts fort.
Seinen langen, schwertähnlichen Dolch hatte er heute nicht dabei, wohl aber einen Beutel aus steinhart gekochtem Leder auf die Brust geschnallt, zwei Wurfsterne und diesen seltsamen vier Fuß langen Stab, natürlich auch die vorbereiteten Pfeile und den Kurzbogen. So arbeitete er sich Fuß um Fuß, Hand um Hand die Mauer mit Hilfe des doppelten Seiles hoch.(10) Schließlich verschwand er aus der Sicht des Schützen und Kamas und der anderen ihn heimlich beobachtenden VFBFler, die trotzdem weiterhin warteten und hinaufstarrten, als könnten sie ihn sehen.
Das war nicht der Fall. Sie sahen nur Schatten. Doch einer dieser Schatten mochte Hanse sein.
Es war unheimlich gewesen, ja wirklich unheimlich. Begeistert hatten Zip und Kama für Helfer gesorgt und alle mögliche Unterstützung angeboten, die Hanse weder brauchte noch wollte.
Doch als er von Abwind zurückging, war er einer Person begegnet, die er noch nie zuvor gesehen hatte: einem mageren, häßlichen Mädchen mit Warzen und im Gesicht einem Muttermal von der Größe einer Zitrone, aber der Farbe verkrusteten Blutes, und mit einer Figur, daß selbst ihre Mutter sich ihrer schämen müßte.
»Du bist der, den sie Nachtschatten nennen, und du wirst eine Kletterpartie machen. Mein Gebieter befahl mir, dir diesen Stab zu geben und dich zu mahnen, ihn unbedingt mitzunehmen. Steck ihn einfach in deinen Stiefel oder sonst wohin und laß ihn zurück, wenn du dein – Ziel erreicht hast und dich auf den Rückweg machst.«
»Ich heiße Mudge Kraket«, behauptete Hanse ungeduldig, »und ich werde nirgendwohin klettern. Ich habe Höhenangst. Warum suchst du dir nicht einen andern, dem du diesen komischen Stock gibst? Sieht teuer aus; eine aus Mahagoni geschnitzte Dünenviper, nicht wahr?«
»Weil du Hanse bist, auf einer Mission für alle Ilsiger und dadurch für Ils, und weil du diesen Stock brauchen wirst! Er ist wichtig! Götter sind heute nacht am Werk, Hanse.« Hartnäckig streckte sie ihm den Stab weiterhin entgegen.
»Willst du mir sagen, was ich brauche und was nicht?« fragte er verärgert.
»Oh, hör auf, dich so dumm zu benehmen!« Und plötzlich war sie ein einziges Leuchten, so hell und strahlend wie die personifizierte Liebe, so daß Hanse blinzelte und seine Augen schirmte und sich wünschte, diese Zauberei würde verschwinden. »Da, nimm ihn! Hast du wirklich so rasch vergessen, Gottsohn? Liebster?«
Da sie daraufhin scheinbar ins Nichts verschwand und der Stock irgendwie plötzlich in seine Hand gelangt war, beschloß Hanse, das verdammte Ding die Mauer mit sich hochzunehmen. Er hatte Respekt vor Zauberei. Lediglich Schwachköpfe würden sie nicht ernst nehmen. Er mochte sie nur nicht, genau wie die meisten Nichtadepten. Er hoffte von Herzen, daß er in dieser Nacht von anderen Zauberkräften verschont bleiben würde. Mit diesem Gedanken schritt er weiter.
Er bog in die Gerberstraße ein, als er das wahre Licht erblickte – Mignureal, bleich, mit roten Augen und zerbrechlich in ihrem dunkelroten Trauergewand.
Sie warf sich ihm in die Arme und weinte herzzerreißend. Hanse, der den Tränen vor zwei Stunden abgeschworen hatte, konnte nicht anders und weinte mit ihr, während er sie an sich drückte und über ihr langes dunkles Haar strich.
