I. Ein unvermeidbarer
Konflikt:
Die Vorgeschichte
1. Das geteilte Haus: Strukturunterschiede zwischen Nord und Süd
Wann immer zwischen den Jahrzehnten um 1780 und 1870 ausländische Beobachter einen Blick auf die Vereinigten Staaten warfen, fielen ihnen zwei zentrale Punkte auf: der Wandel der Lebensverhältnisse und die Differenz zwischen Nord und Süd. Ein Zeitreisender aus dem Mittelalter hätte kaum Probleme gehabt, sich in der amerikanischen Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts zurechtzufinden. Die USA, wie weite Teile Europas und des Rests der Welt, waren weiterhin ein agrarisch geprägtes Land mit ein paar wenigen mittelgroßen Städten. Der Lebensrhythmus war von der landwirtschaftlichen Produktionsweise, dem Wetter und den schlechten Transport- und Kommunikationsbedingungen geprägt. Was zum Beispiel in Washington, der Hauptstadt des Landes, geschah, erfuhren die Bewohner des flachen Landes, vor allem, wenn sie an der stetig nach Westen vorrückenden Grenze, der frontier, lebten, oft erst Wochen später, wenn es niemanden mehr interessierte. Gewiß, es existierten bereits erste technologische Errungenschaften, insbesondere im Bereich der Baumwollproduktion, aber dessen ungeachtet unterschied sich das Bild der Bauernhöfe, Weiler und Dörfer kaum von dem des späten Mittelalters oder der frühen Neuzeit. Bereits dreißig oder vierzig Jahre später hingegen, um 1830, war schon vieles anders geworden. Binnen einer Generation hatten sich die USA massiv und radikal verändert. Die Grundlage für diesen abrupten und radikalen Wandel hatten unter anderem Politiker wie Alexander Hamilton und Henry Clay gelegt, deren Vision eines kontinental integrierten American System gleichermaßen infrastrukturelle wie kommunikative, technologische und operative Maßnahmen umfaßte. Gerade Clay, einer der führenden Politiker der Ära vor dem Bürgerkrieg und vielleicht der bedeutendste amerikanische Politiker, der nie Präsident geworden ist, dachte schon frühzeitig konsequent in den Kategorien eines liberalen Nationalismus. In seinen Augen sollte eine zentrale Bank of the United States die finanzpolitischen Voraussetzungen für ein nationales Straßen- und Kanalbauprogramm schaffen, das wiederum dazu beitragen würde, die für die Durchsetzung des Marktkapitalismus notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Tatsächlich wurde einiges von diesen weitgefaßten Plänen bereits in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gegen heftige Widerstände lokaler und regionaler Politiker durchgesetzt, die an der überkommenen Form der face to face society mit ihrer Betonung von unmittelbaren Produzenten-Konsumentenbeziehungen anstelle des abstrakten Marktes festhalten wollten. Vor allem der Bau des 1825 fertiggestellten Erie-Kanals im Staate New York sowie erste zwischenstaatliche Straßenprojekte deuteten an, wohin eine künftige Verdichtung der Infrastruktur die Union noch führen könnte. Ab den 1840er Jahren kam der Eisenbahnbau als entscheidender Stimulus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung hinzu. Er begünstigte den Transport von Erzen und Kohle, aber vor allem verlangte er gebieterisch nach Ingenieurskenntnissen, einer ausgefeilten Technik, um Eisen und Stahl zu verhütten und zu verarbeiten, sowie nach einem umfangreichen und leistungsfähigen holzverarbeitenden Gewerbe.
Der von Hamilton und Clay initiierte und gewünschte Wandel wurde obendrein durch neue Technologien, nicht zuletzt im Bereich der Kommunikation, wesentlich begünstigt. Allem voran waren es die Erfindung des Telegraphen sowie des Morse-Alphabets in den 1830er Jahren, welche die Kommunikation auf kontinentaler wie interkontinentaler Ebene mittelfristig verdichteten und damit revolutionierten. Für die Union bedeutete dies, daß erstmals in ihrer noch kurzen Geschichte politische und andere Nachrichten in Sekundenschnelle von einem Teil des Landes in einen anderen übertragen werden konnten. Man erfuhr die Dinge nicht nur schneller, es kamen überdies mehr Nachrichten an. Auf diese Weise veränderten sich die wechselseitigen Wahrnehmungen innerhalb der Union. Hatten sich einst Menschen aus Georgia, Indiana und Massachusetts bestenfalls oberflächlich füreinander interessiert, rückten nun ihre jeweiligen politischen Interessen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Man wurde sich dementsprechend nicht allein der Ähnlichkeiten, sondern vielmehr der Unterschiede innerhalb der Union bewußt. Dieser Prozeß wurde durch die Veränderungen in der Presselandschaft noch intensiviert. Die USA hatten bereits im 18. Jahrhundert weltweit zu den Staaten mit der höchsten Alphabetisierungsquote in der Bevölkerung gezählt, Relikt einer protestantischen Gründertradition, für die das Lesen der Bibel im Zentrum ihres Glaubens gestanden hatte. Um 1830 konnten über 90 Prozent der Amerikaner in den Nordstaaten und immerhin rund 75 Prozent der weißen Bevölkerung des Südens lesen und schreiben, beste Ausgangsbedingungen für ein lebendiges Zeitungswesen. Mit der Schulreformbewegung der 1830er Jahre vergrößerte sich diese Zahl im Norden sogar noch einmal. Dank der Telegraphie und der Erfindung der Rotationspresse kam dann zusätzlicher Schwung in die Informationslandschaft der frühen Republik, was wiederum die im Vergleich zu Westeuropa ausgesprochen rasch einsetzende Fundamentalpolitisierung der weißen männlichen, teilweise aber auch weiblichen Bevölkerung beförderte. Nachrichten waren jedoch über das Feld der Politik hinaus für die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Anfänge des Börsenwesens und damit des Kapitalmarktes unabdingbar. Kommunikation, Transport und Kapitalmarkt waren absolut notwendige Voraussetzungen für das Werden der Nation.
Anders als in Kontinentaleuropa mußten die Amerikaner nicht erst Binnenzölle abschaffen, um zwischen den Staaten der Union den freien Warenverkehr herzustellen. Dies begünstigte schon früh, ab etwa 1820, das Entstehen eines nationalen Marktes, was manche Historiker dann als «Marktrevolution» bezeichnet haben. Mag der Ausdruck ein wenig hochgegriffen sein, so kann gar kein Zweifel an der Relevanz des zugrundeliegenden Phänomens bestehen. Dank der sich ausweitenden Baumwollproduktion, die eng mit der entstehenden Textilindustrie in den Neuenglandstaaten, beispielsweise in Massachusetts, verbunden war, wurden die USA sogar zu einem globalen Akteur in der von Großbritannien beherrschten Weltökonomie. In Zahlen: Zwischen 1790 und 1850 stieg der Wert US-amerikanischer Exporte von 20 auf 152 Millionen Dollar, während gleichzeitig die Importe von 23 auf 178 Millionen Dollar anwuchsen; die Leistungsbilanz der Union war also chronisch defizitär. Dennoch gelang es den Vereinigten Staaten, dem Status einer bloß rohstofferzeugenden Zulieferwirtschaft mit halbkolonialem Status zu entkommen, indem eine eigene, zunehmend leistungsfähigere Industrieproduktion aufgebaut wurde, allerdings auf Kosten hoher Schutzzölle. Die amerikanische Frühindustrialisierung erfolgte gerade nicht nach der reinen Lehre der Marktwirtschaft. Um 1825 war der amerikanische Staat der mit Abstand größte Unternehmer im Land. Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte emanzipierte sich das freie Unternehmertum. Die amerikanische Produktion war stark von der mexikanischen Silberförderung und dem britischen Opiumhandel zwischen Indien und China abhängig, vor allem aber von der britischen und französischen Textil- und Luxusgüterproduktion, wie die verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1837 belegten. Ungeachtet solcher regelmäßig auftretender Krisen, wuchs die amerikanische Industrie mit einigem Schwung. Zum Textilwesen traten seit den 1840er Jahren eisenverarbeitende Betriebe hinzu, ja selbst die Ölproduktion lief schon vor 1860 an.
Der anhaltende Aufstieg der amerikanischen Industrie wieder um erzeugte einen starken Bedarf an Arbeitskräften, der durch die massenhaften Einwanderungswellen der Jahre ab 1840 hinreichend gedeckt werden konnte. So wuchs die Bevölkerung des Landes von circa 12,8 Millionen Menschen im Jahr 1830 auf 31,4 Millionen im Jahr 1860. Ein erheblicher Anteil der Neuankömmlinge waren, im Gegensatz zum 17. und 18. Jahrhundert, keine relativ wohlhabenden angelsächsischen und protestantischen Briten mehr, sondern arme irische Katholiken, die der großen Hungersnot auf der Grünen Insel entfliehen wollten, und Deutsche. Fast alle kamen, von wenigen Ausnahmen nach den europäischen Revolutionen von 1848/49 abgesehen, als Wirtschaftsflüchtlinge, die weniger individuelle Freiheit als ein gutes Auskommen für sich und ihre Familien suchten. Ein erheblicher Teil, vermutlich über 30 Prozent, kehrte denn auch den USA wieder den Rücken. Der gewaltige Zustrom an Menschen und die mit ihm verknüpfte wachsende kulturelle und konfessionelle Vielfalt im Lande brachten erhebliche gesellschaftliche Unruhen mit sich, die sich mitunter gewaltsam entluden. Fremdenfeindliche, insbesondere antikatholische Bewegungen entstanden. Zwischen 1834 und 1860 kam es beständig zu Übergriffen gegenüber Katholiken und anderen religiösen Minderheiten, etwa den Mormonen. Zusätzlich entstanden in den großen Städten, deren Bewohner oft mehrheitlich gar nicht in den USA geboren waren, kriminelle Banden auf ethnischer Grundlage, die sich gelegentlich in regelrechten Kleinkriegen mit Messer und Pistole bekämpften. Die amerikanische Gesellschaft der Zeit vor dem Bürgerkrieg war unruhig und gewalttätig, wenigstens in ihren urbanen Zentren. Neben den brennenden sozialen Problemen, Armut, Alkoholismus, fehlender Bildung, stand die weltanschauliche Frage, was denn überhaupt ein guter Amerikaner sei, im Mittelpunkt der Debatten.
Die Antwort auf dieses Grundsatzproblem wurde indessen durch die Hauptschwierigkeit des Landes, die großen Unterschiede innerhalb der Union, erschwert. Grob gesagt umfaßte sie drei Landesteile, die, in sich mannigfach gegliedert, in struktureller und kultureller Hinsicht deutlich voneinander abwichen: den neuenglischen und mittelatlantischen Norden von Maine bis Pennsylvania, den Süden und die beständig wandernden Grenzregionen im Westen, die sich noch einmal deutlich von den beiden an der Ostküste liegenden Gebieten abhoben, aber weithin noch nicht staatlich organisiert waren. Aus der Perspektive der beiden anderen Teile war der Westen auf der kulturellen Ebene ein imaginativer Ort der Sehnsucht, ein Quell moralischer, an klassischen Tugenden ausgerichteter, aber nichtsdestotrotz fortschrittsorientierter Erneuerung im Kampf mit den Mächten der Natur, gesellschaftlich ein Ventil für Überbevölkerung und politisch Mittelpunkt des Kampfes um die Expansion von Sklavenhalterwirtschaft oder Kapitalismus und Freibauerntum. Sein ganz eigener Charakter, der sich etwa im gewalttätigen, mitunter genozidalen Umgang mit den an der Grenze lebenden Indianern niederschlug, war nur selten Gegenstand unionsweiter Debatten. Nur wenn, wie in den späten 1840er Jahren in Kalifornien, Unruhen, Gewalt und Genozid Hand in Hand gingen und das totale Chaos drohte, rückten die Realitäten des Westens verstärkt in das Blickfeld der medialen Öffentlichkeit. Dies aber erlaubt es, sich im folgenden vorrangig mit den beiden klassischen Regionen, Nord und Süd, entlang der Ostküste zu beschäftigen.
