Vierzehn
Ist es Selbstbetrug nur?
Gegen vier Uhr nachmittags war ich mir meiner Sache sicher. Ich führte einige Telefonate, sah in den Unterlagen nach, überprüfte meine Informationen. Kurz nach sechs entschloss ich mich, zu handeln. Antti hatte sich immer noch nicht gemeldet. Bei dem Gedanken, was ihm zugestoßen sein konnte, wurde mir angst und bange. Wenn Antti tot war, fiel die Schuld auch auf mich, weil ich die Wahrheit nicht schnell genug herausgefunden hatte.
Ich parkte ein paar Häuser weiter. Ich hatte mich nicht vergewissert, ob die Person, die ich vernehmen wollte, zu Hause war. Wenn es sein musste, würde ich die ganze Nacht auf sie warten. Ich ging die Treppe in den ersten Stock des alten Holzhauses hinauf und klingelte. Hinter der Tür waren Schritte zu hören, die ohne Zögern näher kamen. Falls die Frau, die mir öffnete, überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken.
«Tag, Maria! Ein kleiner Gegenbesuch? Ich mach mir gerade Tee, ich glaub, das Wasser kocht schon. Möchtest du auch einen? Komm doch rein.» Vielleicht sprach sie eine Spur zu hektisch.
«Ja gern, danke.» Ich folgte ihr in die Küche, die viel zu eng war für den großen Esstisch aus massivem Holz. Das Wasserblau der Vorhänge wiederholte sich an den Stühlen und im Tischtuch, das dunkle Violett des Teegeschirrs bildete einen hübschen Kontrast. Ich setzte mich an den Tisch und legte meine Handtasche auf die Fensterbank.
«Hast du etwas von Antti gehört?», fragte Tuulia und stellte einen Teller mit dünnen Gurkenscheiben auf den Tisch.
«Das Gleiche könnte ich dich fragen. Wenn du weißt, wo er ist, dann sag’s mir, um Himmels willen! Das spart uns Zeit und Mühe.»
«Ich hab keine Ahnung, wo er steckt. Glaubst du, Antti ist der Mörder?»
«Nein. Ich glaube, er weiß, wer es getan hat.»
Tuulia schenkte mir Tee ein. Ihre Hände zitterten nicht, kein Tropfen des nach Jasmin duftenden Getränks ging daneben. Wir saßen vor unseren Teetassen wie zwei alte Tanten beim Kaffeeklatsch. Draußen schien die Abendsonne, irgendwo kreischten spielende Kinder.
«Ich bin gekommen, um Jukkas Autoschlüssel zu holen. Gibst du sie mir bitte?» Tuulia stand wortlos auf, verschwand im Nebenzimmer und kam nach einer Weile zurück, das Schlüsselbund mit dem Schriftzug Vectra in der Hand.
«Wollen die Peltonens den Wagen verkaufen? Dazu brauchen sie natürlich alle Schlüssel.»
«Ich weiß nicht, ob er je wieder verkäuflich sein wird. Vielleicht ersetzt die Versicherung die Schäden an den Polstern. Jedenfalls ist das Auto jetzt nochmal gründlich untersucht worden. Warum hattest du eigentlich die Schlüssel?»
«Jukka hat mir Duplikate von allen seinen Schlüsseln gegeben. Er hatte immer Angst, seine zu verlieren, und meinte, es wäre gut, wenn einer von seinen Freunden Reserveschlüssel hat.»
«Im Wagen waren ziemlich viele Fingerabdrücke von dir. Du bist wohl öfter damit gefahren?»
«Ab und zu, wenn ich mal ein Auto brauchte.»
«War Mauri Mattinen ein guter Freund von Jukka? Der hatte nämlich auch einen Schlüsselsatz.» Nun zitterte die Hand mit der Teetasse. Tuulia fragte hastig:
«Wer soll das denn sein?»
Ich betrachtete Tuulias Hände. Sie trug ein T-Shirt mit überlangen Ärmeln. Offenbar hatte sie die Angewohnheit, die Ärmel über ihre frierenden Hände zu ziehen. Am rechten Ringfinger glitzerte der Ring, der mindestens so viel gekostet hatte, wie ein Polizist im Monat verdient. Ich hatte ihn für gut gemachten Modeschmuck gehalten, aber offenbar war er wirklich echt.
«Mattinen kennst du doch. Du hast ihn doch zumindest am Muttertag in Tallinn getroffen, als er Jukka und dir das Kokain übergeben hat. Und ein paar Mal hast du sicher Jukkas Auto vor Mattinens Garage abgestellt, wenn Jukka es nicht selbst hinbringen konnte. Das war wohl mit der Notiz ‹Tuulia nicht am Montag› auf Jukkas Telefonblöckchen gemeint. Du solltest Mattinen das Auto nicht bringen, weil er befürchtete, er stünde unter Beobachtung.»
