IV. Der Übergang zum integrativen Nationalstaat

1. Das Ideal der Moderation:
Die frühe Rekonstruktionspolitik, 1865–1866

Angesichts der Probleme der Nachkriegszeit, die sich vor ihm auftürmten, war der neue Präsident Andrew Johnson eigentlich ein bedauernswerter Mann. Selbst größere Geister als er hätten sich mit den Umständen schwergetan, und daß er ein großer Geist war, wagten nicht einmal seine Freunde zu behaupten. Wenigstens eines aus einer Vielzahl von Problemen löste sich besser und schneller, als man hätte erwarten können. Die Demobilisierung der Bürgerkriegsarmeen schritt einigermaßen rasch voran. Viele konföderierte Soldaten waren einfach nach Hause gegangen. Die Unionstruppen durften noch unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen paradieren, wobei zum letzten Mal für viele Jahrzehnte auch schwarzen Einheiten diese Ehre zuteil wurde. Wichtig war ferner, daß die Kriegserfahrung der Soldaten zumindest im Norden und Mittelwesten zu keiner nennenswerten Brutalisierung der Gesellschaft führte. Man hätte vermuten können, daß die durch den Krieg ausgelösten Traumata sich eventuell in einer entfesselten gesellschaftlichen Gewalt Luft gemacht hätten, aber dem war in den großen Industriestädten nicht so. Ausnahmen von dieser Regel bildeten der Süden, auf den noch eigens einzugehen ist, und der Westen. Dort, jenseits des Mississippi, in den Prärien und dem Felsengebirge, kam es zu einer anhaltenden Welle von Gewalt, die von 1865 bis etwa 1919 anhielt. In über 40 lokalen Kleinkriegen von Montana bis New Mexico rangen republikanische Großgrundbesitzer, demokratische Kleinfarmer und Rancher, vigilante mobs und Gesetzlose, Gewerkschafter und Minenbesitzer in einer nicht enden wollenden Spirale der Gewalt um die Frage der kapitalistischen Organisation der Agrarindustrie. Die amerikanische Forschung hat diesem Prozeß, der eng mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Bürgerkriegs gekoppelt war, den treffenden Namen Civil War of Incorporation gegeben. Im Mittelpunkt dieser von medialen Mythen umgebenen Serie von Konflikten stand die Frage, inwieweit die Agrarproduktion des Westens industrialisiert und in eine national und global vernetzte Industrieordnung integriert werden sollte. Im Hintergrund standen dabei zusätzlich die Kapitalinteressen ausländischer, vorwiegend britischer Investoren, absentee owners, die ihren Großgrundbesitz oft von London oder Manchester aus durch Aufseher verwalten ließen, ohne die Bedingungen vor Ort zu kennen. Sie kooperierten meist eng mit der Republikanischen Partei. Die nationale Exekutive hielt sich aus diesen Streitigkeiten überwiegend heraus und überließ das Feld einzelstaatlichen und bevorzugt privaten Akteuren, darunter der Pinkerton Detektei, die Lincolns Geheimdienstchef aufgebaut hatte.

Der Westen aber war weit weg, und an der Ostküste harrten schwerwiegendere Fragen der Lösung, die zu allem Überfluß eng miteinander verwoben waren: Wie konnte man den Süden wieder in die USA einbinden? Was sollte mit den befreiten Schwarzen und den Relikten der Sklaverei in den alten Unionsgebieten geschehen? Die Antwort auf die erste Frage hing unter anderem von verfassungsrechtlichen Prämissen ab, wobei es auf diesem Gebiet 1865 binnen weniger Tage zu eigentümlichen Wandlungen kam. Die von der neuen Militärregierung South Carolinas bestimmten Abgeordneten der Staatslegislatur hatten verkündet, die Sezession von 1860 sei null und nichtig gewesen. Nichts anderes hatte man von ihnen erwartet. Aber der Widerspruchsgeist des unruhigen und widerspenstigen Staates war keinesfalls tot, denn die Abgeordneten beharrten zusätzlich darauf, sie hätten weiterhin prinzipiell das Recht auf Sezession von der Union. Damit war das ganze Paradox der Situation umschrieben. Im Süden, wo man 1860/61 in rechtlich durchaus nachvollziehbarer Form aus der Union ausgetreten war, befand man nun plötzlich, man sei nie wirklich ausgetreten und müsse weiterhin als der Union vollwertig zugehörig betrachtet werden. In der Konsequenz bedeutete dies die Entsendung gewählter Abgeordneter in den Kongreß und politische Teilhabe, so als sei nichts geschehen. Im Hintergrund stand dabei zusätzlich die Erwartung, der wirtschaftlich stärkere Norden werde die ökonomisch weitgehend am Boden liegenden Südstaaten dann unterstützen, wenn sie volle Staatlichkeit hätten. Für viele radikale Nordstaatler, allen voran Charles Sumner und Thaddeus Stevens, war das aber absolut inakzeptabel. Viele Kriegsdemokraten teilten ihre Vorbehalte. In ihren Augen war der Süden, obwohl sie während des gesamten Krieges das Gegenteil behauptet hatten, nun wirklich aus der Union ausgetreten und hatte damit das Recht auf legale und politische Partizipation verwirkt. Die Gebiete im Süden hätten ihre Staatlichkeit durch den Akt der Rebellion verloren und müßten sich erst wieder als Bundesterritorien bewähren. Überdies seien die politischen und militärischen Führer der Rebellion als Hochverräter zu bestrafen. In Anbetracht dieser unvereinbaren Ausgangsvoraussetzungen und Forderungen entschloß sich Johnson, an dem Kurs festzuhalten, den Lincoln bereits während des Krieges festgelegt hatte. Demnach war der Süden faktisch nicht ausgetreten und konnte deswegen relativ leicht wieder reintegriert werden, wenn 10 Prozent der Wahlberechtigten von 1860 einen Loyalitätseid auf die USA ablegten. Auf dieser Grundlage hatte Lincoln schon während des Krieges in Tennessee, Arkansas und Louisiana unionsloyale Regierungen installiert. Nur bestimmte konföderierte Amtsträger sollten darüber hinaus von dem Pardon ausgeschlossen und hart bestraft werden. Ihnen würde man entweder für den Rest ihrer Lebenszeit oder auf unbestimmte Dauer sämtliche bürgerlichen Ehrenrechte absprechen. Vermutlich, so ließ Johnson durchblicken, würden einige von ihnen wegen Hochverrats hingerichtet werden. Im Mai 1865 erließ der Präsident eine entsprechende Verordnung, die sämtliche Amtsinhaber der Konföderation, ihre Offiziere und alle Personen, die über Eigentumswerte von mehr als 2000 $ verfügten, von allen politischen Rechten ausschloß. Hinter dem letzten Punkt stand Johnsons Überzeugung, die Reichen im Süden seien an der Sezession schuld gewesen und der Krieg sei ausschließlich ihrer Initiative zu verdanken. In Gesprächen und Mitteilungen deutete Johnson überdies an, er trete für ein Wahlrecht wenigstens für jene Schwarzen ein, die Landbesitz hätten, Steuern zahlten und lesen könnten. Die radikalen Republikaner atmeten erleichtert auf. Mit diesem Kompromiß konnten sie leben, obwohl er ihre Maximalforderungen nicht erfüllte. Aber die Stoßrichtung war klar: keine Gnade für die Sezessionisten. Zugleich bedeutete dies, daß die Partei die Möglichkeit hatte, im Süden ihre Basis organisatorisch erst aufzubauen und dann langfristig zu festigen, da jede politische Konkurrenz vorerst ausgeschaltet sein würde. Diese politische Strategie würde die Dominanz der Republikaner über Jahrzehnte hinaus sichern.

