16. Kapitel
Im Wohnzimmer unten, wo das Licht durch die hauchdünnen Vorhänge gefiltert wurde und der Duft von Rosen in der Luft lag, stand Harper vor den großen Fenstertüren und hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Sie war völlig fertig«, sagte er mit dem Rücken zu den anderen. »Als ich in ihr Zimmer gekommen bin, ist sie zusammengebrochen, und selbst als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, war sie noch leichenblass.«
»Sie ist nicht verletzt worden.« Mitch hob die Hand, als Harper herumwirbelte. »Ich weiß, wie du dich fühlst. Wirklich. Aber sie ist nicht körperlich verletzt worden, und das ist am wichtigsten.«
»Dieses Mal«, fuhr Harper ihn an, »ist es aus dem Ruder gelaufen. Das Ganze ist völlig aus dem Ruder gelaufen.«
»Ein Grund mehr für uns, zusammenzuhalten und uns zuberuhigen.«
»Ich werde mich erst wieder beruhigen, wenn sie aus dem Haus ist.«
»Amelia oder Hayley?«, fragte Logan. »Beide.«
»Du weißt, dass sie für eine Weile bei uns wohnen kann. Und an deiner Stelle würde ich einen Koffer packen und sie aus dem Haus schleifen. Aber das hast du ja schon mal versucht, und da ist es grandios in die Hose gegangen. Wenn du meinst, dass sie jetzt auf dich hören wird, werde ich euch den Koffer hinterhertragen.«
»Keine Chance. Was zum Teufel ist denn nur los mit diesen Frauen?«
»Sie fühlen sich einander verbunden.« David warf ratlos die Hände in die Luft. »Selbst wenn Amelia tobt, fühlt sie sich immer noch mit ihr verbunden. Es mag richtig oder falsch sein, aber zwischen ihnen gibt es so eine Art Solidarität.«
»Und sie ist hier zu Hause«, fügte Mitch hinzu. »Genauso wie du und ich. Sie wird nicht einfach alles liegen und stehen lassen. Genauso wenig wie du oder ich oder ein anderer von uns.« Er sah die anderen an. »Und daher bringen wir die Sache zu Ende.« Harper ließ sich nicht von Logik, ja nicht einmal von der Wahrheit beruhigen. »Du hast sie hinterher nicht gesehen.«
»Nein, aber du hast es mir erzählt. Sie bedeutet mir sehr viel, Harper. Uns allen.«
»Alle für einen. Da bin ich sehr dafür.« Er sah zu den Fenstertüren. Seine Gedanken wanderten zu Hayley nach oben. »Aber sie ist diejenige, die in der Schusslinie steht.«
»Du hast völlig Recht.« Mitch beugte sich vor, um Harpers Aufmerksamkeit zu erringen. »Sehen wir uns an, was passiert ist. Hayley hat eine Geburt erlebt und den traumatischen Moment, in dem man Amelia gesagt hat, ihr Baby sei tot. Und sie hat das alles erlebt, während sie direkt neben Lily geschlafen hat. Aber Lily ist nicht aufgewacht. Das sagt uns doch, dass Amelia nicht die Absicht hat, dem Kind etwas anzutun. Wenn es anders wäre, würde Hayley doch sofort von hier verschwinden.«
»Das mag sein, aber um das zu bekommen, was sie will, wird Amelia sie auch weiterhin benutzen.«
»Richtig.« Mitch nickte. »Weil es funktioniert. Weil sie uns auf diese Art Informationen gibt, die wir ansonsten nie finden würden. Wir wissen jetzt nicht nur, dass man ihr das Kind weggenommen hat, sondern auch, dass man ihr gesagt hat, es sei tot. Es überrascht mich nicht, dass ihr ohnehin schon leicht gestörter Geist nach dieser Mitteilung vollends in der Umnachtung versunken ist.«
»Dann ist sie vermutlich hergekommen, um ihren Sohn zu holen«, mutmaßte Logan. »Und hier gestorben.«
»Aber das Kind ist auch tot. Genauso tot wie sie.« Harper ließ sich in einen Sessel fallen. »Hier wird sie ihn jedenfalls nicht finden.«
Oben wachte Hayley aus einem unruhigen Schlaf auf. Die Vorhänge waren zugezogen, sodass bis auf einen schmalen Spalt kein Licht hereinfiel. Und in dieser schmalen Säule aus Licht saß Roz und las ein Buch. »Lily.« Roz legte ihr Buch weg und stand auf. »Stella ist mit ihr und den Jungs in den anderen Flügel hinübergegangen, damit du ein wenig Ruhe hast. Wie fühlst du dich?«
»Müde. Und es tut immer noch weh.« Sie seufzte, als Roz sich aufs Bett setzte und ihr übers Haar strich. »Die Schmerzen waren schlimmer als bei Lilys Geburt. Und es hat viel länger gedauert. Ich weiß, dass es nur Minuten gewesen sein können, aber für mich hat es Stunden gedauert. Stundenlang diese Schmerzen und diese Hitze. Und ganz zum Schluss dann dieses Gefühl der Benommenheit. Sie haben ihr was gegeben, das ihr das Gefühl vermittelt hat, davonzuschweben.«
»Das war vermutlich Laudanum.«
»Ich habe das Baby schreien gehört.« Hayley legte sich auf die Seite und hob den Kopf, um Roz im Blickfeld zu haben. »Du weißt doch, wie das ist. Egal, wie schlimm die Schmerzen auch gewesen sind, wenn man sein Kind zum ersten Mal schreien hört, ist das alles vergessen.«
»Es war ihr Kind.« Roz nahm Hayleys Hand.
