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Das Lesen dieser Worte erfüllt mich mit Staunen und Ehrfurcht. Danke, daß du in dieser Weise hier bei mir bist. Danke, daß du hier bei uns allen bist. Denn Millionen haben diese Gespräche gelesen und weitere Millionen werden sie noch lesen. Und wir werden dadurch auf atemberaubende Weise beschenkt.
MEINE LIEBSTEN WESEN – ich war immer in euren Herzen. Ich bin nur glücklich, daß ihr mich jetzt tatsächlich dort fühlen könnt.
Ich war immer bei dir. Ich habe dich nie verlassen. Ich bin du, und du bist ich, und wir werden niemals getrennt sein, denn das ist nicht möglich.
Doch an manchen Tagen fühle ich mich so schrecklich allein.
In manchen Augenblicken habe ich das Gefühl, daß ich diesen Kampf ganz allein ausfechte.
DAS IST so, weil du mich verlassen hast, mein Kind. Du hast dein Gewahrsein von mir aufgegeben. Da, wo Bewußtheit von mir ist, kannst du nie allein sein.
Wie kann ich in meiner Bewußtheit, meinem Gewahrsein bleiben?
BRING DEIN GEWAHRSEIN anderen. Nicht durch Missionieren, sondern durch dein Beispiel. Sei die Quelle der Liebe – der Liebe, die ich im Leben aller anderen bin. Denn das, was du an deren gibst, gibst du dir selbst. Weil es nur einen von uns gibt.
Ich danke dir. Ja, du hast mich schon früher darauf hingewiesen. Sei die Quelle. Sei im Leben anderer die Quelle dessen, was du in dir selbst erfahren möchtest, so sagtest du.
JA. DAS IST das große Geheimnis. Das ist heilige Weisheit.
Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen. Alle eure Probleme, alle eure Konflikte, alle eure Schwierigkeiten beim Schaffen eines Lebens in Frieden und Freude auf eurem Planeten basieren darauf, daß ihr diese Anweisung nicht versteht und befolgt.
Es ist angekommen. Du hast es mal wieder so schlicht und klar ausgedrückt, daß es bei mir angekommen ist. Und ich werde versuchen, es nie wieder aus dem Auge zu verlieren.
DU KANNST NICHT verlieren, was du weggibst. Denk immer daran.
Danke. Darf ich nun noch ein paar weitere Fragen zur Seele stellen?
ICH MÖCHTE NOCH eine Bemerkung zu dem Leben, wie du es lebst, machen.
Bitte.
DU SAGTEST, DASS du in manchen Augenblicken das Gefühl hast, diesen Kampf ganz allein auszufechten.
Ja.
WELCHEN KAMPF?
Das ist nur so eine Redewendung.
DAS GLAUBE ICH nicht. Ich glaube, das war ein echter Hinweis darauf, wie du – und viele Menschen – in Wirklichkeit über das Leben denken.
In deinem Kopf herrscht die Vorstellung, daß das Leben ein »Kampf« ist, ein Ringen um die Existenz.
Nun, so erscheint es mir zuweilen.
VON NATUR AUS ist es nicht so, und so muß es auch nie erscheinen.
Vergib mir, aber das kann ich nur schwer glauben.
UND GENAU DESHALB ist es auch nicht deine Realität. Denn es wird das zur Wirklichkeit, was du deinem Glauben nach für real hältst. Doch ich sage dir: Dein Leben war nie als Kampf gedacht und muß dies weder jetzt noch jemals sein.
Ich habe dir das Handwerkszeug gegeben, mit dessen Hilfe du die großartigste Realität erschaffen kannst. Du hast dich allerdings dazu entschieden, es nicht zu benutzen. Oder genauer gesagt, du hast es mißbraucht.
Das Handwerkszeug, das ich hier meine, sind die drei Instrumente der Schöpfung. Wir haben im Verlauf unseres Dialogs viel darüber gesprochen. Weißt du, welche Instrumente das sind?
Gedanke, Wort und Tat.
GUT. DU HAST es dir gemerkt. Ich inspirierte Mildred Hinckley, eine meiner spirituellen Lehrerinnen, einmal zu dem Satz:
»Ihr werdet mit der schöpferischen Macht des Universums auf der Zungenspitze geboren.«
In dieser Aussage steckt Erstaunliches. Nicht anders als bei der Wahrheit, die von einem meiner anderen Lehrer stammt:
»Es soll geschehen, wie du geglaubt hast.« Beide Aussagen haben mit Gedanke und Wort zu tun.
Und ein anderer meiner Lehrer hatte folgendes über die Tat, das Handeln, zu sagen: »Der Anfang ist Gott. Das Ende ist Handlung. Handlung ist Gott, der erschafft – oder Gott, der erfahren wird.«
Das hast du in Band 1 gesagt.
BAND 1 WURDE von dir überbracht, mein Sohn, so wie alle großen Lehren durch mich inspiriert und von Menschen überbracht wurden. Diejenigen, die sich von solchen Inspirationen bewegen lassen und sie furchtlos der Öffentlichkeit übermitteln, sind meine größten Lehrer.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich dieser Kategorie zurechnen würde.
DIE WORTE, DIE zu übermitteln du inspiriert wurdest, haben Millionen erreicht. Millionen, mein Sohn.
Sie sind weltweit in vierundzwanzig Sprachen übersetzt worden. Wann würdest du jemandem den Status eines großen Lehrers zuerkennen?
Ich würde ihn an seinen Handlungen, nicht an seinen Worten messen.
IST EINE sehr weise Antwort.
Und meine Handlungen in diesem Leben sprechen nicht gerade für mich und berechtigen mich ganz bestimmt nicht dazu, ein Lehrer zu sein.
DAMIT HAST DU gerade die Hälfte aller je lebenden Lehrer ausgeklammert.
Was willst du damit sagen?
ICH SAGE DAS, was ich schon durch Judith Schucman in Ein Kurs in Wundern sagte: Du lehrst das, was du lernen mußt.
Glaubst du, daß du Vollkommenheit demonstrieren mußt, bevor du lehren kannst, wie man sie erreicht?
Und während du deinen Anteil an deinen sogenannten Fehlern gemacht hast …
… mehr als meinen Anteil …
… HAST DU AUCH großen Mut gezeigt, indem du dieses Gespräch mit mir vorangebracht hast.
Oder große Tollkühnheit.
WARUM BESTEHST DU darauf, dich derart niederzumachen? Ihr alle macht das! Jeder und jede einzelne von euch! Ihr leugnet eure eigene Größe, so wie ihr auch meine Existenz in euch leugnet.
Ich nicht! Das habe ich nie geleugnet!
WlE BITTE?
Na ja, nicht in letzter Zeit …
ICH SAGE DIR: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Mit jedem Gedanken, bei dem du dein Selbst kleiner machst, als es wirklich ist, verleugnest du mich.