Möglicherweise waren es diese parteipolitischen Erwägungen, die allerorten ganz offen diskutiert wurden, die bei Johnson einen abrupten Kurswechsel auslösten. Schlagartig fing er nämlich an, Konföderierte zu begnadigen. Im Laufe des Sommers 1865 kam er auf die ungeheure Zahl von 13.000 Begnadigungen. Als Demokrat, der seine Partei nie verlassen hatte, konnte Johnson unmöglich daran gelegen sein, die Vorherrschaft der Republikaner auf unabsehbare Zeit zu zementieren. In der Forschung werden allerdings auch andere Gründe, viele von ihnen eher persönlicher Natur, für seinen Schwenk diskutiert. Dennoch dürften politische Überlegungen den Ausschlag gegeben haben. Der Präsident fing nun an, Gouverneursposten und andere Ämter im Süden mit genau den Männern zu besetzen, die schon vor 1860 dort tätig gewesen waren, unter anderem mit dem extrem umstrittenen William Holden in North Carolina, der in seinem Leben schon jeglicher politischen Richtung angehört hatte. Die Südstaaten sollten ferner mit ihren eigenen Politikern ihre Verfassungen erarbeiten. Nicht einmal die Akzeptanz des XIII. Verfassungszusatzes, also die Aufhebung der Sklaverei, blieb als Bedingung für den Wiedereintritt in die USA bestehen.

Damit rückte die zweite Frage in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nur wenige Amerikaner hatten sich Gedanken über das Schicksal der Schwarzen nach der Emanzipation gemacht. Und selbst Lincoln hatte sich über Monate hinweg gegen den Gedanken gesperrt, die Sklaverei durch einen Verfassungszusatz abzuschaffen. Gegen den Wade-Davis Reconstruction Bill hatte er 1864 sein Veto eingelegt, weil dieser Gesetzesvorschlag der radikalen Republikaner ein Ende der Sklaverei in sämtlichen Staaten der Union, auch in Louisiana, vorschrieb, was Lincoln strikt ablehnte. Er wollte die bisherigen Erfolge bei der Reintegration der Südstaaten auf keinen Fall gefährden. Dabei lief bereits der verfassungsrechtliche Prozeß, der dann 1865 in den XIII. Verfassungszusatz mit dem Verbot der Sklaverei mündete. Ursprünglich hatte es sich um ein rein republikanisches Anliegen gehandelt, das auf einen Entwurf John Quincy Adams’ aus dem Jahr 1839 zurückging und im Dezember 1863 im Repräsentantenhaus neu aufgegriffen wurde. Aber erst als sich im darauffolgenden Januar auch einige Kriegsdemokraten unter Führung von Senator John B. Henderson aus dem Sklavenstaat Missouri dem Begehren anschlossen, nahm das Projekt Fahrt auf. Der Senat billigte die Verfassungsänderung im April 1864 mit 38:6 Stimmen. Erst jetzt griff der Präsident aktiv ein, nachdem klar geworden war, daß das amendment eine echte Chance hatte, ratifiziert zu werden. Lincoln nahm, trotz des heftigen Widerstandes, den dies unter den Friedensdemokraten provozieren mußte, das amendment in sein Wahlprogramm auf. Nachdem er einmal an Bord war, zeigte sich Lincoln freilich sehr aktiv und wirkte entscheidend daran mit, den Vorschlag durch das Repräsentantenhaus zu bringen, wo er mit 119:56 Stimmen gebilligt wurde. Nun war es an den Einzelstaaten, gleichfalls einzuwilligen. Dies zog verfassungsrechtliche Bedenken nach sich, da in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegssituation überhaupt nicht eindeutig geklärt war, welche Staaten mit welchen Regierungen das Recht hatten, an diesem Prozeß teilzunehmen. Die Tragweite des Problems zeigt sich, wenn man auf die Ergebnisse in den Südstaaten blickt. Bis Dezember 1865, dem Termin, an dem die notwendige Zweidrittelmehrheit zustande kam, hatten die unter Militäraufsicht stehenden Staaten Arkansas und South Carolina sowie das bereits rekonstruierte Louisiana für den Verfassungszusatz gestimmt. Danach lehnten allerdings die in der Union verbliebenen Grenzstaaten des oberen Südens mit Ausnahme Missouris das amendment ebenso ab wie New Jersey und Mississippi. Nur am Rande sei vermerkt, daß Kentucky dem 13. Verfassungszusatz 1976 und Mississippi erst in einem symbolischen Akt 1995 zustimmten. Insgesamt jedoch vollzog sich die Abschaffung der letzten Relikte der Sklaverei – betroffen waren nur noch die Sklaven in den Unionsgebieten, vermutlich etwas über 40.000 – vergleichsweise ruhig und ohne echten Widerstand. Der sozioökonomische Anachronismus der peculiar institution war selbst den meisten Plantagenbesitzern inzwischen deutlich geworden. Mehr aber auch nicht.

Mit einer geänderten Verfassung war es daher nicht getan. Das amendment spiegelte gewiß die veränderten gesellschaftlichen Realitäten auf der juristischen Ebene wider, reichte für sich genommen aber kaum, um diese auch in den Griff zu bekommen. Die Schwierigkeiten, vor denen die einstigen Sklavenstaaten standen, waren in jeder Hinsicht diffizil. Entgegen allen Befürchtungen der Sklavenhalter und ihrer politischen Verbündeten blieben gewalttätige Racheakte der befreiten Sklaven auch jetzt weitgehend aus. Weder kam es zu spektakulären Massenmorden noch zu den prophezeiten Massenvergewaltigungen. Ganz im Gegenteil, die meisten Schwarzen waren erst einmal darauf bedacht, ihre zerbrochenen Familienstrukturen wiederaufzubauen. Zahllose ehemalige Sklaven wanderten unter zum Teil extrem widrigen Bedingungen durch die Südstaaten, um verkaufte oder verschleppte Familienmitglieder zu suchen. Neben der Rekonstruktion der Familien war Bildung ein weiteres vorherrschendes Thema in den schwarzen Gemeinden. Unter erheblichen eigenen Anstrengungen, unterstützt nur von wenigen idealistischen Abolitionisten, meistens Frauen aus dem Norden, bauten die Schwarzen sich eigene Schulen auf, um so schnell wie irgend möglich genügend Bildung zu erwerben und am gesellschaftlichen wie politischen Leben gleichberechtigt teilhaben zu können. Damit rezipierten sie die bürgerlich-liberale Leistungsethik der Zeit, die Bildung und soziale Partizipation meritokratisch aneinandergekoppelt hatte. Zugleich wollten sie das grassierende Vorurteil von der Bildungsunfähigkeit und dem Bildungsunwillen der Schwarzen durch die Tat widerlegen. Die institutionelle Basis all dieser Aktivitäten und wohl auch des pointierten Gewaltverzichts der Schwarzen war die black church, jene Ansammlung von protestantischen Denominationen, die seit dem 18. Jahrhundert ausschließlich für Schwarze gegründet worden waren. Zumeist handelte es sich um baptistische, methodistische oder episkopale Denominationen; katholische Schwarze waren außerhalb Louisianas eine verschwindend kleine Gruppe.

