26
Ich hatte mich geirrt. Perry hatte meine Spur aufgenommen -durch das Mal, und zwar trotz der Wunde in seinem Kopf. Es war auch Perrys Vorschlag gewesen, die Werwesen wissen zu lassen, in welchen Schwierigkeiten ich steckte. Er und Saul hatten im Micky’s vorbeigeschaut und als erstes Theron in alles eingeweiht.
Die Werleute waren gekommen, weil ich eine Jägerin war und weil ich Sauls Gefährtin war – aber, und das war viel wichtiger, weil sie mich respektierten. Nett zu wissen, dass ich bei ihnen so hoch im Kurs stand. Sie sind nämlich verdammt schwer zu beeindrucken.
Die ersten zwei Tage dämmerte ich in einer todesgleichen Starre vor mich hin und erledigte zwischendrin – wenn ich kurz mal bei Bewusstsein war – verschiedene Sachen, bis Saul mir drohte, mich ans Bett zu fesseln, wenn ich nicht endlich damit aufhören und meinem Körper die Chance geben würde, zu heilen. Belisa war entkommen. Ihre Fährte führte unterirdisch aus dem Haus heraus und mitten in die Müllhalde, wo sie sich … in Luft aufgelöst hatte.
Keine der zur Opferung vorgesehenen Frauen hatte überlebt. Acht Leichen konnten geborgen werden – auf ihrem Weg nach draußen hatte Belisa sich die Zeit genommen, ein paar der Kehlen eigenhändig durchzuschneiden. Ausnahmslos Prostituierte, die verschwunden waren, keine einzige über zwanzig. Sie alle gingen in die Mordstatistiken dieses Jahres ein. Fünf der Mädchen hatten Familie, aber ich schaffte es nicht, auch nur zu einer der Beerdigungen zu gehen. Ich wollte ja, aber ich … hatte alle Hände voll zu tun mit anderen Widrigkeiten.
Die Jungs des Santa-Luz-Bombenkommandos kamen mit irgendeinem explosiven Zeug an, das sie im gesamten Komplex auslegten, während die Werwesen Wache standen. Schließlich jagten sie das ganze Gewölbe in die Luft. Nach einem mächtigen Grummeln blieb nur ein Krater übrig, und die kleine Senke im Boden wurde mit Tonnen von Abfall zugeschüttet.
Montaigne brauchte eine weitere Familienpackung von seinen Pillen gegen Sodbrennen auf. Juan Rujillo erledigte den nötigen Papierkram, um einen „Außerordentlichen Paranormalen Vorfall“ zu melden, ebenso stellte er für mich einen Antrag auf Gefahrenzuschlag aus dem geheimen Topf des FBI, weil die Söldner aus einem anderen Bundesstaat gekommen waren. Er schickte es per Kurierdienst ab und meinte, ich solle verflucht noch mal Urlaub nehmen. Montaigne teilte diese Ansicht und dankte mir außerdem mit einer gotteslästerlichen Schimpftirade dafür, dass ich ihm zwei Wagenladungen nackter, heulender Frauen geschickt hatte, die nur zu gut verstanden, dass kein Wort über ihr Martyrium an die Presse gelangen sollte. Man hatte die Mädchen in die Obhut von Therapeuten und Sozialarbeitern gegeben. In ein paar Jahren waren sie vielleicht wieder okay. Vielleicht.
Zwei von ihnen hatten bereits Selbstmord begangen. Aber nicht Hope. Nach ihr hatte ich mich ausdrücklich erkundigt. „Toughes Küken“, hatte Montaigne geseufzt. „Hört nicht auf, schwierige Fragen über dich zu stellen.“
„Sie wird drüber wegkommen“, sagte ich und nibbelte über den neuen Lederarmreif, den Saul für mich gemacht hatte.
Montaigne hielt inne und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Saul stand vor der Tür, und der Lärm von klingelnden Telefonen und geschäftigen Leuten war so tröstend, dass ich am liebsten an Ort und Stelle die Augen geschlossen hätte. Ich schwankte ein wenig auf meinen Füßen.