Unterschiedlicher hätten zwei Landesteile nicht ausfallen können. Nahezu der gesamte bislang geschilderte Strukturwandel der amerikanischen Gesellschaft spielte sich nämlich im Norden ab. Dort lagen, etwa in Lowell, Buffalo oder Poughkeepsie, frühindustrielle Produktionszentren, dort befanden sich die Mittelpunkte des Finanzkapitalismus, besonders in New York, aber auch in den Händlerstädten Philadelphia und Boston, dort befanden sich die Überseehäfen, die den amerikanischen Markt mit dem Rest der Welt verbanden. Mit den industriellen, finanziellen und Handelsmetropolen verfügte der Norden über das Gros der urbanen Bevölkerung der Vereinigten Staaten, obwohl auch hier die Masse der Bewohner, über 80 Prozent, auf dem Land oder in Klein- und Mittelstädten lebten. Dennoch: Hatten 1790 in New York noch 33.000, in Philadelphia 44.000 und in Boston 18.000 Menschen gelebt, so waren es 1860 in New York 814.000 (ohne weitere 267.000 Einwohner von Brooklyn), in Philadelphia 566.000, in Boston 178.000 und in Cincinnati, der Königin des Westens, 161.000 Menschen. Im Süden hingegen herrschte ein ebenso chronischer wie dramatischer Mangel an urbanen und industriellen Zentren. Sieht man von New Orleans mit 1860 immerhin 169.000 Einwohnern, Baltimore, Richmond und möglicherweise Birmingham einmal ab, war die Region durch eine rein landwirtschaftliche Produktionsweise charakterisiert. Charleston in South Carolina, 1790 noch mit 16.000 Bewohnern die viertgrößte Stadt der USA, war sogar zu einer mittleren Provinzstadt herabgesunken. Darüber hinaus spielten sich die Transport- und Teile der Kommunikationsrevolution ganz überwiegend im Norden ab. Dort entstanden Straßen, Kanäle, Dampfschiffahrts- und Eisenbahnlinien. Immerhin profitierte der Süden wenigstens von den Telegraphen und den positiven Aspekten der amerikanischen Postbehörde. In der Folge strömte die Mehrheit der Einwanderer in die Städte des Nordens, wo sich ihnen – entgegen der auf Landbesitz zielenden tugendrepublikanischen Ideologie eines Thomas Jefferson oder Andrew Jackson – deutlich mehr wirtschaftliche Chancen eröffneten als im Süden oder Westen. Insbesondere die Iren neigten dazu, sich in größeren Städten anzusiedeln. Ein höherer Wohlstand des Nordens war mit dieser ungleichen industriellen und städtischen Entwicklung aber erst einmal nicht verbunden. Man wird vielmehr darauf hinweisen müssen, daß die Einkommensverteilung in allen Teilen des Landes ungleich verlief. Im Norden lebten reiche Yankeekapitalisten in den Großstädten neben bitterarmen irischen Lohnarbeitern, während auf dem Lande kleine Freibauern ihr Auskommen suchten. Im Süden hingegen profitierte eine winzige Oberklasse von sklavenhaltenden Großgrundbesitzern in den Küstengebieten, die rund ein bis fünf Prozent der Gesamtbevölkerung ihrer Staaten ausmachten, in unglaublicher Weise von der globalen Vernetzung ihrer Baumwollproduktion, vor allem seit in den 1820er Jahren ein weltweiter Baumwollboom eingesetzt hatte. Demgegenüber lebten nichtsklavenhaltende Kleinbauern in den gebirgigen Piedmontregionen der Appalachees meist ebenso kümmerlich wie ihre nördlichen Leidensgenossen, um von der miserablen wirtschaftlichen Situation der Sklaven gar nicht erst zu reden. Generell wird man daher feststellen können, daß trotz der Produktivität der Sklavenhalterwirtschaft vor den 1850er Jahren das Gros des amerikanischen Bruttosozialprodukts ebenso im Norden produziert wurde, wie man dort relativ über ein höheres Einkommen verfügte als im Süden.
Eng verbunden mit der divergierenden soziostrukturellen und ökonomischen Entwicklung, bildeten sich im Norden und Süden der USA allmählich abweichende kulturelle Wertvorstellungen heraus. Im Norden fand sich mehr und mehr eine bürgerlich-protestantische Arbeitsethik im Sinne von Max Weber, die von innerweltlicher Askese, Gewinnstreben und dem Ideal der egalitären Bürgertugend gekennzeichnet war. Allerdings gilt dies nur mit erheblichen Einschränkungen. Zum einen handelte es sich um ein urbanes Ideal angelsächsisch-weißer und protestantischer Mittelklassen. Arbeiter, Handwerker, vor allem aber ethnisch-religiöse Minderheiten teilten dieses Gedankengut nicht mit der Selbstverständlichkeit, die man von ihnen seitens ihrer Arbeitgeber aus den Mittelklassen erwartete. Dadurch entwickelte sich die bürgerlich-kapitalistische Ethik des «Yankee» in den frühen Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts relativ schnell zu einem Instrument der rigiden Sozialdisziplinierung, das bei vielen, besonders katholischen Migranten, auf erhebliche Widerstände stieß. Dies sollte die spätere Koalition südstaatlicher Plantagenbesitzer mit katholischen Arbeitern des Nordens in der Demokratischen Partei erleichtern, da beide Gruppen über ein großes Potential an weltanschaulicher Widerständigkeit gegenüber der abstrakten kapitalistischen Marktordnung verfügten, obschon die Großgrundbesitzer des Südens faktisch ebenso kapitalistisch produzierten und handelten wie die Yankeefabrikanten Neuenglands. Zum anderen stieß der neue Geist des bürgerlich-liberalen Kapitalismus über die Benachteiligten des Systems hinaus auf ideologisch oder religiös motivierte Bedenken. Kulturkritische Diskurse über die Allmacht des Dollars, den Materialismus der amerikanischen Gesellschaft mit ihrer Vergötzung des Gewinnstrebens sowie die Kaltschnäuzigkeit und Scheinheiligkeit von Fabrikanten, die sich philanthropisch gaben, in Wahrheit aber ausbeuterisch handelten, fanden sich nicht allein in elitären Intellektuellenkreisen, sondern zählten zum Grundbestand der Zeitungsdebatten jener Tage. Dadurch konnten die tonangebenden Klassen des Südens auf dieser kulturkritischen, kulturpessimistischen und kapitalismusskeptischen Ebene durchaus hier und da auf Zustimmung unter Nordstaatlern hoffen. Denn die kulturell wie sozial dominanten Sklavenhalter des Südens bemühten sich, ihre Lebenswelt in strenger Übereinstimmung mit der Tradition und den republikanischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts, also der Epoche der verklärten Gründerväter der Republik, zu inszenieren. Sie, die Großgrundbesitzer, waren demnach die wahren Erben eines George Washington oder Thomas Jefferson, während die bürgerlich-urbanen Eliten des Nordens bestenfalls Abfallprodukte einer im Kern unerwünschten und mit republikanischen Werten nicht zu vereinbarenden Fehlentwicklung darstellten. Paradoxerweise führte dies einerseits dazu, daß man im Süden wenigstens auf der Ebene weißer Männer strikt an den egalitären und meritokratischen Idealen der Revolution festhielt und die Solidarität der Weißen untereinander betonte, sich aber auf der anderen Seite als Aristokratie darstellte. Den gesellschaftlichen Realitäten entsprach dies nicht, denn die soziale Mobilität des Südens konnte durchaus mit derjenigen des Nordens konkurrieren. Während dort die etablierten Familien der Boston Brahmins, der niederländischen Aristokratie und der Abkömmlinge der Mayflower-Puritaner zum Teil noch im 20. Jahrhundert den Ton angaben – man denke nur an die Cabots, die Lodges, die Huntingtons, Roosevelts und Frelinghuysens –, gelang es nur sehr wenigen Familien der südstaatlichen Pflanzeraristokratie, sich auf Dauer ganz oben zu positionieren. Dies hing in erster Linie mit den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten der verschiedenen Rohstoffbooms zusammen. Hatten im 17. und 18. Jahrhundert noch die tabak-, reis- und indigopflanzenden Herren aus Virginia, Maryland und North Carolina gesellschaftlich und wirtschaftlich dominiert, so verschoben sich im 19. Jahrhundert die Gewichte in den Süden und Südwesten, nach South Carolina, Mississippi, Alabama und Louisiana. Ein signifikanter Elitenaustausch war die unmittelbare Folge, ohne daß dies im aristokratischen Selbstverständnis der herrschenden Südstaatler reflektiert worden wäre. In ihrer Selbstzuschreibung blieben sie Aristokraten, Kavaliere, die sich in jeder Hinsicht von den Emporkömmlingen aus dem Norden unterschieden und den Anspruch erhoben, die wahren Amerikaner zu sein. Auch ihre Frauen, auf deren herausragende Schönheit sie manches Lied sangen, seien besser als alles, was der Norden hervorbringe.
Die Selbststilisierung als großgrundbesitzende Aristokratie ließ die Führungsschicht des Südens auch an anderen, teilweise gleichwohl neu gedeuteten, Besonderheiten ihrer politischen Kultur festhalten. An erster Stelle stand dabei die anhaltende Wertschätzung der extralegalen Volksgewalt im Sinne der frühneuzeitlichen europäischen Tradition. Hierzu zählten das Duell und das lynching in seinen verschiedenen Formen. Im Duell, und hierin lag der Wandel gegenüber den feudalaristokratischen Vorbildern aus Europa, wurde allerdings weniger das Standesprivileg des Duellanten herausgestrichen, als seine Fähigkeit, in einem egalitär-demokratischen Rahmen Männlichkeit, Mut, Tapferkeit, Kaltblütigkeit und Standhaftigkeit zu demonstrieren, sich also als militärischer und politischer Führer zu beweisen. Das Duell war meritokratisch umgedeutet worden. Beim lynching, von dem vor 1865 primär weiße Männer im Süden und Westen betroffen waren, drehte es sich demgegenüber um das Recht des einfachen Volkes, des «Umstandes», wie man in der Frühneuzeit gesagt hatte, sich in Gebieten mit schwach ausgeprägter Staatlichkeit selbst Recht zu verschaffen, sei es aus familiären Gründen oder weil Verbrecher die gegebene Ordnung bedrohten. Ein lynching mußte nicht notwendig tödlich enden, aber da Gesellschaft und Kultur des Südens ähnlich gewalttätig waren wie in den nördlichen Städten, fanden doch relativ viele Menschen bei Duellen und lynchings den Tod. Im Hintergrund beider stand ein traditionales Ehrkonzept, das so im Norden eigentlich nur noch bei den Verbrecherbanden ethnischer Minderheiten vorkam, die sich ebenfalls an vormodernen Gewaltkodizes aus Europa, vor allem aus Großbritannien zu orientieren pflegten. Dieser gemeinsame Rekurs erleichterte dann in den 1850er Jahren erneut die Kooperation beider höchst unterschiedlicher sozialer Formationen in der Demokratischen Partei. Indem sich die Südstaatler als meritokratische Ehrenmänner inszenierten, setzten sie sich deutlich vom Bürgertum des Nordens ab, das keinen entsprechenden Ehrbegriff mehr kannte und diesen weithin durch ein bourgeoises Tugendkonzept ersetzt hatte. Dieses Konzept war wesentlich innengeleiteter als das Denken in den Kategorien der Ehre, die ja immer die Ehre in den Augen der anderen war. Insofern diente der südstaatliche Ehrdiskurs als Abgrenzungsinstrument. Innerhalb des Südens konnte er hingegen integrativ genutzt werden, da es jedem weißen Mann offenstand, sich dieses Konzeptes zu bedienen.
