VIII.
Senator McCarthy und
die Schwarze Liste
Am 8. Mai 1945 endet der Zweite Weltkrieg. Millionen Soldaten machen sich auf den Weg nach Hause. Für ihre Frauen bedeutet dies neben aller Freude einen komplizierten Spagat zwischen pragmatischer Organisierung des Nachkriegsalltags und der Rücksichtnahme auf traumatisierte Familienoberhäupter, die kaum in der Lage sind, ihre Vorkriegsrolle wieder einzunehmen. Bereits 1944 hatte Dorothy Parker in Vogue mit »Who is that Man?« auf diese Problematik hingewiesen: »Wer ist der Mann, der zu dir zurückkehrt? Du kennst ihn, wie er war, du musst nur deine Augen schließen, und schon siehst du ihn deutlich vor dir. Wenn es still ist, kannst du seine Stimme hören. Aber wer wird dieser Fremde sein, der da nach Hause kommt? Wie kannst du eine Brücke über den Graben schlagen, der euch trennt, und zwar nicht über den kleinen Graben, bestehend aus Zeit und Distanz. Er hat gesehen, wie die Welt in Flammen stand. (…) Die Arbeit der Frauen beginnt, wenn der Krieg zu Ende ist, an dem Tag, an dem ihre Männer nach Hause kommen. Und ich wünschte bei Gott für Sie und mich und uns alle, es wäre morgen soweit.«447 Sie erinnert sich nur allzugut daran, wie Eddie einst aus dem Krieg zurückgekehrt war und wie wenig Verständnis sie von da an füreinander hatten. Der Erste Weltkrieg hatte zu einem nicht unerheblichen Teil zum Scheitern ihrer ersten Ehe beigetragen.
Und nun scheint es, als ob der Zweite Weltkrieg ihre zweite Ehe beendet. Auch Alan bleibt nach Ende des Krieges in Europa. Er bittet sie um die Scheidung, um seine Geliebte heiraten zu können. Für Dorothy ist dies eine Katastrophe, denn trotz aller Probleme hatte die Ehe mit Alan ihrem Leben Struktur und Halt gegeben. Jetzt bricht alles auseinander.
Noch während sie überlegt, wie sie reagieren soll, geschieht das Unfassbare: Robert Benchley stirbt. Nichts hätte sie härter treffen können. Auch wenn die Kontakte seltener geworden waren, war Benchley ihr Herzensmensch geblieben. In den letzten Jahren war das Leben des gefeierten Drehbuchautors und Schauspielers völlig aus den Fugen geraten. Seinen Job als Theaterkritiker beim New Yorker hatte er längst verloren, sein Privatleben war ein Fiasko. Er schwankte zwischen diversen Geliebten und dem Idealbild des aufrechten Ehemanns und Vaters, nicht in der Lage, weder die eine noch die andere Seite zufriedenzustellen. Benchley selbst war dabei auf der Strecke geblieben und schaffte es nur mehr mit Hilfe von Schlaftabletten, zur Ruhe zu kommen. Aufputschmittel halfen ihm den Tag zu überstehen. Sein Alkoholkonsum war unkontrollierbar geworden und beeinträchtigte Physis und Psyche in einem Ausmaß, das alte Freunde erschaudern ließ. Als er bei einer Party in Hollywood Robert Sherwood traf, hatte er verzweifelt gerufen: »Dieser Blick. Ich kann diesen Blick nicht ertragen. Er sieht mich an und denkt daran, wie ich damals war, als ich ein großer Schriftsteller werden wollte. Und er denkt sich, großer Gott, was ist nur aus ihm geworden.«448
Bei einem Familienbesuch im November 1945 bekommt er plötzlich Nasenbluten, das nicht mehr zu stoppen ist. Als er ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist er bereits ins Koma gefallen. Als die Ärzte schließlich eine Bluttransfusion beschließen, läuft Marc Connelly in den Stork Club und fleht die Gäste an, sich für eine Blutspende zur Verfügung zu stellen. Der halbe Club eilt ins Krankenhaus, doch es ist zu spät. Am 21. November 1945 stirbt Robert Benchley an einer Gehirnblutung. Sein wunderbarer Witz aber überlebt ihn: »Ich habe 15 Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass ich ein miserabler Schriftsteller bin. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich schon so berühmt, dass ich das Schreiben nicht mehr aufgeben konnte.«449 Seinen Platz in der Bar »21« in New Yorks 52. Straße ziert noch heute ein Schild mit der schlichten Inschrift: »Robert Benchley – His Corner«. Er wird in aller Stille beigesetzt. Die Freunde gedenken seiner auf ihre Weise. Marc Connelly lädt zu einer Gedenkfeier ins »21« in New York und Dorothy zeitgleich zu einer Gedenkfeier bei »Romanoff« in Beverly Hills. Sie ist es auch, die seine noch offene Hotelrechnung im Garden of Allah begleichen wird.450
