Der Flüsterer im Dunkeln
I
Man sollte sich stets im Klaren darüber sein, dass ich bis zum Schluss nichts wirklich Grauenhaftes gesehen habe. Doch bedeutet es, die offenkundigen Tatsachen meines Erlebnisses zu ignorieren, wenn man behauptet, ein seelischer Schock sei die Ursache meiner Schlussfolgerungen gewesen – praktisch der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, sodass ich nachts aus Akeleys einsamem Gutshaus floh und in einem gestohlenen Wagen durch die wilde Berglandschaft Vermonts raste. Obwohl ich von Henry Akeley viele Informationen erhielt und er mir auch seine Mutmaßungen mitteilte, ich Dinge sah und hörte, die bei mir einen zugegebenermaßen äußerst lebhaften Eindruck hinterließen, so kann ich doch nach wie vor nicht beweisen, ob ich mit meinen Schlussfolgerungen richtig liege oder nicht. Denn im Grunde genommen besagt Akeleys Verschwinden gar nichts. Außer den Einschusslöchern innen und außen fand man in seinem Haus nichts Ungewöhnliches. Alles wirkte so, als sei er nur zu einer Wanderung in den Bergen aufgebrochen, von der er aber nicht mehr zurückkehrte. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sich ein Besucher im Haus aufgehalten hatte oder dass jene abscheulichen Zylinder und Apparate im Arbeitszimmer gelagert worden waren. Dass Akeley eine tödliche Angst empfand angesichts der dicht gedrängten bewaldeten Berge und der zahllosen dahinplätschernden Bäche der Gegend, in der er geboren wurde und aufgewachsen war, ist ebenfalls bedeutungslos – schließlich leiden Tausende unter solch krankhaften Ängsten. Außerdem lassen sich seine Befürchtungen und sein sonderbares Verhalten leicht mit einer exzentrischen Veranlagung erklären.
Die ganze Sache begann, jedenfalls soweit es mich betrifft, mit den historischen und beispiellosen Überschwemmungen, die Vermont am dritten November 1927 heimsuchten. Damals war ich, und bin es noch heute, Literaturprofessor an der Miskatonic-Universität in Arkham, Massachusetts, und erforschte nebenbei begeistert die volkstümlichen Überlieferungen Neuenglands. Kurz nach dem Hochwasser fanden sich unter den zahlreichen Zeitungsberichten über Leid, Elend und organisierte Hilfsmaßnahmen so viele merkwürdige Geschichten über Dinge, die man angeblich in den angeschwollenen Flüssen gesehen hatte, dass etliche meiner Freunde eifrig darüber diskutierten und mich darum baten, ein wenig Licht in die Sache zu bringen. Ich fühlte mich geschmeichelt, dass sie meine Volkskundestudien so ernst nahmen, und tat, was ich konnte, um diese unklaren, verworrenen Berichte herunterzuspielen, die mir eindeutig Auswüchse alten bäuerlichen Aberglaubens zu sein schienen. Es amüsierte mich zu sehen, wie mehrere durchaus gebildete Personen auf der Meinung beharrten, dass sich hinter den obskuren Gerüchten ja Tatsachen verbergen könnten.
Die Geschichten, von denen ich auf diese Weise erfuhr, waren größtenteils Zeitungen entnommen; bei einem dieser Märchen handelte es sich jedoch um einen Augenzeugenbericht, der einem meiner Freunde von seiner Mutter aus Hardwick, Vermont, in einem Brief mitgeteilt wurde. Alle Fälle stimmten im Wesentlichen überein, auch wenn es sich um drei voneinander unabhängige Ereignisse handelte – das eine stand mit dem Winooski River in der Nähe von Montpelier in Verbindung, das andere mit dem West River in Windham County jenseits von Newfane, und ein drittes ereignete sich am Passumpsic in Caledonia County nördlich von Lyndonville. Natürlich erwähnten die verstreuten Berichte noch weitere Vorfälle, doch eine genaue Untersuchung ergab, dass sie anscheinend alle auf die genannten drei zurückzuführen waren. In allen Fällen behaupteten Landbewohner, in dem reißenden Wasser, das von den unbesiedelten Bergen herabströmte, überaus bizarre und verstörende Dinge gesehen zu haben. Die Beobachtungen brachte man allgemein mit einem primitiven, halb vergessenen Sagenkreis in Verbindung, der von alten Leuten bei dieser Gelegenheit neu belebt wurde.
Die Leute berichteten von Gebilden offensichtlich organischen Ursprungs, die nichts gleichkamen, was sie je zuvor gesehen hatten. Natürlich wurden in dieser tragischen Zeit viele menschliche Leichen von den Flüssen fortgeschwemmt; diejenigen aber, die diese sonderbaren Dinge beschrieben, waren fest davon überzeugt, es habe sich – trotz einiger oberflächlicher Ähnlichkeiten bezüglich Größe und Gestalt – nicht um Menschen gehandelt. Laut den Zeugen konnten es auch keine Tiere sein, jedenfalls keine, die in Vermont bekannt waren. Es handelte sich ihrer Aussage nach um rosafarbene Wesen von ungefähr anderthalb Metern Länge, die Leiber waren krustentierartig und wiesen je ein gewaltiges Paar Rückenflossen oder Membranschwingen sowie mehrere gelenkige Gliedmaßen auf. Dort, wo sich eigentlich ein Kopf befinden sollte, war ein ellipsenartig zusammengerolltes Gebilde, bedeckt mit unzähligen sehr kurzen Fühlern. Es war wirklich bemerkenswert, wie sehr die Aussagen aus unterschiedlichen Quellen miteinander übereinstimmten. Allerdings wurde diese erstaunliche Tatsache dadurch geschmälert, dass die alten Legenden, die in früheren Zeiten im gesamten Bergland heimisch gewesen waren, mit ihrer morbiden, anschaulichen Bildsprache auf die Vorstellungskraft all dieser Augenzeugen eingewirkt haben mochten. Ich war zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Zeugen – in allen Fällen handelte es sich um naive und einfach gestrickte Hinterwäldler – in den reißenden Fluten zerschundene und aufgequollene Leichen von Menschen oder Vieh gesehen hatten; die fast vergessenen Legenden ließen sie dann den bedauerlichen Opfern ein absurdes Aussehen verleihen.
Die alten Überlieferungen waren unklar, schwer einzuordnen und der jüngeren Generation größtenteils unbekannt. Ihr einzigartiger Charakter war offensichtlich auf den Einfluss wesentlich älterer Erzählungen der Indianer zurückzuführen. Auch wenn ich Vermont nie besucht hatte, war ich mit diesen Sagen vertraut durch die überaus seltene Abhandlung von Eli Davenport, die Material aus der Zeit bis 1839 umfasst, das aus den Erzählungen der ältesten Einwohner des Bundesstaates gewonnen wurde. Es fanden sich tatsächlich große Ähnlichkeiten mit Erzählungen, die ich persönlich von älteren Bauern in den Bergen New Hampshires gehört hatte. Um es kurz zu fassen: Es gab Hinweise auf eine verborgene Rasse monströser Wesen in den entlegenen Bergen – in den tiefen Wäldern auf den höchsten Gipfeln und in den dunklen Tälern, wo Bäche aus unbekannten Quellen entspringen. Diese Wesen sah man nur selten, doch Männer, die sich weiter als üblich auf gewisse Berge oder in tiefe Steilschluchten, die sogar von Wölfen gemieden wurden, gewagt hatten, berichteten von ihren Spuren. Es handelte sich um sonderbare Fuß- oder Klauenspuren im Schlamm der Bachufer und auf unbewachsenen Stellen, und um merkwürdige Steinkreise, die nicht von der Natur so angeordnet zu sein schienen und in deren näherer Umgebung kein Gras wuchs. Es gab zudem einige Höhlen von unbekannter Tiefe in den Berghängen; die Ausgänge waren von Felsblöcken auf eine Art verschlossen, die von keinem Zufall herrühren konnte. Überdurchschnittlich viele der merkwürdigen Spuren führten zu diesen Höhlen oder von ihnen fort – sofern die Richtung der Spuren überhaupt zu bestimmen war. Am schlimmsten aber waren die Dinge, die nur sehr selten von wagemutigen Leuten im Zwielicht der entlegensten Täler und in den dichten Wäldern der Berghöhen, auf die sonst niemand stieg, gesehen wurden.
Das alles wäre weniger beklemmend gewesen, hätten die verstreuten Darstellungen nicht so viele Ähnlichkeiten untereinander aufgewiesen. So gab es zwischen all den Gerüchten mehrere Übereinstimmungen: die Behauptung etwa, bei den Kreaturen handele es sich um eine Art riesiger hellroter Krebse mit zahlreichen Beinpaaren und zwei großen fledermausartigen Schwingen auf dem Rücken. Manchmal gingen sie auf allen Beinen, ein andermal nur auf dem hintersten Beinpaar, während sie die restlichen Gliedmaßen zum Transport großer Gegenstände unbekannter Art benutzten. Einmal hatte man eine erhebliche Anzahl der Wesen beobachtet: Eine Gruppe von ihnen watete durch einen seichten Waldbach, drei der Wesen führten den offensichtlich diszipliniert angeordneten Trupp an. Bei einer Gelegenheit hatte man ein Exemplar fliegen gesehen – es erhob sich nachts vom Gipfel eines kahlen, einsamen Berges und verschwand am Himmel, nachdem sich die großen flatternden Schwingen einen Augenblick lang vor dem Vollmond abgezeichnet hatten.
Im Großen und Ganzen schienen diese Wesen die Menschen in Frieden zu lassen, allerdings schrieb man ihnen das Verschwinden einiger waghalsiger Einzelgänger zu – vor allem Personen, die ihre Häuser zu nahe an gewissen Wäldern oder zu hoch auf gewissen Bergen erbaut hatten. Viele Gegenden betrachtete man bald als ungeeignet für die Besiedlung, und das hielt selbst dann noch vor, wenn der Grund für diese Einschätzung schon seit Langem in Vergessenheit geraten war. Die Menschen erschauderten beim Anblick mancher nahe gelegener Felswände, auch wenn sie gar nicht wussten, wie viele Siedler dort verschwunden und wie viele Bauernhäuser auf den unteren Hängen dieser finsteren grünen Wächter niedergebrannt waren.
Obwohl die frühesten Legenden davon sprachen, dass die Kreaturen wohl nur denen Leid zufügten, die in ihr Gebiet eindrangen, erzählten spätere Berichte von ihrer Neugierde in Bezug auf die Menschen – und von ihren Versuchen, geheime Vorposten in unserer Welt zu errichten. Es gab Geschichten über sonderbare Klauenabdrücke, die man morgens vor den Fenstern der Bauernhäuser entdeckt hatte, und über das gelegentliche Verschwinden von Personen in Gebieten außerhalb der bekanntermaßen heimgesuchten Regionen. Außerdem kursierten Gerüchte über summende Stimmen, die die menschliche Sprache imitierten und einsamen Reisenden in den tiefen Wäldern überraschende Angebote machten, und von zu Tode geängstigten Kindern, die im Urwald, der sich dicht an die Hintergärten drängt, etwas gesehen oder gehört hatten. In der letzten Gruppe von Legenden – derjenigen, die dem Niedergang des Aberglaubens und der Meidung der gefürchteten Orte voranging – finden sich schockierende Hinweise auf Einsiedler und abgelegen siedelnde Bauern, die anscheinend zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben einen abstoßenden geistigen Wandel durchgemacht hatten und über die man hinter vorgehaltener Hand munkelte, sie hätten sich an die fremden Wesen verkauft. In einem der nordöstlichen Bezirke schien es um 1800 herum an der Tagesordnung gewesen zu sein, verschrobene und unbeliebte Einsiedler zu beschuldigen, sie seien Verbündete oder Abgesandte der verhassten Geschöpfe.
Es gab natürlich unterschiedliche Erklärungen über die Natur dieser Wesen. Allgemein nannte man sie einfach ›die Anderen‹ oder ›die Alten‹, während andere Bezeichnungen nur an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten in Umlauf waren. Der Großteil der puritanischen Siedler tat sie schlicht als die Gefolgschaft des Teufels ab und erging sich in furchtsamen theologischen Spekulationen. Diejenigen, zu deren Erbe die keltische Sagenwelt gehörte – vor allem der schottisch-irische Bevölkerungsanteil von New Hampshire und deren Landsleute, die sich im Zuge der Landzuweisungen durch Gouverneur Wentworth in Vermont niedergelassen hatten –, brachten sie vage mit den bösen Feen und dem ›kleinen Volk‹ der heimatlichen Sümpfe und Hügelfestungen in Verbindung und schützten sich mit Bruchstücken altüberlieferter Beschwörungsformeln. Die fantastischsten Theorien stammten jedoch von den Indianern. Die Legenden der verschiedenen Stämme unterschieden sich zwar voneinander, doch gab es in den wesentlichen Punkten eine deutliche Übereinstimmung – so etwa in der Ansicht, dass die Wesen nicht von dieser Welt stammten.
Die Mythen der Pennacook-Indianer, vielleicht die folgerichtigsten und bildhaftesten von allen, sprachen davon, dass die Geflügelten Wesen vom Sternbild des Großen Bären herabgekommen waren und auf der Erde Minen in unsere Berge gegraben hatten, weil sie hier ein Gestein fanden, an das sie in keiner anderen Welt gelangen konnten. Sie lebten nicht hier, so die Mythen, sondern unterhielten lediglich Stützpunkte und flogen mit riesigen Ladungen Gestein zurück zu ihren eigenen Sternen am Nordhimmel. Sie fügten nur jenen Erdenmenschen Schaden zu, die ihnen zu nahe kamen oder die ihnen nachspionierten. Tiere gingen ihnen, einem instinktiven Abscheu folgend, aus dem Weg, und nicht etwa deshalb, weil die Wesen auf sie Jagd machten. Sie konnten die Pflanzen und Tiere der Erde nicht essen, weshalb sie ihre eigene Nahrung von den Sternen mit sich brachten. Es war schlecht, ihnen zu nahe zu kommen, und manchmal kehrten junge Jäger, die sich in die heimgesuchten Berge wagten, nicht mehr zurück. Es war auch nicht gut, ihnen nachts im Wald zu lauschen, wenn sie mit Stimmen wie Bienensummen flüsterten, um die Stimmen der Menschen nachzuahmen. Sie kannten die Sprachen aller Menschen – der Pennacooks, der Huronen, der Angehörigen der Fünf Stämme –, schienen selbst aber keine Sprache zu besitzen. Sie verständigten sich mit ihren Köpfen, die die Farbe wechseln konnten, um unterschiedliche Dinge auszudrücken.
Natürlich starben die Legenden sowohl der Weißen als auch der Indianer, abgesehen von einem gelegentlichen unzeitgemäßen Wiederaufflackern, im neunzehnten Jahrhundert aus. Die Bewohner Vermonts wurden sesshaft, und sobald ihre Siedlungen und Wege einem bestimmten Plan gemäß angelegt waren, vergaßen sie nach und nach, welche Ängste und Abneigungen diesen Plan diktiert hatten – schließlich vergaßen sie, dass es solche Ängste und Abneigungen überhaupt gegeben hatte. Die meisten wussten nur noch, dass man gewisse hüglige Regionen als höchst ungesund, unrentabel und überhaupt ungünstig für die Besiedlung einschätzte und man sich am besten von ihnen fernhielt. Im Laufe der Zeit hatten Gewohnheit und wirtschaftliches Interesse in den für gut erachteten Gegenden so tief Wurzeln geschlagen, dass es gar keinen Grund mehr gab, sie zu verlassen, und so verwaisten die gespenstischen Berge mehr aus Zufall denn aus fester Absicht. Abgesehen von unregelmäßig auftretenden lokalen Schreckgeschichten wussten nur noch wundergläubige Großmütter und erinnerungsselige alterslose Greise von Geschöpfen, die in den Bergen hausten; und selbst solche Leute gaben zu, dass man nun nicht mehr viel von diesen Wesen zu befürchten habe, da sie sich an die Häuser und Siedlungen gewöhnt hätten und die Menschen ihr gewähltes Territorium in Frieden ließen.
Von alldem wusste ich seit Langem durch meine Lektüre und aus gewissen Volksmärchen, die ich in New Hampshire aufgeschnappt hatte; als nach der Flutwelle Gerüchte aufkamen, konnte ich daher ohne Probleme erraten, auf welch fruchtbarem Boden sie gediehen waren. Ich gab mir große Mühe, dies meinen Freunden zu erklären, und war dementsprechend amüsiert über die Hartnäckigkeit, mit der einige streitsüchtige Zeitgenossen trotz allem in den Berichten einen wahren Kern erkennen wollten. Diese Personen versuchten darzulegen, dass den frühen Legenden eine bemerkenswerte Langlebigkeit und Einheitlichkeit zu eigen war und dass es nicht klug sei, dogmatische Behauptungen darüber aufzustellen, was in den Bergen von Vermont leben mochte oder nicht – schließlich waren diese noch größtenteils unerforscht. Auch konnte ich sie nicht mit meiner Versicherung zufriedenstellen, dass alle diese Mythen einem wohlbekannten, auf der ganzen Welt vorkommenden Muster entsprächen und in einer frühen Phase der Entwicklung unserer Vorstellungskraft geprägt worden seien, sodass sie stets die gleiche Art von Sinnestäuschungen hervorriefen.
Es war sinnlos, meinen Widersachern beweisen zu wollen, dass die Mythen aus Vermont im Wesentlichen nur geringfügig von den weltweit verbreiteten Legenden über personifizierte Naturkräfte abwichen, die die Welt der Antike mit Faunen, Dryaden und Satyrn bevölkert, die kallikanzarai des neuzeitlichen Griechenland hervorgebracht und dem urtümlichen Wales und auch Irland die finsteren Sagen von merkwürdigen zwergenhaften und fürchterlichen verborgenen Völkern von Höhlenbewohnern gegeben hatten. Ebenso vergeblich war es, auf den verblüffend ähnlichen Aberglauben der nepalesischen Bergstämme hinzuweisen, die sich vor dem Mi-Go, dem ›abscheulichen Schneemenschen‹, fürchten, der inmitten des Eises und der Felsschründe der Himalaya-Gipfel lauert. Als ich diesen Beweis anführte, kehrten meine Widersacher ihn gegen mich und behaupteten, dies spräche für die geschichtliche Wahrheit der alten Sagen und weise auf die tatsächliche Existenz einer fremdartigen älteren Rasse von Erdbewohnern hin, die vom Erscheinen und der Vorherrschaft der Menschheit gezwungen gewesen sei, im Verborgenen zu hausen, und womöglich in kleiner Anzahl bis in jüngste Zeit überlebt habe – vielleicht sogar bis zum heutigen Tag.
Je mehr ich über solche Theorien lachte, desto hartnäckiger hielten meine starrköpfigen Freunde an ihnen fest. Sie fügten noch hinzu, die jüngsten Berichte seien auch ohne die überlieferten Legenden viel zu eindeutig, in sich geschlossen, detailliert und nüchtern geschildert, als dass man sie einfach ignorieren könnte. Zwei oder drei Fanatiker gingen gar so weit, anzudeuten, die alten indianischen Legenden wiesen auf einen außerirdischen Ursprung der verborgenen Wesen hin, und führten die versponnenen Bücher von Charles Fort an, in denen behauptet wird, Reisende von anderen Welten hätten schon oft die Erde besucht. Die meisten meiner Gegner waren jedoch bloße Romantiker, die nur zu gern die fantastische Sage von dem ›kleinen Volk‹, das durch die hervorragenden Schauergeschichten Arthur Machens bekannt geworden ist, ins wirkliche Leben übertragen hätten.
II
Unter den gegebenen Umständen war es unvermeidlich, dass die pikante Debatte schließlich in Form von Leserbriefen an den Arkham Advertiser ihren Weg in die Presse fand. Einige der Briefe wurden in den Zeitungen der Gebiete von Vermont nachgedruckt, aus denen die Flutgeschichten stammten. Der Rutland Herald füllte eine halbe Seite mit Auszügen aus den Leserbriefen beider Parteien, und der Brattleboro Reformer veröffentlichte in voller Länge eine meiner umfangreichen historisch-mythologischen Darstellungen, versehen mit den Kommentaren des geistreichen Kolumnisten ›Pendrifter‹, der meine skeptischen Schlussfolgerungen begrüßte und unterstützte. Im Frühjahr 1928 war ich fast eine Berühmtheit in Vermont, ungeachtet der Tatsache, dass ich nie in diesem Staat gewesen war. Dann kamen die herausfordernden Briefe Henry Akeleys, die einen so tief greifenden Eindruck auf mich machten und mich zum ersten und letzten Mal in jenes faszinierende Reich zahlloser bewaldeter Abgründe und murmelnder Waldbäche riefen.
Meine Kenntnisse über Henry Wentworth Akeley entstammen größtenteils dem Briefwechsel, den ich nach meinem Erlebnis in dem einsamen Gutshaus mit seinen Nachbarn und seinem einzigen Sohn in Kalifornien führte. Er war, wie ich herausfand, der letzte Repräsentant eines alten, in der Gegend hoch angesehenen Geschlechts von Juristen, Verwaltungsbeamten und Gutsherren und lebte auf seinem eigenen Grund und Boden. Bei ihm hatte sich allerdings die praktische Veranlagung der Familie in reine Gelehrsamkeit verwandelt; er war ein bemerkenswerter Student der Mathematik, Astronomie, Biologie, Anthropologie und Volkskunde an der Universität Vermont gewesen. Ich hatte nie zuvor von ihm gehört, und in seinen Mitteilungen an mich fanden sich nur wenige autobiografische Einzelheiten; doch schon beim ersten Treffen erkannte ich, dass er – obgleich ein Einsiedler mit sehr wenig Weltgewandtheit – ein Mann von Charakter, Bildung und Intelligenz war.
Obwohl das, was er behauptete, schlicht unglaublich war, musste ich Akeley einfach wesentlich ernster nehmen als alle anderen, die bislang meine Anschauungen infrage gestellt hatten. Zum einen befand er sich in sicht- und greifbarer Nähe zu den Phänomenen, über die er solch groteske Mutmaßungen anstellte; zum anderen zeigte er sich erstaunlich bereitwillig, seine Schlussfolgerungen selbst immer wieder in Zweifel zu ziehen – wie ein wahrer Mann der Wissenschaft. In seiner Herangehensweise folgte er keinen persönlichen Vorlieben, sondern ließ sich immer von dem leiten, was ihm als eindeutiger Beweis erschien. Natürlich hielt ich seine Ansichten zunächst für irrig, hielt ihm aber zugute, dass er auf intelligente Art und Weise fehlging. Zu keinem Zeitpunkt tat ich es einigen seiner Freunde gleich und schrieb seine Vorstellungen – und seine Angst vor den einsamen grünen Bergen – einer Geisteskrankheit zu. Mir war bewusst, dass viel für diesen Mann sprach und dass seine Berichte mit Sicherheit sonderbare Umstände widerspiegelten, die es wert waren, untersucht zu werden, auch wenn die Wahrheit wenig mit den von ihm behaupteten fantastischen Ursachen zu tun haben mochte. Später erhielt ich von ihm Beweismaterial, das ein anderes und verblüffend bizarres Licht auf die ganze Angelegenheit warf.
Hier gebe ich am besten den umfangreichen Brief wieder, mit dem Akeley sich bei mir einführte und der einen so wichtigen Meilenstein meiner eigenen intellektuellen Entwicklung darstellt. Der Brief befindet sich nicht mehr in meinem Besitz, doch mein Gedächtnis bewahrt beinahe jedes Wort dieser unheilvollen Botschaft. Wiederum muss ich meinen festen Glauben an den gesunden Menschenverstand des Mannes beteuern, der diesen Brief schrieb. Hier ist der Text – ein Text, der mich in der gedrängten, altertümlich anmutenden Schrift eines Menschen erreichte, der in seinem ruhigen Gelehrtenleben offensichtlich nicht viel mit der Welt in Berührung gekommen war.
R.F.D. #2
Townshend,
Windham Co., Vermont
25. Mai 1928
Albert N. Wilmarth, Esq.,
118 Saltonstall St.,
Arkham, Mass.
Sehr geehrter Mr Wilmarth!
Mit großem Interesse las ich im Brattleboro Reformer vom 23. April 1928 Ihren Brief bezüglich der unlängst kursierenden Geschichten über merkwürdige Leichenfunde in den angeschwollenen Flüssen im letzten Herbst und den eigenartigen Volksmärchen, mit denen diese Berichte so ungewöhnlich gut übereinstimmen. Es ist verständlich, weshalb ein Außenstehender diesen Standpunkt vertritt und warum ›Pendrifter‹ Ihnen zustimmt. Die meisten gebildeten Menschen hier in Vermont und auch außerhalb des Staates sind ähnlicher Meinung, und ich selbst vertrat diese Ansicht als junger Mann (ich bin nun 57). Das war, bevor meine Studien – die allgemeinen wie die durch Davenports Buch inspirierten – mich dazu bewogen, einige Gebiete in den umliegenden Bergen zu erforschen, die normalerweise nicht aufgesucht werden.
Dazu verleiteten mich die merkwürdigen alten Sagen, die ich früher von den älteren, eher ungebildeten Bauern zu hören bekam, doch mittlerweile wünschte ich, die ganze Sache niemals verfolgt zu haben. Ich möchte in aller Bescheidenheit bemerken, dass mir die Fachgebiete der Anthropologie und der Volkskunde keineswegs fremd sind. Ich habe mich auf der Hochschule eingehend mit ihnen befasst und bin mit den meisten gängigen Fachautoren vertraut – etwa mit Tylor, Lubbock, Frazer, Quatrefages, Murray, Osborn, Keith, Boule, G. Elliott Smith etc. Für mich ist es nichts Neues, dass Geschichten über verborgene Völker so alt sind wie die Menschheit. Ich habe im Rutland Herald Ihre Briefe und die Ihrer Widersacher gelesen und glaube zu wissen, auf welchem Stand sich die Kontroverse zurzeit befindet.