Die Aktivitäten der befreiten Schwarzen wurden von den weißen Südstaatlern mit Mißtrauen, Haß und Bitterkeit verfolgt, eine Position, die Weiße aus dem Norden durchaus teilten. Neben einer Fülle von Vorurteilen hatte die dahinterstehende Sorge zumindest ein Fundament in der sozialen Realität des Südens. Wie sollten sich die Schwarzen versorgen? Auf welcher Basis sollten sie künftig ihr Auskommen erwirtschaften? Natürlich konnte man an eine umfassende Landreform denken. In Kreisen radikaler Republikaner wurde diese Alternative ernsthaft diskutiert. Damit hätte man gleichzeitig den Schwarzen eine solide ökonomische Grundlage für ihre Zukunft verschafft und die traditionale semifeudale Gesellschaftsordnung des Südens im Interesse einer liberalen und kapitalistischen Marktwirtschaft endgültig zerschlagen. Aber wieder stand das liberale Prinzip der Unantastbarkeit des Eigentums im Wege. Bis weit in die konservativen und moderaten Reihen der Republikaner hinein war man keineswegs willens, einer solchen Totalreform zuzustimmen, und von den Demokraten war dies ohnehin nie zu erwarten gewesen. Da die Republikanische Partei uneins blieb, überließ man die konkrete Gestaltung der Nachkriegsgesellschaft den Südstaatlern, die überaus restriktiv vorgingen. Unterstützt von Präsident Johnson erließen die Südstaaten 1865 und 1866 die sogenannten Black Codes, in welchen den einstigen Sklaven jedwede Form von politischer Teilhabe, allem voran das Wahlrecht, ebenso untersagt wurde wie die freie Berufswahl oder der Unterricht an öffentlichen Schulen. Überdies wurde ein Arbeitszwang für die Schwarzen realisiert, die auf diese Weise ihren früheren Herren ebenso dienen mußten wie in der Antebellumära, allerdings nun ohne jede paternalistische Verbrämung. Gleichzeitig wurden strenge Gesetze gegen jede Form der Rassenmischung eingeführt, die es vor 1860 so nicht gegeben hatte. Der Wegfall der Sklaverei sorgte dafür, daß die Rassentrennung nunmehr auf dem Weg der Rechtsvorschriften durchgesetzt wurde. In dieser Epoche wurde die schon vor 1865 gültige one drop rule endgültig zum Dogma. Demnach war jeder schwarz, der über ein schwarzes Großelternteil verfügte. Der binäre Rassencode der Angelsachsen setzte sich nach dem Krieg im gesamten Süden durch und prägt bis heute das Denken in den Vereinigten Staaten. Man kann sogar sagen, daß der Rassismus nach 1865 schärfer war als zuvor, denn er ersetzte das gelegentlich paternalistische Herrschaftsverständnis der herrenvolk democracy der Antebellumära vollständig und irreversibel. Im Hintergrund stand die doppelte Furcht vor der angeblichen rassischen Minderwertigkeit der Schwarzen, die jetzt mehr denn je im Sinne unveränderlicher und unverrückbarer organisch-essentialistischer Rassecharakteristika verstanden wurde, und der Möglichkeit schwarzer und republikanischer Mehrheiten in den Staatslegislaturen. Letzteres war vorrangig aus psychologischen Gründen für viele Weiße eine kaum erträgliche Vorstellung. Künftig ausgerechnet von jenen regiert zu werden, die man über Jahrhunderte hinweg mit absoluter Gewalt beherrscht hatte, überstieg das Vorstellungsvermögen selbst wohlgesinnter Südstaatler.

An diesem Punkt verknüpften sich die Probleme der staatlichen Rekonstruktion mit denen des Umgangs mit den befreiten Schwarzen. Aus der Warte radikaler Republikaner war Johnsons Politik eine Zumutung, da sie im Grunde die Verhältnisse aus der Zeit vor 1860 weitestgehend wiederherstellte. Umgekehrt empfand der Präsident seine Politik bereits als Zugeständnis an die Radikalen. Aufgrund seines tief verwurzelten persönlichen Rassismus hatte er keinerlei Interesse an den gesellschaftlich und parteipolitisch motivierten Visionen der Radikalen. Daher verschärfte sich bereits im Jahr 1865, dann aber vor allem 1866 die politische Situation erheblich. Zwischen dem republikanischen Kongreß und dem Weißen Haus kam es zu einer dauerhaften Konfliktsituation. Dabei standen drei Gesetzgebungsvorhaben der Republikaner im Zentrum: das XIV. Amendment, die Civil Rights Bill und die Freedmen’s Bureau Bill. Vergleichsweise noch am wenigsten kontrovers war der neuerliche Verfassungszusatz, der den Schwarzen das amerikanische Bürgerrecht zubilligte und zugleich die Frage des Bürgerrechts der nationalen und nicht mehr ausschließlich der Einzelstaatenjurisdiktion unterstellte. In diesem einen Fall, der allerdings schon in die Phase des heißen Wahlkampfes 1866 fiel, entschied sich Johnson für das Nichtstun. Diese bewußte politische Zurückhaltung, die niemanden desavouierte, führte zu einer relativ raschen Akzeptanz des Vorschlags auf dem Parkett der Hauptstadt. Der komplette Süden aber, mit Ausnahme Tennessees, stimmte auf der Ebene der Bundesstaaten gegen den neuerlichen Verfassungszusatz. Dies änderte jedoch nichts an den gegebenen Mehrheitsverhältnissen. Der 14. Zusatz erhielt 1868 Verfassungsrang. Mit diesem Beschluß wurde der Tenor des Urteils Dred Scott vs. Sanford aus dem Jahr 1857 hinfällig. Schwarze waren nun, anders als frisch eingewanderte Japaner oder Chinesen, berechtigt, Bürger der USA zu werden. Unklar blieb allerdings, wie sich diese Bestimmung in der Praxis des Südens auswirken würde, insbesondere wenn nicht absehbar war, ob und inwieweit die Bundesregierung die ihr übertragenen Kompetenzen tatsächlich nutzen würde.

