14. KAPITEL

Auf dem Weg nach unten hörte Fern den Postboten kommen. Sie holte die Briefe aus dem Kasten und nahm sie mit in die Küche. Die meisten waren für Nick. Von den drei an sie gerichteten Schreiben enthielten zwei Bitten um eine Spende.

Der dritte Brief bestand aus einem dicken bauchigen Umschlag. Fern erkannte die Handschrift ihrer ältesten Freundin und lächelte erwartungsvoll. Automatisch legte sie Nicks Post beiseite, goss sich eine Tasse Kaffee ein und öffnete Cressys Brief.

Cressy und sie kannten sich seit der Schulzeit. Die Freundschaft hatte nicht nur ihr gegensätzliches Temperament überstanden, auch ihre unterschiedliche Erziehung, die Universität und die getrennten Lebenswege, die sie seitdem eingeschlagen hatten.

Seit Fern mit Nick verheiratet war, beschränkte sich diese Freundschaft allerdings hauptsächlich auf Briefe und Telefonanrufe.

Cressy, eine glühende Anhängerin des Umweltschutzes, hatte einen Beruf gewählt, der sie in die fernsten Teile der Welt führte. Der heutige Brief war jedoch in Lincolnshire abgestempelt worden. Normalerweise wohnte Cressy in Cambridge, wenn sie in England war, wo sie noch zahlreiche Studienfreunde hatte.

Nick mochte Cressy nicht besonders. Sie war ihm zu freimütig und zu sachlich für eine Frau. Immer wieder forderte sie ihn mit Themen heraus, die seiner Ansicht nach ein Mann besser und objektiver beurteilen konnte.

Fern hatte eingewandt, dass er ungerecht wäre. Ihre Freundin war nicht nur eine hoch qualifizierte Fachkraft, sondern machte sich aufrichtig Sorgen über die Auswirkungen der modernen Industriestaaten auf die Umwelt. Doch Nick behauptete, sie hätte keine Ahnung, wovon sie redete. Ja, er hatte sogar angedeutet, Cressys Zuneigung zu ihr hätte etwas Lesbisches.

Dies war eine der wenigen Gelegenheiten gewesen, wo Fern so wütend geworden war, dass sie heftig mit Nick gestritten hatte. Sie wusste genau, dass Nicks Anspielungen jeder Grundlage entbehrten. Cressy war zwar nicht mannstoll, hatte aber nichts gegen die Männer einzuwenden.

Der Brief in seinem forschen unverblümten Stil war typisch für Cressy. Während sie die ersten Zeilen las, hatte Fern beinahe das Gefühl, die Freundin wäre bei ihr – im Zimmer.

Stell Dir vor, ich werde heiraten. Graham und ich haben uns letztes Jahr kennengelernt. Wir arbeiteten gemeinsam in dem Team, das die Auswirkungen des Unglücks von Tschernobyl auf die russische Umwelt untersuchen sollte. Er ist Schotte und furchtbar konservativ und moralisch. Entweder wir heiraten, oder es läuft nichts zwischen uns, hat er erklärt. Da mir ‚nichts‘ zu wenig ist, habe ich ziemlich ungnädig nachgegeben. Inzwischen haben wir uns ein Pfarrhaus mit genügend Land gekauft, um einige Versuche mit biologischem Anbau anstellen zu können. Die Hochzeit soll erst im Oktober stattfinden. Ich habe schon geschrieben, dass Graham sehr konservativ ist, nicht wahr? Im Moment ist er mit einem Team unterwegs, um die Auswirkungen der Meeresverschmutzung auf den Algenwuchs zu untersuchen. Deshalb wollte ich Dich fragen, ob Du nicht Zeit hast, ein paar Tage zu mir zu kommen.

Wir haben uns so lange nicht gesehen und hätten Gelegenheit, uns gegenseitig das Neueste zu berichten. Tut mir leid, dass ich nicht zur Beerdigung Deiner Mutter kommen konnte. Ich weiß, wie sehr Deine Eltern aneinander gehangen haben. Es muss ein ziemlicher Schlag für Dich gewesen sein, sie so kurz nacheinander zu verlieren …“

Nachdenklich legte Fern den Brief beiseite. Natürlich konnte sie Cressys Einladung nicht annehmen. Nick würde es nie erlauben.

Seufzend schloss sie die Augen. Cressys Zeilen hatten ihren Schmerz und ihre Verzweiflung über den Tod der Mutter wieder geweckt. Damals hätte sie Nicks Verständnis und seine Unterstützung dringend gebraucht. Stattdessen hatte er sich wie ein verwöhntes, besitzergreifendes Kind benommen.

Abrupt stand Fern auf, ging zum Fenster und sah hinaus.

Mit harter Arbeit hatte sie den langen schmalen Garten in eine Reihe kleinerer, beinahe verschwiegener Abschnitte verwandelt. Verrieten sie ihr zeitweiliges Bedürfnis nach einer Zuflucht – nicht nur vor Nick, sondern auch vor ihren eigenen Ängsten und Zweifeln?