Mit jedem Wort, mit dem du dein Selbst niedermachst, verleugnest du mich.
Jede durch dein Selbst fließende Handlung, die ein »Nicht gut genug«, irgendeinen Mangel oder eine Unzulänglichkeit ausagiert, ist eine Verleugnung.
Nicht nur in Gedanken, nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat.
Ich …
LASS NICHT zu, daß dein Leben jemals irgend etwas anderes darstellt als die großartigste Version deiner allergrößten Vision von Wer-du-wirklich-Bist.
Nun, was ist die größte Vision, die du je in bezug auf dein Selbst hattest? Ist es nicht die, daß du eines Tages ein großer Lehrer sein würdest?
Nun …
IST ES NICHT so?
Ja.
DANN SOLL ES so sein. Und so ist es. So lange, bis du es wieder einmal verleugnest.
Ich werde es nicht wieder verleugnen.
NEIN?
Nein.
BEWEISE ES.
Es beweisen?
BEWEISE ES.
Wie?
SAG JETZT: »ICH bin ein großer Lehrer.«
Äh …
MACH SCHON, SAG ES.
Ich bin … sieh mal, das Problem ist, daß das alles veröffentlicht werden wird. Ich bin mir bewußt, daß alles, was ich hier auf diesen Notizblock schreibe, irgendwo gedruckt erscheinen wird. Leute in Peoria, Illinois, werden es lesen.
PEORIA! HA! VERSUCH'S mal mit Beijing!
Okay, auch in China. Darauf will ich ja hinaus. Die Leute haben mich seit dem Erscheinen von Band 2 permanent nach Band 3 gefragt! Ich habe zu erklären versucht, warum es so lange dauert. Ich habe ihnen begreiflich zu machen versucht, wie es ist, wenn man einen solchen Dialog im Wissen führt, daß die ganze Welt zusieht, wartet. Das ist anders, als es bei Band 1 und 2 war. Diese Gespräche wurden im leeren Raum geführt. Ich wußte nicht einmal, daß Bücher daraus würden.
DOCH, DAS WUSSTEST du. Im Innersten deines Herzens wußtest du es.
Nun, mag sein, ich hoffte darauf. Aber jetzt weiß ich es, und jetzt ist es mit dem Schreiben etwas anderes.
WEIL DU JETZT weißt, daß jedermann jedes Wort lesen wird.
Ja. Und jetzt willst du, daß ich sage, ich sei ein großer Lehrer.
Das zu sagen fällt mir vor all diesen Leuten schwer.
DU MÖCHTEST, DASS ich dich bitte, daß du dich heimlich erklärst? Glaubst du, du würdest dir auf diese Weise irgendeine Vollmacht geben?
Ich bat dich, in aller Öffentlichkeit zu erklären, wer du bist, eben weil du hier in der Öffentlichkeit stehst. Es ging ja gerade darum, dich dazu zu bringen, es in aller Öffentlichkeit zu sagen.
Die öffentliche Erklärung ist die höchste Form der Vision.
Lebe die großartigste Version deiner allergrößten Vision von Wer-du-Bist. Fang an, sie zu leben, indem du dich erklärst.
Öffentlich.
Der erste Schritt zu Verwirklichung ist der, daß du sagst, daß es so ist.
Aber was ist mit Bescheidenheit und Anstand? Geziemt es sich, daß wir jedem, dem wir begegnen, unsere großartigste Vorstellung von uns selbst kundtun?
JEDER GROSSE MEISTER hat das getan.
Ja, aber nicht auf arrogante Weise.
WIE ARROGANT IST »Ich bin das Leben und der Weg«? Ist das arrogant genug für dich?
Du hast gesagt, du würdest mich nie wieder verleugnen, aber du hast die letzten zehn Minuten damit verbracht, dein Verleugnen zu rechtfertigen.
Ich verleugne nicht dich. Wir reden hier von meiner allergrößten Vision von mir.
ICH BIN DEINE allergrößte Vision von dir! Das ist es, was ich bin!
Wenn du den großartigsten Teil von dir verleugnest, verleugnest du mich. Und ich sage dir, noch vor Morgengrauen wirst du dies dreimal tun.
Es sei denn, ich tu' es nicht.
ES SEI DENN, du tust es nicht. Das ist richtig. Und nur du kannst das entscheiden. Nur du kannst die Wahl treffen.
Nun, kennst du irgendeinen großen Lehrer, der je insgeheim ein großer Lehrer war? Buddha, Jesus, Krishna – sie alle lehrten in der Öffentlichkeit, oder etwa nicht?
Ja. Aber es gibt auch große Lehrer, die nicht sehr bekannt sind.
Meine Mutter gehörte dazu. Das hast du selbst gesagt. Um ein großer Lehrer zu sein, muß man nicht unbedingt überall bekannt sein.
DEINE MUTTER WAR eine Vorbotin. Eine, die den Weg bereitet hat. Sie hat dich für den Weg vorbereitet, indem sie dir den Weg zeigte. Doch auch du bist ein Lehrer.
Und eine so gute Lehrerin deine Mutter auch war, so hat sie dir doch offensichtlich nicht beigebracht, dich selbst nie zu verleugnen. Doch das wirst du andere lehren.
Oh, das möchte ich so gerne! Das ist mein großer Wunsch!
»WÜNSCHE« ES NICHT. Was du »wünschst«, kannst du nicht haben. Du erklärst damit nur, daß du es »nicht hast«, und dabei wird es dann bleiben – du bleibst beim Wünschen.
In Ordnung. Okay! Ich wünsche es nicht, ich wähle es!
DAS IST BESSER. Sehr viel besser. Nun, was wählst du?
Ich wähle, andere zu lehren, sich nie zu verleugnen.
GUT, UND WAS sonst wählst du zu lehren?
Ich wähle, andere zu lehren, dich – Gott – nie zu verleugnen.
Denn dich verleugnen heißt sich selbst verleugnen, und sich selbst verleugnen heißt dich verleugnen.
GUT. UND WÄHLST du, dies beiläufig, fast »zufällig« zu lehren? Oder wählst du, es auf großartige Weise, in voller Absicht zu lehren?
Ich wähle, es in voller Absicht zu lehren. Auf großartige Weise.
So wie meine Mutter es getan hat. Meine Mutter lehrte mich, mein Selbst nie zu verleugnen. Sie lehrte es mich jeden Tag.
Sie ist die Person, die mich von allen am meisten ermutigt hat.
Sie lehrte mich, Vertrauen in mich und in dich zu haben. Ich sollte ein solcher Lehrer sein. Ich wähle, ein Lehrer all der großen Weisheiten zu sein, die mich meine Mom lehrte. Es waren nicht nur ihre Worte, sie machte aus ihrem ganzen Leben eine Lehre. Das ist es, was einen zu einem großartigen Lehrer macht.
DU HAST RECHT, deine Mutter war eine großartige Lehrerin.
