FÜNFTES KAPITEL

Ein Wiedersehen

Diese Nacht der Belagerung war auch anderweit durchwacht worden. Nämlich in einem mit eisernen Läden versehenen Zimmer seines Erdgeschosses saß Leflor mit dem am Abend angekommenen Notar und Walker bei emsiger Prüfung, Schreiberei und Verrechnung.

Der Notar erklärte das Geschäft als vollständig gefahrlos für Leflor, und gegen Morgen war es abgeschlossen. Walker erhielt eine sehr bedeutende Summe, bestehend aus Bankbillets und Wechseln auf gute Häuser.

Er befand sich in einer sichtbaren Aufregung. Sein Gesicht wandte sich immer nach der Tür, als ob er sich nun schnell fortsehne.

„Jetzt könnt Ihr das Leben genießen, Sir“, meinte der Notar. „Ihr habt, trotzdem Ihr nicht den vollen Preis erhieltet, ein gutes Geschäft gemacht. Uns aber steht ein Prozeß bevor, dessen Ausgang zwar ganz unzweifelhaft ein für uns günstiger ist, dessen Dauer aber doch als eine sehr unangenehme Beigabe betrachtet werden muß. Ihr hingegen könnt sofort in die Tasche greifen.“

„Das sagt Ihr, aber es ist nicht so!“

„Inwiefern?“

„Draußen stehen drei Hunde, die bereit sind, sich auf mich zu werfen, sobald sie mich erblicken.“

„Ihr meint Sam, Jim und Tim. Sollten sie sich wirklich hier umhertreiben?“

„Ganz sicher!“

„Bittet die Behörde um Schutz!“

„Kann mir nichts nützen!“

„Ah! Wieso? Daß ist mir neu. Die Behörde besitzt doch die Mittel zu noch ganz anderen Dingen.“

Walker durfte nicht sagen, daß die Behörde, an die er sich um Schutz wenden solle, eigentlich sehr ernste Veranlassung habe, sich seiner sehr gefährlichen Person zu versichern. Er antwortete daher:

„Die Behörde wird mich allerdings sicher hier aus dem Haus bringen. Aber die drei Trapper werden, hierdurch erst recht aufmerksam gemacht, mir folgen bis dahin, wo die Behörde mich mir selbst überläßt, und fallen dann über mich her.“

„Sollten sie Euch wirklich so leicht folgen können?“

„Wenn Ihr das bezweifelt, so kennt Ihr diese Art von Menschen nicht. Ein echter Savannenmann verfolgt seinen Feind zehn Jahre lang Schritt für Schritt, um die ganze Erdkugel herum. Er erreicht ihn sicher.“

„Das ist ja eine ganz gefährliche Gesellschaft!“

„Für jeden ehrlichen Menschen, ja.“

„Wie wollt Ihr aber fort?“

„Am geratensten wäre eine Art und Weise, in der ich ihnen gar nicht auffallen könnte. Vielleicht eine Verkleidung.“

„So versucht es doch! Das ist erstens interessant, und zweitens bietet es die größte Sicherheit. Ich habe da einen ganz famosen Gedanken. Monsieur Leflor, habt Ihr einen Diener, der zu frisieren versteht?“

„Oh, gewiß.“

„Nun, Master Walker hat dunkles Haar. Er mag es sich kurz schneiden und wollig kräuseln lassen. Dann schwärzt er sich die Arme und das Gesicht und geht als Neger von hier fort. Das ist das naheliegendste und zugleich einfachste, was es nur geben kann.“

„Meine Gesichtszüge sind nicht nach Negerart.“

„So verkleidet Euch als Negerin! Die schwarzen Ladies haben durchschnittlich regelmäßigere Züge als die dunklen Gentlemen. Gibt es nicht einen treuen Neger, auf den Ihr Euch fest verlassen könnt, Master Leflor?“

„Oh, mehrere!“

„So gebt Master Walker, wenn er als Negerin geht, einen männlichen Begleiter mit, damit die Sache noch mehr causa bekommt. Der Gentleman mag einen Sack tragen und die Lady einen Korb. Es sollte mich sehr wundern, wenn die Belagerer sich groß um dieses Paar bekümmerten.“

Es war um die Zeit zwei Stunden nach Mitternacht. Da mußten die schwarzen Arbeiter hinaus auf die Felder, jede Person an den ihr zugewiesenen Platz. Erst gingen sie in einem dichten Haufen. Dieser teilte sich nach und nach in einzelne Gruppen; die Gruppen lösten sich dann weiter auf, bis zuletzt nur noch einzelne Personen oder höchstens einige Paar zu sehen waren. Eins dieser Paare schritt langsam am Rand des Reisfelds nach dem Fluß hinab. Es war ein Neger und eine Negerin.

Ersterer hatte eine riesige Angelrute in der Hand, und sie trug einen großen irdenen Krug auf dem kurzwolligen Kopf. Sie flüsterten miteinander, während ihre Augen verstohlen suchend nach allen Seiten schweiften.

Am Fluß angekommen, setzten sich beide an das Ufer nieder und der Neger befestigte den Köder an dem Haken und ließ ihn so in das Wasser fallen. Sie hatte den Krug, mit Wasser gefüllt, neben sich gestellt und begann, aus schnell gepflückten umherstehenden Blumen einen Kranz zu winden, den sie sich, als er fertig war, auf den Kopf setzte. Viel wert war dieser Kranz nicht. Die Negerin schien kein Geschick für solche Art von Arbeit zu besitzen.

Unterdessen unterhielten sie sich weiter, und zwar die Negerin nur mit leiser Stimme, da raschelte es seitwärts in den Büschen. Dort hatte ein Mann gesteckt. Als er sich jetzt emporrichtete, erkannte die Negerin in der langen Gestalt, dem eigentümlichen Anzug und den verwetterten Gesichtszügen, Tim, den Trapper. Er kam langsam näher und grüßte:

„Good day, Niggers! Was tut ihr da?“

„Wer fangen Fische“, antwortete der männliche Angler. „Massa will carps (Karpfen) essen.“

„Welcher Massa?“

„Massa Leflor. Will essen sehr gut viel große carps.“

„Ah! Ihr gehört zu Leflor?“

„Yes, Massa.“

„Da du fischen gehst, bist du wohl im Haus beschäftigt?“

„O yes! Ich bin Pluto, und Pluto arbeitet in der Küche.“

„Diese hier ist dein Weib?“

„Weib? Nein. Diese ist Mally, und Mally wird sein meine Frau.“

„Also deine Braut?“

„Yes, Braut, Massa.“

„Ist sie auch in der Küche?“

„O yes! Mally kocht in Küche viel große, fette carps für Massa.“

„So wißt Ihr wohl auch, wer im Haus wohnt?“

„Massa Leflor wohnt in Haus.“

„Das versteht sich! Habt ihr Gäste?“

„Gäste? Pluto nicht wissen, was sein Gäste.“

„Ich meine, ob Fremde da sind, für die ihr mitkochen müßt.“

„O yes! Zwei Fremde.“

„Wer ist das?“

„Massa Notary und Massa – Massa –“

„Nun, wie heißt der andere?“

„Oh, Pluto hat vergessen.“

„Vielleicht Walker?“

„Yes, yes! Massa Walker.“

„Was tut Master Walker?“

„Hat gegessen. Wird fahren in Cab, o nein, sondern in groß schön Kutsche.“

„Wohin?“

„Pluto nicht wissen. Massa Walker fahren mit Massa Notary.“

„Vielleicht nach Van Buren?“

„Yes, yes! Van Buren.“

„Wann?“

„Jetzt bald anspannen.“

„Schön, sehr schön! Wünsche euch viel Glück! Macht guten Fang!“

„Dank, Dank! Massa auch mach guten Fang, großen carp!“

Pluto sagte das so treuherzig, mit so aufrichtiger Miene. Aber als der Jäger fort war, lachte er vor sich hin und meinte:

„Der wird keinen Fang machen; er geht, um die beiden anderen zu holen, und dann werden sie sich in der Richtung nach Van Buren aufstellen. Jetzt sind wir sicher. Wir werden ein Floß bauen, und Ihr geht an das andere Ufer. Bis heute abend seid Ihr in Sicherheit.“

Als am Abend der schwarze Kutscher Leflors, der den Notar nach Van Buren gefahren hatte, zurückkehrte, berichtete er auf die Frage seines Herrn, daß er unterwegs von drei bewaffneten Männern, zwei langen und einem sehr dicken, der ein Bärenfell getragen habe, angehalten worden sei. Sie hatten in das Innere des Wagens geblickt, ihn aber unbelästigt passieren lassen, als sie sich überzeugt hatten, daß nur der Notar vorhanden war.

Diese drei Männer wurden, allerdings einzeln und nicht beisammen, noch mehrere Male in der Gegend gesehen, bis nach mehreren Tagen der schwarze Pluto wieder fischend am Fluß saß und Tim sich abermals zu ihm gesellte. Der Jäger fragte den Schwarzen nach verschiedenen Dingen, erhielt aber nur kurze und mürrische Antworten.

„Du hast heute schlechte Laune. Es fehlt dir wohl Mally, deine Braut?“

„Mally? Oh, Pluto mag nichts wissen von Mally.“

„Warum? Hat sie dich betrogen?“

„Sehr groß Betrug. Massa Leflor auch sein großer Betrug.“

„Auch er hat dich betrogen?“

„Yes, sehr!“

„Wieso denn?“

„Massa mir geben Mally – Mally neu auf Plantage, Mally meine Braut. Ich mit Mally fischen – hier, da!“

„Wohl als ich mit euch sprach?“

„Yes, yes, Massa! Ich geben will Mally einen Kuß. Mally mir gibt Ohrfeige und springen hier ins Wasser.“

„Donnerwetter! Die war nicht allzusehr verliebt in dich, wie es scheint. Was tat sie dann?“

„Schwimmen hinüber über Fluß. Drüben ausziehen Weiberkleid. Darunter Männerkleid. Nachher sich waschen – sein gar nicht mehr Braut, nicht mehr Mally.“

Da machte der Jäger eine Bewegung des Schreckens. Das hatte er nicht erwartet. Er fragte:

„Es war also kein Mädchen mehr, als sie sich gewaschen hatte? Keine Mally?“

„Nicht Mädchen, nicht Mally und nicht Negerin.“

„Alle Teufel! Sie war weiß?“

„Ja. Schwarze Haut weggewaschen.“

„Kanntest du das Gesicht?“

„Sehr viel! War Massa Walker.“

„Walker! Da sollen doch sofort alle neunundneunzigtausend Teufel dreinschlagen! Hast du denn auch richtig gesehen?“

„Yes! Blicke sehr viel gute Augen.“

„So ist er entkommen, geflohen bereits seit vier Tagen! Weißt du nicht, wo er hin ist?“

„Yes. Sehr!“

„Nun?“

„Er mir herüberrufen: Wenn jemand fragen, ich soll sagen, er sein nach Trippsdrille. Drei Massa mögen nachkommen, zwei lang Massa und ein dick Massa.“

„Hole ihn der Henker! Auch noch spotten! Und ich habe hier bei ihm gestanden, habe ihn angesehen, konnte ihn mit beiden Händen und allen zehn Fingern ergreifen! Mensch, Schwarzer, Pluto, hast du denn fest geglaubt, daß er ein Mädchen war?“

„Hab geglaubt.“

„Und daß er eine Schwarze war?“

„Eine Schwarze, yes!“

„Aber hast du sie denn nicht angegriffen?“

„Yes, sehr! Bei Hand und Wange.“

„Da mußt du doch bemerkt haben, daß er sich nur angemalt hatte. Er muß ja abgefärbt haben, und du mußt schwarz geworden sein!“

„Schwarz? Pluto schwarze Flecke bekommen?“

Der Neger hielt Tim die nackten, pechdunklen Arme entgegen und lachte aus vollem Hals. Da sah dieser ein, welch eine Dummheit er begangen habe. Er versetzte dem Schwarzen einen Fußtritt und knurrte grimmig:

„Feixe nicht, Orang-Utan! Ich glaube gar, du machst dich über mich lustig!“

„Warum nicht lustig? Pluto genau wissen, daß Mally nicht Mädchen. Mally war Massa Walker. Pluto haben Massa Walker angemalen und über Fluß schaffen. Massa Tim Snaker kein Orang-Utan, aber ein gewaltig groß viel Esel und unendlich viel Dummkopf!“

Ehe der Jäger sich nur recht in den Inhalt dieser Worte hineinzudenken vermochte, war der verschlagene Schwarze von seinem Sitz aufgeschnellt, hatte Angelrute und Topf ergriffen und jagte mit der Schnelligkeit eines trabenden Pferdes davon.

Tim stand noch lange Zeit mit offenem Mund da und starrte nach der Richtung, in welcher der Neger verschwunden war. Seit dieser Stunde aber ließen sich die drei Jäger in dieser Gegend nicht mehr sehen, bis einst nach ungefähr – doch das darf erst später berichtet werden. –

Kurz nachdem an jenem Nachmittag der Notar nach Van Buren gefahren war, hatte auch Leflor seine Pflanzung verlassen, jedoch nicht zu Wagen, sondern zu Fuß. Er ging langsam und nachdenklich in der Richtung nach Wilkinsfield, von wo er gestern zweimal in so verhängnisvoller Weise fortgewiesen worden war. Wollte er etwa wieder hin? Er machte einen Umweg, um nicht an dem noch belagerten Blockhäuschen vorüberzumüssen. Er war sehr sorgfältig gekleidet. Die Geschwulst seines seit gestern mit Arnika behandelten Gesichts hatte nachgelassen. Auf seinen Zügen prägte sich Spannung, Schadenfreude, Haß und Triumph aus.

Er suchte seinen Weg unter den Bäumen, da, wo es keine Bahn gab, bis er gerade gegenüber der oft genannten Veranda angekommen war. Als er hinüber zu derselben blickte, sah er Almy. Sie befand sich nicht, wie gestern früh, im leichten Morgengewand, sondern in vollständiger Toilette. Sie hatte auf einem leichten Rohrsessel Platz genommen und hielt ein Buch in der Hand. Aber sie las nicht in demselben. Zwar ruhte ihr Auge zuweilen für einige Sekunden auf den Zeilen, es erhob sich dann aber wieder von denselben und schweifte ungeduldig nach der Richtung, in der die Blockhütte lag. Sie schien von dorther jemand zu erwarten.

„Wie schön sie ist, wie wunderbar schön!“ murmelte Leflor. „Ich habe noch niemals ein solches Mädchen gesehen. Sie hat nicht die dürre, langhalsige Gestalt und das hektische, gelangweilte und darum wieder langweilende Gesicht einer Yankeedame, aber auch nicht die übermäßigen Formen einer Millionärin aus niederländischem Blut, nicht das matte, charakterlose Blond einer Dame aus dem frommen Philadelphia und doch auch nicht den dunklen Teint einer übermütigen und anspruchsvollen Bewohnerin von Baltimore. Sie ist eine Vermählung zwischen den Göttinnen Juno, Venus und Flora. Man kann sie eigentlich nach gar keinem Typus klassifizieren, und – ah!“

Von daher, wohin Almy so ungeduldig blickte, kam jetzt Adler, der Oberaufseher. Da erhob sich schnell das schöne Mädchen, trat an die Brüstung der Veranda und rief, noch ehe er nahegekommen war:

„Monsieur Adler! Gut, daß Ihr kommt! Wie steht es draußen bei der Hütte?“

„Sehr gut, Mademoiselle“, antwortete er, seine Schritte beschleunigend.

„Habt Ihr sie?“

„Nur eingeschlossen.“

„O weh! Da gibt es Kampf!“

„Ich glaube nicht.“

„Wenn das doch zu vermeiden wäre! Ich habe gar so große Angst.“

„Oh, Ihr braucht Euch nicht zu sorgen!“

„Ich nicht? Ich glaube doch, ich am allermeisten.“

„Darf ich fragen, weshalb?“

„Nun, Pa wird ganz sicher mitkämpfen.“

„Das wird er doch nicht tun!“

„Er wird es, Sir. Ich kenne ihn.“

„So werde ich ihm abraten.“

„Ihr Rat wird keinen Erfolg haben.“

„So werde ich ihn zwingen, von einer Beteiligung am Kampf abzusehen.“

„Glaubt Ihr, daß er sich zwingen läßt?“

„Ja. Ich werde mich an den Offizier wenden, dessen Anordnung er sich zu fügen hat.“

„Oh, wenn Ihr das wirklich tun wolltet!“

„Ich tue es sicher.“

„Ich danke Euch, Sir! Aber – werdet auch Ihr von der Beteiligung am Kampf absehen?“

Adler schüttelte lächelnd den Kopf.

„Das wird nicht möglich sein, Miß Almy.“

„O doch! Warum sollte es nicht möglich sein?“

„Weil ich der eigentliche Anführer bin. Nach meiner Anordnung ist bisher alles geschehen. Was wir bisher getan haben, war für uns nicht gefährlich. Darf ich da feig zurücktreten, wenn es beginnt, Gefahr zu geben?“

„Nein, nein! Feig soll man Euch nicht nennen. Euch gar nicht! Aber Ihr habt es doch nicht nötig, Euch dorthin zu stellen, wo es am gefährlichsten ist.“

„Diese Stelle kennt man leider vorher nicht.“

„Nun, Ihr werdet doch bald merken, wo die meisten Kugeln pfeifen?“

Almy sprach in einem außerordentlich besorgten Ton.

„Ja“, antwortete er, „das werde ich freilich merken.“

„Schön! Und wenn Ihr es merkt, so geht Ihr schnell an eine andere Stelle.“

„Oh, das würde auffallen, Miß!“

„Dieses Auffallen ist lange nicht so schlimm, wie das Umfallen, Sir!“

„Umfallen?“

„Ja, wenn Euch eine Kugel trifft, so fallt Ihr doch um.“

„Ach! Das hat nichts zu bedeuten!“

„Nichts? Mein Gott! Dann seid Ihr ja tot!“

Almy war bleich geworden, während er in einem leichten, unbesorgten Ton gesprochen hatte. Jetzt aber wurde sein Gesicht auch ernst. Er antwortete, auf jedes Wort einen besonderen Nachdruck legend:

„Der Tote ist glücklich!“

„Wie? Habt Ihr Euer Leben so wenig lieb?“

„Für wen hätte es denn einen Wert?“

„Für Euch doch!“

„Pshaw!“ Adler machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand und fügte dann hinzu:

„Das Leben ist für den Menschen nur dann von Wert, wenn es auch für andere wertvoll ist.“

„Ich kann Euch gar nicht recht geben. Sir!“

„Nun, es ist mit dem Leben genauso wie mit dem Reichtum. Bin ich etwa reich, wenn ich eine Million oder einige Millionen besitze?“

„Ganz gewiß.“

„Ich setze aber nun den Fall, diese Millionen hätten für andere keinen Wert. Ich will annehmen, ich besäße drei Millionen in Papieren einer Aktiengesellschaft, die vollständig bankrott gemacht hat, so daß kein Gläubiger einen Penny bekommt. Wäre ich in diesem Fall reich?“

„Ganz und gar nicht, sondern im Gegenteil sehr arm und bedauernswert.“

„Nun seht, so ist es auch mit dem Leben. Mein Leben hat für mich ganz genau denselben Wert, den es für andere hat. Ist es anderen sehr gleichgültig, ob ich lebe oder sterbe, nun, so kann ich eben ruhig sterben, da mir das Leben doch keine Genugtuung bringt.“

„Ich vermag nicht, Euch in Euren Anschauungen und Erklärungen zu folgen. Ich kann aber nicht glauben, daß Ihr denkt, Euer Leben habe für andere keinen Wert.“

„Für wen sollte es Wert besitzen?“

„Nun, für Pa zum Beispiel.“

„Weil ich sein Beamter bin? Oh, wenn mich die Bushwhackers niederschießen sollten, so bekommt er recht bald einen anderen Aufseher. Das weiß er genau.“

„Aber keinen solchen! Er schätzt und achtet Euch nicht wie einen Angestellten, sondern wie einen Freund!“

„Vielleicht!“

Adler zuckte die Achsel, und es legte sich ein Zug tiefer Wehmut über sein schönes Gesicht.

„Vielleicht? Nein, ganz gewiß!“ beeilte sich Almy zu sagen. „Und außer ihm gibt es auch noch Leute, die gar nicht wünschen, daß Euch eine Kugel treffen möge“.

„Wer mag das sein? Etwa die gute My?“

„Sir!“

„Oder gar Ty?“ lächelte er.

„Wollt Ihr in dieser ernsten Angelegenheit Scherz treiben oder gar trivial werden, Sir? Dann würde ich Euch sehr zürnen!“

„Um Gottes willen, nur das nicht!“ sagte er rasch. „Aber ich weiß doch keine Person, der es ganz besonders unlieb wäre, wenn ich auf irgendeine Weise von hier fortginge.“

„Nicht? Nun, Pa habe ich Euch genannt; da will ich wenigstens auch von mir noch sprechen.“

„Von Euch?“

Sein Blick senkte sich fragend in ihr Auge.