Was ich ihnen klarzumachen versuche, ist, dass, so leid es mir tut, Ihre Gegner näher an den Tatsachen sind als Sie, auch wenn die Vernunft ganz auf Ihrer Seite zu sein scheint. Ihre Kontrahenten kommen der Wahrheit näher, als sie selbst es vermuten – denn natürlich vermögen sie nur Mutmaßungen anzustellen und können nicht das wissen, was ich weiß. Wüsste ich so wenig über die Sache wie diese Leute, würde ich mich allerdings mit dem bloßen Glauben an Theorien nicht zufriedengeben. Ich wäre ganz auf Ihrer Seite, Mr Wilmarth.
Sie merken, es fällt mir wirklich schwer, zur Sache zu kommen, was wohl daran liegt, dass ich Angst davor habe. Der springende Punkt ist folgender: Ich habe unumstößliche Beweise dafür, dass in den Wäldern der Berghöhen, die nie jemand aufsucht, tatsächlich monströse Geschöpfe hausen. Ich selbst habe keines der Wesen in den Flüssen treiben gesehen, aber ich sah ähnliche Kreaturen unter Umständen, die ich nur äußerst ungern wiedergebe. Ich fand ihre Fußspuren kürzlich näher an meinem Haus, als mir lieb ist (ich lebe auf dem alten Anwesen der Akeleys südlich von Townshend Village am Fuß des Dark Mountain). Und an gewissen Stellen im Wald habe ich Stimmen belauscht, die ich in diesem Brief gar nicht erst beschreiben möchte.
An einer Stelle habe ich sie so häufig gehört, dass ich einen Fonografen mit angeschlossenem Diktafon und einem leeren Wachszylinder mit dorthin nahm. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, sich die Aufzeichnung anzuhören. Ich habe sie auf dem Apparat einigen von hier stammenden alten Leuten vorgespielt, und eine der Stimmen jagte ihnen einen fürchterlichen Schrecken ein, da sie einer gewissen Stimme (der von Davenport erwähnten summenden Stimme im Wald) sehr ähnlich ist, von der ihre Großmütter ihnen erzählt hatten oder sie nachzuahmen wussten. Ich bin mir darüber im Klaren, was die meisten Menschen von einem Mann denken, der davon berichtet, ›Stimmen zu hören‹ – doch bevor Sie Ihre Schlüsse ziehen, hören Sie sich einfach die Aufnahme an und befragen Sie einige der alten Hinterwäldler, was diese davon halten. Wenn Sie eine normale Erklärung dafür finden, umso besser; doch irgendetwas muss dahinterstecken. Ex nihilo nihil fit, von nichts kommt nichts, wie Sie wissen.
Der Zweck meines Briefes besteht nicht darin, einen Streit zu entfachen, sondern Ihnen Informationen zukommen zu lassen, die ein Mann mit Ihren Neigungen sicherlich höchst interessant finden wird. Dies ist eine private Mitteilung. Was die Öffentlichkeit betrifft, bin ich auf Ihrer Seite, denn ich glaube, dass es für die Menschen nicht gut ist, über diese Dinge zu viel zu wissen. Meine eigenen Studien finden ganz im Privaten statt, und mir fiele nicht ein, etwas verlautbaren zu lassen, was die Aufmerksamkeit der Leute erregen würde und sie dazu brächte, die von mir erforschten Orte aufzusuchen. Es ist die Wahrheit, die ganze fürchterliche Wahrheit, dass es nichtmenschliche Geschöpfe gibt, die uns die ganze Zeit über beobachten; sie haben Spione unter uns, die Informationen sammeln. Ein Großteil meiner diesbezüglichen Anhaltspunkte stammt von einem unglücklichen Mann, der – sofern er bei Verstand war, wovon ich allerdings ausgehe – einer dieser Spione war. Er beging später Selbstmord, doch habe ich Grund zu der Annahme, dass es noch weitere gibt.
Diese Wesen kommen von einem anderen Planeten, können im interstellaren Raum leben und fliegen in ihm mit unförmigen, mächtigen Schwingen, die irgendwie dem Äther zu widerstehen vermögen, die sich aber so schwer steuern lassen, dass sie auf der Erde kaum von Nutzen sind. Ich werde Ihnen später mehr darüber berichten, wenn Sie mich nicht bereits als Wahnsinnigen abtun. Die Wesen kommen her, um Metall aus Minen zu gewinnen, die tief unter den Bergen verlaufen. Ich glaube zu wissen, woher die Fremden stammen. Sie werden uns nichts tun, solange wir sie in Frieden lassen, doch niemand kann vorhersehen, was geschieht, wenn wir ihnen gegenüber zu große Neugierde entwickeln. Selbstverständlich könnte eine Truppe tüchtiger Männer ihre Bergbaukolonie auslöschen. Davor haben sie auch Angst. Doch wenn dies geschähe, kämen von draußen noch mehr von ihnen – in unbegrenzter Anzahl. Es wäre ihnen ein Leichtes, die Erde zu erobern, sie haben es aber bislang nicht versucht, weil dazu keine Notwendigkeit bestand. Sie lassen die Dinge lieber so, wie sie sind, und ersparen sich die Scherereien.
Ich glaube, sie wollen mich wegen meiner Entdeckungen beseitigen. Im Wald auf dem östlich von hier gelegenen Round Hill habe ich einen großen schwarzen Stein mit fast gänzlich abgewetzten unbekannten Hieroglyphen gefunden; seitdem ich ihn mit nach Hause genommen habe, hat sich alles geändert. Wenn sie glauben, dass ich zu viel weiß, dann werden sie mich entweder töten oder mich von der Erde fortschaffen und dorthin bringen, woher sie kommen. Dann und wann entführen sie gelehrte Männer, um sich über den Stand der Dinge in der Welt der Menschen zu unterrichten.
Das bringt mich zu dem zweiten Anlass meines Schreibens – nämlich Sie dazu anzuhalten, die gegenwärtige Debatte zum Schweigen zu bringen, anstatt ihr eine größere Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Menschen müssen von diesen Bergen ferngehalten werden, und um das zu gewährleisten, darf man ihre Neugier nicht weiter anstacheln. Der Himmel weiß, dass es schon genug Gefahren gibt – etwa die Werbeleute und Grundstücksmakler, die mit Scharen von Sommerurlaubern die verlassenen Gegenden Vermonts überschwemmen und die Berghänge mit billigen Bungalows überziehen möchten.
Ich würde mich über einen Austausch mit Ihnen sehr freuen und werde versuchen, Ihnen die fonografische Aufnahme und den schwarzen Stein (er ist so abgewetzt, dass auf Fotografien nicht viel zu erkennen ist) per Express zukommen zu lassen, falls Sie das wünschen. Ich sage ›versuchen‹, weil ich glaube, dass diese Geschöpfe Mittel und Wege gefunden haben, sich hier einzumischen. Auf einem Hof in der Nähe des Dorfes wohnt Brown, ein griesgrämiger, heimlichtuerischer Bursche, der meines Erachtens einer ihrer Spione ist. Nach und nach versuchen sie, mich von unserer Welt zu isolieren, da ich zu viel über ihre Welt weiß.
Sie verfügen über erstaunliche Mittel, um herauszufinden, was ich tue. Vielleicht erhalten Sie noch nicht einmal diesen Brief. Ich sollte diesen Teil des Landes wohl besser verlassen und zu meinem Sohn nach San Diego, Kalifornien, übersiedeln, wenn sich die Lage verschlimmert. Doch es fällt mir nicht leicht, den Ort meiner Geburt zu verlassen, an dem meine Familie seit sechs Generationen lebt. Zudem würde ich es kaum wagen, dieses Haus jemandem zu verkaufen, nun da die Kreaturen davon Kenntnis genommen haben. Sie versuchen anscheinend, den schwarzen Stein zurückzubekommen und die Fonografenaufnahme zu vernichten, doch wenn ich es nur irgendwie verhindern kann, lasse ich das nicht zu. Meine großen Wachhunde halten sie immer auf Abstand, denn es gibt bislang nur wenige der Geschöpfe hier, und sie bewegen sich nur sehr unbeholfen fort. Wie schon erwähnt, sind ihre Schwingen nicht für kurze Flüge auf der Erde geeignet. Ich stehe kurz davor, die Inschrift auf dem Stein zu entziffern (eine schreckliche Sache), und mit Ihrem Wissen auf dem Gebiet volkstümlicher Überlieferungen könnten Sie mir behilflich sein, die fehlenden Stellen zu ergänzen. Ich gehe davon aus, dass Sie umfassend über die furchtbaren Mythen unterrichtet sind, die im Necronomicon erwähnt werden und älter sind als die Menschheit selbst – die Zyklen über Yog-Sothoth und Cthulhu. Ich hatte einst Zugang zu einer Abschrift dieses Buches, und wie ich hörte, wird in der Bibliothek Ihrer Hochschule ein Exemplar hinter Schloss und Riegel verwahrt.
Um zum Ende zu kommen, Mr Wilmarth: Ich bin der Ansicht, dass wir mit unseren jeweiligen Kenntnissen einander sehr nützlich sein können. Ich möchte Sie keinesfalls in Gefahr bringen und sollte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass der Besitz des Steines und der Aufzeichnung mit einem gewissen Risiko verbunden ist; aber ich glaube, dass Sie dieses Risiko im Namen der Wissenschaft gern eingehen werden. Von Newfane oder Brattleboro aus werde ich alles, was Ihre Zustimmung findet, mit der Expresspost verschicken, denn den Postfilialen dort schenke ich mehr Vertrauen. Ich könnte noch hinzufügen, dass ich derzeit ganz allein wohne, da ich hier keine Dienstboten mehr halten kann. Sie wollen nicht bleiben wegen der Gestalten, die sich nachts dem Haus nähern, sodass die Hunde unaufhörlich bellen. Ich bin froh, dass ich zu Lebzeiten meiner Frau noch nicht so tief in diese Angelegenheit verstrickt war, denn es hätte sie in den Wahnsinn getrieben.
Ich hoffe, Sie nicht allzu sehr belästigt zu haben und dass Sie sich entschließen, mit mir in Verbindung zu treten, anstatt diesen Brief als den Erguss eines armen Irren in den Papierkorb zu werfen.
Ihr sehr ergebener
HENRY W. AKELEY
PS: Ich werde Abzüge einiger von mir aufgenommener Fotografien anfertigen lassen, die, wie ich glaube, eine Reihe der von mir aufgeführten Punkte beweisen dürften. Die alten Leute halten diese Ungeheuerlichkeiten für echt. Ich werde Ihnen die Abzüge demnächst zukommen lassen, sollten Sie daran Interesse haben.
H. W. A.
Es fällt mir schwer, die Gefühle in Worte zu fassen, die mich bei der ersten Lektüre dieses sonderbaren Schriftstücks überkamen. Eigentlich hätte ich über diese Überspanntheiten lauter lachen müssen als über die wesentlich harmloseren Theorien, die mich bisher erheitert hatten; jedoch veranlasste mich etwas an dem Tonfall des Briefes zu einer unfreiwilligen Ernsthaftigkeit. Nicht, dass ich auch nur einen Augenblick lang an die verborgene Rasse von den Sternen geglaubt hätte, die der Briefschreiber erwähnte; doch nach einigen anfänglichen Zweifeln war ich mit eigentümlicher Gewissheit von seiner Vernunft und seiner Aufrichtigkeit überzeugt und nahm an, er sei mit einem natürlichen, aber einzigartigen und abnormen Phänomen in Berührung gekommen, das er sich nur mithilfe fantastischer Vermutungen erklären konnte. Die Sache schien eine Untersuchung mehr als wert zu sein. Der Mann war offenbar über irgendetwas ungewöhnlich erregt und bestürzt, aber es schien nur schwer vorstellbar, dass dafür keine Ursache existieren sollte. In mancherlei Hinsicht waren seine Ausführungen äußerst genau und logisch – und schließlich entsprach seine Gruselgeschichte auf verblüffende Weise einigen der alten Mythen, selbst den wildesten Legenden der Indianer.
Dass er wirklich beunruhigende Stimmen in den Bergwäldern gehört und den von ihm erwähnten schwarzen Stein gefunden hatte, war durchaus möglich, ungeachtet seiner verrückten Schlussfolgerungen – Schlussfolgerungen, die ihm vielleicht der Mann suggeriert hatte, der nach eigener Aussage ein Spion der außerirdischen Wesen gewesen war und später Selbstmord begangen hatte. Es lag nahe, zu der Ansicht zu gelangen, dieser Mann sei völlig verrückt gewesen, wobei seine Schilderungen aber über eine Art perverse Logik verfügten, die den naiven Akeley – den seine volkskundlichen Studien auf solche Dinge vorbereitet hatten – dazu brachten, seiner Geschichte Glauben zu schenken. Was die jüngsten Entwicklungen betraf, schien die Unmöglichkeit, Dienstboten im Haus zu beschäftigen, darauf hinzuweisen, dass Akeleys bäuerliche Nachbarn genau wie er selbst davon überzeugt waren, sein Haus würde nachts von unheimlichen Wesen belagert. Und die Hunde bellten tatsächlich.
Dann war da noch die Sache mit der fonografischen Aufzeichnung, von der ich überzeugt war, dass er sie auf die beschriebene Weise aufgenommen hatte. Es musste etwas daran sein – ob es nun Tierlaute waren, die menschlicher Sprache täuschend ähnlich klangen, oder die Stimme eines versteckt lebenden, nur nachts herumgeisternden menschlichen Wesens, das auf die Stufe niederer Tiere herabgesunken war. Dann wandten sich meine Gedanken wieder dem schwarzen Stein mit den Hieroglyphen zu, und ich fragte mich, was er für eine Bedeutung haben könnte. Und was war mit den Fotografien, die Akeley mir bald zuschicken wollte und die laut den alten Leuten von so schrecklicher Überzeugungskraft sein sollten?
Während ich den eng beschriebenen Brief nochmals las, gewann ich deutlicher als je zuvor den Eindruck, dass vielleicht mehr für die Thesen meiner leichtgläubigen Widersacher sprach, als ich es mir bisher eingestanden hatte. Es mochte ja schließlich in diesen einsamen Bergen einige sonderbare und vielleicht durch Erbkrankheiten entstellte Ausgestoßene geben – wenn auch keine sterngeborene Rasse von Monstren, wie die Sagen behaupteten. Wenn das zutraf, waren die Sichtungen von merkwürdigen Leichnamen in den reißenden Flüssen nicht völlig unglaubwürdig. War es zu vermessen, davon auszugehen, dass sowohl die alten Legenden als auch die jüngsten Berichte darin ihren Ursprung hatten? Während ich diese Zweifel in mir hegte, schämte ich mich dafür, dass etwas so Groteskes wie Henry Akeleys exzentrischer Brief mich dazu verleitet hatte.
Schließlich beantwortete ich Akeleys Schreiben, gab mich freundlich und interessiert und erkundigte mich nach weiteren Einzelheiten. Seine Antwort kam beinahe postwendend und enthielt, wie er es versprochen hatte, eine Anzahl von Kodak-Fotos, die Landschaften und Gegenstände zeigten, von denen er berichtet hatte. Als ich diese Bilder dem Briefumschlag entnahm und einen Blick darauf warf, verspürte ich eine eigenartige Furcht und das Gefühl, mich hier etwas Verbotenem zu nähern. Trotz der Tatsache, dass die meisten Aufnahmen recht unscharf waren, ging von ihnen eine abscheuliche suggestive Kraft aus, noch verstärkt durch den Umstand, dass es authentische Fotografien waren – wirkliche optische Verbindungsglieder zu den abgebildeten Objekten, Produkte einer unpersönlichen Übertragungstechnik ohne Vorurteil, Fehlbarkeit oder Falschheit.
Je öfter ich sie betrachtete, desto klarer wurde mir, dass ich Akeleys Geschichte nicht zu Unrecht ernst genommen hatte. Diese Bilder erbrachten jedenfalls schlüssige Beweise dafür, dass in den Bergen von Vermont etwas existierte, das sich weit außerhalb der Grenzen unseres Wissens und unserer Überzeugungen befand. Am schlimmsten von allem war der Fußabdruck – die Aufnahme zeigte eine sonnenbeschienene Schlammpfütze irgendwo im verlassenen Hochland. Dass es sich nicht um eine billige Fälschung handelte, konnte ich auf den ersten Blick erkennen. Die klar konturierten Kieselsteine und Grashalme auf dem Bild gaben einen guten Hinweis auf den Maßstab des Ganzen und ließen keinerlei Möglichkeit einer raffinierten Doppelbelichtung zu. Ich habe dieses Etwas einen ›Fußabdruck‹ genannt, doch ›Klauenabdruck‹ wäre eine bessere Bezeichnung dafür. Ich vermag es nach wie vor nicht richtig zu beschreiben und kann nur sagen, dass es in scheußlicher Weise an die Spur eines Krebses erinnerte und dass die Richtung der Spur nicht eindeutig zu bestimmen war. Es handelte sich weder um einen besonders tiefen noch sonderlich frischen Abdruck, es war aber erkennbar, dass er die Größe eines durchschnittlichen menschlichen Fußes besaß. Von einem mittleren Fußballen gingen einander gegenüberliegende zahnbewehrte Scherenpaare aus – ihre Funktion blieb rätselhaft, es schien sogar fraglich, ob es sich überhaupt um ein Mittel zur Fortbewegung handelte.
Eine andere Fotografie, offensichtlich eine Langzeitbelichtung, die im tiefen Schatten aufgenommen worden war, zeigte die Öffnung einer Höhle im Wald, die von einem offensichtlich gleichmäßig abgerundeten Felsblock verschlossen war. Auf dem Erdboden davor konnte man gerade noch ein dichtes Netzwerk eigenartiger Spuren ausmachen. Als ich das Bild mit einem Vergrößerungsglas betrachtete, verspürte ich die unangenehme Gewissheit, dass diese Spuren von gleicher Art waren wie diejenige auf der ersten Aufnahme. Ein drittes Foto zeigte einen druidenartig anmutenden Steinkreis auf der Kuppe eines einsamen Berges. Das Gras um den rätselhaften Steinkreis herum schien niedergetrampelt zu sein und wuchs nur spärlich, obwohl ich mit dem Vergrößerungsglas keinerlei Fußspuren ausmachen konnte. Die äußerste Entlegenheit dieses Ortes wurde deutlich durch ein Meer unbesiedelter Berge, das den Hintergrund des Bildes ausmachte und sich bis zum dunstigen Horizont erstreckte.
Während die Aufnahme des Fußabdruckes die beunruhigendste von allen war, erschien mir merkwürdigerweise die Abbildung von dem großen schwarzen Stein, den Akeley im Wald auf dem Round Hill gefunden hatte, die suggestivste zu sein. Akeley hatte den Stein offenkundig auf seinem Schreibtisch abgelichtet, denn im Hintergrund konnte ich einige Reihen von Büchern erkennen sowie eine Büste Miltons. Das Ding stand, soweit ich das sehen konnte, mit seiner leicht unregelmäßigen, gewölbten Oberfläche von ungefähr dreißig mal sechzig Zentimetern aufrecht vor der Kamera; doch um eine definitive Beschreibung der Oberfläche oder der Form des gesamten Steins zu liefern, reicht unsere Sprache nicht aus. Nach welchen fremdartigen geometrischen Grundsätzen dieser Stein geschnitten worden war – denn es stand außer Zweifel, dass es sich um eine künstlerische Bearbeitung handelte –, konnte ich noch nicht einmal im Ansatz erraten; nie zuvor hatte ich etwas so Sonderbares und in dieser Welt so eindeutig Fremdes gesehen. Die Hieroglyphen auf der Oberfläche waren kaum erkennbar, doch die wenigen, die ich sehen konnte, schockierten mich erheblich. Natürlich konnte es sich um eine arglistige Fälschung handeln, schließlich war ich nicht der Einzige, der das ungeheuerliche und abscheuliche Necronomicon des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred gelesen hatte. Dennoch schauderte es mich, als ich gewisse Schriftzeichen wiedererkannte, die ich aufgrund meiner Studien mit den grauenhaftesten und gotteslästerlichsten Wesen in Zusammenhang bringen musste, die noch vor der Schöpfung der Erde und der inneren Welten des Sonnensystems eine Art von irrwitziger Schattenexistenz geführt hatten.
Von den fünf übrigen Bildern zeigten drei Sumpf- und Berglandschaften, die Spuren von verborgen lebenden und unnatürlichen Bewohnern aufzuweisen schienen. Auf einem weiteren Foto war eine sonderbare Spur auf dem Gelände unmittelbar vor Akeleys Haus zu sehen, die er nach eigener Aussage am Morgen nach einer Nacht fotografiert hatte, in der die Hunde heftiger als sonst gebellt hatten. Das Foto war zu undeutlich, als dass man aus ihm Schlüsse hätte ziehen können, dennoch wies die Spur eine teuflische Ähnlichkeit mit den Abdrücken auf, die im einsamen Hochland aufgenommen worden waren. Das letzte Bild schließlich zeigte das Anwesen der Akeleys: ein adrettes weißes Haus, rund hundertzwanzig Jahre alt, mit zwei Stockwerken und einer Mansarde. Ein steingefasster Gehweg führte über den gepflegten Rasen zu einem geschmackvoll angefertigten georgianischen Portal. Auf dem Rasen hockten mehrere große Wachhunde neben einem freundlich lächelnden Mann mit kurz geschnittenem grauen Bart. Dies musste Akeley sein, der sich selbst fotografiert hatte, wie man an dem Auslöser in seiner rechten Hand sehen konnte.
Nach den Bildern wandte ich mich dem umfangreichen, eng beschriebenen Brief zu. In den folgenden drei Stunden fand ich mich in einem Strudel unsäglichen Grauens wieder. Wo Akeley zuvor nur Andeutungen gemacht hatte, ging er nun in kleinste Details: Vor mir lagen lange Abschriften der Worte, die er nachts im Wald gehört hatte, umfassende Berichte über monströse rosafarbene Gestalten, die er während der Abenddämmerung im Dickicht der Berge beobachtet hatte, und eine schreckliche Kosmologie, die aus der Begegnung seiner profunden und vielseitigen Gelehrsamkeit mit den endlosen Monologen des irrsinnigen selbst ernannten Spions, der später Selbstmord beging, entstanden war. Ich fand mich konfrontiert mit Namen und Begriffen, die mir andernorts nur in den allerscheußlichsten Zusammenhängen begegnet waren – Yuggoth, der Große Cthulhu, Tsathoggua, Yog-Sothoth, R’lyeh, Nyarlathotep, Azathoth, Hastur, Yian, Leng, der See von Hali, Bethmoora, das Gelbe Zeichen, L’mur-Kathulos, Bran und das Magnum Innominandum –, und ich wurde durch namenlose Äonen und unermessliche Dimensionen zurück in Welten ältester, fernster Existenz gerissen, von denen der wahnsinnige Autor des Necronomicon nur eine überaus nebelhafte Ahnung gehabt hatte. Ich wurde belehrt über die Abgründe urzeitlichen Lebens und über die Wasser, die sich daraus ergossen; ein winziges Rinnsal aus diesen Strömen hatte sich mit den Geschicken unserer eigenen Welt vermischt.
Meine Gedanken überschlugen sich. Hatte ich zuvor die Dinge wegzuerklären versucht, so glaubte ich nun allmählich an die unnatürlichsten und unwahrscheinlichsten Wunder. Die Unmenge grundlegender Beweise war erdrückend, und Akeleys kühle, wissenschaftliche Vorgehensweise – die so weit von jeder denkbaren verrückten, fanatischen, hysterischen oder sonst wie extravaganten Form der Spekulation entfernt war – wirkte sich immens auf mein Denken und meine Urteilsbildung aus. Als ich den fürchterlichen Brief beiseitelegte, konnte ich die Ängste, die Akeley entwickelt hatte, gut nachvollziehen, und ich wollte alles in meiner Macht Stehende tun, um die Menschen von diesen wilden, gespenstischen Bergen fernzuhalten. Selbst heute noch, obwohl die Zeit meine unmittelbaren Eindrücke abgeschwächt hat und ich meine eigenen Erlebnisse und fürchterlichen Zweifel infrage zu stellen beginne, gibt es Dinge aus Akeleys Brief, die ich weder zitieren noch sonst irgendwie zu Papier bringen möchte. Ich bin fast erleichtert darüber, dass der Brief, die Tonaufzeichnung und die Fotografien verschwunden sind – und ich wünschte (aus Gründen, die ich später darlegen werde), jener neue Planet hinter dem Neptun wäre nie entdeckt worden.
Nach der Lektüre des Briefes beteiligte ich mich nicht mehr an der öffentlichen Debatte über das Grauen von Vermont. Auf die Argumente meiner Widersacher ging ich entweder gar nicht erst ein oder ich vertröstete meine Gegner; schließlich geriet die ganze Kontroverse in Vergessenheit. Ende Mai und den ganzen Juni hindurch führte ich einen beständigen Briefwechsel mit Akeley. Es ging jedoch dann und wann ein Brief verloren, weshalb wir alle Schreiben mühselig in zweifacher Ausfertigung verfassen mussten. Unser Hauptanliegen bestand darin, unsere jeweiligen Aufzeichnungen über obskure Mythologie miteinander zu vergleichen, um so das Grauen von Vermont besser in Zusammenhang mit den weltweiten urzeitlichen Legenden bringen zu können.