«Von wem willst du das denn gehört haben? Von ÄM, ich meine, von Mattinen?» Zu spät begriff Tuulia, was ihr da herausgerutscht war.
«Spielt doch keine Rolle. Ihr habt euch zwar gut getarnt, aber letzten Endes wussten ziemlich viele von euren Geschäften. Jukka musste seine Finger eben überall reinstecken. Ich weiß nicht, wo er Mattinen kennen gelernt hat, vielleicht in einem der Nachtklubs, in denen Jukka sich seine Mädchen ausgesucht hat. Mattinen hatte gute Kontakte zu Drogendealern in Tallinn und ein fertiges Vertriebsnetz hier in Finnland, aber er brauchte einen unverdächtigen Kurier, der den Stoff durch den Zoll brachte. Jukka hat offenbar im Winter ein paar Mal Haschisch aus Estland mitgebracht. Als er merkte, wie leicht das ging, ist er auf die Idee gekommen, auch mal größere Fuhren zu übernehmen.
Um die gleiche Zeit hat Mattinen erfahren, dass in Tallinn eine größere Lieferung angeboten wurde. Jarmo und Peter planten eine Testfahrt auf der ‹Marlboro›, und Jukka konnte sie mühelos überreden, Tallinn als Ziel zu wählen, indem er ihnen das Chorkonzert schmackhaft gemacht hat. Alles lief wie geplant. Wahrscheinlich seid ihr kurz zu zweit in die Innenstadt gegangen, habt Mattinen getroffen und den Stoff in Empfang genommen.»
Tuulia lächelte mich an, wie man ein kleines Kind anlächelt, das einem erzählt, es hätte im Wald Gespenster gesehen.
«Mag ja sein, dass Jukka in so was verwickelt war. Ich weiß nur, dass er ab und zu illegal Schnaps verkauft und Frauen vermittelt hat. Vielleicht hat er auf der ‹Marlboro› Drogen geschmuggelt, aber warum hätte er mich da reinziehen sollen?»
«Du warst Jukkas engste Vertraute. Ich glaub, das Ganze hat vor zwei Jahren angefangen, mit Jukkas Frauenvermittlung. Bei dir herrschte chronischer Geldmangel, und als er dir vorschlug, gelegentlich für Geld mit einem ins Bett zu gehen, hast du ja gesagt. Seine Mädchen sind längst nicht alle aus dem Osten, da sind auch ganz normale finnische Studentinnen dabei. Solche wie du.
Du hattest aber ziemlich bald genug davon. War sicher keine besonders angenehme Art, Geld zu verdienen. Geld hast du aber immer noch gebraucht. Du hast mir im ‹Elite› ja erzählt, wie du leben möchtest. Wild, frei, unkonventionell. Und ich hab dich darum beneidet. Also bist du mit deinen Geldsorgen wieder zu Jukka gegangen, und der hat dir andere Jobs angeboten. Du hast für Mattinen Haschisch transportiert und wahrscheinlich ab und zu auch selbst welches verkauft. Und bei der Bootsfahrt brauchte Jukka einen Helfer. Es ist zu gefährlich, nachts allein in Tallinn rumzulaufen. Außerdem müsst ihr irgendeinen Reserveplan gehabt haben, für den Fall, dass der Zoll sich zu sehr für euch interessiert hätte.
Dann hat Jukka vermutlich die Gier gepackt. Mattinen nahm sich seiner Meinung nach zu viel vom Kuchen. Also hat er sich geweigert, ihm den Stoff, den er eingeschmuggelt hatte, auf einmal abzuliefern. Stattdessen hat er ihm Teillieferungen zukommen lassen und jedes Mal eine hübsche Provision verlangt. Er war nicht mal bereit, sich mit Mattinen zu treffen. Daher musstest du den Wagen zu Mattinen fahren und wieder abholen. Mattinen hat mitgespielt, weil ihm nichts anderes übrig blieb.»
«Dann hat Mattinen also Jukka umgebracht, weil der zu gierig wurde?»
«Mattinen hat Jukka nicht umgebracht. Der hat ihm noch am Sonntagabend eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Er war dabei, sich abzusetzen. Du hast Jukka getötet. Und zwar ganz umsonst. Mattinen ist nicht geschnappt worden. Niemand hätte dich und Jukka anschwärzen können.»
Tuulia sah müde aus. Wie lange würde sie noch durchhalten? Ich hatte nichts als Indizien gegen sie in der Hand. Wenn ich sie wegen des Mordes an Jukka vor Gericht bringen wollte, musste ich sie zu einem Geständnis bewegen. Aber wollte ich das? Ich musste mein privates Ich verdrängen. Ich war Polizistin und hatte einen Mord aufzuklären. Etwas anderes zählte jetzt nicht. Ich trank einen Schluck Tee und setzte meinen Monolog fort. Es kam mir vor, als redete ich gegen eine Wand. Auf Tuulias Gesicht lag ein schiefes Lächeln, als müsste sie sich eine langweilige Fernsehsendung ansehen.