„Ja“, antwortete sie. „Ich würde sehr traurig sein, wenn Euch ein Leid geschähe.“

„Wirklich, Miß?“

„Ja, gewiß.“

„Mit dieser Versicherung macht Ihr mir eine Freude, wie ich sie mir gar nicht größer denken kann. Habt Dank, tausend Dank!“

Er streckte seine Hand aus, und sie reichte ihm von der Veranda aus die ihrige entgegen, die er warm an seine Lippen drückte und für einen Moment fest in der seinen behielt.

„Denkt einmal an diesen Augenblick, Miß, wenn ich nicht mehr bei Euch sein werde –“

Sie fiel sichtlich erschrocken ein:

„Ihr wollt doch nicht etwa fort?“

„Nein; aber die Zukunft steht ja doch nur in Gottes Hand. Niemand weiß, was der nächste Augenblick zu bringen vermag. Wenn ich einmal nicht mehr in Eurer Nähe bin, und Eure Gedanken weilen für einen Augenblick bei mir, so seid dann überzeugt, daß mein Leben nur Euch gehört, und daß es nicht mehr vorhanden ist, weil es mir nicht vergönnt war, für Euch zu leben. Jetzt aber muß ich zu Monsieur Wilkins. Er wartet auf mich.“

Dann gab er ihr Händchen frei und entfernte sich rasch. Sie aber legte, als er um die Ecke verschwunden war, die Hände auf das Herz und hob wie betend die Augen empor. Der Lauscher hörte deutlich den lauten, tiefen und schweren Seufzer, der ihren Lippen entfloh, und die darauffolgenden Worte:

„Mein Gott! Sein Leben ist nicht mehr vorhanden, weil er nicht für mich leben durfte! So soll ich dann denken! Das heißt doch, er ist tot! O Gott, das wäre schrecklich, sehr schrecklich!“

Sie drehte sich um und trat langsam in ihr Zimmer zurück, die Tür hinter sich schließend.

„Verdammt!“ flüsterte Leflor. „Dieser Bommy ist ein sehr guter Beobachter. Er hat recht. Almy liebt diesen deutschen Schurken, und er weiß das und spekuliert auf sie. Warum auch nicht? Sie ist schön und reich. Wie schlau er es anfängt, sie zu fangen. Er seufzt und stöhnt. Wenn er direkt von seinen Absichten spräche, so würde er sie scheu machen. Das weiß er. So schmachtet er um sie herum, verdreht die Augen und spricht vom Sterben. Das erregt ihr Mitleid, und man weiß ja, daß das Mitleid die Mutter, oder doch wenigstens die Tante der Liebe ist. Also deshalb hat sie mich abgewiesen! Sie will Madame Adler sein! Oh, so weit sind wir noch lange nicht! Hier steht einer, der da einige Worte mitzusprechen hat. Zunächst wollen wir damit beginnen, zu beweisen, daß dieser Master Wilkins nun nicht reich ist, sondern sogar eine Menge Passiva hat. Master Adler soll Zeuge sein. Dann wollen wir sehen, ob er die Tochter des Bettlers noch zum Weib begehrt!“

Leflor verließ darauf sein Versteck und machte, damit man ihn nicht kommen sehe und bemerke, daß er Zeuge der Begegnung gewesen sei, einen Umweg nach dem anderen, um an die vordere Seite des Gebäudes zu gelangen.

Die Diener pflegen, selbst wenn ihnen nicht direkt etwas mitgeteilt wird, doch immer genau zu wissen, woran sie sind. Sie besitzen einen eigentümlichen Instinkt, eine außerordentliche Gabe, alles zu erraten.

Der Schwarze, der unter dem Tor stand, wußte sehr genau, daß der Besuch Leflors nicht mehr gewünscht werde. Kein Mensch hatte es ihm gesagt, aber er wußte es. Darum wunderte er sich jetzt, als er ihn kommen sah, und stellte sich so in die Mitte des Einganges, daß der Pflanzer ohne Zusammenstoß nicht an ihm vorüber konnte.

„Ist Monsieur zu Hause?“ fragte Leflor, vor ihm stehenbleibend.

„Weiß nicht!“ lautete die Antwort des Gefragten, indem er auch nicht einen Zollbreit zur Seite wich.

„Aber ich weiß es!“

„Ist möglich.“

„Also packe dich! Was stehst du da?“

„Ich stehe da, weil ich Diener von Master bin.“

„Und ich will mit Master sprechen. Mach also Platz. Warum grüßt du überhaupt nicht, Halunke?“

Leflor war als Weißer gewöhnt, mit größter Untertänigkeit behandelt zu werden. Der Schwarze antwortete lachend, die Zähne zeigend:

„Warum ich nicht grüße? Weil Massa Leflor erst auch nicht gegrüßt hat.“

„Hund! Meinst du, daß ich dich zu grüßen habe?“

„Yes, Massa. Ich stehe hier, und Massa kommt. Wer kommt, hat zuerst zu grüßen. Massa aber hat nicht einmal an den Hut gegriffen.“

„Bist du toll, Schafskopf? Die Zeit ist nicht fern, in der ich dir den Kopf zurechtsetzen lassen werde.“

Leflor gab dem Schwarzen mit dem Ellbogen einen Stoß und schritt zum Tor hinein. Der Neger rieb sich die Seite, blickte ihm nach und brummte dabei drohend: „Oh, Massa stößt mich! Komm nur wieder! Er denkt, weil er ein Weißer ist, darf er stoßen; aber ein Schwarzer hat auch Ellbogen, viel stärkere als ein Weißer. Komm nur wieder. Ich bleibe hier; ich gehe nicht fort, bis du gesehen und gefühlt, daß auch ich Ellbogen habe.“

Leflor stieg die Treppe hinauf, dann ging er durch das Vorzimmer und trat, ohne anzuklopfen, in das ihm bekannte Zimmer des Hausherrn ein.

Dieser letztere saß soeben mit dem Oberaufseher am Tisch, in ein sehr angelegentliches Gespräch vertieft. Beide zeigten sehr erstaunte Gesichter, als sie den Eintretenden erkannten, und während Adler sitzen blieb, stand Wilkins auf und sagte:

„Monsieur Leflor! Ist es möglich!“

„Daß es möglich ist, beweise ich ja.“

„Ihr bei mir!“

„Ihr seht es ja!“

„Wie kommt Ihr herein? Niemand meldete Euch!“

„Ich fand einfach keinen Menschen, der mich hätte melden können.“

„Ohne anzuklopfen!“

„Habe ich das vergessen? Nun, so ist das wohl keine Sache, von der man großen Lärm macht.“

„Wollt Ihr nicht wenigstens ablegen?“

Wilkins deutete auf den Hut, den Leflor noch auf dem Kopf behalten hatte.

„Danke. Ich habe nicht geschwitzt und werde wohl auch hier nicht dazu kommen. Warum also den Hut abnehmen?“

Das klang so höhnisch, und Leflor blickte sich dabei mit einer solchen Unverschämtheit im Zimmer um, daß Wilkins vor Erstaunen nicht wußte, was er sagen sollte.

„Monsieur“, stotterte er, „ich begreife nicht –“

„Oh, ich begreife es auch nicht“, unterbrach ihn Leflor rasch.

„Was?“

„Daß Ihr mir keinen Stuhl anbietet. Ich werde mir also aus eigener Machtvollkommenheit einen nehmen. So!“

Leflor setzte sich mit diesen Worten nieder und legte die Füße behaglich auf den Tisch, an dem Wilkins gesessen hatte. Das war nicht nur ein rüdes, gemeines Benehmen, sondern geradezu eine Beschimpfung der beiden anwesenden Herren. Wilkins, der den Ausbruch einer offenen Feindseligkeit zwischen sich und Leflor nicht wünschte, wußte nicht, wie er sich benehmen solle. Adler aber stand jetzt langsam von seinem Stuhl auf, trat näher und fragte:

„Monsieur Wilkins, wünscht Ihr, daß ich einige Diener rufe?“

„Nein, nein, Sir!“

„Oder ist es Euch recht, wenn ich diesen gemeinen Flegel selbst hinauswerfe?“

Ehe der Gefragte antworten konnte, sagte Leflor: „Das werdet Ihr bleibenlassen, Mann! Ehe Ihr die Hand ausstrecktet, hättet Ihr eine Kugel im Kopf. Dasselbe wird auch geschehen, wenn Ihr noch ein einziges Wort hören laßt, das mich beleidigen könnte. Seht her, ich habe mich vorbereitet.“

Er zog einen Revolver aus der Tasche.

„Pshaw!“ lachte Adler auf. „Ein Feigling wie Ihr darf nicht mit solchen Instrumenten spielen. Er macht sich damit nur lächerlich und kann, da er mit Waffen nicht umzugehen versteht, leicht sich selbst verletzen. Das wollen wir verhüten.“

Ein rascher Schritt, ein ebenso schneller Griff, und Adler hatte Leflor den Revolver entrissen, steckte denselben ein und trat wieder zurück. Leflor aber sprang auf ihn zu und wollte mit den Worten: „Dieb! Her mit meinem Eigentum!“ den Deutschen eben beim Arm fassen, da erhielt er aber einen so kräftigen Faustschlag an die Stirn, daß er zurückfuhr und niederstürzte.

„Da! Das ist für den Dieb!“ sagte Adler. „Ich mache es nicht wie andere, die drohen, aber zu dumm und ungeschickt zum Handeln sind. Ich drohe nicht, sondern schlage gleich zu. Ah, etwa noch einmal, Monsieur?“

Leflor hatte sich nämlich schnell aufgerafft und drang mit geballten Fäusten, vor Wut laut aufbrüllend, auf ihn ein. Für einen Gegner wie Adler war er jedoch zu ungeschickt. Er erhielt nochmals einen so kräftigen Faustschlag, daß er an die Wand taumelte.

Diese Angriffe und Abwehrungen waren so rasch geschehen und so schnell aufeinandergefolgt, daß Wilkins weder Zeit gefunden hatte, ein Wort zu sagen, noch durch eine Bewegung die Karambolage der zwei Männer zu verhüten. Jetzt trat er zwischen sie und gebot:

„Halt! Keinen Streit oder gar Kampf, Monsieur Leflor, ich ersuche Euch, mein Haus zu verlassen!“

„Ich! Euer Haus verlassen, ohne diesem Kerl gezeigt zu haben, was es heißt, sich an mir zu vergreifen? Das fällt mir gar nicht ein. Hier!“

Damit ergriff Leflor einen Stuhl, um mit demselben, den Pflanzer beiseite schiebend, Adler zu schlagen. Dieser jedoch versetzte ihm einen dritten und so derben Fausthieb, nicht an die Stirn, wie die beiden ersten Male, sondern in das Gesicht, daß dem Angreifer der Stuhl entfiel, und er, mit beiden Händen nach dem Gesicht greifend, wieder zurück gegen die Wand taumelte.

Man hatte gar nicht sehen können, wie Adler seine gedankenschnellen Hieb ausführte, der jetzt ruhig lachend dastand und, sich in höflichem Ton an Wilkins wendend, sagte:

„Ihr seht, Master, daß ich nicht der Angreifer bin; ich habe nur die Gewohnheit, mich zu wehren, wenn ich mit Worten und in der Tat angegriffen werde. Wenn es Euer Wunsch ist, werde ich freilich so tun, als ob nur wir beide hier vorhanden seien. Handelt also ganz nach Eurem Belieben.“

„Ich wünsche weiter nichts, als daß Monsieur Leflor mein Haus verläßt.“

Der Genannte hatte keine Zeit zu einer Bemerkung. Er hatte das Taschentuch gezogen, um seine bereits gestern verletzte und jetzt wieder blutende Nase abzutrocknen. Adler aber zuckte die Achsel und meinte:

„Ich kann freilich auch nicht begreifen, wie er es zu unternehmen vermag, hier ohne Gruß und Anmeldung einzudringen. Er hat bereits gestern eine vollgültige Lehre von mir erhalten. Nachher hat er vor dem dicken Sam gestanden, sich in einer Weise blamiert, daß ich an seiner Stelle mir vor Scham eine Kugel in den Kopf gejagt hätte, und ist als der Mitschuldige eines armseligen Niggers und eines noch armseligeren Verbrechers entlarvt worden. Daß er es trotzdem wagt, sich hier wieder zu zeigen, ist ein Beweis von dem gänzlichen Mangel allen Ehrgefühls.“

Leflor bückte sich, um den Hut aufzuheben, der ihm entfallen war, setzte ihn wieder auf und antwortete in stolzem Ton:

„Es wird sich sogleich zeigen, wer hier von Ehre reden kann!“

„Ihr sprecht sehr stolz, trotz der jammervollen Gestalt, die Ihr bietet. Nehmt Euern Hut ab, sonst mache ich den Lehrer, der seinen Buben zeigt, wie man es anzufangen hat, um höflich zu sein!“

Adler trat einen Schritt auf Leflor zu. Dieser hatte nun doch erkannt, daß er mit physischem Widerstand nicht weit kommen werde. Er nahm also den Hut ab und sagte:

„Wenn es Euch augenblicklichen Spaß macht, Master Wilkins, meinetwegen. Später werdet Ihr desto höflicher gegen mich sein. Diesen Herrn Aufseher aber werde ich hinauswerfen lassen, nachdem ich ihn vorher für sein jetziges Verhalten gehörig bestraft habe.“

Adler zuckte verächtlich die Achseln. Wilkins, der einen abermaligen Ausbruch der Tätlichkeiten befürchtete, winkte ihm jedoch beruhigend zu und wandte sich nun selbst an Leflor:

„Mir geht es genauso wie Monsieur Adler. Ich kann nicht begreifen, daß Ihr Euch nach dem, was gestern geschehen ist, so rasch entschlossen habt, mir eine Visite zu machen.“

„Ich habe alle Veranlassung dazu.“

„So hättet Ihr Eure Absicht in höflicher Weise ausführen sollen.“

„Seid Ihr etwa gestern höflich gegen mich gewesen?“

„Soweit es mir möglich war, bin ich es gewesen. Monsieur Adler, gebt ihm seinen Revolver wieder! Ich werde hören, was er mir zu sagen hat, und dann habt Ihr wohl die Güte, Euch wieder hier bei mir sehen zu lassen.“

„Oh“, warf Leflor schnell ein, „er braucht sich gar nicht zu entfernen. Was ich zu sagen habe, ist auch mit für ihn bestimmt. Ich bin überzeugt, daß es ihn im höchsten Grad interessieren wird.“

„So bleibt!“ sagte Wilkins zu dem Aufseher.

Dieser nickte leichthin und antwortete in Beziehung auf die an ihn ergangene Aufforderung:

„Wenn Ihr gestattet, bleibe ich. Die Waffe wird er erhalten, wenn er geht. Ich habe nicht die Absicht, es ihm so leicht zu machen, hier sein Pulver zu verpuffen.“

„Auch wünsche ich, daß Mademoiselle geholt werde“, fügte Leflor bei, indem er tat, als ob er die Worte des Deutschen gar nicht verstanden habe.

„Meint Ihr etwa meine Tochter?“ fragte Wilkins.

„Ja.“

„Ich kann mir keinen Grund denken, der ihre Anwesenheit notwendig macht.“

„Der Grund ist sogar sehr triftig.“

„So ersuche ich Euch, ihn zu sagen.“

„Das habe ich wohl nicht nötig.“

„So wird meine Tochter unserer Unterhaltung fernbleiben, Monsieur.“

„Meint Ihr etwa, daß ich den Gegenstand unseres gestrigen Gespräches heute wieder aufwärme?“

„Oh, es ist Euch zuzutrauen!“

„Da irrt Ihr Euch gewaltig. Hätte ich gestern gewußt, was ich heute weiß, so wäre es mir wohl nicht eingefallen, Euer Schwiegersohn werden zu wollen. Ihr könnt also überzeugt sein, daß ich nicht im geringsten die Absicht habe, zudringlich gegen Mademoiselle Almy zu werden.“

Leflor hatte das in stolzem, wegwerfenden Ton gesagt und nahm auf seinem Stuhl, auf dem er sich niedergesetzt hatte, eine Haltung an, als ob er jetzt ein Richter sei, der Angeklagte in aller Eile abzuurteilen hat.

Adler zog die Brauen zusammen. Was er gehört hatte, war eine Beleidigung der heimlich Geliebten, und es zuckte in ihm, dem frechen Menschen dafür einen Faustschlag zu versetzen; aber Wilkins legte ihm die Hand auf den Arm und sagte:

„Still! Wir wollen uns nicht aufregen. Monsieur Leflor will mit mir sprechen, und ich habe die Absicht, ihn anzuhören. Er wünscht, daß meine Tochter gegenwärtig sein möge; ich werde ihm auch diesen Wunsch erfüllen, wenn er mir ihn zu begründen vermag. Unterläßt er das, so gebe ich ihm den Rat, sich lieber zu entfernen. Almy wird nur dann kommen, wenn ich ihr sagen kann, daß ihre Gegenwart notwendig sei.“

„Sie ist es“, sagte Leflor. „Ich würde sie sonst gar nicht verlangen.“

„So sagt den Grund.“

„Eigentlich habe ich es gar nicht notwendig. Ich brauchte nur zu sprechen, so würdet Ihr sofort nach Eurer Tochter schicken. Aber ich will mich dennoch herbeilassen, ihn Euch zu sagen. Ich bringe nämlich Grüße von einer Person, die Miß Almy sehr nahesteht.“

„Von einer ihr nahestehenden Person? Ich wüßte nicht, wen Ihr da meinen könntet.“

„Denkt einmal nach.“

„Es gibt nur eine einzige Person, von der man dies sagen könnte, und diese Person bin ich.“

„Sollte es wirklich sonst niemand geben?“

Leflors Blick war mit schadenfroher Spannung auf den Pflanzer gerichtet.

„Nein“, antwortete dieser.

„Sonderbar! Ich denke doch, ein Verlobter müsse der Dame nahestehen, die bestimmt ist, seine Frau zu werden. Oder sollte ich mich da vielleicht irren?“

Wilkins horchte auf.

„Ihr sprecht von einem Verlobten Almys? Da gibt es keinen, Sir.“

„O doch! Ich bin überzeugt davon.“

„Wer wäre das?“

„Ein gewisser Arthur.“

Als Wilkins diesen Namen hörte, machte er eine Bewegung des Erstaunens.

„Arthur! Herrgott! Wen meint Ihr?“

„Ihr habt doch wohl einen Neffen, der diesen schönen, poetischen Namen trägt?“

„Freilich. Ich habe ihn aber nicht, sondern ich hatte ihn. Er ist verschollen.“

„Das hat Euch jedenfalls Freude gemacht?“

„Wie kommt Ihr zu dieser Frage?“

„Nun, es gibt Umstände, unter denen es einem Oheim sehr lieb ist, wenn sein Neffe verschwindet.“

„Das kann ich mir nicht denken. Wie kommt Ihr übrigens dazu, meinen Neffen Arthur den Verlobten meiner Tochter zu nennen?“

„Hm! Ist er es etwa nicht?“

„Er war es, aber niemand wußte davon. Selbst Almy hat bis heute keine Ahnung davon gehabt. Ich bin nicht imstande, mir zu denken, auf welche Weise Ihr zu diesem Geheimnis gekommen seid.“

„Und doch ist das sehr leicht zu denken. Ich habe Euch ja gesagt, daß ich Grüße bringe.“

„Doch nicht etwa von Arthur selbst?“

„Von ihm selbst.“

„Unmöglich!“

„Wirklich! Und zwar bringe ich von ihm nicht nur Grüße, sondern sogar Briefe oder doch wenigstens Schriftstücke, für die Ihr Euch im höchsten Grad interessieren werdet, Ihr, Eure Tochter und wohl auch dieser Master Adler, der Euch so außerordentlich in Schutz genommen hat, und welcher die Absicht besitzt, Eurer Tochter sein Leben zu widmen.“

„Sein Leben? Wieso?“

„Hm! Ich hörte, daß er ihr sagte, sie solle später denken, er lebe gar nicht mehr.“

„Lauscher!“ rief Adler. „Wer gibt Euch das Recht, hier umherzuschleichen und –“

„Halt! Still!“ sagte Wilkins. „Keinen Streit wieder! Was ich da von Arthur höre, das ist mir freilich in solchem Grad interessant, daß ich jetzt nichts anderes zu hören vermag. Also Ihr bringt Grüße und Schriften von ihm, Monsieur? Ist dies wahr?“

„Natürlich!“

„Herrgott! So lebt er?“

„Ich weiß das nicht genau. Ich weiß nur, daß er der Verfasser der betreffenden Schriftstücke ist. Sie sind in meine Hände gekommen, und ich halte es für meine Pflicht, Euch davon zu benachrichtigen.“

„Das ist recht, sehr recht von Euch, Monsieur. Das söhnt mich vollständig mit Euch aus. Hier ist meine Hand. Lassen wir das Vergangene vergessen sein!“

Er streckte Leflor die Hand entgegen. Dieser ergriff sie und antwortete:

„Jawohl! Lassen wir das Vergangene vergessen sein und nehmen wir die neuen Verhältnisse so, wie sie uns geboten werden!“

„Die neuen Verhältnisse? Ich meine doch, daß alles beim alten bleiben möge.“

„Oh, es wird sich doch vielleicht einiges ändern, und ich bin ganz gern bereit, mich darein zu fügen.“

„Ich begreife nicht, was Ihr meint. Hoffentlich darf ich bitten, mich die Grüße hören und die Schriftstücke, von denen Ihr sprecht, lesen zu lassen.“

„Natürlich. Aber ich habe gewünscht, daß dies nur in Gegenwart Eurer Tochter geschehen möge.“

„Gut, gut! Ich gehe, sie zu holen.“

Wilkins ging eiligen Schrittes nach der Tür. Als er sie geöffnet hatte, um das Zimmer zu verlassen, wandte er sich noch einmal um und sagte besorgten Tons:

„Aber bitte, keine Feindseligkeiten während meiner Abwesenheit!“

„O nein, gewiß nicht!“ antwortete Leflor.