Gänzlich anders lief es bei den beiden anderen Gesetzesinitiativen, deren parteipolitische Motivation allerdings deutlicher erkennbar war als bei dem XIV. Amendment. Die Civil Rights Bill war einerseits der gewissermaßen natürliche Ausfluß der Sklavenemanzipation, indem er die politischen Mitwirkungsrechte der Schwarzen sichern sollte. Andererseits war er Bestandteil der Southern Strategy der radikalen Republikaner, die das Ziel dauerhafter Herrschaftssicherung im Süden und auf nationaler Ebene verfolgten. Mindestens ebenso umkämpft war das Freedmen’s Bureau, das im März 1865 vom Kriegsministerium unter Führung des Generals Oliver O. Howard erst einmal für ein Jahr gegründet worden war. Die Hauptaufgabe dieser Institution bestand zuallerst darin, die befreiten, aber bitterarmen Schwarzen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen. Darüber hinaus hatte das Büro aber noch einen zweiten Zweck: In einer umfassenden Landreform sollte das Land, welches den konföderierten Amtsträgern, Offizieren und Großgrundbesitzern wegen ihres Verrats abgenommen werden sollte, in Parzellen zu 40 acres an Freigelassene verteilt werden. Dies hätte nichts anderes als die totale Revision der gesellschaftlichen Gegebenheiten im Süden mit sich gebracht, ganz so, wie die Radikalen es verlangten. In der Realität beschränkten sich die Aktivitäten des Freedmen’s Bureau meist jedoch darauf, Arbeitsverträge zwischen den Großgrundbesitzern und ihren einstigen Sklaven auszuhandeln beziehungsweise zu vermitteln, da Johnson mit seiner großzügigen Begnadigungspraxis jede Konfiskation von Ländereien unmöglich machte. Angesichts der intransigenten Haltung des Präsidenten sollte der Handlungsspielraum des Büros erweitert werden, um die geplanten gesellschaftlichen Veränderungen doch noch durchzuführen. Beide Maßnahmen, die Civil Rights Bill und die Freedmen’s Bureau Bill, stießen im Süden, bei den Demokraten und bei Johnson höchstpersönlich auf Widerstand. Der Präsident legte daraufhin sein Veto gegen die Gesetzesvorhaben ein, da er sie für einen Verstoß gegen das Prinzip der Einzelstaatenrechte hielt. Ganz wie in der späten Antebellumära war damit die Tonlage für das folgende Jahrhundert vorgegeben. Hatte die Berufung auf Einzelstaatenrechte (state rights) nach 1848 nur noch bedeutet, daß man die Sklaverei verteidigen wollte, so meinte dieser im 18. Jahrhundert erst revolutionäre, dann konservative und antinationale Schlachtruf im späten 19. und weiten Teilen des 20. Jahrhunderts nichts anderes als die Verteidigung der rassistischen Sozialordnung des Südens.

Der Wahlkampf des Jahres 1866 war zuvörderst von diesen Fragen gekennzeichnet. Die radikalen Republikaner bekämpften mit äußerster Entschiedenheit die moderat-unionistische Politik, die aus ihrer Perspektive restaurativ war. Johnson hingegen und die Demokraten suchten ihr Heil in einer Neuauflage des rassistischen Wahlkampfs von 1864. Mitten im Wahlkampf überstimmte der Kongreß Johnsons Veto erst gegen die Civil Rights Bill und dann gegen die Freedmen’s Bureau Bill. Beide erhielten Gesetzeskraft und dienten von nun an als legale Grundlage für die republikanische Strategie im Süden. Das Freedmen’s Bureau blieb aber trotz seiner bald 900 Mitarbeiter bis zu seinem Ende im Jahre 1872 vor allem auf humanitärem Gebiet erfolgreich. Insbesondere die Einrichtung schwarzer Schulen verdankte sich seiner Kooperation mit Philanthropen aus dem Norden und schwarzen Aktivisten im Süden. Eine Landreform fand nie statt. Mit den Vetos verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Republikanern und Präsident über die Grenze des Unerträglichen hinaus. Johnsons Hoffnung, mit Hilfe der Zwischenwahlen die Stellung der Demokraten ausbauen zu können, erfüllte sich nicht. Im Senat siegten die Republikaner mit 42:11, im Repräsentantenhaus mit 143:49 Sitzen. Das war an sich ein kleiner Erfolg der gestärkten Demokraten, viel wichtiger war allerdings, daß bei den Republikanern der radikale Flügel gestärkt aus den Wahlen hervorging. Da sie diesen Erfolg 1868 wiederholen und noch ausbauen konnten, hatten nun erst einmal die Radikalen das Sagen. Die präsidentielle Rekonstruktion endete mit einer herben Niederlage Johnsons.

2. Der Anlauf zur bürgerlichen Revolution:
Die radikale Rekonstruktion, 1866–1877

In den Augen der radikalen Republikaner war der Präsident das entscheidende Hindernis auf dem Weg zu einer tiefgreifenden Reform der südstaatlichen Gesellschaft. Die Gleichberechtigung der Schwarzen, eine gerechtere Landverteilung und eine mögliche industrielle Neustrukturierung des Südens waren nur machbar, wenn die alten Eliten durch neue ersetzt würden. In den ersten Wochen nach Kriegsende hatte es noch ganz so ausgesehen, als sei dies relativ leicht möglich, da die konföderierten Eliten besiegt, desavouiert und mehr als angeschlagen waren. Johnsons zögerliche Rekonstruktionspolitik hatte es ihnen gleichwohl erlaubt, wieder in Tritt zu kommen. Dies geschah nicht allein in Gestalt der allerorten wieder auftauchenden Südstaatendemokraten. Der Süden reagierte, wie er vor dem Krieg schon immer reagiert hatte: mit exzessiver Gewalt. Diese Gewalt richtete sich gegen alle, die man im Verdacht hatte, im Süden ein republikanisches Regime errichten zu wollen. Fast selbstverständlich waren die befreiten Schwarzen, vor allem wenn sie politisch oder wirtschaftlich aktiv werden wollten, die ersten Opfer. Hinzu traten weiße Funktionäre und Anhänger der Republikaner, die inzwischen eine Parteiorganisation in sämtlichen Teilen des Südens errichtet hatten. Oft handelte es sich um Kleinbauern aus den Piedmontgebieten des alten Südens, die vor 1865 kaum Sklaven gehalten hatten. Im Jargon der Bourbonen genannten Südstaatendemokraten hießen sie nach einer Mustangart scalawags. Der Begriff Bourbone war den konservativen Südstaatlern in Anlehnung an die französische Dynastie gleichen Namens gegeben worden. Von deren nachrevolutionären Königen, Ludwig XVIII. und Karl X., hieß es nämlich, sie hätten nichts vergessen und nichts gelernt. Kaum eine Bezeichnung hätte für die Südstaatendemokraten, die sich selbst lieber als «Erlöser» (redeemer) sahen, besser gepaßt. Sie vergaßen über ein Jahrhundert lang gar nichts, und zu lernen, sich an die neue Zeit anzupassen, war ebenfalls nicht ihre Stärke. Das andere Feindbild der Bourbonen waren die carpetbeggars, Nordstaatler, die in den Süden gekommen waren, um dort ökonomisch Fuß zu fassen. Sie und die scalawags wurden als Kriegsgewinnler denunziert und zu bevorzugten Opfern von Gewalt. Die letzte Opferkategorie bestand aus abolitionistischen Philanthropen, die im Rahmen des Freedmen’s Bureau im Süden arbeiteten, häufig Frauen, die als Lehrerinnen oder frühe Sozialarbeiterinnen tätig waren. Wie schon während des Kriegs warf man ihnen vor, sexuelle Beziehungen mit schwarzen Männern aufzunehmen, um eine minderwertige Hybridrasse zu züchten, welche die Weißen aus ihrer angestammten Führungsposition verdrängen sollte.