Allerdings funktionierte das integrative Potential des Ehrdiskurses nur vor dem spezifischen Hintergrund der sogenannten colour line, also einer auf rassischer Distinktion aufbauenden Gesellschaftsordnung. Nur weiße Männer kamen demnach in den Genuß der Privilegien einer auf Rasse beruhenden Gesellschaftspyramide. Wenigstens der Theorie nach waren die weißen Männer gleich, indem und da sie sich von den Schwarzen, gleichgültig ob sie frei oder versklavt waren, absetzen konnten. Es war nicht nur die Sklaverei, die im Herzen der südstaatlichen Gesellschaft verankert war, sondern der Rassismus. Nach den Vorstellungen und Rechtsinstitutionen der südstaatlichen Angelsachsen zählte jeder, der mindestens ein farbiges Großelternteil hatte, dessen «Blut» also zu einem Achtel «schwarz» war, zu den Schwarzen. Das aber bedeutete, daß die entsprechende Person kein Bürger werden konnte und potentiell immer unter dem Damoklesschwert der Versklavung stand. Einzig in den französisch dominierten Teilen des Südens, in Louisiana und in den Küstenregionen von South Carolina, wo sich Hugenotten und Royalisten angesiedelt hatten, die vor der Französischen Revolution oder dem großen Sklavenaufstand in Haiti 1791 ausgerechnet in die amerikanische Republik geflohen waren, galten andere Regeln. Hier unterschied man nicht strikt zwischen schwarz und weiß, sondern folgte einem rechtlich fixierten Drei-Kasten-System von schwarz, weiß und farbig, wobei die Kategorie farbig in vielerlei Zwischenstufen je nach Hautfarbe und Mischungsverhältnis unter den Ahnen eingeteilt war. An der Spitze dieser frankophonen Gesellschaft inmitten der USA standen die extrem rassestolzen und standesbewußten französischen Kreolen, die selbst weiße Franzosen aus Kanada, die akadischen cajuns, als minderwertig verachteten. Derartige Konflikte änderten indes nichts an der absoluten Dominanz der rassistischen Integrationsideologie des Südens seit den 1820er Jahren, zeigen aber, wie komplex die jeweiligen politischen und kulturellen Konstellationen in sämtlichen Teilen der USA waren.
Einen weiteren Unterschied zwischen Nord und Süd stellte die Religion dar. Nicht, daß die Mehrheit der weißen (und schwarzen) Amerikaner nicht ähnlichen, überwiegend calvinistischen Bekenntnissen angehört hätte. Katholiken stellten überhaupt nur im Norden der USA einen nennenswerten Bestandteil der Gesellschaft dar, in weiten Teilen des Südens, mit Ausnahme von Maryland, Kentucky, Tennessee und dem frankophonen Louisiana, war der Katholizismus praktisch nicht vertreten. Im Norden hingegen, gerade in den großen Städten und im Raum Cincinnati-Milwaukee, stellten katholische Migranten einen erheblichen Anteil an der Bevölkerung, was zu den bereits genannten massiven antikatholischen Bewegungen führte, die in den 1850er Jahren in Gestalt der nativistischen (fremdenfeindlichen) American Party Gouverneure, Abgeordnete und Bürgermeister stellten. Aber der Antikatholizismus sollte den Bürgerkrieg nicht auslösen. Ungleich wichtiger war das evangelikale und apokalyptische Erweckungsfieber, das vom Westen New Yorks und den Grenzgebieten Kentuckys her zwischen 1790 und 1860 durch die Union toste. Ursprünglich hatte es das ganze Land gleichermaßen erfaßt und eher verbindend als trennend gewirkt. Um 1830 herum änderte sich jedoch das Bild. Anders als im Süden wandte sich die Mehrzahl der Prediger im Norden der postmillenaristischen Strömung des apokalyptischen Enthusiasmus zu. Dieser beinhaltete einen sozialreformerischen Aktionismus, der angesichts der sozialen Probleme in den urbanen Zentren des Nordens regelrecht befreiend wirkte. Die Postmillenaristen glaubten nämlich, es sei angesichts des nahenden Endes der Zeiten ihre religiöse Pflicht, für eine perfekte Gesellschaft zu sorgen. Deswegen verbanden sie sich mit liberal-aufgeklärten Philanthropen, die bereits seit den 1780er Jahren ähnliche Ziele, nur weitaus weniger radikal, verfolgten. Wo die Liberalen beispielsweise für Mäßigung im Alkoholgenuß warben, traten die Evangelikalen für das Totalverbot alkoholischer Getränke, die Prohibition, ein. Auf diese Weise fanden sich evangelikal Erweckte, besonders Frauen aus der angelsächsischen Mittelklasse, in großer Zahl in sämtlichen gesellschaftlichen Reformbewegungen der neuenglischen städtischen Gesellschaft. Sie traten für eine Humanisierung des Strafvollzugs, Armenhäuser, die Schulreform, die Abschaffung der Todesstrafe, die Sonntagsruhe und am Ende auch für die Abschaffung der Sklaverei, den Abolitionismus, ein. Die Sklavenhaltung wurde als Sünde angesehen, die Sklavenhalter mutierten zu Sündern, die der Wiederkunft Christi im Wege standen. Im Süden jedoch wurde diese Entwicklung aufgrund der ganz anders gearteten soziokulturellen Ausgangsbedingungen nicht mitvollzogen. Hier blieb die Erweckungsbewegung individualistisch und verweigerte sich schlichtweg dem sozialen Perfektionismus der Nordstaatler. Von einer Kritik der Sklaverei konnte keine Rede sein. Ganz im Gegenteil begann man nun ab den 1830er Jahren im Süden zu lehren, die Sklaverei sei eine Institution göttlichen Rechts und ihre Abschaffung Sünde. Damit standen zwei gänzlich unterschiedliche christliche Erweckungsbewegungen einander mit der ganzen Schärfe ihrer Rhetorik unversöhnlich gegenüber. Im Laufe der Jahrzehnte bis zum Bürgerkrieg nahmen nahezu sämtliche amerikanischen Konfessionen die Spaltung des Landes vorweg, indem sie institutionell getrennte Wege gingen. Allein die Katholiken bemühten sich im Interesse der Einheit der Union, die Sklavenfrage theologisch und politisch zu entschärfen, indem sie sie in aller Regel einfach übergingen. Trotzdem wäre es übertrieben, den religiösen Spannungen die Schuld am Ausbruch des Bürgerkriegs zu geben. Die Radikalität der erweckten theologischen Argumentation hat gewiß nicht dazu beigetragen, die Union zu stabilisieren. Aber die nördlichen Evangelikalen waren in ihrer Mehrheit wenig militant. Sie ließen lange die Bereitschaft erkennen, die Union aufzugeben und den sündhaften Süden ziehen zu lassen. Für den Krieg plädierten sie erst, als er bereits ausgebrochen war.
In den 1840er und 1850er Jahren wurde es immer schwieriger zu definieren, was ein guter Amerikaner eigentlich war und welchen Werten er (oder sie) genau folgen sollte. Dies machte es für Einwanderer und Alteingesessene gleichermaßen schwer, sich zu orientieren. Die Intensität der Debatten über amerikanische Identität, wie man heute sagen würde, trug erheblich zu jener angeheizten Stimmung bei, die 1861 im Bürgerkrieg kulminieren sollte. Allerdings kannte die politische Kultur der Union durchaus verbindende Elemente, insbesondere den beständigen Appell an die kollektive Erinnerung der Revolution, der Verfassung und des Zeitalters der Gründerväter. Der 4. Juli, der Tag der Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1776, wurde alljährlich zum Anlaß für prächtige Feiern genommen, in deren Verlauf sich die Amerikaner ihrer Gründungsgeschichte erinnerten und sich die Errungenschaften der Revolution, Republikanismus, Bürgertugend, Fortschritt, Freiheit und Menschenrechte in leidenschaftlichen und pathetischen Reden vergegenwärtigten. Am Gedenktag zu Washingtons Geburtstag fanden vergleichbare Feste statt. Diese Feiern und Festreden etablierten überhaupt erst die amerikanische Zivilreligion, indem sie eine gemeinsame Semantik und Bildersprache des amerikanischen Unionspatriotismus schufen. Von herausragender Bedeutung waren dabei zusätzlich die Verfassung und die Unabhängigkeitserklärung, beide keine säkularen Dokumente mehr, sondern im Wortsinn heilige Schriften. Auf sie und das ihnen zugrundeliegende Freiheitsverständnis konnte sich jeder einigen. Allerdings trat im Laufe der Jahrzehnte ein Problem der amerikanisch-patriotischen Zivilreligion immer drängender in den Vordergrund: Jeder interpretierte sie nach seinem Gusto. Was um 1820 noch vereinigend wirkte, wurde um 1855 bereits trennend ausgelegt.