Aber als der Pflanzer fort war, trat ersterer an das Fenster, blickte hinaus, drehte Adler den Rücken zu und sagte wie zu sich selbst:

„Wenn ich nicht mehr in Eurer Nähe bin, und Eure Gedanken weilen für einen Augenblick bei mir, so seid dann überzeugt, daß mein Leben nur Euch gehört, und daß es nicht mehr vorhanden ist, weil es mir nicht vergönnt war, für Euch zu leben!“

„Schuft!“ murmelte Adler. Das war nur halblaut gewesen, Leflor hatte es aber doch gehört und wandte sich um.

„Galt dieses schöne Wort mir?“

„Natürlich!“

„Hm! Ich nehme das ruhig hin, weil ich Euch im höchsten Grad überlegen bin.“

„Wundersam!“

„O doch! Ich gefalle mir einmal heute in der Rolle des Löwen, der sich von dem kleinen Hündchen ankläffen läßt, weil er im Vollgefühl seiner Stärke sehr wohl weiß, daß es nur eines Druckes bedarf, den Kläffer zu zermalmen und zu verschlingen.“

„Der Vergleich ist sehr alt und sehr unzutreffend. Ich denke, daß das Hündchen den mächtigen Löwen nicht nur angekläfft hat.“

„Nur angekläfft! Was Ihr getan habt, das war nur ein Gekläff gegen das, was ich zu tun vermag. Ich werde es beweisen.“

„So führt diesen Beweis so rasch wie möglich, sonst wird das Hündchen den Löwen verschlingen, ehe es Euch gelungen ist, nur zu Wort zu kommen!“

In diesem Moment kam Wilkins zurück und brachte Almy mit, der es anzusehen war, wie ungern sie seiner Aufforderung gefolgt war.

„Hier ist meine Tochter“, sagte er. „Jetzt redet!“

Almy war zu Adler getreten.

„Bitte“, flüsterte sie, „keinen Streit mit ihm! Er ist es ja doch nicht wert, daß Ihr nur mit ihm redet.“

Ihr Vater hatte ihr also wohl einige Andeutungen über das Geschehene gemacht. Adler antwortete mit einer zustimmenden Verneigung.

Leflor war nicht einmal aufgestanden, um Almy zu begrüßen. Er blieb sitzen und entgegnete auf Wilkins Aufforderung:

„So schnell und so gut, wie Ihr gebietet, kann ich mich leider nicht fassen. Habt Ihr der Miß gesagt, um was es sich handelt?“

„Sie weiß, daß Ihr Grüße von Arthur bringt.“

„Weiß sie auch, daß er ihr Verlobter ist?“

„Noch nicht. Ich will ihr aber –“

„Arthur mein Verlobter?“ fiel Almy ihrem Vater in die Rede. „Aber Pa, das kann doch nichts als ein Irrtum sein. Ich müßte davon wissen.“

„Eigentlich müßtest du davon wissen, das ist wahr, aber wir hatten unsere guten Gründe, es dir gegenüber noch zu verschweigen.“

„Ja, die hattet Ihr“, lachte Leflor höhnisch.

„Wie meint Ihr das, Sir?“ fragte Wilkins.

„Ganz so, wie ich es Euch sagte: Ihr hattet Eure sehr guten Gründe.“

„Natürlich. Aber ich sehe nicht ein, was Ihr dabei in dieser Weise zu lachen habt.“

„Oh, Eure Gründe geben mir solchen Spaß.“

„Das verstehe ich nicht. Ihr könnt meine Gründe ja gar nicht wissen.“

„Wenn ich sie nicht weiß, so kann ich sie mir doch wenigstens denken.“

„Vielleicht, ja. Als Almy mit Arthur versprochen wurde, war sie noch zu klein, um zu begreifen, um was es sich handelte. Darum wurde ihr nichts gesagt. Außerdem wollte ich ihre Regungen nicht beeinflussen. Ich war überzeugt, daß sie ihren Cousin ganz von selbst lieben werde.“

„Das hätte Euch den Kram erleichtert!“

„Ja, obgleich ich nicht einsehen kann, wie Ihr dazu kommt, das so ungewöhnliche, aber ebenso ordinäre Wort Kram zu gebrauchen.“

„Nun, dann will ich mich anders ausdrücken, Master Wilkins. Ich will Euch also nicht sagen, daß es Euch den Kram erleichtert hätte, sondern daß es Euch eine sehr große Sorge vom Hals genommen hätte.“

„Sorge? Welche etwa?“

„Wie nun, wenn Eure Tochter ihren Cousin nicht geliebt hätte?“

„Das war unmöglich. Leider trat er dann eine so weite Reise an und ist nicht zurückgekehrt.“

„Setzen wir aber den Fall, sie hätte ihn nicht so geliebt, wie man den Mann liebt, dem man für das ganze Leben angehört?“

„Welchen Zweck hat Eure Frage?“

„Und setzen wir noch den anderen Fall, daß er hiergeblieben wäre, anstatt seine weite und gefährliche Reise anzutreten. Was dann?“

„Nun, so hätte er wohl eine andere geheiratet.“

„Und sein Vermögen –?“

Der Blick des Sprechers war jetzt mit durchdringender Schärfe auf Wilkins gerichtet. Letzterer wurde um einen Schatten bleicher und antwortete:

„Sein Vermögen hätte ich ihm auszahlen müssen.“

„Während es jetzt Euch gehört?“

„Ja.“

„Mit welchem Rechte?“

„Er ist spurlos verschwunden, und ich bin sein einziger Erbe.“

„Ach so! Hm, hm! Hättet Ihr ihm denn auch wirklich sein Vermögen auszahlen können?“

„Warum nicht?“

„Vielleicht wäre es zu bedeutend gewesen und hätte Eure Kräfte überstiegen.“

„Ganz gewiß nicht. Jedermann weiß, daß ich mit meinem Bruder diese Pflanzung in Kompanie besaß. Sie gehörte ihm zur Hälfte. Nach seinem Tod ging die Hälfte natürlich auf Arthur, seinen einzigen Sohn, über.“

„Ja, ja, wie einfach diese Angelegenheit steht oder vielmehr zu stehen scheint!“

„Wie soll sie anders stehen?“

Adler hatte sich, seit Almy eingetreten war, nicht wieder gesetzt. Er hatte sich an die Wand gelehnt. Die Arme über der Brust verschlungen, beobachtete er Leflor. Jetzt trat er einen Schritt vor und sagte:

„Bitte, Monsieur Wilkins, laßt Euch doch von diesem Mann nicht an der Nase herumziehen. Er hat etwas gegen Euch. Seine Absicht ist keine gute. Er will Euch irgendeinen Streich spielen, irgendeinen Hieb versetzen. Er weiß irgend etwas von Euch und gibt Euch jetzt das Gift tropfenweise ein. Seht sein hämisches Lächeln. Er mag reden. Er mag sagen, was er will. Dann wissen wir es und werden ihm eine ebenso kurze und bestimmte Antwort geben.“

Leflor lachte höhnisch auf.

„Welch ein scharfsinniger Mensch dieser Deutsche ist!“ sagte er. „Er hat es ganz richtig erraten. Ich habe einen Streich in petto. Ich werde es kurz machen. Ich will Euch eine Geschichte erzählen.“

„Macht keine Faxen!“ sagte Wilkins. „Ich habe keine Zeit, Geschichten zu hören.“

„Die meinige könnt und müßt Ihr hören, Sir. Ich werde mich Euch zuliebe sehr kurz fassen. Ihr werdet bereits bei den ersten Worten bemerken, daß die Erzählung höchst interessant ist. Also: Es waren einmal zwei Brüder, die ganz gleiche Mittel besaßen. Sie kauften eine Pflanzung in Kompanie und zahlten jeder die Hälfte des Preises. Beide waren sehr brave Männer, aber von politisch verschiedenen Ansichten. Als der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten ausbrach, hielt es der eine mit dem Norden und der andere mit dem Süden.“

Der Erzähler machte eine Pause und fixierte Wilkins mit scharfem Blick. Dieser rückte sehr verlegen auf seinem Stuhl.

„Die Brüder zankten sich freilich nicht über ihre politischen Gesinnungen, denn sie hatten sich herzlich lieb. Der eine, der es mit dem Norden hielt, machte seine Hälfte flüssig und unterstützte damit die Regierung des Nordens. Sein Geld wurde alle. Als der Krieg zu Ende war und der Norden gewonnen hatte, dachte man an die Opfer gar nicht, die der brave Mann gebracht hatte, der zu stolz dazu war, Ansprüche zu erheben. Eigentlich war er nun ein armer Mann. Er hatte es dem Bruder schwarz auf weiß geben müssen, daß er sein Vermögen ausgezahlt erhalten hatte. Letzterer aber hatte Mitleid und sagte: ‚Laß das Verlorene fahren. Wir haben noch Geld genug. Ich habe einen Sohn, du hast eine Tochter. Beide mögen sich heiraten, so kommt meine Hälfte, die uns ja übriggeblieben ist, auch dir zugute.‘ So sagte der brave Mann, dann – starb er.“

Der Erzähler hielt abermals inne. Wilkins hatte den Kopf in die Lehne des Stuhls gelegt. Er sah leichenblaß aus. Jetzt stand er langsam auf, starrte Leflor an und fragte mit zitternder Stimme:

„Monsieur, woher wißt Ihr das?“

„Dachtet Ihr vielleicht, es sei ein Geheimnis?“

„Niemand wußte es als ich, als mein Bruder und sein Sohn. Keiner von uns dreien hat es verraten.“

„Hm! Davon nachher! Gefällt Euch die Geschichte?“

„Peinigt mich nicht! Wer hat es Euch erzählt?“

„Sagt mir erst, warum Ihr so erregt seid! Gesteht Ihr es vielleicht, daß Ihr selbst jener Bruder seid, der sein Vermögen vergeudete?“

„Vergeudete? Nein! Ich habe es auf dem Altar des Vaterlandes geopfert.“

„Nennt es, wie Ihr wollt. Aber es war nicht nur Euer Anteil, den Ihr Euch auszahlen ließet. Ihr stelltet auch noch Papiere auf Euern Bruder aus, im Wert von dreißigtausend Dollar, und er löste sie ein. Ist das wahr oder nicht?“

„Es ist wahr. Aber meint Ihr etwa, daß diese Papiere gefälscht gewesen seien?“

„O nein. Es ist alles höchst ehrlich zugegangen!“ Und in höhnischer Aufrichtigkeit fügte Leflor hinzu: „Ehrlicher als mir jetzt lieb ist!“

„Dann begreife ich aber gar nicht, wie Ihr dazu gekommen seid, dies alles zu erfahren.“

„Sehr einfach: Euer Neffe hat es ausgeplaudert.“

„Das ist nicht wahr.“

„Oho! Wer soll es denn sonst gesagt haben? Es war Geheimnis, das ist sehr richtig. Euer Bruder starb, hat das Geheimnis mit in das Jenseits hinübergenommen, und der Tote plaudert bekanntlich nicht. Ihr selbst habt Euch natürlich gehütet, etwas zu sagen. Wer bleibt da noch übrig als Euer Neffe?“

„Ich kann es nicht glauben.“

„War er denn einverstanden, Almy auch wirklich zu heiraten, wie es der Wille der Väter war?“

„Er hat sich niemals geweigert.“

„Aber wirklich liebgehabt, nämlich wie man eine Braut liebt, hat er sie auch nicht, sonst hätte er es wohl unterlassen, Euch diesen Streich zu spielen.“

„Welchen Streich?“

„Ahnt Ihr es nicht?“

„Ich habe nicht die mindeste Ahnung, was Ihr meinen könntet.“

„O weh! Ich dachte bisher, daß er es Euch brieflich mitgeteilt habe.“

„Kein Wort.“

„So tut es mir leid, Euch so unangenehm überraschen zu müssen.“

Leflor stand langsam auf. Auch Wilkins erhob sich. Er hatte keine Farbe mehr im Gesicht. Er wußte, daß Leflor sich an ihm rächen wolle und konnte sich denken, daß das, was er jetzt hören werde, nichts Gutes sei, zumal Leflor es selbst als etwas Unangenehmes bezeichnet hatte.

„Was habt Ihr mir mitzuteilen?“ fragte er.

„Nichts weiter, als daß ich gekommen bin, mich Euch als den gegenwärtigen Besitzer von Wilkinsfield vorzustellen, Monsieur und Mademoiselle.“

Damit machte Leflor den beiden Genannten eine tiefe, höhnische Verneigung. Almy blieb still. Sie blickte nur ihren Vater besorgt an. Auch dieser fand keine Worte. Er hielt die Augen weit geöffnet und starr auf Leflor gerichtet. Seine Lippen bebten, seine Hände zuckten, er wollte sprechen und konnte nicht.

„Vater, mein Vater! Fasse dich!“ bat die Tochter, indem sie schnell herbeitrat und die Arme um ihn legte.

Auch Adler kam herbei, ihn zu stützen. Leflor jedoch musterte die Gruppe und sagte:

„Wunderschön! Gerade wie auf der Bühne! Ein ausgezeichnetes Tableau! Außerordentlich rührend!“

Das gab dem Pflanzer seine Selbstbeherrschung zurück. Er wehrte Adler und Almy von sich ab, und er sagte bittend:

„Laßt mich! Entweder haben wir falsch verstanden, oder es liegt sonst ein ungeheurer Irrtum vor, der sich sogleich aufklären muß.“

„Ein Irrtum ist nicht vorhanden. Aufklärung aber könnt Ihr allerdings sogleich finden“, entgegnete Leflor, indem er in die Tasche griff und sein Portefeuille hervorzog.

„Ja, um diese Aufklärung muß ich freilich bitten!“

„Natürlich! Aber es kann mir nicht einfallen, diese Papiere in Eure Hand zu geben ohne alle Sicherheit, daß Ihr sie mir sofort wieder aushändigt.“

„Ich gebe sie zurück, sobald ich sie gelesen habe.“

„Euer Ehrenwort?“

„Ja. Ich hoffe, daß Euch dieses genügen werde.“

„Natürlich. Ihr habt noch niemals Euer Wort gebrochen. Also hier nehmt zunächst diese drei Anweisungen, jede auf zehntausend Dollar, zahlbar von Eurem Bruder, ausgestellt von Euch.“

Wilkins betrachtete die Papiere genau.

„Ja, sie sind es“, sagte er.

„Hier nehmt sodann Eure eigene Erklärung und Unterschrift, daß Euer Bruder Euch Euern Anteil an der Plantage und noch dreißigtausend Dollar darüber ausgezahlt habe, notariell beglaubigt und petschiert. Ist's richtig?“

„Ja“, gestand Wilkins, nachdem er das Dokument geprüft hatte.

„Ihr gebt also zu, daß die Pflanzung nun Eurem Neffen Arthur Wilkins gehörte?“

„Als ehrlicher Mann muß ich es zugeben.“

„Und daß Ihr sie ihm nur verwaltet habt?“

„Ja.“

„Daß Ihr ihm jene dreißigtausend Dollar schuldig seid? Oder habt Ihr sie ihm zurückgegeben?“

„Nein.“

„Schön! Ist er mündig?“

„Ja, wenn er noch lebt.“

„Er hat also das Recht, die Pflanzung zu verkaufen, an wen es ihm beliebt?“

„Dieses Recht hat er; aber ich bin überzeugt, daß er diesen Schritt niemals tun wird, ohne es mir zu melden und mich um Rat zu fragen.“

„Da irrt Ihr. Er hat es getan.“

„Nein und abermals nein und tausendmal nein.“

„Und ja und abermals ja und tausendmal ja.“

„Wo soll er es getan haben?“

„In Santa Fé.“

„An wen?“

„An einen Amerikaner Namens Walker. Ihm habe ich die Pflanzung wieder abgekauft und sogleich bar bezahlt.“

„Ihr seid ja nie in Santa Fé gewesen.“

„Er war hier bei mir. Hier habt Ihr das Dokument über den Kauf in Santa Fé. Prüft es! Ihr werdet nichts Unrechtes darin finden.“

Der Pflanzer nahm das Schriftstück, prüfte jede Zeile und jedes Wort. Dann ließ er es auf den Tisch fallen, sank selbst in den Stuhl und sagte:

„Es ist wahr, unglaublich und dennoch wahr! Er hat die Farm verkauft mit allem, allem, allem!“

„Ist keine Täuschung möglich?“ fragte Adler.

„Nein. Der Kauf ist vor dem Mayor abgeschlossen worden. Dieser hat die Rechte Arthurs genau geprüft und als unanfechtbar erklärt. So unanfechtbar sind nun auch die Rechte jenes Walker.“

„Walker! Ah! Ist es vielleicht derselbe Walker, den Monsieur Leflor gestern gerettet und mit nach Hause genommen hat?“

„Ganz derselbe“, lachte Leflor. „Bei mir angekommen, habe ich ihm die Pflanzung abgekauft. Vorhin ist er bereits wieder abgereist. Ihr mögt daraus ersehen, daß er sich eigentlich hier ganz gut hätte öffentlich sehen lassen können. Er war der Besitzer.“

„Könnt Ihr denn beweisen, daß Ihr ihm die Pflanzung auch wirklich abgekauft habt?“

„Zur Evidenz. Hier ist der Kaufvertrag!“

Wilkins prüfte auch dieses Dokument. Es war genau nach Vorschrift abgefaßt. Selbst der kniffligste Advokat hätte nicht den geringsten Fehler oder auch nur die kleinste Nachlässigkeit zu entdecken vermocht.

Leflor erhielt das Schriftstück wieder und fragte:

„Erkennt Ihr es an?“

„Diese Frage kann ich natürlich nicht beantworten.“

„Was gedenkt Ihr zu tun?“

„Auch das weiß ich nicht.“

„Nun, ich will zugeben, daß Euch diese Angelegenheit nicht nur ungelegen kommt, sondern daß sie sogar ein schwerer Schlag für Euch ist. Aber machen könnt Ihr nichts. Es ist am allerbesten, Ihr fügt Euch in das Unvermeidliche.“

„Ich werde natürlich einen Rechtsgelehrten fragen.“

„Gut. Ich gebe Euch eine volle Woche Zeit. Habt Ihr bis dahin noch keinen Entschluß gefaßt, so mache ich meine Ansprüche bei der Behörde geltend und lasse Euch ganz einfach hinauswerfen.“

„Damit werdet Ihr doch wohl noch ein Weilchen warten müssen, Monsieur.“

„Wollen sehen! Meine gerechten und wohlbezahlten Ansprüche anfechten zu wollen, das wäre ein Unsinn. Mit dieser Angelegenheit sind wir fertig. Die Pflanzung gehört mir. Wie aber steht es denn nun eigentlich mit jener Summe?“

„Mit welcher Summe?“ fragte Wilkins erstaunt.

„Nun, mit den dreißigtausend Dollar?“

„Wie soll es denn mit ihnen stehen? Die bin ich meinem Neffen schuldig.“

„Nicht mehr. Er hat die Schuld verkauft.“

„Oho! An wen?“

„An jenen Walker. Diesem habe ich sie gestern wieder abgekauft. Das könnt Ihr Euch ja denken, da Ihr mich im Besitz Eures Dokumentes seht.“

„Beweist es mir!“

„Sehr gern. Hier, lest einmal diese Schriften.“

Wilkins las. Als er fertig war, sagte er, fast stöhnend:

„Es ist wahr. Er hat auch diese Schuld verkauft.“

„Das möchte ich doch nicht glauben“, meinte Adler. „Habt Ihr Euch denn nicht gut mit ihm gestanden?“

„Oh, stets, stets!“

„Ist er in Unfrieden von Euch geschieden?“

„Nein, ganz das Gegenteil.“

„So will ich glauben, daß er aus irgendeinem uns unbekannten Grund die Pflanzung verkauft hat. Dies hat ihm eine sehr bedeutende Summe eingebracht. Die Schuld hätte er dann aber nur in der Absicht verkaufen können, Euch vollständig und gründlich zu ruinieren. Das tut kein Neffe seinem Onkel gegenüber.“

„Es ist aber hier seine Handschrift.“

„Wißt Ihr das so genau?“

„Als ob es meine eigene wäre.“

„Und dennoch glaube ich nicht daran.“

Da bemerkte Leflor in scharfem Ton:

„Ob Ihr daran glaubt oder nicht, das ist hier ganz gleichgültig! Ihr werdet jedenfalls gar nicht gefragt werden, und darum kann ich Euch nur raten. Euer Mundwerk unbewegt zu lassen.“

Adler antwortete dagegen in ruhigem Ton:

„Es mag Euch sehr wohl tun, hier in dieser Weise auftreten zu können. Ihr meint, in Wilkinsfield Herr zu sein, und aus diesem Grund –“

„Und aus diesem Grund werdet Ihr der erste sein, den ich zum Teufel jage“, fiel Leflor ein.