Monty räusperte sich. „Was diese Zuhälter angeht.“
Ich machte mich auf was gefasst. Auf keinen Fall werde ich mich entschuldigen, Monty. Was willst du denn machen? Mich feuern? Mich wegen Mord vor Gericht stellen?
Einer seiner Mundwinkel schob sich nach oben. Es war die Farce eines Lächelns – mehr wie eine schmerzverzerrte Grimasse. „Bandenkriege! Ich wünschte, die Schweine würden sich öfter gegenseitig aus dem Weg räumen.“ Monty ließ den Blick auf seinen papierübersäten Schreibtisch fallen.
Ich schmeckte Galle. Richterin, Geschworene, Henkerin. Du hast Gottes Platz eingenommen.
Es stimmte. Doch wie die meisten Wahrheiten hatte auch diese einen Haken, der allerdings nicht mich aufknüpfte. Mit Erleichterung stellte ich fest, was mir stattdessen bevorstand. „Monty …“
„Halt einfach die Klappe, Jill.“
„Eigentlich wollte ich nur danke sagen.“
Monty teilte mir mit, dass ich verflucht noch mal aus seinem Büro verschwinden solle, und ich gehorchte kleinlaut.
Ausnahmsweise schlief ich so tief und fest, dass ich den Besuch von Carp und Rosie verpasste. Sie kamen vorbei, Rosie brachte einen Blumenstrauß, und Carp ließ mir eine Flasche Jack Daniels da. Nett von ihnen.
Vater Gui rief an, schlug vor, vorbeizukommen und mit mir zu beten. Saul machte ihm unmissverständlich klar, wohin er sich sein Angebot stecken konnte, und legte auf. Ich nehme an, er war immer noch schlecht drauf. Zumindest ersparte es mir die Mühe, selbst aufzulegen. Auch ich war noch nicht dazu bereit, dem Priester zu vergeben.
Und ich spielte noch immer mit dem Gedanken, diese beschissene Kirche so lange auseinanderzunehmen, bis ich wusste, was sie dort sonst noch alles vor mir verbargen.
Die Werwesen sagten wie immer gar nichts zu der Angelegenheit. Abgesehen von Theron, der in der Lagerhalle vorbeikam und sich neben die Couch setzte – der einzige Platz, an dem ich es aushalten konnte zu schlafen. Immer wieder starrte ich auf den Sessel, in dem Belisa gesessen hatte. Während ich Saul lauschte, der überall im Haus aufräumte und leckere kleine Snacks zubereitete, die zu essen ich mich zwang, fielen mir jedes Mal die Augen zu.
Für gewöhnlich wachte ich wenig später schreiend wieder auf. Nach so einer Sache sind Albträume ganz normal – und besser das, als aufzuwachen und festzustellen, dass alles real war. Wenn man sich lange genug mit posttraumatischem Stress wegen all dem Spaß mit der Schattenseite herumgeplagt hat, dann sieht man das ziemlich schnell ein.
Lange Zeit sah mich Theron nur prüfend an und ließ die dunklen Augen über mein Gesicht wandern. Er war geschäftlich hier, nicht wegen eines Freundschaftsbesuchs, also verkniff er sich die üblichen Kabbeleien mit Saul. Stattdessen starrte er mich lediglich an. Saul hatte mich in eine Wolldecke gewickelt, mich bis zum Kinn zugedeckt und einige Zeit damit zugebracht, neue Amulette in mein Haar zu flechten. Ohne den Rubin fühlte sich mein Hals merkwürdig nackt an, und Michails Ring war vermutlich auf alle Zeit verloren.
Die Sorrow haben eine Abneigung gegen heilige Gegenstände. Alles, was mit Liebe gesegnet ist, ist ihnen ein Dorn im Auge. Der Rubin, eine Seelenverbindung zwischen mir und meinem Lehrer, war ihnen bestimmt ein doppeltes Gräuel.