Zum einen kamen wir zu der Schlussfolgerung, dass diese Widerwärtigkeiten und die teuflischen Mi-Go des Himalaya zur selben Gattung fleischgewordener Albträume zählten. Daraus ergaben sich auch faszinierende zoologische Mutmaßungen, die ich gern Professor Dexter an meiner Universität dargelegt hätte, doch Akeley hatte strengstens untersagt, irgendjemanden in diese Angelegenheit einzuweihen. Wenn ich nun seine Anweisung nicht mehr zu befolgen scheine, dann nur, weil ich der Ansicht bin, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Warnung vor den entlegeneren Bergen Vermonts – und vor den Gipfeln des Himalaya, die immer häufiger zum Ziel kühner Erforscher und Bergsteiger werden – der öffentlichen Sicherheit förderlicher ist als Stillschweigen.
Als besonders wichtig erschien uns die Entzifferung der Hieroglyphen auf jenem berüchtigten schwarzen Stein – vielleicht würden wir dadurch in den Besitz von Geheimnissen gelangen, die tiefgründiger und verwirrender sein mochten als alles, was der Menschheit je zuvor bekannt war.
III
Ungefähr Ende Juni erreichte mich die Fonografenaufzeichnung – aufgegeben in Brattleboro, da Akeley der Zweigstelle im Norden kein Vertrauen mehr schenkte. Er wurde zunehmend von dem Gefühl beunruhigt, beschattet zu werden, wozu auch der Verlust einiger unserer Briefe beitrug; er sprach häufig von den tückischen Machenschaften gewisser Männer, die er als Handlanger und Agenten der verborgenen Wesen bezeichnete. Das größte Misstrauen verspürte er gegenüber dem mürrischen Bauern Walter Brown, der allein in den Bergen auf einem heruntergewirtschafteten Hof nahe der tiefen Wälder lebte und häufig in Brattleboro, Bellow Falls, Newfane und South Londonderry herumlungerte, ohne dass erkennbar war, was er dort eigentlich trieb. Akeley war davon überzeugt, dass Browns Stimme zu jenen gehörte, die er einmal bei einem äußerst schrecklichen Gespräch belauscht hatte; zudem fanden sich in der Nähe von Browns Haus Fuß- oder Klauenspuren, was auf bedrohliche Zusammenhänge schließen ließ. Diese Fußspuren befanden sich merkwürdigerweise dicht bei Browns eigenen – als hätte man sich gegenübergestanden.
Und so wurde die Aufzeichnung von Brattleboro aus verschickt, wohin Akeley in seinem Ford über die einsamen Nebenstraßen Vermonts gefahren war. Auf einem Zettel, den er der Aufnahme beigelegt hatte, bekannte er seine wachsende Furcht vor diesen Straßen; mittlerweile würde er selbst seine Lebensmittel nur noch bei Tageslicht in Townshend besorgen. Wieder und wieder beteuerte er, dass es sich nicht lohne, zu viel zu wissen, wenn man zu nahe an diesen stillen und zweifelhaften Bergen wohne. Er würde sehr bald zu seinem Sohn nach Kalifornien ziehen, obgleich es ihm schwerfalle, den Ort zu verlassen, an dem all seine Erinnerungen hingen und wo er sich seinen Ahnen nahe fühlte.
Bevor ich die Aufnahme auf dem handelsüblichen Gerät abspielte, das ich mir zu diesem Zweck in der Verwaltung der Universität ausgeliehen hatte, las ich nochmals sorgfältig die Erläuterungen in Akeleys verschiedenen Briefen. Diese Aufzeichnung, so schrieb er, sei gegen ein Uhr morgens am ersten Mai des Jahres 1915 in der Nähe einer verschlossenen Höhle entstanden, dort, wo der bewaldete Westhang des Dark Mountain die Lee-Sümpfe überragt. Dieser Ort war schon immer für rätselhafte Stimmen berüchtigt, weshalb er den Fonografen, das Diktafon und den unbespielten Wachszylinder dorthin mitgebracht hatte. Aus Erfahrung wusste er, dass die Walpurgisnacht – die Nacht des scheußlichen Hexensabbats der alten Legenden Europas – vermutlich ertragreicher sein würde als jedes andere Datum, und tatsächlich wurde er nicht enttäuscht. Bemerkenswerterweise ließen sich seitdem keine Stimmen mehr an dieser Stelle vernehmen.
Anders als die meisten Stimmen, die er zufällig in den Wäldern belauscht hatte, besaßen die der Aufzeichnung einen gewissermaßen rituellen Charakter; auch eine eindeutig menschliche Stimme war darunter, die Akeley allerdings nicht einzuordnen vermochte. Es handelte sich nicht um Browns Stimme, sondern sie schien einem kultivierteren Mann zu gehören. Die zweite Stimme war jedoch das Entscheidende – dieses verfluchte Summen, das keine Ähnlichkeit mit einer menschlichen Stimme aufwies, auch wenn es menschliche Worte in grammatikalisch korrektem Englisch und in einem gelehrten Tonfall aussprach.
Der Fonograf und das angeschlossene Diktafon hatten nicht gänzlich zufriedenstellend gearbeitet, was angesichts der Entfernung und der gedämpften Lautstärke des Rituals kaum verwunderte. Die aufgezeichnete Rede war daher recht bruchstückhaft. Akeley hatte mir eine Abschrift zukommen lassen, die das Gesprochene, so wie er es zu verstehen meinte, wiedergab, und während ich das Gerät zum Abspielen vorbereitete, warf ich wieder einen Blick auf diese Blätter. Der Text war weniger erschreckend als vielmehr dunkel und rätselhaft, doch mein Wissen um seine Herkunft und die Umstände der Aufzeichnung verliehen ihm das ahnungsvolle Grauen, das nicht durch Worte zu vermitteln ist. Ich werde den Text hier in voller Länge aus dem Gedächtnis wiedergeben, wobei ich fest davon überzeugt bin, dass ich Wort für Wort auswendig kenne – nicht nur durch die Lektüre der Abschrift, sondern auch durch das ständige Abspielen der Aufnahme selbst. So etwas vergisst man nicht so einfach!
(Unidentifizierbare Geräusche)
(Eine kultivierte männliche Menschenstimme)
… ist der Herr des Waldes, auch für … und die Gaben der Menschen von Leng … aus den Quellen der Nacht in die Abgründe des Alls, und aus den Abgründen des Alls zu den Quellen der Nacht, ewig sei das Lob des Großen Cthulhu, des Tsathoggua und Dessen, der nie mit Namen genannt werden darf. Ewig sei ihr Lob und reicher Segen sei der Schwarzen Ziege der Wälder. Iä! Shub-Niggurath! Die Ziege mit den tausend Jungen!
(Summende Nachahmung menschlicher Sprache)
Iä! Shub-Niggurath! Die Schwarze Ziege der Wälder mit den tausend Jungen!
(Menschliche Stimme)
Und so trug es sich zu, dass der Herr der Wälder, der … sieben und neun, die Onyxstufen herab … (Tri)but an Ihn im Abgrund, Azathoth, Er, von dem du uns Wunder lehrt(est) … auf den Schwingen der Nacht von jenseits des Alls, jenseits von d… zu Jenem, dessen jüngstes Kind Yuggoth ist, der einsam grollt im schwarzen Äther am Rande …
(Summende Stimme)
… gehe hin zu den Menschen und finde die Wege, auf dass Er im Abgrund es wisse. Nyarlathotep, dem Mächtigen Boten, sei alles mitgeteilt. Und Er wird die Gestalt des Menschen anlegen, die wächserne Maske und das alles verbergende Gewand, und wird herabkommen aus der Welt der Sieben Sonnen voller Hohn …
(Menschliche Stimme)
… (Nyarl)athotep, Großer Bote, der du Yuggoth durch die Leere sonderbare Wonnen bringst, Vater der Millionen von Günstlingen, Jäger unter …
(Unterbrochen vom Ende der Aufnahme)
Dies waren die Worte, die ich zu hören bekam, als ich den Fonografen einschaltete. Widerwillig und mit einem Anflug echter Angst betätigte ich den Hebel, hörte das anfängliche Kratzen der Saphirnadel und war froh darüber, dass die ersten leisen, bruchstückhaften Worte von einer menschlichen Stimme gesprochen wurden – einer sanften, kultivierten Stimme mit schwachem Boston-Akzent, die sicherlich keinem Einheimischen des Berglandes von Vermont gehörte. Ich lauschte der quälend leisen Wiedergabe und sah, dass die Rede mit Akeleys sorgfältigem Manuskript übereinzustimmen schien. Ich hörte den sanften Singsang der Bostoner Stimme: »Iä! Shub-Niggurath! Die Ziege mit den tausend Jungen!«
Und dann folgte die andere Stimme. Noch heute erschaudere ich beim bloßen Gedanken an den Schock, den sie mir versetzte, obwohl Akeleys Berichte mich darauf vorbereitet hatten. Diejenigen, denen ich seither die Aufzeichnung beschrieben habe, sehen nichts als billigen Betrug oder Wahnsinn darin. Aber hätten sie das verfluchte Etwas selbst gehört oder sämtliche Briefe Akeleys gelesen (vor allem den zweiten ausführlichen und fürchterlichen Brief), würden sie heute anders darüber denken. Letzten Endes ist es überaus bedauerlich, dass ich Akeleys Verbot nicht einfach missachtet und die Aufzeichnung auch anderen vorgespielt habe – ebenso bedauerlich, dass all seine Briefe verloren sind. Bei meinem Wissen um die Hintergründe und Umstände war der Klang der Stimme für mich etwas Ungeheuerliches. Sie folgte der Menschenstimme rasch mit einer anscheinend rituellen Antwort, doch in meiner Vorstellung war sie ein krankhaftes Echo, hergetragen über unfassbare Abgründe hinweg auf seinem Weg aus undenkbaren, allerfernsten Höllen. Es sind jetzt schon mehr als zwei Jahre vergangen, seit ich jenen blasphemischen Wachszylinder zum letzten Male abspielte, aber noch immer kann ich selbst in diesem Augenblick – wie auch zu jeder beliebigen Stunde – jenes leise dämonische Summen hören, genau so, wie es beim ersten Mal erklang.
»Iä! Shub-Niggurath! Die Schwarze Ziege der Wälder mit den tausend Jungen!«
Doch obwohl mir diese Stimme immerzu in den Ohren hallt, war es mir bislang nicht möglich, sie zwecks einer deutlichen Beschreibung ausreichend zu analysieren. Sie ähnelte dem Surren eines widerlichen riesigen Insekts, das sich auf wundersame Weise das Sprachvermögen einer ihm fremden Gattung angeeignet hat, und ich bin fest davon überzeugt, dass die Organe, die diese Laute hervorbrachten, keinerlei Ähnlichkeit mit den menschlichen Stimmbändern oder denen irgendeines anderen Säugetiers hatten. Timbre, Stimmlage und Zwischentöne wiesen Eigenheiten auf, die dieses Phänomen gänzlich außerhalb der menschlichen und irdischen Sphäre stellten. Beim ersten Abspielen der Aufnahme verblüffte das plötzliche Auftauchen der Stimme mich so sehr, dass ich der restlichen Aufzeichnung nur noch geistesabwesend zuhörte. Während des längeren Abschnittes, der von der summenden Stimme gesprochen wurde, verstärkte sich bei mir das Gefühl einer gotteslästerlichen Unendlichkeit, das mich bereits bei der kürzeren Passage überkommen hatte. An einer Stelle, an der die menschliche Stimme im Bostoner Akzent ungewöhnlich deutlich zu verstehen war, endete die Aufnahme abrupt. Lange, nachdem das Gerät sich automatisch abgeschaltet hatte, saß ich da und starrte das Gerät wie blöde an.
Ich muss wohl kaum darauf hinweisen, dass ich diese schockierende Aufzeichnung noch viele weitere Male abspielte und angestrengt versuchte, sie mithilfe von Akeleys Notizen zu analysieren und zu kommentieren. Es wäre nutzlos und darüber hinaus zu verstörend, an dieser Stelle alle unsere Mutmaßungen wiederzugeben; ich möchte nur andeuten, dass wir beide davon überzeugt waren, einen Schlüssel zur Herkunft einiger der widerlichsten urzeitlichen Bräuche in den rätselhaften alten Religionen der Menschheit entdeckt zu haben. Ebenso schien uns klar zu sein, dass es uralte und komplexe Bündnisse zwischen den verborgenen Kreaturen aus dem All und gewissen Angehörigen des Menschengeschlechtes gab. Wir hatten keine Anhaltspunkte dafür, wie weitreichend diese Bündnisse waren und ob ihr heutiger Zustand mit dem früherer Zeiten vergleichbar ist; doch für grenzenlose entsetzliche Spekulationen gab es Spielraum genug. Scheinbar existierte seit Urzeiten zwischen den Menschen und der namenlosen Unendlichkeit eine schreckliche Verbindung, die verschiedene, voneinander klar abgrenzbare Entwicklungsphasen durchlaufen hatte. Die auf der Erde aufgetauchten Blasphemien stammten, so nahmen wir an, von dem finstren Planeten Yuggoth am Rande des Sonnensystems. Dieser Planet war allerdings selbst nur der dicht besiedelte Vorposten einer furchtbaren interstellaren Rasse, deren eigentliche Herkunft weit außerhalb von Einsteins Raum-Zeit-Kontinuum oder dem bislang bekannten Kosmos liegen musste.
Indessen diskutierten wir weiterhin über den schwarzen Stein und die beste Art und Weise, diesen nach Arkham zu bringen – Akeley hielt es nicht für ratsam, dass ich ihn am Ort seiner albtraumhaften Studien besuchte. Aus irgendeinem Grunde fürchtete sich Akeley davor, das Ding auf einem der üblichen Transportwege zu verschicken. Schließlich kam er auf die Idee, den Stein selbst nach Bellows Falls zu bringen und ihn von dort mit der Boston and Maine-Eisenbahnlinie über Keene, Winchendon und Fitchburg zu versenden – auch wenn das bedingte, dass er über noch einsamere Wald- und Bergstraßen fahren musste als die Hauptverkehrsstraße nach Brattleboro. Er schrieb mir, ihm sei im Postamt von Brattleboro, als er mir die fonografische Aufzeichnung zuschicken wollte, ein Mann aufgefallen, dessen Verhalten und Aussehen alles andere als vertrauenerweckend gewesen seien. Dieser Mann habe sich auffällig darum bemüht, mit den Schalterbeamten zu reden, und nahm den Zug, mit dem auch die Aufzeichnung transportiert wurde. Akeley bekannte, ihm sei nicht wohl gewesen, bis er von mir über ihren sicheren Erhalt informiert worden war.
Ungefähr zu dieser Zeit – der zweiten Juliwoche – verschwand erneut einer meiner Briefe, wie ich aus einer ängstlichen Mitteilung Akeleys erfuhr. Er bat mich, ihm keine Post mehr nach Townshend zu schicken, sondern alles an ein Postfach des Hauptpostamtes von Brattleboro zu adressieren. Dorthin fuhr er häufig mit dem eigenen Wagen oder mit der Buslinie, die die rückständige Nebenstrecke der Eisenbahn ersetzte. Ich erkannte, dass er immer nervöser wurde, denn er berichtete mir detailliert von dem zunehmenden Gebell der Hunde in mondlosen Nächten und den frischen Klauenabdrücken, die er bei Tagesanbruch manchmal auf der Straße und im Schlamm hinter seinem Gehöft fand. Einmal berichtete er mir von einer regelrechten Heerschar solcher Spuren, die in einer Front einer ebenso dichten und entschlossenen Linie von Hundespuren gegenüberlagen; zum Beweis sandte er mir eine widerliche, verstörende Kodak-Aufnahme. Das war nach einer Nacht, in der die Hunde wie nie zuvor gebellt und geheult hatten.
Am Morgen des 18. Juli, eines Mittwochs, erhielt ich ein Telegramm aus Bellows Falls, in dem mir Akeley mitteilte, dass er den schwarzen Stein mit dem Zug Nr. 5508 der B. & M. abschicken würde. Der Zug verließ Bellow Falls um 12.15 Uhr Standardzeit und sollte den Nordbahnhof in Boston um 16.12 Uhr erreichen. Nach meinen Berechnungen sollte die Sendung am nächsten Tag gegen zwölf Uhr mittags in Arkham eintreffen, dementsprechend blieb ich den ganzen Donnerstagvormittag zu Hause, um den Stein in Empfang zu nehmen. Doch als ich nachmittags noch kein Paket erhalten hatte und bei der Post anrief, setzte man mich davon in Kenntnis, dass keine Lieferung für mich eingegangen sei. Mit wachsender Besorgnis führte ich ein Ferngespräch mit dem Postbeamten im Bostoner Nordbahnhof und war kaum überrascht zu hören, dass eine Sendung für mich dort nie angekommen war. Am Vortag war der Zug Nr. 5508 mit nur 35 Minuten Verspätung eingetroffen, hatte aber keine an mich adressierte Kiste an Bord. Der Beamte versprach mir jedoch, einen Nachforschungsantrag zu stellen. Ich beschloss den Tag mit einem Expressbrief an Akeley, um ihm die Lage zu schildern.
Anerkennenswert schnell erhielt ich schon am folgenden Nachmittag einen Bericht vom Bostoner Postamt. Der Beamte rief mich sofort an, sobald er die Fakten vorliegen hatte. Anscheinend konnte sich der Schaffner von Zug Nr. 5508 an einen Vorfall erinnern, der vielleicht mit meinem Verlust in Zusammenhang stand – einen Streit mit einem hageren bäuerlich aussehenden Mann mit rotblondem Haar und sehr sonderbarer Stimme gegen ein Uhr nachmittags Standardzeit während eines Zwischenhalts in Keene, New Hampshire.
Dieser Mann, so sagte er, habe großen Wirbel um eine schwere Kiste gemacht, die er angeblich erwartete, die sich aber weder im Zug befand noch in den Unterlagen der Gesellschaft verzeichnet war. Er nannte sich Stanley Adams und besaß eine derart tiefe, monoton klingende Stimme, dass der Schaffner ganz benommen und schläfrig wurde, als er ihm zuhörte. Der Schaffner konnte sich nicht einmal mehr genau erinnern, wie das Gespräch endete; er wusste nur noch, dass er erst wieder voll zu Bewusstsein kam, als der Zug anfuhr. Der Bostoner Beamte fügte hinzu, dieser Schaffner sei ein junger Mann von unzweifelhafter Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit, besäße einen einwandfreien Lebenslauf und arbeite schon lange für die Zuggesellschaft.
An jenem Abend fuhr ich nach Boston, um den Schaffner persönlich zu befragen, nachdem das Büro mir seinen Namen und seine Anschrift mitgeteilt hatte. Er erwies sich als offener, sympathischer Bursche, doch er konnte seiner früheren Aussage nichts mehr hinzufügen. Merkwürdigerweise sagte er, er sei sich nicht einmal sicher, ob er den seltsamen Mann, der sich an ihn gewandt hatte, wiedererkennen würde. Als mir klar wurde, dass er mir nicht mehr sagen konnte, kehrte ich nach Arkham zurück und schrieb bis in die frühen Morgenstunden Briefe an Akeley, die Postgesellschaft, die Polizei und den Stationsvorsteher des Bahnhofs von Keene. Ich vermutete, dass der Mann mit der sonderbaren Stimme, der den Schaffner auf so merkwürdige Art und Weise beeinflusst hatte, in dieser dubiosen Sache die Schlüsselrolle spielte, und hoffte, dass die Angestellten des Bahnhofs von Keene und die Protokolle des Telegrafenamtes mich über die näheren Umstände seiner Reklamation aufklären könnten.
Bedauerlicherweise führten meine Nachforschungen zu keinem Ergebnis. Der Mann mit der sonderbaren Stimme wurde tatsächlich am frühen Nachmittag des 18. Juli am Bahnhof von Keene gesehen, und einer der Wartenden brachte ihn vage mit einer schweren Kiste in Verbindung; allerdings handelte es sich um einen völlig Unbekannten, den man noch nie zuvor gesehen hatte und der auch später nicht mehr aufgetaucht war. Soweit man es ermitteln konnte, hatte er das Telegrafenamt nie aufgesucht und auch keine Nachricht versandt oder empfangen, die mit dem schwarzen Stein an Bord des Zuges Nr. 5508 in Zusammenhang stand. Selbstverständlich nahm Akeley an diesen Nachforschungen teil und reiste sogar persönlich nach Keene, um die Leute in der Umgebung des Bahnhofs zu befragen; jedoch war seine Einstellung angesichts der Lage noch fatalistischer als meine. Er sah in dem Verlust der Kiste das bedrohliche und unheilvolle Ergebnis einer unvermeidlichen Entwicklung und hatte kaum Hoffnung, sie zurückzuerlangen. Er sprach von den unbestreitbaren telepathischen und hypnotischen Fähigkeiten der Bergwesen und ihrer Handlanger, und in einem Brief deutete er an, der Stein befände sich seiner Ansicht nach nicht mehr auf der Erde. Ich für meinen Teil war überaus verärgert, da immerhin eine gewisse Aussicht bestanden hatte, den alten, verwitterten Hieroglyphen tiefgründige und erstaunliche Erkenntnisse zu entlocken. Die Sache wäre mir wohl noch lange nachgegangen, hätten Akeleys bald darauf eintreffende Briefe nicht eine neue Phase der grauenhaften Angelegenheit eingeläutet, die sogleich meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte.
IV
Die unbekannten Wesen, so schrieb Akeley in seiner mitleiderregenden, zittrigen Schrift, bedrängten ihn nun mit nie gekannter Entschlossenheit. In bewölkten oder mondlosen Nächten habe das Gebell der Hunde ein furchtbares Ausmaß angenommen, und auf den einsamen Straßen, die er bei Tage befahren musste, habe man versucht, ihm zu Leibe zu rücken. Am 2. August sei er mit seinem Wagen ins Dorf aufgebrochen, und an einer Stelle, wo die Straße durch ein tiefes Waldgebiet führte, habe ein Baumstamm ihm den Weg versperrt. Das wilde Bellen der beiden großen Hunde, die er mit sich genommen hatte, habe ihn nur allzu deutlich auf die Dinge hingewiesen, die ganz in der Nähe lauern mussten. Was geschehen wäre, hätte er die Hunde nicht bei sich gehabt, daran wage er gar nicht zu denken – doch von nun an verließe er niemals das Haus, ohne nicht mindestens zwei Tiere seines treuen und starken Rudels mit sich zu führen. Auch am 5. und 6. August habe es Vorfälle auf der Straße gegeben: Einmal habe ein Schuss seinen Wagen geschrammt, und beim zweiten Mal hätten ihm die Hunde mit ihrem Gebell wieder die Anwesenheit von etwas Gottlosem in den Wäldern verraten.
Am 15. August erhielt ich einen verzweifelten Brief, der mich sehr aufwühlte. Ich wünschte mir inständig, Akeley würde seine sture Zurückhaltung ablegen und das Gesetz zu Hilfe rufen. In der Nacht vom 12. auf den 13. war es außerhalb seines Gutshauses zu schrecklichen Vorfällen gekommen – um das Haus herum wurde geschossen, und am Morgen fand Akeley drei der zwölf großen Hunde tot auf. Auf der Straße waren zahllose Klauenabdrücke, dazwischen die Fußspuren von Walter Brown. Als Akeley in Brattleboro anrief, um weitere Hunde zu bestellen, brach die Verbindung ab, noch ehe er viel sagen konnte. Später fuhr er mit dem Auto nach Brattleboro und hörte dort, dass Streckenarbeiter die Telefonleitung in der verlassenen Berggegend nördlich von Newfane gekappt vorgefunden hätten. Er machte sich dann mit vier kräftigen neuen Hunden und mehreren Schachteln Munition für sein Wildjagdgewehr wieder auf den Heimweg, schrieb mir aber zuvor im Postamt von Brattleboro noch diesen Brief, der mich ohne Verzögerung erreichte.
Meine Einstellung zu der Sache wandelte sich während dieser Zeit sehr schnell von wissenschaftlicher Neugierde in persönliche Bestürzung. Ich machte mir Sorgen um Akeley in seinem entlegenen, einsamen Gutshaus und fürchtete auch um mein eigenes Wohlergehen, da ich nun so sehr in diese seltsamen Vorkommnisse verstrickt war. Die Sache griff um sich. Würde ich auch in ihren Strudel hineingezogen und verschlungen werden?
Ich beantwortete Akeleys Brief und drängte darauf, dass er sich Hilfe holen solle; ich gab ihm zu verstehen, dass ich mich selbst darum kümmern würde, falls er nichts unternähme. Ich sprach davon, ihn gegen seinen Wunsch in Vermont aufzusuchen und ihm dabei zu helfen, den Behörden die Lage zu erklären. Zur Antwort erhielt ich jedoch nur ein Telegramm aus Bellows Falls mit folgendem Inhalt:
WEISS IHRE HILFE ZU SCHÄTZEN, KANN ABER NICHTS TUN. UNTERNEHMEN SIE NICHTS. KANN UNS BEIDEN NUR SCHADEN. WARTEN SIE ERKLÄRUNG AB.