„Es tut mir leid, wenn du mich für besitzergreifend hältst“, hatte Nick später verbittert erklärt. Aber du kennst ja den Grund, nicht wahr?“

Nein, er würde ihr niemals einen Besuch bei Cressy erlauben.

Fern betrachtete den Briefkopf. Neben der Anschrift stand dort auch die Telefonnummer.

Sorgfältig wählte sie die Ziffern. Natürlich würde sie Cressy beschwindeln müssen und behaupten, dass sie leider keine Zeit hätte. Fern spürte, wie sich ihre Bauchmuskeln zusammenzogen, als der Hörer am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde.

„Cressy? Ich bin es. Fern.“

„Fern! Das ist ja fabelhaft. Wann kommst du? Du kommst doch, nicht wahr?“, flehte Cressy, als Fern nicht sofort antwortete.

Sie hatte eine ziemlich rauchige, beinahe vibrierende Stimme. Die Freundin gehörte zu jenen Menschen, die man auf Anhieb mochte. Sie war eine lebensprühende, tatkräftige Persönlichkeit und konnte ein bisschen scharf und ungeduldig werden. Doch im Grunde war sie so einfühlsam, dass sich alle unwillkürlich zu ihr hingezogen fühlten.

„Ich … Ich glaube kaum, dass ich es einrichten kann, Cressy“, begann Fern kläglich. „Du weißt ja …“

„Oh nein, Fern. Sag nicht ab. Ich brauche dich. Vergiss nicht, dass ich noch nie verheiratet war. Ich habe ziemlich weiche Knie … Wenn du es genau wissen willst: Ich habe entsetzliche Angst davor und muss unbedingt jemanden bei mir haben, der meine Hand hält. Und dafür eignet sich niemand besser als du. Bitte, Fern, komm her!“, schmeichelte sie.

Fern lachte leise. Wenn jemand bestimmt niemanden brauchte, der ihm das Händchen hielt, dann Cressy.

Als hätte die Freundin ihre Gedanken erraten, wurde sie plötzlich ernst. „Ich brauche dich wirklich, Fern. Du bist meine älteste Freundin und kennst mich am besten. Zu dir kann ich aufrichtig sein wie zu keinem anderen Menschen. Ich liebe Graham so, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Trotzdem habe ich schreckliche Angst vor der Ehe. Ist das nicht verrückt?“

Nicht wenn man Cressys Familiengeschichte kennt, dachte Fern.

Cressy war acht Jahre gewesen, als die Mutter ihren Vater verließ, und alt genug, um den Klatsch mitzubekommen, der sich im Dorf verbreitete. Ihre Mutter hatte adelige Verwandte gehabt, allerdings ziemlich entfernte. Eine dieser sehr weit entfernten, längst verstorbenen weiblichen Verwandten war berüchtigt gewesen wegen ihrer zahlreichen Affären und ihrer äußerst verschiedenen Kinder, die sie in die Welt gesetzt hatte, während ihr Mann sich blind stellte.

Das alte Blut käme zum Vorschein, hatten die Leute sich zugeflüstert. Damals hatte Cressy feierlich verkündet, sie würde niemals heiraten, damit sie nicht wie ihre Mutter würde.

Das war mit acht Jahren gewesen. Doch die Erlebnisse der Kindheit konnten selbst das Leben intelligenter Erwachsener beschatten.

„Ich würde wirklich gern kommen, Cressy“, sagte Fern bedauernd. „Aber ich kann nicht. Nick ist gerade erst von einer Dienstreise aus London zurückgekehrt, und es geht ziemlich hektisch bei uns zu.“

„Du meinst, er möchte nicht, dass du zu mir kommst“, widersprach Cressy ihr so unverblümt, dass Fern zusammenzuckte. „Lass nur, ich weiß, dass er mich nicht mag. Wahrscheinlich fürchtet er, mein schlechter Einfluss könnte dich endlich dazu bewegen, aus dem Käfig auszubrechen, in dem er dich hält. Ich wünschte, es wäre so.“

„Cressy …“, wehrte Fern unbehaglich ab.

„Entschuldige, Fern. Aber …“ Sie machte eine kurze Pause. „Bitte, versuch zu kommen. Ich habe wirklich panische Angst und brauche dich.“

„Ich werde es versuchen“, versprach Fern. Doch als sie den Hörer auflegte, war sie ziemlich sicher, dass Cressy ebenso wie sie wusste, dass es nicht klappen würde.

Eine halbe Stunde später wollte sie gerade anfangen zu bügeln. Da läutete es, und Venice stand zu ihrer Überraschung vor der Tür.

Es war ein angenehm warmer Tag, eigentlich zu warm für den Rock und den Pullover, den Fern trug.

Venice hatte dagegen ein eng anliegendes, tief ausgeschnittenes kirschrotes Top mit pfenniggroßen leuchtend gelben Punkten gewählt. Dazu trug sie ebenso enge Leggings. Ihr Haar und ihr Make-up waren makellos wie immer. Ihre Haut war tief gebräunt, und ihre Hände und Fingernägel sahen aus, als wären sie nie mit Hausarbeit in Berührung gekommen.