»Nicht deins.«
»Ich weiß, aber für einen Moment war es auch meins. Und diese grenzenlose Trauer, diese ungläubigen Zweifel, als der Arzt gesagt hat, es sei tot, das habe ich auch empfunden.«
»Ich habe noch kein Kind verloren«, murmelte Roz. »Und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie weh das tut.«
»Sie haben sie angelogen, Roz. Wahrscheinlich hat er sie dafür bezahlt. Sie haben gelogen, aber Amelia hat es gewusst. Sie hat das Baby weinen hören und es gewusst. Es hat sie in den Wahnsinn getrieben.« Roz zog Hayleys Kopf auf ihren Schoß. Und dann starrten sie schweigend auf die schmale Säule aus Licht, die durch die Vorhänge hereindrang. »Das hatte sie nicht verdient«, murmelte Hayley. »Nein, das hatte sie nicht verdient.«
»Wer auch immer sie gewesen ist, egal, was sie getan hat, sie hatte es nicht verdient, so hintergangen zu werden. Sie hat das Kind geliebt, aber ...«
»Was aber?«
»Es war nicht richtig, wie sie es geliebt hat. Es war nicht normal. Sie wäre keine gute Mutter gewesen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe etwas gespürt ...«
Besessenheit, dachte sie, Hunger. Und so viel davon, dass man es gar nicht beschreiben konnte. »Es musste ein Junge werden. Ein Mädchen hätte ihr nichts bedeutet. Ein Mädchen wäre nicht nur eine Enttäuschung, sondern eine Beleidigung gewesen. Und wenn sie den Jungen behalten hätte, hätte sie ihn völlig verkorkst. Nicht mit Absicht, aber er wäre nicht der Mann geworden, der er war. Nicht der Mann, der seinen Hund so geliebt hat, dass er ihn im Garten begraben hat. Nicht der Mann, der deine Großmutter geliebt hat. Und hier wäre es auch nicht so, wie es jetzt ist.«
Sie drehte den Kopf, damit sie Roz ansehen konnte. »Du, Harper. Alles wäre anders. Aber das ist keine Entschuldigung für das, was passiert ist.«
»Wäre es nicht schön, wenn alles auf der Welt gerecht wäre? Wenn das Gute belohnt und das Böse bestraft werden würde? Dann wäre alles viel einfacher.« Hayley musste lächeln. »Dann wäre Justin Terrell, der mich in der zehnten Klasse mit meiner besten Freundin betrogen hat, jetzt fett und glatzköpfig und würde die Leute fragen, ob sie Pommes frites zu ihrem Burger möchten, anstatt Partner einer glänzend laufenden Kneipe zu sein und eine frappierende Ähnlichkeit mit Toby McGuire zu haben.«
»Wie das Leben so spielt.«
»Andererseits würde ich dann in die Hölle kommen, weil ich Lilys biologischem Vater nichts von ihr erzählt habe.«
»Deine Motive waren lauter.«
»Na ja, jedenfalls die meisten. Ich glaube, zu tun, was das Beste ist, ist nicht automatisch auch das Richtige. Es war das Beste für das Baby, hier aufzuwachsen, hier in Harper House.«
»Das ist nicht das Gleiche, Hayley. In diesem Fall hatte so gut wie niemand lautere Motive. Lügen und Betrug, kalte Grausamkeit und Egoismus. Mich schaudert, wenn ich daran denke, was aus diesem Kind geworden wäre, wenn es ein Mädchen gewesen wäre. Geht es dir jetzt besser?«
»Viel besser.«
»Was hältst du davon, wenn ich nach unten gehe und dir etwas zu essen mache? Ich bringe es dir auf einem Tablett, dann kannst du hier essen.«
»Ich gehe nach unten. Ich weiß, dass Mitch das alles aufnehmen wird. Harper wird es ihm vermutlich schon gesagt haben, aber es ist besser, wenn ich es Mitch noch einmal selbst erzähle. Und ich glaube, es wird mir besser gehen, wenn ich es hinter mir habe.«
»Wenn du meinst.« Hayley nickte und setzte sich auf. »Danke, dass du dich zu mir gesetzt hast. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass du da warst, während ich geschlafen habe.« Sie warf einen Blick in den Spiegel und verzog das Gesicht. »Aber zuerst werde ich mich schminken. Es mag ja sein, dass ich von einem Geist besessen bin, aber deshalb muss ich noch lange nicht wie einer aussehen.«