HENRY AKELY
Doch die Angelegenheit wurde immer merkwürdiger. Als Antwort auf meine Erwiderung des Telegramms erhielt ich eine mit zittriger Hand geschriebene Mitteilung von Akeley, er habe niemals ein Telegramm an mich geschickt und auch nie den Brief von mir erhalten, auf den das Telegramm sich offenbar bezog. Eine rasche Nachfrage in Bellows Falls habe ergeben, dass diese Nachricht von einem seltsamen rotblonden Mann mit einer eigentümlich tiefen, eintönig klingenden Stimme aufgegeben worden sei; mehr habe er allerdings nicht in Erfahrung bringen können. Der Schalterbeamte habe ihm den mit Bleistift geschriebenen Originaltext gezeigt, doch die Handschrift sei ihm völlig unbekannt gewesen. Es sei auffällig, dass die Unterschrift falsch geschrieben war: A-K-E-L-Y, ohne das zweite ›E‹. Unvermeidlich, dass sich aus alldem gewisse Schlüsse ziehen ließen, doch inmitten dieser Krise habe er nicht die Zeit, darüber nachzudenken.
Er berichtete mir vom Tod weiterer Hunde und dem abermaligen Ankauf neuer Tiere – und dass Schießereien nun fester Bestandteil jeder mondlosen Nacht geworden seien. Browns Fußspuren und die von mindestens zwei weiteren Menschen fänden sich nun regelmäßig zwischen den Klauenabdrücken auf der Straße und hinter dem Gehöft. Das sei schon eine ziemlich üble Geschichte, gab Akeley zu; schon bald würde er zu seinem Sohn nach Kalifornien ziehen müssen, ob er das alte Haus verkaufen könne oder nicht. Aber es fiele ihm nicht leicht, den einzigen Ort zu verlassen, den er wirklich als Heimat empfand. Er müsse versuchen, noch etwas länger durchzuhalten; vielleicht könne er die Eindringlinge verjagen – wenn er ihnen deutlich mache, dass er alle Versuche aufgebe, in ihre Geheimnisse einzudringen.
Ich schrieb Akeley unverzüglich und erneuerte mein Angebot, ihm dabei zu helfen, die Behörden von der großen Gefahr, in der er schwebte, zu überzeugen. In seiner Antwort schien er diesem Plan weniger ablehnend gegenüberzustehen, als ich zuvor erwartet hätte, dennoch sagte er, er würde lieber noch etwas abwarten – lange genug, um seine Sachen in Ordnung zu bringen und sich an die Vorstellung zu gewöhnen, seinen Geburtsort zu verlassen, an dem er mit einer geradezu krankhaften Zuneigung hing. Die Leute würden seine Studien und Spekulationen beargwöhnen, und es wäre besser, sich zurückzuziehen, ohne den ganzen Landkreis in Aufruhr zu versetzen und Zweifel an seinem eigenen Verstand auszulösen. Er räumte ein, dass er nun wirklich genug habe, doch wünsche er sich einen möglichst würdevollen Abschied.
Dieser Brief erreichte mich am 28. August, und ich sandte Akeley daraufhin die ermutigendste Antwort, die mir einfallen wollte. Allem Anschein nach zeigte diese Ermunterung Wirkung, denn er hatte mir in seiner Antwort darauf weniger Schrecknisse zu berichten. Jedoch war er nicht sehr optimistisch und brachte die Ansicht zum Ausdruck, dass es allein der Vollmond sei, der die Kreaturen fernhielte. Er hoffte, es gäbe in nächster Zeit nicht viele dicht bewölkte Nächte, und sprach davon, sich eine Unterkunft in Brattleboro nehmen zu wollen, wenn der Mond wieder abnahm. Erneut sandte ich ihm einen ermunternden Brief, doch am 5. September erreichte mich eine Mitteilung, die sich offensichtlich mit meinem Schreiben überschnitten hatte – und auf diese Mitteilung vermochte ich keine hoffnungsvolle Antwort mehr zu geben. Angesichts ihrer Bedeutsamkeit sollte ich sie wohl besser in voller Länge wiedergeben – so gut es mir aus dem Gedächtnis gelingen will. Sie lautete im Großen und Ganzen wie folgt:
Montag
Lieber Wilmarth!
Ein recht entmutigender Nachtrag zu meinem letzten Schreiben. Letzte Nacht war der Himmel stark bewölkt, obwohl es nicht regnete. Vom Mond war nichts zu sehen. Es war alles ziemlich übel, und ich glaube, das Ende steht kurz bevor, trotz all unserer Hoffnungen. Nach Mitternacht landete irgendetwas auf dem Dach des Hauses, und die Hunde sprangen auf, um zu sehen, was es war. Ich hörte sie knurren und herumrennen, dann gelang es einem von ihnen, über das niedrigere Nebenhaus aufs Dach zu springen. Es gab einen fürchterlichen Kampf dort oben, und ich hörte ein entsetzliches Summen, das ich niemals vergessen werde. Dann verbreitete sich ein grauenhafter Geruch. Ungefähr zum selben Zeitpunkt durchschlugen Kugeln das Fenster und streiften mich beinahe. Ich glaube, eine große Gruppe der Bergwesen kam dem Haus sehr nahe, als die Hunde durch den Kampf auf dem Dach abgelenkt wurden. Ich weiß nicht, was sich dort oben befand, aber ich fürchte, dass die Kreaturen mit ihren Weltraumschwingen mittlerweile besser manövrieren können. Ich löschte das Licht, benutzte die Fenster als Schießscharten und nahm das gesamte Gelände unter Feuer, wobei ich gerade so hoch zielte, dass ich die Hunde nicht traf. Damit schien die Sache erledigt, aber am Morgen fand ich auf dem Hof große Blutlachen – und daneben Pfützen eines grünen klebrigen Zeugs, das schlimmer roch als alles, was mir je untergekommen ist. Ich kletterte aufs Dach und fand dort noch mehr von der klebrigen Masse. Fünf der Hunde wurden getötet – ich fürchte, einen davon habe ich selbst erschossen, als ich zu tief zielte, denn er wurde im Rücken getroffen. Jetzt ersetze ich die zerbrochenen Fensterscheiben und werde später nach Brattleboro fahren, um neue Hunde zu besorgen. Die Männer vom Hundezwinger werden mich wahrscheinlich für verrückt halten. Werde Ihnen später nochmals schreiben. Bin vermutlich in ein, zwei Wochen bereit für den Umzug, obwohl der Gedanke daran mich fast umbringt.
In aller Eile:
AKELEY
Dies war nicht der einzige von Akeleys Briefen, der sich mit einem der meinen überschnitt. Am nächsten Morgen, dem 6. September, kam ein weiterer; dieses Mal eine panisch hingekritzelte Mitteilung, die mich völlig zermürbte, sodass ich nicht mehr wusste, was ich als Nächstes schreiben oder tun sollte. Wiederum bleibt mir nichts anderes übrig, als den Text so wortgetreu wiederzugeben, wie mein Gedächtnis es mir gestattet:
Dienstag
Die Wolkendecke riss nicht auf, also wieder kein Mondlicht – der Mond nimmt jetzt ohnehin ab. Ich würde im Haus eine Stromleitung legen lassen und einen Suchscheinwerfer aufstellen, wenn ich nicht wüsste, dass sie die Kabel im Handumdrehen durchschneiden würden.
Ich glaube, ich werde wahnsinnig. Vielleicht ist alles, was ich Ihnen geschrieben habe, nur ein Traum oder eine Wahnvorstellung. Es war schon vorher schlimm, doch diesmal ist es zu viel. Sie haben letzte Nacht mit mir gesprochen – mit dieser verfluchten summenden Stimme – und haben mir Dinge gesagt, die ich Ihnen nicht zu wiederholen wage. Ich hörte sie trotz des Hundegebells ganz deutlich, und wenn sie davon übertönt wurden, unterstützte eine menschliche Stimme sie. Halten Sie sich raus aus der Sache, Wilmarth, es ist alles viel schlimmer, als wir beide es je befürchtet hätten. Sie wollen mich jetzt nicht mehr nach Kalifornien entkommen lassen, sie wollen mich lebendig – oder was immer sie darunter verstehen mögen –, um mich von hier fortzuschaffen. Nicht nur zum Yuggoth, sondern weit darüber hinaus – zu einem Ort weit außerhalb der Galaxis, und womöglich über die äußerste Grenze des Weltalls hinaus. Ich sagte ihnen, dass ich nicht mitgehen werde, nicht auf die von ihnen erdachte schreckliche Art und Weise, doch ich fürchte, das wird nicht helfen. Mein Haus liegt so entlegen, dass sie früher oder später nicht mehr nur nachts, sondern auch tagsüber kommen werden. Sechs weitere Hunde haben sie getötet, und als ich heute nach Brattleboro fuhr, spürte ich die ganze Zeit über ihre Gegenwart in den Wäldern entlang der Straße.
Es war ein Fehler, dass ich Ihnen die Tonaufzeichnung und den schwarzen Stein zukommen lassen wollte. Vernichten Sie die Aufnahme, ehe es zu spät ist. Ich werde Ihnen morgen kurz schreiben, falls ich noch hier bin. Könnte ich bloß meine Bücher und Siebensachen nach Brattleboro schaffen und dort unterkommen. Ich würde ja ohne das alles fliehen, wäre ich dazu fähig, doch etwas hält mich davon ab. Es wäre möglich, nach Brattleboro zu entkommen, wo ich vielleicht sicher bin, doch dort fühle ich mich ebenso als Gefangener wie in meinem Haus. Und ich ahne, dass ich viel weiter gar nicht käme, ganz gleich, ob ich alles stehen und liegen lasse oder nicht. Es ist furchtbar. Halten Sie sich raus aus dieser Sache.
Grüße,
AKELEY
In der Nacht nach dem Eintreffen dieses schrecklichen Briefes fand ich keinen Schlaf und war mir völlig im Unklaren über Akeleys Geisteszustand. Der Inhalt der Mitteilung war vollkommen irrsinnig, doch die Art, wie Akeley sich ausdrückte, war angesichts all dessen, was vorgefallen war, von starker, geradezu grimmiger Überzeugungskraft.
Ich antwortete nicht darauf, sondern hielt es für besser, abzuwarten, bis Akeley Zeit fand, mein letztes Schreiben zu erwidern. Tatsächlich kam seine Antwort am nächsten Tag, doch die darin enthaltenen Neuigkeiten verdrängten alles, was ich in meinem Brief angesprochen hatte. Der Text, hastig und offenbar in großer Bedrängnis hingekritzelt und voller Tintenflecke, lautete wie folgt, sofern ich mich recht entsinne:
Mittwoch
W.,
Ihr Brief kam an, aber es ist zwecklos, noch weitere Diskussionen zu führen. Ich habe aufgegeben. Ich wundere mich, dass ich überhaupt noch genug Willenskraft habe, um mich gegen sie zu wehren. Ich kann ihnen nicht entkommen, selbst wenn ich alles aufgäbe und fortliefe. Sie werden mich kriegen.
Gestern erhielt ich einen Brief von ihnen – der Postbote brachte ihn, während ich in Brattleboro war. Adressiert und abgestempelt in Bellows Falls. Darin steht, was sie mit mir anstellen wollen – ich kann das nicht wiedergeben. Passen Sie gut auf sich auf! Vernichten Sie die Aufnahme! Die Nächte sind bewölkt, und der Mond nimmt immer weiter ab. Würde ich nur wagen, Hilfe zu holen – das würde vielleicht meine Willenskraft stärken –, aber jeder, der sich überhaupt trauen würde, hierherzukommen, müsste mich ja für verrückt halten, wenn ich nicht gerade zufällig einen Beweis vorzeigen könnte. Ich kann niemanden darum bitten, für nichts und wieder nichts hierherzukommen – ich habe seit Jahren keinerlei Kontakte mehr.
Aber das Schlimmste habe ich Ihnen noch gar nicht erzählt, Wilmarth. Halten Sie sich fest, denn das, was Sie jetzt lesen, wird Ihnen einen Schock versetzen. Aber ich sage Ihnen nur die Wahrheit. Folgendes: Ich habe eines dieser Dinger gesehen und es berührt, oder wenigstens einen Teil eines dieser Dinger. Großer Gott, es ist so grauenhaft! Es war natürlich tot. Einer der Hunde hatte es erwischt, und ich fand es heute Morgen in der Nähe des Zwingers. Ich habe versucht, es im Holzschuppen aufzubewahren, um die Leute von der Wahrheit der ganzen Sache überzeugen zu können, aber es hat sich binnen weniger Stunden aufgelöst. Nichts ist davon übrig geblieben. Sie wissen ja, dass die Dinger in den Flüssen nur am ersten Morgen nach der Überschwemmung gesehen wurden. Nun das Übelste: Ich habe versucht, für Sie eine Fotografie davon zu machen, aber als ich den Film entwickelte, war auf den Bildern nichts zu sehen als der Schuppen. Woraus mag dieses Ding bestanden haben? Ich sah es, ich berührte es, und sie alle hinterlassen Fußspuren. Es bestand ohne Zweifel aus Materie – doch aus welcher Art Materie? Die Form kann nicht beschrieben werden. Es war eine riesige Krabbe, und anstelle eines Kopfes hatte es viele pyramidenartig angeordnete Ringe oder Knoten aus einer dicken, zähen Fleischmasse, bedeckt mit Fühlern. Das grüne klebrige Zeug ist ihr Blut oder Lebenssaft.
Jede Minute können mehr von ihnen auf die Erde kommen.
Walter Brown ist verschwunden – man hat ihn in den Dörfern der Umgegend nicht mehr herumlungern gesehen. Ich muss ihn mit einem meiner Schüsse erwischt haben; die Kreaturen versuchen anscheinend immer, ihre Toten und Verwundeten fortzuschaffen.
Heute Nachmittag bin ich ohne Schwierigkeiten in die Stadt gekommen, ich befürchte aber, dass sie sich zurückhalten, weil sie sich meiner sicher sind. Ich schreibe dies hier im Postamt von Brattleboro. Vielleicht ist es das letzte Mal, dass Sie von mir hören – wenn dem so sein sollte, dann schreiben Sie meinem Sohn George Goodenough Akeley, 176 Pleasant St., San Diego, Kalifornien. Kommen Sie aber auf keinen Fall hierher. Schreiben Sie dem Jungen, wenn Sie in einer Woche noch nichts von mir gehört haben, und achten Sie auf Meldungen in den Zeitungen.
Ich werde jetzt meine letzten beiden Trümpfe ausspielen – sollte mir noch genug Willenskraft bleiben. Als Erstes werde ich versuchen, Giftgas gegen die Dinger einzusetzen (ich habe die dafür nötigen Chemikalien und Masken für mich und die Hunde vorbereitet), und sollte das nicht helfen, werde ich den Sheriff rufen. Sie können mich ja in ein Irrenhaus sperren, wenn sie wollen – das wäre immer noch besser als das, was diese anderen Kreaturen mit mir vorhaben. Vielleicht kann ich die Aufmerksamkeit der Beamten auf die Spuren um das Haus herum lenken – sie sind nur schwach, aber ich finde jeden Morgen welche. Ich nehme aber an, dass die Polizei mir vorwerfen würde, ich hätte sie irgendwie gefälscht. Hier halten mich ohnehin alle für einen Sonderling.
Ich muss einen Beamten der Staatspolizei dazu bringen, sich eine Nacht lang die Sache selbst anzusehen – doch ich gehe davon aus, dass die Kreaturen davon erfahren und sich fernhalten würden. Sie kappen die Leitung, sobald ich nachts zu telefonieren versuche – die Streckenarbeiter halten das für sehr eigenartig. Sie könnten für mich aussagen, falls sie nicht glauben, ich selbst würde die Kabel durchschneiden. Ich habe die Leitung jetzt seit einer Woche nicht mehr reparieren lassen.
Ich könnte ein paar der ungebildeten Leute dazu bringen, die Wirklichkeit des Grauens zu bestätigen, doch alle Welt lacht über das, was sie sagen, und außerdem meiden sie mein Anwesen schon so lange, dass sie nichts von den jüngsten Vorkommnissen wissen. Mit keinem Geld der Welt ließe sich einer dieser armseligen Bauern dazu bewegen, meinem Haus näher als einen Kilometer zu kommen. Der Briefträger hört sich ihre Geschichten an und macht sich dann bei mir darüber lustig – großer Gott! Wenn ich ihm bloß sagen könnte, wie recht sie damit haben! Ich sollte ihn wohl auf die Fußspuren aufmerksam machen, aber in der Regel kommt er erst am Nachmittag, und dann sind sie meistens schon wieder verschwunden. Würde ich eine der Spuren schützen, indem ich eine Kiste oder eine Pfanne darüberlege, hielte er sie mit Sicherheit für eine Fälschung oder einen Scherz.
Wäre ich nur nicht ein solcher Einsiedler geworden, dann kämen wie früher noch öfter Leute vorbei. Ich habe nie gewagt, jemandem den schwarzen Stein oder die Kodak-Bilder zu zeigen oder diese Aufzeichnung vorzuspielen, nur den ganz Ungebildeten. Alle anderen hätten mich der Fälschung bezichtigt und mich ausgelacht. Vielleicht sollte ich die Bilder doch noch öffentlich machen. Sie geben die Klauenabdrücke ganz deutlich wieder, auch wenn man die Dinger, von denen sie stammen, nicht fotografieren kann. Eine Schande, dass niemand dieses Ding heute Morgen gesehen hat, bevor es sich in nichts auflöste!
Aber eigentlich ist es mir auch gleich. Nach allem, was ich durchgemacht habe, erscheint mir das Irrenhaus gar nicht so übel. Die Ärzte könnten mir dabei helfen, dieses Haus zu verlassen, und das ist das Einzige, was mich noch retten kann.
Schreiben Sie meinem Sohn George, sollten Sie nicht bald wieder von mir hören. Leben Sie wohl, vernichten Sie die Aufzeichnung und halten Sie sich von dieser Sache fern.
Grüße,
AKELEY
Dieser Brief stürzte mich in das tiefste Entsetzen. Ich wusste keine Antwort darauf, warf nur ein paar unzusammenhängende Ratschläge und Ermutigungen aufs Papier und sandte sie ihm als Einschreiben. Ich weiß noch, dass ich Akeley bestürmte, sofort nach Brattleboro überzusiedeln und die Behörden um Schutz zu ersuchen; dem fügte ich hinzu, dass ich mit der Fonografenaufnahme in die Stadt kommen und vor Gericht dabei helfen würde, seine geistige Gesundheit zu beweisen. Außerdem schrieb ich, wenn ich mich recht entsinne, dass es nun an der Zeit sei, die Bevölkerung vor dieser Gefahr in ihrer Mitte zu warnen. Der Leser wird bemerkt haben, dass ich in diesem Moment seelischer Belastung allem, was Akeley geschrieben und behauptet hatte, mehr oder weniger völligen Glauben schenkte – obwohl ich vermutete, dass das Misslingen der Fotografie des toten Ungeheuers nicht auf irgendeine Laune der Natur, sondern auf Akeleys eigenes Versehen zurückzuführen war.
V
Dann erreichte mich am Samstagnachmittag, dem 18. September, dieser so gänzlich andersartige Brief, säuberlich auf einer Schreibmaschine getippt – offenbar hatte er sich mit meiner wirren Mitteilung gekreuzt. Es war ein seltsames und beschwichtigendes Schreiben, und es enthielt eine Einladung, die auf eine wundersame Wendung in dem albtraumhaften Drama inmitten der einsamen Berge hinzuweisen schien. Erneut zitiere ich aus dem Gedächtnis – aus besonderem Grund werde ich versuchen, den Stil des Schreibens so gut wie möglich wiederzugeben. Es wurde in Bellows Falls abgestempelt, und die Unterschrift war, ebenso wie der Brief selbst, auf der Maschine geschrieben, wie es bei Anfängern im Maschinenschreiben recht häufig vorkommt. Der Text jedoch war, ungewöhnlich für einen Neuling, gänzlich fehlerfrei getippt; daraus schloss ich, dass Akeley schon mit der Schreibmaschine vertraut sein musste – vielleicht von der Universität her. Es trifft zu, dass der Brief mich beruhigte, doch hielt sich in meiner Erleichterung noch ein Rest von Unbehagen. Akeley hatte sich in all dem Grauen seinen Verstand bewahrt, aber traf dies jetzt, nach seiner Rettung, noch zu? Und die ›verbesserten Beziehungen‹, die er erwähnte … worum handelte es sich? Der gesamte Brief brachte eine vollständige Umkehrung von Akeleys bisheriger Haltung zum Ausdruck! Doch hier nun der Text, sorgfältig aufgezeichnet nach meinem Gedächtnis, auf das ich ein wenig stolz bin.
Townshend, Vermont,
Donnerstag, 6. September 1928
An Albert N. Wilmarth, Esq.,
Miskatonic-Universität
Arkham, Massachusetts
Mein lieber Wilmarth!
Mit großer Freude kann ich Sie endlich hinsichtlich all der albernen Dinge, von denen ich Ihnen schrieb, beruhigen. Mit dem Wort ›albern‹ ist hier meine ängstliche Grundeinstellung gemeint, nicht jedoch die Beschreibung gewisser Phänomene. Jene Phänomene sind durchaus real und von großer Bedeutung; mein Fehler bestand darin, ihnen gegenüber eine anormale Haltung einzunehmen.
Ich glaube bereits erwähnt zu haben, dass meine fremdartigen Besucher mit mir in Kontakt treten wollten. Letzte Nacht entwickelte sich daraus tatsächlich ein Austausch. Auf bestimmte Signale hin gestattete ich einem Botschafter der Wesen dort draußen, das Haus zu betreten – es war ein Mensch, wie ich hinzufügen muss. Er erzählte mir vieles, das weder Sie noch ich je vermutet hätten, und überzeugte mich davon, wie völlig falsch wir die Absicht der Außerweltlichen eingeschätzt haben, ihre geheime Kolonie hier auf der Erde zu unterhalten.
Es scheint, dass die boshaften Legenden darüber, was sie den Menschen angeblich versprochen hätten und was sie hier auf der Erde wollten, zur Gänze auf einem ignoranten Missverständnis allegorischer Sprache beruhen – einer Sprache, die sich natürlich aus kulturellen Hintergründen und Gedankengängen entwickelt hat, die in hohem Maße von den unseren verschieden sind. Ich gestehe offen ein, dass meine eigenen Hypothesen ebenso sehr danebenlagen wie die Mutmaßungen analphabetischer Bauern und primitiver Indianer. Was mir krankhaft, schändlich und widerlich erschien, ist in Wahrheit imponierend, horizonterweiternd und sogar rühmlich – meine frühere Einschätzung war lediglich ein vorübergehender Ausdruck der ewigen Neigung des Menschen, dem gänzlich Fremden mit Hass, Furcht und Abscheu zu begegnen.
Jetzt bereue ich den Schaden, den ich im Verlauf unserer nächtlichen Scharmützel diesen fremden und unglaublichen Wesen zugefügt habe. Hätte ich nur gleich ihr Angebot angenommen, mich friedlich und vernünftig mit ihnen zu unterhalten! Aber sie hegen deshalb keinen Groll gegen mich; ihre Gefühle sind sehr verschieden von den unsrigen. Unglücklicherweise waren ihre menschlichen Stellvertreter in Vermont überaus minderwertige Subjekte – wie etwa der verstorbene Walter Brown. Seinetwegen hatte ich gegenüber den Wesen erhebliche Vorurteile. Aber sie haben niemals wissentlich Menschen etwas angetan; im Gegenteil, unsere Art hat oftmals ihnen grausames Unrecht zugefügt und ihnen nachspioniert. Es gibt eine geheime Sekte bösartiger Menschen (einem Mann mit Ihren Kenntnissen auf dem Gebiete der Mystik wird es genügen, wenn ich sie mit Hastur und dem Gelben Zeichen in Verbindung bringe), die im Auftrag monströser Mächte aus anderen Dimensionen Jagd auf die Wesen macht und sie schädigt. Gegen diese Aggressoren – und nicht gegen die übrige Menschheit – richten sich die drastischen Vorsichtsmaßnahmen der Außerweltlichen. In diesem Zusammenhang habe ich auch erfahren, dass viele unserer verschwundenen Briefe nicht von den Außerweltlichen, sondern von den Abgesandten dieses verderblichen Kultes gestohlen wurden.
Die Außerweltlichen wünschen lediglich, von den Menschen in Ruhe gelassen und nicht belästigt zu werden, und möchten mit ihnen in einen stärkeren geistigen Austausch treten. Letzteres ist mittlerweile absolut notwendig, da wir mithilfe unserer Erfindungen und technischen Hilfsmittel unser Wissen und unsere Mobilität so weit entwickelt haben, dass es für die notwendigen Vorposten der Wesen fast unmöglich geworden ist, unbemerkt auf diesem Planeten zu existieren. Die Außerweltlichen verspüren den Wunsch, die Menschheit besser kennenzulernen; außerdem sollen einige der führenden Philosophen und Wissenschaftler der Erde Gelegenheit haben, einiges von ihnen zu erfahren. Durch einen solchen Wissensaustausch würden alle Gefahren beseitigt und ein modus vivendi etabliert, der beide Parteien zufriedenstellen wird. Schon der bloße Gedanke, diese Wesen hätten vor, die Menschheit zu versklaven oder zu erniedrigen, ist lächerlich.
Um diese Verbesserung der Beziehungen einzuleiten, haben die Außerweltlichen natürlich mich – der ich schon so vieles über sie weiß – als ihren wichtigsten Dolmetscher auf Erden gewählt. Letzte Nacht wurde mir schon viel berichtet – überaus erstaunliche und erhellende Tatsachen –, und in nächster Zeit wird mir mündlich wie schriftlich Weiteres mitgeteilt werden. Noch wird man nicht von mir verlangen, eine Reise nach draußen anzutreten, obwohl ich irgendwann gewiss den Wunsch danach verspüren werde – dabei kommen besondere Techniken zur Anwendung, die weit über das hinausgehen, was wir gemeinhin unter menschlicher Erfahrung verstehen.