Fern spürte plötzlich einen Anflug von Neid und Unmut, der ihr bisher völlig fremd gewesen war.

Es hätte weder des verächtlichen Blicks in Venices Katzenaugen noch des selbstgefälligen Lächelns bedurft, das ihren Mund umspielte, damit Fern sich richtig schäbig, ja alt und ausgelaugt vorkam.

„Oh, komme ich zu einer unpassenden Zeit?“, fragte Venice mit einem schiefen Lächeln. „Meine Güte, wie sauber hier alles aussieht. Beinahe steril. Sie müssen mir unbedingt den Namen ihrer Putzfrau verraten. Meine ist auf ihre Weise ja ganz gut, aber …“ Sie zog die Nase kraus und sah sich aufmerksam, beinahe analysierend um.

„Ich habe keine Putzfrau“, erklärte Fern ungerührt und war ziemlich sicher, dass Venice es wusste. Sie merkte, dass sie rot wurde. Der bissige Unterton bei dem Wort „steril“ war ihr nicht entgangen.

„Ich bleibe nicht lange, sondern wollte nur dies hier abgeben.“ Venice öffnete ihre Schultertasche und reichte Fern eine nachlässig zusammengelegte, zerknitterte Krawatte. „Nick hat sie kürzlich bei mir vergessen. Er kam vorbei, damit wir uns über meine Geldanlagen unterhalten konnten. Meine Zentralheizung funktioniert neuerdings nicht richtig, und es war viel zu heiß. Er fragte mich, ob er die Krawatte abnehmen dürfte. Meine Putzfrau hat sie heute Morgen gefunden. Da ich in diese Gegend musste, wollte ich sie gleich vorbeibringen.“

Fern antwortete nicht. Glaubte Venice tatsächlich, dass sie sich täuschen ließ? Wie viel Spaß hatte die Frau an diesem abscheulichen Lügengespinst?

Sie, Fern, wusste genau, dass Nick die Krawatte mit nach London genommen hatte. Es war eine ganz neue aus reiner Seide, und sie hatte mehr gekostet als ihr monatliches Taschengeld.

Es gab nur eine Erklärung dafür, wie Venice in den Besitz der Krawatte gekommen war. Und es war sicher nicht der Grund, den sie ihr genannt hatte.

Nachdem die Frau gegangen war, blieb Fern regungslos in der Küche stehen. Ihre Hände waren eiskalt, während ihr Gesicht vor Demütigung und Verärgerung glühte.

Es gab keinen Zweifel mehr. Nick hatte ein Verhältnis mit Venice.

Mit bebenden Händen griff Fern zum Telefon. Doch ihre Finger zitterten nicht vor Schmerz, sondern vor Zorn darüber, dass Nick sie erneut gefühllos betrogen und belogen hatte.

Während sie die Ziffern drückte und das Telefon läuten hörte, breitete sich eine kühle Gleichgültigkeit in ihr aus, ein Gefühl von etwas Unabwendlichem – als hätte sie immer gewusst, dass dieser Augenblick kommen würde.

Nick mochte noch so oft das Gegenteil beteuern, er liebte sie nicht. Im Gegensatz zu ihr würde Venice sich nicht passiv verhalten. Das hatte sie heute bewiesen.

Venice war nicht dumm. Sie hatte genau gewusst, was sie tat, als sie die Krawatte brachte.

Erst als sie die Stimme der Freundin hörte, wurde Fern klar, dass sie nicht Nicks Nummer, sondern Cressys gewählt hatte.

Ein Irrtum ihres Unterbewusstseins oder ein Wink des Schicksals? Fern holte tief Luft.

„Ich habe es mir anders überlegt, Cressy“, verkündete sie. „Wann soll ich kommen?“

„So bald wie möglich“, antwortete die Freundin.

Fern brauchte nicht lange, um zu packen. Sie hatte sowieso nicht viel, was sie mitnehmen konnte. Die unerwünschte Erinnerung an Venice und ihre hübsche Freizeitkleidung verschärfte ihre Abscheu vor den eigenen altmodischen Sache.

Sie hinterließ Nick einen Zettel mit der Nachricht, wohin sie fahren würde, und fügte als Fußnote hinzu, dass Venice seine Krawatte zurückgebracht hätte.

Soll er damit machen, was er will, dachte Fern grimmig. Ihr war nicht entgangen, dass die letzte Zeile größer und kühner ausgefallen war als ihre übrige saubere, ordentliche Handschrift. Ob Nick es bemerkte? Sie lächelte unbarmherzig.

Ich laufe nicht davon, sagte Fern sich, während sie ihren kleinen Koffer in den Wagen legte. Sie brauchte nur ein bisschen Abstand, um zu nachzudenken und über ihre Zukunft zu entscheiden.

Über eine Zukunft ohne Nick?

Bebend holte sie Luft, ließ den Motor an und löste die Handbremse.