Vergleichbares gilt für das sogenannte zweite amerikanische Parteiensystem, das um 1830 noch zur Einheit der Union beigetragen hatte, um 1860 aber ihren Zerfall beschleunigte. Entstanden war es nach dem Untergang der Einparteienherrschaft der Democratic Republicans nach 1828. Diese Einheitspartei war nach dem Krieg gegen Großbritannien von 1812 entstanden und hatte in ihren Reihen sowohl die alten, vom agrarutopischen Ideengut Thomas Jeffersons gespeisten Old Republicans als auch die Befürworter der Unionsverfassung von 1791, die Federalists, vereinigt. Außerhalb der Einheitspartei existierten nur noch wenige High Federalists, einstige Anhänger Alexander Hamiltons, zum Beispiel der Oberste Bundesrichter John Marshall. Dadurch hatte sich bereits um 1815 die ursprüngliche weltanschauliche Gliederung des amerikanischen Parteiensystems grundlegend verschoben, ohne daß indes die strukturellen Gegensätze, welche gegen die ursprüngliche Intention der Gründerväter überhaupt erst dazu geführt hatten, Parteien zu gründen, verschwunden gewesen wären. Tatsächlich waren bereits zu Beginn der 1820er Jahre, im Gefolge der wirtschaftlichen Panik von 1819, parteiinterne Spannungen ideologischer Natur erkennbar. Es war keineswegs so, wie gerne behauptet wird, daß die amerikanischen Parteien ideologiefrei gewesen wären. Sie unterschieden sich gleichwohl von den europäischen Parteien einerseits durch ihren konsequenten Aufbau von unten nach oben, wodurch es der unionsweiten Führung an weltanschaulicher Durchsetzungskraft gebrach. Dies führte dazu, daß auf regionaler Ebene ganz unterschiedliche Koalitionen jeweils aus Anlaß nationaler Wahlen zu einer gemeinsamen Plattform fanden. Andererseits nutzten die amerikanischen Parteien diese strukturelle Divergenz, um sich als weltanschauliche Mischparteien zu präsentieren, die je nach Ort, Situation und Anliegen wahlweise auf liberal-individualistisches oder tugendrepublikanisch-gemeinschaftsorientiertes Gedankengut zurückgriffen. Auf diese Weise gelang es nach 1828 erst den liberal-konservativen National Republicans auf der einen Seite und den republikanisch-egalitären Democratic Republicans auf der anderen Seite und dann den ab 1834 entstandenen Whigs und Democrats, der im Fluß befindlichen amerikanischen Gesellschaft eine parteipolitisch begründete Struktur zu gegen. Fast jeder noch so kleine Ort verfügte über eine Zeitung der Demokraten und eine der Whigs; selbst die Feiern zum 4. Juli wurden von den Parteien gelegentlich separat organisiert. Der große Vorteil dieses zweiten Parteiensystems war freilich sein unionsweiter Charakter. Beide Parteien waren in sämtlichen Regionen, wenn auch mit rivalisierenden Flügeln, vertreten. Die Demokraten, die sich im Laufe der 1830er und 1840er Jahre schrittweise zu einer genuin konservativen Partei entwickelten, vertraten die Interessen südstaatlicher Sklavenhalter, westlicher Freibauern, der katholischen Arbeiterschaft und der unteren Mittelklassen in den Städten des Nordens, die Whigs hingegen standen für die Interessen des neuenglischen Finanzkapitals, der Evangelikalen, des protestantischen Kleingewerbes und jener unionstreuen Sklavenhalter im oberen Süden und Louisiana, insbesondere der Kreolen, die aus ganz verschiedenen Motiven entweder mit den Iren oder mit dem Parteiführer Andrew Jackson nichts anfangen konnten beziehungsweise dessen Reformrhetorik vom common man entweder – und völlig zu Recht – für die Grundlage eines parteipolitisch motivierten Klienteldenkens oder für revolutionären Attentismus hielten. In seinen Anfängen war das zweite Parteiensystem stark an Personen ausgerichtet. Man war Demokrat, weil man für den Kriegshelden und Demagogen Andrew Jackson war, man wurde Whig, weil man ihn ablehnte oder haßte. Dies überdeckte die Sklavereiproblematik bis in die 1840er Jahre hinein, als die Demokraten sich zur konservativen Partei des Einzelstaatenpartikularismus und der traditionalen, vorkapitalistischen Wirtschaftsform, die Whigs sich aber zur liberalen, nationalen und kapitalistischen Partei wandelten. Beide bekannten sich indes zur Massendemokratie und zum allgemeinen Wahlrecht und sorgten damit für ein relativ stabiles Fundament der Union. Allerdings verfochten sie widersprüchliche Konzepte nationaler Identität. Während die Demokraten das Amerikanische über die Zugehörigkeit zur weißen Rasse definierten und darum weiße, katholische Migranten sogar aus Irland in ihren Reihen willkommen hießen, neigten die Whigs dazu, weitere Voraussetzungen für die Integration von Zuwanderern, etwa das Bekenntnis zu protestantisch-angelsächsischen Werten wie Freiheit und Republikanismus, zu verlangen, was viele Migranten abstieß und nur die politischen Flüchtlinge aus Europa anzog, die in der nachrevolutionären Phase zwischen 1848 und 1852 in die USA kamen. Aber Ideologie war nur ein Aspekt des Parteiwesens. Vorrangig handelte es sich um Klientelverbände, die durch Ämterpatronage und Korruption für eine gewisse politische und soziale Stabilität sorgten und damit – besonders bei den Demokraten mit ihren urbanen Parteimaschinen – durchaus effiziente Integrationsleistungen vorweisen konnten. Erst als die Sklavenfrage alles andere überwucherte, brach die integratorische Kraft dieses vormodernen Parteiensystems abrupt zusammen.
2. We the People …:
Konflikte um die amerikanische Verfassung
Bereits die Frage, ob man überhaupt eine stärkere Unionsregierung und damit eine neue Unionsverfassung benötigte, hatte zwischen 1787 und 1791 das amerikanische Volk oder genauer: die Bewohner der amerikanischen Staaten, entzweit und zur Entstehung des ersten Parteiensystems geführt. Entsprechend trug die Verfassung dann auch alle Merkmale eines Kompromisses. Überhaupt hatten die Gründerväter viele Fragen unbeantwortet gelassen: Waren die USA zuvörderst ein Staatenbund oder ein Bundesstaat? Konnte ein Einzelstaat die Union wieder verlassen? Wenn ja, wie und unter welchen Bedingungen? Konstituierten die Staaten oder das Volk die Union? Wie sollte die Verfassung ausgelegt werden, eng, dem Wortlaut entsprechend, oder hatten das Oberste Bundesgericht oder die Bundesregierung die Möglichkeit, einzelne Passagen der Verfassung breiter auszulegen? Die Antwort auf all diese Probleme lieferte erst der Ausgang des Bürgerkrieges. Vor 1865 war keinesfalls klar, welche juristische Meinung galt. Dies hatte zur Konsequenz, daß die Schwierigkeiten mit der Verfassung recht opportunistisch und instrumentell gehandhabt werden konnten. Personen und Parteien schwankten je nach Umständen in ihrer Interpretation. Hatten 1798 im Konflikt um die verfassungsrechtlich äußerst fragwürdigen Alien and Sedition Acts noch die Democratic Republicans um Thomas Jefferson und James Madison mit der Nullifizierung von Bundesgesetzen und indirekt mit dem Austritt aus der Union gedroht, so schlugen 1814 auf der Hartford Convention ausgerechnet die nationalistischen High Federalists in diese Kerbe, weil sie den Krieg gegen Großbritannien des nunmehr zum Präsidenten avancierten Madison nicht mehr mittragen wollten. Vor diesem Hintergrund traten die Angehörigen der Kongreßgeneration von 1810, allen voran John C. Calhoun und Henry Clay, als leidenschaftliche Verfechter der Union auf, während Daniel Webster sich als nullifier präsentierte. In den 1820er Jahren änderten sich die Fronten wieder. Mit dem globalen Baumwollboom war die Produktion von Baumwolle zu einem einträglichen Geschäft geworden, von dem der untere Süden, besonders aber South Carolina profitierte. Dies führte bei dem Vertreter South Carolinas im Senat zu einem extremen Meinungswechsel. Ab 1828 bekannte sich John C. Calhoun zum Primat der Einzelstaatenrechte, während Daniel Webster sich wiederum zum Unionsnationalisten entwickelte. Theoretisch begründete Calhoun seine Position mit zwei Argumenten: Zum einen berief er sich in hegelianischer Manier auf die unteilbare Einheit der staatlichen Souveränität, um dann, zum anderen, zu erklären, daß die Souveränität bei den Einzelstaaten und nicht bei der Union liege, da die Union von den schon existierenden Staaten freiwillig gegründet und entsprechend nur eine abgeleitete Größe sei. Folgerichtig könnten die Staaten mit qualifizierter Mehrheit Gesetze der Union ablehnen und im Extremfall sogar austreten. Die Gegner, besonders Webster, beriefen sich demgegenüber auf die Präambel der Verfassung, wonach das amerikanische Volk in seiner Ganzheit die Union gegründet hatte, nicht aber die Einzelstaaten. Demnach hatten die Staaten kein Recht, Bundesgesetze zu nullifizieren, und ein Austritt kam nur in Frage, wenn das gesamte Volk das Anliegen billigte. Dies stimmte mit dem Wortlaut der Verfassung überein, ließ aber gänzlich außer Acht, daß die Formulierung der Präambel nicht dogmatisch, sondern vollkommen kontingent war. Da bei Unterzeichnung der Verfassung nicht klar war, welche Staaten der Union beitreten würden, hatte man den ursprünglichen Text, der von den Staaten und nicht vom Volk sprach, einfach abgeändert.
In der Praxis hatte Calhouns Theorie einen deutlich pragmatischeren Hintergrund. Infolge der wirtschaftlichen Divergenzen zwischen Nord und Süd hatte der Norden ein intensives Interesse an Schutzzöllen, welche seine industrielle Produktion vor der Einfuhr billiger britischer Exporte sichern sollten. Hinzu trat, daß sich der amerikanische Bundesstaat nahezu ausschließlich über Zolleinnahmen finanzierte, da Steuern nur auf Land besitz erhoben wurden. Wer eine starke Union mit aktiven Eingriffen in Wirtschaft und Infrastruktur haben wollte, mußte demnach für gesteigerte Zolleinnahmen sorgen. Genau dies aber widersprach fundamentalen Interessen des Südens. Dessen Großgrundbesitzer zumindest wollten ihre Baumwolle auf dem Weltmarkt verkaufen und dafür britische und französische Luxusgüter einkaufen, wodurch sie maßgeblich zum permanenten Leistungsbilanzdefizit der USA beitrugen. Dies aber bedeutete nichts anderes, als jede Zollerhöhung notwendig ablehnen zu müssen. 1828 hatte nun Martin van Buren, ein Gefolgsmann Jacksons aus dem Staate New York und organisatorischer mastermind der Demokraten, eine solche Zollerhöhung aus wahltaktischen Gründen durchgesetzt. Die tariffs of abomination, wie sie, nicht ohne Grund, im Süden genannt wurden, sollten den Süden lediglich gegen die National Republicans und ihr etatistisches Wirtschaftsprogramm im Stile von Henry Clays American System aufbringen, um die Chancen Andrew Jacksons bei den anstehenden Wahlen zu erhöhen. Aber van Burens Schachzug geriet außer Kontrolle. In South Carolina setzte sich Calhoun, wie van Buren am persönlichen Aufstieg in der zukünftigen demokratischen Administration interessiert, an die Spitze einer Protestbewegung. South Carolina erklärte, jeder Staat habe das Recht, Unionsgesetze für nichtig zu erklären. Damit war noch kein Sezessionismus verbunden, da Calhoun, auf den die Nullifikationslehre zurückging, nur daran dachte, solche Gesetze zu annullieren, die von zwei Dritteln aller Bundesstaaten abgelehnt wurden. Die neuere Forschung geht sogar davon aus, daß er mit seinem Vorstoß radikaleren Kräften um Thomas Cooper, der ebenfalls aus South Carolina stammte, im Interesse einer partikularistisch verfaßten Union das Wasser abgraben wollte. Diesmal zog die Mehrheit des Südens nicht mit, obwohl South Carolina 1832 den Zoll von 1828 und den Kompromißzoll John Quincy Adams von 1832 tatsächlich nullifizierte. Noch fehlte es an einer klaren Interessenidentität und einem ebenso klaren Feindbild, das den gesamten Süden zusammengeschweißt hätte. Jackson tat darüber hinaus einiges, um etwa Georgia auf seine Seite zu bringen, indem er der Vertreibung der dort ansässigen zivilisierten Indianerstämme der Cherokee, Choctaw, Chicasaw, Creek und Seminolen nach Oklahoma zustimmte. Ab 1831 kam er überdies einigen südstaatlichen Vorbehalten gegenüber dem abstrakten kapitalistischen Markt und einer inflationären Geldpolitik durch seinen Kampf gegen die Second Bank of the United States entgegen, die er schließlich zerschlug. Sowohl in der Indianerpolitik als auch im sogenannten Bank War positionierte sich Jackson gegen nationalistische Gegner, den obersten Bundesrichter John Marshall und den Bankpräsidenten Nicholas Biddle. Zugleich allerdings verwies er Calhoun und dessen Nullifikationslehre in die Schranken und betonte einen Unionspatriotismus, der Einzelstaatenrechte und eine starke Bundesregierung in ein pragmatisches Gleichgewicht bringen wollte. Dieser Ansatz Jacksons wurde für die folgenden Jahrzehnte zum maßgeblichen Ideal der Demokraten, zumal er die Sklavenfrage ausklammerte. South Carolina blieb isoliert, Calhoun wechselte zeitweilig zu den Whigs, um sich kurz darauf wieder bei den Demokraten einzufinden. Den USA blieb nach 1832 vorerst eine weitere Verfassungskrise erspart. An dem Grundproblem hatte sich gleichwohl nichts geändert. Die Ideen, die 1860 wirksam wurden, waren um 1830 schon vorhanden.