Mein Haus wird nun nicht mehr belagert. Alles ist wieder im Normalzustand, und für die Hunde werde ich keine Verwendung mehr haben. Anstelle des Terrors habe ich nun einen Quell des Wissens gewonnen und nehme an einem geistigen Abenteuer teil, wie es nur wenige Sterbliche je erleben durften.
Die Außerweltlichen sind die vielleicht erstaunlichsten organischen Lebewesen in Raum und Zeit – oder auch jenseits davon. Sie gehören einer im gesamten Kosmos verbreiteten Rasse an, von der alle anderen Lebensformen bloß degenerierte Varianten darstellen. Sie sind eher pflanzlich als tierisch, sofern man diese Begriffe überhaupt auf die Materie anwenden kann, aus der sie bestehen, und weisen eine gewissermaßen pilzartige Struktur auf. Allerdings unterscheiden sie sich durch eine chlorophyllähnliche Substanz und ein recht einzigartiges Ernährungssystem deutlich von den wirklichen Kormophyten-Pilzarten. Tatsächlich bestehen sie aus einer Art Materie, die unserem Teil des Weltraums völlig fremd ist: Die Elektronen weisen eine gänzlich andere Schwingungsrate auf. Das ist auch der Grund, weshalb sie mit den gewöhnlichen Kamerafilmen unserer Welt nicht abgelichtet werden können, auch wenn wir sie mit unseren Augen zu sehen vermögen. Mit den richtigen Kenntnissen wäre jedoch jeder gute Chemiker in der Lage, eine fotografische Emulsion herzustellen, mit der man ihr Bild festhalten könnte.
Diese Gattung besitzt die einzigartige Fähigkeit, in körperlicher Gestalt den wärmelosen und luftleeren interstellaren Raum zu bereisen, obwohl manche ihrer Abarten dies nur mit technischer Unterstützung oder nach einem eigenartigen chirurgischen Eingriff bewältigen können. Nur wenige Arten verfügen über die äther-resistenten Flügel, die für die Vermonter Variante charakteristisch sind. Diejenigen, die bestimmte entlegene Gipfel der Alten Welt bewohnen, kamen auf andere Weise dorthin. Ihre äußere Ähnlichkeit mit tierischen Lebensformen und der Art von Struktur, die wir als stofflich auffassen, hat eher etwas mit einer parallelen Entwicklung als mit einer nahen Verwandtschaft zu tun. Die Kapazität ihres Gehirns überragt die jeder anderen derzeit existierenden Lebensform, allerdings sind die geflügelten Exemplare unserer Berge keineswegs die am höchsten entwickelten. Ihr übliches Kommunikationsmittel ist die Telepathie, aber sie verfügen über rudimentäre Stimmorgane, die nach einem kleinen operativen Eingriff (die Chirurgie ist bei ihnen eine unglaublich hoch entwickelte und alltägliche Kunst) ungefähr die Sprache der Organismen nachahmen können, die sich noch sprachlich verständigen.
Ihre derzeitige Heimat ist ein noch unentdeckter und fast lichtloser Planet am äußersten Rand unseres Sonnensystems – von der Sonne aus gesehen der neunte Planet, noch hinter dem Neptun. Dabei handelt es sich, wie wir gemutmaßt haben, um die Welt, die in den alten und verbotenen Schriften mit ›Yuggoth‹ bezeichnet wird. Bald wird dort eine Konzentration aller Geisteskraft stattfinden, die auf unsere Welt ausgerichtet ist, um eine mentale Verbindung herzustellen. Es würde mich nicht überraschen, wenn Astronomen durch diese Gedankenwellen dazu gebracht werden, den Yuggoth zu entdecken, sollten die Außerweltlichen dies wünschen. Doch Yuggoth ist natürlich nur ein Sprungbrett. Die größte Gruppe der Wesen bewohnt sonderbar beschaffene Abgründe, die fernab von allem liegen, was der menschliche Verstand sich vorzustellen vermag. Das Raum-Zeit-System, in dem wir die Gesamtheit allen kosmischen Seins erkennen, ist in ihrer wahren Unendlichkeit ein bloßes Atom. Und sofern ein menschliches Hirn diese Unendlichkeit erfassen kann, so wird sie mir schließlich offenbart werden – was seit Anbeginn der menschlichen Rasse nicht mehr als fünfzig Menschen zuteilgeworden ist.
Sie werden all das vermutlich anfangs für Fantastereien halten, Wilmarth, aber im Laufe der Zeit werden Sie die gewaltige Chance zu schätzen lernen, auf die ich gestoßen bin. Ich möchte so viel davon wie möglich mit Ihnen teilen, und zu diesem Zweck muss ich Ihnen tausenderlei Dinge erzählen, die ich nicht zu Papier bringen kann. In der Vergangenheit habe ich Ihnen davon abgeraten, mich hier zu besuchen. Nun, da alles sicher ist, freue ich mich, dass ich diese Warnung widerrufen kann und Sie einladen darf.
Können Sie nicht hierherkommen, bevor Ihr Semester beginnt? Das wäre einfach wunderbar. Bringen Sie die fonografische Aufzeichnung und alle meine Briefe an Sie mit, damit wir sie zurate ziehen können – wir werden sie brauchen, um die ganze unglaubliche Geschichte wie ein Puzzle zusammenfügen zu können. Sie sollten auch die Kodak-Fotos mitbringen, da ich in der jüngsten Aufregung anscheinend die Negative und meine eigenen Abzüge verlegt habe. Doch welch einen Reichtum an Fakten ich diesem ungenügenden Material hinzuzufügen habe – und welch erstaunliche Mittel stehen mir zur Verfügung, um diese Ergänzungen noch zu erweitern!
Zögern Sie nicht – ich bin jetzt keinerlei Beschattung mehr ausgesetzt, und Sie werden auf nichts Unnatürliches oder Verstörendes stoßen. Kommen Sie einfach, ich werde Sie mit dem Wagen vom Bahnhof in Brattleboro abholen. Bleiben Sie so lange Sie möchten, und bereiten Sie sich vor auf zahlreiche Abende mit Gesprächen über Themen, die jede menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Natürlich dürfen Sie niemandem davon erzählen – diese Angelegenheit darf nicht an die breite Öffentlichkeit gelangen.
Die Zugverbindung nach Brattleboro ist gar nicht schlecht; in Boston können Sie sich einen Fahrplan besorgen. Nehmen Sie den B. & M. nach Greenfield und steigen Sie dort um, es ist dann nur noch eine kurze Strecke. Ich schlage vor, Sie nehmen ab Boston ganz bequem den Zug um 16.10 Uhr Standardzeit. Er erreicht Greenfield um 19.35 Uhr, wo um 21.19 Uhr ein Zug abfährt, der um 22.01 Uhr in Brattleboro eintrifft. Er fährt jeden Werktag. Lassen Sie mich wissen, an welchem Tag Sie kommen, und ich werde mit dem Wagen am Bahnhof sein.
Bitte verzeihen Sie diesen maschinengeschriebenen Brief, aber wie Sie wissen, ist meine Handschrift in letzter Zeit sehr zittrig geworden, und ich fühle mich langen Schriftstücken nicht mehr gewachsen. Ich habe mir gestern in Brattleboro diese neue Corona-Schreibmaschine gekauft – und sie scheint hervorragend zu funktionieren.
Ich hoffe auf eine Nachricht von Ihnen und freue mich darauf, Sie schon bald hier mit der Fonografenaufzeichnung, meinen Briefen und den Kodak-Aufnahmen begrüßen zu dürfen.
In freudiger Erwartung der Ihre,
HENRY W. AKELEY
Es lässt sich nicht angemessen in Worte fassen, was ich empfand, während ich den Brief las, ihn nochmals las und über ihn nachdachte. Wie ich bereits sagte, verspürte ich zugleich Erleichterung und Unbehagen, doch ist das nur eine ungenügende Beschreibung meiner vielfältigen und größtenteils unterbewussten Gefühle, von denen Erleichterung und Unbehagen nur einen Teil darstellten. Zum einen stand diese Sache in einem so krassen Gegensatz zu der gesamten Kette schrecklicher Vorkommnisse, die ihr vorangegangen war – der Stimmungswechsel von nacktem Grauen hin zu gelassener Selbstgefälligkeit, gar zu triumphierender Freude kam so unerwartet, blitzartig und schien so vollständig zu sein! Ich konnte kaum glauben, dass sich die psychische Verfassung des Menschen, der mir noch am Mittwoch die letzte panische Mitteilung geschrieben hatte, innerhalb eines Tages derart wandeln konnte – ganz gleich, welche beruhigenden Enthüllungen dieser Tag auch mit sich gebracht haben mochte. Zwei Unwirklichkeiten schienen hier aufeinanderzustoßen, und dieses Gefühl weckte in mir den Verdacht, jenes ferne Drama voller fantastischer Mächte sei nur ein halluzinatorischer Traum meines eigenen Geistes. Dann dachte ich an die fonografische Aufzeichnung, und meine Verwirrung wuchs ins Unermessliche.
Der Brief war so anders als alles, was ich erwartet hatte! Als ich den Eindruck, den er auf mich machte, genauer analysierte, erkannte ich zwei klar zu unterscheidende Aspekte der Angelegenheit. Erstens: Wenn ich davon ausging, dass Akeley die ganze Zeit über bei Verstand gewesen war und dies noch immer zutraf, dann war die von ihm behauptete Veränderung der Situation viel zu plötzlich eingetreten und eigentlich unerklärlich. Zweitens: Der Wandel in Akeleys Verhalten, seiner Einstellung und seiner Sprache lag jenseits von allem, was normal oder vorhersehbar erschien. Die gesamte Persönlichkeit dieses Mannes musste eine heimtückische Mutation durchlaufen haben – eine so tief greifende Mutation, dass man die beiden Phasen seines Zustandes kaum miteinander in Einklang bringen konnte, jedenfalls nicht unter der Voraussetzung, dass er in beiden bei vollem Verstand gewesen war. In der Wortwahl, selbst in der Rechtschreibung – in allem lag ein kaum merklicher Unterschied. Und da ich dank meiner akademischen Bildung überaus sensibel für stilistische Feinheiten bin, erkannte ich in seinem Satzrhythmus gravierende Abweichungen. Es musste sich um eine extreme emotionale Veränderung oder Offenbarung handeln, die einen solch radikalen Wandel hervorbringen konnte! Doch andererseits schien der Brief recht typisch für Akeley zu sein. Dieselbe alte Leidenschaft für die Unendlichkeit – dieselbe alte Wissbegierde des Gelehrten. Ich konnte keinen Moment lang, oder doch nicht länger als einen Moment, der Vorstellung Glauben schenken, einem Schwindel oder einer boshaften Fälschung aufgesessen zu sein. Bewies denn nicht die Einladung, sein Angebot, dass ich den Wahrheitsgehalt des Briefes persönlich nachprüfen dürfe, bereits dessen Authentizität?
In der Nacht von Samstag auf Sonntag legte ich mich nicht schlafen, sondern sann die ganze Zeit über den Rätseln des Briefes nach. Mein Verstand, der in den letzten vier Monaten eine rasche Folge ungeheuerlicher Vorstellungen hatte verkraften müssen, kreiste zwischen Zweifel und Akzeptanz um diese verwirrenden Neuigkeiten, wobei ich die gleichen Phasen wie zuvor durchlief, als ich mich mit den anderen Unglaublichkeiten konfrontiert gesehen hatte. Lange vor Morgengrauen war der Ansturm verwirrender und beunruhigender Gefühle einer brennenden Neugierde gewichen. Ob er nun wahnsinnig oder bei Sinnen, gänzlich verwandelt oder lediglich erleichtert sein mochte – es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Akeley bei seinen gefährlichen Untersuchungen neue bemerkenswerte Perspektiven entdeckt hatte, die zugleich die (wirklichen oder eingebildeten) Gefahren beseitigt und neue, schwindelerregende Horizonte kosmischen und übermenschlichen Wissens aufgetan hatten. Meine eigene Sehnsucht nach dem Unbekannten flammte auf, und ich verspürte die krankhafte Faszination dieser Grenzüberschreitung. Die irremachenden und mühseligen Beschränkungen von Raum und Zeit und der Naturgesetze abzuschütteln – mit dem gewaltigen Außen in Kontakt zu treten – den nachtschwarzen und abgründigen Geheimnissen der letzten Dinge und der Unendlichkeit näher zu kommen – all das war es sicherlich wert, Leben, Seelenheil und gesunden Menschenverstand aufs Spiel zu setzen! Und Akeley hatte geschrieben, dass keinerlei Gefahr mehr bestehe; er hatte mich eingeladen, ihn zu besuchen, anstatt mich wie zuvor davon abzuhalten. Ich erbebte bei dem Gedanken daran, was er mir jetzt vielleicht berichten konnte, und war völlig gefesselt von der Vorstellung, mitsamt der schrecklichen Tonaufnahme und dem Stapel Briefe, in denen mir Akeley seine Vermutungen dargelegt hatte, in jenem alten und bis vor Kurzem belagerten Gutshaus bei einem Mann zu sitzen, der mit wirklichen Sendboten aus dem All gesprochen hatte.
Also schickte ich Akeley am Sonntagvormittag ein Telegramm, in dem ich ihm mitteilte, dass ich am folgenden Mittwoch, dem 12. September, in Brattleboro einträfe, wenn ihm dieser Zeitpunkt genehm sei. Nur in einer Hinsicht wich ich von seinen Vorschlägen ab – in der Wahl des Zuges. Offen gestanden war mir nicht danach, spät nachts in dieser gespenstischen Gegend von Vermont anzukommen; daher nahm ich nicht den von ihm empfohlenen Zug, sondern rief am Bahnhof an und traf andere Vorkehrungen. Wenn ich früh aufstand und den Zug nach Boston um 8.07 Uhr Standardzeit nahm, konnte ich den Zug nach Greenfield um 9.25 Uhr erwischen; dort käme ich dann um 12.22 Uhr an. Ich hätte sofortigen Anschluss nach Brattleboro, wo ich um 13.08 Uhr eintreffen würde – ein wesentlich angenehmerer Zeitpunkt als zehn Uhr abends, um von Akeley abgeholt zu werden und mit ihm durch die dicht gedrängten geheimnisvollen Berge zu fahren.
Ich erwähnte diese Änderung in meinem Telegramm und war froh, als mein zukünftiger Gastgeber in seiner am Abend folgenden Antwort sein Einverständnis gab. Sein Telegramm lautete wie folgt:
VORKEHRUNGEN ZUFRIEDENSTELLEND. WERDE SIE MITTWOCH 13.08 UHR ABHOLEN. VERGESSEN SIE AUFNAHME, BRIEFE UND FOTOS NICHT. HALTEN SIE REISE GEHEIM. ERWARTEN SIE GROSSE OFFENBARUNGEN.
AKELEY
Diese unverzüglich auf die Absendung meines Telegramms folgende Erwiderung – ein Bote vom Bahnhof in Townshend musste Akeley die Nachricht überbracht haben oder die Telefonleitung war wiederhergestellt – ließ mich alle unterbewussten Zweifel vergessen, die ich noch an der Herkunft des verwirrenden Briefes hegen mochte. Ich war merklich erleichtert; tatsächlich war meine Erleichterung größer, als ich mir zu dem Zeitpunkt erklären konnte, da ich die Zweifel schlicht verdrängt hatte.
In dieser Nacht schlief ich tief und fest, und während der nächsten zwei Tage beschäftigte ich mich eifrig mit den Reisevorbereitungen.
VI
Am Mittwoch reiste ich wie vorgesehen ab, mitsamt einer Reisetasche, die vollgestopft war mit den üblichen notwendigen Dingen und meinen wissenschaftlichen Unterlagen, darunter auch die scheußliche Fonografenaufzeichnung, die Kodak-Abzüge sowie der gesamte Stapel von Akeleys Briefen. Wie gewünscht hatte ich niemandem gesagt, wohin ich fuhr, denn mir war klar, dass diese Angelegenheit größte Verschwiegenheit erforderte, auch wenn sie die allergünstigste Wendung genommen haben mochte. Der Gedanke eines wirklichen geistigen Austausches mit fremden außerirdischen Wesen war schon für meinen geübten und einigermaßen vorbereiteten Verstand herausfordernd genug; wie sollte man sich dann erst die Auswirkungen auf die gewaltige Masse der unwissenden Laien vorstellen? Ich weiß nicht, ob in mir Furcht oder abenteuerlustige Erwartung überwog, als ich in Boston umstieg und die lange Reise in den Westen antrat, in deren Verlauf ich vertraute Gegenden verließ und in weniger bekannte gelangte. Waltham – Concord – Ayer – Fitchburg – Gardner – Athol.
Mein Zug kam mit sieben Minuten Verspätung in Greenfield an, doch der Anschlusszug in Richtung Norden hatte gewartet. Nachdem ich eilig umgestiegen war, verspürte ich eine sonderbare Atemlosigkeit, als die Waggons im Sonnenschein des frühen Nachmittags durch Gebiete ratterten, von denen ich schon viel gelesen, die ich aber noch nie zuvor besucht hatte. Ich wusste, dass dies ein im Ganzen altmodischeres und primitiveres Neuengland war als die industrialisierten, verstädterten Gebiete an der Küste und im Süden, in denen ich mein ganzes Leben zugebracht hatte; ein unverdorbenes, archaisches Neuengland ohne Ausländer und qualmende Fabrikschlote, Werbetafeln und Betonstraßen wie in den Gegenden, in denen die Moderne Einzug gehalten hat. Hier gab es sicher noch die merkwürdigen Überreste beständiger traditioneller Lebensweisen, die so tief Wurzeln geschlagen haben, dass sie mit der Landschaft selbst eins geworden sind – das ungebrochene ländliche Leben, das sonderbare alte Erinnerungen bewahrt und fruchtbaren Boden für düsteren, wundersamen und verschwiegenen Aberglauben bietet.
Dann und wann sah ich den blauen Connecticut River in der Sonne schimmern, und nachdem wir Northfield verlassen hatten, überquerten wir ihn. Grüne rätselhafte Berge rückten bedrohlich näher, und als der Schaffner kam, erfuhr ich, dass ich nun endlich in Vermont war. Er sagte mir, ich solle meine Uhr um eine Stunde zurückdrehen, da man im nördlichen Bergland nichts mit der neumodischen Sommerzeit zu schaffen haben wolle. Als ich es tat, kam es mir vor, als würde ich zugleich den Kalender um ein Jahrhundert zurückstellen.
Die Zugstrecke verlief nahe am Fluss, und drüben in New Hampshire konnte ich den Hang des steilen Wantastiquet-Berges sehen, um den sich außergewöhnliche alte Legenden ranken. Dann tauchten zur Linken Straßen auf, und zur Rechten sah ich eine bewaldete Insel inmitten des Stromes. Die Leute erhoben sich, gingen Richtung Ausgang, und ich folgte ihnen. Der Zug hielt, ich stieg aus und betrat die lange Bahnsteighalle des Bahnhofs von Brattleboro.
Als ich einen Blick auf die Reihe wartender Autos warf, fragte ich mich, welcher Wagen sich wohl als Akeleys Ford entpuppen würde, doch wurde ich erkannt, bevor ich die Initiative ergreifen konnte.
Es war allerdings nicht Akeley selbst, der mit ausgestreckter Hand auf mich zukam und mit sanfter Stimme fragte, ob ich Mr Albert N. Wilmarth aus Arkham sei. Diese Person wies keinerlei Ähnlichkeit mit dem bärtigen ergrauten Akeley auf, den ich von dem Schnappschuss her kannte; dies hier war ein jüngerer und weltgewandterer Mann, modisch gekleidet und mit einem nur kleinen dunklen Oberlippenbärtchen. Seine kultivierte Stimme schien mir auf seltsame und beinahe beunruhigende Weise vertraut zu sein, obwohl ich sie nicht einordnen konnte.
Ich betrachtete ihn, und er erklärte, er sei ein Freund meines Gastgebers und an seiner Stelle aus Townshend gekommen, um mich abzuholen. Akeley sei ganz plötzlich an einem asthmatischen Leiden erkrankt und fühle sich einer Fahrt an der frischen Luft nicht gewachsen. Es sei jedoch keine ernsthafte Erkrankung, und an den Plänen hinsichtlich meines Besuches habe sich nichts geändert. Mir war nicht klar, wie viel dieser Mr Noyes – so hatte er sich mir vorgestellt – von Akeleys Nachforschungen und Entdeckungen wusste, doch kam er mir aufgrund seiner lockeren Art eher wie ein Uneingeweihter vor. Angesichts des Einsiedlerlebens, das Akeley führte, überraschte es mich ein wenig, dass er so schnell einen Freund bei der Hand hatte, aber ich ließ mich von meiner Verwirrung nicht abhalten, in den Wagen zu steigen, zu dem Noyes mich brachte. Es war nicht das kleine uralte Automobil, das ich anhand von Akeleys Beschreibungen erwartet hätte, sondern ein großes und makelloses Exemplar neuerer Bauart. Allem Anschein nach handelte es sich um Noyes’ eigenen Wagen, der ein Nummernschild aus Massachusetts führte – versehen mit der amüsanten ›heiligen‹ Sportfischerplakette des laufenden Jahres, was darauf hindeutete, dass mein Begleiter seinen Sommerurlaub in der Gegend von Townshend verbrachte. Noyes stieg neben mir in den Wagen und fuhr unverzüglich los. Ich war froh darüber, dass er nicht gerade vor Redseligkeit überschäumte, denn ich verspürte eine sonderbare Anspannung und war nicht in Plauderstimmung. Als wir eine Anhöhe hinaufbrausten und nach rechts auf die Hauptstraße einbogen, schien mir das Städtchen im Licht der Nachmittagssonne sehr reizvoll zu sein. Es döste vor sich hin wie all die alten neuenglischen Kleinstädte, an die man sich noch aus seiner Kindheit erinnern mag, und irgendetwas in dem Zusammenklang von Dächern, Türmchen, Schornsteinen und Ziegelmauern rührte in mir Saiten tiefer vorväterlicher Gefühle an. Ich wusste, ich befand mich hier an der Schwelle zu einer Gegend, die unter dem Zauberbann ungebrochener Zeitläufe stand; einer Gegend, wo Altes und Seltsames verweilen und gedeihen konnte, weil es niemals gestört worden war.
Als wir Brattleboro verließen, verstärkte sich mein Gefühl der Beklommenheit und Vorahnung noch, denn irgendetwas an der bergigen Landschaft mit ihren aufragenden, bedrohlichen, immer näher rückenden bewaldeten und felsigen Hängen beschwor obskure Geheimnisse und Überbleibsel aus unvordenklichen Zeiten, die der Menschheit feindlich gesinnt sein mochten oder auch nicht. Eine Zeit lang folgte unsere Straße einem breiten, seichten Fluss, der sich aus unbekannten Bergen im Norden ergoss, und ich erschauderte, als mein Begleiter mir sagte, dies sei der West River. Wie ich aus den Zeitungsberichten wusste, war dies einer der Flüsse, in dem man nach der Überschwemmung einige der abscheulichen krabbenartigen Geschöpfe gesehen hatte.
Die Landschaft um uns herum wurde nach und nach immer wilder und einsamer. Altertümlich überdachte Brücken siechten beängstigend in den Felsklüften vor sich hin, und die halb stillgelegte Bahntrasse entlang des Flusses schien von einer fast greifbaren Verlassenheit umgeben zu sein. Es gab atemberaubende, von Leben strotzende Täler, aus denen große Felsen aufragten; grau und streng schimmerte der jungfräuliche Granit Neuenglands durch die Vegetation der Hänge. Es gab Schluchten, durch die ungezähmte Bäche rauschten und den Fluss mit den unvorstellbaren Geheimnissen tausend unwegsamer Gipfel speisten. Hie und da gingen schmale halb verborgene Straßen ab, um sich ihren Weg durch die dichten, üppigen Wälder zu bahnen, in deren urzeitlichen Bäumen ganze Heerscharen von Elementargeistern zu lauern schienen. Bei diesem Anblick dachte ich daran, wie Akeley während seiner Fahrten auf genau dieser Route von unsichtbaren Wesenheiten belästigt worden war, und ich wunderte mich nun überhaupt nicht mehr darüber, dass dies hatte geschehen können.
Das malerisch gelegene Dorf Newfane, das wir nach weniger als einer Stunde Fahrt erreicht hatten, war unsere letzte Verbindung zu der Welt, die der Mensch aufgrund seiner Eroberungen und vollständigen Besiedlung die seine nennen darf. Danach ließen wir alle unmittelbaren, greifbaren und der Zeit unterworfenen Dinge zurück und tauchten ein in eine fantastische Welt schweigsamer Unwirklichkeit, zwischen deren unbewohnten grünen Gipfeln und halb verlassenen Tälern das schmale Band der Straße fast wie aus eigener Laune heraus seine Schlangenlinien zog. Außer dem Brummen des Motors und den schwachen Geräuschen der entlegenen Höfe, die wir in unregelmäßigen Abständen passierten, kam mir nichts zu Ohren als das tückische Gluckern und Gurgeln seltsamer Gewässer, die sich aus zahllosen verborgenen Quellen im Schatten der Wälder speisten.