In einer kleinen Provinzstadt aß sie zu Mittag. Es war Markt, und die Straßen waren voller Menschen. Auf dem Rückweg fiel ihr eine junge Mutter auf, die mit ihrem Baby an ihr vorüberging. Die Frau war ungefähr in ihrem Alter und trug ein ähnliches Outfit aus einem Top und Leggings wie Venice, allerdings kein so teures.

Für sie, Fern, wäre solch eine Kleidung natürlich unpassend. Nick würde in die Luft gehen, wenn sie …

Entschlossen machte Fern kehrt und ging zu einer preiswerten Modeboutique zurück, die ihre Filialen überall im Land hatte.

Als sie eine Viertelstunde später wieder herauskam, trug sie nicht mehr ihren altmodischen Rock und den Pullover, sondern hübsche bunte Leggings sowie einen Body, den die junge Verkäuferin ihr dazu empfohlen hatte.

Sogar für passende Leinenschuhe hatte das Geld noch gereicht. Sie hatte die Sachen von dem Haushaltsgeld bezahlt, das Nick ihr erst gestern gegeben hatte.

Nicht gerade das angemessene Verhalten für eine angeblich verantwortungsbewusste, reife Frau, die ernsthaft überlegte, ihren Ehemann zu verlassen, dachte Fern. Vor allem nicht, weil sie wusste, dass Nick diesen Kauf niemals billigen würde.

Allerdings war die Kleidung ausgesprochen bequem. Es war erstaunlich, wie anders sie sich darin fühlte. Wie leicht und unbeschwert. Wie frei …

Verblüfft entdeckte Fern ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und betrachtete sich verstohlen.

Die Verkäuferin hatte sehnsüchtig auf ihre schlanke Gestalt hingewiesen und erklärt, sie brauche die kleinste Größe. Sie solle froh sein, denn das Lycramaterial verriete auch das geringste unerwünschte Fettpölsterchen.

Plötzlich merkte Fern, dass sie beinahe einfältig lächelte. Kein Wunder, dass ein Mann stehen geblieben war und sie anstarrte. Rasch eilte sie zu ihrem Wagen und staunte immer noch über ihre Verschwendung.

Eine Stunde später hatte Fern ihr Ziel fast erreicht. Die flache Moorlandschaft zog sich endlos vor ihr hin. Im Gegensatz zu anderen Besuchern fand sie die Gegend nicht langweilig. Sie schien sogar eine beruhigende Wirkung auf ihre Sinne und ihre Gefühle zu haben.

Wie mag es hier ausgesehen haben, bevor das Moor entwässert wurde? überlegte Fern. Vor ihrem inneren Auge entstand eine Landschaft voller Geheimnisse und Mysterien, die in einen Nebelschleier gehüllt war und deren sichere Pfade nur die Einheimischen kannten. Für alle, die sich unvorsichtig in das stille, stumme Moorgebiet wagten, lauerten dagegen Gefahren und sogar der Tod.

Cressy hatte am Telefon erzählt, das Institut, in dem Graham und sie arbeiteten, habe vor, eine kleine Fläche der wenigen, noch erhaltenen Moorgebiete zu kaufen und dem Paar die Aufsicht über dessen Entwicklung im unberührten Zustand zu übertragen.

„Wenn du das Haus siehst, wirst du dich fragen, was in aller Welt uns bewogen hat, so etwas zu kaufen“, hatte Cressy lachend gemeint. „Es ist ein gewaltiges altes Gebäude aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert und hat immer der Kirche gehört. Allerdings war es seit Jahren nicht mehr bewohnt. Es ist viel zu groß für uns, liegt aber ideal für unsere Arbeit. Sobald das Projekt angelaufen ist, können wir Studenten bei uns aufnehmen, die an Ort und Stelle Feldstudien durchführen möchten. Es ist eine fantastische Gelegenheit, ein natürliches Biotop wiederherzustellen, das sonst vielleicht endgültig verloren wäre. Natürlich zieht Graham mich ständig damit auf, dass wir die leeren Zimmer auch mit Kindern füllen könnten“, hatte Cressy hinzugefügt. „Aber ich habe ihm gesagt, das könne er vergessen. Mehr als ein oder zwei Kinder kommen nicht infrage.“

Fern durchquerte das letzte kleine Dorf und sah auf die Uhr. Nick musste inzwischen nach Hause gekommen sein und ihre Nachricht gefunden haben. Es war zu spät, es sich noch anders zu überlegen und wieder umzukehren. Während sie die lange gerade Straße weiterfuhr, die in der Ferne am dunstigen Horizont verschwand, stellte sie fest, dass sie tief im Innern sogar froh darüber war. Ein seltsames Gefühl erfasste sie, das ihre Laune entschieden hob.

Es dauerte eine ganze Weile, bevor Fern erkannte, worum es sich handelte. Dann sprach sie das Wort laut aus: „Freiheit …“

Sie entdeckte das Haus, das Cressy und Graham gekauft hatten. Es war ein schmuckloses, beinahe groteskes Gebäude, das sich scharf vor dem blassen Horizont abhob. In mancher Beziehung war es ausgesprochen hässlich. Doch wegen seiner soliden Mauern und der Hartnäckigkeit, mit der es sich in dieser bedrohlichen, halb sumpfigen Gegend gehalten hatte, konnte man es nur bewundern.