Und du hast auch recht mit deiner umfassenderen Wahrheit.
Eine Person muß nicht weithin bekannt sein, um eine große Lehrerin oder ein großer Lehrer zu sein.
Ich habe dich »getestet«. Ich wollte sehen, welche Richtung du hier nehmen würdest.
Und habe ich die Richtung eingeschlagen, die ich »nehmen sollte«?
DU HAST DEN Weg genommen, den alle großen Lehrer nehmen, den Weg zu deiner eigenen Weisheit. Zu deiner eigenen Wahrheit. Das ist der Ort, an den du dich immer begeben mußt, denn es ist der Ort, von dem du ausgehen mußt, wenn du die Welt belehrst.
Ich weiß. Das weiß ich.
UND WAS IST deine eigene tiefste Wahrheit über Wer-du-Bist?
Ich bin …
… ein großer Lehrer.
Ein großer Lehrer der ewigen Wahrheit.
DA HAST DU es. Ruhig gesagt, sanft gesprochen. Da hast du es.
Du weißt in deinem Herzen, daß es wahr ist, und du hast nur deinem Herzen Ausdruck gegeben.
Du prahlst nicht, und niemand wird das als Prahlerei auffassen. Du gibst nicht an, und niemand wird das als Angeberei auffassen. Du trommelst dir nicht auf die Brust, sondern du öffnest dein Herz, und das ist ein großer Unterschied.
Jede Person weiß im Herzen, wer sie ist: Sie ist eine großartige Ballerina oder ein großartiger Rechtsanwalt oder eine großartige Schauspielerin oder ein großartiger Fußballer. Sie ist ein großartiger Polizist oder ein großartiger Verkäufer oder eine großartige Mutter oder eine großartige Architektin; sie ist eine großartige Dichterin oder eine großartige Führungsperson oder ein großartiger Baumeister oder eine großartige Heilerin. Und sie alle, jede und jeder, sind eine großartige Person.
Jede Person weiß im Herzen, wer sie ist. Und wenn sie ihr Herz öffnet, wenn sie ihren Herzenswunsch anderen mitteilt, wenn sie ihre im Herzen gefühlte Wahrheit lebt, erfüllt sie ihre Welt mit Großartigkeit.
Du bist ein großartiger Lehrer. Und woher, glaubst du, kommt diese Gabe?
Von dir.
WENN DU ALSO bekennst, daß du bist, wer du bist, tust du nur kund, wer ich bin. Erkläre mich immer zur Quelle, und niemand wird es kümmern, wenn du dazu stehst, daß du großartig bist.
Aber du hast mich immer zur Aussage gedrängt, daß ich selbst die Quelle bin.
DU BIST DIE Quelle – von allem, was ich bin. Der große Lehrer, mit dem du in deinem Leben am vertrautesten bist, sagte:
»Ich bin das Leben und der Weg.«
Er sagte auch: »Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater. Ohne den Vater bin ich nichts.«
Und er sagte auch: »Ich und der Vater sind eins.«
Verstehst du?
Es gibt nur einen von uns.
GENAU.
Was uns zur menschlichen Seele zurückbringt. Kann ich nun noch einige weitere Fragen dazu stellen?
FRAGE.
Okay. Wie viele Seelen gibt es?
EINE.
Ja, im umfassendsten Sinn. Wie viele »Individuationen« des Einen-der-alles-Ist gibt es?
HE, ICH MAG dieses Wort. Ich mag, wie du es gebraucht hast.
Die eine Energie, die alle Energie ist, »individuiert« sich in viele verschiedene Teile. Mir gefällt das.
Das freut mich. Also, wie viele Individuationen hast du geschaffen? Wie viele Seelen gibt es?
ICH KANN DAS nicht in für dich verständlichen Begriffen beantworten.
Versuch's mal. Handelt es sich um eine konstante Anzahl? Eine wechselnde Anzahl? Eine unendliche Zahl? Hast du seit der »ursprünglichen Gruppe« »neue Seelen« geschaffen?
JA, ES IST eine konstante Anzahl. Ja, es ist eine wechselnde Anzahl. Ja, es ist eine unendliche Zahl. Ja, ich habe neue Seelen geschaffen, und nein, das habe ich nicht.
Das verstehe ich nicht.
ICH WEISS.
So hilf mir.
HAST DU DAS wirklich gesagt?
Was gesagt?
»SO HILF MIR, Gott?«
Ah, clever. Okay, so hilf mir, Gott, daß ich es verstehe, und wenn es das letzte ist, was ich tu'.
DAS WERDE ICH. Du scheinst sehr entschlossen zu sein, also werde ich dir helfen – obwohl ich dich warnen muß. Es ist sehr schwer, das Unendliche aus einer endlichen Perspektive zu begreifen oder zu verstehen. Trotzdem werde ich dir einen Schubs geben.
Immer mit der Ruhe!
JA, IMMER MIT der Ruhe. Fangen wir damit an, daß deine Fragen die Existenz einer Realität implizieren, die man Zeit nennt. In Wahrheit gibt es diese Realität nicht. Es gibt nur einen einzigen Moment, und das ist der ewige Moment des Jetzt.
Alle Dinge, die je geschahen und je geschehen werden, geschehen jetzt, ereignen sich in diesem Moment. Nichts hat sich »davor« ereignet, weil es kein Davor gibt. Nichts wird »danach« geschehen, weil es kein Danach gibt. Es gibt immer nur das Jetzt.
In diesem Jetzt der Dinge verändere ich mich ständig. Von daher verändert sich immer die Art und Weise, in der ich mich »individuiere« (ich mag dein Wort!) in der Zahl, bleibt aber dennoch immer dieselbe. Ausgehend davon, daß es nur das Jetzt gibt, bleibt die Anzahl der Seelen immer konstant. Doch ausgehend davon, daß du in Begriffen von jetzt und dann denken möchtest, ist sie immer veränderlich. Wir sind schon auf diesen Punkt eingegangen, als wir über die Reinkarnation, die niedrigeren Lebensformen und die Art der »Rückkehr« der Seelen sprachen.
Da ich mich immer verändere, ist die Anzahl der Seelen unendlich. Doch an einem gegebenen »Punkt in der Zeit« scheint sie endlich zu sein.
Und ja, es gibt »neue Seelen« in dem Sinn, daß sie, nachdem sie zum höchsten Gewahrsein gelangt und sich mit der letzten Wirklichkeit vereint haben, freiwillig alles »vergessen« und wieder »von vorne anfangen«. Sie haben entschieden, sich an einen neuen Ort auf dem kosmischen Rad zu begeben, und manche haben die Wahl getroffen, wieder »junge Seelen« zu sein. Doch alle Seelen sind Teil der ursprünglichen Gruppe, da alle im einzigen Moment des Jetzt erschaffen werden (erschaffen wurden, künftig erschaffen werden).
Somit ist die Zahl endlich und unendlich, veränderlich und unveränderlich, je nachdem, wie man es betrachtet.