Die unmittelbare Nähe der niedrigen kuppelförmigen Berge raubte mir buchstäblich den Atem. Ihre Hänge fielen steiler und abrupter ab, als ich es mir nach den Erzählungen vorgestellt hatte, und sie schienen nichts mit der uns bekannten prosaisch-nüchternen Welt zu schaffen zu haben. Die dichten menschenleeren Wälder auf diesen unzugänglichen Hängen schienen fremdartige und unglaubliche Dinge zu beherbergen. Ich hatte das Gefühl, schon die äußere Form dieser Berge deute auf eine sonderbare und seit Urzeiten vergessene Bedeutung hin – als seien sie die gewaltigen Hieroglyphen einer sagenumwobenen Rasse von Titanen, deren Ruhm allein in seltenen tiefen Träumen fortlebt. Alle Legenden aus alter Zeit und all die bestürzenden Mutmaßungen aus Henry Akeleys Briefen und Beweisstücken vereinten sich in meiner Erinnerung, um das Gefühl der Beklemmung und Bedrohung noch zu verstärken. Der Sinn und Zweck meines Besuches und die furchtbaren Abnormitäten, die seine Voraussetzung waren, stürzten mit einer solchen Eiseskälte über mich herein, dass mir meine Lust auf seltsame Nachforschungen beinahe ganz abhanden kam.
Meinem Fahrer musste aufgefallen sein, wie verstört ich war – während die Straße immer primitiver und unebener und unsere Fahrt langsamer und holpriger wurde, nahmen seine gelegentlichen freundlichen Erklärungen bald die Form eines längeren Vortrags an. Er sprach von der eigentümlichen Schönheit des Landes und ließ eine gewisse Vertrautheit mit den Volkskundestudien meines Gastgebers erkennen. Aus seinen höflichen Fragen konnte ich folgern, dass er den wissenschaftlichen Anlass meines Besuches kannte und wusste, dass ich Unterlagen von einiger Wichtigkeit mit mir führte; es deutete jedoch nichts darauf hin, dass er von der Tiefe und dem Grauen des Wissens, das Akeley zuteilgeworden war, auch nur etwas ahnte.
Seine gute Laune, sein normales Verhalten und seine höflichen Erläuterungen hätten mich eigentlich beruhigen sollen; sonderbarerweise aber wuchs mein Unbehagen noch, als wir immer tiefer in die unbekannte Wildnis der Berge und Wälder eintauchten. Zuweilen gewann ich den Eindruck, er wolle in Erfahrung bringen, was ich von den ungeheuerlichen Geheimnissen der Gegend wisse, und mit jedem seiner Sätze verstärkte sich die undeutliche, quälende und verwirrende Vertrautheit seiner Stimme. Diese Vertrautheit war alles andere als gewöhnlich oder harmlos, trotz des durchaus normalen und kultivierten Klanges der Stimme. Irgendwie brachte ich sie mit vergessenen Albträumen in Zusammenhang, und ich hatte das Gefühl, den Verstand verlieren zu müssen, sollte ich sie wiedererkennen. Wäre mir ein halbwegs plausibler Vorwand eingefallen, hätte ich von meinem Besuch Abstand genommen. Doch so konnte ich das nicht ohne Weiteres tun – und mir kam der Gedanke, dass eine kühle, wissenschaftliche Unterhaltung mit Akeley nach meiner Ankunft mir dabei helfen könnte, meine Fassung wiederzuerlangen.
Zudem besaß die hypnotische Landschaft, durch die wir uns in absonderlichem Auf und Ab bewegten, ein sonderbar beruhigendes Element kosmischer Schönheit. Die Zeit selbst hatte sich in diesen Labyrinthen verlaufen, und um uns her erstreckten sich die blumenreichen Wogen des Feenlandes und die neu belebte Lieblichkeit entschwundener Jahrhunderte – ehrwürdige Haine, unberührte Weiden voller farbenfroher Herbstblumen und, in weiten Abständen, kleine braune Gehöfte inmitten riesiger Bäume, gelegen am Fuße steiler Abhänge voll duftender Wildrosen und Weidegras. Selbst das Sonnenlicht nahm einen überirdischen Glanz an, als umhülle eine ungewöhnliche Atmosphäre oder ein besonderer Odem das gesamte Gebiet. Nie hatte ich dergleichen gesehen – mit Ausnahme der magischen Landschaften, die bei den frühen italienischen Meistern zuweilen als Bildhintergrund dienen. Sodoma und Leonardo hatten solche Weiten ersonnen, aber sie sind nur in der Ferne und durch die Bögen von Renaissance-Arkaden zu sehen. Wir bahnten uns nun leibhaftig den Weg durch die Mitte eines Bildes, und ich glaubte, in dessen Beschwörung der Vergangenheit etwas zu finden, das ich im tiefsten Inneren schon immer gekannt oder erahnt und nach dem ich alle Zeit vergebens gesucht hatte.
Nachdem wir eine beträchtliche Steigung genommen hatten und der Straße in einer weiten Kurve gefolgt waren, kam der Wagen mit einem Mal zum Stehen. Zu meiner Linken erhob sich hinter einem gepflegten Rasen, der bis zur Straße reichte und von weißen Steinen gesäumt wurde, ein zweieinhalbstöckiges Haus, das für diese Gegend ungewöhnlich groß und elegant wirkte. Rechts davon und hinter dem Gebäude befanden sich eine Windmühle sowie eine Reihe von Scheunen und Schuppen, die durch Arkaden miteinander verbunden waren. Ich erkannte das Haus sogleich von dem Foto wieder, das ich erhalten hatte, und war nicht überrascht, als ich auf dem verzinkten Briefkasten an der Straße den Namen Henry Akeley las. Hinter dem Haus befand sich eine ebene Fläche sumpfigen, kargen Landes, das sich bis zu einem steil ansteigenden, dicht bewaldeten Hang erstreckte, über dem ein zerklüfteter Bergkamm aufragte. Das war ohne Zweifel der Gipfel des Dark Mountain, also mussten wir den Berg bis auf halbe Höhe bewältigt haben.
Noyes stieg aus dem Wagen, nahm meine Reisetasche und bat mich, draußen zu warten, während er ins Haus ging und Akeley von meiner Ankunft unterrichtete. Er selbst, so fügte er hinzu, habe andernorts noch Wichtiges zu erledigen, weshalb er sich nur kurz hier aufhalten könne. Als er rasch auf das Haus zuging, stieg ich ebenfalls aus, um mir die Beine etwas zu vertreten, ehe ich mich zu einer langen Unterhaltung niederlassen würde. Mein Gefühl der Nervosität und der Anspannung hatte nun seinen Höhepunkt erreicht, da ich mich an dem Ort des Geschehens befand – dem Ort der unnatürlichen Belagerung, die Akeley in seinen Briefen so eindringlich beschrieben hatte. Ich muss offen gestehen, ich fürchtete mich vor den bevorstehenden Gesprächen, die mich mit diesen fremdartigen und verbotenen Welten in Verbindung setzen würden.
Der unmittelbare Kontakt mit dem absolut Fantastischen ist meist eher erschreckend als inspirierend, und es verbesserte nicht gerade meine Stimmung, dass, nach mondlosen Nächten voller Angst und Tod, Akeley genau auf dieser staubigen Straße die monströsen Spuren und den faulig-grünen Lebenssaft gefunden hatte.
Nebenbei fiel mir auf, dass von Akeleys Hunden nichts zu hören und zu sehen war. Hatte er sie etwa alle gleich verkauft, nachdem die Außerweltlichen Frieden mit ihm geschlossen hatten? Wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte der Echtheit und der Aufrichtigkeit dieses Friedens nicht so viel Vertrauen schenken wie Akeley in seinem letzten und so gänzlich andersartigen Brief. Schließlich war er ein recht einfacher, wenig welterfahrener Mann. Könnte unter der Oberfläche des neuen Bündnisses nicht vielleicht eine neue finstere Bedrohung lauern?
Gedankenversunken richtete ich den Blick auf die staubige Straße, auf der so scheußliche Beweise gefunden worden waren. In den letzten Tagen hatte es nicht geregnet, und auf der ausgefahrenen, holprigen Landstraße waren alle möglichen Spuren zu sehen, obwohl in dieser Gegend doch kaum jemand unterwegs war. Mit leichter Neugier untersuchte ich einige der verschiedenartigen Spuren, um mich von den makabren Gedanken abzulenken, die dieser Ort mir eingab. Etwas Bedrohliches und Unbehagliches lag in der Grabesstille, dem gedämpften, unterschwelligen Plätschern der fernen Bäche, den grünen Gipfeln und von schwarzen Wäldern bewachsenen Steilhängen, die den Horizont einengten.
Und dann wurde mir etwas schlagartig bewusst, das diese vagen Befürchtungen und Fantastereien harmlos und unbedeutend erscheinen ließ. Ich sagte bereits, dass ich mit müßiger Neugierde die unterschiedlichen Spuren auf der Straße begutachtete – doch mit einem Schlag wurde diese Neugierde von einem benommen machenden, entsetzlichen Grauen ausgelöscht. Denn obwohl die Spuren im Staub recht undeutlich waren, sich überschnitten und sonst nicht ins Auge gefallen wären, hatte mein rastloser Blick dort, wo der Gehweg zum Haus von der Straße abging, bestimmte Details erkannt – und hatte jenseits von Zweifel und Hoffnung ihre fürchterliche Bedeutung erfasst. Ach, nicht umsonst hatte ich viele Stunden über den Kodak-Fotos von den Klauenspuren der Außerweltlichen gebrütet, die Akeley mir geschickt hatte! Nur zu gut kannte ich die Spuren dieser widerlichen Krebsscheren, die diese Ungeheuer als Wesen nicht von dieser Welt entlarvten. Nun war jede Möglichkeit eines gnädigen Irrtums ausgeschlossen: Hier vor meinen Augen waren, sicherlich erst wenige Stunden alt, mindestens drei Spuren, die auf blasphemische Weise hervorstachen aus der überraschenden Fülle an verwischten Fährten, die zu dem Gutshaus Akeleys und von ihm fort führten. Es waren die teuflischen Spuren der lebenden Pilze vom Yuggoth.
Ich riss mich gerade rechtzeitig zusammen, um einen Schrei zu unterdrücken. Was konnte ich auch anderes erwarten, wenn ich Akeleys Briefen wirklich Glauben schenkte? Er hatte mir berichtet, dass er mit den Wesen Frieden geschlossen hatte. Wieso sollte es mir dann merkwürdig erscheinen, dass ein paar von ihnen sein Haus aufgesucht hatten? Doch das Entsetzen überwog den Versuch, mich zu beruhigen. Konnte irgendein Mensch ungerührt bleiben, wenn er zum ersten Mal die Klauenspuren von Lebewesen aus den Tiefen des Alls erblickte? In diesem Augenblick sah ich Noyes aus dem Haus treten und mit raschen Schritten auf mich zukommen. Ich musste mich wieder unter Kontrolle bekommen, denn es war sehr gut möglich, dass dieser hilfsbereite Freund nichts wusste von Akeleys tief greifenden und enormen Vorstößen in verbotene Bereiche.
Noyes informierte mich, dass Akeley froh über meine Ankunft sei und mich gleich sehen wolle, wenngleich der plötzliche Asthmaanfall ihm in den nächsten paar Tagen verwehren würde, mir ein guter Gastgeber zu sein. Die Anfälle würden ihm jedes Mal schwer zusetzen, da sie stets von Fieberschüben und allgemeinen Schwächezuständen begleitet seien. Er sei dann zu so gut wie nichts zu gebrauchen – er könne nur flüsternd sprechen und bewege sich ziemlich unbeholfen und schwächlich. Auch würden seine Füße und Knöchel anschwellen, weshalb er sie wie ein gichtkranker Rohfleischesser bandagieren müsse. Heute sei sein Zustand recht mäßig, darum müsse ich mich größtenteils selbst um mein Wohl kümmern; dessen ungeachtet freue er sich schon auf unsere Unterhaltung. Ich könne ihn in dem Arbeitszimmer zur Linken der Eingangshalle finden – dem Raum, in dem die Jalousien heruntergelassen seien. Im Krankheitsfall müsse er das Sonnenlicht meiden, seine Augen seien überaus empfindlich.
Als Noyes sich von mir verabschiedet hatte und mit seinem Wagen Richtung Norden losfuhr, ging ich langsam auf das Haus zu. Die Tür stand noch weit offen, doch ehe ich eintrat, ließ ich meinen suchenden Blick über die gesamte Umgebung schweifen, um herauszufinden, was mir vorhin daran so sonderbar erschienen war. Die Schuppen und Scheunen sahen ordentlich und normal aus, und ich entdeckte Akeleys verbeulten Ford in einem geräumigen offen stehenden Schuppen. Dann wurde mir bewusst, was mir so eigenartig vorkam: Es war die völlige Stille. Für gewöhnlich sorgt auf einem Hof der Viehbestand für einen zumindest gedämpften Geräuschpegel, aber hier fehlten alle Geräusche des Lebens. Was war mit den Hühnern und den Schweinen? Die Kühe, von denen Akeley mehrere besaß, wie er mir geschrieben hatte, mochten draußen auf der Weide sein, und die Hunde hatte er möglicherweise verkauft; doch das völlige Fehlen von jedem Schnattern oder Grunzen war wirklich ungewöhnlich.
Ich blieb nicht lange auf dem Gehweg stehen, sondern schritt resolut durch die offene Haustür und schloss sie hinter mir. Es kostete mich eine beträchtliche Willensanstrengung, und nun, da ich im Hausinnern eingeschlossen war, verspürte ich für einen Augenblick das Verlangen, überstürzt den Rückzug anzutreten. Nicht, dass das Haus in irgendeiner sichtbaren Form bedrohlich oder düster gewirkt hätte; ganz im Gegenteil erschien mir die anmutige Eingangshalle im spätkolonialen Stil sehr geschmackvoll und einladend, und ich bewunderte das offenkundige Stilbewusstsein des Mannes, der sie eingerichtet hatte. Etwas sehr Vages und Undefinierbares gab mir den Wunsch zur Flucht ein. Vielleicht lag es an einem merkwürdigen Geruch, den ich zu bemerken glaubte – allerdings wusste ich nur zu gut, dass sich selbst in den besten alten Gutshäusern modrige Gerüche nicht ganz vermeiden ließen.
VII
Ich ließ mich von diesen unklaren Bedenken nicht überwältigen, rief mir Noyes’ Anweisungen ins Gedächtnis und öffnete die weiße Tür mit dem Messinggriff zu meiner Linken. Das Zimmer dahinter war verdunkelt, wie man es mir gesagt hatte. Beim Eintreten bemerkte ich, dass der eigentümliche Geruch hier stärker war. Außerdem schien eine schwache, kaum merkliche rhythmische Schwingung oder Vibration den Raum zu durchdringen. Einen Moment lang konnte ich wegen der geschlossenen Jalousien kaum etwas sehen, aber dann lenkte eine Art entschuldigendes Räuspern oder Flüstern meine Aufmerksamkeit auf einen großen Lehnstuhl im entlegensten und dunkelsten Winkel des Raumes. Im tiefen Schatten sah ich verschwommen das weiße Gesicht und die Hände eines Mannes, und ich trat vor, um die Gestalt zu begrüßen, die zu sprechen versucht hatte. So schwach das Licht auch war, ich erkannte, dass es sich in der Tat um meinen Gastgeber handelte. Ich hatte das Kodak-Foto wiederholt studiert, und sein festes, wettergegerbtes Gesicht mit dem kurzen grauen Bart war unverkennbar.
Doch schon beim zweiten Blick mischten sich Trauer und Sorge in meine Freude, denn dies war ohne Zweifel das Gesicht eines sehr kranken Menschen. Dieser angestrengte, erstarrte, unbewegliche Gesichtsausdruck und der starre, glasige Blick waren nicht allein mit einem Asthmaanfall zu erklären; ich erkannte, auf welch grauenhafte Art seine fürchterlichen Erlebnisse an ihm gezehrt haben mussten. Hätten sie denn nicht jeden Menschen gebrochen – selbst jüngere Männer als diesen unerschrockenen Erforscher des Verbotenen? Ich befürchtete, dass die seltsame und plötzliche Erleichterung zu spät eingetreten war, um ihn noch vor dem völligen Zusammenbruch zu bewahren. Seine mageren Hände, die so schlaff und leblos im Schoß lagen, boten einen erbarmungswürdigen Anblick. Er trug einen lockeren Morgenrock, Kopf und Hals waren in einen leuchtend gelben Schal gehüllt.
Dann bemerkte ich, dass er in demselben abgehackten Flüstern, mit dem er mich begrüßt hatte, mir etwas sagen wollte. Anfangs fiel es mir schwer, sein Flüstern zu verstehen, da sein grauer Schnurrbart jede Bewegung der Lippen verbarg und irgendetwas im Timbre der Stimme mich immens verwirrte. Doch ich konzentrierte mich, und bald gelang es mir überraschend gut, das Gesprochene zu verstehen. Sein Akzent war keinesfalls ländlich, und seine Sprache gewählter, als ich von seinen Briefen her erwartet hätte.
»Mr Wilmarth, wie ich vermute? Ich muss Sie um Verzeihung bitten, dass ich nicht aufstehe. Ich bin sehr krank, wie Mr Noyes Ihnen sicher schon gesagt hat; ich konnte aber nicht einfach so auf Ihren Besuch verzichten. Sie wissen ja, was ich Ihnen in meinem letzten Brief schrieb – morgen, wenn es mir sicherlich etwas besser geht, werde ich Ihnen viel zu erzählen haben. Ich kann Ihnen kaum sagen, wie es mich freut, Sie nach all diesen Briefen endlich persönlich zu treffen. Sie haben die Briefe ja sicherlich mitgebracht? Und die Kodak-Abzüge und die Tonaufnahme? Noyes hat Ihre Reisetasche in der Eingangshalle abgestellt, Sie haben sie sicher schon gesehen. Ich fürchte, Sie werden sich heute Abend leider größtenteils um sich selbst kümmern müssen. Ihr Zimmer befindet sich im ersten Stock, direkt über diesem hier, und am Ende der Treppe finden Sie das Badezimmer, die Tür steht offen. Im Esszimmer, wenn Sie hier hinausgehen zur Rechten, ist ein Mahl für Sie angerichtet, das Sie zu sich nehmen können, wann immer es Ihnen beliebt. Morgen werde ich Ihnen ein besserer Gastgeber sein, aber jetzt bin ich aufgrund meiner Schwäche hilflos.
Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Vielleicht möchten Sie die Briefe und Fotos und die Aufnahme auspacken und hier auf den Tisch legen, bevor Sie Ihre Tasche hinaufbringen. Hier werden wir auch über diese Dinge sprechen – auf dem Ecktisch dort sehen Sie meinen Fonografen.
Nein danke, Sie können nichts für mich tun. Ich bin an diese Anfälle seit Langem gewöhnt. Kommen Sie vor Anbruch der Nacht doch noch kurz bei mir vorbei, und dann gehen Sie zu Bett, sobald sie es wünschen. Ich werde hier etwas schlafen, vielleicht auch die ganze Nacht über, wie so oft. Morgen früh werde ich wesentlich besser in der Lage sein, mich den Dingen zu widmen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Ihnen ist die überaus komplizierte Natur der Angelegenheit natürlich bewusst. Wie nur wenigen Menschen dieser Erde werden sich uns die Tiefen von Zeit und Raum auftun – ein Wissen, das alles übersteigt, was im Bereich menschlicher Wissenschaft oder Philosophie liegt.
Wussten Sie, dass Einstein sich getäuscht hat und gewisse Objekte und Kräfte sich durchaus schneller als das Licht bewegen können? Mit der notwendigen Hilfe werde ich bald in der Zeit vor- und zurückreisen können und die Erde vergangener und kommender Epochen wirklich sehen und fühlen. Sie können sich nicht vorstellen, wie weit die Wissenschaft dieser Wesen entwickelt ist. Es gibt nichts, was sie mit dem Körper und dem Geist lebender Organismen nicht tun könnten. Ich gehe davon aus, dass ich andere Planeten und sogar andere Sterne und Galaxien besuchen werde. Die erste Reise wird mich auf den Yuggoth führen, die uns nächstgelegene Welt, die von diesen Wesen bewohnt wird. Ein merkwürdiger dunkler Planet am äußersten Rande unseres Sonnensystems – den Astronomen dieser Erde noch unbekannt. Aber davon habe ich Ihnen gewiss schon geschrieben. Zur rechten Zeit, wissen Sie, werden die Wesen dort Gedankenströme auf uns richten und somit die Entdeckung des Planeten herbeiführen – oder vielleicht lassen sie einen ihrer menschlichen Verbündeten den Wissenschaftlern einen Hinweis geben.
Auf Yuggoth gibt es gewaltige Städte: lange Reihen terrassierter Türme, aus dem schwarzen Gestein erbaut, von dem ich Ihnen eine Probe zuschicken wollte. Der Stein stammte vom Yuggoth. Die Sonne ist dort nur so hell wie ein Stern hier, aber diese Wesen brauchen kein Licht. Sie verfügen über andere subtilere Sinne und haben keine Fenster in ihren großen Häusern und Tempeln. Licht stört, verwirrt und verletzt sie sogar, da in dem schwarzen Kosmos jenseits von Zeit und Raum, aus dem sie ursprünglich stammen, überhaupt kein Licht existiert. Ein Besuch auf Yuggoth würde jeden schwachen Menschen in den Wahnsinn treiben – und doch werde ich dorthin reisen. Allein schon die pechschwarzen Flüsse, die unter den rätselhaften zyklopischen Brücken hindurchfließen – Bauwerke einer älteren Rasse, die schon ausgestorben und vergessen war, ehe die Wesen aus den fernsten Abgründen nach Yuggoth kamen – sollten ausreichen, einen jeden, der lange genug bei Verstand bleibt, um davon zu berichten, in einen zweiten Dante oder Poe zu verwandeln.
Aber vergessen Sie nicht – diese dunkle Welt der schwammigen Gärten und der fensterlosen Städte ist nicht wirklich schrecklich. Sie will uns nur so erscheinen. Vermutlich war unsere Welt diesen Wesen ebenso furchtbar, als sie sie in der Vorzeit zum ersten Mal erforschten. Sie wissen ja, dass sie lange vor Ablauf der legendären Epoche des Cthulhu hierherkamen, und sie kennen das versunkene R’lyeh noch aus der Zeit, als es nicht unter Wasser lag. Sie sind auch im Innern der Erde gewesen – es gibt Eingänge, von denen kein Mensch etwas weiß, manche davon hier in den Bergen von Vermont –, und dort unten befinden sich endlose Welten voll unbekannten Lebens: das blau beleuchtete K’n-yan, das rot beleuchtete Yoth und das schwarze, lichtlose N’kai. Aus N’kai kam der fürchterliche Tsathoggua – Sie wissen, das unförmige, krötenähnliche Gottwesen, das in den Pnakotischen Manuskripten, dem Necronomicon und dem Commoriom-Mythos erwähnt wird, den der atlantische Hohepriester Klarkash-Ton aufgezeichnet hat.
Aber wir werden später über all das sprechen. Es ist jetzt sicher schon vier oder fünf Uhr. Am besten legen Sie die Sachen aus Ihrer Tasche hier ab, nehmen einen Happen zu sich und kommen nachher zu einem gemütlichen Plausch zurück.«
Sehr langsam wandte ich mich um und folgte dem Wunsch meines Gastgebers; ich nahm meine Reisetasche, packte die von ihm erwähnten Dinge aus und ging schließlich auf das mir zugewiesene Zimmer. Da die Erinnerung an die Klauenspuren auf der Straße noch so frisch war, hatten Akeleys geflüsterte Ausführungen einen eigenartigen Effekt auf mich gehabt. Die Andeutungen seiner Vertrautheit mit jener unbekannten Welt pilzartigen Lebens – dem verbotenen Yuggoth – ließen mich stärker schaudern, als mir recht war. Mir tat Akeley seiner Krankheit wegen überaus leid, doch muss ich gestehen, dass sein raues Flüstern in mir nicht nur Mitleid, sondern auch Abscheu erregte. Hätte er doch nicht so begeistert von Yuggoth und seinen schwarzen Geheimnissen gesprochen!
Mein Zimmer erwies sich als sehr bequem und schön eingerichtet, außerdem war hier nichts von dem Modergeruch oder der verstörenden Schwingung zu bemerken. Nachdem ich meine Reisetasche dort abgestellt hatte, ging ich wieder hinunter, um bei Akeley vorbeizuschauen und die Mahlzeit einzunehmen, die für mich vorbereitet war. Das Esszimmer lag direkt neben dem Arbeitszimmer, und ich sah, dass sich dahinter die Wirtschaftsräume befanden. Auf dem Esstisch erwartete mich eine große Auswahl an Sandwiches, Kuchen und Käse, und eine Thermoskanne neben einer Tasse mit Unterteller wies darauf hin, dass auch heißer Kaffee nicht vergessen worden war. Nachdem ich mein Essen mit Appetit genossen hatte, goss ich mir eine großzügige Tasse Kaffee ein, entdeckte aber, dass die kulinarische Qualität in diesem Punkt zu wünschen übrig ließ. Beim ersten Schluck bemerkte ich einen schwachen, aber unangenehmen säuerlichen Geschmack, sodass ich nichts mehr davon trank. Während des Essens dachte ich fortwährend an Akeley, der still in seinem großen Stuhl in dem verdunkelten Nebenzimmer saß. Einmal ging ich rüber und lud ihn ein, doch mit mir zu essen, aber er flüsterte, er könne jetzt noch nichts zu sich nehmen. Später, kurz vor dem Einschlafen, würde er etwas Malzmilch trinken – damit müsse er sich an diesem Tag begnügen.