Während sie durch das offene Tor fuhr, bemerkte Fern den typischen Pfarrgarten mit seinem schlichten Rasen. Dies war etwas anderes als Broughton House und dessen Umgebung.

Wegen des erstaunlichen Gegensatzes zwischen dem wuchtigen Steingebäude und der beinahe ätherischen Leichtigkeit der Landschaft, die fast nur aus Himmel und Wasser zu bestehen schien, wirkte das Haus von Nahem beinahe liebenswert einladend.

Fern war noch auf halbem Weg dorthin, da flog die Haustür auf, und Cressy erschien auf der Schwelle. Triumphierend eilte sie die Stufen hinab und umarmte die Freundin herzlich. „Du bist tatsächlich gekommen“, rief sie. „Ich befürchtete schon, du würdest kalte Füße bekommen und es dir noch anders überlegen. Donnerwetter“, fügte sie hinzu. Sie trat ein paar Schritte zurück und betrachtete Fern neugierig. „Du hast dich wirklich verändert. Ich wette, Nick würde dieses Outfit nicht billigen.“

Fern merkte, dass sie rot wurde. „Ich bin zu alt dafür, nicht wahr? Ich hätte …“

„Zu alt? Rede keinen ein Unsinn“, unterbrach Cressy sie. „Es steht dir großartig. Viel besser als die spießigen Sachen, die du sonst trägst. Entschuldige, Fern“, fügte sie schuldbewusst hinzu. „Du kennst mich ja. Ich spreche immer offen aus, was ich denke. Ich weiß, dass deine Mutter dir beigebracht hat, nette junge Mädchen trügen Tweedröcke, Twinsets und Perlenketten. Aber du bist inzwischen eine Frau, und es ist richtig, dass du dein Leben selber in die Hand genommen hast und dich so kleidest …“ Sie bemerkte Ferns Miene und lächelte vergnügt.

„Schon gut, ich weiß, was du denkst. Ich habe gut reden, nicht wahr?“ Kläglich betrachtete sie ihre grobe Arbeitshose und das Buschhemd. „Aber ich trage diese Sachen aus freien Stücken, Fern, und nicht, weil es jemand von mir verlangt. Sosehr ich Graham liebe: Wenn er mir vorschreiben würde, was ich zu tragen hätte …“ Sie schüttelte den Kopf. „Meine Güte, du bist gerade erst hier, und ich mache dir schon Vorhaltungen. Komm erst mal ins Haus.“

Cressy hat sich nicht verändert, stellte Fern fest, als sie der Freundin in die hohe Diele mit dem Steinplattenboden folgte. Nach der vibrierenden Helligkeit im Freien war es hier dämmrig und kühl. Winzige Staubkörnchen schwebten träge in den vereinzelten Sonnenstrahlen. Zwei leuchtend bunte Webteppiche lagen zwanglos auf einem abgenutzten Ledersofa vor dem gewaltigen Kamin. An der Wand darüber schaute eine kleine Herde präparierter Rehe mit ihren Glasaugen in den Raum.

„Grauenhaft, nicht wahr?“, meinte Cressy, die Ferns Blick gefolgt war. „Sie waren schon im Haus. Graham behauptet, die Tiere erinnerten ihn an ganz besonders scheußliche Ferien bei seinen Großeltern im schottischen Hochland. Wir werden sie demnächst herunternehmen und anständig begraben. Unvorstellbar, dass eine Gesellschaft so etwas nicht nur gebilligt hat, sondern dass diese Art von Töten sogar äußerst beliebt war.“

Cressy hat sich wirklich nicht verändert, dachte Fern erneut, während sie der leidenschaftlichen Stimme der Freundin lauschte. Die wilde Mähne ihres strohblonden Haars, die hohen Wangenknochen in ihrem gebräunten Gesicht, die intelligenten haselnussbraunen Augen, der schlanke, sportliche Körper und der scharfe trainierte Verstand – alles war wie früher.

Auch die Wärme, die Menschlichkeit, der großzügige Geist und die Herzlichkeit.

„Fern, ich bin so froh, dass du gekommen bist“, sagte Cressy plötzlich. „Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, dass ich heiraten werde. Du weißt, was ich von solch einem Schritt halte … Wie viel Angst ich davor habe, wie meine Mutter zu werden und ein gegebenes Versprechen zu brechen.“

„Du liebst Graham doch.“

„Oh ja!“ Cressy sagte es leise, doch mit solch einem warmen sanften Blick, dass sich Ferns Herz schmerzlich zusammenzog.

Sie neidete der Freundin das Glück nicht. Auch nicht die Fähigkeit, es zu erkennen und zu schätzen. Doch wenn sie Cressy ansah und reden hörte, wurde ihr die eigene Leere umso mehr bewusst.