Die Gewalt setzte erst langsam, vereinzelt und relativ spontan ein, ehe sie im Laufe der Jahre 1866, 1867 und 1868 immer besser organisiert und umfassender wurde. Wurden 1865 noch bevorzugt Einzelpersonen oder vereinzelte Gehöfte mit schwarzen Besitzern angegriffen, so häuften sich ab 1866 Massaker. Im Sommer 1866 kam es erst in Memphis, dann in New Orleans zu massenhafter Gewalt. Allein in New Orleans wurden im Verlauf einer republikanischen Wahlversammlung 89 Schwarze ermordet. Die Polizei tat nichts. Ab 1867 wurden Massaker regelrecht zur Normalität und sie blieben es bis weit in die 1870er Jahre hinein.

Seit den 1880er und 18890er Jahren richtete sich diese Form extralegaler Volksgewalt dann vorrangig gegen schwarze Gewerkschafter und Populisten, die an der Rassenpolitik des Südens rütteln wollten. Noch im Jahr 1900 zog ein weißer, demokratischer mob durch Grimes County in Texas, um wahllos Populisten, Schwarze und Gewerkschafter zu ermorden. Zu diesen politisch-rassisch motivierten Massenmorden traten die lynchings, also das rituelle Töten meist schwarzer, männlicher Opfer vor großen Mengen von Schaulustigen, meist unter dem Vorwand, sie seien Mörder oder Vergewaltiger. Diente diese Art der Gewaltanwendung in den 1860er und 1870er Jahren noch dazu, potentielle politische und gesellschaftliche Rivalen aus dem Feld zu schlagen, so hatte sie ab den 1880er Jahren, als sie immer stärker ritualisiert und etwa durch Kastration der Opfer stärker sexuell aufgeladen wurde, eher die Funktion, die einmal gezogenen Rassengrenzen unter allen erdenklichen Umständen aufrechtzuerhalten.

Eine wesentliche Rolle bei dieser Explosion der Gewalt im Nachkriegssüden fiel einer Organisation zu, die 1865 von gelangweilten Offizieren der Konföderation in Tennessee gegründet und zeitweilig von Nathan Bedford Forrest geführt wurde: dem Ku Klux Klan. Der Klan der 1860er und 1870er Jahre war – anders als die populärkulturellen Mythen und Legenden aus den Jahrzehnten nach 1900 gerne suggerieren – keine ritterliche Befreiungsbewegung, sondern eine terroristische Vereinigung, die das Ziel verfolgte, die uneingeschränkte Herrschaft der weißen Rasse und der Bourbonen wiederherzustellen. Auch trugen sie in aller Regel keine einheitliche Uniform in Gestalt eines Geisterkostüms, sondern meist nur eine Kapuze. Es handelte sich zudem nicht um eine straff und zentral gelenkte Organisation, sondern um eine Art Netzwerk, das ab 1867 im gesamten Süden präsent war. Glück hatten jene Opfer, die «nur» ausgepeitscht wurden. Der Klan zelebrierte seine Gewaltexzesse und kannte dabei keine Gnade. Der Schutz weißer Frauen und ihrer Ehre diente dabei als beliebter Vorwand. Allerdings schreckten die Klansmen oft dann zurück, wenn sie auf Gegenwehr stießen. Es sind vielfältige Berichte von schwarzen Farmern überliefert, die ihr Heim mit der Waffe in der Hand verteidigten, was dann rasch zum Rückzug des Klans führte. Noch wichtiger aber wäre die Präsenz von Polizei und Militär gewesen.

Diese Passivität war es, die den Klan in Washington zum Skandal machte. Johnson weigerte sich unter dem Deckmantel der Einzelstaatenrechte, militärisch gegen den Klan vorzugehen. Dies hieß aber nichts anderes, als jeden, der sich im Süden gegen eine Rückkehr der alten Eliten aussprach, seinem Schicksal zu überlassen. Zudem war es Ausdruck einer parteipolitischen Rechnung: Jede Schwächung der Republikaner im Süden führte automatisch zum Erstarken der Demokraten. Genau dies aber blieb Johnsons wichtigstes Ziel, was den Republikanern ebenfalls bewußt war. Sie verfügten in dieser Auseinandersetzung über einen ganz klaren Vorteil, saßen doch überzeugte Radikale in Johnsons Kabinett, die dessen Politik zu konterkarieren verstanden. Im Januar 1867 spitzte sich die prekäre Situation zur ernsten Verfassungskrise zu. Johnson legte gegen fast alle Gesetzesvorschläge der Republikaner sein Veto ein, das regelmäßig überstimmt wurde. Gleichzeitig reagierte der Kongreß, indem er den Tenure of Office Act verabschiedete, der alle Personalentscheidungen im Kabinett von der Zustimmung des Kongresses abhängig machte. Dies nahm Johnson zum Anlaß, Kriegsminister Stanton durch Ulysses S. Grant zu ersetzen, was bald zu kuriosen Szenen in der Hauptstadt führte, da nun zwei Personen beanspruchten, Kriegsminister der USA zu sein. Wiederum parallel dazu versuchte der Präsident, alle Anweisungen des Kongresses an die Militärbefehlshaber im Süden rückgängig zu machen und auf diese Weise die radikale Rekonstruktion zu sabotieren. Allmählich wurde die Lage grotesk. Die USA näherten sich dem Zustand der Unregierbarkeit. Für die Radikalen war der Punkt gekommen, an dem Johnson seine Befugnisse überschritten hatte. Unter dem Vorwurf des Hochverrats wurde ein Amtsenthebungsverfahren, ein impeachment, eingeleitet. Es war das erste dieser Art in der amerikanischen Geschichte. Als Nachfolger war der radikale Republikaner Benjamin Wade vorgesehen, dessen Beliebtheit sich freilich wegen seiner inflationären Geldpolitik selbst in der eigenen Partei in engen Grenzen hielt. Das impeachment Johnsons scheiterte daraufhin mit der denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme, die zur notwendigen Zweidrittelmehrheit im Senat fehlte. Kurz darauf erklärte Johnson, er werde mit allen Mittel gegen das anstehende XV. Amendment opponieren, das den Schwarzen das Wahlrecht garantierte. Wohl wußte er diesmal neben den Demokraten auch die Frauenbewegung um die einstige Abolitionistin Elizabeth Cady Stanton hinter sich, die ausgesprochen verärgert darauf reagierte, daß Schwarze, nicht aber Frauen das Wahlrecht erhalten sollten. Aber sein Einspruch änderte nichts. Das amendment wurde 1870 der Verfassung hinzugefügt. Schließlich gewann der Republikaner Ulysses S. Grant 1868 die Präsidentschaftswahlen, ebenso wie seine Partei erneut die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses errang.