Spätestens mit dem Tod ihres Seelenverwandten Robert Benchley spürt Dorothy, dass der Tod näher kommt: »Ist es nicht ziemlich vermessen von uns, noch am Leben zu sein, jetzt, da Mr. Benchley tot ist?«451 Stets war sie dem Tod mit Sarkasmus und Zynismus entgegengetreten, hatte ihn gar als Freund betrachtet, als Lösung aller Probleme. Jetzt macht er ihr Angst. Nie wieder wird sie sich selbst in die Nähe seiner Macht bringen und einen Selbstmordversuch unternehmen. Robert Benchleys Tod verändert ihre Einstellung zum Leben. Ebenso wie Fitzgerald und die anderen war er einer der Unsterblichen gewesen, einer, der geglaubt hatte, die Zeit könne ihm nichts anhaben. Sie alle waren so lange Jahre die Berufsjugendlichen Amerikas gewesen, dass sie die Zeichen der Zeit einfach übersehen hatten. Doch jetzt heißt es aufpassen: »Totsein ist ansteckend«, schreibt Dorothy.452 Sie ist über 50 Jahre alt und muss der Realität ins Auge sehen: Mehr als die Hälfte des Lebens liegt hinter ihr. Den Alterungsprozess wird sie nicht aufhalten können, auch wenn sie es hasst, alt zu werden, und sich noch immer weigert, sich altersgerecht zu benehmen. Partys, Alkohol, Tabletten und jüngere Liebhaber sind kaum das, was die Gesellschaft von einer Frau über 50 erwartet. Eine Frau in ihrem Alter sollte ihren Platz gefunden haben und einer neuen Generation Raum geben. Doch genau das ist ihr Problem. Sich in eine Familie zurückziehen kann sie in Ermangelung derselben nicht. Ihre Schäfchen im Trockenen hat sie trotz erfolgreicher Karriere noch lange nicht. Und sich wie eine ehrwürdige Dame der Gesellschaft zu benehmen, wird sie in diesem Leben nicht mehr lernen. Sie bleibt die Königin des Round Table, wenn auch verbunden mit einem Hauch Wehmut: »Dorothy Parker versprüht noch immer ihren alten Charme. Die Konversation mit ihr ist anregend, intelligent, nicht unfreundlich. Sie (…) sieht müde aus. Ihr nervöses, schüchternes, manchmal spitzbübisches Verhalten wird immer wieder von einem warmen Lächeln begleitet. Ihre Stimme hat ein ungewöhnliches Timbre, klingt manchmal rau, manchmal schrill. (…) Noch immer liebt sie Dackel und Hemingway, weint sehr schnell, ist extrem großzügig und ungeheuer bescheiden. Sie meidet die Öffentlichkeit und lässt sich gerne treiben. Dennoch ist sie der Mittelpunkt jeder Gesellschaft. (…) Niemals hat irgendjemand Mrs. Parker je über eines ihre fabelhaften Bonmonts lachen hören«, schreibt ein Journalist, der sie in jenen Jahren besucht.453
Im Frühjahr 1946 eröffnet ihr Alan urplötzlich, dass er zu ihr zurückkehren wird. Was in London geschehen ist, erfährt niemand. Doch sie kann ihm seinen Verrat nicht verzeihen, blockt alle seine Versuche einer Kontaktaufnahme rigoros ab. Als Alan am 13. November 1946 in New York eintrifft, setzt sie ihn umgehend davon in Kenntnis, dass sie die Scheidung will. Sie stößt auf massiven Widerstand. Alan gibt dem Krieg die Schuld an ihrer Entfremdung und an allem, was geschehen ist, und erklärt öffentlich, dass Dorothy noch immer seine große Liebe ist. Doch es ist zu spät. Er hatte vergessen, was sie dereinst geschrieben hatte: »Frauen und Elefanten vergessen niemals.«454
Das gemeinsame Leben wird Stück für Stück aufgelöst. Fox House wird zum Verkauf angeboten, das Mobiliar zur Schwiegermutter gebracht. Einem potenziellen Käufer, der sie bittet, das Haus in zwei Worten zu beschreiben, sagt sie: »Wollen Sie’s?« Die Farm wird mit einem immensen Verlust für 40 000 Dollar veräußert. Sie selbst behält zwei Gemälde, ein Bild des französischen Malers Maurice Utrillo und den Picasso, beide wird sie später Lillian Hellman schenken. Am 27. Mai 1947 wird die Ehe geschieden: »Die Scheidung verlief fabelhaft. Eine dieser ganz und gar freundschaftlichen Angelegenheiten. Und jeder wünscht ganz schlicht dem anderen den Tod.«455
Überraschenderweise finden Dorothy und Alan zu einem durchaus freundschaftlichen Umgang miteinander. Der Ton ist jetzt weitaus besser als während ihrer Ehe. Den ersten Weihnachtsabend nach ihrer Trennung werden sie gemeinsam verbringen.
1948 wird Dorothy zum zweiten Mal für einen Oscar nominiert. Gemeinsam mit Frank Cavett hatte sie die Idee zum Film »Smash-Up: The Story of a Woman« mit Susan Hayward in der Hauptrolle entwickelt. Ihre Darstellung der Alkoholikerin Angie Evans macht Hayward über Nacht zum Star und bringt auch ihr eine Oscarnominierung. Weder Susan Hayward noch Dorothy Parker erhalten die begehrte Auszeichnung. Dafür aber hat nun ganz Hollywood den Beweis dafür, dass Dorothy auch ohne ihren Mann gute Ideen hat.