Was Nick jetzt wohl macht? überlegte sie später, als die Freundin sie herumführte und ihr begeistert von den Plänen erzählte, die Graham und sie für das Haus und ihre gemeinsame Zukunft hatten. Lief er wütend auf und ab und fluchte über ihr Verschwinden und ihre Feigheit, oder nutzte er ihre Abwesenheit aus, um mit Venice zusammen zu sein?

Sie merkte nicht, dass Cressy sie aufmerksam beobachtete.

„Was ist los, Fern? Was beunruhigt dich?“

„Nichts. Ich – ich musste nur gerade an Nick denken.“

„Aber nicht besondere glücklich, nach deiner Miene zu urteilen“, stellte Cressy leise fest. „Möchtest du darüber reden?“

Fern schüttelte den Kopf. Sie war hier, um Cressy zu helfen, und nicht umgekehrt. Zu ihrem Entsetzen füllten sich ihre Augen mit Tränen.

„Nun rede schon“, forderte die Freundin sie auf. „Ich möchte wissen, was los ist.“

Fern ließ sich in die Küche ziehen. Es war ein großer, vollgestopfter, sehr gemütlicher Raum, dem Cressy bereits ihren unverkennbaren Stempel aufgedrückt hatte.

Nick hätte diese Küche verabscheut, dachte Fern automatisch.

Unbekümmert schob Cressy einen großen Bücherstapel vom Tisch, zog einen Stuhl hervor und drückte Fern sanft, aber entschlossen darauf.

„Also los“, sagte sie und setzte sich ebenfalls. „Ich will alles hören.“

„Es gibt nichts zu erzählen“, begann Fern und fügte wider Willen hinzu: „Nick hat ein Verhältnis mit einer anderen Frau.“

Es entstand eine kleine Pause. Als Fern unsicher aufsah, stellte sie fest, dass Cressy kein bisschen überrascht war.

„Ich weiß, was du jetzt denkst“, sagte sie verzweifelt. „Wahrscheinlich ist es gar nicht so wichtig. So etwas kommt in den besten Familien vor … Männer haben nun einmal Affären … Vermutlich hat es nichts zu bedeuten, und wenn ich den Mund halte, geht der Sturm vorüber … Wahrscheinlich ist es sowieso meine eigene Schuld.“

„Deine Schuld?“ Cressy sprang auf und sah sie an. „Meine Güte, Fern, was hat Nick aus dir gemacht? Ich habe immer gewusst, dass er ein gemeiner Kerl ist. Wenn er eine Affäre hat, bist du bestimmt nicht daran schuld. Ich kenne niemanden, der seine Ehe so ernst nimmt wie du oder sich derart für sie einsetzt.“

Fern zuckte heftig zusammen, doch Cressy merkte es nicht. Mit blitzenden Augen lief sie in der Küche auf und ab und verkündete zornig: „Ich sollte es eigentlich nicht sagen, und ich hatte mir fest vorgenommen, es nie zu tun. Aber dein Mann ist einer der egoistischsten Menschen, wenn nicht sogar – der egoistischste, den ich kenne. Vom ersten Augenblick eurer Bekanntschaft hat er dir den Blick für die Wirklichkeit verstellt. Er hat dich benutzt und manipuliert, mit deiner Verletzlichkeit gespielt und dich immer wieder gekränkt. Oh ja, er hat dich gekränkt, Fern. Ich habe es genau gemerkt. Ich wollte dich damals warnen. Aber du warst so blind verliebt …“ Fern stöhnte gequält.

„Liebst du Nick etwa immer noch?“, fragte Cressy heftig.

Fern schüttelte den Kopf, doch sie konnte die Wahrheit nicht aussprechen. Ihre Erziehung und ihre Schuldgefühle ließen es nicht zu.

„Bin ich froh.“ Cressy ging zum Kühlschrank, holte eine Flasche Wein heraus und schenkte zwei Gläser ein. „Es ist zwar kein Champagner …“ Sie prostete Fern zu und fuhr fort: „Ich hoffe, du wirst ihn verlassen.“

Nick verlassen? Entsetzt starrte Fern die Freundin an.

„Wir sind verheiratet, Cressy … Ich habe ein Ehegelöbnis abgegeben und bin eine Verpflichtung eingegangen.“

Erschrocken setzte Cressy ihr Glas ab. „Meine Güte, Fern, willst du dich etwa für ihn opfern? Was, zum Teufel, hat Nick dir je gegeben? Du sagst, er hat eine Affäre. Ich wette, es ist nicht die erste. Er gehört zu jenen Männern, die ihr Selbstbewusstsein ständig aufpolieren müssen, indem sie ein weiteres Opfer in die Falle locken. Nicht wegen Sex. Deshalb bestimmt nicht. Ich habe mich oft gefragt, was du an ihm fandest, als du ihn damals kennenlerntest. Er kam mir immer so kalt vor … Eines muss man ihm allerdings lassen: Die Art und Weise, wie er Adam aus deinem Leben vertrieben hat … Was hat dich so an Nick gereizt, Fern? Du hattest doch Adam, der das genaue Gegenteil von ihm war … Ich gestehe, dass ich mir öfter vorgestellt habe, als mir lieb war, wie es wäre, mit deinem Adam ins Bett zu gehen.“