Wegen dieser Eigenschaft der letzten Wirklichkeit werde ich oft der Unbewegte Beweger genannt. Ich bin das, was sich immer bewegt und sich nie bewegt hat, was sich immer verändert und sich nie verändert hat.
Okay. Ich kapiere. Im Zusammenhang mit dir ist nichts absolut.
AUSSER DASS ALLES absolut ist.
Es sei denn, es ist es nicht.
RICHTIG. GENAU. Du kapierst es tatsächlich! Bravo.
Nun, die Wahrheit ist, daß ich glaube, dieses Zeug schon immer verstanden zu haben.
JA.
Außer wenn ich es nicht verstanden habe.
DAS IST RICHTIG.
Es sei denn, es ist es nicht.
GENAU.
Wer zuerst kommt.
NEIN, WAS ZUERST kommt. Das Wer kommt als zweites.
Tat! Also du bist Abbot, und ich bin Costello, und das ist alles nur ihre berühmte Varietenummer »Wer kommt zuerst« auf kosmischer Ebene.
AUSSER WENN ES das nicht ist. Es gibt Augenblicke und Ereignisse, die du vielleicht sehr ernst nehmen möchtest.
Es sei denn, ich will es nicht.
ES SEI DENN, du willst es nicht.
Um also wieder auf das Thema der Seelen zurückzukommen …
JUNGE, DAS IST ein großartiger Buchtitel … Das Thema der Seelen.
Vielleicht nehmen wir ihn.
MACHST DU WITZE? Das haben wir ja schon.
Es sei denn, wir haben es noch nicht.
DAS IST WAHR.
Es sei denn, das ist es nicht.
MAN WEISS NIE.
Außer wenn man es weiß.
SIEHST DU? Du kommst dahinter. Du erinnerst dich nun, wie es wirklich ist, und du hast Spaß dabei! Du kehrst nun zum »leichten, lichten Leben« zurück. Dir wird leichter, lichter.
Das ist mit Erleuchtung gemeint.
Cool.
SEHR COOL. WAS heißt, du bist heiß!
Ja. Das nennt man »im Widerspruch leben«. Darüber hast du viele Male gesprochen. Um nun auf das Thema der Seelen zurückzukommen: Was ist der Unterschied zwischen einer alten und einer jungen Seele?
EIN ENERGIEKÖRPER (DAS heißt ein Teil von mir) kann sich, je nach der Wahl, die er nach dem Erlangen des höchsten Gewahrseins trifft, als »jung« oder »alt« begreifen.
Manche Seelen entscheiden sich bei ihrer Rückkehr zum kosmischen Rad dafür, alte Seelen zu sein, andere dafür, jung zu sein.
Wenn die mit »Jungsein« bezeichnete Erfahrung nicht existierte, könnte auch die Erfahrung des »Altseins« nicht existieren. Also haben sich manche Seelen sozusagen freiwillig erboten, »jung« genannt, und manche dazu, »alt« genannt zu werden, damit sich die eine Seele, die in Wirklichkeit alles ist, was es gibt, zur Gänze erfahren und kennenlernen kann.
Ganz ähnlich haben sich aus dem gleichen Grund manche Seelen dazu entschieden, »gut« genannt, und manche dazu, »schlecht« genannt zu werden. Und deshalb wird keine Seele je bestraft. Denn warum sollte die eine Seele einen Teil ihrer selbst dafür bestrafen wollen, daß sie ein Stück des Ganzen ist?
Das wird alles in deinem Kinderbuch The Little Soul and The Sun wunderschön und so einfach erklärt, daß es sogar ein Kind verstehen kann.
Du kannst Dinge so wunderbar ausdrücken, schrecklich komplizierte Zusammenhänge so klar formulieren, daß sie sogar ein Kind verstehen kann.
DANKE.
Und hier kommt nun eine weitere Frage zu den Seelen. Gibt es so etwas wie »Seelenpartner«?
JA, ABER NICHT so, wie ihr denkt.
Was ist anders?
IHR HABT DEN Begriff des »Seelenpartners« dahingehend romantisiert, daß er nun »eure andere Hälfte« meint. In Wahrheit ist die menschliche Seele sehr viel größer, als ihr euch vorgestellt habt.
Mit anderen Worten, das, was ich Seele nenne, ist größer, als ich denke.
VIEL GRÖSSER. SIE ist nicht die Luft in einem einzigen Raum.
Sie ist die Luft in einem ganzen Haus. Und dieses Haus hat viele Zimmer. Die Seele ist nicht auf eine einzige Identität beschränkt. Sie ist nicht die Luft im Eßzimmer. Und sie spaltet sich auch nicht in zwei Individuen auf, die man Seelenpartner nennt. Sie ist nicht die Luft in der Verbindung von Wohn- und Eßzimmer.
Sie ist die Luft im ganzen Haus.
Und in meinem Reich gibt es viele Häuser. Und während immer dieselbe Luft um, in und durch jedes Haus strömt, mag sich die Luft der Zimmer in einem der Häuser »heimeliger« anfühlen. Du betrittst vielleicht diese Räume und sagst: »Hier drin fühlt es sich heimelig an.«
Damit du also verstehst – es gibt nur eine Seele. Doch was du die individuierte Seele nennst, ist riesig und schwebt über, in und durch Hunderte von physischen Formen.
Gleichzeitig?
SO ETWAS WIE die Zeit gibt es nicht. Ich kann darauf nur mit »Ja und Nein« antworten. Einige der von deiner Seele umhüllten physischen Formen »leben jetzt«, so wie du es verstehst. Andere individuieren sich in Formen, die jetzt in deinen Begriffen »tot« sind. Und manche umhüllten Formen leben in dem, was du die »Zukunft« nennen würdest. Es geschieht natürlich alles im jetzigen Moment. Doch eure Erfindung namens Zeit läßt euch die verwirklichte Erfahrung besser und umfassender wahrnehmen.
Also sind diese Hunderte von physischen Körpern, die meine Seele »umhüllt« hat – ein interessantes Wort, das du da gebraucht hast –, allesamt meine »Seelenpartner«?
JA, DAS KOMMT der Sache näher als eure Verwendung des Begriffs.
Und einige meiner Seelenpartner haben zuvor gelebt?
JA. SO WIE du es nennen würdest, ja.
Moment mal! Ich glaube, ich habe hier gerade etwas entdeckt!
Sind diese Teile von mir, die »zuvor« gelebt haben, das, was ich nun als »frühere Leben« bezeichnen würde?
GUT GEDACHT! JA. Manche davon sind die »anderen Leben«, die du »davor« gelebt hast. Und manche sind es nicht. Und andere Teile deiner Seele sind umhüllte Körper, die in deiner sogenannten Zukunft lebendig sein werden. Und wiederum andere sind in verschiedenen Formen verkörpert, die gegenwärtig auf eurem Planeten leben.