Nach dem Essen bestand ich darauf, den Tisch abzuräumen und das Geschirr zu spülen – dabei goss ich auch den Kaffee aus, der mir ungenießbar erschienen war. Dann kehrte ich in das verdunkelte Arbeitszimmer zurück, zog mir einen Stuhl zu meinem Gastgeber heran und bereitete mich auf eine Unterhaltung vor, sollte er einer solchen gewachsen sein. Die Briefe, die Bilder und die Aufnahme lagen immer noch auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes, doch vorerst mussten wir nicht auf sie zurückgreifen. Binnen kurzer Zeit vergaß ich sogar den absonderlichen Geruch und die merkwürdige Vibration.
Ich erwähnte bereits, dass in manchen von Akeleys Briefen – vor allem dem zweiten und umfangreichsten – Dinge standen, die ich nicht zu wiederholen oder auch nur niederzuschreiben wage. Diese Zurückhaltung möchte ich in noch viel größerem Umfang auf das anwenden, was ich an jenem Abend in dem verdunkelten Zimmer inmitten der einsamen heimgesuchten Berge flüstern hörte. Das Ausmaß des kosmischen Grauens, das mir diese heisere Stimme offenbarte, vermag ich nicht einmal anzudeuten. Akeley hatte schon früher von abscheulichen Dingen Kenntnis gehabt, doch was er darüber hinaus erfahren hatte, seitdem er mit den Außerweltlichen paktierte, überstieg beinahe alles, was der menschliche Verstand zu ertragen vermag. Selbst jetzt noch weigere ich mich kategorisch, das zu glauben, was er über die Beschaffenheit der absoluten Unendlichkeit durchblicken ließ, das Aneinandergrenzen der Dimensionen und die Furcht einflößende Position unseres bekannten Kosmos von Raum und Zeit in der endlosen Kette von Kosmosatomen, aus welcher der unmittelbare Über-Kosmos der Kurven und Winkel sowie der stofflichen und halbstofflichen elektrischen Gefüge besteht.
Nie zuvor stand ein geistig gesunder Mensch den Geheimlehren des Seins so gefährlich nahe – nie zuvor kam ein menschliches Gehirn der völligen Auslöschung in dem Chaos so nahe, das Gestalt, Kraft und Symmetrie überschreitet. Ich erfuhr, woher Cthulhu ursprünglich kam und warum eine große Zahl der überragenden vergänglichen Sterne der Geschichte erstrahlt waren. Ich erriet – aus Andeutungen, die selbst meinen Informanten ins Stocken brachten – das Geheimnis der Magellanwolken und der kugelförmigen Nebel und die schwarze Wahrheit, welche die uralten Allegorien des Tao verschleiert hatten. Das Wesen der Dhole wurde mir offenbar, und man erklärte mir das Wesen (aber nicht den Ursprung) der Hunde von Tindalos. Die Legende von Yig, dem Vater der Schlangen, blieb mir nicht länger ein bloßes Gleichnis, und ich schreckte vor Ekel zurück, als ich von dem ungeheuerlichen nuklearen Chaos erfuhr, das jenseits der Winkel des Alls herrscht und dem der Autor des Necronomicon voller Umsicht den Namen Azathoth verliehen hatte. Es war schockierend, die übelsten Albträume der geheimen Mythen in konkreten Begriffen erklärt zu sehen, deren unverhohlene krankhafte Abscheulichkeit selbst die kühnsten Andeutungen antiker und mittelalterlicher Mystiker übertrafen. Unvermeidlich gelangte ich zu der Ansicht, dass die Ersten, die verstohlen jene verfluchten Sagen verbreitet hatten, in Verbindung mit Akeleys Außerweltlichen gestanden haben mussten und vielleicht sogar entlegene kosmische Reiche besucht hatten – so wie Akeley sie jetzt besuchen wollte.
Ich erfuhr vom Schwarzen Stein und seiner Bedeutung und war erleichtert darüber, dass ich ihn nie erhalten hatte. Meine Mutmaßungen über jene Hieroglyphen waren nur allzu wahr gewesen! Und doch schien Akeley sich mit dem ganzen dämonischen System, auf das er gestoßen war, abgefunden zu haben; nicht nur das, er wollte sogar noch tiefer in den monströsen Abgrund vordringen. Ich fragte mich, mit welchen Wesen er seit seinem letzten Brief an mich gesprochen hatte, und ob alle so menschlich gewesen waren wie jener von ihm erwähnte erste Abgesandte. Meine innere Anspannung wuchs in unerträglichem Maße, und ich ersann mir alle möglichen ausufernden Theorien über diesen eigenartigen, beharrlichen Geruch und die kaum wahrnehmbare Schwingung in dem verdunkelten Zimmer.
Mittlerweile war die Sonne untergegangen, und da ich mich an Akeleys frühere Briefe erinnerte, packte mich das Grauen bei dem Gedanken an eine mondlose Nacht. Ich mochte nicht, wie das Gutshaus im Windschatten des gewaltigen bewaldeten Hanges nistete, der auf den von keinem Menschen je betretenen Gipfel des Dark Mountain hinaufführte. Mit Akeleys Erlaubnis zündete ich eine kleine Öllampe an, drehte die Flamme niedrig und stellte sie auf einen abseits stehenden Bücherschrank neben die gespenstische Büste Miltons. Das bereute ich bald darauf, denn in diesem Licht wirkten die reglosen Hände und das angespannte, maskenhafte Gesicht meines Gastgebers entsetzlich unnatürlich und leichenhaft. Er schien kaum zu einer Bewegung fähig zu sein, auch wenn ich ihn mitunter steif nicken sah.
Nach dem, was er mir bereits erzählt hatte, konnte ich mir kaum vorstellen, welche Geheimnisse er sich für morgen aufgehoben haben mochte; doch schließlich erfuhr ich, dass seine Reise zum Yuggoth und darüber hinaus – und meine eigene eventuelle Teilnahme daran – das morgige Gesprächsthema sein würden. Es schien ihn zu amüsieren, wie heftig ich zusammenfuhr, als ich diese Einladung zu einer kosmischen Reise vernahm, denn er schüttelte heftig den Kopf, als ich meine Angst offenbarte. Daraufhin sprach er mit sehr sanfter Stimme darüber, dass der scheinbar unmögliche Flug durch die interstellaren Abgründe menschlichen Wesen durchaus möglich und auch schon mehrmals gelungen sei. Es hatte den Anschein, als könne ein vollständiger menschlicher Körper diese Reise nicht bewältigen, doch hätten die Außerweltlichen mit ihren wundersamen chirurgischen, biologischen, chemischen und mechanischen Fähigkeiten Mittel und Wege gefunden, menschliche Gehirne ohne die dazugehörige körperliche Hülle zu befördern.
Es gäbe eine unschädliche Methode, ein Gehirn zu entnehmen und den übrigen Organismus in der Zwischenzeit am Leben zu erhalten. Die bloße Hirnmasse würde, aufbewahrt in einer gelegentlich erneuerten Flüssigkeit, in einen luftdichten Zylinder aus einem auf Yuggoth gewonnenen Metall gegeben und mit Elektroden verbunden, die man nach Bedarf an aufwendige Geräte anschloss, die die drei entscheidenden Fähigkeiten des Sehens, Hörens und Sprechens ersetzen könnten. Es sei den geflügelten Pilzwesen ein Leichtes, die Gehirnbehälter unbeschadet durch das Weltall zu transportieren. Auf jedem Planeten, der von ihrer Zivilisation besiedelt sei, gäbe es eine Vielzahl passender Gerätschaften, die an die Gehirne angeschlossen werden könnten. Mit ein wenig Feinmechanik könnte man ihnen so an jeder Station der Reise durch das Raum-Zeit-Kontinuum und darüber hinaus voll ausgebildete – wenn auch nur körperlose und mechanische – Sinnes- und Artikulationsfähigkeiten verschaffen. Dies sei so einfach wie bei einer Schallplatte, die man unterwegs überall dort abspielen könne, wo ein entsprechendes Grammofon zur Verfügung stände. Der Erfolg der Aktion stehe außer Frage. Er selbst habe keine Angst. Sei es denn nicht immer wieder hervorragend gelungen?
Zum ersten Mal bewegte sich eine der schlaffen, unbrauchbaren Hände und wies ungelenk auf ein hohes Regal an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers. Dort standen sauber aufgereiht über ein Dutzend Zylinder aus einem Metall, das ich noch nie zuvor gesehen hatte – Zylinder, die ungefähr dreißig Zentimeter in der Höhe und etwas weniger im Durchmesser maßen, mit drei sonderbaren Anschlüssen, die in Form eines gleichschenkligen Dreiecks auf der gewölbten Vorderseite angebracht waren. Einer der Zylinder war über zwei der Anschlüsse mit einem Paar eigenartig aussehender Geräte im Hintergrund verbunden. Niemand brauchte mir zu erklären, was das zu bedeuten hatte, und ich erschauderte wie im Fieber. Dann wies die Hand auf eine Stelle in der Nähe, wo mehrere komplizierte Geräte mit daran befestigten Kabeln und Steckern standen, von denen einige den beiden Apparaten auf dem Regal hinter den Zylindern sehr ähnlich sahen.
»Hier sehen Sie vier verschiedene Arten von Instrumenten, Wilmarth«, flüsterte die Stimme. »Vier Arten – in je drei Ausführungen – macht insgesamt zwölf Geräte. Wissen Sie, die Zylinder da oben repräsentieren vier verschiedene Lebensformen. Drei Menschen, sechs der pilzartigen Wesen, die sich nicht körperlich durchs All bewegen können, zwei Wesen vom Neptun (Gott! Wenn Sie die Körper sehen könnten, die dieser Typus auf seinem Planeten besitzt!), und bei den restlichen handelt es sich um Wesen aus den innersten Höhlen eines besonders interessanten dunklen Sterns jenseits der Galaxis. Im Hauptstützpunkt im Innern des Round Hill befinden sich zeitweilig weitere Zylinder und Maschinen – Zylinder mit außerkosmischen Gehirnen, Verbündete und Forscher aus dem allerfernsten Äußeren, die über gänzlich andere Sinne als wir verfügen. Die speziellen Maschinen verleihen ihnen Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten, die sowohl ihnen selbst als auch dem Auffassungsvermögen verschiedener Arten von Zuhörern angepasst sind. Round Hill ist – wie die meisten wichtigen Stützpunkte der Wesen in den verschiedenen Universen – ein sehr kosmopolitischer Ort! Natürlich hat man mir nur die verbreitetsten Arten zum Experimentieren zur Verfügung gestellt.
Hier – nehmen Sie die drei Maschinen, auf die ich zeige, und stellen Sie sie auf den Tisch. Die große da mit den zwei Glaslinsen auf der Vorderseite – dann die Kiste mit den Vakuumröhren und der Resonanztafel – und jetzt die mit der Metallscheibe darauf. Jetzt noch den Zylinder mit der Aufschrift ›B-67‹. Stellen Sie sich einfach auf den Windsor-Stuhl, um ans Fach zu kommen. Schwer? Macht nichts! Achten Sie genau auf die Nummer: B-67. Kümmern Sie sich nicht um den neuen glänzenden Zylinder, der mit den zwei Testinstrumenten verbunden ist – den mit meinem Namen darauf. Stellen Sie B-67 auf den Tisch neben die Maschinen und sehen Sie nach, ob die Schalter an allen drei Maschinen ganz nach links gedreht sind.
Stecken Sie nun das Kabel der Linsenmaschine in den oberen Anschluss – genau so! Verbinden Sie die Röhrenmaschine mit dem Anschluss unten links und den Scheibenapparat mit dem äußeren Anschluss. Drehen Sie jetzt alle Schalter an den Maschinen ganz nach rechts, zuerst bei der mit den Linsen, dann beim Scheibengerät und als Letztes bei der Maschine mit den Röhren. Sehr gut. Ich sollte Ihnen wohl sagen, dass es sich hierbei um ein menschliches Wesen handelt – einen Menschen wie Sie und ich. Ich werde Ihnen morgen auch ein paar der anderen vorstellen.«
Bis zum heutigen Tage ist mir nicht klar, warum ich diesem Geflüster so sklavisch gehorchte, und ob ich Akeley für geistig gesund oder für wahnsinnig hielt. Nach dem, was zuvor geschehen war, hätte ich auf alles vorbereitet sein müssen; dieser technische Mummenschanz hatte allerdings so große Ähnlichkeit mit den typischen Extravaganzen verrückter Erfinder und Wissenschaftler, dass ich Zweifel in mir verspürte, die nicht einmal in unserem Gespräch davor aufgekommen waren. Einem Menschen mussten die Behauptungen dieses Flüsterers völlig unglaublich erscheinen – aber wirkten die anderen Dinge nur deshalb noch unfassbarer und widersinniger, weil sie so weit entfernt waren von jedem klaren, konkreten Beweis?
Während mein Verstand inmitten dieses Chaos’ ins Taumeln geriet, wurde mir das Knirschen und Surren der drei Maschinen bewusst, die ich gerade mit dem Zylinder verbunden hatte – ein Geräusch, das bald leiser wurde und schließlich fast nicht mehr vernehmbar war. Was würde jetzt geschehen? Würde ich eine Stimme hören? Und falls ja, konnte es sich nicht einfach um ein clever erdachtes Übertragungsgerät handeln, das von einem ganz in der Nähe verborgenen Sprecher benutzt wurde? Selbst jetzt noch kann ich nicht beschwören, was ich da hörte oder welches Phänomen sich wirklich vor meinen Augen abspielte. Doch irgendetwas schien tatsächlich zu geschehen.
Um mich kurz zu fassen, die Maschine mit den Röhren und der Resonanztafel begann zu sprechen, und zwar auf überaus klare und verständige Art und Weise, sodass kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass der Sprecher gegenwärtig war und uns beobachtete. Die Stimme war laut, klang metallisch und hohl und wurde offenkundig völlig mechanisch erzeugt. Sie verfügte weder über Modulation noch Ausdruck; sie kratzte und ratterte einfach mit tödlicher Präzision und Überlegung drauflos.
»Mr Wilmarth«, sagte sie, »ich hoffe, ich erschrecke Sie nicht. Ich bin ein Mensch wie Sie, auch wenn mein Körper sich fast drei Kilometer östlich von hier im Round Hill befindet, wo er mittels einer entsprechenden Behandlungsmethode am Leben erhalten wird. Ich selbst bin hier bei Ihnen: Mein Gehirn befindet sich in diesem Zylinder, und mithilfe dieser elektronischen Oszillatoren kann ich sehen, hören und sprechen. In einer Woche werde ich, wie schon so viele Male zuvor, durch den Weltraum reisen, und hoffe, mich dabei Mr Akeleys Gesellschaft zu erfreuen. Ich wünschte, Sie würden uns ebenfalls begleiten, denn ich kenne Sie vom Sehen und vom Hörensagen. Darüber hinaus habe ich Ihre Korrespondenz mit unserem Freund genau verfolgt. Ich bin natürlich einer der Männer, die sich mit den außerirdischen Wesen, die unseren Planeten besuchen, verbündet haben. Ich begegnete ihnen zum ersten Mal im Himalaya und habe ihnen seither verschiedene Dienste geleistet. Als Gegenleistung haben sie mir Erfahrungen ermöglicht, wie sie bislang nur wenige Menschen machen konnten.
Ist Ihnen klar, was es bedeutet, wenn ich Ihnen sage, dass ich 37 verschiedene Himmelskörper besucht habe – Planeten, dunkle Sterne und kaum beschreibbare Objekte –, acht davon außerhalb unserer Galaxis und zwei außerhalb des gekrümmten Kosmos’ von Raum und Zeit? Und all das hat mir nicht im Geringsten geschadet. Mein Gehirn ist durch eine so geschickte Abtrennung meinem Körper entnommen worden, dass man diese Operation unmöglich als chirurgischen Eingriff bezeichnen kann. Die Besucher verfügen über Methoden, die diese Entnahme einfach machen und als etwas beinahe Normales erscheinen lassen – und während das Hirn entnommen ist, altert der Körper nicht. Ich möchte hinzufügen, dass das Gehirn mit seinen mechanischen Anschlüssen und durch die Ernährung mit einer regelmäßig erneuerten Konservierungsflüssigkeit nahezu unsterblich ist.
Ich hoffe jedenfalls von ganzem Herzen, dass Sie sich dazu entschließen werden, Mr Akeley und mich zu begleiten. Die Besucher sind erpicht darauf, Männer von großem Wissen wie Sie kennenzulernen und ihnen die großen Abgründe zu zeigen, von denen die meisten von uns Unwissenden nur träumen können. Anfangs mag Ihnen die Begegnung mit diesen Wesen seltsam erscheinen, aber ich weiß, dass Sie über solchen Dingen stehen werden. Ich glaube, auch Mr Noyes wird mitkommen – er hat Sie doch sicher in seinem Wagen hierher gebracht, nicht wahr? Er ist seit Jahren einer der Unseren – ich vermute, Sie haben seine Stimme wiedererkannt: Er ist auf der Aufzeichnung, die Mr Akeley Ihnen geschickt hat, zu hören.«
Als ich erschreckt zusammenfuhr, unterbrach sich der Sprecher einen Moment lang, ehe er fortfuhr.
»Nun, Mr Wilmarth, ich überlasse Ihnen die Entscheidung. Ich möchte nur noch hinzufügen, dass ein Mann mit Ihrer Neigung zum Merkwürdigen und zur Volksbrauchtumskunde sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen sollte. Es gibt nichts zu befürchten. Alle Übergänge vollziehen sich vollkommen schmerzlos, und mit einer vollständig mechanisierten Sinneswahrnehmung gibt es vieles zu genießen. Sind die Elektroden entfernt, so fällt man lediglich in einen Schlaf voller besonders lebhafter und fantastischer Träume.
Und nun wollen wir mit Ihrer Erlaubnis die Fortsetzung unserer Unterhaltung auf morgen verlegen. Gute Nacht – drehen Sie einfach alle Schalter wieder nach links. Kümmern Sie sich nicht um die Reihenfolge, aber am besten lassen Sie die Linsenmaschine bis zuletzt an. Gute Nacht, Mr Akeley. Behandeln Sie unseren Gast gut! Sind Sie bereit mit den Schaltern?«
Das war alles. Ich gehorchte wie mechanisch und drehte alle drei Schalter um, auch wenn ich nicht recht an das glauben wollte, was sich gerade zugetragen hatte. In meinem Kopf drehte es sich noch immer, als ich Akeleys Flüstern vernahm, ich solle doch die ganzen Gerätschaften einfach auf dem Tisch stehen lassen. Er unternahm nicht einmal den Versuch, das Geschehene zu kommentieren, und in der Tat war mein überlasteter Geist außerstande, dergleichen noch aufzunehmen. Ich hörte ihn sagen, ich könne die Lampe gern mit auf mein Zimmer nehmen, und nahm an, dass er nun allein im Dunkeln schlafen wollte. Es war sicherlich höchste Zeit, dass er sich ausruhte, denn seine Vorträge an diesem Nachmittag und Abend hätten selbst einen kerngesunden Mann erschöpft. Noch immer benommen, wünschte ich meinem Gastgeber eine gute Nacht und ging mit der Leuchte hinauf, obwohl ich eine ausgezeichnete Taschenlampe bei mir trug.
Ich war froh, dem Arbeitszimmer mit seinem sonderbaren Geruch und der subtilen Schwingung entronnen zu sein, konnte mich aber dennoch nicht einem furchtbaren Gefühl der Angst, Bedrohung und kosmischen Abnormität entziehen, sobald ich über diesen Ort und die Kräfte, denen ich hier begegnete, nachdachte. Die wilde, einsame Gegend, der schwarze geheimnisvoll bewaldete Steilhang, der so nahe hinter dem Haus aufragte, die Fußspuren auf der Straße, der kranke, regungslose Flüsterer im Dunkeln, die teuflischen Zylinder und Maschinen, und vor allem anderen die Einladungen zu eigenartigen chirurgischen Eingriffen und noch eigenartigeren Reisen – all das war so neu und in so rascher Folge auf mich eingestürzt, dass es meinen Willen schwächte und meine physische Kraft untergrub.
Dass mein Chauffeur Noyes der menschliche Zelebrant bei jenem ungeheuerlichen Sabbat auf der Fonografenaufnahme gewesen war, setzte mir besonders zu, obwohl mir seine Stimme bereits zuvor auf unklare, abstoßende Weise vertraut erschienen war. Ebenfalls erschütternd fand ich meine eigene Haltung gegenüber meinem Gastgeber, als ich sie genauer bedachte: Sosehr ich Akeley früher instinktiv gemocht hatte, so wie ich ihn aus seinen Briefen kannte, jetzt erfüllte er mich mit ausgesprochenem Ekel. Seine Krankheit hätte mein Mitgefühl erregen müssen, doch stattdessen ließ sie mich schaudern. Er war so starr und schlaff und leichenhaft – und dieses unablässige Geflüster war so abscheulich und unmenschlich!
Mir wurde bewusst, dass das Geflüster sich von jedem anderen Laut unterschied, den ich je gehört hatte: Trotz der eigentümlichen Reglosigkeit der von dem Schnurrbart verdeckten Lippen besaß es eine Kraft und Ausdauer, die erstaunlich waren für einen keuchenden Asthmakranken. Ich konnte seine Worte selbst am anderen Ende des Raumes verstehen, und ein-, zweimal hatte ich den Eindruck, dass die leisen, aber alles durchdringenden Töne weniger von Schwäche als von absichtlicher Dämpfung der Stimme zeugten – aus welchem Grund das geschah, konnte ich mir nicht erklären. Von Anfang an hatte mich etwas in seinem Timbre verstört.
Jetzt, als ich darüber nachdachte, glaubte ich, diesen Eindruck auf eine Art unterbewusste Vertrautheit zurückführen zu können, demselben Gefühl, das bereits Noyes’ Stimme etwas Unheimliches verliehen hatte. Doch wann oder wo mir das, woran die Stimme mich erinnerte, begegnet sein mochte, wollte mir nicht einfallen.
Eines war jedenfalls sicher – ich würde hier keine zweite Nacht verbringen. Mein wissenschaftlicher Eifer hatte sich in Furcht und Abscheu aufgelöst, und ich verspürte in mir nur noch den Wunsch, diesem morbiden Ort der widernatürlichen Offenbarungen zu entfliehen. Ich wusste jetzt genug. Es gab tatsächlich merkwürdige kosmische Verbindungen – aber diese Dinge waren sicherlich nicht für normale Menschen geeignet.
Ich schien von blasphemischen Kräften umgeben, die mit erdrückender Wucht auf meine Sinne einstürmten. Schlafen, so entschied ich, kam nicht infrage; und so löschte ich lediglich die Lampe und warf mich vollständig angekleidet aufs Bett. Es war zweifellos absurd, doch ich hielt mich für einen unvorhersehbaren Notfall bereit, den Revolver fest in meiner Rechten, die Taschenlampe in der Linken. Von unten drang kein Laut herauf, und ich stellte mir vor, wie mein Gastgeber leichenstarr in der Finsternis saß.
Von irgendwoher hörte ich das Ticken einer Uhr und verspürte beinahe Dankbarkeit über dieses normale Geräusch. Dennoch erinnerte es mich an etwas anderes Verstörendes in dieser Umgebung – das völlige Fehlen von Tierlauten. Mit Sicherheit gab es kein Vieh auf dem Hof, und jetzt fiel mir auf, dass sogar die üblichen nächtlichen Geräusche wilder Tiere ausblieben. Mit Ausnahme des unheimlichen Plätscherns ferner, unsichtbarer Gewässer herrschte eine unnatürliche Stille – wie in den Räumen zwischen den Welten –, und ich fragte mich, welche von den Sternen gezeugte, immaterielle Fäule wohl über diesem Landstrich lag. Ich wusste aus den alten Legenden, dass Hunde und andere Tiere die Außerweltlichen seit jeher hassten, und machte mir Gedanken darüber, was die Spuren auf der Straße zu bedeuten hatten.
VIII
Fragen Sie mich nicht, wie lange mich der Schlaf gefangen hielt, der mich unerwartet übermannt hatte, oder wie viel von dem, was folgte, nur ein Traum war. Wenn ich Ihnen sage, ich sei zu einer bestimmten Zeit erwacht und habe gewisse Dinge gesehen und gehört, dann werden Sie mir schlicht entgegnen, ich sei eben doch nicht aufgewacht – alles sei ein Traum gewesen bis zu dem Augenblick, da ich aus dem Haus stürzte, zu dem Schuppen stolperte, wo ich den alten Ford fand, um dann wie ein Wahnsinniger in dem altertümlichen Vehikel ziellos durch die heimgesuchten Berge zu rasen, bis ich schließlich – nach stundenlanger holpriger Irrfahrt durch bedrohliche Waldlabyrinthe – in einem Dorf ankam, das sich als Townshend herausstellte.