„Du hattest nicht vorgehabt, die Werleute als Verstärkung anzufordern“, sagte Theron schließlich, die Hände lässig zu beiden Seiten baumelnd, während er auf dem Boden hockte und sich augenscheinlich wohlfühlte. „Stimmt’s oder hab ich recht?“
Ich blinzelte. Dann zuckte ich unter der Decke mit den Schultern. „Sorrow“, krächzte ich. „Gefährlich.“
Er winkte das entschieden und knapp ab. „Du brauchst ’ne Auszeit, um deinen Scheißschädel wieder klarzukriegen. Das war echt eine verflucht dumme Entscheidung, Jägerin. Es gibt einen Grund, dass wir uns mit euch verbündet haben, hörst du?“
„Ich wusste nicht, womit ich es zu tun hatte.“ Selbst in meinen eigenen Ohren hörte ich mich erschöpft an. Und voller Schmerz.
„Als Saul bei uns aufkreuzte und Fragen über Wendigos stellte, da wurden wir hellhörig. Wir hätten ihn viel schneller einfangen können, wenn du dich mit uns abgesprochen hättest.“ Er seufzte und beäugte mich nachdenklich, bevor er zum Punkt kam. „Michail hätte dir den Arsch versohlt für diesen Alleingang.“
Michail. Ich hatte ihn im Stich gelassen, seine Mörderin hatte mich ausgetrickst und war davongekommen. Schon wieder.
Theron rutschte ein Stückchen, als mache er sich zum Aufstehen bereit. „Wir werden dafür sorgen, dass es sich herumspricht, Jill. Wohin dieses Dreckstück auch geht, früher oder später wird sie einem Wer über den Weg laufen. Sie ist offiziell zur Jagd freigegeben.“
„Aber …“, wollte ich widersprechen. Sorrow sind gefährlich, und Werwesen, die sich mit ihnen anlegen, sterben nicht selten.
„Kein verfluchtes Aber] Wir werden sie in nächster Zeit bei dir abliefern, oder sie kommt von selber zurück, weil sie wieder Spielchen mit dir spielen will, und dann werden wir sie wie ein Schwein schlachten. Hör auf, alles auf eigene Faust machen zu wollen, Jill. Das schadet der Sicherheit der Bürger von Santa Luz nur.“ Jetzt wurde sein Grinsen breiter. „Abgesehen davon ist dein Arsch viel süßer als der von Michail. Und es wäre echt ein Jammer, wenn ich erst wieder eine neue Jägerin anbaggern müsste.“
„Hey, das hab ich gehört“, drang Sauls Stimme aus der Küche herüber. „Raus mit dir, Theron. Geh und fang dir ein paar Häschen.“
„Du hast gut reden, Dustcircle. Aber ich wollte eh los.“ Theron erhob sich mit der lässigen Anmut der Werwesen. Dann beugte er sich noch einmal vor, berührte meine Stirn und strich mir die Haare zurück. Leise fügte er hinzu: „Friedvolle Träume, Jägerin. Wir bringen dir demnächst einen Kopf.“
Dann war er verschwunden, und ich rollte mich auf der Couch zusammen, schloss die Augen und weinte. Saul kam aus der Küche und hob mich hoch, hielt mich im Arm. Und schließlich landeten wir beide unter der Decke auf dem Boden, wo ich schluchzte, während er mir tröstenden Nonsens ins Ohr raunte. So lange, bis ich abermals einschlief, um mit ihm an meiner Seite in meinem Bett wieder aufzuwachen. Einmal mehr versuchte er, mich zu beruhigen, als ich aus einem Traum hochschreckte, in dem man mich auf kalten glasigen Fels gekettet hatte und das Ding von außen sich einen Weg in mich hinein erzwingen wollte.
Doch Saul war da. Und allein seine Wärme war genug, um dieses Monster fernzuhalten.
Ich schlüpfte in meinen neuen Trenchcoat aus Leder und schlang die Finger um den Knauf der neuen Peitsche. Mein Equipment auszutauschen ging ganz schön ins Geld, aber der Gefahrenzuschlag des FBI war ein hübscher Batzen gewesen.
„Bist du dir sicher, dass du das durchziehen willst?“, fragte Saul und zog eine verbitterte Schnute. Die Nachmittagssonne fiel in dicken goldenen Strahlen schräg durchs Fenster. Der Frühling stand vor der Tür, zumindest hoffte ich das.