»Ich werde diese verdammte Stadt verlassen müssen, Mignue«, sagte er leise. »Und ich möchte, daß du mitkommst.«
»Aber«, begann sie und löste sich aus seinen Armen, um ihm ins Gesicht blicken zu können. »Warum w-willst du w-weg …«
Mit einemmal wirkten ihre Augen leer, und ein Zucken durchzog ihren ganzen Körper, der gleich darauf ganz starr wurde und erzitterte, als sie mit eigenartiger Stimme sagte:
»Hanse – nimm die rote Katze mit!«
»Wa-as?«
»Wenn du für Freistatt das Seidenseil hochkletterst, Hanse, dann nimm die rote Katze mit.«
Hanse schloß sie wieder in die Arme und blickte ins Leere. Götterverdammt, überall ist Zauberei, und offenbar weiß jeder in Freistatt, was ich vorhabe, und jeder hat einen guten Ratschlag für mich und will, daß ich was mitnehme! Wenn das so weitergeht, werde ich so beladen sein, daß ich nicht einmal ins Bett steigen könnte!
Er übertrieb natürlich.
Nur zwei wußten Bescheid: eine durch Zauberei, und Mignue durch ihre S’danzo-Fähigkeiten. Er erinnerte sich an den braunen Krug, und als Mignuel überrascht sagte: »Oh! Was mache ich denn hier? Ich muß nach Hause und mich um alles kümmern!« war ihm klar, daß er sich zu Fuchs’ Kneipe begeben mußte. Mignureal wirbelte herum und rannte davon.
Hanse seufzte tief, rieb sein Gesicht und ging benommen weiter.
Eine kurze Weile später blickte er Ahdiovizun mit Augen wie schwelende Kohlen an. »Ahdio, ich …«
»Hanse! Großer Gott Ils und Shalpa, Hanse! Ich wollte sowieso mit dir reden! Du wirst nicht glauben, was passiert ist, nachdem ihr drei das letztemal weggegangen seid! Die olle Wunder ist auf den Tisch in der hinteren Kammer gesprungen und hat das ganze Bier in deinem Krug, an das sie rankam, aufgeschleckt, dann schrie sie und scharrte, bis ich ihr den Rest in ein Schälchen goß! Aber die Krüge von den beiden andern rührte sie nicht an! Was hast du mit der Katze gemacht – bist du ein Zauberer, Hanse?«
»Ahdio«, sagte Hanse, als hätte er ihn überhaupt nicht gehört und ohne eine Miene zu verziehen. »Ich muß mir Wunder ausleihen. Nur für heute nacht. Bitte, Ahdio, verweigere sie mir nicht. Ich brauche sie unbedingt!«
»Hanse, die Katze würde nie …«
Ahdio unterbrach sich verdutzt, als Wunder hereinkam und sich an Hanses gestiefelten Beinen rieb.
Und so trug Nachtschatten jetzt eine Katze in einem kratz- und beißsicheren Beutel an seiner Brust, eine Flasche in seinem Gürtelbeutel und einen (vermutlich) zauberkräftigen Stock sowie einen Bogen und zwei Pfeile auf dem Rücken. Die Katze hatte ein beachtliches Gewicht, dabei war Hanse es gewöhnt, so gut wie ohne irgendeine Last zu klettern. Doch das Zeug auf seinem Rücken stellte das Gleichgewicht wieder her, und Wunder verhielt sich völlig ruhig. Hanse sagte sich, daß die Katze auch nicht viel mehr wog als der braune Krug mit den Kreuzen, und kletterte immer höher. Schließlich spähte er durch das rautenförmige Fenster in das prunkvolle Gemach, das einst dem Prinz-Statthalter Kadakithis gehört hatte und nun von der Beysa bewohnt wurde. Niemand hielt sich momentan darin auf.
Hanse schwang sich hinein. Ohne sich weiter umzusehen, sorgte er zunächst einmal, wie geplant, für seinen Rückweg.
Das Seidenseil, das vom Spitzturm baumelte, konnte er vergessen. Das, an dem er heruntergekommen war, hing von der Dachmauer über ihm, ebenso das dritte, das eine beachtliche Länge hatte. Er fädelte es durch den vorbereiteten Pfeil und ließ den Rest aus dem Fenster fallen. Dann machte er sich daran, den Pfeil an den Kurzbogen zu legen und zu zielen, so gut er es eben vermochte.