»So gefällst du mir. Ich sage Stella, dass du aufgestanden bist.«
Hayley dachte, dass sie Roz noch einen Gefallen schuldete, als ihr klar wurde, dass nur sie selbst und Mitch in der Bibliothek sitzen würden, um ihr Erlebnis vom Nachmittag zu dokumentieren. Es fiel ihr leichter, allein mit ihm zu reden. Er wirkte so klug und gelehrt, und attraktiv war er auch noch. Wie Harrison Ford mit einer Hornbrille. Nachdem sie ihre Müdigkeit und den Schock mit ein wenig Schlaf und Roz liebevoller Fürsorge bekämpft hatte, fühlte sie sich entschieden besser. Sie liebte diesen Raum. Die vielen Bücher mit den vielen Geschichten. Vor den Fenstern der Garten, drinnen große, gemütliche Sessel. Als sie noch nicht lange in Harper House gewohnt hatte, war sie manchmal nachts auf Zehenspitzen hier heruntergeschlichen, nur um in diesem Raum - ihrem Lieblingsraum - zu sitzen und wie ein kleines Kind zu staunen. Und sie fand es gut, wie Mitch das Projekt Amelia anging. Mit seinen Pinnwänden, seinem Computer, seinen Akten und Notizen gelang es ihm, das Ganze rational und nüchtern wirken zu lassen.
Sie starrte die Pinnwand an, an der Harpers Stammbaum hing.
»Wenn das alles vorbei ist, könntest du dann einen Stammbaum für mich machen?«
»Hm?«
»Tut mir Leid. Ist mir nur gerade eingefallen.«
»Schon okay. Dir geht ja zurzeit so vieles im Kopf herum.« Er legte sein Notizbuch weg und widmete ihr seine volle Aufmerksamkeit. »Natürlich mache ich einen für dich. Du gibst mir alles, was du von deiner Familie weißt - den vollen Namen deines Vaters, Geburtsdatum, Geburtsort, und die Daten deiner Mutter, und schon kann's losgehen.«
»Ich hätte so gern einen Stammbaum, das wäre interessant. Harper und ich sind über mehrere Ecken miteinander verwandt. Ist er sehr wütend auf mich?«
»Nein. Warum sollte er wütend auf dich sein?«
»Er hat sich fürchterlich aufgeregt. Er wollte mich und Lily sofort ins Auto setzen und uns zu Stella und Logan fahren. Aber ich wollte nicht gehen. Ich kann einfach nicht.« Mitch kritzelte auf einem Block herum. »Wenn ich Roz vor ein paar Monaten aus diesem Haus bekommen hätte, hätte ich es sofort getan - selbst wenn ich dafür Dynamit gebraucht hätte.«
»Habt ihr euch deshalb gestritten?«
»Eigentlich nicht.« Er schmunzelte. »Aber schließlich bin ich älter als Harper und weiß, wann ich im Umgang mit störrischen Frauen besser den Mund halte.«
»Habe ich Unrecht?«
»Es steht mir nicht an, diese Frage zu beantworten.«
»Wenn ich dich darum bitte, schon.«
»Gefangen zwischen Eis und Feuer.« Er lehnte sich zurück und nahm seine Brille ab. »Ich weiß genau, wie Harper sich jetzt fühlt und warum, und ich kann ihm keinen Vorwurf daraus machen. Ich respektiere, wie du fühlst und warum, und dir kann ich genauso wenig einen Vorwurf daraus machen. Beantwortet das deine Frage?« Sie brachte ein ironisches Lächeln zustande.
»Sehr geschickt - und nein, das beantwortet meine Frage nicht.«
»Ein weiterer Vorteil davon, ein alter weiser Mann zu sein. Aber als überbesorgter Mann werde ich jetzt noch etwas hinzufügen. Ich glaube nicht, dass du längere Zeit allein sein solltest.«
»Da trifft es sich ja gut, dass ich gern unter Menschen bin.« Als sein Mobiltelefon klingelte, stand sie auf. »Nimm es ruhig an. Ich geh dann.« Da sie Harper draußen im Garten gesehen hatte, verließ sie das Haus durch die Hintertür. Sie hoffte, dass Stella nichts dagegen hatte, noch eine Weile auf Lily aufzupassen, und ging den schmalen Pfad entlang in den Teil des Gartens, in dem die Schnittblumen wuchsen. Der Sommer hatte noch alles in seinem verschwitzten Griff, aber die Hitze tat ihr gut. Sie war so echt.
