Kapitel 10
»Na, bist du schon bereit, zuzugeben, dass du wach bist?«, murmelte ihr Joe mit seiner tiefen Stimme ins Ohr.
Ihr fiel wieder ein, dass sie sich mühsam nach unten geschleppt hatte, weil er an ihre Tür gehämmert hatte … und dass sie ihm in die Arme gesunken war. An alles andere erinnerte sie sich nur noch vage. Offenbar hatte sie die ganze Nacht durchgeschlafen.
Sie drehte sich ganz zu ihm um und zwang sich, ihn anzusehen. Er musterte sie mit einem teils amüsierten, teils lasziven Blick.
»Ich weiß nicht, was ich als Erstes sagen soll – vermutlich, dass es mir leidtut wegen unseres Dates. Oder – danke, dass du geblieben bist?« Sie schluckte schwer. »Oder vielleicht, dass ich jetzt über den Berg bin und du guten Gewissens gehen kannst?«
Er atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Mach dir wegen unserer Verabredung mal keine Gedanken; ich hätte dich vorher anrufen und fragen sollen, ob es dabei bleibt. Und gern geschehen, aber ich hatte ohnehin nichts anderes vor. Und das mit dem Gewissen ist das Dümmste, was ich je gehört habe.«
Sie blinzelte. »Okay, tut mir leid.«
»Hast du mich etwa gebeten, hierzubleiben? Oder mich von irgendetwas abgehalten? Nein«, sagte er. »Also, komm mir nicht mit Gewissen. Wie fühlst du dich?«
»Nicht mehr ganz so erschöpft«, sagte sie, und es war nicht gelogen. Sie war zwar noch immer müde und wäre weiß Gott nicht in der Lage gewesen, einen Marathon zu laufen – oder auch nur ein paar Besorgungen zu machen –, aber es bestand zumindest nicht mehr die Gefahr, dass sie in Ohnmacht fiel.
»Das ist gut.« Joe zögerte, dann fragte er: »Wie macht sich eigentlich so ein Schub bemerkbar?« Er stützte einen Ellbogen auf und sah ihr abwartend in die Augen.
Seine Stimme war ruhig und leise, und Annie zwang sich, über die Krankheit zu sprechen, die ihr Leben von Grund auf verändert hatte. »Es fängt mit einem Kribbeln in den Händen oder Füßen an – manchmal sowohl als auch. Das ist dann wie eine Art Warnsignal. Dazu kommt diese Müdigkeit, die dafür sorgt, dass ich zu nichts mehr zu gebrauchen bin.«
Sie wandte den Blick ab, wohl wissend, dass keinerlei Aussicht auf eine wie auch immer geartete Beziehung mit diesem Mann bestand. Die Erkenntnis traf sie schmerzlicher als erwartet. Zweifellos würde er jeden Augenblick Reißaus nehmen. Vermutlich hätte Nash das auch getan, wenn er sich nicht verpflichtet gefühlt hätte, bei ihr zu bleiben – was wohl auch an der Freundschaft lag, die ihn mit ihrem Vater verband, und nicht nur an dem Eheversprechen, das er ihr einst gegeben hatte.
»Tut es weh?«, wollte Joe wissen. In seinen Worten schwangen Anteilnahme und Neugier mit, aber kein Mitleid.
Sie sah ihm in die Augen. »Kommt ganz darauf an, wie schlimm es ist. Schmerz ist eine ziemlich subjektive Angelegenheit.«
Er nickte.
»Und wie lange dauert es, bis du dich wieder erholt hast?«
»Nicht allzu lange«, erwiderte sie leichthin.
Aus Erfahrung wusste sie, dass sich die Symptome ein, zwei Tage, aber auch über mehrere Wochen hinweg bemerkbar machen konnten. Aus diesem Grund hatte sie ja auch ihre Stelle bei einer großen Buchhaltungsfirma im Nachbarort gekündigt und sich selbstständig gemacht. Aber sie würde Joe nicht auf die Nase binden, wie groß die Auswirkungen der Krankheit auf ihr Leben waren.
»Joe, ich bin dir dankbar dafür, dass du hier bist, ehrlich, aber fühl dich bitte zu nichts verpflichtet. Ich habe unsere Verabredung verschlafen, und wahrscheinlich habe ich dabei sogar geschnarcht, und ich gehe davon aus, dass du etwas Besseres zu tun hast, als hier rumzuhängen.« Etwas, das mehr Spaß machte.
Ausgerechnet in diesem Moment erinnerte sie ihr Magen mit einem lauten Knurren daran, dass sie seit gestern Mittag nichts mehr gegessen hatte.
Joe grinste breit. »Hast du Hunger?«
»Ja. Und du garantiert auch – noch ein Grund für dich, zu gehen und dir irgendwo ein Frühstück zu besorgen.« Es kostete sie eine schier unmenschliche Anstrengung, gegen ihre Müdigkeit anzukämpfen und sich aufzurichten.
»Wo willst du hin?«, fragte Joe.