Zufrieden mit sich und der Welt, geht sie zurück nach New York, wo mit dem 31-jährigen Rosser Lynn Evans ein neuer Mann in ihr Leben tritt. Evans entspricht exakt ihrem Beuteschema: groß, athletisch, dunkle Augen und – schwerer Trinker. Als er gemeinsam mit Alan die Offiziersanwärterschule in Miami besuchte, hatte sie ihn kaum wahrgenommen. Jetzt trifft sie ihn auf einer Party wieder und ist äußerst angetan. Evans arbeitet als Radioansager und hofft, ein berühmter Schriftsteller zu werden. In Gin-seliger Stimmung bietet ihm Dorothy an, mit ihr gemeinsam an einem Theaterstück zu arbeiten. Solche Dinge sagt sie oft auf Partys, enttäuschte Verehrer wie Joseph Bryan III. können ein Lied davon singen. Es ist nicht ernst gemeint und am nächsten Morgen bereits vergessen: »Mir wurde plötzlich klar, dass sie keinerlei Erinnerung an unsere großartigen Pläne vom Vorabend hatte. Aber es kam noch schlimmer: Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, dass wir uns überhaupt getroffen hatten.«456 Doch Evans ist hartnäckig, lässt sich von ihren Gedächtnislücken nicht ins Bockshorn jagen. Und er hat Glück. Zwar ist er nicht der Hellste, aber als Mann gefällt er ihr gut, und zufälligerweise hat sie gerade Bedarf an einem Mann. Die Freunde sind skeptisch, aber sie setzt sich wie immer durch. Allein sein Alkoholkonsum macht ihn zum optimalen Begleiter. Zudem ist sie nicht ganz so naiv, wie ihre Freunde glauben: »Ross ist ein Lückenbüßer, ein Wasserträger«, sagt sie.457
Evans zieht zu ihr ins New Weston Hotel. Sie findet ihn ungeheuer attraktiv und erwartet schon allein aufgrund seiner Alters eine rege Belebung ihres Sexuallebens. Doch weit gefehlt. Evans hat, vermutlich aufgrund seiner Alkoholsucht, nur selten Lust auf Sex: »Meine Freunde denken, er ist mein galanter junger Hengst, der es mir jede Nacht besorgt. Bei Gott, ich wünschte, es wäre so. Aber zweimal jährlich trifft es besser. Und dafür sucht er sich dann immer den unmöglichsten Zeitpunkt aus. Vor ein paar Nächten waren wir bei Freunden zum Dinner eingeladen. Wir saßen im Wohnzimmer, tranken und unterhielten uns. Es war schon spät, so gegen zwei Uhr, da begann Ross plötzlich mit mir rumzumachen. Er hatte mich seit letzten März nicht mehr angefasst, und nun machte er sich plötzlich hier auf dem Sofa, direkt vor unseren Freunden, über mich her. Ich war zu überrascht – oder vielleicht sollte ich besser sagen, zu dankbar –, um zu protestieren, auch wenn das irgendwie peinlich für meine Gastgeber war. Die setzten ihr Gespräch einfach fort und taten so, als merkten sie nicht, was hier vor sich geht. Sie sind alte Freunde und meinen kleinen Sünden gegenüber sehr nachsichtig.«458
Evans ist ehrgeizig, er will nach oben. Da ihm dies nur über Dorothy gelingen kann, drängt er sie zum Arbeiten. Als Cosmopolitan ihr einen Vertrag über eine neue Kurzgeschichte anbietet, holt sie Evans als Co-Autor mit ins Boot. Noch nie zuvor hat sie gemeinsam mit einem anderen Autor an einer Geschichte geschrieben, noch dazu mit einem so lausigen. Die Arbeit zerrt an ihren Nerven, doch angesichts ihrer finanziellen Situation bleibt ihre keine Wahl. Seit Monaten hat sie ihre Hotelrechnung nicht beglichen, wagt sich kaum mehr in die Lobby, aus Angst vor einer Konfrontation mit dem Management. Dottie ist wieder einmal pleite.
Im Dezember 1948 erscheint »The Game« in der Cosmopolitan.459 Die Geschichte eines frischverheirateten Paares, dessen Glück durch eine Freundin des Bräutigams bedroht wird, ist eine ihrer düstersten Geschichten und lässt tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken. Unmittelbar danach reist sie in Begleitung von Evans nach Los Angeles. Sie beziehen eine Suite im Chateau Marmont, 8221 Sunset Boulevard, einem der berühmtesten Hotels Hollywoods. Das einem französischen Loireschlösschen nachempfundene Luxushotel ist eine der Lieblingsadressen der Stars und beherbergt von Rita Hayworth über Marylin Monroe bis James Dean alles, was Rang und Namen hat. Sofia Coppola dient es 2010 als Schauplatz ihres auf den Filmfestspielen von Venedig ausgezeichneten Films über einen abgehalfterten Schauspieler. In dieser Umgebung arbeiten Dorothy und Evans an einem Theaterstück über die englische Schriftstellerin Mary Ann Lamb, die in den 1840er Jahren zu einer tragischen Heldin der feministischen Bewegung avanciert. Die 1764 in London geborene Mary hatte in einem Wutanfall ihre Mutter mit einem Küchenmesser getötet, eine Tat, die Feministinnen der Tatsache zuschrieben, dass ihr als Frau jegliche Selbstverwirklichung verweigert worden war. Sie wurde unter die Aufsicht ihres Bruders Charles gestellt, mit dem sie zahlreiche Bücher verfasste. Während Marys Leben von Wahnsinnsanfällen geprägt blieb, verfiel Charles dem Alkohol. Nichtsdestotrotz waren die Geschwister Mittelpunkt eines Künstlerkreises, zu dem unter anderem William Wordsworth, Percy B. Shelley und Samuel Coleridge gehörten. Das Leben von Bohemiens, deren Alltag von Alkohol und Drogen geprägt ist, kennt Dorothy nur allzu gut. Das Stück erhält in Anlehnung an Shakespeares »Twelfth Night« den Titel »The Coast of Illyria«. Das Drama über zwei auf Gedeih und Verderb aneinandergekettete, gequälte Seelen wird zur Aufarbeitung ihres unglücklichen Lebens mit Alan. Während sie schreibt, wird Evans dazu verdonnert, Material aus der Bibliothek zu besorgen.
Das Regionaltheater von Dallas setzt »The Coast of Illyria« für die Saison 1949 auf den Spielplan. Seine Prinzipalin Margo Jones ist eine preisgekrönte Theaterproduzentin aus New York, die sich der Idee verschrieben hat, in der Provinz professionelles Theater zu etablieren. Jones erlangt damit internationale Reputation und gilt als Pionierin dieser Art von Regionalbühne. Einige der von ihr produzierten Stücke schaffen es von Dallas an den Broadway, darunter »Wer den Wind sät«. Da Autoren wie Tennessee Williams eng mit ihr zusammenarbeiten, ist es kein Wunder, dass Dorothy über Margo Jones’ Zusage übergücklich ist. Sie ist sich sicher, dass auch ihr Stück von Dallas aus den Broadway erobern wird.