Hayley wollte die Realität genießen, wann immer sie sich ihr bot. Die riesigen blauen Kugeln der Hortensien hingen schwer über den Blättern der Büsche, die Taglilien reckten sich elegant in die Höhe, und auf den Ranken der Passionsblumen leuchteten die lilafarbenen Blüten. Blumenduft und Vogelgesang lagen in der schwülheißen Luft, und überall flatterten Schmetterlinge umher.
Als sie um die Kurve im Pfad bog, sah sie Harper. Er stand breitbeinig und leicht vornübergebeugt da, während seine geschickten Finger die welken Blüten abzupften und sie dann in einen kleinen Beutel an seinem Gürtel fallen ließen.
Zu seinen Füßen lag ein flacher Weidenkorb, der bereits mit Gänseblümchen, Löwenmäulchen, Rittersporn und Kosmeen gefüllt war.
Es sah so unglaublich romantisch aus - der Mann, der Abend, das Meer von Blumen -, dass ihr das Herz überging und ein dicker Kloß in ihrer Kehle entstand. Ein bunter Kolibri schoss über Harpers Kopf hinweg und verharrte dann in der Luft über einer fedrigen, tiefroten Blüte der Indianernessel, um zu trinken. Hayley sah, wie Harper erstarrte, mit der einen Hand auf einem Stängel und der anderen auf einem Fruchtstand. Und wünschte, sie könnte malen. Die bunten Farben des Spätsommers, so lebendig und frisch, und der Mann dazwischen, der so geduldig war und seine Arbeit unterbrach, um eine Blüte mit einem Vogel zu teilen. Liebe durchfloss sie wie ein heißer Strom. Der Kolibri flog davon, ein kleiner grellbunter Edelstein. Harper sah dem Vogel nach, während sie den Mann beobachtete. »Harper.«
»Die Kolibris gehen gern an die Indianernesseln«, sagte er, während er zu seiner Schere griff und ein paar Blüten abschnitt. »Aber es ist genug für uns alle da. Sie breitet sich sehr gut aus.«
»Harper«, sagte sie noch einmal, während sie zu ihm ging, von hinten die Arme um ihn schlang und ihre Wange auf seinen Rücken legte. »Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, und ich mache dir auch keinen Vorwurf deshalb. Aber sei mir bitte nicht böse.«
»Ich bin nicht böse auf dich. Ich bin hergekommen, um mich ein bisschen abzuregen. Normalerweise funktioniert das ganz gut. Inzwischen bin ich nur noch leicht verärgert und besorgt.«
»Und ich bin eigentlich hergekommen, um mit dir zu streiten.«
Hayley rieb ihre Wange an seinem Hemd. Sie roch Seife und Schweiß, was beides sehr männlich wirkte. »Dann habe ich dich gesehen und jetzt will ich mich nicht mehr streiten. Ich kann nicht tun, was du von mir verlangst, wenn alles in mir nein schreit. Selbst wenn es falsch ist, ich kann einfach nicht.«
»Dann bleibt mir nichts anderes übrig.« Er schnitt noch ein paar Blumen für den Korb und zupfte bei anderen die welken Blüten ab. »Und du hast keinerlei Mitspracherecht dabei. Ich ziehe bei dir ein. Mir wäre es lieber, wenn du und Lily zu mir ziehen würdet, aber es ist wohl besser, wenn ich vorübergehend in dein Zimmer ziehe, da ihr zu zweit und ich allein bin. Wenn diese Sache vorbei ist, überdenken wir das Ganze noch einmal.«
»Überdenken.«
»Genau.« Er hatte sie die ganze Zeit über noch nicht richtig angesehen, und jetzt entfernte er sich einige Schritte von ihr, um noch mehr Blumen abzuschneiden. »Es fällt mir schwer, unter diesen Umständen zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, wie das mit uns weitergehen soll.«
»Also hast du dir gedacht, dass wir unter diesen Umständen erst einmal zusammenleben, und wenn es die Umstände nicht mehr gibt, sehen wir uns das Ganze noch einmal an.«
»Genau.« Vielleicht sollte sie doch mit ihm streiten. »Hättest du mich nicht fragen können?«
»Klar. Aber ich habe dich nicht gefragt. Im Gartencenter arbeitest du die ganze Zeit mit jemandem zusammen, mit Stella, Mutter oder mir. Nie allein.«
