8
Rosenfeld hatte einen kräftigen Kiefer, ein Gesicht, das zu markant war, um hübsch zu sein, und Handgelenke, die meine geradezu lächerlich erscheinen ließen, obwohl sie höllischstark waren. Sie setzte sich neben Carp auf die Bank und betrachtete mich misstrauisch. „Schätze, du hast noch nichts Nützliches herausgefunden.“
„Noch nicht.“ Ich pustete über meinen Kaffee, um ihn abzukühlen.
Carp konnte ich anlügen, Monty ermutigte mich, mich bedeckt zu halten, aber Rosie nannte die Dinge gerne beim Namen und bemühte sich, sich so zu benehmen, als würde ihr die Zusammenarbeit mit mir nichts ausmachen.
Ein einziges Mal hatte Rosenfeld mein Urteil infrage gestellt. Das war während des Browder-Falls gewesen. Doch am Tag danach war sie selbst einem Arkeus begegnet, persönlich und aus nächster Nähe. Um ein Haar wäre ich zu spät gekommen, um sie noch retten zu können – und sie hatte mitangesehen, wie ich mein Armband abgenommen und den Feind im Kampf „Frau gegen Ding“ besiegt hatte. Nach einer Woche Krankenhaus war sie tatsächlich zu mir in die Lagerhalle gekommen, um sich zu entschuldigen – ich hatte keine Ahnung gehabt, dass Cops dazu überhaupt in der Lage waren.
Wahrscheinlich färbte sie ihr Haar noch immer, um die weiße Strähne darin zu verdecken. Ich wusste nicht, ob sie weiterhin in Therapie war, und ich fragte auch nicht.
Carp schnaubte. „Das hättest du sehen müssen. Diamond Ricky hat sich fast in die Hosen gepisst.“
In Rosies Augen trat die Andeutung eines Funkelns. „Ich hab gehört, wie die Jungs von der Sitte sich darüber lustig gemacht haben. Willst du das da wirklich essen? Meine Arterien verstopfen schon vom Zuschauen.“
„Ich brauche Proteine.“ Ich schmierte ordentlich Butter und Erdbeermarmelade auf die Pfannkuchen und nahm gleich zwei Streifen Speck auf die Gabel. „Ich muss doch auf meine mädchenhafte Figur achten.“
„Wenn wir doch alle so gesegnet wären“, sagte Rosie und studierte mein Gesicht. „Also, was hältst du davon?“
„Sylvie war schwanger, und Ricky wollte sie zu einem Arzt in der Quincoa schicken. Den werde ich mal überprüfen, während ihr zwei euch mit den übrigen Stricherinnen unterhalten dürft. Vielleicht kann eine von ihnen ja den letzten Freier eins unserer beiden Mädels beschreiben.“
„Ich muss dir ja nicht erst sagen, dass wir uns beeilen müssen.“ Carp kippte noch mehr Sahne in seinen Kaffee. „Sie werden nicht mehr Zeit als nötig auf den Fall verwenden.“
Das war mir klar. Wenn die Toten nette Mädchen aus der Mittelklasse wären, die brav zur Kirche gingen, wäre die Öffentlichkeit über alle Maßen empört und wir hätten ein ganzes Einsatzkommando zur freien Verfügung, bezahlt vom freundlichen Steuerzahler. Aber so wie die Dinge lagen, zog einzig die brutale Vorgehensweise der Morde Aufmerksamkeit auf sich. Wen kümmerten schon ein paar Nutten? Jedenfalls nicht die braven Steuerzahler, die einen Zwanziger für einen Blowjob oder einen schnellen Fick von hinten in einer der dunklen Ecken der Lucado hinblätterten.
Es ist doch immer das Gleiche.
Neben mir ließ sich Saul seine Kartoffelpuffer schmecken, doch langsam wurde er unruhig. Immer wieder schaute er sich im Imbiss um – eine Schuhschachtel von einem Restaurant an der Holmer Street. Ich reichte ihm das Salz und das grüne Tabasco und schauderte bei dem Gedanken daran, ihn später zu küssen.
Männer und ihre Beziehung zu Tabascosaucen werde ich nie verstehen. „Zwei tote Frauen in zwei Tagen. Wenn das so weitergeht, stecken wir in echten Schwierigkeiten.“ Ich begutachtete mein Schinken-Käse-Omelett. Die Pfannkuchen ließen mehr als zu wünschen übrig, aber wenigstens war der Speck kross.