»Mich waschen und mir die Zähne putzen«, antwortete sie und machte sich auf den Weg ins Bad. Bis sie fertig war, hatte er sich hoffentlich verdünnisiert, und dann konnte sie sich in Ruhe eine Schüssel Cornflakes gönnen.
Doch als sie nach der Katzenwäsche den Pyjama gegen einen Jogginganzug ausgetauscht hatte und sich langsam nach unten begab, stieg ihr der Duft nach gebratenem Speck und geröstetem Toastbrot in die Nase.
Sie trat in die Küche und erblickte einen äußerst anziehenden Mann an ihrem Herd. »Was machst du denn da?«
Joe hob eine Augenbraue und grinste.
Dumme Frage, zumal er gerade mit einem Pfannenwender ein paar herrlich knusprig aussehende Streifen Speck auf einem Teller deponierte.
Sie hatte ihn gebeten zu gehen, und er hatte sich ihrem Wunsch widersetzt. Sie hätte sauer sein sollen, aber in ihrem Magen herrschte eine derart gähnende Leere, dass sie lediglich tiefe Dankbarkeit empfand. Und wie sollte sie sauer sein auf einen Mann, der sich in ihren vier Wänden offenbar wie zu Hause fühlte und sie so liebevoll umsorgte?
Sie hatte sich zwar eingeredet, dass sie nicht betüddelt werden wollte, aber bei seinem Anblick wurde ihr warm ums Herz. Ein schönes Gefühl.
Zehn Minuten später war ihr Teller leer. Als sie sich die klebrigen Finger leckte, ertappte sie Joe dabei, wie er sie anstarrte, mit einem Blick, der eine ganz andere Art von Hunger in ihr weckte.
»Was hättest du getan, wenn ich nicht gekommen wäre?«, wollte Joe wissen. Seine Miene war ernst.
»Wenn ich noch die nötige Geistesgegenwart besitze, rufe ich in solchen Fällen die Haushälterin meiner Mutter an, damit sie vorbeikommt und mir ein bisschen unter die Arme greift.« Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie vollkommen hilflos war.
Da sie nach der Scheidung partout nicht wieder zu ihren Eltern hatte ziehen wollen, hatte sie ihnen versprechen müssen, sich zu melden, wann immer sie nicht allein zurechtkam. Annie widerstrebte dieses Arrangement zutiefst, aber ihr war auch klar, dass es nicht anders ging, also hatte sie eingewilligt.
Joe nickte, als wäre er erleichtert darüber, dass es einen Notfallplan gab. »Und wenn du sie nicht angerufen hättest und ich nicht aufgetaucht wäre?«
»Lass gut sein, ja?«, winkte Annie ab.
»Meinetwegen«, sagte er und wechselte das Thema: »Und, was hast du heute vor?«
»Nichts.« Nachdem er live erlebt hatte, was für eine Belastung sie war, würde er jetzt wohl gehen und nicht wiederkommen.
Tatsächlich erhob er sich, und sie hielt die Luft an und versuchte, der Enttäuschung, die sich in ihr breitmachte, Einhalt zu gebieten. Sie hatte es sehr genossen, ihn um sich zu haben.
Zu ihrer Überraschung nahm er ihren leeren Teller, stellte ihn in die Spülmaschine und räumte rasch die Küche auf.
»Das hätte ich zwar auch geschafft, aber danke«, sagte Annie.
Er nickte nur. »Ich muss los; mal sehen, was in der Bar so ansteht.«
Nun ging er also doch.
Annie setzte ein Lächeln auf und erhob sich, um ihn zur Tür zu bringen. Aber es war besser, wenn sie einander nichts vormachten – welcher Mann wollte sich schon auf Dauer mit einer unheilbar kranken Frau und ihren Problemen belasten?
»Danke, dass du über Nacht hiergeblieben bist.«
»War mir ein Vergnügen.« Er sah ihr tief in die Augen, und er klang kein bisschen enttäuscht. Im Gegenteil – seine rauchige Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Ehe sie antworten oder weiter darüber nachdenken konnte, hatte er ihr auch schon eine Hand in den Nacken geschoben und sie an sich gezogen, um sie zu küssen. Und es war kein flüchtiges Abschiedsküsschen, sondern ein leidenschaftlicher, fordernder Kuss, bei dem sich ihre Brustwarzen vor Erregung zusammenzogen.
»Was war denn das?«, fragte Annie benommen und überrascht.
»Auf deinem Pyjamaoberteil stand KÜSS MICH«, erklärte er. »Ich habe lediglich den geeigneten Zeitpunkt abgewartet.«
»Oh.« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und konnte ihn schmecken. »Mh …« Dann lächelte sie. »Und wie kommst du darauf, dass das jetzt der geeignete Zeitpunkt ist?« Er brachte sie ganz durcheinander, dieser Mann.