Höchst zufrieden mit dem Umstand, endlich den Traum vom Bühnenstück verwirklicht zu haben, wendet sie sich wieder der Drehbuchschreiberei zu. Sie unterschreibt bei Fox Studios, um für Otto Preminger eine Fassung von Oscar Wildes Bühnenstück »Lady Winder-meres Fächer« auszuarbeiten. Statt mit Alan arbeitet sie nun mit Evans zusammen. Denn so wunderbar sie alleine Kurzgeschichten und Verse schreiben kann, Drehbücher und Theaterstücke schreibt sie eben nur im Team. Sie braucht jemanden, der die Struktur entwickelt und sie dazu zwingt, sich Tag für Tag an den Schreibtisch zu setzen. Dass Evans ebenso wie Alan Dorothy rückhaltlos bewundert und sich wider-spruchslos in die zweite Reihe fügt, macht die Sache umso einfacher. Doch der große Erfolg bleibt auch diesmal aus. Sie arbeiten mehrere Drehbücher aus, von denen letztlich keines verfilmt wird. Stattdessen kauft MGM für 2500 Dollar die Rechte an »The Standard of Living«, und ein unabhängiger Produzent lässt sich eine Option auf »Big Blonde« eintragen. Leider wird keines dieser Projekte verwirklicht.
Am 4. April 1949 findet die Premiere von »The Coast of Illyria« statt. Dorothys Erwartungen sind hoch, Margo Jones hat sie mit großen Vorschusslorbeeren bedacht, sogar von einem Gastspiel in Edinburgh ist die Rede. Sie ist der Star des Abends, erhält Standing Ovations. Kritiker bezeichnen das Stück als das beste Stück der Saison. Nichtsdestotrotz wird es nach nur drei Wochen mangels Publikum abgesetzt. Es gelangt weder an den Broadway noch nach Edinburgh. Dort spielt man nach langen Diskussionen lieber Peter Ustinovs »The Man in the Raincoat«. Später wird Dorothy selbstkritisch sagen: »Coast war schlicht und einfach ein blödes Stück. Es war so voller Atmosphäre, dass sonst nichts mehr drin vorkam. Es passierte einfach nichts, gar nichts.«460
Erneut folgt eine Zeit des ungehemmten Alkoholkonsums. Auf Partys geht sie schon mal in voller Länge zu Boden, weil sie zu betrunken ist, um sich auf den Beinen zu halten: »Ich bin nicht mal das Pulver wert, mit dem ich mich in die Hölle sprengen könnte. Ich bin inzwischen nichts weiter als ein Wrack.«461 Als sie bei einer Wochenendeinladung von Joseph Bryan III. abends gefragt wird, was sie denn am nächsten Morgen zum Frühstück möchte, antwortet sie mit einem bezaubernden Lächeln: »Nur etwas ganz Leichtes, das sich rasch zubereiten lässt. Wie wäre es mit einem kleinen Whiskey Sour? … Mach gleich einen Doppelten draus, wenn du schon aufstehst.«462 Ihre Trinkerei wirkt sich auf ihren Gesundheitszustand aus. Sie bekommt solche Rückenschmerzen, dass sie sich im Krankenhaus durchchecken lässt. Hierbei kommt es zu einem legendären Wortwechsel mit dem Arzt, der ihr erklärt, dass ihm ihre Nieren ganz und gar nicht gefallen, worauf sie widerwillig zugeben muss, dass ihr seine Nase auch ganz und gar nicht gefällt.
Evans wird angst und bang angesichts ihres exzentrischen Benehmens. Hollywood tut ihr ganz offensichtlich nicht gut, und so schlägt er vor, L. A. zu verlassen. Nach New York wollen sie nicht zurück, und Bucks County gibt es nicht mehr. Bei seiner Suche nach einem geeigneten Ort stößt er schließlich auf Cuernavaca im Süden Mexikos. Die Stadt im mexikanischen Hochland wurde ihres milden Klimas wegen schon von Alexander von Humboldt die Stadt des ewigen Frühlings genannt. Hernán Cortés war ebenso hier wie Kaiser Maximilian. In den 1930er Jahren zog das Casino von Al Capone bis Bugsy Siegel so viel Unterwelt an, dass das Glücksspiel verboten wurde. Nun aber zieht es jedes Jahr Tausende Amerikaner in die Stadt, die spätestens seit Malcolm Lowrys 1947 veröffentlichem Roman Unter dem Vulkan, der als eines der literarischen Hauptwerke des 20. Jahrhunderts gilt, weltberühmt ist. Evans schwärmt Dorothy von den Vorzügen dieses Ortes so lange vor, bis sie schließlich einwilligt, ein paar Wochen dort zu verbringen.