Ich schaffe es! Ich muß! Ich möchte das Ding doch nicht wieder hochziehen und noch einmal schießen müssen! Hanse, du schaffst es! Atme erst mal aus, dann ein, wieder aus und dann tief ein. Zieh! Ziel! Hoppla! Jetzt …
Die Sehne sirrte, und der Pfeil schoß durch das Fenster, mit dem Seil im Schlepptau.
Hanse blickte ihm nach und erkannte sofort, daß es ein lausiger Schuß war, der einen großen Bogen nach links machte und weit vom Ziel abkam. O tausendäugiger Ils! Da stand auch noch jemand unten und sah ihn. Wenn das ein Starrauge ist!
Doch es war glücklicherweise einer der VFBF-Posten. Er ließ den Pfeil an sich vorbeischwirren, fing das Seil, hob es hoch, winkte und rannte damit zu der Stelle, wo Kama und der Schütze warteten. Ich wußte doch, daß ich es schaffe, dachte Hanse jetzt grinsend. Er drehte sich um und öffnete den steinharten Beutel an seiner Brust. Federleicht sprang Wunder heraus auf das seidenüberzogene Bett. Dort blieb sie sitzen, begutachtete eine Pfote und säuberte sie mit der Zunge.
Na wunderbar! stöhnte Hanse lautlos. Mignureal war eben eine noch sehr junge S’danzo und unerfahren, da konnte sie sich schon noch täuschen. Und er mußte die dumme Katze auch wieder hinunterschleppen! Aber der Gedanke an Mignureal erinnerte ihn an Mondblume, und schon schob sich wieder ein unerwünschter Schleier vor seine Augen. Als er sie trockengewischt hatte, sah er zweierlei:
Das erste war zwar nicht das Zepter der Beysa, wohl aber ihre Krone in Form einer zusammengeringelten Schlange in Gold mit Smaragdaugen und einem Schuppenmuster aus Korallen, Rubinen und glitzernden Glasstückchen. Ja, das war das erste, was er sah: eine goldene Schlange, die für die VFBF von viel größerem Wert sein würde als ein einfaches Zepter. Das zweite – oder vielmehr die zweite – war allerdings echt.
Eine Beynit, das erkannte er sofort. Eine sehr erregbare Schlange, deren Biß in weniger als einer Minute tötete – und es gab kein Gegengift oder sonst eine Möglichkeit, die tödliche Wirkung ihres Giftes aufzuheben. Die hier war vermutlich dressiert – als Wachschlange. Noch befand sie sich vier Fuß von ihm entfernt auf dem Teppich und stierte ihn an.
O ihr Götter! dachte Hanse. Ich bin so gut wie tot!
Auf der Bettkante, keine zwei Fuß unmittelbar über der Schlange, machte Wunder einen Buckel und fauchte. Die Schlange schnellte den Kopf herum, um zu der Katze hochzublicken. Wunder verursachte einen drohenden Laut tief im Hals. Die Beynit wich ein winziges Stück zurück, und Wunder stieß einen weiteren drohenden Laut aus. Dann fauchte sie mit einer Lautstärke, die, wie Hanse fand, jeden fischäugigen Wächter im Palast aufhorchen lassen mußte. Hanse glitt seitwärts zurück. Er bewegte sich so langsam wie nie zuvor, als er einen Wurfstern aus dem Gürtel zog. Die Beynit bemerkte diese Bewegung und wandte den Kopf Hanse zu. Da sprang Wunder mit tiefem Knurren auf den Schwanz der Schlange. Das war zuviel für die Beynit. Sie verzog sich in die nächste dunkle Zuflucht – den Beutel, den Wunder erst vor ein paar Momenten verlassen hatte.
Rasch schlang Hanse die lange Klappe des Beutels zweimal herum und zog sie ganz fest zu. Vermutlich hätte jetzt nicht einmal mehr ein Wurm herauskriechen können, aber Hanse streifte vorsichtshalber noch den hübsch gemusterten Satinüberzug eines Kissens ab und steckte den Beutel hinein. Mit der blauen Schärpe eines Gewands verschnürte er dieses Paket so fest, wie er noch nie in seinem Leben etwas verschnürt hatte.