„Daß Ihr das beabsichtigt, davon bin ich vollständig überzeugt; aber gelingen wird es Euch nicht!“

„Oho! Meint Ihr, wenn es zum Prozeß kommt, daß ich ihn verlieren werde?“

„Ob Ihr ihn gewinnt oder verliert, das ist ganz gleich in dieser Frage. Zum Teufel jagt Ihr mich auf keinen Fall. Wenn Ihr den Fuß hierhersetzen solltet, bin ich längst schon fort.“

„Das ist Euer Glück, denn ich würde Euch einige gute Hunde zwischen die Beine jagen.“

„Tut das in Eurer Phantasie, die allerdings einen sehr hündischen Charakter zu haben scheint; in Wirklichkeit werdet Ihr es nicht fertigbringen.“

„So macht Euch schleunigst fort, denn ich komme sehr bald. Selbst wenn ich prozessieren muß, werde ich bereits heute Schritte tun, mein Guthaben von dreißigtausend Dollar einzutreiben. Drüben in Eurem guten Deutschland mag der Gläubiger kein Recht besitzen; hier aber bei uns gibt es zum Glück noch die Schuldhaft. Das müßt Ihr bedenken. Wenn Master Wilkins mich nicht bezahlt, lasse ich ihn einstecken. Und wenn ich Ansprüche auf die Pflanzung mache und er im Gefängnis sitzt, werde ich einen Sequester einsetzen und Euch fortjagen lassen.“

„Hm! Euer Advokat ist ein schlauer Kerl!“

„Ja. Euch ist er jedenfalls gewachsen. Also, Monsieur Wilkins, könnt Ihr bezahlen?“

„Nein.“

„So müßt Ihr unbedingt in das Loch!“

„Nur nicht so eilig!“ fiel Adler ein. „Ehe Ihr von Schuldhaft redet, müßt Ihr daran denken, daß auch Eure Ansprüche bezüglich der dreißigtausend Dollar nicht gerichtlich anerkannt sind. Bis dies geschehen ist, könnt Ihr einstweilen Euch in das Loch setzen, von dem Ihr redet. Wenn Monsieur Wilkins auf meinen Rat hört, so zeigt er Euch jetzt die Tür. Das ist jedenfalls das allerbeste, was er tun kann.“

„Meint Ihr? Schaut doch einmal an, wie klug und weise Ihr seid! Auch ich habe einen guten Rat für ihn, der aber tausendmal besser ist als der Eurige. Wenn er verständig ist, wird er übrigens einsehen, daß ich es viel besser mit ihm meine, als Ihr. Eure Absichten kenne ich.“

Wilkins war von dem, was er jetzt erfahren hatte, beinahe betäubt. Es summte und brummte ihm in den Ohren, und es flimmerte ihm vor den Augen. Er hörte ganz genau, was gesprochen wurde, aber die Worte drangen wie aus der Ferne herüber und durch das Rauschen einer Brandung zu ihm. Als er jetzt die letzten Worte Leflors vernahm, glaubte er, Rettung finden zu können. Darum fragte er ihn:

„Welchen Rat habt Ihr denn für mich?“

„Könnt Ihr ihn Euch nicht denken?“

„Nein.“

„Und er ist doch so sehr einfach! Indem ich Euch diesen Rat gebe, beweise ich Euch, daß Ihr keinen besseren Freund besitzt als mich, und daß ein jeder andere Mensch, der anders redet als ich, es nur auf seinen eigenen Vorteil abgesehen hat, nicht aber auf den Eurigen. Ich wundere mich wirklich selbst über mich. Ich befinde mich in einer so versöhnlichen Stimmung, als hättet Ihr mir nur lauter Gutes getan, anstatt so viel Böses. Ich will auch das, was gestern geschehen ist, vergessen und nie wieder daran denken; aber ich hoffe, daß Ihr auch einsehen werdet, wie gut ich es meine.“

„So sagt, was Ihr ratet.“

„Gut! Ich bin überzeugt, daß Ihr meinen Rat befolgen werdet. Es gibt ja wirklich weiter nichts für Euch. Wenn Ihr verständig seid, könnt Ihr die Pflanzung für Euch retten. Sucht nach einem reichen Mann für Miß Almy, der die Mittel besitzt, die Pflanzung zu erwerben!“

„Würdet Ihr dann bereit sein, sie wieder zu verkaufen, falls sie Euch zugesprochen würde?“

„Nein; im ganzen Leben nicht.“

„Nun, so könnte auch der reichste Schwiegersohn sie nicht erwerben.“

„Ist auch nicht nötig. Ihr müßt nur einen wählen, dem die Pflanzung bereits gehört.“

„Ah, das ist deutlich genug! Ihr meint Euch selbst?“

„Ja. Das würde der ganzen Geschichte das beste Ende geben. Ich hoffe, Ihr seht das ein!“

„Natürlich sehe ich es ein. Ihr kommt und nehmt mir die Pflanzung. Dazu gebe ich Euch noch dreißigtausend Dollar und meine Tochter! Hm!“

„Ihr lacht?“

„Vor Freude nicht!“

„Das gebe ich zu. Ich habe Verstand genug, einzusehen, wie unangenehm Euch diese Angelegenheit ist. Aber wenn Ihr denselben Verstand habt, so werdet Ihr auch erkennen, daß mein Rat der beste ist.“

Da stand Wilkins von seinem Stuhl auf, drehte sich zu Adler und fragte:

„Was sagt Ihr dazu?“

„Was ich bereits gesagt habe: Jagt den Menschen fort!“

Doch Leflor trat herzu, stellte sich Adler gegenüber und sprach:

„Ich habe nicht die geringste Lust, mich hier noch mehr zu ärgern, als es bereits geschehen ist. Dieser Mann gibt Euch einen Rat, und ich habe Euch einen gegeben. Welchen wollt Ihr befolgen?“

Wilkins befand sich in größter Verlegenheit. Er kannte das Land und seine Verhältnisse. Er wußte, daß er einer schweren Zeit entgegengehe. Das alles konnte er vermeiden, wenn er Leflors Wunsch erfüllte. Darum wandte er sich an seine Tochter:

„Almy, antworte du an meiner Stelle! Aber mache mir dann später keine Vorwürfe, wenn ich nach deinem Willen handle, und es wird anders und schlimmer als du denkst.“

„Wirst auch du mir keine machen?“

„Gewiß nicht!“

„So will ich lieber arbeiten, daß meine Hände bluten, und lieber verhungern, als daß ich einem Mann angehöre, der Leflor heißt.“

Der Genannte stieß einen Laut aus, der spitz und scharf wie ein Pfiff aus seinem Mund tönte. Er hatte wirklich geglaubt, daß man sich nach seinem Rat richten werde. Jetzt stieß er hervor:

„Das ist ja Unsinn! Da rennt Ihr ja mit offenen Augen in das Verderben!“

„Dieses Verderben ist mir angenehmer als Ihr!“ antwortete das schöne Mädchen.

Das war ihm denn doch zuviel.

„Ah!“ zischte er. „Wenn ich Euer Vater wäre!“

Almy hatte sich bisher scheinbar gleichgültig gehalten. Während der ganzen Unglücksbotschaft war ihr kein Wort des Schreckes entfahren, denn sie war viel zu stolz und verachtete Leflor viel zu sehr, als daß sie ihn hätte merken lassen wollen, wie tief sie von dem Verlust, der sie treffen sollte, erschüttert sei. Jetzt aber stand sie stolz und erhobenen Hauptes vor ihm, um ihm zu sagen, was sie zu sagen hatte, und fragte streng:

„Was würdet Ihr tun, wenn Ihr mein Vater wäret, Monsieur Leflor?“

„Ich würde Euch befehlen, meinen Willen zu tun.“

„Und wenn ich nicht gehorchte?“

„So würde ich Euch zwingen.“

„Womit?“

„Mit – mit – mit allem, womit man ungeratene Kinder zu zwingen vermag.“

„Nun, mein Vater ist nicht so unglücklich, ungeratene Kinder zu besitzen. Schade, daß der Eurige nicht mehr lebt. Er könnte das von Euch erwähnte Experiment an Euch vornehmen. Mein letztes Wort ist gesprochen. Eure Anwesenheit hat keinen Zweck mehr. Ihr könnt gehen!“

Almy stand, trotz ihrer Jugend, da wie eine Königin. Ihr erhobener Arm zeigte nach der Tür. Ihre Augen blitzten. Sie war in ihrem Stolz, in ihrem sittlichen Zorn, in ihrer weiblichen Entrüstung so schön, so entzückend schön, daß Adler kein Auge von ihr zu wenden vermochte.

Aber Leflor ging es ebenso. Er vergaß zu gehen. Er blieb stehen, das Auge auf sie gerichtet, als ob er sie verschlingen wolle.

„Nun?“ rief sie.

Da fuhr er zusammen und griff nach seinem Hut.

„Also wirklich?“ fragte er.

„Wirklich! Keinen Augenblick länger, sonst rufe ich nach der Dienerschaft.“

Bereits hob er den Fuß, um zu gehen. Da aber übermannte ihn der Eindruck ihrer Schönheit; er wandte sich zurück und rief, seiner nicht mehr mächtig:

„Ja, ich gehe, aber nur einstweilen; dann komme ich zurück, um dich zu meinem Weib zu machen. Du wirst es, du wirst! Ich schwöre es! Wenn alle Engel und alle Teufel dagegen wären, du würdest dennoch mir gehören. Du bist mein Eigentum. Hier ist das Zeichen!“

Zwei schnelle Schritte, und er ergriff sie, riß sie in seine Arme und wollte sie küssen. Sie stieß einen Schrei aus und beugte das Köpfchen zur Seite. In demselben Augenblick aber hatte auch schon Adler ihn am Hals gefaßt, so daß der Freche nun seinerseits einen lauten Schrei ausstieß. Adler warf ihn wie einen Ball an die Tür, so daß sie aufsprang und Leflor im Vorzimmer hinstürzte. Ehe er sich erheben konnte, hatte ersterer ihn schon wieder gepackt und schleuderte ihn zur vorderen Tür hinaus.

Natürlich flog Leflor auf die steinernen Platten des Flurs. In dem letzteren aber stand der Neger, der den Weißen noch erwartete. Als er ihn jetzt in diesem Zustand erblickte, sprang er auf ihn zu und rief lachend:

„O Jessus, Jessus! Wer kommt da? Massa Leflor kommt geflogen! Soll weiter fliegen!“

Dann griff auch er den Weißen vom Boden auf, schüttelte ihn, als ob alle Knochen klappern sollten, und warf ihn vollends zum Tor hinaus. Das ging so gedankenschnell, daß jetzt erst Adler aus der Tür trat. Er sah Leflor nicht, aber den Schwarzen und fragte:

„Wo ist der Kerl?“

Der Neger lachte im ganzen Gesicht, so daß sein Mund von einem Ohr bis an das andere reichte, deutete hinaus auf den Vorplatz und antwortete:

„Dort liegt er, Massa! Soll ich ihn noch über den Garten wegwerfen und nachher vielleicht noch in die Wolken hinauf?“

„Nein, mein Lieber! Er hat genug. Laß ihn laufen!“

„Er wird schnell genug machen, daß er fortkommt.“

Adler trat unter das Tor, schoß, um allen Eventualitäten vorzubeugen, sämtliche Schüsse des Revolvers ab, warf ihn seinem Besitzer nach, befahl dem Schwarzen, letzteren nicht wieder einzulassen, und kehrte dann zu Vater und Tochter zurück.

Leflor hatte keinen Schaden genommen, aber es war ihm, als stecke er in einer Pauke, auf der tausend Musikanten herumtrommelten. Er sagte kein Wort, raffte sich und seinen Revolver von der Erde auf und hinkte davon. Es war natürlich vorauszusehen, daß er alles aufbieten werde, sich auf die eklatanteste Weise zu rächen. – – –

Eine geraume Zeit nach den soeben geschilderten Ereignissen ritt ein einsamer Mann langsam den Wellen eines kleinen Baches entgegen, der von einer fernen Höhe kam. Diese Höhe schien das Ziel des Reiters zu sein.

Er war kein junger Mann mehr und hatte jedenfalls die Fünfzig bereits zurückgelegt. Sein Gesicht war wetterbraun, aber das Auge blickte hell und jugendfrisch in die Ferne.

Doch nicht bloß in die Ferne. Es suchte auch rechts und links die Büsche zu durchdringen. Zuweilen neigte er den Kopf zur Seite, um auf irgendein Geräusch zu lauschen. In solchen Augenblicken hielt er das Gewehr schußfertig in der Hand.

So ritt er langsam weiter. Sein mageres Pferd war höchst ermattet, und auch er selbst schien ermüdet zu sein. Eben kam er an einem kleinen Gebüsch vorüber. Da war es ihm, als habe er inmitten desselben ein leises Rauschen vernommen. Er hielt sein Pferd an und lauschte – vergeblich. Also ritt er weiter, fuhr aber erschrocken zusammen, denn:

„Puff, paff!“ hatte es aus dem Busche hervorgeklungen, aber nicht aus einem Gewehre, sondern aus einem menschlichen Munde.

So wie der Reiter war auch das Pferd erschrocken. Er hielt es abermals an; dann fragte er:

„Wer da?“

„Wer bist du?“

„Das was du bist.“

„Nun, was denn?“

„Ein Esel, ein Dummkopf, ein Rindvieh!“

„Sapperment! Laß dich doch einmal sehen!“

„Gleich, Gevatter!“

Jetzt bewegte sich das Gebüsch, und der Sprecher trat heraus. Bei seinem Anblick bäumte das Pferd des Reiters hoch empor, so daß dieser Mühe hatte, das Tier zu zügeln. Der Anblick dieses Mannes war aber auch zum Erschrecken. Seine kleine, außerordentlich dicke Figur war ganz und gar in ein Gewand aus Bärenfell gekleidet, das, mit der behaarten Seite nach außen gewandt, bereits so viele Haare verloren hatte, daß der Mann einem geschundenen Ungetüm ähnlicher war, als einem menschlichen Wesen. Ebenso sah seine Pelzmütze aus. Sein Gesicht aber war frisch, und seine Äuglein blickten ganz lustig in das im hohen Grad erstaunte Gesicht des Reiters.

„Good day!“ grüßte der Dicke lachend.

„Good day!“ antwortete der andere.

„Nun, seid Ihr fertig mit Eurer Verwunderung? Ihr sperrt ja den Schnabel auf, als ob Ihr mich, wie ein Storch den Frosch, mit Haut und Haar verschlingen wolltet!“

„Danke sehr! Eure Haut und Euer Haar sehen nicht so appetitlich aus, daß ich Euch verschlingen möchte. Aber wie kommt es, daß Ihr Euch einen Esel nennt?“

„Mich nicht allein, sondern Euch auch.“

„Schön! Warum aber?“

„Weil wir beide uns hier im Westen herumtreiben und könnten es doch besser haben.“

„Möglich bei Euch, bei mir aber nicht.“

„So, so! Hm, hm!“

Der Dicke musterte den Reiter mit scharfen Blicken, schüttelte den Kopf und fragte:

„Wo habt Ihr denn Euren Wagen?“

Der andere machte eine Bewegung, als ob er erschrecke, betrachtete den Dicken nun seinerseits mit einem Blick, in dem sich das deutlichste Mißtrauen aussprach, und sagte:

„Wie kommt Ihr auf die Idee, mich nach einem Wagen zu fragen?“

„Weil Ihr einen solchen habt.“

„Oho!“

„Schreit oho so viel Ihr wollt! Ihr reitet Eurem Wagen voraus, um den Weg zu suchen und Euch einen Braten zu schießen.“

„Verdammt! Habt Ihr mit den Halunken gesprochen?“

„Nein.“

„Nein? Ihr antwortet so bestimmt. Ihr wißt also, wen ich meine?“

„Nein.“

„Oho!“

„Abermals oho? Gewöhnt Euch das ab!“

„Unsinn! Steht mir Rede und Antwort, sonst werde ich Euch den Mund öffnen.“

„Etwa so weit wie der Eurige war, als Ihr mich erblicktet? Versucht es einmal!“

„Warum nicht? Hier ist mein Zahnbrecher!“

Der Reiter deutete auf seine Büchse.

„Und hier der meine!“

Der Dicke zeigte sein Gewehr. Der andere sah es an, lachte verächtlich und meinte:

„Eine schöne Grete! Was ist denn das für ein Prügel, he?“

„Grete? Das muß eine Verwechslung sein. Dieser Prügel heißt nicht Grete, sondern Auguste.“

„Hört, Mann, denkt ja nicht, daß ich Spaß mit Euch mache. Ihr kommt mir verdächtig vor. Ihr habt mich nach meinem Wagen gefragt, und das fällt mir auf. Ihr leugnet, die Halunken gesehen zu haben, und ich verlange aufrichtige Antwort!“

„Und wenn ich sie nun nicht gebe?“

„So werde ich Euch zwingen. Ihr dürft nicht denken, daß ein Westmann nur zum Spaß fragt!“

Der Dicke betrachtete sich den Reiter abermals, lachte lustig auf und sagte:

„Ihr ein Westmann? Pshaw! Das macht Ihr mir nicht weis! Wißt Ihr, wie Ihr mir jetzt in diesem Augenblick vorkommt?“

„Nun?“

„Wie ein ehrsamer, deutscher Förster, der einen Holzdieb ertappt hat und diesen nun nach Pflicht und Gewissen ins Gebet nimmt.“

„Verdammt! Eure Augen sind nicht übel. Aber was wißt Ihr von Deutschland?“

„Wohl mehr als Ihr. Oder solltet Ihr –? Hm, Euer Englisch schmeckt nach Holzasche. Es wäre wahrhaftig möglich, daß Ihr da drüben in Bismarcks Vaterland Euren ersten Lutscher zerbissen hättet.“

„Das habe ich auch.“

„Was? So seid Ihr ein Deutscher?“

„Yes!“

„Haltet den Schnabel! Wenn ein Deutscher deutsch reden will, so schreit er yes oder oui! Auch ich bin von drüben herüber. Wir sind also Landsleute. Hier meine Patsche! Willkommen!“

Der Reiter schlug nicht sofort in die dargereichte Hand. Er musterte den Kleinen abermals mit Mißtrauen und antwortete:

„So schnell geht das nicht. Erst muß ich gewiß sein, daß Sie wirklich nichts von den Schuften wissen, die mich bestohlen haben.“

„Donnerwetter! Ich habe Schufte genug kennengelernt; aber ich lasse mich fressen, wenn ich sagen kann, welcher von ihnen allen gerade Sie bemaust hat. Wann ist es denn geschehen?“.

„Vor vier Tagen.“

„Und wo?“

„Da hinten, von wo ich herkomme.“

Dabei deutete der Reiter nach rückwärts.