Im März 1950 fahren sie mit dem Auto nach Mexiko, Dorothys neuer Hund Flic ist ebenfalls mit von der Partie. In Cuernavaca angekommen, mieten sie ein Haus am Rande der Stadt, die Dorothy nicht halb so charmant findet wie Evans. Es ist überhaupt nichts los, ihr ist stinklangweilig. Einziger Lichtblick ist Martha Gellhorn, die sich nach ihrer Scheidung von Hemingway hierher zurückgezogen hat. Nach kurzer Zeit drängt Dorothy darauf, die Heimreise anzutreten. Doch Evans hat sich zwischenzeitlich in eine Boutiquenbesitzerin aus Acapulco verliebt und will bleiben. Dorothy ist kurz davor auszurasten, vor allem, nachdem er ihr freistellt, jederzeit abzureisen. Was sie Evans noch übler nimmt als den Betrug, ist die Tatsache, dass er den Hund behalten will. Wutentbrannt packt sie ihre Koffer, Evans fährt sie zum Flughafen. Er stellt nicht einmal den Motor ab, als sie aus dem Auto springt und auf Nimmerwiedersehen durch die Glastür verschwindet. Sie hat genug vom Staub Mexikos, muss zurück in die Zivilisation – nach New York: »London befriedigt dich, Paris lässt dich resignieren, New York aber gibt dir immer Hoffnung«, pflegt sie zu sagen.463 Stunden später durchquert sie mit großen Schritten die Lobby des Plaza Hotels. In ihrer Aufmachung mit Dirndl und Bauernbluse sieht sie aus, als könne sie sich gewiss keine Nacht in New Yorks teuerstem Hotel leisten – was durchaus den Tatsachen entspricht. Aber sie ist Dorothy Parker, und irgendwer wird die Rechnung für ihre Suite schon übernehmen. Sie braucht dringend Luxus, einen Drink und ein paar ihrer engsten Freunde, die sie umgehend von ihrem Schicksal in Kenntnis setzt: »Ich bin in Schwierigkeiten, vielleicht noch nicht in ernsten, aber verdammt nah dran.«464 Einer dieser Freunde erzählt später: »Dorothy hatte ganz offensichtlich jeden herbeizitiert, der in ihrem Adressbuch stand, damit er sie bedauerte. Ich hatte den Eindruck, sie genoss ihr Unglück über alle Maßen.«465 An diesem Abend bedarf es mehr als nur eines Drinks, um Dorothy wieder freundlicher zu stimmen.
Drei Monate später erleben genau dieselben Freunde eine riesige Überraschung. Am 17. August 1950 heiraten Dorothy und Alan erneut: »Die Lösungen für eine Nacht bringen nichts; das hab ich gemerkt. Es muss eine gemeinsame Basis geben, und man muss Hoffnung haben können.«466 Es ist eine kleine, feine Hochzeit, wie sich Budd Schulberg erinnert: »Es war so eine richtige Hollywoodhochzeit. Dorothy trug ein kleines Bouquet aus Veilchen vor sich her und war schwer damit beschäftigt, die Braut zu spielen. Sie lief herum und sagte ständig: ›Was soll man tun, wenn man diesen Hurensohn einfach liebt?‹ Sie war zum Schießen, dennoch zweifelte niemand daran, dass sie es absolut ernst meinte.«467 Und Dorothy fügt dem hinzu: »Menschen, die seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben, reden seit heute wieder miteinander – inklusive Braut und Bräutigam.«468 Die Jahre des zermürbenden Streits scheinen vergessen. Als sie an ihrem Hochzeitstag neben Alan erwacht, zieht sie sich verschämt die Decke über den Kopf, da es Unglück bringe, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sieht. Sie reduziert ihren Alkoholkonsum und bringt sich mit Alans Hilfe wieder in Form. Und wie alle Frauen, die ihr Leben umkrempeln, lässst sie sich die Haare abschneiden.
Im November heuern beide gemeinsam bei Fox als Drehbuchautoren an und beziehen ein neues Haus, in dem wieder legendäre Dinnerpartys stattfinden. Auch wenn es ihnen nicht ganz gelingen will, die letzten Jahre ungeschehen zu machen, so ist die zweite Ehe mit Alan für Dorothy, wenn auch nicht das Paradies auf Erden, so doch ein wichtiger Anker in den stürmischen Tagen, die auf sie zukommen.
Denn kurz nach ihrer Hochzeit werden die beiden Opfer der Kommunistenjagd unter Senator Joseph McCarthy, die zum dunkelsten Kapitel der inneramerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gehört. Während der McCarthy-Ära, die von 1947 bis 1956 dauert, ist ganz Amerika von einer diffusen Kommunistenangst gepackt. Eine Paranoia, die nicht zuletzt auf die wissenschaftlichen und militärischen Erfolge des kommunistischen Blocks zurückzuführen ist. Erfolge, die sich viele Amerikaner nur durch Verrat aus den eigenen Reihen erklären können. Im September 1949 testet die UdSSR erstmals erfolgreich eine eigene Atombombe. Einen Monat später proklamiert Mao Tsetung die Volksrepublik China. Am 25. Juni 1950 beginnt mit dem Koreakrieg ein Stellvertreterkrieg, der die endgültige Spaltung der Welt in zwei Blöcke zementiert. Joseph McCarthys zumeist völlig aus der Luft gegriffene Anschuldigungen fallen nun auf fruchtbaren Boden. Es beginnt eine Hetzjagd auf die Mitglieder der Kommunistischen Partei und vermeintliche Sympathisanten. Die lancierten Verschwörungstheorien über die angebliche Unterwanderung des Staatsapparates schaffen ein Klima der Angst. Traurige Berühmtheit in dieser Angelegenheit erhält der Untersuchungsausschuss für unamerikanische Umtriebe (HUAC), der 1934 vom Repräsentantenhaus eingesetzt worden war, um eine faschistische Unterwanderung der Vereinigten Staaten zu verhindern. Noch während des Zweiten Weltkrieges war der HUAC dazu übergegangen, Kommunisten zu überwachen. 1951 richtet der Senat einen ähnlichen Ausschuss ein, das Permanent Subcommittee on Investigations of the Government Operations Committee. Den Vorsitz erhält Senator Joseph McCarthy. Die beiden Komitees werden, aufgrund der Bekanntheit McCarthys, oftmals verwechselt oder als identisch betrachtet. Die Verfolgung von angeblichen Kommunisten beginnt jedoch lange vor seinem Eingreifen ins Geschehen. Der Kampf der US-Regierung gegen die fünfte Kolonne im eigenen Land führt zu zahlreichen Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen, die den Unterstützern McCarthys angesichts der vermeintlichen Bedrohung gerechtfertigt erscheinen. Trauriger Höhepunkt dieser Massenhysterie ist die Hinrichtung von Julius und Ethel Rosenberg am 19. Juni 1953 wegen Atomspionage für die Sowjetunion. Ein Urteil, das weltweit für Empörung sorgt und zumindest im Falle von Ethel Rosenberg als klarer Justizirrtum gilt. Die minderjährigen Söhne der Rosenbergs, Michael und Robert, werden von der US-Justiz zu Vollwaisen gemacht.