»Erinnere mich daran, daß ich das mitnehme«, murmelte er und eilte zu der Ti-Beysa-Krone. Wunder schwieg und starrte auf den Beutel. Ihr Schwanz ahmte eine nervöse Schlange nach. Hanse zog ein weiteres Kissen ab, diesmal wählte er einen dunklen Bezug, und steckte die Krone hinein, die wertvoll genug war, einen Prinzen auszulösen – oder eine verkommene kleine Stadt namens Freistatt. Auch dieses Paket verschnürte er und befestigte es gut auf seinem Rücken.
»Wunder«, sagte er und griff vorsichtig nach dem Kissenbezug, in dem ein Beutel aus gekochtem Leder war, so hart, und dick genug, wie er sich beruhigend sagte, daß nicht einmal ein mit aller Kraft geführter Dolch es durchdringen könnte. »Wir müssen gehen. Ich fürchte, du kannst es dir nicht mehr in dem Beutel bequem machen. Diese Schlange wird von gewissem Wert sein für Z … – für Freistatt. Hast du einen Vorschlag, was deinen Rücktransport betrifft?«
Uncharakteristischerweise antwortete Wunder mit einem höflichen: »Miau.«
»Das«, stellte Hanse fest, »ist eine sehr unbefriedigende Antwort. – Da.« Er nahm die kleine Flasche aus dem Beutel an seinem Gürtel und goß Bier in ein hübsch geformtes rankanisches Schälchen, das nicht beysibisches Eigentum war. Danach war es sehr nervenaufreibend, am Fenster zu sitzen und zuzusehen, wie die verdammte Katze es gesittet ausleckte, als hätte sie alle Zeit der Welt.
Nach einer Ewigkeit war es leer, und Wunder blickte auf mit Augen wie schwarze Murmeln. Dann leckte sie sich auch noch mit Ausdauer das Mäulchen und machte sich daran, die Barthaare zu säubern.
»Ich bin beeindruckt«, versicherte ihr Nachtschatten. »Aber ich ziehe mich jetzt zurück.«
Wunder sagte mit honigsüßer Stimme »mau« und schickte ihre Zunge wieder rings um das gähnende Mäulchen. Hanse schnitt eine Grimasse, dann wollte er die Beine durch das Fenster schwingen, als er sich erinnerte und den geschnitzten Schlangenstock auf den Boden warf. Er landete einen Fuß von Wunder entfernt und rollte einen Fuß weit. Wunder sprang mit einem Satz zum Fenstersims und drehte sich um, um zurückzublicken.
»Sieh dir das an!« sagte Hanse. »Die mutigste Katze der Welt, wenn es um eine echte Schlange geht, aber vor einer geschnitzten fürch …«
Der Stock begann zu schimmern, und die Schnitzerei schien sich zu winden. Und dann – während auf Hanses Rücken scheinbar hundert Ameisen ein Wettrennen veranstalteten – bewegte sich der Stab. Er glitt den Boden entlang, das Bett hoch, zum Fußende und in ein hübsches dunkles Nest: unter die schön gemusterte Seidendecke der Beysa.
»Ich muß raus aus dieser verdammten Stadt!« murmelte Hanse mit zittriger Stimme und stieg durch das Fenster. Er hatte sich an einem Seidenseil zu der Gelbsteinmauer hochzuziehen, um an einem andern wieder hinunterzugelangen – über den ganzen Palasthof hinweg, über die Mauer und die Hauptstraße, wo Kama und ihre Leute das Pfeilende des Seils festgemacht haben würden.
Auf dem Weg zum Dach überholte Wunder ihn. Hanse warf ihr einen Blick zu und wünschte sich, er könnte so wie sie die Wände hochklettern. Vielleicht mit Krallen, wie die Starräugigen sie sich an die Finger steckten, wenn sie aßen.