Seine Mundwinkel wanderten nach oben. »Weil ich weiß, dass du angenommen hast, wir würden uns nicht wiedersehen«, sagte er breit grinsend. »Und das war meine Art, dir zu zeigen, dass ich bald wieder da sein werde.«
Damit öffnete er die Tür und ließ sie stehen, und kaum war er weg, sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach ihm.
Als Nash am Montagmorgen auf dem Weg zu Richard war, beschloss er aus einem plötzlichen Impuls heraus, vorher noch kurz bei Annie vorbeizuschauen. Am Samstag hatte ihm ihre Mutter erzählt, sie hätte Annie nach Hause geschickt und ihr aufgetragen, sich auszuruhen. Nash hatte am Wochenende mehrmals bei ihr angerufen, um sich zu versichern, dass sie auch genügend aß und schlief, damit sie in dieser schweren Zeit bei Kräften blieb, war aber immer gleich auf ihren Anrufbeantworter umgeleitet worden. Sie hatte ihn nicht zurückgerufen, was ihm allerdings kein großes Kopfzerbrechen bereitet hatte.
Doch vorhin hatte er im Krankenhaus nachgefragt, ob man Richard schon besuchen könne, und sich bei Mary im Zuge dessen auch nach Annies Gesundheitszustand erkundigt. Sie hatte geantwortet, sie habe noch nichts von ihrer Tochter gehört, was Nash seltsam vorkam, denn Annie war normalerweise ein Frühaufsteher. Es sei denn, es war etwas nicht in Ordnung.
Also machte er einen kleinen Umweg. Er bog in ihre Straße ein und wollte, als er sich ihrem Haus näherte, gerade das Tempo drosseln, um zu parken, da sah er, wie Joe Lockhart die Tür öffnete und heraustrat. Joe, der Barkeeper, der eine Schwäche für Annie gehegt hatte, solange Nash denken konnte.
Nash umklammerte unwillkürlich das Lenkrad etwas fester, als ihm klar wurde, dass die Frau, mit der er verheiratet gewesen war, offensichtlich einen neuen Verehrer hatte. Warum sonst sollte Joe um diese Uhrzeit hier sein? Statt anzuhalten trat Nash aufs Gas und fuhr vorbei, ehe ihn Joe oder Annie womöglich erspähten.
Es war nicht einfach, der widersprüchlichen Gefühle Herr zu werden, die in ihm aufstiegen, dabei hätte ihn die Vorstellung, dass Annie und Joe ein Paar waren, völlig kaltlassen müssen, schließlich waren sie schon eine ganze Weile geschieden. Es konnte nicht daran liegen, dass er noch etwas für Annie empfand, denn das tat er nicht. Jedenfalls nicht dasselbe wie für Kelly … Bei dem Gedanken an sie stiegen eindeutig andere Gefühle in ihm auf.
Es lag an seinem lädierten Ego, wie er sich eingestehen musste. Annie hatte ihn verlassen, hatte ihm das Herz gebrochen, und jetzt hatte sie sich mit einem anderen Menschen eingelassen, auch wenn es bei ihr länger gedauert hatte als bei Nash. Damit war sein früheres Leben nun wahrhaftig und endgültig beendet.
Wie es aussah, hatten Dare und Kelly recht gehabt – er hatte nur so hartnäckig darauf bestanden, dass Annie ihn brauchte, um auf diese Weise die Verbindung zu ihr aufrechtzuerhalten. Die Sorge um ihr Wohlergehen hatte es ihm erlaubt, weiterhin eine Rolle in ihrem Leben zu spielen, und das wiederum hatte es ihm ermöglicht, so zu tun, als wäre Annie nicht auch einer jener Menschen, die ihm den Rücken gekehrt und ihn im Stich gelassen hatten.
Nash schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf die Straße. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er die Ausfahrt zum Krankenhaus verpasst hatte und nun eine Schleife fahren musste. Endlich hatte er sein Ziel erreicht und fragte sich zu Richards Einzelzimmer durch. Richard bot einen erschreckenden Anblick – er wirkte blass und schwach, und er schien Schmerzen zu haben, doch sein Optimismus war ungebrochen. Er war guter Dinge, was seine Genesung anbelangte, obwohl er ganz offensichtlich noch einen weiten Weg und eine längere Reha vor sich hatte. Aber Nash war froh, dass sein Ex-Schwiegervater überhaupt noch am Leben war.
Da sich Richard nicht anstrengen durfte, konnte Nash nur kurz bleiben, und als er die Klinik verließ, war er ziemlich durch den Wind – nicht nur, weil sein Freund und Mentor so alt und zerbrechlich gewirkt hatte, sondern auch wegen der plötzlichen Erkenntnis in Bezug auf Annie vorhin.
Nach all der Aufregung fiel Nash nur ein Mensch ein, dem er sich nun anvertrauen wollte; ein Mensch, dem es gelingen könnte, ihn aufzuheitern. Die Frage war nur, ob Kelly ihn überhaupt sehen wollte in Anbetracht all dessen, was er zu sagen hatte.