Wenn du auf eine von diesen stößt, hast du möglicherweise sofort das Gefühl von Wesensverwandtschaft. Du sagst vielleicht sogar: »Wir müssen ein »früheres Leben« gemeinsam verbracht haben.« Und damit hast du recht. Ihr habt ein früheres Leben gemeinsam verbracht. Entweder als dieselbe physische Form oder als zwei Formen im selben Raum-Zeit-Kontinuum.
Das ist sagenhaft! Das erklärt alles!
JA, DAS TUT es.
Außer einer Sache.
WELCHER?
Was bedeutet es, wenn ich einfach weiß, daß ich mit jemandem ein »früheres Leben« verbracht habe? Ich weiß es, ich spüre es in meinen Knochen – aber wenn ich das gegenüber dieser anderen Person erwähne, fühlt sie überhaupt nichts.
Was hat es damit auf sich?
DA VERWECHSELST DU die »Vergangenheit« mit der »Zukunft«.
Hä?
DU HAST EIN anderes Leben mit dieser Person verbracht – es ist nur nicht ein »früheres Leben«.
Es ist ein »künftiges« Leben?
GENAU. ES GESCHIEHT alles im ewigen Moment des Jetzt, und du bist dir in gewissem Sinne gewahr, was sich noch nicht ereignet hat.
Warum »erinnert« sich diese Person dann nicht auch an die Zukunft?
ES HANDELT SICH hier um sehr feine Schwingungen, und manche von euch sind sensitiver als andere. Auch wechselt das von Person zu Person. Du bist vielleicht, was eure Erfahrungen in der »Vergangenheit« oder »Zukunft« angeht, für eine Person sensibler als für eine andere. Das bedeutet gewöhnlich, daß ihr diese andere Zeit als den Teil eurer sehr großen Seele verbracht habt, die denselben Körper umhüllte. Hingegen kann ein bestimmtes, aber nicht ganz so starkes Gefühl, daß man »sich schon früher begegnet ist«, bedeuten, daß man zwar dieselbe »Zeit« miteinander verbracht hat, aber nicht denselben Körper teilte. Vielleicht wart ihr Mann und Frau, Bruder und Schwester, Mutter oder Vater und Kind, Geliebter und Geliebte – oder werdet es sein.
Das sind starke Bande, und es ist ganz natürlich, daß ihr sie fühlt, wenn ihr euch zum erstenmal in »diesem« Leben wieder begegnet.
Wenn das stimmt, was du sagst, würde das ein Phänomen erklären, das ich mir bislang nicht zu erklären wußte. Das Phänomen, daß in »diesem« Leben mehr als eine Person behauptet, sich daran erinnern zu können, daß sie Jeanne d'Arc war.
Oder Mozart. Oder irgendeine andere Berühmtheit der »Vergangenheit«. Ich dachte immer, das spräche gegen die Reinkarnation, denn wie können mehrere Personen behaupten, früher ein und dieselbe Person gewesen zu sein? Aber nun sehe ich, wie das möglich ist! Es ist einfach so, daß einige der fühlenden Wesen, die jetzt von einer Seele umhüllt sind, sich an den Teil ihrer Seele »erinnern« (sich ihr wieder angliedern), die Jeanne d'Arc war (jetzt ist).
Gütiger Himmel, das fegt alle Barrieren beiseite und macht alle Dinge möglich. Wenn ich mich künftig wieder dabei erwische, daß ich etwas für »unmöglich« erkläre, dann weiß ich, daß ich damit nur mein großes Unwissen demonstriere.
ES IST GUT, wenn du das nicht vergißt. Sehr gut.
Und wenn wir mehr als einen »Seelenpartner« haben können, würde das auch erklären, warum wir innerhalb eines Lebens dieses intensive Gefühl von »Seelenpartnerschaft« mit mehr als einer Person – ja mit mehr als einer Person zur gleichen Zeit – erleben können.
SO IST ES.
Dann ist es also möglich, mehr als eine Person zur gleichen Zeit zu lieben.
NATÜRLICH.
Nein, nein. Ich meine hier diese intensive persönliche Liebe, die wir gewöhnlich nur für eine Person reservieren – oder zumindest immer nur für eine Person auf einmal!
WARUM WÜRDEST DU jemals Liebe »reservieren« wollen? Warum würdest du sie »in Reserve« halten wollen?
Weil es nicht recht ist, wenn wir mehr als eine Person auf »diese Weise« lieben. Das ist Treuebruch.
WER HAT DIR das gesagt?
Alle. Alle sagen mir das. Meine Eltern, meine Religion sagen es mir. Meine Gesellschaft sagt es mir. Jedermann sagt mir das!
DAS GEHÖRT zu den »Sünden des Vaters«, die auf den Sohn überkommen.
Deine eigene Erfahrung lehrt dich eines – daß es die allergrößte Freude bereitet, wenn du jedermann ganz und gar liebst. Doch deine Eltern, Lehrer, Pfarrer sagen dir etwas anderes – daß du nur eine Person auf einmal »auf diese Weise« lieben darfst.
Und wir sprechen hier nicht nur über Sex. Wenn euch eine Person in irgendeiner Weise genausoviel bedeutet wie eine andere, wird euch das Gefühl gegeben, daß ihr die andere verraten habt.
Richtig! Genau! So haben wir das eingerichtet!
DANN BRINGT IHR nicht echte Liebe, sondern irgendeine unechte Art davon zum Ausdruck.
In welchem Ausmaß dürfen wir echte Liebe zum Ausdruck bringen? Welche Grenzen sollten – ja, manche würden sagen, müssen – wir dem auferlegen? Zu was würde das führen, wenn man allen gesellschaftlichen und sexuellen Energien freien Lauf lassen würde? Bedeutet völlige gesellschaftliche und sexuelle Freiheit das Ende allen Verantwortungsbewußtseins oder gerade dessen absoluten Höhepunkt?
JEDER VERSUCH, DEN natürlichen Ausdruck der Liebe einzuschränken, ist eine Absage an die Erfahrung von Freiheit – und damit eine Absage an die Seele selbst. Denn die Seele ist die personifizierte Freiheit. Gott ist der Definition nach Freiheit – denn Gott ist grenzenlos und keinerlei Beschränkungen unterworfen. Die Seele ist Gott in Miniatur. Deshalb rebelliert die Seele gegen jede auferlegte Beschränkung und stirbt jedesmal aufs neue, wenn sie von außen auferlegte Grenzen akzeptiert.
In diesem Sinn ist die Geburt ein Tod und der Tod eine Geburt. Denn durch die Geburt findet sich die Seele in die schrecklichen Begrenzungen des Körpers eingezwängt, denen sie beim Tod – und auch während des Schlafs – dann wieder entkommt.
Zurück zur Freiheit fliegt die Seele – wieder einmal über den Ausdruck und die Erfahrung ihrer wahren Natur frohlockend.