„Danke für diesen aufbauenden Hinweis.“ Den Blick auf ihren Joghurt und ihr Müsli gerichtet, die sie aus ihrer Tasche gezaubert hatte, schnitt Rosie eine Grimasse. „Sollen wir sonst noch was machen, außer mit Nutten zu plaudern und die Presse möglichst fernzuhalten?“
„Es gibt da jemanden, der vielleicht ein wenig Licht in die Sache bringen kann. Wenn ich diesem Arzt einen Besuch abgestattet habe, muss ich mich mit ihm treffen. Er wird mir zumindest sagen können, ob jemand ohne Genehmigung in die Stadt gezogen ist.“ Außerdem muss ich noch mal im Seminar und ein paar der Kids befragen – mal ganz davon abgesehen, dass ich Andy anrufen muss und … Himmel, mein Terminplan ist voll. Wie üblich. „Seid ja vorsichtig, okay? Die Sache sieht mies aus.“
„Seid mehr als vorsichtig“, meldete sich Saul zu Wort. „Seid auf der Hut.“
Ich warf ihm einen Blick zu. Seit heute Morgen war er extrem still gewesen, und obwohl ich seine Zurückhaltung zu schätzen wusste – er verstand besser als jeder andere, wie ich zur Sexbranche stand –, machte ich mir doch ein wenig Sorgen darüber, wie blass er ausgesehen hatte.
Allerdings konnte ich mir vorstellen, dass er im Beisein der Cops nicht reden wollte, und ich konnte nicht behaupten, dass ich ihm das übel nahm.
„Großartig.“ Rosie fuchtelte mit ihrem Löffel herum. „Winnetou sagt, seid auf der Hut. Hast du dazu vielleicht auch noch irgendwelche genauen Anweisungen oder sprichst du lieber weiter in Rätseln?“
„Die Klappe aufzureißen, bevor wir irgendwas Genaues wissen, bringt uns nirgendwohin“, stellte ich fest. „Lass Saul in Frieden. Er arbeitet nicht für euch, sondern für mich.“
„Wir arbeiten alle für den Steuerzahler, Schätzchen“, gab Carp seinen Senf dazu.
Ganz genau. So wie die Nutten. Ich lupfte eine schwarze Haarsträhne mitsamt dem Amulett über die Schulter und verdrehte die Augen. „Esst auf, Jungs und Mädels. Wir haben heute noch was zu erledigen.“
Bis wir ankamen, hatte die Abtreibungsklinik in der Quincoa Street schon geschlossen. An der Ecke gab es eine Telefonzelle, und ich hinterließ Carp eine Nachricht auf seinem Handy, dass wir es morgen noch mal versuchen würden. Als Nächstes konnten wir entweder im Seminar vorbeischauen oder ins Monde Nuit gehen. Zuerst wollte ich das Monde hinter mich bringen, Saul setzte wieder diesen Blick auf, also fuhr ich. Er blieb im Impala zurück, starrte das Gebäude mit zusammengekniffenen Augen an und rauchte eine Charvil.
Während ich zum Eingang lief, streifte ich das Silber über meine rechte Hand. Technisch gesehen war es ein Schlagring, nur war dieser aus legiertem Silber, das gerade gehaltvoll genug war, um alles Verdammte zu verletzen, aber mit ausreichend anderem Metall versetzt, um doppelt so hart zu sein wie reines Silber.
Vor dem Eingang stand wie immer der Türsteher, der die Tagesschicht hatte, ein massiger Kerl mit einem Tribaltattoo im Nacken. Ich nickte ihm zu und schritt an ihm vorbei. Mein blaues Auge weitete sich, als es den Kraftfluss der Atmosphäre hier wahrnahm: verpestet von Höllenbrut-Ausdünstungen.
Noch war es hell, auch wenn die Sonne zügig unterging. Im Monde war fast nichts los. Ein oder zwei Trader tranken, was die Verdammten so trinken mochten, und Riverson stand wieder einmal hinterm Tresen. Ein paar Hausmeister machten klar Schiff, und die Kellner bereiteten sich auf die Dämmerung vor.
Perry saß an einem samtüberzogenen Tisch weiter hinten, bei ihm waren drei weitere Höllenbrütler. Anscheinend spielten sie Karten, und Zigarettenrauch hing in der Luft. Er machte sich nicht die Mühe, mich anzusehen, aber die Narbe an meinem Handgelenk fing an zu prickeln und zu pochen, als sprieße an meinem Unterarm eine Blüte des Schmerzes.