Neben Regierungsbeamten und Staatsangestellten gerät vor allem die Filmbranche ins Visier der Ermittler. Das linksliberale Hollywood wird verdächtigt, in seinen Filmen verdeckte Propaganda zu betreiben. Im Oktober 1947 werden 41 Schauspieler, Autoren und Regisseure vor den Ausschuss für unamerikanische Umtriebe geladen. Sie zeigen sich als sogenannte »Friendly witnesses« kooperationsbereit und denunzieren 19 Kollegen als Kommunisten. Dorothy reist nach Washington, um bei den Anhörungen dabei zu sein. Bei einer Solidaritätskundgebung gibt sie ihrer Abscheu über das Vorgehen Ausdruck: »Um Himmels willen, Kinder, der Faschismus kommt nicht – er ist schon da. Es ist entsetzlich. Hört auf damit!«469 Es gründen sich zahlreiche Unterstützervereine, die Geld für die Verteidigung der Verdächtigten sammeln. Dennoch knicken einige der 19 Vorgeladenen ein. Drehbuchautor Budd Schulberg stellt sich ebenso als Zeuge zur Verfügung wie der weltberühmte Regisseur von »Endstation Sehnsucht«, Elia Kazan. Beide sind ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Partei und sagen gegen Kollegen und Freunde aus. Einer der 19 Befragten verlässt die USA nur einen Tag nach der Anhörung für immer – Bertolt Brecht. Zehn der Befragten verweigern die Aussage. Sie gehen als »Hollywood Ten« in die Geschichte ein und werden zu Haftstrafen zwischen sechs und zwölf Monaten verurteilt. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis landen sie auf der Schwarzen Liste der Filmstudios. Da sie niemand mehr engagiert, haben sie de facto Berufsverbot. Einige schreiben unter Pseudonym weiter, andere geben auf. Erst 1960 gelingt es Dalton Trumbo als erstem Autor der Schwarzen Liste, unter seinem richtigen Namen ein Drehbuch durchzubringen. Es ist das Drehbuch zum Film »Spartacus«, in das Trumbo viele seiner Erfahrungen vor dem HUAC einfließen lässt – Ironie des Schicksals. Die Denunzianten dieser Tage aber vergisst Hollywood nie. Elia Kazan muss sich bis ans Ende seines Lebens mit dem Vorwurf des Verrats auseinandersetzen. Als er 1999 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk erhält, verweigert ihm ein Großteil der Anwesenden den Applaus. Steven Spielberg und Nick Nolte sind nicht die Einzigen, die demonstrativ sitzen bleiben. Vor dem Dorothy Chandler Pavillion, in dem die Preisverleihung stattfindet, stehen wütende Demonstranten, die an das Jahr 1947 erinnern.470 Dabei ist Kazan nicht der Einzige, der mit dem Ausschuss zusammenarbeitet: Robert Taylor, Gary Cooper und Ronald Reagan gehören ebenso dazu wie Walt Disney, der als Gründungsmitglied der antikommunistischen Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals Mitarbeiter seines eigenen Unternehmens denunziert, die gewerkschaftlich organisiert sind. Er ist ein erklärter Gegner von Dorothys Screen Writers Guild und betrachtet deren Arbeitskämpfe als Versuch der Kommunisten, in Hollywood Einfluss zu erlangen.
Andere verhalten sich ehrenhafter, wie zum Beispiel Charlie Chaplin. Der schafft es mit seinen Aussagen vor dem Auschuss, zum erklärten Feind von FBI-Boss J. Edgar Hoover zu werden. Als er 1952 zur Premiere seines Films »Rampenlicht« nach England reist, verhindert Hoover seine Wiedereinreise in die Vereinigten Staaten. Chaplin muss in Europa bleiben, erst 1972 darf er wieder einreisen. Er stirbt 1977 in der Schweiz. Mit der berühmten Frage: »Sind oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?« führt eine demokratisch gewählte Regierung Mitte des 20. Jahrhunderts ohne Skrupel eine neue Inquisition durch.
Obwohl Dorothy weiß, wie nahe sie einer Vorladung ist und was ihr Name auf der Schwarzen Liste bedeuten würde, unterstützt sie das von Leonard Bernstein und Aaron Copland gegründete National Committee for Justice for Hanns Eisler, das gegen die drohende Deportation des weltberühmten österreichischen Komponisten kämpft. Der Schönberg-Schüler, der gemeinsam mit seinem Bruder vorgeladen ist, hatte sich vor den Nazis in die USA geflüchtet. Er ist politisch und künstlerisch einer der engsten Weggefährten Brechts und vor allem wegen seiner Kampflieder verdächtig. Den Eisler-Brüdern wird vorgeworfen, ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei bei ihrer Einreise in die USA verschwiegen und damit gegen die Einreisebestimmungen verstoßen zu haben. Dorothy ist empört darüber, wie mit den Brüdern umgegangen wird, und spricht auf verschiedenen Kundgebungen zu Gunsten Hanns Eislers. Dem hilft das alles nicht. Auch wenn der Nachweis seiner KP-Mitgliedschaft nicht erbracht werden kann, wird er im Frühjahr 1948 zusammen mit seiner Frau ausgewiesen.