„Er war nie ‚mein‘ Adam“, wehrte Fern ab. „Und du irrst dich, wenn du glaubst, Nick hätte ihn aus meinem Leben vertrieben. Für Adam war ich nichts anderes als eine gute Freundin.“

„Das stimmt nicht. Ich habe genau gemerkt, wie er dich angesehen hat, Fern. Adam begehrte dich.“

„Du irrst dich“, protestierte Fern erneut. „Er war damals mit einer anderen Frau zusammen, einer viel älteren mit viel mehr Erfahrung als ich. Nick …“

„Nick wollte dich haben, wie er alles andere in seinem Leben auch haben wollte“, unterbrach Cressy sie unbarmherzig und goss die Gläser wieder voll. Fern erkannte, dass nicht nur der Wein die Freundin so gesprächig, ja beinahe brutal aufrichtig machte. Cressy sprach aus, was sie selber vor sehr langer Zeit verdrängt hatte. Sie war ehrlich um sie besorgt.

„Nick wollte dich, weil Adam dich nicht haben sollte.“

Fern krallte die Finger um den Stiel ihres Weinglases und wurde kreideweiß. Ein entsetzlicher Abgrund tat sich vor ihr auf. „Das ist nicht wahr. Nick wollte mich … Er brauchte mich.“

Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr klar, dass Cressy recht hatte. Die Hülle aus Selbsttäuschungen, mit der sie sich umgeben hatte, um sich und ihre Ehe zu schützen, zerplatzte, und sie sah ihre Beziehung mit Nick zum ersten Mal, wie sie wirklich war.

„Es tut mir leid, Fern … Es tut mir aufrichtig leid“, hörte sie Cressy leise sagen. „Ich wollte nicht … Ich dachte, du hättest es gewusst … Du hättest gemerkt, wie entsetzlich eifersüchtig Nick auf Adam war.“

Nick eifersüchtig auf Adam? Plötzlich drehte sich alles um Fern. Sie blinzelte und versuchte, sich auf das primitive Muster eines unlasierten Krugs zu konzentrieren, der irgendwo in der Mitte des Regals stand. Jäger jagten darauf das Wild. Sie hatte die Speere gehoben, um ihre Beute zu töten …

Zitternd drehte sie sich wieder zu Cressy.

„All die Jahre … Und ich habe nichts davon gewusst. Ich dachte, Nick begehrte mich, er brauchte mich. Willst du mir sagen, er hätte mich nur benutzt, weil er glaubte, dass Adam mich wollte?“, fragte sie schmerzerfüllt.

„Im Grunde ja“, gab Cressy mit heiserer Stimme zu. „Aber das ist nicht alles, Fern. Menschen wie Nick sind wie Parasiten. Sie brauchen einen Wirt, an den sie sich klammem können und von dem sie ihre Kraft beziehen. Gleichzeitig saugen sie ihn langsam aus und zerstören ihn. Je stärker dieser Wirt ist desto besser.“

„Ich bin doch nicht stark!“, wehrte Fern ab.

Cressy ging zu ihr, kauerte sich neben ihren Stuhl und legte die Arme um sie. „Du irrst dich gewaltig, Fern. Du bist einer der stärksten, mutigsten und moralischsten Menschen, die ich kenne. Weshalb möchte ich dich denn sonst jetzt bei mir haben? Weil ich deine Kraft brauche.“

„Du brauchst meine Kraft?“ Fern merkte, dass sie jeden Moment hysterisch auflachen konnte. „Ich bin ein Niemand, Cressy. Ich habe nichts aus meinem Leben gemacht und nichts von der Welt gesehen. Ich war nie verreist.“

„Du hast Einfühlungsvermögen, Nächstenliebe und Verständnis. Die Menschen wenden sich instinktiv um Hilfe an dich. Du kennst dich selber nicht, Fern. Du weißt nichts von deinem eigenen Wert. Glaubst du, eine schwache Frau wäre so lange bei Nick geblieben, und wenn sie ihn zu Beginn noch so geliebt hätte? Ich gehe jede Wette ein, dass Nick dich trotz seiner Affäre immer noch nicht gehen lassen will. Im Gegenteil, er wird dich leiden lassen, dir beizubringen versuchen, dass alles nur deine Schuld ist und dass dir etwas fehlt, was er sich anderswo holen muss. Er wird diese Argumente vorbringen, um dich zu manipulieren und dich zu beherrschen. Aber er wird dich nicht gehen lassen. Das kann er sich nicht leisten, Fern. Er braucht dich zur Erhaltung seines Selbstwertgefühls.“

„Er ist doch derjenige, der …“, begann Fern und redete nicht weiter. Cressy hatte recht.

„Liebst du ihn noch?“, fragte Cressy erneut.