„Sapperment! Wenn Sie so klug antworten, so brauche ich ja gar nicht erst zu fragen. Natürlich müssen Sie da hinten bemaust worden sein, von wo Sie herkommen, und nicht da vorn, wo Sie hinzuwollen scheinen. Ich meine den Ort.“

„Es war in einer Gegend, die ganz aus Felsen bestand, glatt wie eine Tischplatte.“

„Hm! Eine solche Gegend kenne ich; aber sie liegt nicht vier, sondern nur eine Tagereise weit von hier.“

„Dann ist sie es. Wir haben sehr langsam reisen müssen. Wir sind vier Personen.“

„Das ist kein Grund, langsam zu reiten.“

„Reiten? Ja, wenn man das nur könnte! Aber wir vier haben nur ein Pferd, nämlich dieses hier.“

„Verdammt! Da kommt auf die Person freilich nur ein Pferdebein, und da geht es langsam. Und unter diesen Umständen nennen Sie sich so frank und frei einen Westmann?“

„Bin ich es etwa nicht?“

„Ich halte Sie nicht dafür.“

„Sehr aufrichtig! Aber ein Mann bin ich doch! Nicht?“

„Ja freilich! Für einen Maulwurf halte ich Sie natürlich nicht.“

„Und im Westen befinden wir uns. Folglich bin ich ein Westmann.“

„Wenn Sie diese Logik befolgen, sind Sie allerdings einer. Aber da sitzen Sie auf dem Pferd und sind müde. Steigen Sie doch ab und gönnen Sie dem Tier die Ruhe und ein paar grüne Halme. Zwei Landsleute, die sich im Felsengebirge treffen, können schon eine Viertelstunde plaudern.“

„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen kann.“

„Donnerwetter! Habe ich denn eine solche Galgenphysiognomie?“

„Das nicht, aber ich bin vorsichtig geworden.“

„Dagegen hat kein Mensch etwas. Vorsichtig muß hier ein jeder sein. Sie sollen es auch sein, ohne daß ich es Ihnen übelnehme. Setzen Sie sich hierher, und ich setze mich Ihnen gegenüber, sechs Schritte entfernt. Sie nehmen Ihr Gewehr schußfertig in die Hand, und wenn ich das Geringste tue, was Ihnen Veranlassung gibt, mich für einen schlechten Kerl zu halten, so schießen Sie mich einfach nieder.“

„Na, das werde ich wohl nicht nötig haben! Wir sind ja Landsleute; die Kerle aber, die ich meine, waren Yankees.“

„Hm! Man darf hier keinem Landsmann trauen. Merken Sie sich das. Aber vielleicht haben Sie meinen Namen einmal gehört. Man nennt mich hier im Westen den dicken Sam.“

„Den dicken Sam! Sapperment, ja, von Ihnen habe ich gehört! Ja, es stimmt, Sie stecken in einem Bärenfell. Daß ich so einen kühnen Jäger und Waldläufer finde, das kann meine Rettung sein. Ich befinde mich mit meiner Gesellschaft nämlich in einer schlimmen Lage.“

„Gut! Ich habe noch niemals einen Hilfsbedürftigen verlassen. Kann ich Ihnen nützlich sein, so bin ich es herzlich gern. Sie dürfen sich auf mich verlassen. Steigen Sie also in Gottes Namen ab!“

„Aber ich versäume dabei meine Zeit! Ich will jagen, und wenn ich nichts schieße, so haben meine Leute heute abend nichts zu essen.“

„Wenn es nur das ist, so machen Sie sich ja keine Sorge. Ich habe genug zu essen für uns und für mehrere Personen.“

Der Reiter stieg jetzt vom Pferd, ließ es weiden und setzte sich neben Sam in das Gras. Dieser fragte ohne alle Umstände:

„Wer sind denn die drei anderen Personen, die sich bei Euch befinden?“

„Meine Frau, mein Sohn und meine Schwägerin.“

„Sapperment! Zwei Weibsen dabei! Wie kommen denn die nach dem Westen?“

„Ich will aufrichtig sein und Ihnen alles sagen. Sie haben mich für einen Förster gehalten, und ich bin auch wirklich einer. Ich war drüben in der Gegend von Zeulenroda angestellt, und –“

„Himmelelement! Ist's wahr?“

„Ja. Warum erschrecken Sie?“

„Erschrecken? Fällt mir gar nicht ein!“

„Ich dachte, weil Sie so laut schrien.“

„Hm, ja, ich brülle manchmal so ein bißchen zum Zeitvertreib. Fahren Sie fort!“

„Die Besitzung, auf der ich amtierte, gehörte einer Familie von Adlerhorst. Es brach über sie ein noch nicht aufgeklärtes Unglück herein, und die Besitzung kam in fremde Hände. Es gab Differenzen mit dem neuen Herrn. Ich hatte recht und bestand auf meinem Recht. Er vergaß sich im Zorn und griff nach der Peitsche, nämlich nach der Reitpeitsche. Da wallte auch in mir das Blut; ich wehrte mich und schlug ihn nieder. Natürlich wurde ich abgesetzt. Bei der großen Konkurrenz und dem schlechten Zeugnis, das ich erhielt, wollte es mir nicht glücken, bald eine neue Anstellung zu erhalten. Ich wartete, ich lief und gab mir Mühe; ich petitionierte – vergebens. Da lief mir die Galle über. Mein Sohn wollte schon längst nach Amerika. Ich entschloß mich kurz. Wir packten ein, und die Rutsch ging fort.“

„Doch nicht gleich nach dem fernen Westen?“

„Ja.“

„Das war verwegen.“

„Jetzt sehe ich es ein. Aber ich hatte mir das alles ganz anders und viel leichter gedacht. Wir wollten quer durch das Land nach Kalifornien. Wir kauften Wagen, Pferde und Zugochsen. Wir luden auf, was wir hatten, und kamen nach Santa Fé. Da trafen wir auf eine Gesellschaft, die auch nach Kalifornien wollte. Wir schlossen uns ihr an. Es wurde ein Anführer gewählt. Es gab eine bestimmte, militärische Ordnung, denn wir kamen durch das Indianergebiet. Vor vier Tagen erreichten wir die felsige Gegend, von der ich vorhin sprach. Da stellte es sich heraus, daß ich ein ganzes Paket Decken vom Wagen verloren hatte. Ich ritt natürlich zurück und fand sie auch nach mehreren Stunden; aber es war indessen Abend geworden. Als ich an den Lagerplatz zurückkam, war die Karawane nicht mehr vorhanden, aber meine Frau, der Sohn und die Schwägerin lagen gefesselt und mit verbundenen Augen am Boden. Nachdem ich sie von den Stricken befreit hatte, erzählten sie mir, daß man sie kurz nach meinem Fortgang überfallen und gebunden hatte. Gleich darauf war die Karawane wieder aufgebrochen. Meinen Wagen hatten sie natürlich mitgenommen.“

„Wie alt ist denn Ihr Sohn?“

„Vierundzwanzig.“

„Pfui Teufel! Hat er sich denn nicht gewehrt?“

„Er hat keine Zeit dazu gehabt. Sie haben ihn ganz plötzlich und von hinten niedergerissen.“

„Natürlich sind Sie den Spitzbuben nach?“

„Ja. Aber ich habe sie nicht gesehen.“

„Hm! Sie müssen doch ihre Spuren gefunden haben!“

„Auf dem felsigen Boden?“

Da lachte Sam auf und sagte:

„Das ist nun ein Forstmann und Jäger! Ja, wenn eine Eichhörnchenfährte nicht so groß ist wie ein Elefantentapfen und ein Wagengleis nicht so breit und so tief wie die Elbe, so findet man keine Maus! Haben Sie denn nachgedacht, wohin diese Schurken mit Ihrem Wagen gefahren sein könnten?“

„Doch nach Kalifornien?“

„Oder auch nicht!“

„Sie sagten doch, daß sie da hinwollten!“

„Pshaw! Man wird Ihnen nicht alles auf die Nase gebunden haben. Ich denke mir, daß man gleich von vornherein entschlossen gewesen sein wird, Sie zu berauben. Da hat man Ihnen natürlich die Wahrheit nicht gesagt. Und als sie nachher die Ihrigen überfallen haben und fortgefahren sind, haben sie eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Sie aber sind ganz nach der Richtung der Nase weitergelaufen und geritten. Haben Sie alles verloren?“

„Alles, mit Ausnahme dessen, was wir auf dem Leib haben.“

„O weh! Also das Geld auch?“

„Auch! Es befand sich im Wagen, von den beiden Frauen bewacht.“

„Wieviel?“

„Wir haben es in New York umgewechselt. Ich erhielt fünfzehnhundert Dollar, meine Schwägerin aber achttausend.“

„Sapperment!“

„Ja, sie ist wohlhabend, oder vielmehr sie war es leider Gottes.“

„Ich hoffe sehr, daß sie es wieder sein wird.“

„Wieso?“

„Nun, natürlich nehmen wir den Halunken das Geld wieder ab!“

„O bitte! Sie sagen das, als ob es sich so ganz von selbst verstehe!“

„Das ist auch der Fall.“

„Als ob es so ganz und gar leicht sei!“

„Leicht oder schwer, es wird gemacht.“

„Herrgott, wenn wir es wiederbekommen könnten! Aber wir wissen ja gar nicht, wohin die Diebe eigentlich sind!“

„Wir werden es erfahren. Wir reiten nach der Stelle zurück, an der die Tat geschehen ist. Dort werde ich die Spuren finden, denen wir ganz einfach folgen.“

„Die Spuren? Nach vier Tagen?“ fragte der Förster ganz erstaunt.

„Warum nicht?“

„Weil es unmöglich ist.“

„Unsinn und abermals Unsinn! Wenn es dort Grasboden gäbe, so hätte sich das niedergedrückte Gras längst wieder aufgerichtet und es wäre nichts zu sehen. Da es sich aber um Steinboden handelt, so haben wir zu erwarten, daß wir Spuren finden. Ein schwerer Ochsenkarren läßt selbst im festesten Gestein sichtbare Fährten zurück. Seit vier Tagen hat es weder bedeutenden Wind noch Regen gegeben, die Spuren sind also nicht verweht oder verwaschen worden. Es steht sehr zu erwarten, daß wir den Weg nicht vergebens machen werden.“

„Hm! Selbst wenn wir sie ereilen, werde ich nichts wiederbekommen!“

„Sie unschuldiges, neugeborenes Wickelkind, Sie! Wie viele Wagen sind es denn?“

„Drei mit dem meinigen.“

„Und wie viele Leute?“

„Zwölf.“

„Und da meinen Sie, daß wir uns vor ihnen fürchten müssen? Dieses lumpige Dutzend nehme ich auf mich allein. Ich schieße sie einzeln von den Wagen weg, daß es pufft! Solche Schurken verdienen nichts anderes. Aber geht es ohne Blutvergießen ab, so ist es desto besser. Wie ist denn eigentlich Ihr lieber, hochgeehrter Name, Landsmann?“

„Ich heiße Rothe.“

Dabei warf der Sprecher, weil Sam vom Blutvergießen gesprochen hatte, einen besorgten Blick auf dessen Büchse. Sam sah es, gab ihm das Gewehr hin und sagte:

„Sie verstehen sich doch auf Waffen?“

„Auf diese Art nicht, obgleich ich sonst ein guter Schütze bin, ebenso wie mein Sohn. Schießen Sie wirklich mit diesem Gewehr?“

„Womit soll ich sonst schießen? Etwa hier mit meiner Nase? Da müßte ich den Schnupfen sehr stark haben, denn mit einem gewöhnlichen Katarrh niest man keinen Büffel und keinen Bären tot.“

„Ich möchte es nicht versuchen. Das Ding wäre mir viel zu gefährlich! Und Auguste heißt es?“

„Ja. Auguste, meinetwegen auch Gustel.“

„Sonderbarer Name für eine Flinte. Es ist der Vorname meiner Schwägerin.“

„Da fällt mir ein, daß sie noch einen anderen Namen haben muß. Sie heißen also Rothe. Wie heißt Ihre Schwägerin? Ich muß sie doch nennen können, wenn ich mit ihr spreche.“

„Auch Rothe. Sie war die Frau meines verstorbenen Bruders und stammt aus Ruppertsgrün.“

„Rupp – rupp – rupp – rururuppp!“

Sam brachte das Wort gar nicht heraus. Er war emporgesprungen und starrte den Förster an, als ob er ein Gespenst vor sich sehe.

„Warum erschrecken Sie?“

„Er – schrecken? Ich erschrecke nicht.“

„Ach so. Sie sagten bereits vorhin, daß Sie zuweilen gerne schreien. Eine sonderbare Eigentümlichkeit. Sind Sie nervös?“

„Fällt mir gar nicht ein. Ein Savannenläufer und nervös! Das ist ganz dasselbe, als ob Sie fragten, ob eine Krokodilgroßmutter Hühneraugen haben könne.“

„So kann ich mir Ihre Angewohnheit nicht erklären.“

„Ist auch nicht nötig. Also aus Ruppertsgrün stammt Ihre Schwägerin? Und ihr Mann ist Ihr Bruder gewesen? Was waren denn ihre Eltern?“

„Sie hatten eine Ökonomie. Die Auguste ist eigentlich schuld, daß ich so rasch eingewilligt habe, nach Amerika zu gehen. Sie hat eine besondere Vorliebe für Amerika. Daß sie nämlich ihre erste Liebe in Amerika hat, das konnte sie nicht vergessen.“

„Sapperment. Eine erste Liebe, also einen Geliebten?“

„Ja, mein Bruder war nämlich ein eigentümlicher, halsstarriger Kerl. Sie hat nicht gut mit ihm gelebt, und da ist ihr ihr erster Liebhaber wieder eingefallen. Der war ein Knopfmacher aus –“

„Kno – Kno – Kno – nopf –!“

Sam war aufgesprungen. Der andere sah ihn bestürzt an und sagte:

„Wieder ein Anfall! O weh! Wenn nun Indianer in der Nähe wären. Die hörten uns. Das würde eine schöne Geschichte werden. Sie schreien ja wie der Besitzer einer Riesendame auf dem Jahrmarkt.“

„Sapp – Sapp – Sapperment. Knopfmacher!“

„Wundert Sie das? Meinen Sie etwa, daß ein Knopfmacher keine Geliebte haben kann?“

„Oh, oh, wa – a – warum denn nicht? Ich habe sogar einmal gehört, daß die Knopfmacher ganz tüchtige und hübsche Kerle sein sollen.“

„Möglich. Wenigstens der, welcher hier in Rede steht, mag ein braver Kerl gewesen sein. Ein bißchen dumm, wie ich vermute –“

„Dumm?“ fiel Sam ein. „Hole Sie der Teufel!“

„Warum gerade mich?“

„Weil – na, es war nicht so ernst gemeint.“

„Schön. Er hat Samuel Barth geheißen und war aus Herlasgrün im –“

„Her – herrr – herrrrr – la – las –?“ rief Sam abermals laut.

„Schon wieder!“ meinte der Förster. „Hören Sie, Ihre Angewohnheit ist eine gefährliche. Sie tritt zu häufig auf. Wenn ein Feind in der Nähe ist, darf man doch nicht so brüllen.“

„Nein, denn da würden wir von keinem Knopfmacher, keiner Gustel und keinem Herlasgrün und Ruppertsgrün sprechen.“

„Also, diese Namen bringen Sie aus der Fassung?“

„Ja. Weil ich auch ein Deutscher bin. Wenn ich da den Namen eines deutschen Ortes höre, so geht es mir ans Gemüt, und ich schreie vor Entzücken. Also Ihre Schwägerin ist Witwe?“

„Ja. Sie ist nur drei Jahre verheiratet gewesen, kinderlos; dann starb mein Bruder. Sie hat nicht wieder geheiratet und sich sehr gegrämt, daß sie den Knopfmacher nach Amerika hinübergetrieben hat.“

„Das alte, gute Weibsen.“

„Ja, ein gutes Gemüt hat sie. Jetzt ist sie arm wie eine Kirchenmaus, und noch dazu im fremden Land. Es ist schlimm, sehr schlimm!“

„Schadet nichts; schadet nichts. Sie soll ihr Geld wiederhaben und noch viel mehr dazu. Jetzt erst recht, da sie aus Ruppertsgrün ist. Auf diesen Ort halte ich große Stücke.“

„Warum?“

„Weil – weil – weil – na, eben darum, weil der Ruppert grün ist. Wir haben zu solchen langen Auseinandersetzungen keine Zeit. Wir wollen aufbrechen. Sind die Ihrigen weit hinter Ihnen?“

„Nein. Sie laufen meiner Spur nach. Ich schätze, daß wir sie in einer Stunde haben werden, wenn wir umkehren.“

„So weit?“

„Ja, weil Sie doch laufen müssen.“

„Ich? Hm! Passen Sie auf!“

Sam steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Ein Wiehern antwortete, und sogleich kamen zwei nach indianischer Weise gesattelte Pferde herbei.

„Sapperment“, meinte der Förster, „Sie haben Pferde, und gar zwei?“

„Ja, mein Lieber. Diese Tiere haben die feinste indianische Dressur. Sie haben dort hinter dem Busch still gelegen, nur meinen Pfiff erwartend.“

„Aber wozu brauchen Sie zwei?“

„Das will ich Ihnen sagen. Es gibt zweierlei Art, im Westen zu jagen, zu Fuß und zu Roß. Das erstere tut man im Urwald und das letztere außerhalb desselben. Ich habe mit zwei sehr guten Kameraden vom Norden herunter die Wälder abgepirscht und will mich hier in dieser Gegend, an diesem Bach mit ihnen wiedertreffen, nachdem wir uns vor einigen Monaten getrennt haben. Von hier aus wollen wir hinaus in die offene Prärie. Dazu sind Pferde nötig, und zwar gute. Da habe ich denn ihrer zwei mitgebracht, falls es einem Kameraden nicht geglückt sein sollte, eins zu bekommen. So ist es. Steigen wir jetzt auf. Es wird bald Abend sein. Wir müssen uns sputen.“

Die beiden so seltsam bekanntgewordenen Männer setzten sich auf und ritten in derselben Richtung zurück, aus der Rothe, der Förster, gekommen war. Unterwegs meinte dieser:

„Ich war erst mißtrauisch gegen Sie, weil Sie wußten, daß ich einen Wagen gehabt habe. Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, woher Sie das so genau wissen.“

„Wenn Sie sich seit längerer Zeit in der Prärie befänden, würden Sie gar nicht fragen. Hier im Gürtel haben Sie Peitschenschmitzen hängen. Die braucht man nur, wenn man fährt. Und wer fährt, der hat einen Wagen. Nicht?“

„So, so also ist es.“

„Ja, so und nicht anders. Ganz ebenso leicht hoffe ich auch die Diebe, von denen Sie bestohlen worden sind, zu erwischen. Lassen Sie uns nicht schwatzen, sondern schnell reiten.“

Sie ritten nach Osten zu und hatten die untergehende Sonne hinter sich, die weite, von einzelnen Buschinseln besetzte Savanne vor sich. Sam war in tiefe Gedanken versunken. Er sollte die erste und einzige Geliebte seines Lebens finden, hier in der Prärie. Welch ein Zufall! O nein, sondern geradezu welch ein Wunder!

Er gedachte nicht der Jahre, die vergangen waren, und nicht der Veränderungen, die sie gebracht hatten. Die alte, tief im Herzen schlummernde Liebe war in ihrer ganzen früheren Stärke und Gewalt erwacht. Wie würde die Gustel aussehen? Hübsch und adrett, wie früher? Würde sie ihren Samuel wiedererkennen? Schwerlich! Er war so rund und dick geworden, dazu von der Sonne gefärbt und vom Wind und dem Wetter gegerbt. Er hatte mit Absicht dem Förster nichts verraten. Er wollte erst prüfen, sehen und hören, ehe er sich zu erkennen gab. Sie befand sich in Not und Gefahr. Das Herz klopfte ihm bei dem Gedanken, daß er berufen sei, ihr Retter zu sein. Aber – dumm sollte er gewesen sein? Hatte sie dies selbst gesagt, oder hatte nur der Förster es vermutet? Es war jedenfalls sehr richtig, daß der frühere Knopfmacher sich mit dem jetzigen Savannenläufer nicht messen konnte. Ja, ein jeder sagt sich, wenn er an seine Jugend zurückdenkt, daß er vieles und womöglich alles anders hätte machen können. Sam durfte also niemandem zürnen.

So ritt er schweigsam weiter, zur Rechten den Förster und zur Linken das Saumpferd. Er glaubte nicht, Veranlassung zu außerordentlicher Vorsicht zu haben, da sich in einem nicht sehr geringen Umkreis gegenwärtig keine Indianer sehen lassen würden.

Darum stieß er auch einen lauten Ruf der Überraschung aus, als er plötzlich, zufälligerweise nach links hinüberblickend, zwei Reiter bemerkte, von denen er und der Förster auch bereits gesehen worden waren, denn sie hatten ihre Pferde in Galopp gesetzt und kamen in schnurgerader Richtung auf die beiden zugesprengt.

„Donnerwetter“, sagte er, „das wird eine allerliebste Geschichte. Nehmen Sie nur, in Gottes Namen, Ihre Büchse nicht von der Schulter.“

„Warum nicht? Ich glaube, das sind Indianer, und da muß man doch auf Abwehr bedacht sein.“

„Ja, Indianer sind es, und zwar scheinen es feindliche Comanchen zu sein.“

„O weh. Und da sagen Sie, ich soll mein Gewehr in Ruhe lassen?“

„Ja, gewiß. Sehen Sie die Adlerfedern auf ihren Köpfen? Das ist das Häuptlingszeichen. Es sind Häuptlinge, und wo die sind, da befindet sich gewöhnlich eine Anzahl Krieger in der Nähe. Häuptlinge reiten nicht so allein in der Prärie herum, und da sie zu zweien sind, läßt sich vermuten, daß es sich um eine wichtige Angelegenheit handelt, und daß sich eine größere Anzahl Indsmen hier in der Nähe befindet. Zu fürchten brauchen wir uns wenigstens jetzt noch nicht. Aber aus Vorsicht wollen wir absteigen. Tun Sie ganz dasselbe, was auch ich tue.“

Sam hielt an, stieg ab und stellte sich hinter seine beiden Pferde. Dann legte er seine Büchse an und wartete, daß die Indsmen näherkommen sollten. Er konnte ihnen hinter seinen Pferden hervor, die ihn deckten, eine Kugel geben, ohne selbst von ihnen getroffen zu werden. Natürlich war der Förster seinem Beispiel gefolgt und hielt, hinter seinem Pferd stehend, auch seine Waffe schußbereit.