Damit schienen die Ausgangsbedingungen für die radikale Rekonstruktion des Südens besser als je zuvor. Der Kongreß erließ einen Military Reconstruction Act und später ein Gesetz zur Bekämpfung des Ku Klux Klan, der ab den frühen 1870er Jahren allmählich an Bedeutung einbüßte. Außerdem konnten jetzt endlich jene Maßnahmen umgesetzt werden, die man schon vorher beschlossen hatte, die dann aber von Johnson blockiert oder behindert worden waren. Zehn der Südstaaten waren bereits unter Militärverwaltung gestellt worden. Das bedeutete, daß auch ihre Senatoren und Repräsentanten aus Washington, meist Sezessionisten des Jahres 1861, aus dem Kongreß geworfen wurden, sehr zur Erleichterung der Radikalen. Die Staaten bekamen Auflagen, unter denen sie sich wieder zur Aufnahme in die Union bewerben konnten. Vor allem mußten sie das XIV. Amendment vorbehaltlos anerkennen und ihre Verfassungen im Sinne der Radikalen liberalisieren. Mit dem XV. Amendment und der ab 1869 intensiveren Militärpräsenz im Süden konnte dann das Wahlrecht der Schwarzen flächendeckend durchgesetzt werden, was in den meisten Südstaaten zu republikanischen Regierungen führte, an denen schwarze Politiker einen erheblichen Anteil hatten. Auf einzelstaatlicher wie nationaler Ebene fanden sich nun schwarze Abgeordnete und Senatoren, ein Zustand, der bis in die 1880er Jahre hin anhielt und erst wieder ab den 1970er Jahren in diesem Ausmaß erreicht wurde. Über diese Staatenregierungen mit schwarzer Beteiligung ist seitdem im Süden viel diskutiert worden. Lange hat man ihnen den Vorwurf der Korruption, der Unfähigkeit und der Parteilichkeit gemacht. Die neuere Forschung hat indessen nachgewiesen, daß sie in keiner Weise schlechter, zum Teil sogar effizienter waren als die korrupten, unfähigen und parteilichen Regierungen, die der Süden vorher und nachher erlebte. Mitte der 1870er Jahre sahen sich die Demokraten gezwungen, eigene schwarze Politiker in ihre Reihen zu integrieren, was jedoch nur mit mäßigem Erfolg geschah. Dennoch sollte nicht übersehen werden, daß seit etwa 1872/73 den Republikanern die schwarze Basis im Süden wegbröckelte. Zum einen waren sie nicht willens und in der Lage, die ökonomischen Bedürfnisse der Schwarzen zu befriedigen, da sie sich trotz aller Dominanz scheuten, eine Bodenreform einzuleiten. Zum anderen verhieß die Koalition mit moderaten Demokraten den Schwarzen im Süden zeitweilig mehr Aufstiegschancen und größere Sicherheit. Die politischen Verhältnisse waren im Süden der 1870er und frühen 1880er Jahre fluider als jemals zuvor.

Aber auch auf nationaler Ebene verlor die radikale Rekonstruktion rasch den Schwung der Anfangsjahre zwischen 1867 und 1872. Ein Gutteil der Verantwortung dafür lastete auf den Schultern des neuen Präsidenten Ulysses S. Grant und seiner zur Korruption neigenden Administration. Wichtiger aber war der neuerlich einsetzende Strukturwandel in den USA. Im Nordosten der USA stieg der Anteil urbaner Bevölkerung in den 1870er Jahren erstmals auf über 50 Prozent, die Industrialisierung machte rasche Fortschritte, was weitere Massenmigration zur Folge hatte. Mit der steigenden Industrieproduktion stellte sich auch die Frage der finanziellen Liquidität ganz neu. Die Debatte über Gold- und Silberwährung, Papiergeld, Inflation und harten Dollar nahm immer mehr Aufmerksamkeit in Anspruch, vor allem als die USA wie das eben erst entstandene Deutsche Reich 1873 in die weltweite Rezession glitten, aus der sie, von kurzen Boomzyklen abgesehen, bis 1897 nicht mehr herauskamen. Dies waren sämtlich Probleme des Nordens und Mittelwestens, von denen der Süden aufgrund seiner dominant agrarischen Struktur weitgehend unberührt blieb. In der Folge ließ das mediale Interesse am Süden, trotz der weiteren kommunikativen Verdichtung etwa durch die Massenpresse eines William Randolph Hearst, deutlich nach. Selbst innerhalb der Republikanischen Partei rückte die gesamte Problematik der Südstaaten in den Hintergrund. Frühere Abolitionisten wie Horace Greeley, dessen New York Tribune in den 1850er Jahren an der Speerspitze der Bewegung gestanden hatte, wandten sich von der Partei ab und wurden konservativer. Zeitweilig, ab 1872, spalteten sich die Republikaner. All dies stärkte die Demokratische Partei.

Der heftigste Widerstand gegen die Nationalisierungspolitik der radikalen Republikaner kam gleichwohl von ganz anderer Seite. Das Oberste Bundesgericht, an dessen Spitze von 1864 bis 1873 der ausgewiesene Abolitionist Salmon P. Chase stand, dem mit Morrison R. Waite bis 1888 ebenfalls ein abolitionistischer Whig und Republikaner folgte, zeigte sich mit der Entwicklung der exekutiven Machtbefugnisse auf Bundesebene in höchstem Maße unzufrieden. Zur Überraschung vieler war der republikanisch dominierte Supreme Court keineswegs so linientreu wie die Kongreßabgeordneten. Bereits 1866 hatte Chase Lincolns Stil der imperialen Bürgerkriegspräsidentschaft in dem Urteil Ex parte Milligan einen ersten Dämpfer erteilt, indem die Militärgerichtsbarkeit über Zivilisten hinter der Front und die Einschränkung der habeas corpus-Akte als verfassungswidrig eingestuft wurden. Im selben Jahr wurde ein parteipolitisches Anliegen der Radikalen verworfen, die iron clad oathes. Die Radikalen hatten versucht, in den Staaten des Mittelwestens, in denen sich, wie in Missouri, viele Anhänger des Südens befanden, für alle, auch nichtstaatliche Amtsträger einen Amtseid einzuführen, in dem sie schwören mußten, nicht einmal in Gedanken mit der Konföderation sympathisiert zu haben. Dies hätte mit einem Schlag fast sämtliche demokratischen Amtsträger für Jahrzehnte eliminiert. Da auch Pfarrer und katholische Priester von dem Eid betroffen waren, was gegen Wort und Sinn des I. Amendment verstieß, klagte der kurzfristig wegen Eidverweigerung inhaftierte katholische Priester John Cummings. In dem Urteil Cummings vs. Missouri bekam er recht. Von da an allerdings verfestigte sich die Position des Gerichts in der Frage der Interpretation der drei neuen Verfassungszusätze der Rekonstruktionsepoche. Obwohl das XIV. und XV. Amendment der nationalen Regierung ausdrücklich die Regelungsbefugnis über Menschenrechts- und Staatsbürgerrechtsfragen zubilligten, lehnte das Gericht eine allzu weite Auslegung dieser Passagen in mehreren Urteilen seit 1873 konsequent ab (Slaughterhouse Cases 1873, Civil Rights Cases 1883). Dadurch verloren die Verfassungszusätze und Bürgerrechtsgesetze ihre legale Durchschlagskraft. Der nationale Charakter der USA wurde wieder zugunsten des Unionsgedankens relativiert. Damit blieb der oberste Gerichtshof seiner Linie treu. Selbst der nationalistische John Marshall hatte in Barron vs. Baltimore (1833) die Gültigkeit der Menschenrechtsdeklaration in den ersten zehn Zusätzen der Bundesverfassung ausdrücklich auf die Unionsebene beschränkt und damit die Einzelstaatenrechte enorm gestärkt.