***
Kelly telefonierte ein paar Minuten mit Richard, und obwohl er noch recht schwach klang und angab, er habe Schmerzen, war er geistig offenbar schon wieder recht fit. Da ihm bewusst war, dass die Arbeit in seiner Kanzlei noch eine ganze Weile würde ruhen müssen, erteilte er Kelly den Auftrag, alte Akten zu archivieren und für die Einlagerung vorzubereiten. Als Kelly das Hinterzimmer betrat, um sich einen Überblick über das Ausmaß an Arbeit zu verschaffen, traf sie beinahe der Schlag beim Anblick der zahlreichen riesengroßen Schachteln, deren Inhalt sie durchforsten sollte. Sie machte sich unverzüglich an die Arbeit, beschloss aber, die nächsten Tage in Jeans und T-Shirt gekleidet in die Kanzlei zu kommen.
Sie fing mit den ältesten Dokumenten an, die aus den frühen 1980er Jahren stammten, und hatte schon bald jegliches Zeitgefühl verloren. Dann hörte sie plötzlich die Eingangstür zuschlagen. Es musste jemand gekommen sein. »Ich bin hier hinten«, rief sie, weil sie keine Lust hatte, aufzustehen und über die Schachteln zu klettern, um nachzusehen, wer der Besucher war.
Ihre Überraschung war groß, als gleich darauf Nash eintrat. Sie hatten sich nicht mehr gesprochen, seit sie sich gestern am späten Nachmittag verabschiedet hatten. Nashs Laune hatte sich nach der Unterhaltung mit Ethan ein bisschen gebessert, aber er hatte mit keinem Wort erwähnt, worum es gegangen war, und sie hatte auch nicht nachgefragt. Dann war es für sie an der Zeit gewesen, das Feld zu räumen, und sie hatte sich mit ihrer Tasche ins Auto gesetzt und war zurück zu ihrer Wohnung über Joes Bar gefahren.
»Hey!« Kelly rappelte sich auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung, ehe sie auf Nash zuging. »Was treibst du denn hier?«
Er schwieg ein paar Sekunden lang, ehe er ihr in die Augen sah und sagte: »Ich wollte dich sehen.«
»So, so.« Sie lächelte breit.
Er schien es nicht zu bemerken. Seltsam. Warum behauptete er, sie sehen zu wollen, wo er doch so in Gedanken versunken zu sein schien? »Setz dich doch«, sagte sie in die Stille hinein.
Er schüttelte den Kopf. Seine Miene war nachdenklich und … distanziert.
»Ist alles in Ordnung?« Allmählich bekam Kelly es mit der Angst zu tun. »Gibt es schlechte Neuigkeiten in Bezug auf Richard? Oder Tess? Oder Ethan? Dare?« Sie zählte sämtliche Menschen in seinem familiären Umfeld auf. Vielleicht war ja einem von ihnen etwas zugestoßen, und er brachte es nicht über die Lippen?
»Es geht ihnen allen gut.« Trotzdem hatte er eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn. »Vorhin ist etwas passiert … und du bist der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden möchte. Aber …«
Er verstummte, und Kellys Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Aber?« Sie war zutiefst verunsichert, vor allem, was Nash anging.
»Aber ich fürchte, dass du es womöglich falsch auffassen könntest.«
Kelly schluckte schwer. »Warum erzählst du es mir nicht einfach, und ich verspreche dir, mir erst ein Urteil zu bilden, wenn du mir alles erklärt hast?« Sie ballte die Fäuste, um nur ja nichts zu tun, das ihn womöglich gleich wieder verstummen lassen würde.
Nash atmete einmal tief durch. »Okay. Ich wollte vorhin auf dem Weg zum Krankenhaus auf einen Abstecher zu Annie, weil ihre Mutter erwähnt hatte, dass es ihr nicht besonders gut ging, und weil sie auf meine Anrufe nicht reagiert hat.«
Sie hätte es wissen müssen. Annie.
»Verstehe«, sagte Kelly. Kein Wunder, dass Nash Bedenken gehabt hatte, ihr sein Herz auszuschütten.
Es wurmte sie tatsächlich, dass es um Annie ging, aber das lag an ihrer Vergangenheit und an ihrer Unsicherheit, mit der sie zu leben und die sie zu überwinden versuchte.
»Ich weiß doch bereits, dass Annie in deinem Leben eine wichtige Rolle spielt«, sagte Kelly nüchtern.
Schließlich hatte sie mit ihm geschlafen, obwohl sie gewusst hatte, dass er sich nach wie vor sehr um das Wohl seiner Ex-Frau sorgte. Deshalb fand sie es auch nicht sonderlich schockierend, dass er zu Annie gefahren war. Zugegeben, sie konnte nicht behaupten, dass sie hocherfreut war – sie war eben auch nur ein Mensch, und die Eifersucht plagte sie, obwohl ihr Nash versichert hatte, dass er mit Annie lediglich befreundet war.