Ich hielt mir die Hand vor die Nase und sah, dass sie nur eine Winzigkeit zitterte. Dann konzentrierte ich mich, bis das Zittern aufhörte, und lockerte den Griff. Unter ihrem Lederreif glühte die Narbe. „Ich muss ihm doch sagen, dass ich in Urlaub fahre. Dauert nur fünf Minuten.“
„Du hast ihm in den Kopf geschossen.“ Saul verschränkte die Arme. Sein Blick ruhte auf mir und sank dann zu Boden. „Er war nicht besonders erfreut darüber, Kätzchen. Er hat ein paar ziemlich hässliche Sachen gesagt.“
„Er hat einen Sorrow-Kreis durchbrochen und es mit einem chaldäischen Gott aufgenommen, um …“
„Aber nur, weil er denkt, dass du sein Eigentum bist, Kätzchen. Weil er Höllenbrut ist. Lieber tötet er dich selbst, als zuzulassen, dass ein anderer Dämon dich betatscht. Warum gehen wir nicht einfach?“ Er hatte die Koffer schon alle in den Impala geladen, und vor drei Wochen würde ich keinen neuen Pager bekommen.
Weil ich das hier zu Ende bringen muss. Ich überprüfte meine Pistole noch einmal, bevor ich sie einsteckte. Auch einen neuen Satz Messer hatte ich mir gegönnt. „Ich wünschte, wir hätten meine Ausrüstung wiedergefunden“, murrte ich. „Verfluchte Scheiße.“
Plötzlich setzte erneut der Schüttelfrost ein, und sofort war Saul da und legte die Arme um mich. Er ging ein wenig in die Knie, damit ich mein Gesicht an seinem Hals vergraben und seinen Geruch einatmen konnte, so tief wie möglich. Bis in meine Lungen.
Trotzdem roch ich noch immer Amber. Und eine faulige Brise, die an meiner Haut zu kleben schien, egal wie oft und wie wund ich mich auch schrubbte.
Andys Lehrling war über dem Micky’s einquartiert, in einer Gästewohnung für Jäger auf der Durchreise. Anjas Lehrling, der schon beinahe ein voll ausgebildeter Jäger war, sollte mit dem Abendzug ankommen. Galina würde ihn abholen und ihn bei sich unterbringen. Die Werwesen würden regelmäßige Patrouillen auch außerhalb des Barrio laufen. Aber seit der Zerstörung des Sorrow-Hauses war es ohnehin recht ruhig gewesen.
Zum Glück.
Saul streichelte mir über den Rücken, schob die Hände unter meinen Mantel und zog mein T-Shirt hoch. Seine Handflächen berührten meine Haut, und er zog mich näher, näher zu sich. Ich konnte kaum noch atmen, aber genau so wollte ich es.
Die silbernen Amulette in meinem Haar stießen klimpernd aneinander, und nach und nach flaute das Zittern ab. Jede Welle war ein Stückchen weniger intensiv. Saul redete mir gut zu, murmelte tröstenden Unfug, schnurrte auf Puma, bis es endlich ganz aufhörte. Und auch dann ließ er mich noch nicht los.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Atmete Sauls Geruch ein. Moschus, Männlichkeit, Leder – der beste Duft der Welt. Geborgenheit. Immer wieder flüsterte ich seinen Namen.
Endlich war der Anfall vorüber. Saul streichelte mit dem Kinn über meinen Kopf, und sein Herzschlag wummerte gegen meinen eigenen. „Es tut mir leid“, nuschelte ich schließlich in seine Brust. „Himmel, es tut mir leid, so leid …“
„Hm. Was zum Teufel tut dir leid?“ Er küsste mich aufs Haar. „Ich mag es, dich festzuhalten.“
Ich hatte die Augen fest aufeinandergedrückt, Feuchtigkeit bedeckte meine Wangen. „Saul?“
„Jill.“
„Ich habe etwas Schlechtes getan. Ich … ich bin kein netter Mensch.“ Eigentlich hatte ich etwas anderes sagen wollen.
Ich wollte nicht, dass du siehst, wozu ich fähig bin. Ich wollte nicht, dass du es weißt. Was soll ich denn nur tun? Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren. Guter Gott, ich darf dich nicht verlieren.