«Jukka hatte schon am Donnerstag von den Verhaftungen erfahren, offenbar hat ihn Mattinen gewarnt, als einer seiner Zwischenhändler nicht aufgetaucht ist. Jukka hat sich Sorgen gemacht und angefangen, seine Flucht vorzubereiten. Am Samstag haben die Nachrichten die leicht übertriebene Meldung von der Verhaftung eines Dealerrings gebracht. Da muss Jukka ziemlich in Panik geraten sein. Ich nehme an, er ist kein guter Verlierer. Du hast ihn trotzdem überreden können, sich in der Nacht mit dir am Bootssteg zu treffen. Ihr musstet miteinander reden. Wenn Mattinen wirklich verhaftet worden war, konnte es euch beiden an den Kragen gehen. Während eures Gesprächs habt ihr euch über irgendwas gestritten, und du hast Jukka mit der Axt niedergeschlagen. Vielleicht wusste Mattinen nicht, wie du heißt. Vielleicht hast du dir gedacht, wenn Jukka tot ist, kann dich keiner verraten.»
«Ich hab doch die ganze Nacht geschlafen. Das können alle bezeugen, ich hab doch laut geschnarcht, wie immer, wenn ich ein bisschen zu viel getrunken hab. Und wieso sind meine Fingerabdrücke nicht auf der berühmten Axt, wenn ich angeblich Jukka damit erschlagen hab?»
«Gerade das Schnarchen hat dich verraten. Jyri hat mir erzählt, du hättest hübsch auf dem Rücken gelegen und geschnarcht. Mirja hat aber ausgesagt, dass sie versucht hat, dich vom Bauch auf den Rücken zu drehen, damit du aufhörst zu schnarchen. Im Allgemeinen schnarcht man doch nur in einer Stellung. Da hast du schlampig geschauspielert.
Und dann die Fingerabdrücke. Natürlich hattest du kalte Hände, mitten in der Nacht am Bootssteg. Du hattest deine überlangen Pulloverärmel über die Hände gezogen, als du die Axt gepackt hast, und auch, als du sie hinterher unter der Sauna versteckt hast. Das hast du mir letzte Woche ja geradezu unter die Nase gerieben.» Es wollte mir nicht gelingen, meine Wut zu unterdrücken. «An dem Abend im ‹Elite› wolltest du doch bloß rausfinden, was ich weiß. Alle deine lustigen Geschichten und dein Gerede von Freundschaft und Gleichgesinntheit – alles nur gespielt. Und ich hab das ernst genommen!»
«Das war nicht gespielt.» Tuulia schaute zum Fenster hinaus. «Ich hab wirklich geglaubt, du verstehst mich.»
«Hast du etwa geglaubt, ich würde es gutheißen, dass du vom Kokainhandel lebst?»
«Ich hab doch nicht gewusst, dass es Kokain war!» Die violette Teetasse klirrte gegen die Untertasse. Tuulia stand auf, goss sich Tee nach und sagte langsam:
«Das war’s dann wohl. Am besten erzähl ich dir die ganze Geschichte. Damit du wenigstens ein bisschen verstehst. Möchtest du übrigens auch noch Tee?» Ich nickte, sie schenkte mir nach, stellte die Kanne auf der Spüle ab und setzte sich an den Tisch. Sie bewegte sich schwerfällig wie ein verwundetes Tier und sprach leiser als gewöhnlich. Sie schaute auf den Hof. Eine Bachstelze setzte sich aufs Fensterbrett, starrte die Brotkrümel hinter der Scheibe begehrlich an und flog wieder fort. Schließlich begann Tuulia zu erzählen.
«Du hast ziemlich richtig geraten, was unsere Geschäfte angeht. Eigentlich hat alles ganz zufällig begonnen.» Tuulia lächelte über ihre Erinnerungen. «Im Sommer vor zwei Jahren war ich mit Jukka zum Rockclub im ‹Kaivohuone›. Ich hatte mich ein bisschen greller zurechtgemacht als sonst, viel Make-up, die Haare aufgesteckt, hochhackige Schuhe, superkurzer Mini. Am späten Abend kam so ein mittelaltriger Spießer an und fragte, wie viel. Ich hab erst gar nicht begriffen, was er meint. Dann hab ich zum Spaß gesagt, tausend, aber im Voraus. Der hat mir mit seinem Geld fast vor der Nase rumgewedelt. Ich konnte Jukka gerade noch tschüs sagen, da saßen wir auch schon im Taxi zu dem Hotel, wo der Typ wohnte.
Ich hab Jukka natürlich davon erzählt, und ein paar Wochen später hat irgendein Gast seiner Firma eine Begleiterin gesucht. Jukka hat mich vermittelt, natürlich wieder gegen Bezahlung. Wir haben das Geschäft dann eine Weile betrieben, halb im Spaß. Es war ganz lustig. Damals waren noch nicht so viel Mädchen auf dem Markt wie jetzt, die Typen haben wer weiß was hingeblättert. Jukka hat dann noch ein paar andere Mädchen angeworben, weil sich in Geschäftskreisen allmählich rumgesprochen hatte, dass man bei ihm gute und gesunde Bekanntschaften für eine Nacht kriegt.