Sie werden natürlich auch alles andere in meinem Bericht bezweifeln und erklären, all die Bilder, aufgezeichneten Geräusche oder Stimmen aus Zylindern und Maschinen und ähnlich geartete Beweisstücke seien bloß Täuschungsmanöver, mit denen der vermisste Henry Akeley mir übel mitgespielt habe. Sie werden sogar andeuten, dass er sich vermutlich mit anderen Exzentrikern verschworen habe, um mir einen albernen und raffinierten Streich zu spielen – dass er die Express-Sendung in Keene selbst verschwinden ließ und dass er Noyes beauftragt habe, die fürchterliche Wachswalze zu besprechen. Es ist seltsam, dass Noyes bis heute nicht identifiziert werden konnte und in keinem der Dörfer in Akeleys Umkreis bekannt ist, obwohl er sich doch häufig in der Region hätte aufhalten müssen. Ich wünschte, ich hätte mir das Nummernschild seines Wagens eingeprägt – vielleicht ist es aber letzten Endes auch besser, dass ich es nicht getan habe. Denn ungeachtet allem, was Sie sagen mögen und was ich mir selbst zuweilen einzureden versuche, weiß ich, dass dort in den kaum erforschten Bergen abscheuliche außerirdische Mächte lauern müssen – und dass sie in der Welt der Menschen ihre Spione und Handlanger besitzen. Für mein weiteres Leben ist mein einziger Wunsch, mich so fern wie nur möglich von diesen Kräften und ihren Helfershelfern zu halten.
Als auf meinen panischen Bericht hin der Sheriff mit seinen Leuten hinaus zum Gutshaus fuhr, war Akeley spurlos verschwunden. Sein Morgenrock, der gelbe Schal und die Fußbandagen lagen neben dem Lehnstuhl auf dem Boden des Arbeitszimmers; es konnte nicht ermittelt werden, ob unter seinen Sachen dafür andere Kleidungsstücke fehlten. Die Hunde und das Vieh waren tatsächlich verschwunden, und man entdeckte ein paar eigenartige Einschusslöcher auf der Außenseite des Hauses und auch in einigen Innenwänden; davon abgesehen fand sich allerdings nichts Ungewöhnliches. Keine Zylinder oder Maschinen, keine der Beweisstücke, die ich in meiner Reisetasche mitgebracht hatte, kein sonderbarer Geruch und keine Schwingung, keine Fußspuren auf der Straße und nichts von den aufwühlenden Dingen, die ich ganz zuletzt gesehen hatte.
Ich blieb nach meiner Flucht noch eine Woche in Brattleboro, um dort Nachforschungen bei allen möglichen Leuten anzustellen, die Akeley gekannt hatten; die Ergebnisse dieser Nachforschungen überzeugen mich davon, dass die Angelegenheit kein Hirngespinst und kein Traum war. Akeleys merkwürdige Ankäufe von Hunden, Munition und Chemikalien und das wiederholte Durchtrennen seiner Telefonleitung sind schriftlich belegt, und jeder, der ihn kannte – unter anderem sein Sohn in Kalifornien –, bezeugt, dass seine gelegentlichen Bemerkungen über ungewöhnliche Forschungen eine gewisse Folgerichtigkeit aufwiesen. Ehrbare Bürger sind der Meinung, er sei verrückt gewesen, und bezeichnen alle berichteten Vorfälle ohne Weiteres als Streiche, die er mit der Schlauheit eines Verrückten und vielleicht mithilfe der Unterstützung verschrobener Bekannter ersonnen habe. Die weniger gebildeten Landbewohner bestätigen jedoch seine Ansichten in jedem Punkt. Er hatte einigen dieser Bauern seine Fotografien und den schwarzen Stein gezeigt und ihnen die schreckliche Aufnahme vorgespielt; und sie alle sagten, die Fußspuren und die summenden Stimmen entsprächen genau jenen, die in den Legenden ihrer Ahnen beschrieben wurden.
Außerdem berichteten sie, dass die verdächtigen Vorgänge und Geräusche um Akeleys Haus stark zunahmen, seit er den schwarzen Stein gefunden hatte, und dass jedermann außer dem Postboten und einigen wenigen mutigen Personen diesen Ort tunlichst mied. Der Dark Mountain wie der Round Hill waren bekannt dafür, dass es dort spukte, und ich fand niemanden, der diese Gegenden je näher erforscht hatte. Es ist eindeutig belegt, dass in der gesamten Geschichte des Bezirks immer wieder Einheimische verschwunden waren, zuletzt der Herumtreiber Walter Brown, den Akeley in seinen Briefen erwähnt hatte. Ich traf sogar auf einen Farmer, der glaubte, während der Überschwemmungen mit eigenen Augen eine der sonderbaren Leichen im stark angeschwollenen West River gesehen zu haben, doch seine Geschichte war viel zu wirr, um von wirklichem Wert zu sein.
Als ich Brattleboro verließ, fasste ich den Entschluss, nie wieder nach Vermont zurückzukehren, und ich weiß, dass ich mich daran halten werde. Jene wilden Berge sind mit Sicherheit Vorposten einer grauenhaften kosmischen Rasse. Davon bin ich noch fester überzeugt, seit ich gelesen habe, dass man hinter dem Neptun einen neunten Planeten entdeckt hat – ganz so, wie die Wesen es vorhergesagt haben. Die Astronomen haben diesem Ding, auch wenn es ihnen nicht bewusst sein dürfte, einen fürchterlich passenden Namen verliehen: ›Pluto‹. Für mich steht außer Frage, dass es sich dabei um nichts anderes als den nachtschwarzen Yuggoth handelt – und ich erschaudere, wenn ich mir vorzustellen versuche, weshalb seine monströsen Bewohner wünschen, dass ihr Planet auf diese Weise und zu diesem Zeitpunkt bekannt wird. Umsonst versuche ich mir einzureden, diese dämonischen Kreaturen wollten nicht allmählich auf eine neue Taktik hinaus, die für die Erde und ihre normalen Bewohner von Schaden ist.
Aber ich muss noch vom Ende jener schrecklichen Nacht im Gutshaus berichten. Wie ich schon sagte, fiel ich schließlich in einen unruhigen Halbschlaf, einen Schlaf erfüllt von bruchstückhaften Träumen, in denen ich kurze Blicke auf ungeheuerliche Landschaften erhaschen konnte. Ich weiß nicht, was mich aus diesen Träumen riss, doch für mich steht fest, dass ich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erwachte. Zuerst hatte ich den undeutlichen Eindruck, dass auf dem Gang vor meiner Tür die Dielenbretter verstohlen knarrten und dass sich jemand ungeschickt am Türknauf zu schaffen machte. Das hörte allerdings sofort wieder auf, sodass mein erster wirklich klarer Eindruck die Stimmen waren, die ich aus dem Arbeitszimmer unter mir vernahm. Es handelte sich wohl um mehrere Personen, die in ein Streitgespräch verwickelt schienen.
Nachdem ich nur wenige Sekunden gelauscht hatte, war ich hellwach, denn die Art der Stimmen ließ jeden Gedanken an Schlaf absurd erscheinen. Sie klangen höchst unterschiedlich, und niemand, der je jener verfluchten Aufnahme gelauscht hatte, konnte über die Herkunft von mindestens zwei der Stimmen im Zweifel sein. So schrecklich diese Vorstellung für mich auch war, ich wusste, dass ich mich unter einem Dach mit den namenlosen Geschöpfen aus den Tiefen des Alls befand. Denn bei diesen beiden Stimmen handelte es sich unverkennbar um das blasphemische Summen, das die Außerweltlichen für die Kommunikation mit Menschen benutzten. Zwar gab es zwischen den zweien Unterschiede in der Tonlage, dem Akzent und der Sprechgeschwindigkeit, doch gehörten sie beide derselben verfluchten Gattung an.
Eine dritte Stimme stammte unzweifelhaft von einer der Sprechmaschinen, die an eins der Gehirne in den Zylindern angeschlossen sein musste. Daran gab es ebenso wenig Zweifel wie an den summenden Stimmen, denn die laute, metallische, leblose Stimme mit dem monotonen, ausdruckslosen Kratzen und Rasseln, ihrer unpersönlichen Präzision und Bestimmtheit hatte ich nicht vergessen können. Zuerst stellte ich mir gar nicht die Frage, ob es sich bei der Intelligenz, die sich hinter dem Rasseln verbarg, um dieselbe handelte, die zu mir gesprochen hatte. Dann jedoch wurde mir klar, dass jedes Gehirn Stimmlaute dieser Art von sich geben würde, wenn man es mit dem mechanischen Spracherzeuger verbände; die möglichen Unterschiede beträfen die Wortwahl, den Rhythmus, die Sprechgeschwindigkeit und die Aussprache.
Um dieses gespenstische Gespräch zu vervollständigen, gab es noch zwei menschliche Stimmen – die eines mir unbekannten und offenkundig bäuerlichen Mannes, der sich sehr ungehobelt ausdrückte, und die geschmeidige Bostoner Stimme meines ehemaligen Begleiters Noyes.
Während ich versuchte, die Worte zu verstehen, die gedämpft durch die solide Decke hindurchdrangen, bemerkte ich, dass sich im Zimmer unter mir etwas bewegte, und hörte eine Menge scharrender, schlurfender Geräusche. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Raum voller Lebewesen war – es mussten viel mehr sein als nur die wenigen, deren Stimmen ich heraushören konnte. Die Geräusche genau zu beschreiben ist sehr schwer, da man kaum etwas Vergleichbares finden dürfte. Gegenstände schienen sich dann und wann wie Lebewesen durch das Zimmer zu bewegen, die Schritte klangen wie ein lockeres Klappern auf einer harten Oberfläche – wie das Aufschlagen eines unregelmäßig geformten Gegenstandes aus Horn oder Hartgummi auf einer ebenen Fläche. Es war, um einen konkreteren, aber weniger genauen Vergleich zu bemühen, als schlurften und klapperten Personen mit lose sitzenden zersplitterten Holzschuhen über den gebohnerten Parkettboden. Ich wollte keine Mutmaßungen darüber anstellen, wie die Verursacher dieser Geräusche wohl aussehen mochten.
Schon bald erkannte ich, dass es unmöglich war, das Gespräch zusammenhängend mitzuhören. Einzelne Worte konnte ich verstehen – unter anderem auch Akeleys Namen und den meinen –, vor allem vonseiten des mechanischen Spracherzeugers, aber die Bedeutung blieb mir verborgen, da der Zusammenhang fehlte. Noch heute lehne ich es ab, irgendwelche bestimmten Schlüsse aus dem Gehörten zu ziehen; die furchtbare Wirkung, die es auf mich hatte, beruhte eher auf einer Ahnung als auf einer Offenbarung. Unter mir, dessen war ich sicher, fand eine schreckliche und abnorme geheime Sitzung statt, doch zu welchem entsetzlichen Zweck vermochte ich nicht zu sagen. Es war sonderbar, wie mich dieses Gefühl einer bösartigen und blasphemischen Gegenwart überkam, trotz Akeleys Beteuerungen, dass die Außerirdischen friedliche Absichten hegten.
Geduldig lauschend, konnte ich die Stimmen bald klar unterscheiden, auch wenn es mir nicht möglich war, viel von dem Gespräch zu verstehen. Ich glaubte, bei einigen der Individuen gewisse charakteristische Emotionen auszumachen: Eine der summenden Stimmen beispielsweise besaß einen unverkennbar autoritären Beiklang, während die mechanische Stimme ungeachtet ihrer künstlichen Lautstärke und Regelmäßigkeit eine untergeordnete und bittstellende Position einzunehmen schien. Die Stimme von Noyes verbreitete eine Art versöhnliche Atmosphäre. Die anderen vermochte ich nicht zu deuten. Akeleys vertrautes Flüstern hörte ich nicht, wusste aber, dass dieses Geräusch niemals den soliden Fußboden meines Zimmers durchdringen könnte.
Ich werde nun versuchen, einige der unzusammenhängenden Worte und andere Geräusche, die ich heraushörte, niederzuschreiben, wobei ich die jeweiligen Sprecher so gut ich kann kennzeichne. Die ersten verständlichen Satzteile hörte ich von der Sprechmaschine.
(Die Sprechmaschine)
»… ich es selbst herbeigeschafft … die Briefe und die Aufnahme zurückgeschickt … ein Ende machen … betrogen … sehen und hören … seid verdammt … schließlich doch nur eine unpersönliche Kraft … neuer glänzender Zylinder … großer Gott …«
(Erste summende Stimme)
»… als wir beendeten … klein und menschlich … Akeley … Gehirn … sagt …«
(Zweite summende Stimme)
»… Nyarlathotep … Wilmarth … Aufnahmen und Briefe … billiger Betrug …«
(Noyes)
»… (ein unaussprechliches Wort oder ein Name, möglicherweise N’gah-Kthun) … harmlos … Frieden … einige Wochen … theatralisch … habe ich Ihnen bereits gesagt …«
(Erste summende Stimme)
»… kein Grund … ursprüngliches Vorhaben … Auswirkungen … Noyes kann zusehen … Round Hill … neuer Zylinder … Noyes’ Wagen …«
(Noyes)
»… nun … ganz Ihre … hier unten … ruhen … Ort …«
(Mehrere Stimmen gleichzeitig, unverständlich)
(Zahlreiche Fußschritte, einschließlich des eigentümlichen Scharrens oder Kratzens)
(Merkwürdiges Flattergeräusch)
(Ein Automobil wird gestartet und entfernt sich)
(Stille)
Das ist im Wesentlichen alles, was ich erlauschen konnte, als ich unbeweglich auf dem Bett im oberen Stockwerk des heimgesuchten Hauses inmitten der dämonischen Berge lag – völlig angezogen dalag mit einem Revolver in der rechten und einer Taschenlampe in der linken Hand. Ich war, wie ich bereits sagte, hellwach; dennoch ließ mich eine unerklärliche Lähmung reglos verharren, noch lange nachdem die letzten Geräusche verklungen waren. Ich hörte das hölzerne, gleichmäßige Ticken der alten Connecticut-Uhr irgendwo dort unten und vernahm außerdem noch ein unregelmäßiges Schnarchen. Akeley musste nach der sonderbaren Sitzung eingedöst sein, und ich konnte mir gut vorstellen, dass er das bitter nötig hatte.
Doch was ich denken, geschweige denn tun sollte, vermochte ich nicht zu entscheiden. Was hatte ich denn schon gehört außer Dingen, die ich aufgrund meiner Informationen hätte erwarten können? Hatte ich denn nicht gewusst, dass die namenlosen Außerirdischen nun freien Zugang zum Gutshaus hatten? Ohne Zweifel war Akeley von ihrem unangekündigten Besuch überrascht worden. Aber irgendetwas in diesem fragmentarischen Streitgespräch hatte mir einen unermesslichen Schrecken eingeflößt, absurde und grauenhafte Zweifel in mir geweckt und mich dringlichst wünschen lassen, ich würde gleich aufwachen und alles sei nur ein Traum gewesen. Ich glaube, dass mein Unterbewusstsein etwas erfasst hatte, das meinem bewussten Ich bislang entgangen war. Doch was war mit Akeley? War er denn nicht mein Freund, und hätte er nicht heftig widersprochen, wenn jemand mir ein Leid zufügen wollte? Das friedliche Schnarchen dort unten schien meine schlagartig verstärkten Ängste lächerlich machen zu wollen.
War es möglich, dass man Akeley getäuscht und dazu benutzt hatte, mich mit den Briefen und Fotos und der Tonaufnahme hier in die Berge zu locken? Planten diese Wesen, uns beiden zugleich den Garaus zu machen, weil wir zu viel von ihnen wussten? Erneut dachte ich an den abrupten und unnatürlichen Umschwung der Lage, der sich zwischen Akeleys vorletztem und letztem Brief zugetragen haben musste. Irgendetwas, spürte ich instinktiv, war hier furchtbar schiefgelaufen. Nichts war so, wie es zu sein schien. Dieser säuerlich schmeckende Kaffee, den ich verschmäht hatte – war er vielleicht von einem dieser verborgenen unbekannten Wesen vergiftet worden? Ich musste unverzüglich mit Akeley sprechen und seinen Sinn für das rechte Maß wiederherstellen. Sie hatten ihn mit dem Versprechen kosmischer Offenbarungen hypnotisiert, doch jetzt musste er der Stimme der Vernunft folgen. Wir mussten fort von hier, ehe es zu spät sein würde. Wenn ihm die Willenskraft dazu fehlte, sich von allem loszureißen, dann würde ich sie ihm verleihen. Und wenn ich ihn gar nicht zu überzeugen vermochte, dann konnte ich immerhin alleine gehen. Er würde mir gewiss seinen Ford leihen, den ich dann in Brattleboro in einer Garage abstellen könnte. Ich hatte den Wagen im Schuppen bemerkt – das Tor stand nun offen, da die Gefahr vorüber zu sein schien –, und ich dachte mir, dass das Automobil mit ziemlicher Sicherheit sofort fahrbereit sein müsste. Die zeitweilige Abneigung, die ich während und nach der abendlichen Unterhaltung gegen meinen Gastgeber gehegt hatte, war mittlerweile ganz verschwunden. Er befand sich in der gleichen Lage wie ich, und wir mussten zusammenhalten. Wegen seiner Erkrankung war es mir äußerst unangenehm, ihn zu diesem Zeitpunkt zu wecken, aber ich musste es tun. So wie die Sache sich verhielt, konnte ich nicht bis zum nächsten Morgen an diesem Ort bleiben.
Endlich fühlte ich mich fähig zu handeln, und ich streckte mich kräftig, um meine Muskeln wieder unter Kontrolle zu bringen. Ich stand mit eher instinktiver als bewusster Behutsamkeit auf, fand meinen Hut und setzte ihn auf, nahm meine Reisetasche und stieg mithilfe der Taschenlampe die Treppe hinab. Ich war so nervös, dass ich den Revolver krampfhaft in der Rechten hielt, während ich mit der linken Hand sowohl die Tasche als auch die Lampe trug. Weshalb ich diese Vorsichtsmaßnahme ergriff, ist mir nicht wirklich klar, denn schließlich wollte ich nur den einzigen anderen Bewohner des Hauses wecken.
Als ich fast auf Zehenspitzen die knarrenden Stufen hinab zur Eingangshalle stieg, konnte ich den Schlafenden deutlicher hören, und mir fiel auf, dass er sich in dem Raum zu meiner Linken befinden musste – dem Wohnzimmer, das ich noch nicht betreten hatte. Zu meiner Rechten lag die gähnende Schwärze des Arbeitszimmers, aus dem ich die Stimmen vernommen hatte. Ich stieß die unverriegelte Tür zum Wohnzimmer auf und leuchtete mit der Taschenlampe in die Richtung, aus der das Schnarchen kam, bis das Licht auf das Gesicht des Schlafenden fiel. Doch schon in der Sekunde darauf wandte ich die Taschenlampe hastig ab und trat lautlos wie eine Katze den Rückzug in die Halle an. Dieses Mal entsprang meine Vorsicht nicht nur meiner Intuition, sondern auch der Vernunft. Denn bei dem Schlafenden auf dem Sofa handelte es sich keineswegs um Akeley, sondern um meinen früheren Begleiter Noyes.
Was das nun bedeuten mochte, konnte ich mir nicht erklären, aber der gesunde Menschenverstand riet mir, es sei das Beste, so viel wie möglich zu erkunden, bevor ich jemanden aufwecken würde. Zurück in der Halle, schloss ich leise die Wohnzimmertür, um die Gefahr zu verringern, Noyes zu wecken. Dann betrat ich vorsichtig das finstere Arbeitszimmer, wo ich Akeley wach oder schlafend in seinem großen Stuhl in der Ecke zu finden hoffte, offensichtlich sein liebster Ruheplatz. Als ich näher trat, erfasste der Lichtstrahl meiner Lampe den großen Tisch in der Mitte des Raums, und ich sah einen der teuflischen Zylinder, an den Sicht- und Hörmaschinen angeschlossen waren. Daneben stand eine Sprechmaschine bereit, um angeschlossen zu werden. Dies musste das eingeschlossene Gehirn sein, das ich während der grausigen Unterredung sprechen gehört hatte. Eine Sekunde lang verspürte ich das perverse Verlangen, die Sprechmaschine anzuschließen und zu hören, was es wohl sagen würde.
Es musste meine Anwesenheit bereits wahrgenommen haben, den Sicht- und Hörapparaten war das Licht meiner Taschenlampe und das leise Knarren des Bodens unter meinen Füßen sicherlich nicht entgangen. Schließlich wagte ich es aber nicht, an dem Ding zu hantieren. Beiläufig bemerkte ich, dass es sich um den neuen Zylinder mit Akeleys Namen handelte, auf den ich zuvor am Abend aufmerksam geworden war, woraufhin mir mein Gastgeber geraten hatte, mich nicht darum zu kümmern. Rückblickend bereue ich meine Zaghaftigkeit und wünschte, ich hätte den Apparat doch zum Sprechen gebracht. Gott weiß, welche Rätsel und schreckliche Zweifel und Fragen er hätte aufklären können! Vielleicht aber ist es auch gut so, dass ich ihn in Ruhe ließ.
Ich richtete meine Taschenlampe in die Ecke, in der ich Akeley vermutete, doch zu meiner Bestürzung befand sich weder ein schlafender noch wacher Mann in dem großen Lehnstuhl. Vom Sitz hing der gewohnte Morgenrock herab bis auf den Boden, und dort lagen auch der gelbe Schal und die riesigen Fußbandagen, die mir so merkwürdig erschienen waren. Ich zögerte und versuchte zu erraten, wo Akeley hingegangen sein mochte und weshalb er so plötzlich seine notwendigen Utensilien abgelegt hatte. Dann fiel mir auf, dass der eigenartige Geruch und die kaum wahrnehmbare Schwingung im Zimmer fehlten. Was war ihre Ursache gewesen? Ich erinnerte mich, dass ich beides stets nur in Akeleys unmittelbarer Nähe bemerkt hatte. Sie waren dort, wo er gesessen hatte, am stärksten gewesen, und außer in diesem Raum und direkt vor der Tür des Arbeitszimmers habe ich diese Phänomene sonst nirgends feststellen können. Ich blieb stehen, ließ den Strahl der Taschenlampe durch das dunkle Zimmer schweifen und marterte mein Gehirn, um eine Erklärung für diese Wendung der Geschehnisse zu finden.
Bei Gott, ich wünschte, ich hätte das Zimmer leise verlassen, ohne den Lichtstrahl nochmals auf den leeren Stuhl zu richten. So aber ging ich nicht in aller Stille, sondern stieß einen halb erstickten Schrei aus, der den schlafenden Wächter im Zimmer gegenüber gestört haben muss, ihn aber nicht gänzlich aufwachen ließ. Mein eigener Schrei und Noyes’ unbeirrtes Schnarchen waren die letzten Geräusche, die ich in dem morbiden Gutshaus am Fuße eines schwarz bewaldeten verwunschenen Berges hörte – jenem Brennpunkt außerkosmischen Grauens inmitten der einsamen grünen Berge und Flüche murmelnden Bäche eines gespenstischen alten Landes.
Es ist ein Wunder, dass ich auf meiner wilden Flucht nicht Taschenlampe, Reisetasche und Revolver fallen ließ, sondern irgendwie alles bei mir zu behalten vermochte. Es gelang mir sogar, den Raum und das Haus zu verlassen, ohne weiteren Lärm zu machen, mich und meine Habseligkeiten sicher zu dem alten Ford im Schuppen zu bringen und dieses uralte Vehikel in Bewegung zu setzen, hin zu einem unbekannten sicheren Ort irgendwo in der schwarzen, mondlosen Nacht. Die folgende Fahrt glich einem Wahntraum aus der Feder Poes oder Rimbauds oder den Zeichnungen Dorés, doch schließlich gelangte ich nach Townshend. Das ist alles. Wenn ich noch bei geistiger Gesundheit bin, kann ich mich glücklich schätzen. Zuweilen fürchte ich mich vor dem, was in den nächsten Jahren kommen mag, vor allem, da nun der neue Planet Pluto auf so sonderbare Weise entdeckt worden ist.
Wie ich bereits andeutete, ließ ich den Lichtstrahl meiner Taschenlampe durch das Zimmer schweifen und nochmals auf dem leeren Lehnstuhl ruhen. Da bemerkte ich zum ersten Mal ein paar Gegenstände auf dem Sitz, die mir zuvor in den Falten des weiten Morgenrocks nicht aufgefallen waren. Es handelte sich dabei um die Gegenstände, drei an der Zahl, die die Ermittler nicht mehr vorfanden, als sie später an den Ort des Geschehens kamen. Wie ich schon zu Beginn erwähnt habe, hatten sie nichts offensichtlich Grauenhaftes an sich. Das Quälende an ihnen waren die Schlussfolgerungen, die ich aus ihnen ziehen musste. Auch heute noch erlebe ich Momente des Zweifels – Momente, in denen ich geneigt bin, die Skepsis derer zu teilen, die mein ganzes Erlebnis einem Traum, meinen überreizten Nerven oder Sinnestäuschungen zuschreiben möchten.
Die drei Gegenstände waren überaus clevere Erzeugnisse ihrer Art und verfügten über raffinierte Metallklammern, mit denen man sie an Körperformen befestigen konnte. Wozu sie dienten, wage ich mir nicht vorzustellen. Ich hoffe – hoffe voller In-brunst –, dass es sich um das aus Wachs angefertigte Erzeugnis eines meisterhaften Künstlers handelte, doch meine tiefsten Befürchtungen sagen mir etwas anderes. Großer Gott! Dieser Flüsterer im Dunkeln mit seinem kranken Geruch und den eigenartigen Schwingungen! Hexenmeister, Sendbote, Wechselbalg, Fremder … Dieses scheußliche unterdrückte Summen … Und die ganze Zeit über in dem neuen glänzenden Zylinder auf dem Regal … armer Teufel … ›wundersame chirurgische, biologische, chemische und mechanische Fähigkeiten‹ …
Denn bei den Gegenständen auf dem Sessel, vollkommen bis in die letzten Details mikroskopischer Ähnlichkeit – oder Identität –, handelte es sich um das Gesicht und die Hände von Henry Wentworth Akeley.