Doch kann ihre wahre Natur zum Ausdruck kommen und erfahren werden, während sie mit dem Körper beisammen ist?
Das ist die Frage, die du stellst – und sie zielt direkt auf den Sinn und Zweck des Lebens ab. Denn wenn das Leben im Verein mit dem Körper nichts weiter ist als ein Gefängnis, eine Begrenzung, dann stellt sich die Frage, wozu es gut sein soll.
Ja, ich glaube, das ist meine Frage. Und ich stelle sie für alle Wesen, die diese schrecklichen Einschränkungen menschlicher Erfahrung empfunden haben. Und ich spreche hier nicht von Beschränkungen auf physischer Ebene …
… DAS WEISS ICH …
… sondern von Beschränkungen auf emotionaler und psychischer Ebene.
JA, ICH WEISS. Ich verstehe. Doch diese Dinge haben alle mit derselben umfassenderen Frage zu tun.
Ja, richtig. Doch laß mich das zu Ende führen. Mein ganzes Leben lang hat es mich zutiefst frustriert, daß es mir nicht erlaubt war, jedermann genauso, wie ich will, zu lieben.
In meiner Jugend ging es darum, nicht mit Fremden zu reden, nichts Ungehöriges zu sagen. Ich entsinne mich, daß ich einmal mit meinem Vater unterwegs war und wir auf einen armen Mann stießen, der um Geld bettelte. Mir tat dieser Mann sofort leid, und ich wollte ihm ein paar von den Pennys in meiner Hosentasche geben. Doch mein Vater hielt mich davon ab und zog mich weiter. »Abschaum«, sagte er. »Das ist nur Abschaum.« So bezeichnete mein Vater alle, die nicht seiner Definition von einem wertvollen Menschen entsprachen.
Und ich entsinne mich an einen späteren Vorfall, bei dem mein älterer Bruder, der nicht mehr bei uns lebte, wegen eines vorangegangenen Streits mit meinem Vater am Weihnachtsabend nicht ins Haus gelassen wurde. Ich liebte meinen Bruder und wollte, daß er diesen Abend mit uns verbrachte, aber mein Vater stellte sich ihm auf der Veranda entgegen und verwehrte ihm den Zutritt ins Haus. Meine Mutter war am Boden zerstört (es war ihr Sohn aus früherer Ehe), und ich konnte das Ganze einfach nicht verstehen. Warum sollten wir bloß wegen einer Auseinandersetzung meinen Bruder nicht lieben oder ihn am Weihnachtsabend nicht bei uns haben? Welche Meinungsverschiedenheit konnte so schlimm sein, daß sie das Weihnachtsfest ruinieren durfte, an dem doch sogar Kriege ausgesetzt werden? Das wollte mein kleines siebenjähriges Herz gerne verstehen.
Als ich älter wurde, lernte ich, daß nicht nur Ärger und Zorn, sondern auch die Angst den Fluß der Liebe zum Stocken bringen. Das war der Grund, warum wir nicht mit Fremden sprechen sollten – nicht nur, solange wir wehrlose Kinder waren, sondern auch als Erwachsene. Ich lernte, daß es einfach nicht in Ordnung war, offen und neugierig auf Fremde zuzugehen und sie zu begrüßen, sondern daß man, wenn man jemandem gerade vorgestellt worden war, gewisse Regeln der Etikette zu befolgen hatte – die für mich allesamt keinen Sinn ergaben.
Ich wollte alles über diese neue Person wissen und ich wollte auch, daß sie alles über mich erfuhr! Aber nein. Die Regeln besagten, daß wir warten mußten.
Und nun habe ich in meinem Erwachsenenleben gelernt, daß die Regeln, wenn es um Sexualität geht, sogar noch starrer und enger sind. Und ich begreife es immer noch nicht.
Ich stelle fest, daß ich einfach nur lieben und geliebt werden möchte – daß ich einfach jedermann so lieben möchte, wie ich es als natürlich empfinde und es sich für mich gut anfühlt.
Doch die Gesellschaft hat hier ihre Regeln und Vorschriften – und diese sind so starr, daß selbst wenn die andere beteiligte Person in eine Erfahrung einwilligt, die beiden Liebenden ein »Unrecht begehen« und somit zum Scheitern verurteilt sind, wenn die Gesellschaft nicht zustimmt.
Was ist das? Was hat es mit all dem auf sich?
NUN, DU HAST es schon selbst gesagt. Angst. Es hat alles mit Angst zu tun.
Ja, aber sind diese Ängste gerechtfertigt? Sind diese Beschränkungen und Einengungen angesichts der Verhaltensweise unseres Geschlechts nicht auch irgendwie angebracht? Ein Mann begegnet einer jüngeren Frau, verliebt sich in sie und verläßt seine Frau. Ich führe nur ein Beispiel an. Da steht sie nun mit neununddreißig oder dreiundvierzig, bleibt mit den Kindern und ohne Beruf allein zurück. Oder schlimmer noch, sie wird mit vierundsechzig von ihrem achtundsechzigjährigen Ehemann stehengelassen, der sich in eine Frau verknallt hat, die jünger ist als seine Tochter.
GEHST DU DAVON aus, daß dieser Mann aufgehört hat, seine vierundsechzigjährige Frau zu lieben?
Na, jedenfalls verhält er sich so.
NEIN. ES IST nicht seine Frau, die er nicht mehr liebt und der er entkommen möchte. Er möchte den ihm auferlegten Beschränkungen entfliehen.
Quatsch! Das ist schlicht und einfach sinnliche Begierde. Das ist ein alter Bock, der nur seine Jugend zurückzuholen versucht und mit einer jüngeren Frau Zusammensein will; der nicht imstande ist, seine Triebe zu zügeln und sein Versprechen gegenüber der Partnerin, die ihm in all den schwierigen und mageren Jahren zur Seite stand, einzuhalten.
NATÜRLICH. DU HAST es perfekt beschrieben. Doch nichts, was du gesagt hast, ändert irgend etwas an dem, was ich gesagt habe. In praktisch jedem dieser Fälle hat dieser Mann nicht aufgehört, seine Frau zu lieben. Die Rebellion wird durch die Beschränkungen ausgelöst, die ihm seine Frau auferlegt – oder auch die jüngere Frau, die, wenn er bei seiner Frau bleibt, nichts mit ihm zu tun haben will.
Der Punkt, auf den ich hier hinauswill, ist der, daß die Seele immer gegen Beschränkungen rebellieren wird. Beschränkungen jeglicher Art. Das ist es, was den Funken jeder Revolution in der Menschheitsgeschichte entzündet hat und nicht nur einen Mann dazu bringt, seine Frau zu verlassen – oder eine Frau plötzlich veranlaßt, ihren Mann zu verlassen.