Dorothys Name fällt in den Folgemonaten öfter, wenn es um Verdächtige geht. Im Spionage-Prozess gegen die ehemalige Angestellte des Justizministeriums, die 27-jährige Judith Copland, der 1949 vorgeworfen wird, für die UdSSR spioniert zu haben, werden FBI-Dokumente verlesen, die Dorothy des Geheimnisverrats bezichtigen. Dorothy fragt sich kopfschüttelnd, welche weltbewegenden Geheimnisse sie wohl an die Sowjets hätte verkaufen können.
Überraschenderweise erfolgt auch jetzt keine Vorladung vor den HUAC. Auch dann nicht, als die Schwarze Liste erweitert wird. Am 22. Juni 1950 veröffentlicht eine Gruppe strammer Antikommunisten aus dem Kulturbereich ein antikommunistisches Pamphlet mit dem Titel Red Channels: The Report of Communist Influence in Radio and Television. Darin enthalten sind die Namen von 151 Autoren, Regisseuren, Schauspielern und Musikern, die vor dem Krieg Mitglieder in subversiven Organisationen waren, zum Teil aber noch nicht auf der Schwarzen Liste stehen. Die Informationen entstammen FBI-Protokollen, verschiedenen Arbeiterzeitungen und zum Teil auch reinem Tratsch. Das Heft wird an die Verantwortlichen im Kulturbetrieb versandt, mit dem Ergebnis, dass alle, die genannt werden, so lange einem Berufsverbot unterliegen, bis sie vor dem HUAC ihre Unschuld beweisen können. Es ist die Crème de la Crème der Kulturschaffenden: Leonard Bernstein, Arthur Miller, Lillian Hellman, Dashiell Hammett, Pete Seeger, Orson Welles, Dorothy Parker und viele andere. In den folgenden Jahren wird die Schwarze Liste um viele Namen erweitert. Insgesamt landen 320 Prominente darauf, sogar Miss Ellie aus »Dallas«: Barbara Bel Geddes.
Dass Dorothy im Visier der Behörden ist, dürfte sie schwerlich überraschen. Seit ihrem Einsatz für Sacco und Vanzetti wird sie überwacht. Ihre Mitgliedschaft in diversen antifaschistischen Organisationen ist lückenlos dokumentiert. Laut FBI-Berichten ist oder war sie Mitglied und ist oder war sie Unterstützerin von 33 politischen Organisationen, viele davon zählt das FBI zum engeren Dunstkreis der Kommunistischen Partei. So war oder ist sie Mitglied in der Hollywood Anti Nazi League, dem Joint Anti-Fascist Refugee Committee, der League for Women Shoppers, dem Motion Pictures Artists’ Committee, dem National Citizens Political Action Committee, dem National Committee to Win the Peace, der Southern Conference for Human Welfare, dem Spanish Refugee Appeal und dem American Council for a Democratic Greece. In vielen dieser Organisationen sitzt sie im Vorstand. Großzügige finanzielle Zuwendung leistet sie an die Abraham Lincoln Brigade, an das American Committee for Protection of Foreign Born, das American Committee for Yugoslav Relief, das American Relief Ship For Spain, den American Slav Congress, an die Artists’ Front to Win the War, das Citizen Committee for Harry Bridges, die League of American Writers, das Medical Bureau and North American Committee to Aid Spanish Democracy, das New York Tom Mooney Committee, den Spanish Children’s Milk Fond und das United American Spanish Aid Committee. Des Weiteren unterstützt sie offen den National Council on Soviet Relations, die American Youth for Democracy und den Civil Rights Congress.471 Die dicke Akte des FBI listet minutiös alle Veranstaltungen auf, an denen Dorothy teilgenommen hat. Sie zeigt, was für ein ungeheures Pensum sie neben ihrer Arbeit absolviert hat. Während des Krieges hat sie mehrmals im Monat auf Veranstaltungen gesprochen, und auch nach dem Krieg geht ihre Agitation unvermindert weiter. Von Beginn an stellte sie sich offen auf die Seite verfolgter Kollegen, und sie kämpft noch immer für die Demokratie in Europa, speziell in Spanien und Griechenland. Ihr Platz ist und bleibt an der Seite der Unterprivilegierten und Verfolgten: »An dem Tag, an dem du Ungerechtigkeit akzeptierst, solltest du dich erschießen«, sagt sie in den 1960er Jahren in einem Interview.472
Das FBI hat Dorothy längst als unverbesserliche Kommunistin ausgemacht. Zahlreiche anonyme Hinweise gehen bei der Bundespolizei ein. Ein Informant erklärt, sie sei bei ihren Nachbarn in Bucks County als die »Königin der Kommunisten« bekannt gewesen. Dieselbe Quelle gibt an: »Dorothy Parker sagte, dass sie ebenfalls die Aussage verweigern würde, wenn man ihr die Frage nach ihrer Mitgliedschaft in der CP stellen würde. Dorothy Parker scheint sehr beunruhigt zu sein, dass sie vorgeladen wird, erklärte aber, dass eine unbekannte Frau, von der wir annehmen, dass sie eine Vertreterin der American Newspaper Guild ist, ihr versichert hat, dass sie gute Kontakte ins Justizministerium habe und dafür sorgen würde, dass Dorothy Parkers Akte entfernt würde, wenn der Fall eintreten würde.«473 Trotz aller berechtigten Ängste setzt sie sich offen für verfolgte Kollegen wie den afroamerikanischen Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Paul Robeson ein, über den sie vor vielen Jahren eine Kurzgeschichte geschrieben hat. Zunächst »Vorzeigeschwarzer«, dessen unvergesslicher Auftritt mit »Old man river« im Broadwaymusical »Showboat« Millionen zu Tränen gerührt hatte, war Robeson in Ungnade gefallen, als er im Rahmen seines Menschenrechtsengagements 1934 die UdSSR besuchte. Seitdem gilt er als Kommunistenfreund. 1950 wird ihm der Reisepass entzogen, seine Platten werden aus den Läden entfernt und er selbst mit Auftrittsverbot belegt. Als der Sender NBC Robeson auf den Index setzt, erklärt Dorothy bei einer Kundgebung, dies sei »das jüngste Verbrechen des Radios gegen die Sendefreiheit«.474 Robeson wird nach Aufhebung seines Bannes korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste und Ehrendoktor der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. In Leipzig gibt es noch heute eine Paul-Robeson-Mittelschule.