Sie rief sich in Erinnerung, dass er jetzt hier war, und dass sie ihm versprochen hatte, ihn ausreden zu lassen, ehe sie sich ein Urteil bildete. »Geht es Annie gut?«
Nash zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Als ich hinkam, hat Joe Lockhart gerade ihr Haus verlassen, also bin ich weitergefahren, ohne anzuhalten.«
Kelly nickte. Sie war nicht weiter überrascht, schließlich hatte sie neulich Abend in der Bar live miterlebt, wie es zwischen den beiden knisterte. Es wunderte sie zwar ein wenig, dass Annie Joe gleich über Nacht hatte bleiben lassen, aber offenbar hatte die Natur ihr Recht gefordert.
»Du hast es gewusst?«, fragte Nash, da sie auf die Nachricht, dass zwischen Annie und Joe etwas lief, nicht allzu verwundert reagierte.
»Ich wusste bloß, dass sie ein Date hatten, das ist alles.« Sie musterte Nash prüfend, konnte aus seiner Miene aber beim besten Willen nicht schließen, was in ihm vorging. »Ich nehme an, es stört dich, dass Annie einen anderen hat.« Sie zwang sich, die Fäuste zu öffnen, weil sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handballen bohrten, und atmete tief durch.
Nash war völlig von der Rolle, wohl, weil es das erste Mal war, dass sich seine Ex mit einem anderen Mann getroffen hatte. Was eigentlich nur eines bedeuten konnte: Dieses Erlebnis hatte ihm vor Augen geführt, wie sehr er Annie noch liebte, und dass er sie zurückhaben wollte.
Warum sonst hätte er gleich zu mir kommen sollen?, dachte Kelly. Er war hier, um mit ihr Schluss zu machen, ehe er erneut um Annie zu werben begann. Die bittere Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, aber sie würde keine Szene machen.
»Ich verstehe dich«, sagte sie und berührte seine Hand, um ihre Worte zu unterstreichen, wobei sie versuchte, die sengende Hitze zu ignorieren, die von ihm ausging.
»Du verstehst mich?«
Sie nickte, dann ließ sie die Hand sinken und setzte ein Lächeln auf, obwohl es ihr unendlich schwerfiel. »Und ich habe nicht vor, dir im Weg zu stehen. Geh und sag Annie, wie du für sie empfindest. Los, los«, befahl sie mit einer entsprechenden Geste. Der Kummer brach ihr schier das Herz, aber sie war fest entschlossen, den Tränen erst freien Lauf zu lassen, wenn sie allein war.
Nash schüttelte den Kopf. »Das will ich gar nicht. Es hat mich aufgewühlt, dass Joe bei ihr war, aber du liegst falsch, was den Grund dafür angeht.«
Kelly hielt verwirrt die Luft an.
»Ich habe den Kontakt zu Annie gegen ihren Willen aufrechterhalten und behauptet, ich täte es nur, um sicherzustellen, dass es ihr gut geht. Aber in Wahrheit habe ich es nicht für sie getan, sondern für mein Ego.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich habe mich an Annie geklammert, weil ich mich nicht damit abfinden wollte, dass sie mich verlassen hat, genau wie Ethan damals.«
Kelly starrte ihn an. Sie konnte nicht fassen, dass er beschlossen hatte, ihr das anzuvertrauen.
»Als ich Joe vorhin aus ihrem Haus kommen sah, ging mir dieselbe Frage durch den Kopf, die du mir indirekt auch schon gestellt hast: Wie geht es mir damit, dass sich Annie anderweitig orientiert?« Er breitete Verständnis heischend die Arme aus.
Doch Kelly wusste nicht recht, worauf er hinauswollte. »Und? Wie geht es dir damit? Oder vielleicht sollte ich vielmehr fragen: Was empfindest du?«, presste sie mühsam hervor. Ihr graute vor der Antwort.
Nash hob ihr Kinn an und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
»Tief durchatmen«, murmelte er.
Kelly war gar nicht aufgefallen, dass sie die Luft angehalten hatte. »Was willst du mir damit sagen?«
»Dass es mir nichts ausmacht, wenn Annie mit Joe ausgeht.« Er grinste verschmitzt und fuhr fort: »Und dass du die einzige Frau bist, mit der ich zusammen sein will.« Er schob eine Hand in ihren Nacken und zog sie an sich, um sie zu küssen.
Und es war kein normaler Kuss – er versuchte, ihr damit all das zu vermitteln, war er ihr soeben gesagt hatte, alles, was in ihm vorging, mit einer nie gekannten Aufrichtigkeit. Es war ein Kuss, der ihr signalisierte, dass er sie nicht nur begehrte, sondern dass sie für ihn oberste Priorität hatte.
Kelly mochte alle möglichen anderen Bedenken haben, was die Beziehung mit ihm anging, und es würde in der Zukunft zweifellos die eine oder andere Hürde geben, die es zu überwinden galt, aber seine Gefühle für Annie gehörten definitiv nicht dazu. Dieser Kuss zeigte ihr deutlicher als Ryans nicht unterschriebene Scheidungspapiere, dass der Mann, der vor ihr stand, keine romantischen Gefühle mehr für seine Ex-Partnerin hegte.