Die Verbindung von wachsender Interesselosigkeit im Norden und bei den moderaten und konservativen Republikanern, der rapide Machtverfall der Radikalen ab 1872 und der konservative Schwenk des Supreme Court beraubten die republikanischen Regierungen im Süden ihrer wichtigsten Stützen. Umgekehrt wandten die Demokraten nun eine Politik an, die kleine und kurzfristige Zugeständnisse an schwarze Eliten mit weiterer Gewalt seitens des Klans verknüpfte. In diesem Klima gedieh die Idee der redemption. Zwischen 1872 und 1877 fiel ein Staat nach dem anderen an die Demokraten zurück. Die Folge war jeweils absehbar: Das Wahlrecht für Schwarze wurde schrittweise eingeschränkt. Es wurden Lesetests für Wähler oder spezielle Steuern eingeführt, um den Schwarzen das Wählen zu verleiden. Wo nichts mehr half, wandte man unverhüllt wieder Gewalt an, da parallel zur redemption das Militär abgezogen wurde. Danach folgten die Jim Crow Laws, jene bis in die 1960er Jahre gültigen Gesetze zur Segregation, zur Rassentrennung, in denen etwa bestimmt wurde, daß Weiße und Schwarze nicht im gleichen Restaurant essen oder vom gleichen Wasserhahn trinken durften. Selbstverständlich wurden Schwimmbäder und Badestrände segregiert, aber auch Eisenbahnwaggons, Schulen und Universitäten. Den Schwarzen wurde eher inoffiziell, aber um so strikter vorgeschrieben, wie sie sich weißen Männern und Frauen gegenüber zu verhalten hatten. Der Zwang zu devoten Umgangsformen sollte jeden Anflug von schwarzem Widerstand und das Aufkommen einer selbstbewußten schwarzen Männlichkeit verhindern. Diese kulturellen Codes waren fast noch wichtiger als die gesetzlichen Bestimmungen. Wer, gleichgültig ob bewußt oder unbewußt, gegen sie verstieß, konnte jederzeit gelyncht werden. Auch auf dieser Ebene blieb der Süden strukturell gewalttätig. Manch einem jungen schwarzen Mann wurde ein falsch gedeuteter Blick auf eine weiße Frau oder ein Pfiff zum Verhängnis, manchmal reichte der bloße Verdacht einer Zuwiderhandlung. Zwischen 1880 und 1920 wurden über 3200 schwarze Männer im amerikanischen Süden rituell gelyncht, oft nach Vorankündigung in Zeitungen und auf Plakaten sowie verbunden mit dem kommerziellen Verkauf von Eintrittskarten und Körperteilen des getöteten Schwarzen. Kein Täter wurde je verurteilt.

Mit der Wahl von 1876 und dem anschließenden Kompromiß von 1877 wurde dann die Rekonstruktion auf nationaler Ebene offiziell beendet. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch drei Staaten im Süden – South Carolina, Florida und Louisiana – nicht unter konservativ-demokratischer Herrschaft. Die Republikaner, besonders die Radikalen, hatten sich durch ihre ökonomische Politik mitten in der Weltwirtschaftskrise ihrer einstigen Popularität beraubt. Demgegenüber befanden sich die Demokraten im Süden sowie unter den Arbeitern des Nordens wieder im Aufwind. Das Wahlergebnis reflektierte die nationale Stimmung. Der demokratische Kandidat Samuel Tilden errang nicht nur sämtliche ehemaligen Sklavenstaaten mit Ausnahme der drei, die noch nicht im konservativen Sinn «erlöst» waren, aber ebenso West Virginia, eine republikanische Hochburg, Indiana, New Jersey, New York und Massachusetts, die beiden letztgenannten Staaten wohl primär wegen der Unterstützung durch irische und deutsche Katholiken aus der Unterklasse. Insgesamt stimmten 51 Prozent der Wahlberechtigten für Tilden, aber nur 48 Prozent für seinen republikanischen Opponenten Rutherford B. Hayes. Im Wahlmännerkollegium sah das Ergebnis aber anders aus, genauer gesagt, es gab dort kein reguläres Endergebnis, da beide Parteien die Ergebnisse aus Louisiana, Florida, South Carolina und Oregon anfochten. In den drei Südstaaten war wirklich Wahlbetrug auf beiden Seiten vorgekommen, keine Seltenheit in jenen Tagen. Zwar wurde bis 1892 mehrheitlich nicht geheim, sondern offen abgestimmt, aber die Wahlausschüsse, die dann die Stimmen zählen sollten, standen in aller Regel unter der Kontrolle korrupter Parteimaschinen. Zudem fehlte mitunter ein ordentliches Wahlregister, so daß manche mehrfach abstimmten. Es dauerte einige Wochen, ehe sich die beiden Parteien auf ein Wahlergebnis einigten. Hayes bekam 185, Tilden 184 Wahlmänner zugesprochen. Im Gegenzug für die Akzeptanz des republikanischen Wahlsiegs wurden sämtliche noch im Süden verbliebenen Bundestruppen abgezogen. Binnen weniger Tage erhielten auch die drei verbliebenen republikanischen Staaten des Südens demokratische Regierungen. Kaum zehn Jahre später gab es im Süden keine schwarzen Abgeordneten mehr, in vielen Staaten hatte die Republikanische Partei aufgehört zu existieren. Der Süden mutierte zum «soliden Süden», das heißt zu einer Region, die bis in die 1960er Jahre in nationalen Wahlen nahezu immer geschlossen auf der Seite der Demokraten stand. Erst die Wende der Demokraten zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung ausgerechnet unter dem Texaner Lyndon B. Johnson sprengte die Koalition konservativer, weißer Südsstaatler mit mehrheitlich katholischen Arbeitern aus dem Norden endgültig, nachdem es schon 1948 zu ersten Spannungen gekommen war. Danach wandten sich die lily whites, die lilienweißen Rassisten aus dem Süden, den Republikanern zu, der Partei Abraham Lincolns, die nun für konservative Werthaltungen stand.