Parallel zu diesen Konflikten rückte zudem das ungelöste Sklavereiproblem immer mehr in den Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Aufmerksamkeit. Dabei schwieg sich die Verfassung, dem reinen Wortlaut nach, über die peculiar institution, die «besondere Institution» des Südens, aus. Das Wort Sklaverei oder Sklave wurde in dem Text von 1787 nicht ein einziges Mal erwähnt. Ein Grund dafür lag in der Überzeugung selbst der meisten sklavenhaltenden Gründerväter der Republik, die Sklaverei sei aus wirtschaftlichen und moralischen Gründen in einer Zeit wachsender Aufklärung gewissermaßen von Natur aus dazu bestimmt zu vergehen. Für den Norden traf dies zu. Schrittweise hatten alle Nordstaaten, beginnend mit New Hampshire, die Sklaverei ab 1778 verboten, darunter auch New York, der Bundesstaat nördlich der Mason-Dixon-Linie, in dem am meisten Sklaven gelebt hatten. Ferner war durch die Northwest Ordinance von 1787 die Einführung der Sklaverei in den Territorien des alten Nordwestens untersagt. Deswegen wurde ihrer nur an drei Stellen der Unionsverfassung indirekt gedacht. In Artikel 1, Sektion 9 hieß es etwas umständlich formuliert, «the migration or importation of such persons as any of the states now existing shall think proper to admit, shall not be prohibited by the Congress prior to the year 1809». Damit war nichts anderes gemeint, als daß 1809 die Einfuhr von Sklaven aus Afrika verboten werden würde. Dies war für den Süden gewiß unangenehm, aber keineswegs verheerend, da die USA weltweit das einzige Land waren, in dem sich die Sklavenpopulation durch eigene Reproduktion vermehrte. Überdies war es denkbar, Sklaven aus dem oberen Süden, dessen Plantagenproduktion drastisch zurückging, in den tiefen Süden zu verkaufen und auf diese Weise den dortigen Mangel an Arbeitskräften zu beheben. Interessanterweise hat man in den USA, trotz fortlaufender illegaler, aber höchst profitabler Sklaventransporte aus Afrika, an denen Amerikaner aus beiden Landesteilen ebenso beteiligt waren wie Spanier und Portugiesen, nur vereinzelt daran gedacht, diesen Passus der Verfassung und das anschließende Gesetz von 1808 außer Kraft zu setzen. Sogar die Konföderierten Staaten hielten in ihrer Verfassung von 1861 an dieser Bestimmung fest, obwohl Radikale aus dem tiefen Süden 1858 dagegen opponiert hatten. Mit Humanität hatte dies freilich nichts zu tun, sondern mit der britischen Royal Navy. In Großbritannien hatte sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die abolitionistische Bewegung durchgesetzt. Nicht nur war der Sklavenhandel auf britischen Schiffen 1807 verboten worden, 1834 wurde die Sklaverei im gesamten britischen Empire verboten, und die britische Marine machte auf sämtlichen Weltmeeren Jagd auf Sklavenhändler und ihre Schiffe. Und die Briten meinten es ernst. Da es sich niemand in den USA und später in der Konföderation mit ihnen verderben wollte, hielt man in Washington und Richmond an der einmal getroffenen Entscheidung fest.
Der andere Passus der Verfassung, der sich indirekt mit der Sklaverei beschäftigte, war demgegenüber weitaus kontroverser. Artikel I, Sektion 1 bestimmte nämlich, daß die Anzahl der Wahlberechtigten sowie die davon abhängige Zahl der Abgeordneten des Repräsentantenhauses zu bestimmen sei, indem man zur Gesamtzahl der freien Personen drei Fünftel der in einem nicht befristeten Dienstverhältnis stehenden Personen, unter Ausschluß der Indianer, addierte. Das besagte nichts anderes, als daß die Sklaven in den Südstaaten zwar nicht wählen durften, aber zu 60 Prozent zu den Wahlberechtigten ebendieser Staaten hinzugezählt wurden. Für den Süden war dies wichtig, da er auf diese Weise neben der stets angestrebten Parität im Senat auch im Repräsentantenhaus überrepräsentiert blieb, was auf politischer Ebene zu einer dauerhaften Dominanz des Südens im Washington der Antebellumära führte. Im Norden jedoch sah man in dieser Bestimmung eine unmoralische Ungerechtigkeit, welche zudem die wirtschaftlichen Interessen der freien Staaten berührte. Hier waren weitere Konflikte vorprogrammiert.
Aus ethischer Perspektive war die letzte der drei Verfassungsbestimmungen am dramatischsten, da Artikel IV, Sektion 2 es wiederum in verklausulierten Worten verbot, geflohene Sklaven aufzunehmen. Alle Einzelstaaten wurden verpflichtet, Flüchtlinge wieder an die vorigen Besitzer auszuliefern. Anfangs regten sich nur wenige Amerikaner darüber auf, da die Heiligkeit und Unantastbarkeit des Privateigentums zu den liberalen Gründungsdogmen der Union zählten. Dennoch häuften sich seit den 1840er Jahren Fälle, in denen sich zum Teil empörende und unmenschliche Szenen in amerikanischen Großstädten abspielten, wenn südstaatliche Sklavenjäger, manchmal ohne klaren Beweis der Eigentumsverhältnisse, auf offener Straße weinende Frauen und schreiende Kinder gefangennahmen. Mitunter kam es zu Selbstmorden ganzer Familien. Angesichts dieser Tragödien tendierten selbst Sympathisanten des Südens dazu, diese Verfassungsklausel für amoralisch und obsolet zu halten, was umgekehrt die südlichen Sklavenhalter empörte, die sich um ihr Eigentum betrogen sahen. Wie immer detailliert oder vage die Verfassung mit der Sklavenproblematik umging, vieles blieb schlicht ungelöst und bot somit hinreichend Stoff für eine fast obsessive Beschäftigung mit der Thematik.
3. Das Haus zerfällt:
Der Konflikt um die Sklaverei seit 1820
Der historische Zufall fügte es, daß ausgerechnet am 4. Juli 1826 binnen weniger Stunden der zweite und der dritte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Thomas Jefferson und John Adams, starben. Mit ihnen verließen zwei Heroen der Revolutionszeit die politische Bühne, nur ein Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, Charles Carroll of Carrollton, lebte noch. Die Gründerzeit der USA ging für jeden sichtbar zu Ende, zumal auch von den Verfassungsvätern nur noch James Madison, inzwischen ein überzeugter Nationalist, und der zum Nihilismus tendierende ironische Skeptiker John Randolph aus Virginia am Leben waren. Aber hatten die Revolutionäre von 1776 wirklich ein gut bestelltes Haus hinterlassen? Auf den ersten Blick sah es gar nicht übel aus. Nach einigen Schwierigkeiten hatten die USA sich eine brauchbare Verfassung gegeben, sie expandierten nach Westen, zeigten eine ungeahnte wirtschaftliche Überlebensfähigkeit und hatten sogar einen weiteren Krieg mit Großbritannien vergleichsweise unbeschadet überstanden. Aber bereits der zweite Blick deutete erste Sollbruchstellen an. Wie in Europa und anderen Teilen der Welt schien das vorgeblich eherne Gesetz des Fortschritts auch die USA zu nötigen, sich aus der bunten Vielfalt traditionaler, vormoderner und frühneuzeitlicher Lebensformen in die starren Zwänge und Konformitäten des liberalen und kapitalistischen Nationalstaates zu begeben. Diese kulturelle, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation vom Primat des Partikularen zur Universalität des Einheitsstaates vollzog sich in aller Regel gewalttätig. In den USA jedoch, und dies lehrte dann der dritte Blick, trat eine spezifische Differenz hinzu, die ansonsten nur noch Brasilien, Kuba und Teile Afrikas aufzuweisen hatten: die Sklaverei. Es war die Sklavenfrage und sonst nichts, die dem binnenamerikanischen Konflikt ihren unübersehbaren Stempel aufdrückte; sie war das innere Prinzip der Entwicklung, das alles andere überformte. Nach 1865 und bis heute haben verspätete Anhänger der Konföderation ebenso hartnäckig wie lautstark behauptet, der Bürgerkrieg sei ein Kampf für die Freiheit der Einzelstaaten gewesen, was gewiß nicht völlig falsch ist. Aber damit gingen sie hinter die zuweilen brutale Offenheit ihrer Vorväter zurück, die ganz ungeniert zugaben, daß der War between the States, wie man ihn allerorten bis in die 1980er Jahre nannte, sich um die peculiar institution, die besondere Institution des Südens, drehte. Das aber war die Sklaverei und nichts anderes. Dies bedeutete freilich keineswegs, daß die aus dem Unterschied von Sklavenhalterwirtschaft und kapitalistischer Ökonomie beruhenden Differenzen zwischen Nord und Süd ausschließlich trennend gewesen wären. Es gab tiefgreifende Divergenzen zwischen den Interessen des Finanzkapitals in Philadelphia und vor allem New York einerseits und denen der jungen Industrien Neuenglands. Während die Mittelatlantikstaaten vom Sklavenhandel profitierten, sahen viele Industrielle, ganz wie die freien Farmer des Mittleren Westens, in der Sklaverei primär eine Konkurrenz. Entsprechend sympathisierten viele Bewohner von Philadelphia und New York mit der Sklaverei, während die neuenglischen Eliten ihr kritisch gegenüberstanden.