Sie war die Einzige für ihn, und das wollte sie auch bleiben, bis ihre Vergangenheit mit ihrer Gegenwart kollidierte. So lange gehörte er ihr.
Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare und erwiderte seinen Kuss, und die Leidenschaft, die sie nun überwältigte, ließ sie jegliche Vernunft über Bord werfen. Ohne den Kuss zu unterbrechen drängte Nash sie nach hinten, bis sie an einen Schreibtisch stieß, und ehe sie es sich versah, hatte er sie auch schon hochgehoben und auf die Tischplatte gesetzt. Er stellte sich zwischen ihre Oberschenkel, legte ihr die Hände auf die Hüften und zog den Saum ihrer Bluse aus dem Rockbund.
Kellys Atem ging rascher, als er die Fingerspitzen über die empfindliche Haut ihrer nackten Taille nach oben wandern ließ, um schließlich mit den Daumenballen durch den BH hindurch ihre Brustwarzen zu liebkosen. Sie stöhnte auf und reckte ihm den Oberkörper entgegen, worauf er sie sanft nach hinten drückte, bis sie rücklings vor ihm auf dem Tisch lag. Ohne den Blick auch nur eine Sekunde von ihr abzuwenden, begann er, ihre Bluse aufzuknöpfen. Er neckte sie, machte sich mit übertriebener Sorgfalt und quälender Langsamkeit an den winzigen Knöpfen zu schaffen, wobei er mit den Daumen die hochempfindlichen Nippel ihrer prallen Brüste streifte, wann immer er einen Knopf durch das Knopfloch geschoben hatte.
Als er unten angelangt war, streifte er den Stoff beiseite und beugte sich über Kelly, um ihr einen warmen, feuchten Kuss auf den Bauch zu drücken. Sie spannte die Muskeln an, spürte, wie sie unter seinen Lippen zitterten, und eine Welle der Erregung spülte über sie hinweg.
Aber sie wollte mehr.
Und er wusste es.
Er stützte sich rechts und links von ihren Schultern ab, und sie winkelte sogleich die Beine an und schlang sie ihm um die Hüften, sodass sich sein bestes Stück an das Zentrum ihrer Lust schmiegte. Kelly bewegte den Unterleib hin und her und rieb sich an ihm, um seinen harten Penis noch deutlicher zu spüren, und sie verfluchte ihren engen Rock, der sich in dieser Lage als äußerst hinderlich erwies.
Nash schob ihn kurzerhand nach oben, bis er sich um ihre Taille bauschte. Die Pumps hatte sie vorhin schon abgestreift, und statt einer Strumpfhose trug sie halterlose Strümpfe, sodass sich zwischen ihnen nur noch ihr feuchtes Höschen befand – und der raue Stoff seiner Hose, der ihr empfindliches Fleisch massierte.
Sie keuchte und stöhnte leise, während er sie auf den Mund küsste und sich an sie presste. Immer wieder glitt sein pralles Glied über ihr Geschlecht und erschloss ihr damit ein uns andere Mal neue Dimensionen der Lust.
Plötzlich unterbrach er den Kuss, um durch den BH hindurch mit seinen herrlichen Lippen einen ihrer Nippel zu umschließen. Er zupfte, knabberte und leckte zärtlich daran, nur um schließlich daran zu saugen, wobei er sich immer heftiger an ihr rieb und mit zuckenden Hüften den Liebesakt imitierte. Kombiniert mit der köstlichen Liebkosung ihrer Brust bescherte die Kollision ihrer Körper Kelly aus heiterem Himmel einen heftigen Orgasmus.
Während sie sich erholte, verfolgte sie mit halb geschlossenen Augen, wie Nash den Knopf an seiner Hose öffnete, sie zu Boden gleiten ließ und beiseiteschob.
Beim Anblick seiner erigierten Männlichkeit, die sich deutlich unter seinen Boxershorts abzeichnete, konnte sie es kaum noch erwarten, ihn endlich in sich zu spüren. »Hast du ein Kondom dabei?«, fragte sie.
Ein Wunder, dass sie im Eifer des Gefechts daran gedacht hatte.
»Mist«, ächzte er. Sein Körper bebte vor ungestilltem Verlangen.
Kelly überlegte flüchtig. »Ich nehme ohnehin die Pille«, sagte sie entschlossen. »Und ich bin gesund; du kannst mir vertrauen.« Sie musterte ihn erwartungsvoll.
Er sah lächelnd auf sie hinunter. »Du mir auch.«
Sie glaubte ihm. Wenn es eines gab, dessen sie sich absolut sicher war, dann, dass Nash ein durch und durch integerer Mensch war.