»Wer hat dich denn so plötzlich zu meinem Boss gemacht?« Er arbeitete einfach weiter und ignorierte sie völlig. »Einer von uns wird dich hinfahren und wieder abholen.«
»Soll das etwa heißen, dass jedes Mal, wenn ich zur Toilette muss, einer von euch mitkommt?«
»Wenn es sein muss. Wenn du bleiben willst, sind das die Bedingungen dafür.« Der Kolibri kam zurück, doch dieses Mal hatte sie kein Auge für seine Schönheit. »Bedingungen? Harper Ashby, jetzt hör mir mal gut zu ...«
»Nein. So wird es gemacht. Du hast dir in den Kopf gesetzt zu bleiben und die Sache durchzuziehen. Und ich habe mir in den Kopf gesetzt, auf dich aufzupassen. Ich liebe dich, und damit ist die Sache erledigt.« Sie machte den Mund auf und klappte ihn sofort wieder zu. Dann atmete sie tief durch. »Wenn du das mit dem >Ichliebe dich< ganz am Anfang gesagt hättest, wäre ich erheblich offener für eine Diskussion gewesen.«
»Es gibt keine Diskussion.« Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Wenn er doch nur endlich aufhören würde zu arbeiten und sie ansehen würde. »Wenn du es drauf anlegst, kannst du ein solcher Dickschädel sein.«
»Ich musste mir nicht viel Mühe geben.« Er bückte sich, nahm die Blumen im Korb und arrangierte sie zu einem lockeren Strauß. Dann drehte er sich um und seine schmalen braunen Augen sahen sie an. »Hier.« Sie nahm den Strauß und runzelte die Stirn. »Sind die für mich?« Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Für wen sonst?« Sie seufzte. Der Strauß enthielt Ziertabak, und als sie di Nase in die Blumen steckte, sog sie den betörenden Duft davon ein.
»Es ist zum Verzweifeln mit dir: Wie kannst du nur in einem Moment so unglaublich aggressiv sein und im nächsten dann wieder so süß. Sie sind wirklich schön.«
»Du auch.«
»Weißt du, ein anderer Mann hätte mit den Blumen, den Komplimenten und dem >Ich liebe dich< angefangen, um mich weich zu kochen. Aber du rollst die Sache von hinten auf.« Harper zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Es ging mir nicht darum, dich weich zu kochen.«
»Das hab ich schon verstanden. Du wartest nicht darauf, dass ich sage, in Ordnung, Harper, wir machen alles so, wie du das willst. Du sorgst einfach dafür, dass ich es tue.«
»Kluges Köpfchen.« Hayley musste lachen. Sie hielt den Strauß mit einer Hand fest und schlang die Arme um seinen Hals. »Falls es dich interessiert - ich bin froh, dass du zu mir ziehst. Wenn es mir das nächste Mal kalt über den Rücken läuft, wäre es mir lieber, wenn du da bist.«
»Ich werde da sein.«
»Wenn du noch eine Weile hier draußen arbeiten willst ...«
Sie brach ab, als Logan den Pfad entlangkam. »Tut mir Leid, wenn ich störe, aber es ist etwas passiert«, sagte er. »Ihr kommt besser wieder ins Haus.«
Hayley spürte die Aufregung wie ein Summen in der Luft, als sie wieder in die Bibliothek ging. Auf dem Boden vor dem Kamin, den David in den Sommermonaten immer mit Blumen füllte, spielte Lily mit Gavin und Luke. Als Lily ihre Mutter sah, fing sie an zu plappern und kam mit einem großen Kipper aus Plastik in der Hand auf sie zu. Doch in dem Moment, in dem Hayley sie hochheben wollte, streckte sie schon die Arme nach Harper aus. »Wenn du in der Nähe bist, bin ich wie immer zweite Wahl«, meinte Hayley, als sie ihm ihre Tochter reichte. »Sie hat sofort begriffen, dass ich mich mit Fisher-Price auskenne. Okay, ich hab sie«, fügte er hinzu. »Was ist los?«, fragte er dann an seine Mutter gerichtet.
»Ich überlasse es Mitch, das zu erklären. Ah, David, was wären wir nur ohne dich.« David rollte einen Servierwagen mit kalten Getränken und kleinen Snacks für die Kinder herein. »Leib und Seele muss man zusammenhalten.« Er blinzelte den Jungs zu. »Vor allem in diesem Haus.«
»Nehmt euch, was ihr möchtet«, befahl Roz. »Und dann sollten wir anfangen.«
Der Wein sah zwar verlockend aus, aber Hayley entschied sich für den Eistee.