Du trittst hier doch sicher nicht für die völlige Abschaffung jeglicher Beschränkungen in bezug auf das Verhalten ein! Das wäre Anarchie. Gesellschaftliches Chaos. Du bist doch sicher nicht dafür, daß die Leute Affären haben – oder gar eine offene Ehe führen!
ICH BIN »FÜR« oder »gegen« gar nichts. Das Menschengeschlecht unternimmt ständig den Versuch, mich zu einem Gott zu machen, der »dafür« oder »dagegen« ist, und das bin ich nicht.
Ich beobachte nur, was ist. Ich sehe nur zu, wie ihr eure eigenen Systeme von Recht und Unrecht, Für und Dagegen erschafft. Und ich schaue nach, ob euch eure gegenwärtigen Vorstellungen davon dienlich sind, gemessen an dem, was ihr eurer Aussage nach als Spezies und als Individuen wählt und wünscht.
Ich bin weder »für« noch »gegen« die offene Ehe. Ob ihr dafür oder dagegen seid, hängt davon ab, was ihr eurer Entscheidung nach in und von einer Ehe wollt. Und diese Entscheidung erschafft, wer ihr in bezug auf die Erfahrung, die ihr Ehe nennt, seid. Hinsichtlich der sogenannten offenen Ehe lautet die Frage nicht: »Sollen wir eine offene Ehe führen, bei der beide Partner außereheliche sexuelle Kontakte haben dürfen?« Die Frage lautet vielmehr: »Wer bin ich – und wer sind wir – hinsichtlich der Erfahrung, die man Ehe nennt?«
Die Antwort auf diese Frage findet sich in der Antwort auf die größte Frage des Lebens: Wer bin ich – im Verhältnis zu allem und jedem. Wer bin ich, und wer wähle ich zu sein!
Wie ich im Verlauf dieses Gesprächs wiederholte Male sagte, ist die Antwort auf diese Frage die Antwort auf jede Frage.
Gott, das frustriert mich. Denn die Antwort auf diese Frage ist so umfassend und allgemein, daß sie gar keine Frage beantwortet.
ACH, TATSÄCHLICH? WIE lautet dann deine Antwort auf diese Frage?
Diesen Büchern zufolge – dem zufolge, was du in diesem Gespräch auszusagen scheinst – bin ich »Liebe«. Das ist es, was und wer ich wirklich bin.
EXZELLENT! DU HAST gelernt! Das ist richtig. Du bist Liebe.
Liebe ist alles, was es gibt. So bist du Liebe, bin ich Liebe und gibt es nichts, was nicht Liebe ist.
Was ist mit der Angst?
ANGST IST DAS, was du nicht bist. Angst ist ein falscher Anschein, der Wirklichkeit zu sein scheint. Angst ist das Gegenteil von Liebe, das du in deiner Realität erschaffen hast, damit du erfahren und erkennen kannst, was du bist.
In der Welt eurer relativen Existenz gilt: In der Abwesenheit dessen, was du nicht bist, ist das, was du bist … nicht.
Ja, das haben wir nun schon einige Male durchgekaut. Aber ich habe das Gefühl, daß du meiner Beschwerde ausgewichen bist. Ich sagte, daß die Antwort auf die Frage, wer wir sind – Liebe –, so umfassend und allgemein ist, daß sie praktisch keine Antwort ist, praktisch keine Frage beantwortet. Du sagst, das ist die Antwort auf jede Frage, und ich sage, das ist keine Antwort auf irgendeine Frage – von einer so konkreten wie der nach der offenen Ehe gar nicht zu reden.
WENN DAS FÜR dich stimmt, dann deshalb, weil du nicht weißt, was Liebe ist.
Weiß es denn überhaupt jemand? Seit Anbeginn der Zeit hat die Menschheit dies zu enträtseln versucht.
ZEIT, DIE NICHT existiert.
Die nicht existiert, jaja. Ich weiß. Das ist nur so eine Redewendung.
LASS MICH SEHEN, ob ich mit Hilfe eurer »Redewendungen» Worte und Möglichkeiten finden kann, zu erklären, was Liebe ist.
Super! Das wäre großartig.
DAS ERSTE WORT, das mir da einfällt, ist »unbegrenzt«. Liebe ist das, was unbegrenzt ist.
Gut, da waren wir schon, als wir mit diesem Thema begannen. Wir drehen uns im Kreis.
KREISE SIND GUT. Schimpf nicht über sie. Kreise immer weiter; umkreise die Frage immer weiter. Kreisen ist okay. Wiederholen ist okay. Wiederholtes Daraufzurückkommen, wiederholtes Formulieren ist okay.
Manchmal werde ich ungeduldig.
MANCHMAL? DAS IST wirklich witzig.
Okay, okay, mach weiter mit dem, was du sagen wolltest.
LIEBE IST DAS, was unbegrenzt ist. Sie hat keinen Anfang und kein Ende. Dein Davor und kein Danach. Liebe war immer, ist immer und wird immer sein.
Liebe ist also immer. Sie ist die Immerwirklichkeit.
Nun kommen wir auf ein weiteres Wort zurück, das wir schon früher gebracht haben – Freiheit. Denn wenn Liebe unbegrenzt und immer ist, dann ist sie … frei. Liebe ist das, was vollkommen frei ist.
Du wirst nun feststellen, daß du innerhalb der menschlichen Realität immer danach strebst, zu lieben und geliebt zu werden. Und du wirst weiterhin feststellen, daß du dich immer danach sehnst, daß diese Liebe unbegrenzt ist. Und du wirst auch feststellen, daß du dir immer wünschst, daß du frei bist, ihr Ausdruck zu geben.
Du wirst bei jeder Erfahrung von Liebe nach Freiheit, Grenzenlosigkeit und Ewigkeit streben. Du wirst es vielleicht nicht immer bekommen, aber danach strebst du. Und du strebst es an, weil es das ist, was Liebe ist, und auf tiefer Ebene weißt du das auch, weil du Liebe bist. Und durch den Ausdruck von Liebe trachtest du zu erkennen und zu erfahren, wer und was du bist.
Du bist Leben, das Leben zum Ausdruck bringt, Liebe, die Liebe zum Ausdruck bringt, Gott, der Gott zum Ausdruck bringt.
Alle diese Worte stehen für dasselbe. Setze sie in deinem Denken gleich:
GOTT
LEBEN
LIEBE
UNBEGRENZT
EWIG
FREI
Alles, was nicht eines dieser Dinge ist, ist keines dieser Dinge.
Du bist alle diese Dinge, und du wirst früher oder später danach streben, dich selbst als alle diese Dinge zu erfahren.
Was heißt hier »früher oder später«?
DAS HÄNGT DAVON ab, wann du eine Angst überwindest. Wie ich schon sagte, ist Angst ein falscher Anschein, der Wirklichkeit zu sein scheint. Sie ist das, was du nicht bist.
Du wirst bestrebt sein, das zu erfahren, was du bist, wenn du mit deiner Erfahrung dessen, was du nicht bist, durch bist.
