Make you up



Zweckmäßig von Kopf bis Fuss. Jedes Detail stimmte auf absonderliche Weise. Die Hose war ausgebeult mit unzähligen kleinen nützlichen Taschen übersät. Die Schuhe bequem. Die Jacke war ebenfalls mit etlichen Innentaschen ausgestattet, allwetterfest natürlich. Der Rucksack sass wie maßgeschneidert auf ihrem Rücken. Die kurzen aschblonden Haare standen wirr vom Kopf. Die Denkerfalte war besonders ausgeprägt. In der rechten Hand hielt sie fest umklammert die neuste Ausgabe von „Emma“. Ihr Blick ging stur geradeaus, war zielgerichtet auf das Einkaufszentrum auf der anderen Straße.

Lu würgte seinen Widerwillen herunter und stellte sich neben sie. Die Ampel war noch auf Rot, seine Chance war zum Greifen nah.

Wenn du das Angebot kaufst anstatt der einzeln Shampooflasche, bekommst du einen Rabatt und auch noch eine Überraschung!“

Sie presste die Lippen dermaßen stark zusammen, dass sie leicht weiß wurden. Lu grunzte kurz und hechtete ihr hinterher direkt in den im Erdgeschoss gelegenen Drogeriemarkt. Sie flitzte extrem zielstrebig zum Sonderangebotstand, griff sich eine große Doppelpackung Shampoo und stellte sich breitbeinig in die Schlange einer der beiden Kassen. Als sie bezahlen wollte, gab ihr die Kassiererin die Überraschung – einen kleinen pinkenen Taschenspiegel. Sie lächelte zufrieden wie ein Jäger, der ein besonders großes Tier erfolgreich zur Strecke gebracht hatte. Lu stand direkt hinter ihr, konnte ihre Seele riechen. Der erfolgreiche Auftragsabschluss nahte! Doch dann nahm seine Kundin den Spiegel, klappt ihn auseinander und betrachtete sich intensiv!

Hmh...dit sieht nich' jut us!“, stellte sie unzufrieden fest.

Die Kassiererin blickte auf, musterte sie intensiv.

Na, keen Problem, wa. Gehense doch in unsere Kosmetikabteilung. Dort gibt’s ne Menge Make-up.“

Seine Kundin blinzelte etwas unschlüssig und begab sich tatsächlich in die Kosmetikabteilung. Lu raufte sich die Haare und stieß rot gefärbte Atemluft aus. Seine Kundin probierte erst vorsichtig Lippenstift aus, dann schmierte sie sich flüssiges Make-up ins Gesicht. Danach drehte sich Lu angewidert ab, denn seine nunmehr Exkundin verwandelte sich optisch in eine billige Ausgabe von Paris Hilton. Traurig stand er in der Parfumabteilung und überlegte angestrengt, wie er ihre neue Eitelkeit am besten nutzen konnte. So richtig verloren hatte er sich ja noch nicht. Er wollte blitzschnell reagieren und sie in die nächste Boutique schicken, doch leider musste der Filialchef sie aus Kosmetikabteilung fast schon mit Gewalt entfernen. Der Kopf dieser potenziellen Kundin war für neue Gedanken leider gar nicht mehr zugänglich. Sie wollte ihre Verwandlung in Paris Hilton vollenden, nun zumindest ihre Haare. Dann war ihm schnell klar, warum diese Frau plötzlich nicht mehr zugänglich war – Rosenduft wehte in seine Nase. In einer Schlange stand Michael breit grinsend, nickte ihm grüßend zu.

Na, Pech gehabt, was?!“, rief er herüber.

Lu zeigte ihm genüsslich den Stinkefinger und rief ihm im Vorbeigehen zu: „Jo, dito!“

Michael sah ihn verständnislos an.

Hä? Wieso das denn?“

Lu hatte ihn im Vorbeigehen ein neues Parfum auf den Rücken gesprüht. Es vergingen nur drei Atemzüge und jeder, wirklich jeder Mann in der Drogerie starrte Michael gierig an. Michael ging einen zaghaften Schritt zur Seite aus der Schlange heraus, wollte ganz offensichtlich flüchten. Einige Männer näherten sich ihm bereits auffällig.

Ach, ja. Was für ein feines neues Parfum! Schon erstaunlich, wie gut menschliche Hormone in fast reiner Konzentration wirken können. Viel Spaß, Michael!“, rief Lu.

Michael rannte inzwischen zur Rolltreppe – verfolgt von 40 Männern unterschiedlichen Alters und sexueller Orientierung.