Die Indianer schienen sich nicht zu fürchten. Sie kamen bis in große Nähe heran und parierten ihre Pferde kaum zwanzig Schritte von den Weißen entfernt.

„Halt, nicht weiter, sonst schießen wir!“

Die Roten berieten leise miteinander, lachten laut auf, was sonst nicht in der Gewohnheit ihrer ernsten Rasse liegt, und dann antwortete der eine von ihnen in einem Gemisch von Indianisch, Englisch und Spanisch, das dort zwischen Indianern und Weißen gesprochen wird:

„Fürchtet sich etwa das Bleichgesicht?“

„Fällt uns gar nicht ein!“

„Warum versteckt ihr euch?“

„Weil es uns so beliebt.“

„Kommt hervor, damit wir mit euch sprechen können.“

„Das können wir so auch. Woher kommt ihr?“

„Von daher.“

Der Rote deutete dabei nach rückwärts.

„Das hätte ich nicht gewußt, wenn du es mir nicht sagtest. Ich glaubte, ihr wärt geradewegs vom Himmel gefallen. Aber wohin wollt ihr?“

„Dorthin.“

Der Gefragte deutete vorwärts.

„So reitet weiter!“

„Das werden wir tun, wenn wir mit euch gesprochen haben.“

„Wir haben keine Zeit dazu.“

„Seit wann sind die Bleichgesichter so unhöflich geworden? Sie haben doch stets so gern mit dem roten Mann gesprochen.“

„Wenn sie Zeit hatten, ja.“

„Zeit haben sie stets. Sie reden mit dem roten Mann, um ihn zu betrügen, und dazu haben sie immer Zeit. Kommt hervor, wir wollen eine Beratung halten.“

„Ich wüßte nicht, was wir mit euch zu beraten hätten. Wer seid ihr?“

„Das werden wir dir sagen.“

„Ah, ihr verschweigt eure Namen, das empfiehlt euch nicht. Wir werden also wieder aufsteigen und weiterreiten.“

„Wenn ihr das tut, werden wir eurer Fährte folgen.“

„So will ich euch sagen, daß wir euch unsere Kugeln zu kosten geben werden, wenn ihr uns mehr inkommodiert, als wir dulden können.“

„Die Prärie gehört allen Menschen. Jeder kann reiten, wohin er will.“

„Was sprechen Sie denn mit ihnen?“ fragte Rothe, der Förster. „Ich verstehe dieses Sprachgemisch nicht.“

Sam erklärte es ihm, und dann meinte der Förster:

„Das klingt freilich feindselig. Was tun wir?“

„Hm! Ich bin mir selbst noch unklar. Ich weiß nicht, was ich aus ihnen machen soll. Comanchen sind sie nicht, wie ich jetzt sehe.“

„Was sonst?“

„Pawnees auch nicht. Sioux ebensowenig, denn die kommen jetzt nicht so weit nach dem Süden herab. Sie haben sich die Gesichter bemalt, aber freilich nicht mit den Kriegsfarben, aus denen man den Stamm zu erkennen vermag.“

„Lassen wir die Kerle halten und reiten wir weiter!“

„So kommen sie uns nach. Jeder Bewohner der Savanne verfolgt die Spur, die er findet. Diese Kerle können nicht wissen, ob wir nicht zu einer größeren Truppe gehören. Um das zu erfahren, werden sie uns also folgen.“

„O weh! Da stoßen sie auf meine Familie!“

„Natürlich! Und dann weiß man nicht, was geschieht.“

„Bleiben wir lieber!“

„Ich halte das auch für das beste. Sehen wir also, was sie von uns wollen. Ich weiß wirklich nicht, woran ich bin. Sie haben bei ihren Reitpferden noch zwei ledige, gesattelte Pferde. Die führt doch sonst kein Häuptling mit sich. Hört!“

Sam trat jetzt langsam hinter seinen Pferden hervor und schritt auf die Indianer zu, das Gewehr im Anschlag. Diese waren abgestiegen und kamen ihnen, da Rothe Sams Beispiel befolgt hatte, entgegen, ihre Gewehre auch schußfertig in der Hand. Fünf Schritte voneinander entfernt, blieben die Parteien halten.

„Seid ihr gekommen, die Pfeife des Friedens mit uns zu rauchen?“ fragte Sam.

„Vielleicht rauchen wir sie mit dir“, antwortete der, welcher bereits vorhin gesprochen hatte. „Willst du dich zu uns setzen?“

„Ja.“

Jetzt setzten die vier sich nieder, zwei und zwei gegenüber, die Gewehre quer über die Knie gelegt. Sie betrachteten sich prüfend.

Die beiden Häuptlinge waren von gleicher Gestalt, lang und hager, mit sehnigen Gliedern. Ganz in Büffelfell gekleidet, hatten sie ihr Haar in einen Schopf gebunden, in dem die Häuptlingsfedern befestigt waren. Ihre eigentlichen Züge waren nicht zu erkennen, da die Gesichtsmalerei sehr dick aufgetragen war.

„Also, was wollt ihr?“ fragte Sam. „Warum haltet ihr unseren Ritt auf?“

„Wir wollen eure Namen wissen.“

„Ihr habt uns die eurigen noch nicht gesagt.“

„Wir sind Häuptlinge. Ein Häuptling sagt seinen Namen erst dann, wenn die anderen geantwortet haben.“

„Auch wir sind Häuptlinge“, meinte Sam.

„Beweise es! Wir können beweisen, daß wir Häuptlinge sind, denn wir haben die Federn, das Zeichen der Anführer. Was aber habt ihr?“

„Meint ihr etwa, daß ein Weißer auch Federn anstecken soll?“

„Nein; aber die Bleichgesichter haben auch ihre besonderen Zeichen, die sie auf der Brust oder auf den Achseln tragen, und aus denen man merkt, wer ein Häuptling ist.“

„Na, jetzt soll ich mir gar noch Epauletten aufstecken!“ lachte Sam zu dem Förster. Dann setzte er, zu den Roten gewandt, hinzu: „Diese Zeichen tragen wir nur im Krieg. Jetzt aber haben wir gewöhnliche Kleider. Übrigens bin ich nicht Soldat, sondern ein Jäger. Ich habe nicht den Beruf, mit den Indsmen Krieg zu führen. Ich liebe sie und bin ihr Freund.“

„Du nennst dich unseren Freund und willst uns doch deinen Namen nicht sagen!“

„Nun, wenn ihr ihn so notwendig wissen wollt, so will ich ihn euch nennen. Ich heiße Daniel Willers, und mein Gefährte nennt sich Isaak Balten.“

„Und ich bin der ‚Brüllende Stier‘“, sagte der Häuptling ernst und würdevoll.

„Und ich“, meinte der andere ebenso stolz, „bin der ‚Tanzende Bär‘.“

„Ich habe eure Namen noch nie gehört“, meinte Sam.

„Wir die eurigen auch noch nicht. Ihr könnt noch nicht lange Zeit in dieser Gegend jagen.“

„Wir kennen diese Prärie; aber wir sind stille Jäger. Wir jagen nicht nach Berühmtheit, sondern nach Bibern und Büffeln.“

„Habt ihr auch andere Jäger kennengelernt?“

„Einige.“

„Ist euch vielleicht einmal einer begegnet, der sich Sam Barth nennen läßt?“

„Ja.“

„Es sollen noch zwei andere bei ihm sein, lang und dünn, wie die Stange eines Zeltes. Wie heißen sie?“

„Jim und Tim.“

„Das ist richtig. Sind diese drei Jäger vielleicht Freunde von euch?“

„Nein.“

„Das ist sehr gut. Wir würden euch sonst töten!“

„Oho! Wir beide würden uns nicht so ohne alle Gegenwehr umbringen lassen; das sage ich euch. Ist denn Sam Barth ein Feind von euch?“

„Ja.“

„Warum?“

„Er hat einige Brüder von uns getötet.“

„Zu welchem Stamm gehört ihr?“

„Zum Stamme der Pawnees.“

„So seid ihr sehr falsch unterrichtet worden. Der kleine Sam hat noch nie einen Pawnee getötet. Er hat es mir selbst gesagt.“

„Wenn du uns belügst, wirst du sterben müssen. Wann hast du ihn gesehen?“

„Vor einigen Monden.“

„Wo?“

„Droben in den schwarzen Bergen.“

„Das stimmt. Da ist er gewesen. Er hatte seine beiden Freunde bei sich. Er trennte sich von ihnen und sagte, daß er sie hier in dieser Gegend wieder treffen wolle.“

„Ah! Woher wißt ihr das?“

„Tim und Jim sagten es uns.“

„Sie haben euch das gesagt, trotzdem sie eure Feinde und seine Freunde sind?“

„So ist es.“

Die Brauen des Dicken zogen sich finster zusammen, aber nur für einen Augenblick. Er war klug genug, seine Gedanken zu verbergen. Auch ließ er es, wie er meinte, sich gar nicht anmerken, daß er sie jetzt scharf und bis ins einzelne musterte.

„Ihr seid also mit ihnen zusammengekommen?“

„Ja.“

„Wo sind sie jetzt?“

„Sie sind fortgeritten; wir wissen nicht, wohin.“

„Und ihr sucht nun diesen Sam Barth?“

„Ja. Wir dachten, du hättest ihn gesehen.“

„Ich habe ihn nicht gesehen, aber ich bin mit meinem Gefährten hier erst seit einigen Stunden beisammen. Er war längere Zeit in dieser Gegend und hat ihn vielleicht getroffen. Soll ich ihn fragen?“

„Warum sollen wir ihn nicht selbst fragen?“

„Er würde euch nicht verstehen, da er eure Sprache nicht zu reden weiß.“

„So frage ihn!“

Das hatte Sam gewollt. Er wollte mit Rothe sprechen dürfen, ohne das Mißtrauen der Indsmen zu wecken. Jetzt hatte er die Gelegenheit dazu. Er machte also eine unbefangene Miene und sagte in deutscher Sprache zu ihm:

„Beherrschen Sie Ihr Gesicht. Wir befinden uns in großer Gefahr. Machen Sie ein nachdenkliches Gesicht, als ob Sie sich auf irgend etwas besinnen wollten; zeigen Sie aber nicht etwa, daß Sie erschrecken. Sehen Sie diese Kerle ganz freundlich an, obgleich wir alle Ursache haben, sie zum Teufel zu wünschen.“

„Warum?“

„Sie suchen mich, um mich zu ermorden. Sie haben bereits meine zwei besten Freunde getötet. Sie sind zwar viel zu klug, mir dies zu sagen, aber ich habe erst jetzt bemerkt, daß die beiden Gewehre, die sie da haben, meinen Gefährten gehörten. Sie haben sie ihnen abgenommen.“

„Dafür soll sie der Teufel holen.“

Aber bei diesen Worten blickte Rothe die Indsmen freundlich an und nickte ihnen vertraulich zu.

„Es sind Pawnees. Diese Schufte sollen erfahren, was es heißt, Freunde des dicken Sam zu töten. Ich murkse sie ab, als ob sie junge Ziegen seien. Beobachten Sie mich genau. Wenn ich zu Ihnen das Wort ‚jetzt‘ sage, so ergreife ich das Gewehr des einen; Sie nehmen in demselben Augenblick dasjenige des anderen. Wir springen auf, treten einige Schritte zurück und legen die Gewehre an. Das muß freilich blitzschnell geschehen und für sie ganz unerwartet. Sie haben dann nur noch die Messer, mit denen sie gegen die Gewehre nicht aufkommen können. Machen sie nur eine Miene, sich zu wehren, so schießen wir sie nieder. Getrauen Sie sich, das zu tun, was ich sage?“

„Natürlich.“

„Gut! Passen Sie also genau auf!“

Jetzt wandte Sam sich an die beiden Häuptlinge. Diese flüsterten sich einige Worte zu, dann fragte der eine:

„Nun, hast du ihn gefragt?“

„Ja. Er hat ihn hier gesehen.“

„Hier? Das ist nicht gut möglich. Es gibt hier keine Spuren außer den eurigen und den unsrigen.“

„Nun, da ist eben die Spur Sam Barths dabei.“

„Ich verstehe dich nicht.“

„Du wirst mich sogleich verstehen!“

Im nächsten Augenblick rief Sam, zu dem Förster gewandt:

„Jetzt! Aber schnell!“ Und beide griffen nach den Gewehren der Indianer, rafften sie weg, sprangen um einige Schritte zurück und legten die Büchsen auf die Roten an. Diese letzteren blieben sonderbarerweise ganz gemütlich sitzen und taten, als ob nichts geschehen sei.

„So, ihr Hunde, jetzt habe ich euch!“ rief Sam drohend.

„Und wir dich!“ antwortete einer der Häuptlinge in ruhigem Ton.

„Wir dürfen nur losdrücken, so seid ihr weg!“

„Und ihr auch. Glaubt ihr, daß zwei Häuptlinge sich allein hier befinden? Hinter uns, in jenem Gesträuch, stecken die anderen roten Krieger. Ich brauche nur die Hand zu erheben, so werfen ihre Kugeln euch nieder.“

„Verdammt!“ meinte Sam, besorgt nach dem betreffenden Gesträuch hinüber schielend.

„Legt also die Gewehre ab!“ befahl der Wilde.

Sam ließ das Gewehr sinken, sagte aber:

„Meint ihr, daß ich mich fürchte? Da irrt ihr euch gewaltig. Ich will euch zeigen, daß ich selbst einen ganzen Haufen roter Krieger nicht fürchte. Ich bin Sam Barth, den ihr sucht.“

„Wir wissen es.“

„Was? Ihr wißt es?“

„Ja. Du bist Sam Barth, der dicke Sam. Aber du bist nicht nur das, sondern noch etwas dazu.“

„Was denn?“

„Ein großer Esel. Du hast weder Augen, noch Ohren, du bist blind und taub. Außerdem hast du uns sehr falsch beurteilt. Meinst du, daß die roten Männer die Sprachen der Bleichgesichter nicht verstehen? Wir haben gehört, was du mit deinem Gefährten gesprochen hast.“

Sam machte ein ganz verblüfftes Gesicht und antwortete:

„Das war ja deutsch!“

„Ja. Wir wissen so viel von dieser Sprache, daß wir gar wohl verstanden, was du mit ihm sprachst. Du berietest mit ihm, uns die Gewehre wegzunehmen.“

„Verflucht! Indianerhäuptlinge, die deutsch verstehen! Das ist mir auch noch nicht vorgekommen!“

„Es wird dir noch mehr vorkommen. Hast du denn unsere Stimmen noch nicht gehört?“

„Nein.“

„Und uns noch nicht gesehen?“

„Nie.“

„Du bist wirklich ein gewaltiger Esel. Du hättest uns doch an unseren Büchsen erkennen sollen!“

Jetzt hatte der Sprecher auf einmal eine ganz andere Stimme, eine Stimme, die dem guten Sam allerdings sehr bekannt vorkam.

„Alle guten Geister!“ rief dieser. „Was soll ich denn da denken! Das ist am Ende gar eine Maskerade. Da schlage doch der Teufel drein! Also wirklich, wirklich! Ihr seid es selbst, ihr gottvergessenen Racker! Wer hätte das gedacht!“

Und sich zu dem Förster wendend, erklärte er: „Denken Sie sich, das sind gar keine Indianer! Es sind Jim und Tim, meine Freunde, die ich hier treffen wollte. Nein, nein, so etwas habe ich freilich noch nicht erlebt!“

„Uns nicht zu erkennen!“ lachte Jim, der aufgestanden war und seine langen Glieder dehnte.

„Na, eigentlich ist das nicht zu verwundern“, verteidigte sich Sam. „Diese Anzüge, der Schopf mit den Adlerfedern, die dicke Farbe im Gesicht, und – und, ja, das ist die Hauptsache, Jim hat ja eine Nase!“

„Ja, die habe ich“, lachte der andere vergnügt.

„Angeklebt?“

„O nein.“

„Nun, ich habe noch niemals gehört, daß den Präriejägern die abgeschnittenen Nasen wieder nachwachsen, wie den Krebsen die Schwänze.“

„Und doch ist diese Nase gewachsen. Es ist wirklich unglaublich, aber es ist wahr. Als wir von dir gegangen waren, kamen wir nach Fort Jackson. Dort gab es einen Doktor, einen jungen, aber sehr gescheiten Kerl. Als er sah, daß mir die Nase fehlte, mußte ich ihm sagen, wie ich um sie gekommen sei, und er bat mich förmlich um die Erlaubnis, mir eine neue machen zu dürfen. Ich ging darauf ein, denn eine Nase aus zweiter Ehe ist doch immer noch besser wie gar keine. Nicht?“

„Freilich. Wo aber hat er sie hergenommen?“

„Das weiß der Teufel. Er hat mir ein wenig im Gesicht herumgeschnitten, Pflaster darauf, einen Verband darüber; in zwei Wochen war es heil, und ich hatte eine Nase. Ich glaube, er hat mir das Fleisch dazu von der Wange herübergeholt. Na, woher er es hat, das ist mir sehr gleichgültig, wenn ich nur die Nase habe. Sie sieht zwar nicht ganz klassisch aus, aber es ist doch immerhin ein Riecher. Die Stimme klingt besser als vorher, und es ist nun endlich auch das verteufelte Zeichen fort, an dem man mich stets sofort erkannte. ‚Er hat keine Nase!‘ Das klingt verflucht miserabel für denjenigen, der sie eben nicht hat.“

„Sonderbar und wunderbar! Wie aber kommt ihr zu dieser Verkleidung?“

„Verkleidung? Pshaw! Es ist unsere gegenwärtige Kleidung, also keine Verkleidung. Wir kamen in sehr freundschaftlicher Weise mit einem Pawneehäuptling zusammen. Das heißt, die Sioux hatten ihn gefangengenommen und wollten ihn an den Marterpfahl binden. Wir befreiten ihn und brachten ihn glücklich nach seinem Wigwam. Seine Dankbarkeit war grenzenlos. Wir wurden aufgenommen wie die Brautjungfern und bekamen diese beiden indianischen Anzüge geschenkt, nebst den vier Pferden, die du hier erblickst.“

„Vortrefflich! Die Pferde können wir sehr gut verwenden. Es gibt da vorn drei Personen, die keine Reittiere haben.“

„Wer ist das?“

„Davon nachher. Wollt ihr denn in diesem Anzug steckenbleiben?“

„Natürlich. Unsere alten Anzüge haben wir diesen guten Pawnees geschenkt. Sie waren unendlich glücklich über den Reiterhelm und den Soldatenmantel.“

„Aber es ist gefährlich, als Indsmen zu gehen.“

„Zuweilen, zuweilen aber auch nicht. Wir werden also bald Rothäute sein und bald Bleichgesichter, ganz wie es die Gelegenheit erfordert. Aber ein verfluchter Kerl bist du doch! Wären wir wirklich Indsmen gewesen, ohne Deutsch zu verstehen, so hättest du uns übertölpelt.“

„Sicher, obgleich es mir höchst fatal war, zu hören, daß dort in dem Gesträuch noch andere Rote seien. Aber ich hatte euch in meiner Gewalt und brauchte sie also nicht zu fürchten. Übrigens fällt es mir auf, daß es gerade jetzt wohl von Vorteil ist, wenn ihr als Indianer geht. Wir haben nämlich einen kleinen Streich vor, zu dem diese Maskerade ganz und gar geeignet ist. Setzen wir uns wieder. Ich will es euch erzählen.“

Aus der vorher so feindselig erscheinenden wurde nun eine sehr friedlich ausschauende Szene. Sam erzählte den beiden Gefährten die Erlebnisse des Försters Rothe.

Es war das hier wieder einmal ein Beispiel von dem Scharfsinn und der Umsicht, mit denen die Leute, die sich im Wilden Westen bewegen, zu verfahren pflegen. Sam hatte ganz einfach irgendeinen Punkt der Prärie bestimmt, an dem er mit Jim und Tim zusammentreffen wollte, und sie hatten sich nun da auch wirklich gefunden, ohne Weg und Steg, ohne Kompaß und Uhr. Es gibt Tausende von Beispielen, die die Bewunderung eines jeden erregen, der gewohnt ist, nur mit den Hilfsmitteln der Wissenschaft zu verfahren.

„Was sagt ihr dazu?“ fragte der Dicke, als er mit seinem Bericht zu Ende war.

„Was sollen wir sagen“, antwortete Jim. „Es gibt nur eins, was wir sagen können: Wir reiten diesen Schurken nach und nehmen ihnen ihren Raub wieder ab. Das versteht sich doch ganz von selbst.“

„Ich habe es mir doch gleich gedacht, daß ihr mit darauf eingehen würdet.“

„Na, wir wären schöne Kerle, wenn wir diesen guten Mann in der Tinte sitzenließen! Wie meinst du denn, daß wir es anfangen, den Kerlen ihren Raub wieder abzujagen?“

„Das kann ich doch jetzt noch nicht wissen. Wir müssen warten, wie und wo wir auf sie treffen. Nur soviel denke ich mir, daß ihnen der Mut in die Hosen fahren wird, wenn sie euch erblicken. Sie werden euch für Indianer halten und verteufelten Respekt bekommen, mehr Respekt, als ich vor euch habe. Jetzt aber wollen wir die Zeit nicht unnütz verplaudern, sondern aufbrechen, damit wir die bald finden, die wir suchen.“

Es wurde aufgestiegen. Sam befand sich in großer Aufregung. Er ließ sein Pferd ausgreifen, und die anderen folgten natürlich mit derselben Schnelligkeit.