Ich wollte es ihm sagen. Wollte ihm von dem kleinen Schalter in meinem Kopf erzählen, wie ich aus mir selbst heraustreten konnte, um ganz ruhig und kalt zu werden, um zu morden. Wie ich elf Männer getötet hatte, die keine Chance gegen mich gehabt hatten, weil sie nur menschlich waren und ich eine Jägerin. Und nicht nur das, ich hatte auch den Vorteil meines Deals mit Perry rücksichtslos ausgenutzt – und zwar nicht nur, um die nötigen Informationen aus den Kerlen rauszubekommen. Nein, sondern auch, um … wozu eigentlich? Ich hätte sie am Leben lassen können, nachdem ich hatte, was ich wissen wollte. Womöglich verkrüppelt, aber doch am Leben.
Das hätte ich tun können. Aber das hatte ich nicht. Stattdessen hatte ich es ihnen heimgezahlt. Hatte meine eigene Rechnung beglichen.
Ich hatte Gott gespielt.
„Nein“, stimmte er mir zu. „Das bist du nicht.“
Stille. Er verstärkte seinen Griff und hielt mich noch fester.
„Aber.“ Er liebkoste mein Haar. „Du bist ein guter Mensch, Jillian. Nicht nett, aber gut.“
„Ich habe sie getötet.“ Die Worte schmeckten wie Staub in meinem Mund.
„Schon.“ Neutrale Zustimmung.
„Ich habe sie wegen jemand anderem getötet, wegen dem, was jemand anders mir angetan hat.“ Und noch einmal fuhr ein Schlottern durch meinen geschundenen Leib. Saul hielt mich. „Verlass mich nicht“, wisperte ich, so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er es hören konnte – trotz der ausgeprägten Sinne eines Werwesens.
Er seufzte so heftig, dass ich es in meinem eigenen Brustkorb spüren konnte. „Ich bleibe bei dir, Kätzchen. Darauf kannst du dich verlassen.“
Ein Ruck der Erleichterung -fuhr mir durchs Herz, so gewaltig und plötzlich, dass es auch ein Infarkt hätte sein können. „Saul …“
„Ich will dich meinen Leuten vorstellen“, sagte er langsam und deutlich, als spräche er zu jemandem, der etwas schwer von Begriff war. „Je schneller wir diese Sache abhaken, desto schneller können wir es offiziell machen. In den Hafen der Ehe einlaufen. Unter dem Mond. Eine Zeremonie mit allem, was dazugehört, und einem gigantischen Festmahl. Willst du etwa einen Rückzieher machen?“
„Nein. Nein!“ Ich schüttelte den Kopf und drückte mein Kinn an sein Hemd. „Guter Gott, nein! Es ist nur … ich bin einfach kein netter Mensch, Saul. Ehrlich nicht.“
„Teufel, Kätzchen! Das war mir von Anfang an klar. Außerdem gehört das zu deinem Charme. Immerhin bist du eine Jägerin. Liebenswürdigkeit wäre eine Schwäche, oder etwa nicht?“
Er schien sich so sicher.
Ist Erbarmen eine Schwäche, Saul? Macht mich diese Art zu töten nicht schlimmer als die Dinge, die ich jage?
„Richtig?“, hakte er noch einmal nach und gab mir sachte mit der Hüfte einen Stoß.
Ich wünschte, ich wäre mir da so sicher, wie du dich anhörst, Schmusekater. Ich schluckte. „Richtig. Ganz genau!“
„Dann lass uns jetzt also in diesem Drecksloch vorbeischauen, damit wir endlich aus dieser Stadt rauskommen. Okay?“
Ich setzte einen entschlossenen Blick auf, drückte die Brust raus und die Schultern zurück, bevor ich mich zärtlich von ihm löste. Er ließ mich los, und ich legte die Finger auf den Peitschengriff. „Okay!“
Allerdings hörte ich mich mehr wie ein verschüchterter Teenager an als wie eine Jägerin. Aber er sagte nichts dazu, sondern griff sich einfach nur den Seesack mit den übrigen Waffen und der Munition und deutete auf den Eingang. „Dann mal los.“
Oh, Saul. Schön, dass es dich gibt.