Zum Glück hatte ich sie abgedeckt.
„Hey! Hey!“, schrie Riverson. Doch ich schenkte ihm keinerlei Beachtung. In den Schatten drückten sich ein paar muskelbepackte Idioten herum, zu weit von den Dämonen entfernt, um ihnen von Nutzen zu sein. Ich hatte mein Tempo beschleunigt. Als ich am Tisch ankam, kreisten sie mich ein. Perry schien in höchstem Maße unbekümmert, wie er sich so über seine Karten beugte. Ein leises Sirren, wie von Fliegen über einem Leichnam, erfüllte den Raum.
Helletöng, die Sprache der Verdammten. Der Rubin, den ich an einer Silberkette um den Hals trug, wurde warm.
Ich trat Perry den Stuhl weg und schlug zu, erwischte ihn an der Wange und schleuderte ihn in hohem Bogen zu Boden. Unter dem nächsten Tritt barst der Tisch. Übergroße Karten, Zigaretten und eine halbvolle Flasche Glenlivet flogen durch die Luft.
Ich griff nach Perrys Hemd, zog ihn mit der Linken hoch und verpasste ihm einen zweiten Schlag. Blut spritzte. Mehr als die Wucht selbst verletzte ihn die Silberwaffe an meiner Faust. Plötzlich glühte das Metall auf meinen Fingern und ich holte erneut aus, schlug wieder zu, ließ ihn fallen und trat zweimal nach ihm. Mit der linken Hand zog ich meine Pistole – ein Kunststück, an dem ich während der trüben ersten Tage meiner Ausbildung lange und hart gearbeitet hatte. Dann stellte ich mich breitbeinig hin und drehte mich einmal komplett um meine eigene Achse, um die Lage auszuloten.
Sieben, ohne die beschissenen Dämonen, die ich gerade gestört habe. Ausgezeichnet.
Perry hustete, und der Klang seines Gelächters zerschnitt die Luft in Tausende nasse, zuckende Stücke. „Du und dein Liebesgeflüster“, schaffte er es, durch einen Mund voller Blut zu sagen. „Kiss. Es ist ja so schön, dich wiederzusehen.“
Die in Leder gekleideten Muskelmänner hielten inne. Die Waffe auf sie gerichtet, atmete ich leise tief ein. „Zurück. Oder ich lege jeden Einzelnen von euch um.“
Das Silber in meinem Haar rasselte wie der Schwanz einer Klapperschlange.
Sie wichen zurück. Ich steckte die Kanone weg, bückte mich und stellte Perry wieder auf die Beine. „Ich hab mir echt eine Menge Scheiße von dir bieten lassen, Perikles. Von dir und dem Rest deiner Höllensaat. Aber keine minderjährigen Muschis] Es gibt eine ganz einfache Regel: In meinem Revier ist alles unter achtzehn tabu. Stimmt’s oder irre ich mich etwa?“
Wie üblich wurde er frech. „Würden wir es je wagen zu widersprechen?“
Eine ganze Hälfte seines nichtssagenden Gesichts hatte ich beschädigt. Sein blutüberströmtes Auge schenkte mir einen finsteren Blick, aber er rührte sich nicht, hielt absolut still.
Unmenschlich still.
Ich ließ das Hemd los. Blut tropfte von Perrys Kinn, die Haut über seinen Wangenknochen war nur noch Hackfleisch, das aufgerissene Auge schwoll an. Eine Schönheit war er noch nie, aber jetzt sah er fast zum Fürchten aus. Ich wischte den Gedanken beiseite, hob wieder die Faust.
„Verschon mich mit deinen Küssen, Kismet.“ Er hob die Hände. Aber keine Sphärenenergie umgab sie, er hatte also nicht vor, irgendwas Hässliches nach mir zu schleudern. „Wir kennen deine Anordnung. Und wir befolgen sie.“
Einen Scheißdreck tut ihr. Meinst du im Ernst, ich kauf dir das ab? „Ach, tatsächlich? Irgendjemand bricht meine Regel jedenfalls und benutzt die Teenie-Huren von Diamond Ricky, um ein paar schlechte Geschmäcker zu bedienen. Und jetzt und hier verdächtige ich niemand anderen als die Höllenbrut-Bevölkerung. Ich weiß, wie wenig Selbstdisziplin ihr Arschlöcher habt.“
Sein verletztes Auge verengte sich ein wenig, das war alles. Sein Gesicht verriet mir nichts, und er vermutete wahrscheinlich, dass ich im Trüben fischte.