Fern schüttelte den Kopf. Sie konnte die Wahrheit nicht länger leugnen. „Nein.“

„Dann verlass ihn. Das bist du dir schuldig.“

Wie konnte sie Nick verlassen? Andererseits: Weshalb sollte sie es nicht tun, wenn Cressy recht hatte? Und die Freundin hatte recht, das war Fern klar. Sie sah ein, dass sie bisher absichtlich die Augen vor der Wahrheit verschlossen hatte.

Weshalb? Aus Angst? Aus Schuldgefühlen? Aus Treue zu ihren Eltern und den Weltvorstellungen, die sie ihr eingetrichtert hatten?

Sie unterhielten sich bis in die frühen Morgenstunden, aßen das Chili, das Cressy schon früher vorbereitet hatte, und tranken eine zweite Flasche Wein.

Seltsamerweise war Fern nicht betrunken. Im Gegenteil. Sie hatte den Eindruck, klarer und schärfer denn je denken zu können.

Sie redeten auch über Cressys Beziehung zu Graham, über die Angst der Freundin vor der lebenslangen Verpflichtung und ihrer Sorge, Grahams Erwartungen nicht zu erfüllen.

„Ich kann nicht länger ohne ihn leben“, gestand Cressy. „Und gleichzeitig habe ich panische Angst davor, nicht mehr mit ihm leben zu können, sobald wir verheiratet sind.“

„Das kannst du bestimmt“, beruhigte Fern die Freundin. Sie war sich ganz sicher, und sie merkte, dass Cressy ihr glaubte.

„Siehst du Adam häufig?“, fragte Cressy wie beiläufig, als sie ihr letztes Glas Wein austranken.

Fern erstarrte. Ihr Körper wurde stocksteif, bis ihr einfiel, dass sie mit Cressy sprach und nicht mit Nick. Bei der Freundin brauchte sie keine Angst davor zu haben, was ihre Miene verriet.

„Nein, eigentlich nicht“, antwortete sie. „Nick und er haben sich nie besonders nahegestanden. Und seit der Sache mit Broughton House …“

„Welcher Sache mit Broughton House?“, fragte Cressy, und Fern erklärte es ihr kurz.

„So etwas würde Adam niemals tun. Er hat sich immer sehr für die Erhaltung der alten Gebäude eingesetzt.“

„Ja, ich weiß. Aber er ist an mehreren ähnlichen Projekten beteiligt. Und als Geschäftsmann, als Architekt … Niemand hat es heutzutage leicht. Adam muss auch an seine Mitarbeiter denken.“

„Trotzdem … Hast du mit ihm darüber gesprochen?“

Fern senkte den Kopf und mied Cressys Blick. Manche Dinge konnte sie selbst ihrer ältesten und liebsten Freundin nicht anvertrauen. „Nein, das habe ich nicht. Erzähl mir etwas mehr über Graham“, wechselte sie das Thema. „Du hast gesagt, ihr hättet euch bei einem gemeinsamen Unternehmen kennengelernt.“

„Ja. Wir waren …“

Erleichtert hörte Fern sich an, wie Cressy ihrem künftigen Ehemann zum ersten Mal begegnet war.

Der Himmel rötete sich schon im Osten, als sie endlich schlafen gingen. Die Überreste des Abendessens, die leeren Weinflaschen und selbst die Kakaobecher – eine Erinnerung an die erste Zeit ihrer Freundschaft – ließen sie einfach stehen.

„Ich vermute, wenn ich erst eine richtige Ehefrau bin, werde ich bald wie du und kann unmöglich ins Bett gehen, bevor die Küche nicht makellos aufgeräumt ist“, meinte Cressy trocken. „Aber noch bin ich keine Ehefrau, und Graham gehört glücklicherweise nicht zu jenen Männern, die den Wert einer Frau an ihren hausfraulichen Fähigkeiten messen.“ Lachend stiegen sie die Treppe hinauf.

Doch als sie eine halbe Stunde später zwischen die Laken schlüpfte, war Fern nicht mehr zum Lachen zumute.

„Verlass Nick“, hatte Cressy ihr noch einmal geraten. „Sonst macht er dich restlos kaputt.“

Nick verlassen … Fern spürte ein seltsames panikartiges Pochen in der Brust. Es war keine Angst, sondern der überwältigende Wunsch, das drängende Bedürfnis, frei zu sein.

Weshalb hatte sie es nicht schon früher gespürt? Weshalb war ihr nie klar gewesen … Weshalb hatte ihr ein anderer zeigen müssen, wie Nick wirklich war? Cressy hatte sie von der unerträglichen Last befreit, restlos versagt zu haben.

Abrupt öffnete Fern die Augen. Nein, davon konnte Cressy sie nicht befreien. Die Freundin kannte ja nicht einmal die ganze Wahrheit und wusste nicht, dass Nick nicht allein das Ehegelöbnis gebrochen hatte.

Trotzdem konnte sie nicht länger bei ihm bleiben. Ihre Ehe war zu Ende.

Aber würde sie die Kraft aufbringen es Nick zu sagen?

Broughton House - Haus der Sehnsucht
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