Ihr Magen war immer noch nicht ganz in Ordnung. »Danke, dass du auf Lily aufgepasst hast«, sagte sie an Stella gewandt. »Du weißt doch, dass ich das gern tue. Es wundert mich nur immer wieder, wie schön die Jungs mit ihr spielen.« Stella strich ihr über den Arm. »Wie fühlst du dich?«
»Ich bin noch ein bisschen durcheinander, aber es geht schon wieder. Weißt du, was los ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Setz dich. Du siehst müde aus.« Stella hockte sich auf die Armlehne des Sessels, weil sie sich Sorgen darüber machte, wie blass Hayley war. »Wie lange willst du uns denn noch auf die Folter spannen?«, beschwerte sich Logan, woraufhin sich Mitch vor den Tisch in der Bibliothek stellte. Wie ein Lehrer, dachte Hayley. Manchmal vergaß sie doch tatsächlich, dass er Lehrer gewesen war. »Ihr wisst alle, dass ich jetzt schon seit Monaten in Kontakt stehe mit einer Nachfahrin der Haushälterin, die hier zur Zeit von Reginald und Beatrice Harper gearbeitet hat.«
»Die Anwältin in Boston«, sagte Harper, während er sich mit Lily und dem Laster auf den Boden setzte.
Mitch nickte. »Ich habe ihr Interesse geweckt, und je mehr sie nach Informationen gesucht hat, mit je mehr Leuten sie gesprochen hat, desto mehr Mühe hat sie sich gegeben.«
»Außerdem hat Mitch kostenlos einen Stammbaum für sie erstellt«, fügte Roz hinzu. »Eine Hand wäscht die andere«, sagte er. »Und ein paar von den Informationen sind ganz nützlich gewesen. Bis jetzt hat sie allerdings nicht viel finden können, was für uns wirklich von Interesse gewesen wäre. Aber heute ist sie auf eine Goldader gestoßen.«
»Mitch, ich platze gleich vor Neugier«, meinte Stella.
»Ein Brief, geschrieben von der Haushälterin, die ich bereits erwähnt habe. Roni - Veronica, mein Kontakt - hat auf dem Dachboden einer ihrer Großtanten einen Karton mit Briefen gefunden. Es wird eine ganze Weile dauern, bis das Material gesichtet und gelesen ist. Aber heute ist sie auf einen Brief gestoßen, den Mary Havers an eine Cousine geschrieben hat. Und das Datum des Briefs ist der 12. Januar 1893.«
»Ein paar Monate, nachdem das Baby geboren wurde«, fügte Hayley hinzu. »Genau. In dem Brief geht es vor allem um Familienangelegenheiten, oder besser gesagt, um jene beiläufig gemachten Beobachtungen, die bei einem Schriftstück dieser Art üblich waren vor allem in einer Zeit, in der die Leute noch per Brief miteinander korrespondiert haben. Aber in dem Brief stand noch etwas ...« Er hielt einige Blatt Papier hoch. »Veronica hat mir eine Kopie davon gefaxt. Ich werde euch die entsprechenden Absätze daraus vorlesen.«
»Mom!«, jammerte Luke. »Gavin hat mir die Zunge rausgestreckt.«
»Gavin, nicht jetzt. Tut mir Leid«, entschuldigte sich Stella. Sie holte tief Luft, fest entschlossen, den im Flüsterton hinter ihrem Rücken geführten Streit zu ignorieren. »Mach weiter.«
»Einen Moment bitte.« Logan stand auf, ging zu den Jungs und wechselte ein paar Worte mit ihnen.
Die beiden nickten begeistert und sprangen auf. »Wir nehmen Lily mit nach draußen«, verkündete Gavin mit stolz geschwellter Brust. »Komm, Lily. Wir gehen spielen.« Lily drückte den Laster an sich, winkte den anderen zum Abschied zu und nahm Gavins Hand. Logan machte die Tür hinter ihnen zu. »Wir gehen nachher in die Eisdiele«, sagte er zu Stella, während er an seinen Platz zurückging. »Du hast sie bestochen. Großartige Idee. Entschuldigung, Mitch.«
»Keine Ursache. Der Brief wurde an Mary Havers Cousine Lucille geschrieben.«
Mitch lehnte sich an den Tisch, rückte seine Brille zurecht und begann zu lesen. »>Ich sollte dir das eigentlich gar nicht schreiben, aber ich mache mir solche Sorgen. Im letzten Sommer hatte ich dir ja geschrieben, dass die Herrin einen Jungen geboren hat. Master Reginald ist so ein hübsches, liebes Kind. Das Kindermädchen, das Mister Harper eingestellt hat, ist sehr tüchtig und dem Kleinen von Herzen zugetan. Meines Wissens nach hat die Herrin das Kinderzimmer noch kein einziges Mal betreten. Das Kindermädchen ist Mister Harper unterstellt und hat mit der Herrin rein gar nichts zu schaffen. Unter uns gesagt, Alice, das Kindermädchen, klatscht gern, wie junge Mädchen eben so sind. Mehr als einmal habe ich sie davon reden hören, dass die Herrin das Kind noch nie besucht hat, dass sie es noch nie auf den Arm genommen hat, sich noch nie nach seinem Wohlergehen erkundigt hat.<«
»Was für ein kaltherziges Rabenaas«, sagte Roz leise. »Ich bin froh, dass sie nicht zu unseren Vorfahren gehört. Ich bin lieber verrückt als grausam.« Dann hob sie die Hand.