Trotzdem tat es gut, seine Visage hin und wieder zu Brei zu schlagen. Außerdem war es gut für mein Image. „Egal, in welchem Begleitservice-Projekt mit minderjährigen Muschis du deine Finger hast, lass es bleiben! Sofort. Sonst schieße ich dir das nächste Mal direkt in die Fresse. Und ich werde dafür sorgen, dass die Polizei von der Bude hier Wind bekommt.“
Er verzog die Lippen – zumindest den Teil davon, der nicht aufgeplatzt war und blutete. „Menschenpolizei?“
Und jede Hilfe aus der Schattenwelt, die ich erbitten, borgen und mir erzwingen kann, um dich vom Antlitz dieser Erde zu tilgen. „Ich bin mir sicher, dass ihnen jemand helfen wird.“ Ohne zu blinzeln hielt ich seinem Blick stand. Die Narbe auf meinem Handgelenk sandte Hitzewellen über meinen Arm, jede gewaltig, sanft und verführerisch warm. Mein Puls beschleunigte sich um eine Winzigkeit, aber ich war zu gut ausgebildet worden, um mich von dem Bisschen Sex-Magie ablenken zu lassen. „Treib keine Spielchen mit mir, Perry.“
„Eines Tages wirst du vielleicht genau das wollen.“ Zaghaft berührte er mit den Fingerspitzen seine blutigen Lippen, und das Lächeln in seinen blauen Augen ließ mir das Blut gefrieren. „Ich werde es noch erleben, dich betteln zu hören, Jägerin.“
Nicht, wenn ich auch noch ein Wörtchen mitzureden habe. „Träum weiter, du Ausgeburt der Hölle. Haben wir uns jetzt verstanden, oder muss ich dir in deiner Bruchbude hier weiter in den Arsch treten?“ Es prickelte mir im Nacken. Ich konnte förmlich spüren, wie sie näher rückten. Besser, ich lass mir schnell was einfallen.
Perry winkte sie fort. Dünnes schwarzes Dämonenblut sickerte auf den Boden, als sich seine Wunden langsam schlossen. Sehr langsam. Silber ist tödlich für sie. Das hat irgendwas mit dem Mond zu tun und damit, wie er die Gezeiten von Magie und Wasser bestimmt. Wir wissen selbst nicht genau, warum das Silber wirkt, aber bisher hab ich auch noch keinen Jäger getroffen, den das kümmert. Hauptsache es wirkt.
Perrys Augen loderten wie blaues Laserlicht. Wie ein winziger purpurner Fisch zuckte die Spitze seiner kirschroten, schuppenbesetzten Zunge über die schwarze Flüssigkeit, die von seinen Lippen troff. „Ich verstehe dich einwandfrei, Kiss. Aber verstehst du dich eigentlich selbst?“
„Erspar mir das Psychogebrabbel.“ Im Innern des silbernen Gewichts pochte meine Hand, als ich auf dem Absatz kehrtmachte. Mein Rücken war wie elektrisiert – ein Verdammter, den ich eben noch ins Gesicht geschlagen hatte, stand direkt hinter mir. Direkt hinter mir. Vor mir bauten sich zwei Muskelpakete auf, beide trugen Sonnenbrillen, beide waren mit Sturmgewehren bewaffnet. „Bis zum Sonntag, Perry. Vielleicht ruiniere ich dann einen deiner anderen Anzüge.“
„Ich kann es kaum erwarten. Versuch doch das nächste Mal, nicht alles kurz und klein zu hauen.“
„Wenn du schön brav bleibst, tu ich das womöglich. Und halt die Ohren offen.“ Ich schritt geradewegs auf die beiden Gorillas zu, und sie traten zur Seite, um mir Platz zu machen.
Erleichtert atmete ich auf, obwohl ich das besser gelassen hätte. Hinter mir lag Perrys Stimme in der Luft, feucht und kühl vor Schadenfreude.