Ich hab das ein gutes halbes Jahr gemacht, dann hatte ich genug davon. Das war letzten Endes kein einfacher Job, im Gegenteil. Ich bekam ein ganz komisches Verhältnis zu meinem eigenen Körper. Ich hab Jukka gesagt, dass ich aufhöre. Er hat das gleich akzeptiert, er hatte sowieso genug Frauen.
Ein Jahr lang war alles gut, aber dann war ich wieder total blank. Eine Zeit lang hab ich mir von Jukka Geld geliehen. Er sagte, er hätte neuerdings alle möglichen Geschäfte laufen, die ihm ziemlich viel einbringen. Irgendeine Tiina hatte ihn mit diesem Mattinen bekannt gemacht. Sie haben Hasch importiert und ich hab ein paar Mal was in irgendwelchen Klubs verkauft, aber das war ziemlich riskant.
Anfang Mai hat Jukka angerufen und gesagt, in Estland läge eine große Ladung Stoff. Wir haben uns dann gemeinsam diesen Ausflug mit der ‹Marlboro› ausgedacht. Bloß ein Fehler ist uns unterlaufen. Als wir nämlich sagten, wir wollten ins Konzert des Kammerchors der Estnischen Philharmonie, wollten dann nämlich Antti, Timo und Sirkku plötzlich auch mitfahren. Es war ganz schön schwer, sie abzuschütteln, vor allem Antti.
Wir haben den Stoff zwar problemlos nach Finnland gebracht, aber ich war echt nervös. Ich hab so getan, als ob ich seekrank wäre, dabei hab ich vor lauter Angst gekotzt. Jukka war auch ziemlich kribblig. Wir haben das Zeug an Land gebracht, aber Jukka hat es Mattinen nicht komplett abgeliefert, sondern in kleineren Mengen in seinem Auto, für einen viel höheren Preis, als vereinbart war. Mir hat das ein bisschen Angst gemacht. Ich wusste, dass Mattinen alle möglichen Verbindungen hat. Jukka hat nur gelacht und gesagt, er wäre viel intelligenter als Mattinen. Ich hab Jukka gefragt, ob ich ihm überhaupt trauen kann, wenn er die ganze Zeit Leute übers Ohr haut. Er hat mich an sich gezogen und gesagt, ich wäre sein bester Kumpel, ein Sonderfall. Mich würde er nie betrügen.
Ich weiß ja nur, was Jukka mir erzählt hat. Ich hab wirklich geglaubt, das wäre Haschisch! Er hat mich am Donnerstagabend angerufen und gesagt, jetzt müssten wir vorsichtig sein. Einer von Mattinens Dealern war geschnappt worden. Natürlich wussten wir alle beide, was das heißt: Ihr bei der Polizei schließt mit den kleinen Fischen einen Handel ab, um die größeren zu kriegen. Und jeder versucht natürlich, seine eigene Haut zu retten. Jukka hat dann versucht, Mattinen den Stoff zu Dumpingpreisen anzudrehen, bloß um ihn loszuwerden. Er war total in Panik am Donnerstag. Am Freitag hat er sich dann ein bisschen beruhigt. Mattinen hatte ihm das Zeug abgekauft, er hatte wieder Geld, und alles war in Ordnung.
Am Samstag, als wir gerade auf dem Weg nach Vuosaari waren, haben sie dann im Radio gesagt, es wären weitere Mitglieder einer Kokainbande verhaftet worden. Ich hab bloß gelacht, uns betraf das ja nicht, wir hatten ja nie mit Kokain gedealt. Mit Jukka konnte ich nur ein paar Worte wechseln. Der war plötzlich wieder ganz nervös und ging mir aus dem Weg. Ich hab ihn irgendwann gefragt, ob es in der Nachrichtenmeldung um unsere Bekannten ging, da hat er genickt und gesagt, wenn Mattinen erwischt worden ist, sitzen wir mit in der Scheiße.»
Tuulia trank ihre Tasse leer. Ich sah Wut und Beklemmung in ihren Augen und überlegte wieder einmal, was sie wohl für Jukka empfunden hatte.
«Er hat mir schließlich versprochen, in der Nacht mit mir zu reden, wenn die anderen schlafen. Ich hab bis um vier wach gelegen und darüber nachgedacht, wie schwer der Kerl mich betrogen hat. Du kannst das natürlich nicht begreifen, für dich sind Haschisch und Kokain ein und dasselbe. Aber wir haben doch alle in Roskilde oder Amsterdam Hasch geraucht. Ich sauf mir allerdings lieber einen an. Aber Kokain ist ganz was anderes, damit wollte ich nie was zu tun haben. Außerdem hatte ich Jukka vertraut. Ich hab ihn mein ganzes Leben lang gekannt, und er hatte mich noch nie betrogen.