Dann war auch er oben und auf dem Bauch, um sich zwischen zwei Zinnen der Brustwehr hochzuziehen, die rings um das Dach führte, als er eine Stimme hörte. Der Akzent war weder der eines Rankaners noch eines Ilsigers.
»Ah, so ein kleiner dreckiger Dieb versucht bei uns einzubrechen, eh? Nun, du ilsiger Abschaum, das ist deine letzte Kletterpartie!«
Und Hanse hörte das Scharren, als der Wächter sein Schwert aus der Scheide auf seinem Rücken zog, zweifellos, um es auf Nachtschattens Hals hinabsausen zu lassen. Oder auf die Handgelenke oder Unterarme. Aber wohin spielte keine Rolle. Hanse war absolut hilflos und verwundbar, wie er so auf dem Bauch lag und sich mit beiden Händen festhielt, während seine Beine über die Dachkante baumelten.
Plötzlich erschrak er so sehr, daß er fast losgelassen hätte und gefallen wäre, denn das lauteste und furchterregendste jaulende Kreischen seines Lebens zerriß ihm schier das Trommelfell. Zusammenzuckend und sich verzweifelt festkrallend, verdrehte Hanse den Hals, um hochsehen zu können.
Der beysibische Wächter taumelte unter dem Schock des grauenvollen Schreis, und Hanse sah den verschwommenen roten Streifen, der Wunder im Sprung war. Die Katze begann Löcher in Starrauges Arm zu fressen, und der völlig verwirrte Idiot von einem Beysiber vergaß, was er eigentlich hatte tun wollen, und schlug mit dem Schwert nach der Katze. Dadurch fügte er sich nicht nur selbst Schmerzen zu, sondern verlor auch das Gleichgewicht. Mit nicht mehr als einem Ächzen flog er durch die Zinnen, über Hanse hinweg und gute hundert Fuß in die Tiefe, wo er mit einem dumpfen Laut aufschlug.
Mignureal hat es richtig gesehen! dachte Hanse und zog sich ganz auf das Dach. Sie wußte es, und Wunder hat mir das Leben gerettet. Wahrscheinlich sogar zweimal. Aber jetzt ist sie mit dem Beysiber hinuntergestürzt … Wie bringe ich das Ahdio bei? Und dann stand er auf den Füßen, bereit, nach dem straff gespannten Seil zu greifen, das hinunter und hinüber und wieder hinunter führte, und die Katze saß auf der nächsten Zinne und fragte: »Mraur?«
Hanse mußte lachen. »Ich mag dich, Katze«, erklärte er ihr. »Möchtest du dich auf meine Schulter setzen, bis ich unten bin? He, vorsichtig! Wenn du die Krallen einsetzt, sag’ ich Ahdio, daß du von zu vielem Mäusefressen verweichlicht bist!«
Und dann ging es hinunter.
Die Schlange aus dem Gemach der Beysa würde sehr nützlich sein, sie und ihr Gift, denn nur so könnte den Heilern auf ihrer Suche nach einem Gegengift ein Erfolg beschieden sein. Und was die Beysa betraf, nun, sie würde ihre Freude an der Sandviper in ihrem Bett haben. Und mit der Ti-Beysa-Krone feierte die VFBF einen Triumph ohne gleichen!
In dem wirren Durcheinander all der jubelnden VFBF-Leute verzog sich Hanse in die Schatten und entfloh der Lobhudelei, wie er es sah. Von Verschwiegenheit würde wohl keine Rede mehr sein können. Der Diebstahl und der Schlag, der den Invasoren versetzt wurde, waren eine so große Leistung für die VFBF, daß sie es einfach herumposaunen mußte! Und jemand würde sagen: »Das verdanken wir Nachtschatten!«
Ich muß raus aus dieser verdammten Stadt!
Mignureal folgte ihm den langen, langen Weg den Berg hinauf. Sie führte einen Esel, er ein Pferd.