Schon war die Sonne im Westen niedergesunken. Die Reiter kamen in die offene Prärie, wo es in einem beträchtlichen Umkreis keine Büsche gab, und da erblickte man denn drei einzelne Punkte, die sich in gerader Linie von Osten her bewegten.

„Das sind sie“, sagte Rothe. „Sie laufen ziemlich schnell, um noch vor Dunkelheit wieder mit mir zusammenzutreffen.“

„Reiten Sie ihnen entgegen“, erwiderte Sam. „Sie könnten erschrecken, wenn sie Fremde von weitem erblicken. Wir werden hier auf euch warten.“

Das geschah. Rothe erreichte in kaum zwei Minuten die Seinigen und teilte ihnen mit, welche Hilfe er für sie gefunden habe. Sie waren ermüdet, die gute Nachricht aber ließ sie alle Erschöpfung vergessen.

Als sie dann mit den drei anderen zusammenkamen und sich bei ihnen bedankten, mußte der gute Sam sich Mühe geben, seine Tränen zu unterdrücken.

Auguste war nicht ganz vierzig Jahre alt, man hätte sie für dreißig halten können. Ihre runden, vollen Formen ließen sie jünger erscheinen, als sie war. Zwar waren ihr die Sorgen des Augenblicks anzusehen, aber das Zusammentreffen mit den drei Jägern hatte ein hoffnungsvolles Lächeln auf ihrem Gesicht hervorgerufen. Sie hatte sich gegen früher fast gar nicht verändert. Sam erkannte sie sofort als die einstige Geliebte wieder.

Er nahm zunächst ein eingeschlagenes Stück Wildbret vom Sattel seines Saumpferdes und sagte:

„Unsere Freunde werden Hunger haben. Halten wir hier eine kleine Rast. Ich habe da ein gutes Stück Hirschrücken, das ich mir heute früh am Feuer gebraten habe. Das muß alle werden. Morgen früh schieße ich einen anderen Braten.“

„Ist nicht nötig“, meinte Jim. „Wir zwei haben uns auch mit Proviant versehen. Für einen Tag oder auch für zwei reicht es aus. Also essen wir! Dabei können wir beraten, was wir tun wollen. Ich möchte den Kerlen, die wir suchen, gern so bald wie möglich auf das Fell rücken.“

Sie setzten sich in das großflockige, duftende Büffelgras und begannen zu essen.

Sam verwandte keinen Blick von seiner ehemaligen Braut, der Lehrerswitwe, ließ es sich aber nicht anmerken. Es war ihm so eigentümlich um das Herz. Fast glaubte er, sie jetzt noch zehnmal lieber zu haben als früher.

Er überlegte, wie es anzufangen sei, den beiden Frauen, die ja nicht an die Anstrengungen und Entbehrungen der Prärie gewöhnt waren, dieselben zu ersparen, das war aber schwer.

„Es wird am besten sein“, sagte er, „wir suchen uns für die beiden Damen ein Versteck, wo sie bleiben können, bis wir von unserem Rachezug zurückkehren. Meinst du nicht, Jim?“

„Hm!“ brummte der Genannte, ein unzerkautes Stück Knorpel mühsam hinunterschluckend. „Wollen einmal rechnen. Vor vier Tagen ist es geschehen. Wie viele Meilen kann man mit Ochsenwagen in einem Tag zurücklegen?“

„Höchstens acht.“

„Also zweiunddreißig Meilen. Die reiten wir nötigenfalls in einem Tage. Englische Meilen sind eben kürzer und kleiner als andere. Heute ist keine Spur mehr aufzufinden. Es ist zu dunkel dazu. Aber wir wollen noch am Abend dahin, wo der Diebstahl stattgefunden hat. Da lagern wir, um die Pferde ausruhen zu lassen. Bei Tagesanbruch finden wir hoffentlich die Fährte, und wenn wir ihr sofort und schnell folgen, können wir die Schufte noch am Abend erreichen. Meinst du nicht, Sam?“

„Ich bin ganz derselben Ansicht.“

„Aber die Ladys, die Ladys! Wo tun wir sie hin? Das ist die Frage.“

„Einen solchen Ritt, wie der morgige einer sein wird, können sie nicht mitmachen, das ist gewiß. Für heute aber können wir ihnen nicht erlassen, mit zu Pferd zu steigen und wieder umzukehren. Heute müssen sie mitreiten, so gut es eben gehen will.“

„Was das betrifft“, meinte der Förster, „so werden sie uns keine sehr große Mühe machen. Sie sind zwar durchaus keine Reiterinnen, aber während der langsamen und langweiligen Wagenfahrt haben sie sich, um eine Abwechslung zu haben, zuweilen in den Sattel gesetzt. Ich bin darum überzeugt, daß sie wenigstens nicht herabfallen werden.“

Der Sohn des Försters hatte jenes Paket Decken getragen, das für sie so verhängnisvoll geworden war. Diese Decken konnten jetzt sehr gut gebraucht werden. Sie wurden auf die Sättel gelegt, so daß die beiden Frauen einen weichen Sitz hatten. Dann begann man den Ritt fortzusetzen.

Der Weg war nicht gar sehr weit, da der Förster mit seinem einzigen Pferd für vier Personen keine großen Strecken zurückgelegt hatte. Sam hielt sich, als ob sich das ganz von selbst verstehe, an der Seite der einstigen Geliebten, deren Pferd er am Zügel führte. Er gab sich alle Mühe, ihr die Anstrengungen des Rittes zu ersparen. Sie bemerkte es und war ihm dankbar dafür. Natürlich aber kam es ihr nicht in den Sinn, in dem Mann, der da in dem häßlichen Bärenfell stak, denjenigen zu vermuten, der einst ihr Anbeter gewesen war.

Noch lange vor Mitternacht wurde der Platz erreicht. Das Lager war bald hergestellt, doch gab man sich Mühe, das Verwischen der morgen aufzusuchenden Spuren zu vermeiden.

Ein Überfall war nicht zu erwarten. Feindliche Jäger oder Indianer vermutete man nicht in der Nähe, und so wurde ein Feuer angebrannt, bei dem die Beraubten nochmals ausführlich erzählten, was sie hier an dieser Stelle erlebt hatten.

Es wurde abermals gegessen, jetzt von Jims und Tims Vorräten. Sam schnitt für Auguste das Beste ab und legte es ihr vor, als ob er ein Kind zu bedienen habe. Sie beobachtete ihn dabei, und wenn er ihren warmen Blick auf sich ruhen sah, wurde es ihm noch viel wärmer um das Herz. So bekam er schließlich Sorge, sich zu verraten und stand vom Feuer auf, um die Umgebung einmal abzulaufen, wie er sagte, und um zu sehen, ob man sich auch wirklich in Sicherheit befinde.

Als Sam nachher zurückkehrte, wurden die Wachen ausgelost. Er erhielt die erste Wache. Dann legten sich alle nieder, um den Schlaf zu suchen.

Alle? Nein. Sam stand in einer Entfernung, daß er von dem Schein des Feuers nicht getroffen werden konnte, und lauschte vorsorglich in die Nacht hinaus, damit ihm ja kein verdächtiges Geräusch entgehen möge. Und dort, am Feuer, saß Auguste. Sie hatte sich nicht zur Ruhe begeben, legte Zweig um Zweig in die Flamme, damit sie nicht ausgehen möge, und gab den eigenartigen Gefühlen und Gedanken Audienz, die jetzt auf sie eindrangen.

Der kleine, dicke Gefährte hatte einen außerordentlich wohltuenden Eindruck auf sie gemacht. Sein Blick war so treu und sein Gesicht so voller Aufrichtigkeit. Alles, was er gesagt hatte, hatte so gut geklungen. Und sie dachte auch an das, was morgen unternommen werden sollte. Jedenfalls gab es Gefahren dabei. Waren diese groß? Sie hätte es so gern gewußt. Sie wollte lieber auf ihr geraubtes Geld verzichten als zugeben, daß deshalb ein Menschenleben verlorengehe. Sie stand auf, um mit Sam zu sprechen, entfernte sich vom Feuer und versuchte, mit ihrem Blick die Dunkelheit zu durchdringen, um zu sehen, wo er stehe.

Sam hatte sie wohl gesehen und kam näher.

„Sie schlafen nicht, Miß Rothe?“ fragte er.

Das klang so eigentümlich. Er, der Deutsche, gab ihr diesen amerikanischen Titel, den Titel einer unverheirateten Dame. Es war ihm so in den Mund gekommen. Er hatte sie als Mädchen gekannt und wollte sie sich nicht als die Frau eines anderen denken. Das eigentlich richtige Wort Mistreß war ihm gar nicht in den Sinn gekommen.

„Noch nicht“, antwortete sie.

„Und doch haben Sie es so nötig. Erst das anstrengende Laufen und dann der rasche Ritt. Sie sollten wirklich die Ruhe suchen. Man weiß nicht, wie Sie sich vielleicht morgen werden anzustrengen haben.“

„Oh, die Anstrengung achte ich nicht. Aber es wird morgen Gefahren geben. Sie werden vielleicht mit den Räubern zu kämpfen haben. Jeder Kampf bringt Gefahr!“

„Nein, nicht jeder. Der Kampf zum Beispiel, den wir morgen wahrscheinlich haben werden, ist eigentlich gar keiner zu nennen. Wir folgen den Kerlen; holen wir sie ein, so schleichen wir vorsichtig nahe, so daß sie uns gar nicht bemerken. Dann schießen wir sie einfach nieder und haben alles, was sie bei sich führen.“

„Das ist doch gräßlich!“

„Oh, meinen Sie etwa, daß wir zu diesen Halunken vielleicht in ritterlicher Weise sagen sollen: ‚Hört einmal, wir kommen, um euch zu erschießen. Da sind wir. Nun seid gescheit und verteidigt euch‘?“

„Nein, das meine ich nicht, sondern es ist mir schrecklich, daß diese Leute getötet werden sollen. Ein Menschenleben ist doch ein kostbares Gut.“

„Ja, das ist es zuweilen. Aber wenn einer sein Leben nur benutzt, um Schandtaten zu vollbringen, so muß man es ihm nehmen. Sehe ich irgendwo ein giftiges Kraut wachsen, so reiße ich es aus und denke nicht daran, daß es auch geschaffen worden ist. Und dieses Kraut kann nicht dafür, daß es giftig ist; der Mensch aber ist selbst schuld, daß er schlecht und gottlos ist.“

„Und dennoch sollen wir barmherzig sein!“

„Hm! Ja! Hm! Barmherzig!“

Sam wußte nicht, was er ihr antworten sollte.

„Können Sie denn das Geraubte nicht vielleicht ohne Blutvergießen wiederbekommen?“

„Ohne Blutvergießen? Hm! Ohne Kampf? Diese Kerle werden es nur nicht freiwillig wieder hergeben wollen.“

„So gebrauchen Sie doch lieber List als Gewalt.“

„List? So, so! Nun, ich will Ihnen etwas sagen, Mylady: Man nennt mich den dicken Sam, und der dicke Sam ist als ein listiger Kerl bekannt.“

„Ja, ich habe Sie betrachtet, und –“

„Und wie bin ich Ihnen denn da vorgekommen?“

„Sie haben soviel Aufrichtiges und Treuherziges an sich, daß man gleich Vertrauen zu Ihnen fassen muß. Dabei haben Sie aber in Ihrem Gesicht etwas so Schlaues und Pfiffiges, daß –“

„Wie? Schlau und pfiffig bin ich Ihnen vorgekommen? Nun, da haben Sie sich sehr verändert. Ich dachte, Sie hätten mich für dumm gehalten.“

Es fielen ihm nämlich die Worte ein, die der Förster gesagt hatte.

„Ich Sie für dumm gehalten? Wer hat das gesagt?“

„Das hat Ihre Schwe – ah, ich dachte nur so.“

„Da haben Sie sich geirrt. Also, Sie haben etwas so Pfiffiges an sich, und da denke ich, daß Sie vielleicht Mittel und Wege finden werden, den Dieben ihre Beute auch ohne Gewalt abzujagen.“

„Da gibt es nur ein Mittel und einen Weg: Man müßte ihnen das Gestohlene wieder mausen. Aber das ist doch eigentlich eine Dummheit. Was man mir gestohlen hat, kann ich offen wieder fordern.“

„Da gibt es aber Kampf.“

„Das schadet ja gar nichts. Wenn ich mich als Dieb an diese Kerle schleiche, muß ich gewärtig sein, erwischt zu werden, und dann strangulieren sie mich.“

„O wehe! Das wäre schlimm!“

„Pah! Ein Mensch weniger, das schadet nichts!“

„Nein, so dürfen Sie nicht sprechen. Meinetwegen soll Ihnen kein Leid geschehen.“

„Oh, Ihretwegen ist mir schon früher – verdammt! Da stehe ich und plaudere Dummheiten wie ein Schulbube! Haben Sie an diesen Spitzbuben denn ein gar so großes Wohlgefallen gefunden, daß Sie jetzt solche Schonung für sie verlangen?“

„Im Gegenteil, sie haben mir gar nicht gefallen. Besonders der Anführer hatte ein Gesicht, dem man unmöglich Vertrauen schenken konnte. Ich bin gar nicht vorurteilsvoll. Kein Mensch kann für seine Gestalt, für sein Gesicht und für sein Haar, aber dieser Mann hatte rotes Haar, und da war es mir schwer, von diesem Burkers Gutes zu denken.“

„Burkers?“ fragte Sam schnell. „So hieß er? Sapperment! Sollte es der ‚Rote Burkers‘ sein!“

„Er war es. Ich hörte einmal zwei seiner Gefährten von ihm sprechen. Sie glaubten sich unbelauscht, und da nannten sie ihn den ‚Roten Burkers‘.“

„Alle Teufel! Ist der es! Na, gnade Gott, wenn ich den erwische! Der hat sein letztes Brot gegessen!“

„Das klingt ja bitterbös. Kennen Sie ihn?“

„Na und ob! Ich habe da vor einiger Zeit ein Renkontre mit ihm gehabt. Er ist ein Mörder, ein Räuber, ein Dieb und Spitzbube durch und durch. Er wollte damals eine Plantage überfallen. Ich habe ihn überlistet, und er wurde mit seiner Bande gefangengenommen. Man schaffte die ganze Sippschaft nach Van Buren, um ihr den Prozeß zu machen. Mehreren gelang es, freigesprochen zu werden. Sie wurden entlassen und benutzten den ersten freien Tag dazu, die anderen des Nachts aus dem Gefängnis zu holen. Das gab damals ein Aufsehen weit und breit. Der Rote fing natürlich sein Geschäft sofort wieder an. Man war aber bald hinter ihm her. Er war klug und machte sich davon, so daß man längere Zeit nichts von ihm hörte. Später wurde sein Name dann im Westen viel genannt. Wo irgendeine Teufelei begangen wurde, da war sicher er dabei. Jetzt wiederum höre ich, daß er es gewesen ist, der euch beraubt hat. Nun, es soll ihm sehr wohl bekommen!“

„Ist er wirklich so schlimm?“

„Fragen Sie, ob ein Raubtier schlimm ist?“

„So werden Sie ihn nicht schonen?“

„Nein, ihn am wenigsten.“

„Aber wenn ich Sie nun bitte?“

„Tun Sie das nicht! Ich könnte Ihnen diese Bitte nicht abschlagen, und das wäre geradezu eine Sünde.“

„Barmherzigkeit kann doch keine Sünde sein.“

„O doch! Wenn wir ihm nicht das Handwerk legen, treibt er es weiter, und dann fällt alles, was er tut, auf mein Gewissen. Daß er gerade Sie bestohlen hat, das macht die Sache noch schlimmer.“

„Wieso?“

„Nun, Sie sind ja meine Landsmännin, da ist es gerade, als ob er es mir selbst getan hätte.“

„Mein Schwager sagte mir freilich, daß Sie ein Deutscher, vielleicht gar ein Sachse seien.“

„Ich bin ein Sachse.“

„O bitte, wo sind Sie her?“

„Ich bin aus Rupp – aus Rodewisch.“

„Aus Rodewisch bei Auerbach?“

„Ja. Sie kennen doch dieses berühmte Rodewisch?“

„Ich kenne es, ob es aber so berühmt ist –“

„Freilich ist es berühmt, nämlich durch das alte, schöne Studentenlied, in welchem es auch heißt:

‚Die Voigtskarline von Rodewisch,
Die handelt mit Spinat!‘“

„Dann sind Sie aus dem Voigtland, gerade wie ich.“

„Das ist prächtig. Wo sind denn Sie her?“

„Aus Ruppertsgrün.“

„Das ist ein kleines hübsches Nestchen.“

„Kennen Sie es?“

„Ja. Ich war früher in meinen jungen Jahren zweimal dort zum Tanz. Steht denn die alte Schenke noch?“

„Sie ist neu gebaut worden. Also dort waren Sie zum Tanz? Von Rodewisch aus etwa?“

„O nein. Ich bin nämlich eigentlich Fleischer. Ich stand in Herlasgrün als Geselle in Arbeit und hatte dort einen sehr guten Bekannten, der immer nach Ruppertsgrün zum Tanz ging. Er hat mich zweimal mitgenommen.“

„Das ist wunderbar! Und jetzt treffen wir uns hier im fernen Amerika. Also aus Herlasgrün. Hm! Wann ist das ungefähr gewesen.“

„Vor vielleicht zwanzig Jahren.“

„Herrgott! Was war denn Ihr Freund?“

„Knopfmacher. Ich konnte ihn sehr gut leiden, den alten guten Samuel.“

„Samuel? Samuel hieß er?“ fragte sie rasch.

„Ja, Samuel.“

„Etwa Samuel Barth?“

„Ja, Barth Samuel. Dort in Herlasgrün machte man die Sache kurz und sagte einfach Barthsamel.“

Da schlug sie die Hände zusammen und sagte:

„Das ist doch kaum zu glauben. Hier in der Wildnis jemand zu treffen, der ihn kennt.“

„Haben Sie ihn denn auch gekannt?“

„Sehr gut, sehr gut!“

„So, so! Nicht wahr, ein guter, aber auch ein recht dummer Kerl? Wie?“

„Ja, gut war er, seelensgut! Aber dumm? Nein. Ich habe ihn damals für dumm gehalten, heute aber sehe ich ein, daß er es nicht war. Er war aufrichtig und treuherzig, und das kann fast wie dumm aussehen.“

„Möglich. Ich habe ihn für dumm gehalten, zumal er mir nicht glaubte. Er hatte nämlich eine Geliebte, wegen der er nach Ruppertsgrün lief. Die hielt ihn nur zum Narren, und er sah das nicht ein.“

„Haben Sie sie gekannt?“

„Nein. Ich habe zwar im Saal gesehen, daß er mit ihr tanzte, aber weiter um sie gekümmert habe ich mich nicht. Der Racker war es nicht wert.“

„Racker? Warum?“

„Weil sie ihn doch nur an der Nase herumführte, und ich hielt große Stücke auf ihn. Wir waren nämlich fast alle Abende beisammen und machten Musik miteinander, ich mit der Ziehharmonika und er mit der Gitarre. Ein dritter schlug das Triangel dazu.“

„Ach ja! Er spielte Gitarre. Sein Leiblied war, glaube ich – hm, ich habe den Anfang vergessen, aber die fetzten Zeilen kann ich noch.“

„Meinen Sie etwa:

Von dir geschieden,
Bin ich bei dir,
Und wo du weilest.
Bist du bei mir.

Von dir zu lassen.
Vermag ich nicht.
Weil du mein Alles,
Mein Lebenslicht!“

„Ja, ja, das war es, das! Es hatte eine so schöne, einfache, aber ergreifende Melodie. Der Schluß war:

Doch du ziehst weiter
Und weiter fort,
Nie hör' ich wieder
Dein süßes Wort.

O sel'ge Tage,
O kurzes Glück,
Ruft keine Sehnsucht
Euch je zurück?“

„Wahrhaftig, Sie können es auswendig! Wer hat es Ihnen denn gelehrt?“

„Er. Ach ja, es ist wahr: ‚Doch du ziehst weiter und weiter fort!‘ Er ist fortgezogen!“

„Von ihm haben Sie es? Haben Sie ihn denn gekannt?“

„Und wie! Ich war's ja!“

„Sie waren es? Was denn?“

„Seine Geliebte.“

„Was? Sie waren es? Sapperment! Auf Ihrem Schweinestall hat er gestanden?“

„Fast alle Abende!“ seufzte sie.