1850 lebten rund 3,6 Millionen Schwarze in den USA. Sie machten 15,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, und der ganz überwiegende Teil davon waren Sklaven, die zumeist im Süden der USA lebten. Nur New York, New Jersey und Ohio verfügten über größere Populationen freier Schwarzer. In vielen Bundesstaaten des Nordens und Westens, so zum Beispiel in Illinois oder Indiana, war der Zuzug von Schwarzen entweder ungern gesehen oder gesetzlich verboten. Rassismus war beileibe kein Alleinstellungsmerkmal des amerikanischen Südens. Das Bild der Sklaverei war von der Parteien Haß und Gunst bestimmt. Während südstaatliche Sklavenhalter und ihre Unterstützer gerne erklärten, die Schwarzen seien wie Kinder und müßten in einem paternalistischen System mit einer gewissen Strenge erzogen und behütet werden, beschrieben Abolitionisten den Süden wortreich und mit moralischem Pathos als eine Stätte des Grauens, in der peitschenschwingende Herren ihre männlichen Sklaven mißhandelten und ihre Sklavinnen vergewaltigten, um auf diese Weise den menschlichen Nachwuchs für ihre wirtschaftlichen Interessen zu erhalten. Das propagandistische Bild der Abolitionisten kam in vielen Fällen der Realität näher als die idyllischen Schilderungen der Sklavenhalter, die aber häufig durchaus ernst gemeint waren. Viele master und mistresses sahen in ihren Sklaven Mitglieder ihrer familiy black and white. Oft genug durften Sklavenkinder mit den Kindern ihrer Herrschaft spielen, ehe sie dann auf die Felder geschickt wurden. Manche Haussklaven erfreuten sich eines außerordentlich privilegierten Status, ebenso die Kutscher, die für die Kommunikation der Sklaven zwischen den verschiedenen Plantagen sorgten und nicht selten als christliche Prediger fungierten. Aber die Verteidiger der Sklaverei übersahen, wie sehr das System als Ganzes die zwischenmenschlichen Beziehungen im Süden korrumpierte und wie verlogen der Anspruch auf Erziehung und paternalistische Familiarität waren, wenn am Ende nichts stand als permanente Unfreiheit, das Verbot, Lesen und Schreiben zu lernen, und die Gefahr, daß Familien willkürlich und aus reinem Streben nach Profitmaximierung auseinandergerissen werden konnten. Hinzu kam, daß es in den USA, anders als in den katholischen Ländern mit Sklaverei in Lateinamerika, kaum eine Möglichkeit gab, sich freizukaufen oder freigelassen zu werden. Die Amerikaner hatten sich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts diese Chance eines friedlichen Übergangs verbaut, indem sie nach einer Serie kleinerer Sklavenrevolten die gesetzlichen Möglichkeiten zur Manumission drastisch einschränkten und dies durch einen organisch-essentialistischen Rassismus ideologisch abstützten.
Der Protest gegen die Sklaverei setzte erst spät ein und blieb selbst im Norden durchweg Sache einer winzigen, radikaler werdenden Minderheit. Der Abolitionismus war im England des aufgeklärten 18. Jahrhunderts entstanden, als ein gemeinsames Projekt liberaler, philanthropischer Mittelklassenreformer und der Quäker. Von dort aus schwappte er binnen weniger Jahre nach Nordamerika über, wo sich ihm dieselbe Klientel zuwandte. Diese Frühform des Abolitionismus war trotz ihres hohen humanitären und moralischen Anspruchs außerordentlich moderat und bis etwa 1820 mehrheitlich unter Quäkern verbreitet, die im Süden der Union lebten. Ihnen war es nicht um eine sofortige und entschädigungslose Enteignung der Sklavenhalter zu tun, sondern um eine graduelle Entlassung der Sklaven in die Freiheit, da auch die Philanthropen und Quäker von der prinzipiellen Heiligkeit und Unantastbarkeit des Privateigentums überzeugt waren. Darüber hinaus planten sie für die befreiten Schwarzen auch keine Zukunft in den Vereinigten Staaten, sondern in Afrika. Das friedvolle Zusammenleben zweier oder mehr andersartiger Rassen erschien vielen Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts undenkbar. Vielmehr prägte der apokalyptisch anmutende Topos vom unvermeidlichen Rassenkrieg seit den 1840er Jahren den öffentlichen Diskurs. 1817 wurde deswegen die American Colonization Society (ACS) gegründet, der sich Thomas Jefferson, James Madison, Henry Clay und später Abraham Lincoln anschlossen. Die gradualistische, auf allmähliche Abschaffung der Sklaverei abhebende ACS erwarb nach dem Vorbild des britisch-abolitionistischen Territoriums Sierra Leone 1822 das Gebiet von Monrovia im heutigen Liberia und begann, dort freigelassene Sklaven anzusiedeln, was in einer humanitären Katastrophe für alle Beteiligten endete. Nur etwa 12.000 Schwarze wanderten bis 1860 in den ihnen vollkommen fremd gewordenen Kontinent aus. Insbesondere die Quäker formierten, unterstützt von einigen Baptisten, Methodisten und Presbyterianern, darüber hinaus ein Netzwerk, das im Laufe der Zeit den Namen underground railroad erhielt. Diese Untergrundorganisation half seit den 1790er Jahren Sklaven bei der Flucht in den Norden. Einige blieben dort, gegen die Verfassungsbestimmungen gedeckt und unterstützt von lokalen Behörden und wohlwollenden Philanthropen, andere zogen sofort nach Britisch-Nordamerika (das heutige Kanada) weiter, wo sie objektiv sicherer waren. Im Süden reagierte man auf diese Aktivitäten gleichermaßen wütend und besorgt, vor allem aber mit Gewalt. Abolitionisten wurden gelyncht, geteert und gefedert, verprügelt, ausgepeitscht oder aus der Stadt gejagt, ihre Druckerpressen zerstört und der postalische Vertrieb abolitionistischen Schrifttums wurde unterbunden.
Aber nicht nur seitens der Südstaatler und ihrer nördlichen demokratischen und irischen Verbündeten kamen die Gradualisten unter Druck. Auch im eigenen Lager regte sich seit den 1820er Jahren von vier Seiten Opposition: Erstens sammelte sich eine Gruppe freigeistiger Radikaler um William Lloyd Garrison und seine Unterstützer, die wohlhabenden Brüder Lewis und Arthur Tappan aus Boston. Sie forderten ein sofortiges, immediates Ende der Sklaverei, ohne daß den Sklavenhaltern für ihren Eigentumsverlust eine Entschädigung gezahlt werden sollte. Weltanschaulich waren sie Anhänger der liberalen Aufklärung, ihre Argumente speisten sich aus dem Arsenal von Humanität und Vernunftmoral. 1831 gründeten sie die Zeitung The Liberator, 1833 die American Anti-Slavery Society (AAS), die bald zur wichtigsten Trägerorganisation der underground railroad und zum Objekt intensiven und unmenschlichen Hasses seitens der Befürworter der Sklaverei wurde. Aber Garrison, der sich entgegen dem Zeitgeist nicht scheute, freie und entflohene Schwarze ebenso wie Frauen aus der Mittelklasse in seine Organisation einzubinden, fand weiteren Zuspruch. Im evangelikalen Lager fand sich zweitens eine von den beiden charismatischen Wanderpredigern Charles Grandison Finney und Lyman Beecher angeführte Gruppe, die sich ebenfalls zum Immediatismus der sogenannten Ultras bekannte. Das Zentrum dieser leidenschaftlich und apokalyptisch-postmilleniaristisch argumentierenden protestantischen Prediger, für die Sklaverei Sünde und ihre Abschaffung Vorbedingung einer perfekten, für die Wiederkunft Christi offenen Gesellschaft war, befand sich in Oberlin, einem College im Mittelwesten. Diese Evangelikalen bildeten zudem den geistigen Hintergrund für eines der erfolgreichsten populärkulturellen Produkte des Abolitionismus, den Roman Uncle Tom’s Cabin von Harriet Beecher Stowe, einer Tochter Lyman Beechers, aus dem Jahre 1852. Den Anspruch dieses Buches vermag man bereits daran zu erkennen, daß die Autorin immer behauptete, Gott selber habe es geschrieben. Allerdings war es weniger das Buch als das von George Aiken verfaßte Theaterstück, das den ganz großen Erfolg brachte. Die dritte Personengruppe, die den Gradualismus attackierte, bestand aus früheren Sklaven, die zum Teil über die underground railroad in den Norden gekommen waren. Zu ihnen zählten der hochintelligente und rhetorisch begabte Frederick Douglass und die nicht minder öffentlichkeitswirksame Sojourner Truth, die durch den Norden zogen und vor Abolitionisten über die Unmenschlichkeit der Sklaverei vortrugen. Unterstützt wurden sie von den Schwestern Sarah und Angelina Grimké, den Töchtern einer Sklavenhalterfamilie, die über die Sittenlosigkeit der Südstaatler referierten und auf diese Weise das stereotype Bild vom Süden der USA als großem Bordell bestätigten. Schließlich wandten sich auch viele Kleinbauern des Mittelwestens dem abolitionistischen Gedankengut zu, wobei sie zwischen Gradualismus und Immediatismus schwankten. Diese Free Soiler fürchteten die wirtschaftliche Konkurrenz derjenigen Farmer, die sich auf Sklavenarbeit stützen konnten. Zwar blieb der immediatistische Abolitionismus bis zum Bürgerkrieg auf eine kleine Minderheit im Norden beschränkt, aber dies reichte aus, um die Befürworter der Sklaverei zu noch mehr Gewalt anzustacheln. In der Wahrnehmung der Südstaatler und vieler Demokraten waren die radikalen Abolitionisten Fanatiker, Revolutionäre, notorische Unruhestifter oder einfach Irre.
Aber die Befürworter der Sklaverei beschränkten sich nicht auf Gewalt. Zusätzlich bemühten sie sich, ihren Standpunkt zu systematisieren und zu ideologisieren. Dies konnte mit dem Verweis auf die biblischen Grundlagen der Sklaverei im Alten und Neuen Testament geschehen, indem man etwa auf die Verfluchung Hams und Kanaans im Buche Genesis (die sogenannte Hamitenhypothese, Gen. 9, 18–29) rekurrierte. Die Afrikaner galten nach biblischer Auffassung als Nachfahren Hams. Doch dieser Gedanke war weit weniger verbreitet, als Historiker lange dachten. Seit den 1840er Jahren neigte man eher zu pseudonaturwissenschaftlichen Argumentationen im Rahmen eines organisch-essentialistischen Rassismus. Gemäß diesen Theorien führte etwa Rassenmischung (miscegenation) erst zum sittlichen Verfall, zur körperlichen Degeneration und dann zum Ende der weißen Rasse, wenn sie nicht vorher im Rassenkrieg unterging. Das Schlagwort von der Rassenmischung als Utopie der Abolitionisten, die doch selbst meist rassistisch dachten, wurde zur Zusammenhalt generierenden ideellen Grundlage der Sklavereibefürworter schlechthin. Der halbpornographischen Rede vom Süden als Bordell setzten sie ihrerseits den nicht minder pornographischen Gedanken von den Abolitionisten als Rasseschändern entgegen. Hinzu trat eine weitere Theorie, nämlich die Polygenese. Nach dieser Ansicht entstammten Schwarze und Weiße gänzlich anderen Ursprüngen, zählten also nicht zu einer biologischen Art. Dies begründete die natürliche Unterlegenheit der schwarzen und die ebenso natürliche Überlegenheit der weißen Rasse. In einer moderateren Variante wurde den Schwarzen zwar zugestanden, dem Menschengeschlecht anzugehören, sich aber entwicklungsgeschichtlich nicht wesentlich vom Affen weiterentwickelt zu haben. Da sie dem monogenetischen Schöpfungsbericht des Buches Genesis widersprach, lehnten sämtliche christlichen Denominationen und die katholische Kirche die Polygenese mit bemerkenswerter Einheit strikt ab. Ein letztes Argument hob mehr auf die aus der Frühindustrialisierung resultierende soziale Frage ab und spielte mit der Idee des Paternalismus. Die pro-slavery Ideologen bezichtigten die bürgerlichen Anhänger des Abolitionismus der Heuchelei. Während sie Krokodilstränen über das Schicksal der Schwarzen vergössen, kümmerten sie sich nicht um das armselige Leben ihrer Arbeiter in den Fabriken. Dieser Gedankengang fand unter eingewanderten Katholiken und radikalen Arbeitern, den Locofocos, unter Iren zumal, eine reiche Anhängerschaft, da man in dieser Klasse die befreiten Schwarzen als Konkurrenten um Arbeitsplätze und als Streikbrecher fürchtete – und dies nicht ohne Grund. Allerdings übertrieben einige Südstaatler, beispielsweise George Fitzhugh, den Gedanken, als sie forderten, man solle weiße Arbeiter in ihrem eigenen Interesse ebenfalls versklaven und unter die paternalistische Kuratel der Sklavenhalter stellen. Das war für niemanden mehr akzeptabel, zeigt aber, wie in den 1840er und 1850er Jahren in den Kreisen der Sklavereibefürworter ein Schub von Irrationalität und psychotisch anmutender Politikunfähigkeit um sich griff. Jeder noch so abseitige Angriff auf die Sklaverei wurde als Angriff auf die Ehre des Südens empfunden, selbst wenn sich weit und breit in der Union keine Mehrheit für die Abschaffung der Sklaverei fand.