»Tut mir Leid, Mitch. Ich hätte dich nicht unterbrechen sollen.«
»Schon in Ordnung. Ich habe diesen Absatz jetzt schon mehrmals gelesen und neige dazu, dir zuzustimmen. Mary Havers schreibt weiter«, sagte er. »>Es steht mir natürlich nicht an, die Herrin zu kritisieren. Aber es kommt mir doch sehr unnatürlich vor, wenn eine Mutter keinerlei Interesse an ihrem Kind zeigt, vor allem nicht an dem Sohn, der in diesem Hause so sehnsüchtig erwartet wurde. Man kann von der Herrin nicht behaupten, dass sie eine ausgesprochen warmherzige Frau oder sehr mütterlich veranlagt wäre, aber um die Mädchen kümmert sie sich doch etwas mehr. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Kindermädchen und Gouvernanten in den letzten Jahren gekommen und gegangen sind. Mrs Harper ist da sehr eigen. Und doch hat sie Alice bis jetzt noch kein einziges Mal Anweisungen gegeben, wie sie sich gegenüber Master Reginald zu verhalten habe. Liebste Lucy, wir wissen zwar beide, dass die Herrschaften sich nur wenig für die Haushaltsführung interessieren - es sei denn, sie hätten unter Unannehmlichkeiten zu leiden -, aber ich habe die Befürchtung, dass es bei dieser Angelegenheit nicht mit rechten Dingen zugeht, und ich muss einfach jemandem von meinen Befürchtungen erzählen ...<«
»Sie hat gewusst, dass in dem Haus etwas nicht stimmte«, unterbrach ihn Hayley. »Tut mir Leid«, sagte sie entschuldigend. »Aber man hört es förmlich, auch zwischen den Zeilen.«
»Außerdem hat sie das Kind gern.« Stella spielte mit ihrem Weinglas. »Sie macht sich Sorgen um ihn. Auch das hört man. Lies weiter, Mitch.«
»Sie schreibt: >Ich habe dir zwar von der Geburt des Kindes berichtet, aber ich habe in meinen Briefen nicht erwähnt, dass es in den Monaten davor keine Anzeichen dafür gegeben hat, dass Mrs Harper in anderen Umständen gewesen ist. Ihr Tagesablauf, ihr Aussehen änderten sich nicht im Geringsten. Als Dienstboten kommen uns natürlich von Zeit zu Zeit vertrauliche Details über den Haushalt und dessen Angehörige zu Ohren. Das ist unvermeidbar. Für dieses Kind wurden keinerlei Vorkehrungen getroffen. Niemand redete über Kindermädchen oder die Säuglingsausstattung. Es gab kein Wochenbett für Mrs Harper, keine Besuche des Arztes. Eines Morgens war das Baby einfach da, ganz so, als wäre es tatsächlich vom Storch gebracht worden. Es gab zwar Gerede unter den Dienstboten, aber dem habe ich schnell ein Ende gemacht und so war auch wieder Ruhe, zumindest, wenn ich dabei war. Es steht uns nicht an, die Angelegenheiten der Herrschaften in Frage zu stellen. Aber, liebste Lucy, sie ist diesem Kind gegenüber so kalt, dass es mir das Herz bricht. Und daher habe ich mich gewundert. Es besteht kein Zweifel daran, wer der Vater des Jungen ist, da er Mister Harper wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Aber was die Mutter angeht, so habe ich doch meine Zweifel.<«
»Dann haben sie es also gewusst.«
Harper wandte sich an seine Mutter. »Diese Havers hat es gewusst und die anderen Dienstboten auch. Und sie haben nichts unternommen.«
»Was hätten sie denn tun sollen?«, fragte Hayley mit erstickter Stimme. »Das sind Dienstboten gewesen, Angestellte. Selbst wenn sie etwas gesagt hätten, wer hätte auf sie gehört? Man hätte sie entlassen und hinausgeworfen, aber das hätte auch nichts geändert.«
»Du hast Recht.« Mitch trank einen Schluck Mineralwasser.