Sie grinste und bedeutete ihm, näher zu treten. »Worauf wartest du dann noch?«
Die Boxershorts landeten neben der Hose auf dem Fußboden, und dann kam er auf sie zu, nackt und stolz, ein perfektes Mannsbild, das nur sie wollte. Sie seufzte, als er mit seinen starken Händen ihre Schenkel spreizte und sich die Spitze seiner Erektion in ihr heißes, pulsierendes Geschlecht schmiegte.
Sie hatte erwartet, dass er es ganz gemächlich angehen würde, langsam und vorsichtig, doch er bewegte das Becken ruckartig nach vorn und drang mit einem einzigen Stoß bis zum Anschlag in sie ein. Sie schnappte vor Überraschung nach Luft und dachte einen Augenblick, sie bräuchte etwas Zeit, um sich an ihn zu gewöhnen, doch weit gefehlt – er war wie für sie gemacht. Und ihr fiel sogleich auf, wie anders, wie intim es ohne Kondom war. Haut an Haut, und – als er sich nun über sie beugte – Herz an Herz. Von zärtlichen Gefühlen übermannt, hatte sie auf einmal einen Kloß im Hals, dabei waren Gefühle das Letzte, worauf sie sich jetzt konzentrieren wollte, so viel wusste sie.
Er zog sich aus ihr zurück, als wollte er sie necken, drang wieder in sie ein, und sah sie dabei mit seinem unergründlichen Blick unverwandt an. »Du fühlst dich so verdammt gut an«, murmelte er rau und schloss die Augen, wie um den Genuss noch zu intensivieren.
»Ich weiß.« Und sie wusste auch, dass sie diesen Moment niemals vergessen würde. Sie spannte die inneren Muskeln an, als könnte sie ihm auf diese Weise ihren Stempel aufdrücken.
»Wow«, keuchte er und glitt langsam aus ihr heraus, nur um gleich wieder in sie zu stoßen, schneller und härter als zuvor.
Kelly wollte jetzt auch gar nicht vorsichtig und zärtlich geliebt werden; er sollte sie nehmen und sie all ihre vertrackten, unwillkommenen Gefühle vergessen lassen, ehe sie sich erneut in ihr breitmachen konnten. Und genau das tat er. Er umklammerte ihre Taille mit den Händen, damit sie seine Stöße noch besser parieren und ihn noch deutlicher spüren konnte, während er weiter die Hüften vor und zurück bewegte und damit den Rhythmus vorgab – einen Rhythmus, der fast schon zu perfekt war. Und sie spürte alles – mehr als sie wollte, und je unerbittlicher er sie nahm, desto lauter wurde sie. Jeden Stoß goutierte sie mit einem erregten Keuchen, das sich schon bald zu kehligen Lustschreien steigerte.
Dann beugte er sich plötzlich zu ihr hinunter, um sie zu küssen, und als sich seine Zunge zwischen ihre Lippen schob, spürte Kelly, wie sich ihr Orgasmus anbahnte. Sie bog den Rücken durch und hob den Unterleib an, um ihn noch tiefer in sich aufzunehmen, und er presste sich an sie und brachte sie mit ein paar letzten heftigen Bewegungen zum Höhepunkt.
Hatte sie geschrieen? Wohl kaum, denn er küsste sie immer noch und stieß weiter in sie, bis ihr sein lauter werdendes Stöhnen verriet, dass auch er nun den Gipfel der Lust ansteuerte. Und zu ihrer grenzenlosen Verwunderung reagierte ihr Körper mit neuerlichen Kontraktionen, und sie hatte einen zweiten, endlos langen Orgasmus.
Heiliger Strohsack. Nash glitt aus Kelly heraus, und als ihm bewusst wurde, was sie gerade getan hatten – und vor allem wo – begann das Blut in seinen Adern zu pochen, in seinen Schläfen genauso wie im Rest seines Körpers. Sie hatten miteinander geschlafen, in Richards Kanzlei, bei unverschlossener Tür. Es hätte jederzeit jemand hereinplatzen können.
Sie hatte weiß Gott etwas Besseres verdient. Er wandte sich ab, und sie schwiegen, während sie sich hastig wieder anzogen. Was gab es da auch zu sagen? Als er vorhin hereingeschneit war, hatten sich die Gedanken in seinem Kopf förmlich überschlagen, und Minuten später hatte er sich vollkommen in Kelly verloren.
Die Tatsache, dass es genau das gewesen war, was er gebraucht hatte, machte es auch nicht besser. Er drehte sich zu ihr um. Kellys Gesicht und Dekolleté waren gerötet, aber sie lächelte zufrieden, während sie sich die Bluse zuknöpfte. Nun, vielleicht war das, was sie getan hatten, ja doch nicht so schrecklich verwerflich, dachte er mit einem schiefen Grinsen.
Er wollte gerade etwas sagen, da gab sein BlackBerry einen Piepston von sich. Er zog es verärgert aus der Tasche, um es auszuschalten, doch als sein Blick das blinkende Display streifte, stöhnte er auf.
Er drückte eine Taste und legte das Gerät achtlos auf den Schreibtisch.