Ich hab gewartet und gewartet. Andauernd stand wieder einer auf und lief im Haus rum. Dann ist Jukka zum Steg gegangen. Ich wollte gerade aufstehen, als ich hörte, wie Sirkku ihm nachlief. Erst hab ich gedacht, das wäre auch wieder Jukkas Idee gewesen, noch ein Versuch, mir aus dem Weg zu gehen, und als Sirkku dann zurückkam, war ich wahnsinnig sauer. Ich musste mich fürchterlich zusammennehmen, um ihn nicht anzubrüllen, als ich ihn gesehen hab, wie er da auf dem Bootssteg saß, mit den Beinen schlenkerte und den Sonnenaufgang bewunderte, als wäre alles in bester Ordnung. Ich hab ihn gefragt, warum er mir nicht die Wahrheit gesagt hat. Er hat mich ausgelacht. ‹Hast du wirklich geglaubt, dass man für Haschisch so viel Geld kriegt?›, hat er gesagt. Woher hätte ich das wissen sollen, ich kenn mich doch auf dem Markt nicht aus! Er hatte mich auch beschissen, genau wie alle anderen, immer. Ich war gar keine Ausnahme für ihn gewesen. Ich hab nach ihm getreten, und als er mein Bein festgehalten hat und mich ins Meer werfen wollte, da hab ich die Axt gepackt und ihm auf den Kopf gehauen. Ich hab überhaupt nichts gedacht. Ich hab nur so eine Art Knacken gehört, und dann ist er ins Wasser gefallen. Sein Kopf hat nur ganz wenig geblutet.»
Tuulia starrte aus dem Fenster. Ich wusste, dass sie das, was sie getan hatte, vor ihren Augen sah, schon oft gesehen hatte und immer wieder sehen würde.
«Und dann?»
Sie erwachte wie aus einer Erstarrung.
«Dann hab ich die Axt abgewaschen. Die war ja ganz blutig. Jukka lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Hör auf mit dem Quatsch, hab ich zu ihm gesagt. Er hat sich irgendwie bewegt, vielleicht waren das aber nur die Wellen, die ihn geschaukelt haben, jedenfalls bin ich weggerannt. Vielleicht hab ich die Axt hinter die Sauna geworfen, ich kann mich nicht erinnern. Mir war schlecht. Ich bin auf das Plumpsklo hinter der Sauna gegangen und hab gekotzt. Dann hab ich mir in der Sauna das Gesicht gewaschen. Als ich rauskam, lag die Axt da. Ich hab sie mit der Spitze von meinem Tennisschuh unter den Sockel geschoben und bin schlafen gegangen. Ich war sicher, dass Jukka mich bloß verulken wollte. Am Morgen hab ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass er grinsend die Treppe runterkommt, ich hab sogar an seine Tür geklopft, ich war fest davon überzeugt, dass er im Bett liegt und schläft und dass alles nur ein böser Traum war. Aber stattdessen kam Jyri. Ich hab ihm gleich angesehen, dass Jukka doch keine Schau abgezogen hatte …»
«Du hättest sofort ein Geständnis ablegen sollen. Dann wärst du mit Totschlag davongekommen.»
«Du hättest mir sowieso nicht geglaubt. Jetzt glaubst du mir ja auch nicht.»
«Hat denn das noch irgendwas zu bedeuten, was ich glaube? Du hast doch die ganze Zeit versucht, mir verschiedene Storys aufzubinden. Du hast es sehr gut verstanden, mir Sand in die Augen zu streuen, und ich hab mich bereitwillig für dumm verkaufen lassen. Offensichtlich haben meine Eltern mich nach ihrem Vorbild erzogen – ich hab in dir wirklich die Tuulia gesehen, die ich sehen wollte. Du bist bloß zu mir gekommen, um rauszufinden, wie viel ich weiß. Und ich dachte, du wolltest meine Freundin sein. Ich hatte mich ewig nicht mehr so wohl gefühlt.»
Ich war den Tränen nahe, aber ich musste mich zusammennehmen und die Sache zu Ende bringen. Es fiel mir leicht, Tuulias Aussage zu glauben. Sicher hatte sie das Gleiche empfunden wie ich jetzt. Auch ich war betrogen und ausgenutzt worden.
«Das war kein Schwindel», sagte Tuulia leise und drehte ihre Tasse zwischen den Fingern. «Ich mag dich. Und ich weiß, dass du mich magst.» Sie sah mich fast flehend an. «Du bist hier, um mich zu verhaften. Warum bist du allein gekommen? Vielleicht hoffst du tief drinnen, dass ich fliehen kann. Gib mir einen Tag Zeit. Ich tu das, was Jukka geplant hatte, ich setz mich ins Ausland ab. Ich hab Jukkas ganzes Geld. Als wir auf die Polizei warteten, hab ich schnell noch das Geld und sein Adressbuch aus seinem Zimmer geholt. Gib mir eine Chance!» Ängstlich und flehend sah sie mich an. Ich wandte den Blick ab, wagte nicht, sie anzuschauen. Ihr Plan konnte gelingen. Wollte ich sie denn wirklich hinter Gitter bringen?