Mit dem Kompromiß von 1877 endeten gewiß nicht sämtliche Versuche der wenigen Radikalen, die noch übriggeblieben waren, die Verhältnisse im Süden in ihrem Sinn zu ändern. Noch 1890 nahm man mit der Lodge Election Bill einen Anlauf, die verfassungswidrigen Praktiken des Wahlausschlusses von Schwarzen zu verbieten, scheiterte aber. Dafür war zum einen die restriktive Rechtsprechung des Supreme Court verantwortlich, die der Bundesexekutive in Bürgerrechtsfragen keine Einflußmöglichkeiten auf Einzelstaatenebene mehr gewährte. Zum anderen zeigte es sich, daß man in der Republikanischen Partei unter den Auspizien einer strikt marktorientierten ökonomischen Doktrin in erster Linie am Prinzip der absoluten Vertragsfreiheit und des Schutzes kapitalistischer Eigentumsinteressen interessiert war. Die Lage im Süden rückte stets nur dann in den Blick, wenn die Kapitalinteressen des Nordens unmittelbar berührt waren. Der einstige philanthropische Idealismus vieler Republikaner war geschwunden und fand sich bestenfalls in einigen gesellschaftlichen Reformbewegungen, die ab etwa 1890 unter der Bezeichnung des Progressivismus von sich reden machten. Ansonsten begnügte man sich im Norden damit, die nun fest etablierte rassistische Gesellschaftsordnung zu akzeptieren. In vielen Fällen ging man sogar noch weiter und übernahm den Rassismus des Südens. Der deutsche Historiker Wolfgang Schivelbusch hat einmal mit Blick auf dieses Phänomen davon gesprochen, daß es Besiegten nach einem Krieg nicht selten gelingt, den Siegern etwas von ihrer Kultur überzustülpen. Exakt dies geschah in den USA. Der amerikanische Historiker David Blight hat in diesem Zusammenhang den Begriff des rekonziliatorischen Rassismus geprägt. Demnach hätte der Norden, nicht zuletzt aufgrund längst vorhandener rassistischer Tendenzen, die Rassenvorstellungen des Südens weitgehend internalisiert, um auf diese Weise den weißen Südstaatlern bewußt oder unbewußt die Rückkehr in die Union zu erleichtern. Wohl übernahm man im Norden die Jim Crow Laws ebensowenig wie die Praxis des rituellen lynchings, dennoch waren Schwarze hier genauso Bürger zweiter Klasse wie im Süden. Und erneut war es das Oberste Bundesgericht, das diesem Zustand die verfassungsrechtliche Weihe verlieh. In dem Urteil Plessy vs. Ferguson von 1896 befand der weiterhin republikanisch dominierte Supreme Court mit 8:1 Stimmen, daß es der Verfassung nicht widerspreche, wenn Schwarze in getrennte Schulen gehen müßten oder in separaten Eisenbahnabteilen Platz nehmen müßten. Separate, but equal lautete der Tenor des Urteils, dem nur ein Richter, John Marshall Harlan, ein früherer Sklavenhalter aus Kentucky, energisch widersprach. Obwohl keine der schwarzen Institutionen im Süden denjenigen der Weißen qualitativ auch nur annähernd entsprachen, legte Plessy vs. Ferguson bis 1954 den legalen Grundstein für die Praxis der Segregation im Süden der USA. Das Werden der wiedervereinigten amerikanischen Nation nach dem War between the States vollzog sich auf Kosten der schwarzen Minderheit. Das Projekt der Emanzipation der Sklaven war, abgesehen von ihrer formalen Befreiung aus den Banden der Sklaverei, erst einmal gescheitert.

Dies bedeutete freilich nicht, daß die Schwarzen zu rein passiven Objekten weißer Willkürherrschaft geworden wären. Die segregierten Institutionen konnten durchaus zur Grundlage von Stolz und Selbstwertgefühl werden. Mochten die schwarzen Schulen häufig nur brüchige, zugige Holzhütten ohne Heizung sein, die Lehrer bemühten sich redlich, den Kindern soviel Bildung wie möglich, vor allem aber ein Bewußtsein von Gemeinschaft zu vermitteln. Am wichtigsten war jedoch die black church. Man kann guten Gewissens sagen, daß es keine Bürgerrechtsbewegung im 20. Jahrhundert gegeben hätte, wenn nicht die Pastoren der black church gewesen wären. Sie stellten die gebildete Funktionselite und Mittelklasse der Schwarzen im Süden, und sie verfügten über eine brauchbare, handlungsfähige Organisation. Obwohl die schwarze Bürgerrechtsbewegung im Süden christlich-integrationistisch war und nicht, wie in den Städten des Nordens, einem säkularen, segregationistischen Ansatz von schwarzem Nationalismus huldigte, traten viele ihrer Anhänger immer für segregierte Kirchen ein. Selbst in der katholischen Kirche, deren Bischöfe aus kirchenrechtlichen und dogmatischen Erwägungen heraus die Rassensegregation in ihren Kirchengemeinden ablehnten, setzten die wenigen schwarzen Katholiken, die der Kirche nach 1865 noch verblieben waren, ab 1875 die Rassentrennung in den Gemeinden durch. Über die Institutionen hinaus war vor allem die eigene Kultur Grundlage schwarzen Stolzes im Süden. Gerade im Bereich der Musik, es sei nur die Entstehung des Jazz in New Orleans erwähnt, zeigten schwarze Künstler einem weißen Publikum, wozu sie kulturell in der Lage waren.

Das änderte gleichwohl nichts am grundlegenden Befund. Ab 1877 hatten sich die konservativen und rassistischen Demokraten im Süden auf breiter Front wieder durchgesetzt und ein Regime installiert, das durch die Abhängigkeiten des sharecropping gerade im ökonomischen Bereich verdächtig an die Sklaverei erinnerte. Die Mehrheit der schwarzen Landarbeiter war nun auf Gedeih und Verderb an weiße Großgrundbesitzer gebunden, die nur noch in den Kategorien der Profitmaximierung dachten. Die Schwarzen verfügten kaum über Geld, da sie oft in Naturalien oder Gutscheinen für Warenhäuser der Großgrundbesitzer entlohnt wurden.

Allerdings war der Sieg der Demokraten ein Pyrrhussieg, mehr noch, eine Niederlage. Der solide Süden der Demokratischen Partei bezahlte seine faktische, wenngleich partielle Rückkehr zu den Zuständen vor 1860 mit einem hohen Preis. Wirtschaftliche Stagnation, politische Korruption, gesellschaftliche Gewaltexzesse, Rassentrennung und industrielle Rückständigkeit sorgten dafür, daß die Gebiete der einstigen Konföderation um 1900 und bis weit in die 1970er Jahre hinein zum Armenhaus der USA mutierten. Die Armutsquote lag dort regelmäßig selbst unter Weißen bei 30 Prozent. Der Süden war ab 1880 zu einer Binnenkolonie der expandierenden, hochimperialistischen, weltweit führenden Industrienation USA geworden. Man lieferte natürliche Ressourcen und Arbeitskräfte, war aber praktisch nicht an den damit produzierten Gewinnen beteiligt. Wie auf der Ebene der liberal-humanitären Reformen blieb die Durchsetzung des Kapitalismus im besiegten Süden vorerst Stückwerk. Dies hatte dann auch Auswirkungen auf den Prozeß der Durchsetzung des nationalstaatlichen Paradigmas, der noch über Jahrzehnte stecken blieb. Von einer zweiten, bürgerlichen Revolution im Süden, wie manche marxistische Autoren sie behauptet haben, kann man daher kaum sprechen. Einzig auf dem Gebiet der nationalen Politik waren die Demokraten aus dem Süden wirklich aktiv und sogar überrepräsentiert, da ihre Wiederwahl angesichts fehlender Alternativen sicher war. Infolge des Anciennitätsprinzips im Kongreß, wonach der am längsten amtierende Senator oder Repräsentant in einem Ausschuß dessen Vorsitz innehatte und damit auch über die Tagesordnung befand, sicherten sich die Südstaatendemokraten über fast ein Jahrhundert in Washington einflußreiche Positionen, um das System des weißen Südens dauerhaft zu stabilisieren.