Wer möchte schon gerne Angst erleben?
NIEMAND MÖCHTE DAS; es wird euch beigebracht.
Ein Kind kennt keine Angst. Es denkt, es kann alles tun. Ein Kind kennt keinen Mangel an Freiheit. Es denkt, es kann jedermann lieben. Ein Kind kennt auch keinen Mangel an Leben. Kinder glauben, daß sie ewig leben werden – und Menschen, die sich wie Kinder verhalten, denken, daß ihnen nichts und niemand Schaden zufügen kann. Ein Kind kennt auch nichts Gottloses – so lange, bis ihm die Erwachsenen gottlose Dinge beibringen.
Und so laufen Kinder nackt herum und umarmen jedermann und denken sich nichts dabei. Wenn die Erwachsenen es nur auch so machen könnten.
Nun, Kinder tun das in aller Anmut der Unschuld. Erwachsene können nicht zu dieser Unschuld zurückkehren, weil immer, wenn sie sich ausziehen, die Sache mit dem Sex ins Spiel kommt.
JA. UND GOTT bewahre, daß diese »Sache mit dem Sex« in aller Unschuld und Freiheit erlebt wird.
Nun, Gott hat es verboten. Adam und Eva liefen vollkommen glücklich und zufrieden nackt im Paradies herum, bis Eva die verbotene Frucht aß – vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Da hast du uns zu unserem gegenwärtigen Zustand verdammt, denn wir tragen alle die Schuld der Erbsünde in uns.
ICH TAT NICHTS dergleichen.
Ich weiß. Aber ich mußte hier der institutionalisierten Religion eins über die Rübe geben.
VERSUCH DAS, WENN möglich, zu vermeiden.
Ja, ich weiß. Die Vertreter der institutionalisierten Religion haben wenig Sinn für Humor.
DU MACHST ES schon wieder.
Entschuldige.
ICH SAGTE … IHR strebt als Spezies danach, eine Liebe zu erfahren, die unbegrenzt, ewig und frei ist. Die Institution der Ehe war euer Versuch, Ewigkeit herzustellen. Mit der Eheschließung habt ihr vereinbart, lebenslang Partner zu bleiben.
Aber das hat wenig zur Erzeugung einer Liebe beigetragen, die »unbegrenzt« und »frei« ist.
Warum nicht? Ist die Ehe, wenn sie frei gewählt ist, nicht ein Ausdruck von Freiheit? Und die Aussage, daß du deine Liebe auf sexueller Ebene mit keinem anderen außer deinem Ehepartner bezeugst, ist keine Einschränkung, sondern eine Wahl.
Und eine Wahl ist keine Beschränkung, sie ist die Ausübung von Freiheit.
JA, SOLANGE ES weiterhin die Wahl ist.
Nun, das muß sie sein. Das war das Versprechen.
JA – UND DAMIT fangen die Probleme an.
Erklär mir das.
SCHAU, ES MAG eine Zeit kommen, da du etwas ganz Besonderes in einer Beziehung erfahren möchtest. Nicht, daß eine Person für dich in höherem Maße besonders wäre als eine andere, aber die Art, in der du die Tiefe der Liebe, die du für alle Menschen – und das Leben selbst – hegst, im Verein mit einer Person demonstrieren möchtest, ist einmalig und allein dieser Person vorbehalten.
Tatsächlich ist die Art, wie ihr eure Liebe für jede Person, die ihr liebt, demonstriert, einmalig. Ihr bezeugt eure Liebe für keine zwei Personen auf dieselbe Weise. Weil ihr ein Geschöpf und ein Schöpfer der Originalität seid, ist alles, was ihr erschafft, ein Original. Kein Gedanke, kein Wort, keine Tat kann je ein Duplikat sein. Ihr könnt keine Duplikate erschaffen, nur Originale.
Weißt du, warum sich keine zwei Schneeflocken genau gleichen? Weil es ihnen unmöglich ist. »Schöpfung« ist nicht »Kopieren«, der Schöpfer kann nur erschaffen.
Und deshalb sind keine zwei Schneeflocken genau gleich, sind keine zwei Menschen, keine zwei Gedanken, keine zwei Beziehungen, keine zwei von irgend etwas genau gleich.
Das Universum – und alles darin – existiert in einzigartiger Form, und es gibt wahrhaft nichts anderes, das ihm gleich ist.
Das ist wieder die göttliche Dichotomie. Alles ist einzigartig, doch alles ist eins.
GENAU. JEDER FINGER an deiner Hand ist anders, doch es ist dieselbe Hand. Die Luft in deinem Haus ist die Luft, die sich überall befindet, und doch ist sie in den einzelnen Zimmern nicht dieselbe, fühlt sich jeweils ganz unterschiedlich an.
Und ebenso verhält es sich mit den Menschen. Alle Menschen sind eins, doch keine zwei Menschen sind sich genau gleich.
Deshalb kannst du auch nicht, selbst wenn du es versuchen würdest, zwei Menschen auf dieselbe Weise lieben – und würdest es auch nie wollen, weil die Liebe eine einzigartige Reaktion auf das ist, was einzigartig ist.
Wenn du also deine Liebe für eine Person bezeugst, tust du das auf eine Weise, wie du das für eine andere Person nicht tun kannst. Deine Gedanken, Worte und Handlungen – deine Reaktionen – lassen sich buchstäblich unmöglich kopieren. Sie sind einmalig … so wie die Person, für die du diese Gefühle hegst.
Wenn die Zeit gekommen ist, da du den Wunsch hast, dies nur mit einer Person in all seiner Einmaligkeit zu demonstrieren, dann wähle es. Verkünde es, mache es bekannt. Doch mache deine Erklärung zu einer Verkündigung deiner Freiheit von Augenblick zu Augenblick, nicht zu einer fortwährenden Verpflichtung. Denn wahre Liebe ist immer frei, und Verpflichtung kann im Raum der Liebe nicht existieren.
Wenn du deine Entscheidung, deiner Liebe auf bestimmte Weise mit nur einer bestimmten anderen Person Ausdruck zu geben, als ein heiliges Versprechen ansiehst, das nie gebrochen werden darf, dann mag der Tag kommen, wo du dieses Versprechen als Verpflichtung empfindest – und wirst dich darüber ärgern. Doch wenn du diese Entscheidung nicht als ein nur einmal gegebenes Versprechen ansiehst, sondern als freie Wahl, die du immer und immer wieder triffst, wird dieser Tag der Ablehnung nie kommen.
Denk immer daran: Es gibt nur ein heiliges Versprechen – und das ist, daß du deine Wahrheit sprichst und lebst. Alle anderen Versprechen bedeuten einen Verlust von Freiheit, und dieser kann nie etwas Heiliges sein. Denn Freiheit ist, wer du bist.
Wenn du die Freiheit einbüßt, büßt du dein Selbst ein. Und das ist kein Sakrament, das ist Blasphemie.