»Es hätte nichts geändert. Und es hat auch nichts geändert. Sie hat noch mehr geschrieben.« Er stellte sein Glas ab und nahm sich die nächste Seite vor. »>Heute Morgen kam eine Frau nach Harper House. Sie war so bleich und so dünn, und in ihren Augen stand tiefe Verzweiflung und noch etwas anderes, das mich an Wahnsinn denken ließ. Danby ...<. Das war damals der Butler.
>Danby dachte, sie würde Arbeit suchen, aber sie ist durch die Vordertür ins Haus gerannt. Sie hatte so etwas Wildes an sich. Und dann sagte sie, sie wolle das Baby holen, ihr Baby. Ihren Sohn, den sie James nannte. Sie sagte, sie würde ihn weinen hören. Selbst wenn das Kind geweint hätte, hätte man es in der Halle unten nicht hören können, da das Kinderzimmer ganz oben unterm Dach liegt. Doch ich konnte sie nicht zum Gehen bewegen, und plötzlich rannte sie die Treppe hinauf und rief nach ihrem Sohn. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, aber plötzlich erschien die Herrin und befahl mir, die Frau in ihren Salon zu bringen. Das arme Ding hat von Kopf bis Fuß gezittert, als ich es hineingeführt habe. Die Herrin wollte mir nicht erlauben, Tee zu servieren. Und was ich dann getan habe, hätte ich niemals tun dürfen, und es war auch das erste Mal in all den Jahren, in denen ich dort gearbeitet habe. Ich habe an der Tür gelauscht.<«
»Dann ist sie also tatsächlich hierher gekommen.« In Stellas Stimme schwang Mitleid mit, als sie Hayley eine Hand auf die Schulter legte. »Sie wollte ihr Baby holen. Arme Amelia.«
»>Ich habe all die grausamen Dinge gehört, die die Herrin zu dieser bedauernswerten Frau gesagt hat<«, las Mitch weiter. »>Ich habe gehört, wie kalt sie über das Kind gesprochen hat. Meine liebste Lucy, sie hat gesagt, sie wünschte, das Kind wäre tot, sie wünschte, der Junge und diese verzweifelte Frau wären beide tot, noch während sie, die sich Amelia Connor nannte, darum flehte, ihr doch ihr Kind zurückzugeben. Man hat es ihr verweigert. Man hat sie bedroht. Man hat sie aus dem Haus geworfen. Jetzt weiß ich, dass der Herr dieses Kind, diesen Sohn, den er sich so sehr gewünscht hatte, mit dieser armen Frau, seiner Mätresse, gezeugt und ihr das Baby weggenommen hat, um es seiner Frau unterzuschieben, um den Jungen hier als seinen Erben großzuziehen. Ich habe gehört, dass dem Arzt und der Hebamme, die der Frau bei der Geburt beigestanden haben, befohlen wurde, ihr zu sagen, das Kind - ein Mädchen - sei tot geboren worden. Mister Harper ist ein Mann, der sowohl in seinen geschäftlichen als auch in seinen privaten Angelegenheiten als äußerst entschlossen gilt. Zwischen ihm und seiner Frau habe ich noch nie einen Funken der Zuneigung gesehen, was auch für seine Töchter gilt. Trotzdem hätte ich ihm eine derart grauenhafte Tat nicht zugetraut. Und ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass sich seine Frau in dieser Angelegenheit auf seine Seite schlägt. Miss Connor mit dem schlecht sitzenden grauen Kleid und dem wirren Blick wurde aus dem Haus geworfen, und man hat ihr mit der Polizei gedroht, falls sie noch einmal hier auftauchen oder jemals über das reden sollte, was im Salon gesagt worden war. Lucy, ich habe meine Pflicht getan und sie hinausbegleitet. Ich habe zugesehen, wie sie in ihrer Kutsche davongefahren ist. Und seither finde ich keine Ruhe mehr. Ich sollte versuchen, ihr zu helfen, aber was kann ich denn tun? Ist es nicht meine Christenpflicht, dieser Frau Hilfe anzubieten oder sie zumindest zu trösten? Und doch, die Pflicht gegenüber den Herrschaften, gegenüber jenen, die mir das Dach über meinem Kopf, das Essen für meine Mahlzeiten, das Geld für meinen Unterhalt geben, zwingt mich dazu, den Mund zu halten. Und mich meiner Stellung zu entsinnen. Ich werde darum beten, dass mir klar wird, was richtig und was falsch ist. Ich werde für diese junge Frau beten, die das Kind holen wollte, das sie geboren hatte, und abgewiesen wurde.<«
Mitch legte die Seiten weg. In der Bibliothek war es still. Hayley liefen Tränen über die Wangen. Als Mitch die letzte Seite des Briefs vorgelesen hatte, hatte sie den Kopf gesenkt. Doch jetzt sah sie auf und lächelte unter Tränen. »Aber ich bin zurückgekommen.«