Auf dem sie gerade …
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Kelly, die inzwischen wieder voll angezogen war, deren glühende Wangen, die zerzauste Frisur und der zerknitterte Rock jedoch Bände sprachen.
Und Nash gefiel, was er sah.
»Was gibt es denn da zu grinsen?«, wollte sie wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Welche Frage soll ich dir zuerst beantworten?«
»Das darfst du dir aussuchen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, was vielleicht ganz gut so war, denn durch den dünnen Seidenstoff der Bluse war deutlich zu erkennen, dass ihr BH feucht war.
»Okay, ich grinse, weil du aussiehst, als hättest du dich gerade auf einem Schreibtisch vögeln lassen … und dabei definitiv eine Menge Spaß gehabt.«
Sie riss die Augen auf.
»Und mein BlackBerry hat mich gerade daran erinnert, dass meine Mutter heute Geburtstag hat und ich um sieben bei ihr zum Essen eingeladen bin.«
Bei der Erwähnung seiner Adoptivmutter fiel ihm wieder ein, dass es noch mehr im Leben gab als Kelly und ihn.
»Seht ihr euch oft?«, erkundigte sich Kelly.
»Ein- oder zweimal die Woche sicher, aber gelegentlich laufen wir uns auch zufällig über den Weg.« Auf seine Weise liebte er Florence Rossman, aber seine Gefühle waren nach wie vor ambivalent – zu stark war die Loyalität, die ihn mit seinem jüngeren Bruder verband.
»Komm doch heute Abend mit«, schlug er ihr einer spontanen Eingebung folgend vor.
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn argwöhnisch und überrascht zugleich. »Warum?«
Er trat näher, so nahe, bis er die Wärme spüren konnte, die von ihr ausging. »Warum nicht?«, konterte er.
Wenn er den Drang verspürte, seiner Adoptivmutter eine Frau vorzustellen, dann würde er das tun.
Kelly biss sich auf die Unterlippe. »Wer kommt denn sonst noch?«
»Machen dich Menschenmassen etwa nervös?« Das passte so gar nicht zu seinem Bild von ihr.
»Nein, die Vorstellung, deine Mutter kennenzulernen macht mich nervös. Was ist, wenn sie mich nicht mag, weil ich nicht so bin wie Annie?«
»Sie wird dich toll finden«, versicherte er Kelly. »Und außerdem finde ich dich toll, und nur darauf kommt es schließlich an, oder?« Er reckte den Kopf nach vorn und fuhr mit der Zungenspitze über die Unterlippe, auf der sie immer noch herumkaute.
Kelly schauderte, wich aber nicht zurück. Das war nur einer von vielen Gründen, warum er sie so gern hatte. »Ist dir je in den Sinn gekommen, dass ich dich gerade deshalb mag, weil du so ganz anders bist als meine Ex?«
»Das musst du mir erklären.«
»Du bist direkt, du bist forsch, und du setzt dich für die Menschen ein, die dir wichtig sind.« Sie wussten beide, dass er damit Tess meinte.
Kelly konnte allerdings nicht ahnen, dass Nash plötzlich den Wunsch verspürte, ebenfalls zu dem erlesenen Kreis zu zählen, der ihre Loyalität genoss.
»Wie süß, danke«, sagte sie lächelnd.
Er verzog das Gesicht. »Süß gehört nicht zu den Adjektiven, die ein Mann gerne hört. Aber zurück zu dir. Du bist obendrein auch noch entwaffnend ehrlich – du hast zugegeben, dass du mit Tess überfordert warst, und du hast mir gesagt, warum du dich nicht mit mir einlassen willst. Und ich weiß diese Offenheit zu schätzen.« Mehr, als sie wusste oder verstehen konnte.
»Nash, ich …«
»Pst.« Er legte ihr den Zeigefinger auf den Mund. »Das Einzige, was ich jetzt aus deinem Mund hören will, ist, dass du kommen wirst.«
»Ach ja? Schon wieder?«, feixte sie und rieb sich an seiner Leibesmitte.
Er ächzte. »Doch nicht so, du kleine Hexe.« Er verpasste ihr einen Klaps auf den Hintern. »Ich möchte, dass du zu dem Geburtstagsessen kommst, Kelly. Es werden nur meine Mutter und ich da sein. Also, gib dir einen Ruck. Bitte.«
Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich, nur für den Fall, dass sie einen zusätzlichen Anreiz benötigte. »Bitte.«
»Also gut.«
»Danke.« Er grinste – und nicht deswegen, weil er sich durchgesetzt hatte, sondern weil das bedeutete, dass sie sich heute Abend wiedersehen würden. »Und, was machst du heute noch so?«
»Arbeiten, warum?«
»Naja, wenn du mich fragst, solltest du nach Hause gehen, ehe jemand hereinkommt und auf den ersten Blick erkennt, was wir hier getrieben haben.«
Sie stöhnte peinlich berührt auf, und der Laut verstärkte seine Vorfreude auf das, was sie nach dem Geburtstagsessen mit Florence erwartete, wenn sie wieder allein waren.