»Ich muß die Stadt verlassen«, hatte er ihr erklärt. »Möglicherweise – möglicherweise für immer. Du kommst doch mit, nicht wahr?«
Sie hatte ihn lange angeblickt und schließlich genickt. »Ja.«
Am Adlerhorst banden sie die Tiere an geeignete Trümmerstücke des ehemaligen Herrenhauses, und Hanse stapfte zu dem Brunnen. Hätte ich das Zeug nur nicht alles da hinuntergeworfen! dachte er. Das kann was werden, bis ich es heraus habe! Ihr Götter, ich wollte, es wäre schon soweit!
Es war seine eigene Entscheidung gewesen, sich nur zu erinnern, daß er Hanse war, Sohn einer Mutter, die er kaum gekannt, und eines Vaters, den er nie gesehen hatte und der nur flüchtig mit ihr bekannt gewesen war.
Und deshalb wußte er nichts von seinen früheren Wünschen. So war er sehr überrascht, als die beiden prallen Satteltaschen triefend zu seinen wartenden Händen emporschwebten.
Ebenso überrascht waren Zip und Jing und eine Menge andere etwa eine Stunde später, als ein großer Lederbeutel zu ihnen herabflog, scheinbar geradewegs aus dem Himmel. Er schlug auf dem harten, festgetretenen Boden einer Abwinder ›Straße‹ mit einem gewaltigen Klirren auf – gefolgt von leiserem Klingeln, als eine Menge gutes, gemünztes Silber blitzend heraussprang.
»Für Freistatt!« rief eine Stimme aus der Höhe. Doch es war nicht etwa die Stimme Ils’ oder Shalpas, sondern die eines Diebes und Einbrechers, der auf einem Dach stand. Den Beutel da hinaufzuschaffen, war gar nicht so einfach gewesen, doch der Erfolg lohnte es: »Schatten kommen überall hin, in Paläste und sogar in die geheiligten und schwerbewachten Reviere Zips!«
»Hanse! Du wurdest soeben zum stellvertretenden Befehlshaber und Meistertaktiker ernannt! Komm herunter, Kerl!«
Sie warteten lange.
Viel, viel später ließ ein Offizier einen Posten ins Zelt ihres Feldherrn ein.
»Verzeiht, General. Sprich selbst, Pheres.«
»General, da draußen sind ein Mann und eine Frau, beide noch sehr jung. Winder. Ich meine, Ilsiger, General. Auf einem Pferd und einem Esel. Mit einer Menge Silbermünzen in einem alten, rissigen Lederbeutel – einem großen. Der Mann hat seinen weißen Umhang und die Kapuze zurückgeschlagen, um mir zu zeigen, daß er ganz in Schwarz gekleidet ist. Sagt, er sei ein Freund von Euch. Aus Freistatt. Geradewegs aus den Schatten, sagt er, General.«
Der General starrte ihn verblüfft an, dann zog ein Lächeln über sein Gesicht. Er stand vom Tisch auf und schritt an den beiden Soldaten vorbei aus dem Zelt. »Hanse!« rief Tempus.
Originaltitel: Rebels Aren’t Born in
Palaces
Copyright © 1984 by Andrew J. Offutt
(4) Siehe Nachtschatten von Andrew Offutt in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Die Diebe von Freistatt‹, Bastei-Lübbe 20089
(5) Siehe Vashankas Günstling von Janet Morris in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Zum wilden Einhorn‹, Bastei-Lübbe 20093
(6) Siehe Alle Macht den Frauen von Chris und Janet Morris in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Hexennacht‹, Bastei-Lübbe 20113
(7) Siehe Schattenpfand von Andrew Offutt in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Zum wilden Einhorn‹, Bastei-Lübbe 20093
(8) Siehe Der Vivisezierer von Andrew Offutt in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Die Götter von Freistatt‹ Bastei-Lübbe 20098
(9) Siehe Nachtschatten von Andrew Offutt in Geschichten aus der Diebeswelt: ›Die Diebe von Freistatt‹, Bastei-Lübbe 20089
(10) Eine genaue Beschreibung von Hanses Eindringen in den oberen Palast ist in Der Vivisezierer von Andrew Offutt zu finden. In Geschichten aus der Diebeswelt: ›Die Götter von Freistatt‹ Bastei-Lübbe 20098