„Ohne durchzubrechen?“

„Das Dach war fest.“

„Also Sie, Sie sind es gewesen! Und ich habe Sie vorhin einen Racker genannt.“

„Ich nehme es Ihnen nicht übel. Ich bin auch ein Racker gewesen. Ich habe ihn hinausgestoßen in die weite Welt. Ich war schuld, daß er ging.“

„Warum haben Sie denn das getan?“

„Weil – weil ich ihn für ein bißchen albern hielt.“

„Schwerebrett!“

„Ja. Und das war er doch gar nicht. Er war nur aufrichtig. Er war mir so gut, daß er mir keine Lüge, keine Unwahrheit sagen konnte. Das habe ich für Dummheit gehalten.“

„So geht es! Die besten Menschen werden verkannt. Als er von mir Abschied nahm, sagte er noch, daß er Sie nie vergessen werde.“

„O Gott! Hat er das gesagt?“

„Ja. Er gab mir noch ein Herz, das ich Ihnen bringen sollte, zum Andenken an ihn.“

„Der Liebe, der Gute! Aber von dem Herzen weiß ich gar nichts. Sie haben es mir ja nicht gebracht.“

„Leider nicht. Es war aus Pfefferkuchen. Vorn klebte ein roter Zettel, auf dem in schöner Goldschrift der Reim stand:

Du bist so süß wie Pfefferkuchen,
Doch muß ich meiner Liebe fluchen.
Ein andrer küßt dich auf den Mund,
Das bringt mich vollends auf den Hund.“

Jetzt trat eine Gesprächspause ein. Sam erwartete ein Wort, sie aber sagte nichts. Es war zu dunkel, als daß er ihr Gesicht hätte sehen können. Was dachte sie jetzt? Glaubte sie es von diesem Herzen? Merkte sie, daß er Jux machte? Die letzte Zeile des Pfefferküchlerreimes war wohl einem liebenden Herzen nicht ganz angemessen!

Und als sie immer noch schwieg, sagte er:

„Ich hätte es Ihnen gern gebracht, aber ich hatte selber eine Geliebte, die mir untreu geworden war, und so habe ich dieser das Herz gegeben. Es ist also doch an den richtigen Mann gekommen, das wird Sie trösten, Mylady.“

„Es gehörte aber mir!“

„Nun ja. Hat das Stück Pfefferkuchen denn so großen Wert für Sie?“

„Es war ja von ihm!“

„Ganz richtig, von ihm, und darum hat es einen solchen Wert. Es ist genauso, wie in dem Liede von den alten zerrissenen Hosen. Da sagt die Frau:

Geh mit deinen alten Fetzen,
Die kein Mensch mehr flicken kann!

und er antwortet darauf:

Frau, die mußt du liebreich schätzen,
Denn sie sind von deinem Mann!“

Wieder trat eine Pause ein. Die Art und Weise, wie er sich in dieser Herzensangelegenheit ausdrückte, war ihr gar nicht sympathisch. Er fühlte das. Vielleicht war er mit Absicht so drastisch. Er wollte sie ein wenig peinigen für alles, was sie ihm früher zugefügt hatte. Aber es tat ihm doch weh, und so fuhr er fort:

„Haben Sie niemals wieder von ihm gehört?“

„Nie.“

„Er hat nicht einmal an Sie geschrieben?“

„Ich habe keinen Brief erhalten. Ich hätte mich sehr gefreut darüber.“

„Oh! Sie hatten ja einen Mann.“

„Mit dem ich aber nicht glücklich lebte. Ich möchte doch wissen, wo Barth jetzt steckt.“

„Das kann ich Ihnen sagen.“

„Sie? Mein Himmel! Wissen Sie es?“

„Ja, sehr genau. Er hat mir von Amerika aus geschrieben. Er wußte, daß ich auch herüber wollte. Ich bin also nachgereist und mit ihm in Cincinnati zusammengetroffen. Dort haben wir miteinander gute Freundschaft gehalten, bis er starb.“

„Starb? Herr Jesus! So ist er tot?“

„Ja.“

„Seit wann?“

„Er hat nur zwei Jahre in Amerika gelebt.“

„Woran ist er gestorben?“

„Das hat selbst der Arzt nicht genau gewußt. Aber Samuels letzte Worte waren:

Die Liebe ist das schlimmste Gift,
Das, ach, nur die Verliebten trifft!

Daraus schließe ich, daß er an unglücklicher Liebe gestorben sein mag. Friede seiner Asche!“

„Herr, ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll!“

„Wieso, Mylady?“

„Ich habe solches Vertrauen zu Ihnen, und Sie drücken sich in einer Weise aus, daß es mir leid tut, mit Ihnen über diese Angelegenheit gesprochen zu haben.“

„Wirklich? Nun, ich will Sie nicht täuschen. Hier ist ein Felsstück, gerade wie eine Bank gelegen. Kommen Sie, Mylady! Setzen Sie sich! Ich will nicht länger scherzen und Ihnen die Wahrheit sagen.“

Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu dem Stein. Sie setzte sich und bat dann:

„Aber bitte, die Wahrheit!“

„Gewiß!“

„Er ist nicht tot?“

„Nein.“

„Gott sei Dank! Er lebt!“

Das klang so froh, so glücklich, daß es ihm wirklich schwer wurde, in der beabsichtigten Weise fortzufahren. Aber er wollte sie auf die Probe stellen.

„Ja, er lebt, und zwar sehr glücklich.“

„Glücklich? Ich gönne es ihm. Wo ist er?“

„Eben in Cincinnati.“

„Was treibt er da?“

„Er war Knopfmacher und ist noch immer Knopfmacher, doch in amerikanischer Weise und in amerikanischem Maßstab. Er hat eine große Fabrik und betreibt das Geschäft mit seinem Schwiegervater in Kompanie.“

„Schwie –“ Sie brachte das Wort nicht heraus.

„Ja, in Kompanie“, wiederholte Sam.

„Er hat – hat einen Schwie – Schwiegervater?“

„Gewiß!“

„Er ist also verheiratet?“

„Und zwar sehr glücklich. Das älteste von seinen fünf Kindern, ein Mädchen von siebzehn Jahren, wird sich nächstens verheiraten.“

„Sieb – zehn – Jahren! Vergessen, vergessen!“

„O nein. Er spricht oft von Ihnen.“

„Seine Tochter ist siebzehn Jahre alt. Er hat also bereits nach drei Jahren geheiratet! So schnell, so schnell hat er mich vergessen!“

Auguste legte die Hände zusammen und ließ den Kopf tief auf die Brust herniedersinken.

„Sie klagen ihn an Mylady! Haben Sie ein Recht dazu, ein gutes Recht?“

„Ich glaubte, daß er mich geliebt habe!“

„Das hat er ja, gewiß, das hat er! Aber Sie haben ihn von sich gestoßen, Sie haben ihn fortgewiesen, fort, in die weite Welt. Sie haben sich einen Mann genommen, und nun verlangen Sie, daß Barth Ihnen treu bleiben soll für das ganze Leben! Bedenken Sie!“

„Ach ja, Sie haben wohl recht. Aber der Mensch ist so egoistisch. Ich habe ihn stets lieb gehabt, stets, stets. Es ist mir unmöglich gewesen, zu denken, daß er verheiratet sei. Ich bin, wie ich aufrichtig gestehen will, herübergekommen in der unausgesprochenen Hoffnung, daß ich ihn vielleicht wiedersehen werde. Und nun erfahre ich, daß er für mich verloren ist!“

„Sie sind böse darüber, daß er sich verheiratet hat?“

„Nein, nicht böse, aber ich bin nun um die größte Hoffnung ärmer.“

„Sie werden sich trösten. Der Gedanke, daß er glücklich ist, muß Ihnen die Enttäuschung tragen helfen. Wie wäre es, wenn er unglücklich wäre, arm, elend, in Lumpen gehüllt!“

„Das wollte ich, ja, das wollte ich! Ich würde ihm alles geben, was ich habe, alles!“

„Was haben Sie denn?“

„Mein Gott! Ja, Sie haben recht! Ich habe ja selbst nichts, gar nichts mehr. Ich bin selbst eine Bettlerin. Ich weiß nicht, was ich tun soll und wovon ich später leben werde, wenn Sie mir nicht das Verlorene retten.“

Sam sagte jetzt nichts, aber als er hörte, daß sie still vor sich hinweinte, meinte er nach einer Weile:

„Trösten Sie sich, Mylady! Es ist immer besser so, als daß er tot ist. Noch schlimmer aber wäre es, wenn Sie sich in Ihrer Liebe getäuscht hätten. Ich setze den Fall, er wäre noch frei und ledig. Sie fänden ihn, aber er hätte sich äußerlich und innerlich so verändert, daß Sie ihm nicht mehr gut sein können, daß er Ihnen vielmehr widerwärtig wäre!“

„Das kann nie der Fall sein.“

„O bitte, sagen Sie das nicht so kategorisch! Das Leben geht hier mit den Menschen um vieles rauher um, als drüben im Vaterland. Tausende gehen da äußerlich verloren und Tausende innerlich. Wäre er ein Lump geworden, so würden Sie ihn –“

„Ich würde mich seiner annehmen“, fiel sie ein. „Vielleicht gelänge es mir, einen Mann aus ihm zu machen.“

„Hm! Wie stellen Sie sich diesen Samuel Barth jetzt eigentlich vor? Vielleicht entspräche seine Person gar nicht einmal den Erwartungen, die Sie hegen.“

„Nun, er war nicht groß, ungefähr in Ihrer Statur; nur so außerordentlich –“

„Bitte, sprechen Sie immer weiter!“

„So außerordentlich dick würde er nie sein.“

„Da irren Sie sich. Er ist geradeso dick wie ich. In dieser Beziehung gleichen wir einander auf das Haar. Ein solcher Körperumfang ist keineswegs eine Schönheit, wie Sie wohl zugeben werden. Und stellen Sie sich einmal vor, er wohne nicht in einem zivilisierten Ort dieses Landes, sondern er streifte, so wie ich, heimatlos im Wilden Westen herum. Ein solches Leben ist von schlimmem Einfluß auf den Menschen. Der Mann wird roh, grausam und rücksichtslos.“

„Samuel würde das nie werden. Er hatte ein so tiefes, gutes Gemüt, und dieses würde sich selbst bei einem solchen Leben erhalten.“

„Gott segne Sie für dieses Wort! Wenn Barth es hörte, würde er sich sehr freuen. Übrigens glaube ich, daß er ein Andenken von Ihnen hat.“

„Ach ja, aber es ist gar nichts wert. Einst zur Kirmes kam ein Händler in den Tanzsaal. Er bot allerlei feil. Samuel kaufte mir eine silberne Haarnadel. Der Gute! Er war arm und gab sein einziges Geld dafür aus. Ich kaufte ihm einen silbernen Ring, über den er große Freude zeigte. Ob er denselben wohl noch hat?!“

„Er hat ihn noch, nur ist nicht viel davon zu sehen. Der dicke Kerl ist so fett geworden, daß das Fleisch des Fingers über dem Ring fast zusammengewachsen ist. Die Nadel aber haben Sie gewiß weggeworfen?“

„O nein. Ich hatte sie mir aufgehoben. Später suchte ich sie wieder hervor. Seitdem habe ich sie stets getragen. Ich habe sie auch jetzt noch im Haar.“

„Sapperment! Hat denn das Silber so lange Zeit gehalten?“

„Nicht ganz. Ich habe mir die Nadel einige Male wieder versilbern lassen. Aber, mir kommt es vor, als hätten Sie mir noch immer nicht das Richtige gesagt. Ich bitte Sie dringend, mir die volle Wahrheit mitzuteilen.“

„Na, wenn Sie so dringend bitten, muß ich wohl gehorchen.“

„Also er lebt wirklich noch?“

„Ja, wirklich. Er ist Waldläufer geworden. Er hat Sie nicht vergessen können und nirgends Ruhe gefunden. Darum hat es ihm nirgends gefallen.“

„Der Gute! Ich kann mir ihn aber gar nicht als halbwilden Präriejäger vorstellen. Er war so sanft, er konnte kein Wässerlein trüben.“

„Oh, jetzt ist er imstande, einen ganzen Strom trübe zu machen, wenn er mit seiner dicken Gestalt hineinplanscht. Übrigens bricht Not Eisen. Wer nach dem Wilden Westen kommt, der wird entweder bald ein tüchtiger Kerl, oder er geht unter. Mir hat es ja auch niemand an der Wiege gesungen, daß ich mich einst mit Indianern herumschlagen würde.“

„Nun, bei Ihnen ist das doch wohl etwas anderes. Ihr früheres Handwerk war ja schon ein weit derberes als das seinige. Es ist ein Unterschied zwischen einem Fleischer und einem Knopfmacher, mein lieber Herr – Herr – da fällt mir ein, daß ich Ihren Namen noch gar nicht weiß.“

„Ich heiße Sam, und nach meiner schönen Gestalt nennt man mich den dicken Sam.“

„Sam! Ist das der Familienname?“

„Nein, sondern Vorname.“

„Ein sonderbarer Name. Ich habe ihn noch nie gehört.“

„Vielleicht doch. Sam ist Abkürzung. Der Amerikaner macht sich alles möglichst leicht. Er spricht lange Worte nicht gern aus, sondern er hackt ein Stückchen oder einige Stückchen davon ab. Er sagt Pa und Ma anstatt Papa und Mama, Mo statt Salomo. So gibt es eine Menge einsilbige Namen, mit denen man fast nicht weiß, wohin: Bill, Will, Rob, Bob und andere. So ist es auch mit Sam.“

„Was heißt dies eigentlich?“

„Es ist die erste Silbe von Samuel.“

„Wie? So heißen auch Sie Samuel?“

„Ja.“

„Ein sonderbares Zusammentreffen! Sie sind sein Freund und haben auch ganz denselben Vornamen! Aber wie ist Ihr Familienname?“

„Vollständig heiße ich Sam Barth.“

„Barth? Höre ich recht?“

„Jedenfalls. Gefällt Ihnen der Name nicht?“

„Oh, sehr, sehr! Aber es ist doch ganz der seinige!“

„Freilich!“

„Und Sie sind aus – aus Rodewisch!“

„Na, ich will Ihnen offen gestehen, daß ich da ein klein wenig geflunkert habe. Eigentlich bin ich wo ganz anders her, nämlich aus Herlasgrün. Und eigentlich bin ich auch nicht Fleischer gewesen, sondern vielmehr Knopfmacher. Und eigentlich ist –“

„Herrgott!“ unterbrach sie ihn. „Bitte, zeigen Sie einmal her! Schnell, schnell!“

Sie ergriff seine Hände und tastete prüfend an den Fingern hin. Es war ja zu dunkel, um etwas sehen zu können. Da fühlte sie an dem Ringfinger der linken Hand etwas Rundes, Hartes, worüber sich das Fleisch gelegt hatte.

„Mein Heiland! Dies ist der Ring!“

„Ja, das ist er, der silberne.“

„Du bist's! Du bist's! Ist es möglich?“

Sie war von ihrem Sitz aufgesprungen. Sie stand vor ihm und hielt seine Hand gefaßt. Er fühlte, wie die ihrige zitterte.

„Ja, Gustel, ich bin's“, sagte er tief gerührt und gar nicht in dem selbstironisierenden Ton, in dem er bisher gesprochen hatte.

„Und ich habe dich nicht erkannt!“

„Ich dich sofort. Aber das ist ja auch kein Wunder, da ich mich so gewaltig verändert habe.“

„So ist mir mein Wunsch erfüllt, und meine Ahnung hat mich nicht getäuscht. Als der Schwager von Amerika redete, dachte ich an dich. Ich hatte keine Ahnung von der Größe des Landes. Und wenn auch, es war mir doch, als wenn ich dich ganz bestimmt treffen und wiedersehen werde. Meine Sehnsucht –“

Sie hielt inne. Wäre es nicht dunkel gewesen, so hätte er gesehen, wie tief sie errötete.

„Rede weiter, Gustel! Deine Sehnsucht –“

„Ah, geh! Davon kann ich doch nicht sprechen.“

„Warum nicht? Als du mich für einen Fremden hieltest, hast du dich nicht geschämt, sondern mir alles gesagt. Jetzt, da du weißt, wer ich bin, willst du schweigen. Fürchtest du dich vor mir?“

„Ich möchte wohl!“

„Das darfst du nicht!“

„Aber ich muß doch, da ich so schlecht an dir gehandelt habe.“

„Nun, was das betrifft, so ist es am allerbesten, wir denken nicht mehr daran.“

„Ja, wenn du mir vergeben könntest.“

„Das ist schon längst geschehen. Himmelelement. Ich könnte vor Freude droben dem Mond, der sich aber heute gar nicht sehen läßt, eine Maulschelle geben, daß er sich selbst für einen Eierkuchen halten sollte. Niemals habe ich daran gedacht, daß ich dich wiedersehen könne, und nun treffe ich mit dir in dieser alten Prärie zusammen. Wie albern sind doch die Leute, die meinen, daß es keinen Gott gebe! Nur der liebe Gott ist es, der dich auf den Gedanken gebracht hat, herüber nach Amerika zu gehen. Oder meinst du nicht?“

„Ja, es war wie eine Eingebung.“

„Und nun stehst du da, hier vor mir. Höre, Gustel, es ist mir ganz so, als ob ich erst gestern in Ruppertsgrün gewesen wäre, und da – weißt du den Weg, den ich immer nahm?“

„Sehr genau.“

„Über den Zaun hinweg.“

„Ja, durch den Garten in den Hof.“

„An der Mauer lehnte der Sägebock, den stellte ich an den Schweinestall. Erst auf den Bock, dann auf den Stall, und dann – hm!“

„An das Fenster.“

„Ja. Du langtest mit deinen Patschhändchen herunter, ich hielt alle zehn Finger in die Höhe, und da hatten wir uns. Aber bequem war es doch nicht. Nicht wahr?“

„Das ist wahr.“

„Von dem ewigen Hinaufsehen tat mir noch früh am Morgen stets das Genick weh. Wir hätten es bequemer haben können, aber du wolltest nicht. Na, vielleicht hättest du gewollt, aber ich war zu schüchtern. Ich hatte mir hundertmal vorgenommen, dir einen tüchtigen Kuß zu geben, aber wenn ich dann vor dir stand, so hatte ich den Mut nicht dazu. Dann aber kam ganz plötzlich die Galle über mich. Ich nahm dich her und drehte dein Gesicht herum. Wir standen an der Haustür, ich hatte dich vom Tanz heimgebracht. Ich machte schon die Lippen spitz, wie eine Karpfenschnute. Da prasselte es von oben herab. Es war im Winter, und das Dach lag dick voll Schnee. Dieser war locker geworden und prasselte gerade in dem wichtigen Augenblick auf uns hernieder, daß wir wie zwei Schneemänner dastanden, hustend; pustend und niesend, daß das ganze Dorf hätte aufwachen mögen. Weißt du es noch, Gustel?“

„Oh, sehr gut!“

„Aber den Schmatz habe ich mir doch noch geholt, und da dann der Knoten gerissen war, so habe ich mich nach und nach immer besser eingerichtet. Weiß der liebe Himmel, wie das so schmeckt, obgleich es dabei nichts zu schlucken gibt, und ist auch weder süß noch sauer, weder bitter noch salzig! Wenn ich heute nicht dieses dumme Bärenfell anhätte, so –“

„Nun, so –“

„So nähme ich dich einmal recht herzlich in die Arme und versuchte, ob ich das Küssen während der zwanzig Jahre vielleicht verlernt habe. Einen Schneesturz hätten wir nicht zu befürchten, und da – hm, was sagst du dazu, Gustelchen?“

Sie zögerte einige Augenblicke mit der Antwort, sie konnte ja doch nicht sagen, wie gerne sie ihm seinen Wunsch erfüllt hätte, fragte aber dann:

„Was hat denn der Bärenpelz verbrochen?“

„Eigentlich nichts, aber wenn man monatelang nicht aus dieser Haut herauskommt, so befindet man sich nicht in einem sehr appetitlichen Zustand. Und so ein Herzeleid will ich dir doch nicht antun.“

„Oh, ich habe doch auch keinen Ballstaat an.“

„Meinst du? Also ich darf?“

Sam fühlte es mehr, als daß er es sah, daß sie nickte, denn er hatte ja bereits den einen Arm um sie gelegt, jetzt zog er sie an sich heran und küßte sie lange und innig auf die ihm willig entgegenkommenden Lippen. Dann setzte er sich auf den Stein, zog sie neben sich nieder und küßte sie wieder und immer wieder.

Das dauerte lange, sehr lange. Die beiden hatten ganz den Maßstab für die Zeit verloren. Sie fühlten sich jung, als ob sie noch Bursche und Mädchen seien, gerade wie damals in Ruppertsgrün. Sie bemerkten gar nicht, daß sich hinter dem Stein, auf dem sie saßen, etwas bewegte, leise und langsam, nach dem Feuer hin. Sie sprachen im Flüsterton. Sie hatten sich ja so sehr viel zu erzählen. Sie hatte ihm so viel abzubitten und er ihr so viel zu vergeben. Und die Vergebung wurde so oft wiederholt und allemal mit einem Kuß besiegelt.

51 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 03 - Jagd durch die Prärie
titlepage.xhtml
002.html
003.html
004.html
005.html
006.html
007.html
008.html
009.html
010.html