Um die ging es im politischen Bereich auch zu keiner Zeit. Den politischen Gegnern der Sklaverei ging es eher um Gradualismus als um Immediatismus, vor allem aber wollten sie eine weitere Ausdehnung der Sklaverei und damit der politisch-ökonomischen Macht des Südens verhindern. Der Süden umgekehrt hatte ein vitales Interesse zumindest an einer Parität der Macht zwischen Nord und Süd, das hieß an weiteren Sklavenstaaten. Ein Blick auf die Landkarte aber belehrte jeden, daß es da schlecht um den Süden bestellt war. Die Sklaverei rentierte sich nur in Gebieten, in denen Baumwollplantagen angelegt werden konnten, dies aber war in den Territorien der Louisiana-Purchase, also des 1803 von Frankreich gekauften Territoriums des Mississippi- und Missouri-Flußsystems, nur sehr beschränkt der Fall. Gerade die Prärien und die Berge der Rocky Mountains eigneten sich nicht für die Plantagenwirtschaft. Auf absehbare Zeit mußten die Sklavenstaaten strukturell in die Minderheit geraten, was ihren guten Willen nicht eben beförderte. Es verwundert kaum, daß Expansion zum Schlagwort der Demokraten und des Südens wurde. 1819 bis 1821 brach dieser Konflikt dann erstmalig offen aus. 1817 hatte das Missouri-Territorium, neben Arkansas eines der wenigen Gebiete des Kaufs von 1803, in dem die Sklaverei möglich war, den Antrag gestellt, als Staat in die Union aufgenommen zu werden. Ein gradualistischer Kongreßabgeordneter, James Tallmadge von New York, reagierte mit einem Gesetzesvorhaben, nach dem die Sklaverei in Missouri und Arkansas erheblich eingeschränkt und langfristig verboten werden sollte, was augenblicklich eine Reaktion der Südstaatler im Kongreß provozierte. Die lange befürchtete Staatskrise der Union war gekommen. Henry Clay, selbst Sklavenhalter aus Kentucky, zugleich aber moderater Nationalist, und Senator Jesse Thomas aus Illinois erarbeiteten dann jedoch einen tragfähigen Kompromiß, der die amerikanische Politik und ihre Position in der Sklavenfrage bis in die 1850er Jahre hinein bestimmen sollte: Missouri wurde als Sklavenstaat in die Union aufgenommen, gleichzeitig Maine als Freistaat, womit die Parität im Senat gewahrt blieb. Zusätzlich wurde festgelegt, daß künftig die Südgrenze von Missouri, 36 Grad und 30 Minuten nördlicher Breite, zur Nordgrenze der Sklaverei werden würde. Damit war es später möglich, auch Arkansas als Sklavenstaat aufzunehmen, obwohl die neue Linie deutlich südlich der alten Mason-Dixon-Linie von 1767 zwischen Pennsylvania und Maryland lag. Indem Missouri als Sklavenstaat der Union beitrat, hatte man sich allerdings ein weiteres Problem geschaffen, galten die Einwohner dieses Staates, die Missouriruffians, doch als besonders fanatisch und gewalttätig im Kampf für die Sklaverei. Fürs erste aber war der Friede gewahrt.
Bis 1846 gelang es den Politikern des zweiten Parteiensystems, die Union mehr schlecht als recht, aber immerhin halbwegs friedlich zusammenzuhalten. Dann aber setzte sich die südstaatlich-demokratische Forderung nach weiterer Expansion durch. Die Regierung von Präsident James K. Polk provozierte, nachdem man zuvor (1836) schon die Sezession Texas’ von Mexiko aktiv befördert hatte und Texas dann 1845 als Sklavenstaat der Union beigetreten war, einen Krieg mit Mexiko. Der endete 1848 mit der totalen Niederlage des mexikanischen Staates. Schon forderten einige Südstaatler, man solle ganz Mexiko annektieren, obwohl dies der Sklavenfrage ein weiteres rassisch-ethnisches Problem, die Mexikanerfrage, hinzugefügt hätte. Deshalb beschränkten sich die Demokraten, gegen den Widerstand der Whigs, im Frieden von Guadeloupe Hidalgo darauf, den heutigen Südwesten der USA (New Mexico, Arizona, Nevada, Kalifornien, Teile von Utah und Colorado) der Union einzuverleiben. Die Frage der Expansion der Sklaverei war wieder offen. Der Tallmadge des Jahres 1846 hieß nun David Wilmot, ein demokratischer, aber abolitionistischer und antikatholischer Gegner der Sklaverei aus Pennsylvania, der im Repräsentantenhaus ein Gesetzesvorhaben durchbrachte, das den Export der Sklaverei in die neuen Territorien untersagte. Wilmot kandidierte in den späten 1850er Jahren dann für die Republikaner. Das sogenannte Wilmot Proviso kam für die Südstaatler fast schon einer Kriegserklärung gleich, denn es deutete nicht nur auf interne Spannungen in der Demokratischen Partei hin, sondern hätte mittelfristig das Ende der Senatsparität gebracht. Obgleich das Proviso im Senat scheiterte und niemals zur Anwendung kam, heizte sich die Atmosphäre auf. Die Kluft verbreiterte sich beinahe täglich. 1848 kandidierte die moderat abolitionistische Free Soil Party mit einigem Erfolg, bei den Whigs zeichnete sich die Spaltung in Cotton Whigs aus dem Süden, abolitionistische Conscience Whigs und moderate Old Line Whigs ab. Selbst die Demokraten, lange die Partei der Einheit der Union, zerfielen allmählich. Mancher Nordstaatendemokrat setzte sich zu den Free Soilers ab, die immerhin von dem alten Parteisoldaten und ehemaligen Präsidenten Martin van Buren geführt wurden. Jedem war klar, daß die Union unmittelbar vor dem Zerfall stand. 1850 kulminierte die Staatskrise weiter. In der letzten Rede vor seinem Tod malte ein von Krankheit gezeichneter John C. Calhoun, der manchem wie ein gespenstischer Totengräber der Republik vorkam, mit finsteren Worten das Menetekel des Bürgerkriegs an die Wand. Wieder war es der unvermeidliche Henry Clay, der das Heft kurz vor dem Abgrund in die Hand nahm. Er kam als ehrlicher Makler dem Süden so weit entgegen wie nur irgend möglich. Der Kompromiß von 1850 beinhaltete eine ganze Serie von Gesetzen, die teilweise Maximalforderungen der Südstaaten erfüllten und deswegen selbst von gemäßigten Nordstaatlern mit Abscheu aufgenommen wurden. Zwar wurde fortan der Sklavenhandel, nicht aber die Sklaverei auf dem Bundesterritorium von Washington, DC untersagt und der Staat Kalifornien nach langer Diskussion als Freistaat in die Union aufgenommen, dafür wurde den Einwohnern der Territorien von New Mexico und Utah, letzteres entgegen den Abmachungen von 1820, die Wahlfreiheit in der Sklavenfrage zugesichert. Den eigentlichen Kernpunkt der Abmachung aber bildete der Fugitive Slave Act, der endgültig und ausschließlich anhand südstaatlicher Vorgaben die Rückführung geflohener Sklaven aus dem Norden regelte. Die nun einsetzende Jagd auf Flüchtlinge in den Städten des Nordens sorgte dort für eine Welle der Sympathie und offen zur Schau gestellter Solidarität mit den ehemaligen Sklaven. Es kam zu Massenaufläufen und Schlägereien. In einzelnen Staaten, allen voran in Neuengland, verweigerten Polizisten den Südstaatlern die Amtshilfe. Der Kompromiß von 1850 führte zur weiteren Radikalisierung der Debatte und dem Zerfall des Parteiensystems, dessen erstes Opfer ab 1852 Henry Clays Whigs wurden. Aus den Trümmern der Whigs, der Free Soilers, der nativistisch-antikatholischen American Party und Sklavereigegnern aus der Demokratischen Partei, darunter Jacksons einst so treuer Gefolgsmann Benjamin Butler, formierte sich 1854 die Republikanische Partei, die zwar in der Sklavenfrage moderater war als alle vorherigen «abolitionistischen» Parteien, dafür aber als erste Partei der amerikanischen Geschichte ausschließlich im Norden und Mittelwesten existierte.
Trotz des Entgegenkommens von seiten Henry Clays waren die Südstaatler unzufrieden. Den drohenden Verlust der Senatsparität weiterhin vor Augen, den Abolitionismus der Republikaner grotesk übertreibend und angesichts des gleichfalls absehbaren Niedergangs des Baumwollbooms und damit der wirtschaftlichen Grundlage der Sklaverei, reagierten sie mit einem neuen Schub von Hysterie und Panik. Der Tod Calhouns und der Zerfall der Whigs gaben Raum für eine jüngere Generation radikaler Politiker, die sogenannten Feuerfresser (fire eaters) um William L. Yancey, die sich nunmehr für die Sezession des Südens einsetzten. Die gemäßigten Stimmen aus dem oberen Süden fanden immer weniger Gehör. Immerhin scheiterten Mitte der 1850er Jahre noch alle Versuche, den Süden zur Abspaltung zu bewegen, aber es zeichnete sich ab, daß es bald an politischen Führern fehlen würde, die noch für die Union eintraten. Im Süden fuhr man jetzt eine zweigleisige Strategie. Einerseits unterstützten einige Politiker aus dem tiefen Süden die Bewegung der filibuster. Das waren Abenteurer wie William Walker, die mit Söldnerscharen durch Mexiko, Nikaragua, Haiti oder die Dominikanische Republik zogen, um dort eigene Staaten zu erobern, aus denen sich möglicherweise ein Sklavenimperium errichten ließ. Andererseits stellte man immer neue und weiterreichende Forderungen an den Norden. Zum neuen Kampffeld avancierte um 1854 das Kansas-Nebraska-Territorium, das binnen kurzer Zeit seine Staatlichkeit erreichen sollte. Schon 1850 hatte Stephen Douglas, der neue Stern der Demokratischen Partei, der wie der Republikaner Lincoln aus Illinois stammte, im Zusammenhang mit dem Kompromiß von 1850 das Grundprinzip des Missouri-Kompromisses von 1820 durch seine Idee der Volkssouveränität ausgehebelt. Im Kansas-Nebraska-Act bekamen beide Gebiete 1854 das Recht zugesprochen, eigenständig zu entscheiden, ob sie als Sklaven- oder als Freistaaten der Union beitreten würden, obgleich sich ihr Territorium nördlich des 36. Breitengrades befand. Douglas, der davon ausging, daß die Sklaverei in beiden Territorien sowieso wirtschaftlich unsinnig und deswegen chancenlos sein würde, hatte geglaubt, mit diesem Schritt die Lage zu beruhigen und seine Partei wieder zu vereinigen. Statt dessen trat er eine neue Welle von Streitigkeiten los, die in eine regelrechte Spirale der Gewalt mündete. In beständig neuen Zyklen der Unruhe starben Indianer und Schwarze, Mormonen und Katholiken, vorrangig aber Abolitionisten. Das Land gärte, und eine Lösung war nirgendwo in Sicht.