«Was hast du mit Antti gemacht?»
«Mit Antti? Gar nichts. Ich weiß nicht, wo er ist. Du glaubst doch wohl nicht, ich könnte Antti was antun?» Tuulias Stimme klang hysterisch. «Du lässt mich also nicht gehen.»
«Nein. Du bist verhaftet. Pack dein Zeug zusammen, dann fahren wir nach Pasila und nehmen deine offizielle Aussage auf.» Es war sinnlos, die Qual noch zu verlängern.
Tuulia war schneller als ich. Sie hatte das Brotmesser von der Spüle genommen, dasselbe, mit dem sie die Gurke geschnitten hatte, und legte jetzt ihren Arm um mich, sodass die Messerklinge an meinem Hals lag. Ich spürte die eiserne Umklammerung ihrer kalten Arme, die Kälte des Stahls an meiner Halsschlagader, das heftige Pochen zweier Herzen. Die Zeit schien stillzustehen. Tuulia roch nach Zitronen.
«Du bist allein und unbewaffnet gekommen», keuchte sie. «Wenn du mich nicht freiwillig gehen lässt, muss ich dich eben zwingen. Geh ganz langsam ins Schlafzimmer. Da drüben.»
«Mach keine Dummheiten. Du hast keine Chance! Glaubst du etwa, wir würden den Flugplatz und die Häfen nicht überwachen lassen?»
«Sei still! Aus diesem Land kommt man immer irgendwie raus. Ich fessle dich, und dann kriegst du einen kleinen Schlag auf den Kopf, viel sanfter als Jukka. Wenn du aufwachst, bin ich über alle Berge.»
Ich bemühte mich, meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Unüberlegtes Handeln würde nichts bringen. Tuulia nahm das Messer langsam von meinem Hals. Kurz darauf spürte ich die Spitze zwischen meinen Schulterblättern.
«Mach den Schrank da auf. Gut. Auf dem unteren Brett liegen zwei Springseile. Geh in die Knie und nimm sie … So. Gib sie mir. Und jetzt gehen wir rüber zum Bett. Leg dich auf den Bauch. Das Messer ist die ganze Zeit zwischen deinen Schulterblättern. Wenn du irgendwelche Tricks versuchst, bist du tot. Ich hab irgendwo gelesen, dass es beim zweiten Mal leichter geht.» Jetzt war die Hysterie in ihrer Stimme nicht mehr zu überhören. Ich kannte diesen Ton, es war das verzweifelte Knurren eines in die Enge getriebenen Tieres. Tuulia war jetzt zu allem fähig.
Ich beugte mich vor, um mich aufs Bett zu legen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Hand, die das Messer hielt, unkontrolliert zitterte. Anstatt mich hinzulegen, trat ich Tuulia gegen den Oberschenkel.
In den nächsten Sekunden passierte vieles. Das Messer flog in hohem Bogen auf den Fußboden, Tuulia knallte gegen das halb offene Fenster. Koivu und Kinnunen stürmten herein.
Natürlich war ich nicht mutterseelenallein losgezogen, um eine Mörderin zu verhaften. Ich hatte sogar doppelte Verstärkung dabei, denn selbstverständlich hatte Abteilungsleiter Kinnunen darauf bestanden, an der Verhaftung teilzunehmen. Koivu hatte die ganze Zeit im Treppenhaus gewartet, während Kinnunen sich beim Hausmeister den Reserveschlüssel besorgt hatte, mit dem sie schon während unseres Gesprächs die Tür aufgeschlossen hatten. Ich hatte zuerst allein mit Tuulia reden wollen, weil ich sicher war, dass sie dann offener sprechen würde. Allerdings hatte ich mich schwer ins Zeug legen müssen, um Kinnunen von der Zweckmäßigkeit meines Vorhabens zu überzeugen.
Kinnunen richtete seine Dienstwaffe auf Tuulias Beine. Tuulia schien das gar nicht zu begreifen, sie versuchte, das Messer in die Hand zu bekommen. Ich sah, wie Kinnunen abdrückte, und ich hatte das Gefühl, die Kugel zu sehen, aus weiter Entfernung, wie sie nicht in Tuulias Bein, sondern in ihre Schulter eindrang und wie Tuulia durch die Fensterscheibe auf den Hof geschleudert wurde. Das Fenster war nur fünf Meter über der Erde. Tuulia hätte den Sturz wahrscheinlich überlebt, aber sie landete auf der Motorhaube eines gerade abfahrenden Nachbarn und rollte von da unter die Räder.