„Du hättest bloß zu fragen brauchen, Kiss.“
Arschloch. „Nur hättest du mir nichts verraten, Pissnelke“, rief ich ihm über die Schulter zu. Nebenbei bemerkt bin ich gar nicht so sicher, dass du überhaupt was weißt. Die Übung eben hat absolut nichts gebracht. Aber wenigstens hob ich dich verdreschen können. „Und außerdem -vielleicht macht es mir einfach nur Spaß, dich zu Kleinholz zu verarbeiten, Höllenbrut.“
Damit war ich zur Tür hinaus. Zum Glück sagte er sonst nichts mehr. Vielleicht lernte er allmählich dazu.
Mein orangefarbener Impala stand glänzend am Bordstein, wieder einmal in der Feuerwehranfahrtszone. Aus dem Beifahrerfenster stiegen von Sauls Zigarette gemächliche Rauchschwaden auf. Ich stieg ein, ließ mich in den Fahrersitz fallen und blickte auf den roten Plüschwürfel, der vom Spiegel hing. Seufz.
Saul schwieg.
„Ich glaub, wir sind am Arsch.“ Durch die Windschutzscheibe sah ich zu, wie sich das letzte Tageslicht aus dem Kelch des Himmels ergoss. „Er weiß was, vielleicht, aber er rückt nicht mit der Sprache raus. Noch nicht.“
Saul stieß eine lange Rauchschliere aus. Ich zog mir den silbernen Schlagring von den Fingern, der von Perrys Blut schwarz verschmiert war.
Sie bluten nicht rot, die Sprösslinge der Hölle. Nein, ihr Blut ist wie schwarzer Schlick, der wie Traubenkernöl in dünnen Rinnsalen ausläuft, und es stinkt, wenn es verwest.
„Es ist kein Wer“, antwortete Saul leise. „Es ist keine Höllenbrut, jedenfalls kein Dämon oder Verdammter, den Perry kontrolliert. Es ist keine Art von Verdammten, der du schon mal begegnet bist. Was es auch ist, es stinkt nach Brutalität und Fell. Noch nie im Leben habe ich auch nur etwas Ähnliches gerochen, Jill. Ganz bestimmt ist es nicht menschlich, aber ich weiß nicht, was es ist.“
Ich drehte den Kopf und wollte ihn ansehen, aber stattdessen blieb mein Blick am Eingang des Monde hängen, der von seinem riesigen Türsteher bewacht wurde. Warum der Gorilla mich jedes Mal einfach so durchließ, war mir ein Rätsel, abgesehen von der Narbe an meinem Arm und dem Deal, den ich mit Perry hatte. Trotzdem hätten sie mich ab und an rumschubsen sollen, einfach um ihre Norm zu erfüllen. „Irgendetwas, das keiner von uns kennt. Etwas, das Teenager angreift, die auf den Strich gehen, und sie ausweidet …“, überlegte ich.
„Es stinkt nach Eis und verrottetem Fleisch. Und Magie. Finsterer, alter, böser Magie.“
Ich starrte die Tür an, als könnte ich ein Teil des Puzzles daraus hervorzaubern. „Meinst du, er steckt da mit drin?“
„Das ist nicht sein Stil. Trotzdem würde ich ihn noch nicht von der Liste streichen.“ Saul schnippte die Charvil aus dem Fenster. „Wohin jetzt?“
„Zum Seminar. Wir müssen herausfinden, wie ein Utt’huruk es in einen netten, gut genährten Jungen geschafft hat, und Andy anrufen.“ Ich schenkte ihm ein schmales Lächeln. „Nein, ich hab’s nicht vergessen. Und ich werde ihn nicht nur bitten, seine Gehirnwindungen anzustrengen, sondern auch darum, mir seinen Lehrling als Vertretung herzuschicken.“
Saul zog ein bekümmertes Gesicht. Ich drehte den Zündschlüssel und der Impala erwachte schnurrend zum Leben. Gutes altes amerikanisches Schwermetall. „Jill.“
„Was?“
„Besuchst du ihn gerne?“
Wie bitte? Seit er nach dem Fall mit dem bösartigen Werwesen vor zwei Jahren aus dem Reservat zurückgekommen war, hatte mich Saul kein einziges Mal direkt auf mein Geschäft mit Perry angesprochen. „Wovon zur Hölle redest du da? Eines schönen Tages, wenn ich ein kleineres Übel ausfindig gemacht habe, werde ich ihn töten. Er ist nützlich, Saul. Fang gar nicht erst damit an.“
„Mir gefällt nicht, wie er dich ansieht.“
Da bist du nicht der Einzige. Ich legte den Gang ein, löste die Handbremse und fuhr los. „Mir auch nicht, Baby. Mir auch nicht.“