Verschärft wurde die Situation weiterhin durch ein überraschendes Urteil des obersten Bundesgerichts, Dred Scott vs. Sanford (1857). Als die Abolitionisten zu Beginn der 1850er Jahre damit begonnen hatten, diesen Fall aufzubauen, waren sie noch davon ausgegangen, im Supreme Court eine sklavereikritische Mehrheit zu finden. Aber sie hatten sich verrechnet. Der oberste Bundesrichter Roger B. Taney, ein sklavenhaltender, katholischer Großgrundbesitzer aus Maryland, tat alles, um das Gericht auf seine Seite zu ziehen. Der Fall drehte sich um einen Sklaven, der mit seinem Herren in einen Freistaat gezogen war und auf Freilassung geklagt hatte. Taney aber beschied, der Kläger sei weiterhin Sklave, er sei nicht klageberechtigt, und Schwarze könnten keine Bürger der USA werden. Darüber hinaus erklärte er den Missouri-Kompromiß für verfassungswidrig, null und nichtig. Richter Taney glaubte allen Ernstes – Roma locuta, causa finita –, mit diesem Beschluß sei die Sklavenfrage irreversibel vom Tisch. Freilich irrte er sich. Die öffentliche Reaktion war verheerend, während die Autorität des obersten Bundesgerichts sich auflöste. Im Süden triumphierten einmal mehr die Scharfmacher, im Norden wandten sich die Gemäßigten angewidert ab. Die radikalen Abolitionisten wiederum verkündeten, für sie sei der Supreme Court nicht mehr maßgeblich, sie würden sich jetzt nur noch dem göttlichen Recht, dem higher law, verpflichtet fühlen.
Parallel dazu nutzten die Missouri ruffians gemeinsam mit den Feuerfressern des Südens die allzu offenkundige Schwäche der Präsidentschaften der Demokraten Franklin Pierce und James Buchanan, die alle Hände voll zu tun hatten, die Einheit ihrer disparaten Partei zu wahren. Siedler aus Missouri strömten in das Kansas-Territorium, um dort eine sklavereifreundliche Regierung zu installieren, die dann Kansas als Sklavenstaat in die Union führen sollte. Dabei bedienten sie sich aller denkbaren Methoden, vom Wahlbetrug bis hin zur offenen Gewaltanwendung, was neuerlich viele Nordstaatendemokraten dazu brachte, sich dem Süden zu entfremden. Die Abolitionisten hingegen organisierten Siedlertrecks aus Neuengland, die ihrerseits Kansas in einen Freistaat verwandeln sollten. 1856 eskalierte die Situation. Der streng calvinistisch gesinnte Abolitionist John Brown tötete gemeinsam mit seinen Söhnen am Pottowatomie fünf unbewaffnete und am Konflikt unbeteiligte Siedler aus Missouri. Dieser Akt des Terrorismus wurde zum Ausgangspunkt eines blutigen Bürgerkriegs, der zwar weniger Opfer forderte, als zeitgenössische Zeitungsberichte suggerieren, in dem aber immerhin mindestens 200 Menschen ums Leben kamen. Die Ereignisse in Kansas, bleeding Kansas genannt, führten dann im Mai 1856 im Senat in Washington zu einem weiteren Zwischenfall, der noch einmal belegte, wie angespannt die Situation inzwischen geworden war. Der radikal abolitionistische republikanische Senator aus Massachusetts, Charles Sumner, hatte in einer schneidend ironischen Rede den Süden attackiert und vor allem dem alternden Senator von South Carolina Andrew Butler in expliziten sexuellen Anspielungen vorgeworfen, eine Sklavin als Geliebte zu mißbrauchen. Butlers Cousin, der Repräsentant Preston Brooks, nahm dies zum Anlaß, Sumner derart mit seinem Spazierstock zu verprügeln, daß der Senator zeitweilig das Bewußtsein verlor und jahrelang nicht in der Lage war, an Senatssitzungen teilzunehmen.
1859 bekam der Norden dann seinen zweiten Märtyrer. John Brown hatte, unterstützt von einigen abolitionistischen Geschäftsleuten aus Boston und New York, den secret six, versucht, ein Waffenlager der Unionstruppen in Harper’s Ferry nahe Washington in die Hand zu bekommen, um von dort aus die Sklaven der umliegenden Plantagen mit Waffen zu versorgen und auf diese Weise einen großflächigen Sklavenaufstand auszulösen. Dieser Akt rührte an die Urängste des Südens, seitdem Denmark Vesey 1823 und Nat Turner 1831 ähnliche Versuche initiiert hatten. Sofort rückte ein Kommando der US-Marineinfanterie unter dem Befehl von Colonel Robert E. Lee aus, der Brown, seine Söhne und Anhänger stellte. Einige wurden erschossen, die anderen nach einem kurzen Militärgerichtsverfahren hingerichtet, wobei Brown durch die Würde und den Mut, mit dem er in den Tod ging, selbst bei einigen Südstaatlern Respekt erheischte. Im Norden aber wurde er zum mythischen Helden. Bis heute bleibt er eine umstrittene Figur. Einige neoabolitionistische Historiker arbeiten weiterhin an seinem Heldenimage, allerdings wird man nicht umhinkönnen, seine Methoden für mehr als problematisch und unter ethischen Aspekten fragwürdig zu halten. Brown war ein Terrorist, kein Freiheitskämpfer. Vor allem aber unterstützte der Zwischenfall von Harper’s Ferry auf beiden Seiten die Vorstellung, der Konflikt zwischen Nord und Süd sei das Produkt sinistrer Verschwörungen, wahlweise abolitionistischer oder sklavenhaltender Provenienz.
Dem Zwischenspiel von Harper’s Ferry folgte zu aller Überraschung und trotz des medialen Rummels eine kurze Phase der Entspannung. Selbst in Kansas flaute der Konflikt ab. Es war, als hielte die Union den Atem an, um auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen von 1860 zu warten. Allgemein wurde erwartet, daß Stephen Douglas für die Demokraten einen sicheren Sieg einfahren werde. Gleichwohl kam es ganz anders. Douglas hatte sich schon 1858 im Wahlkampf heftige Debatten mit seinem republikanischen Gegner Abraham Lincoln geliefert, die bis heute als rhetorische Meisterwerke gelten. Im Mittelpunkt hatten selbstredend Kansas und die Sklavenfrage gestanden. Eigentlich galt Douglas weniger als Befürworter der Sklaverei denn als jemand, der die Südstaatendemokraten bei der Stange halten konnte. In deren Augen jedoch hatte er im Zusammenhang mit Kansas zu oft und zu viel laviert. Der Senator war in den Augen der Feuerfresser unzuverlässig geworden. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten in Baltimore im heißen Sommer von 1860 kam es deswegen zu tumultuarischen Szenen, die letztlich zur Spaltung der Partei führten. Nun trat Douglas nurmehr für die Nordstaatendemokraten an, während die Südstaatler John C. Breckinridge, einen bekennenden Anhänger der Sklaverei, aufstellten. Als Gegenkandidat fungierte der Republikaner Abraham Lincoln, der im Süden gar nicht erst antrat und dort als fanatischer Abolitionist gehandelt wurde, was nicht zutraf. Lincoln war Gradualist und Old Line Whig, kein Immediatist. Im oberen Süden bildete sich eine Koalition besorgter Unionspatrioten, denen klar war, daß, wenn es zur Sezession und zum Bürgerkrieg kommen würde, ihre Staaten das Schlachtfeld stellen mußten. Meist handelte es sich um Cotton Whigs, Old Line Whigs und gemäßigte Demokraten, die als Constitutional Unionists in einem letzten verzweifelten Versuch, die Einheit der Union auf der Grundlage des alten, staatenbundlichen Systems zu retten, den verdienten, aber kaum sonderlich charismatischen John Bell als Kandidaten ins Feld führten.
Ungeachtet der Spaltung der Demokraten gingen viele Beobachter und die meisten Zeitungen im Herbst 1860 weiterhin von einem Wahlsieg für Stephen Douglas aus. Der aber erreichte gerade einmal 29,5 Prozent der Stimmen und sage und schreibe nur 12 Wahlmänner (aus Missouri und Teilen New Jerseys). Breckinridge vereinigte 18,1 Prozent der Stimmen und 72 Wahlmänner aus dem tiefen Süden hinter sich, Bell kam immerhin auf 12,6 Prozent der Stimmen und 39 Wahlmänner aus dem oberen Süden. Der Sieger aber war der Republikaner Lincoln mit allerdings nur 39,8 Prozent der Stimmen, aber 180 Wahlmännern aus dem Norden und dem Westen. Für den Süden war das ein unerwarteter Schlag, zumal Lincoln sofort deutlich machte, daß, wiewohl er nichts gegen die Existenz der Sklaverei im Süden einzuwenden hatte, er auf alle Fälle einer weiteren Expansion der Sklaverei mit aller Schärfe entgegentreten würde. Augenblicklich kollabierte in Teilen des Südens die politische Vernunft. Der überdehnte Ehrbegriff fiel mit einem Mal mit dem Erhalt der Sklaverei zusammen, die man als unmittelbar bedroht ansah. Mehr noch, die strukturellen Fliehkräfte, die von Beginn an das Überleben der Union erschwert hatten, machten nun in Verbindung mit der dramatischen Dynamik wechselseitiger Fehlwahrnehmungen und Verschwörungstheorien den Bürgerkrieg unvermeidlich. Insbesondere South Carolina stellte sich wie so oft an die Spitze der Bewegung. In den Augen der Feuerfresser war der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Mit der Begründung, der noch gar nicht amtierende Präsident Lincoln habe die Ehre des Südens angegriffen, wurde am 20. Dezember 1860 eine State Convention abgehalten, die mit 169:0 Stimmen den Austritt aus der Union erklärte und die anderen Sklavenstaaten aufforderte, dem Beispiel South Carolinas zu folgen. Calhouns Theorien dienten als Begründung. Um jedoch dem Süden einigermaßen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß darauf hingewiesen werden, daß ein Ende der Expansion der Sklaverei mit einiger Sicherheit binnen weniger Jahre auch zum Ende der Sklaverei geführt hätte. Dies ändert jedoch nichts am Primat der Sklavenfrage beim Zerfall der Union, wenngleich zu Beginn des Bürgerkrieges merkwürdigerweise kaum jemand ausdrücklich für eine Emanzipation der Schwarzen kämpfte. Rein verfassungsrechtlich hielt man sich in South Carolina bei diesem Vorgehen an das Vorbild des Eintritts in die Union am 23. Mai 1788, den ebenfalls eine State Convention beschlossen hatte. Mit diesem Akt South Carolinas war das Experiment der Union gescheitert. Der amtierende Präsident Buchanan startete einen letzten verzweifelten Versuch, die Union zu retten. Er rief einen Fasten-, Buß- und Gebetstag aus. Gott aber hörte nicht mehr zu. Nun war es an Lincoln zu reagieren.