Jemand schrie. Ich stürzte die Treppe hinunter. Tuulia lag seltsam verrenkt da, aus ihren Mundwinkeln floss Blut. Jemand schrie immer noch und ließ Tränen auf Tuulias Gesicht tropfen. Erst als Koivu mich rüttelte, merkte ich, dass ich dieser Jemand war.
«Maria! Beatmung hat keinen Zweck. Der Rettungswagen ist schon unterwegs.» Koivu wischte mir sanft das Blut vom Mund, während Kinnunen den Fahrer des Unfallwagens beruhigte.
Neugierige Nachbarn strömten herbei. Immer noch lief alles wie in Zeitlupe ab, wie ein Film mit verschwommenen und dann wieder klaren Bildern. Kinnunen kam auf mich zu. Der Geruch von Pulverdampf und verkatertem Schweiß, der mir in die Nase stieg, brachte die Wut, die sich in meinem Innern zusammengeballt hatte, zur Explosion.
«Warum hast du geschossen, du versoffenes Schwein? Da wäre überhaupt nichts passiert, sie ist ja gar nicht an das Messer drangekommen!» Mein rechter Haken traf sein Kinn. Er war so überrascht, dass er hinfiel und halb auf Tuulia landete. Koivu ging dazwischen, ohrfeigte mich, wie man es im Film mit hysterischen Frauen macht. Der Schmerz half mir, für einen Moment alles andere zu vergessen.
Allmählich gewann ich die Fassung zurück. Der Rettungswagen kam, Tuulia wurde hineingeschoben. Wir versprachen, zur Klinik zu fahren und ihre Personalien anzugeben, sobald wir die Nachbarn beruhigt hatten. Ich ging in Tuulias Wohnung, um meine Tasche zu holen. Darin war mein Tonbandgerät, mit dem ich ihre Aussage aufgenommen hatte. Koivu hatte von Anfang an alles mit angehört, Kinnunen einen Teil. Der Fall war geklärt.
Ich handelte wie in Trance. Wir brachten Kinnunen nach Pasila, wo er dem Chef Bericht erstattete, und ließen die Tonbandaufnahme abschreiben. Keiner von uns war besonders gesprächig. Die Verantwortung für die Fehleinschätzung lag natürlich bei mir. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Tuulia gewalttätig werden könnte. Kinnunen hatte ja auf die Beine gezielt. Er hatte nur versucht, mir zu helfen. Frauen kommen doch nicht allein zurecht, das weiß man ja. Ich wusste, dass Kinnunen dem Chef etwas in dieser Art erzählen würde.
Als wir ins Krankenhaus kamen, lag Tuulia schon auf der Intensivstation. Sie hatte eine Gehirnerschütterung, und ihr Rückgrat war gebrochen. Man wusste noch nicht, ob sie durchkam. Wir versprachen der Krankenschwester, Tuulias Eltern zu benachrichtigen.
«Bist du wieder in Ordnung?», fragte Koivu besorgt, als wir über Kuusisaari in den nördlichen Teil von Tapiola fuhren, wo Tuulias Eltern wohnten.
«Es geht schon wieder. Ich denk natürlich die ganze Zeit, was wäre, wenn. Vielleicht hätte ich mich einfach fesseln lassen sollen. Ihr hättet sie ja doch geschnappt. Oder wenn ich wenigstens noch etwas länger gewartet hätte. Oder wenn Kinnunen nicht mit seiner Knarre rumgefuchtelt hätte … Verdammt nochmal, kann man dem Kerl nicht endlich einen Schreibtischjob geben? Da kann er keinen Schaden anrichten!»
«Es war schwierig, allein nach den Geräuschen abzuschätzen, wie ernst die Situation da drinnen war», nahm Koivu ihn in Schutz. «Müssen wir hier abbiegen?»
«Ja. Das dritte Haus rechts», sagte ich, die Karte auf dem Schoß. «Ich kann das Reden übernehmen.»
Tuulias Eltern zu erklären, was passiert war, war genauso furchtbar, wie ich es mir vorgestellt hatte. Natürlich musste ich ihnen auch sagen, weshalb ich mit einem Haftbefehl zu Tuulia gegangen war. Sie weigerten sich lange, mir zu glauben. Sie saßen in ihrem adretten Reihenhaus auf dem prächtigen Ledersofa, und ich sah, wie in ihren Gesichtern langsam alles Leben versiegte. Ich war nicht fähig, ihnen etwas Tröstliches zu sagen, sondern gab ihnen die Telefonnummer der Intensivstation und verließ fast fluchtartig das Haus. Der Weinkrampf setzte erst ein, als Koivu von der Kalevantie auf die Umgehungsstraße abbog.
«Soll ich dich nach Hause bringen?» Nur gut, dass Koivu kein unnötiges Getue machte.
«Nicht nötig. Ich muss meinen Bericht schreiben, mit dem Chef reden und wohl auch Peltonens Vater anrufen.» Mit einer leicht nach Senf riechenden Papierserviette, die ich im Handschuhfach gefunden hatte, wischte ich mir die Tränen ab. «Und du? Hast du noch was zu tun?»
«Ich muss dir bei deinem Bericht helfen», lächelte Koivu.
«Wie wär’s mit mindestens drei Bier nach der Arbeit? Abgeschlossene Fälle muss man doch feiern. Oder hast du in den letzten Tagen schon zu oft in Kneipen rumhängen müssen?»
Wir bastelten so etwas wie einen Bericht zusammen. Der Chef schien damit ganz zufrieden zu sein, Hauptsache, der Fall war geklärt, auch wenn das Ergebnis für die Polizei nicht gerade schmeichelhaft war. Kinnunens Vorgehen quittierte er mit der Bemerkung, so was käme eben vor. Ich hatte nicht mehr die Kraft, ihm zu widersprechen. Dann rief ich Heikki Peltonen an, der anfangs partout nicht glauben wollte, was ich ihm sagte. Er schrie mich an, ich sollte nicht solchen Mist verzapfen, und gab erst Ruhe, als ich ihm zum fünften Mal die Beweise für Jukkas Aktivitäten aufzählte. Das Gespräch hatte meinen Adrenalinpegel in die Höhe getrieben. Meine Gereiztheit wuchs, als gleich darauf ein Reporter von «Iltalehti» anrief. Ich hatte Peltonen gerade versprochen, dass wir uns gegenüber der Presse bedeckt halten würden. Der Fahrer des Unglückswagens war aber offenbar darauf erpicht, in der Öffentlichkeit zu stehen, und hatte den Reporter angerufen. Ich sah die Schlagzeilen schon vor mir: Fahrlässigkeit der Polizei TÖTET Verdächtige. Ich beantwortete die Fragen des Reporters so knapp wie möglich. Nachdem ich den ganzen Abend geredet hatte, war mein Mund trocken wie Kiefernrinde.
Um halb zehn saßen Koivu und ich im Kellerlokal des alten Studentenhauses. Koivu bestellte ein Bier, ich einen Jack Daniels. Ich stürzte mein Glas in einem Zug herunter und bestellte gleich noch einen. Die ältliche Kellnerin verzog keine Miene. Sie hatte in ihrem Leben Tausende Liter Whisky serviert und garantiert schon durstigere Gäste erlebt als mich.
Schon bald sank das Wärmegefühl von der Speiseröhre in den Magen und stieg von da nach einer Weile auf geheimnisvollen Wegen in den Kopf. Koivu trank sein Bier und klagte über Hunger. Wir bestellten in reichlich Fett gebratene Steaks und Bier dazu. Koivu kommentierte die Erfolge der finnischen Sportler bei der Olympiade, die gerade zu Ende gegangen war.
Ich zog über die männlichen Sportskanonen unseres Landes her, woraufhin er anfing, die Oberschenkel der Weitspringerin Ringa Ropo zu bemäkeln. An denen war meiner Meinung nach nichts auszusetzen, also zankten wir uns eine Weile über dieses weltbewegende Thema. Wir redeten verzweifelt über alle Nebensächlichkeiten, die uns einfielen. Ich glaube, Koivu spürte die Beklemmung hinter meiner aufgesetzten Heiterkeit, hatte aber keine Lust, mich zu therapieren.
Nach den zwei Bier zum Essen und einem dritten Whisky sah Koivu immer niedlicher aus. Der Gedanke, in den Armen dieses großen Blonden mit dem lieben Gesicht einzuschlafen, war verlockend. Aber ich wusste, dass ich das auf längere Sicht bereuen würde. Ich brauchte noch ein paar Monate lang einen guten Kollegen. Es wäre dumm gewesen, unsere gute Teamarbeit für einen vom Schnaps beflügelten One-Night-Stand zu opfern. Mehr konnte zwischen uns ohnehin nicht sein. Ich lächelte Koivu müde an und sagte, ich würde jetzt nach Hause stapfen, ließ mich dann aber doch überreden, noch einen Black Jack zu bestellen. Während ich den trank, erörterten wir eingehend, welche Chancen Carl Lewis hatte, bei den letzten Meetings des Sommers die Neun-Meter-Marke zu überspringen. Auf dem Heimweg teilten wir uns ein Taxi. Als ich in Töölö ausstieg, wollte Koivu unbedingt mit zu mir, aber ich schickte ihn nach Hause und erklärte ihm mit der Autorität der vier Jahre Älteren, morgen würde er froh darüber sein.
Obwohl ich betrunken war, fand ich keinen Schlaf, bevor ich im Krankenhaus angerufen hatte. Tuulia war operiert worden und würde aller Wahrscheinlichkeit nach am Leben bleiben. Der Schnaps und das fette Essen rumorten mir im Magen. Ich nahm zwei Aspirin und wusste, dass ich mich morgen noch schlechter fühlen würde.