Das FBI bleibt Dorothy als einer der »überzeugtesten Kommunistinnen in den Vereinigten Staaten« auf den Fersen.475 Vor allem, nachdem Drehbuchautor Martin Berkeley 1951 bei seiner Anhörung vor dem HUAC 155 Personen als Mitglieder der CP in den 1930er Jahren benennt. Darunter auch Dorothy Parker: »Berkeley sagte aus, dass Dorothy Parker bei einem Treffen in seinem Haus in Hollywood im Juni 1937 anwesend war. Bei diesem Treffen wurde die Sektion Hollywood der CP gegründet. Berkeley sagte weiter aus, dass aufgrund von Miss Parkers landesweiter Prominenz sie einen Sonderstatus erhielt und darum nicht mehr an CP-Treffen teilnahm.«476
Am 13. April 1951 stehen plötzlich zwei FBI-Beamte vor der Haustür in 216 South Westgate in Los Angeles. Sie stellen Fragen nach Dashiell Hammett und Lillian Hellman, Don Stewart und Ella Winter. Allein schon die Bekanntschaft mit den Genannten macht Dorothy verdächtig. Die Beamten notieren in ihren Bericht: »Miss Parker erklärte, dass sie zwar mit den oben genannten Personen persönlich bekannt sei, bestritt jedoch jegliche Kenntnis, ob diese Personen jemals Mitglieder der CP gewesen sind. Sie selbst habe niemals mit einem von ihnen an einer Parteiversammlung teilgenommen.«477
Die Beamten lesen ihr Sätze aus alten Artikeln vor, zitieren aus ihren Reden und fragen nach längst vergessenen Bemerkungen, die sie auf Empfängen und Banketten gemacht hat. Sie holen den Flyer zum 3. Kongress der American Writers League hervor, in dem die UdSSR als »die konsequente Verteidigerin des Friedens« bezeichnet wird,478 und einen Zeitungsartikel, in dem Dorothy als Mitglied des National Council on Soviet Relations wie folgt zitiert wird: »Die Menschen in Russland kämpfen unseren Kampf, und der Tag wird kommen, an dem das amerikanische Volk nicht nur hinter dem russischen Volk stehen wird, sondern an seiner Seite.«479
Jetzt zeigt sich, wie lange und intensiv Dorothy als eine der »wichtigsten Spendensammlerinnen«480 für kommunistische Organisationen überwacht worden war. Sogar in Mexiko war das FBI mit am Tisch gesessen. Angesichts der massiven Anschuldigungen ist Dorothy völlig überfordert. Ihre Nervosität überträgt sich auch auf ihre zwei Hunde, die während der ganzen Befragung wie Derwische durchs Zimmer toben. Es ist ein riesiges Tohuwabohu, zumal es Dorothy nicht gelingt, die Tiere zu bändigen. Auf die Frage eines Beamten, wie groß ihr Einfluss auf die kommunistische Bewegung sei, antwortet sie fast hysterisch: »Mein Einfluss? Sehen Sie sich doch meine beiden Hunde an. Ich kann ja nicht mal die beeinflussen.«481 Die Männer werden nach ihrem Besuch in ihren Bericht schreiben: »Wirkt sehr nervös« und »bestreitet die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei«.482
Ob Dorothy Parker tatsächlich jemals Mitglied der Kommunistischen Partei war, ist bis heute ungeklärt. Sie selbst bekannte sich 1934 öffentlich dazu, Kommunistin zu sein, von einer Parteimitgliedschaft war jedoch nie die Rede. Ring Lardner Jr., Sohn des berühmten Kurzgeschichtenautors und selbst Mitglied der CP, behauptet hingegen, Dorothy und Alan seien gemeinsam beigetreten, hätten sich aber nur sehr kurze Zeit in der Partei engagiert. Budd Schulberg hätte die beiden rekrutiert. Schulberg selbst konnte sich später nicht daran erinnern und vermochte nicht definitiv zu sagen, ob sie Mitglied gewesen sei.483 Bewiesen werden konnte eine Parteimitgliedschaft, die sie selbst stets verneinte, nicht einmal vom FBI.
Für ihre politische Beurteilung ist dies ohnehin nicht von Belang. Ganz unbestritten galt ihre offenkundige Sympathie sowohl Idee als auch Partei. Wie viele Intellektuelle ihrer Zeit setzte sie große Hoffnungen in die Idee des Kommunismus, versprach sich von ihm ein Ende des allgegenwärtigen Unrechts. Und da die Umsetzung dieser Idee organisatorisch an die Kommunistische Partei geknüpft war, erfuhr diese ebenso wie viele ihrer Unterorganisationen Dorothy Parkers uneingeschränkte Solidarität.
Das Klima in Hollywood wird immer rauer. Jeder verdächtigt jeden, viele haben große Angst davor, eingesperrt zu werden oder auf der Schwarzen Liste zu landen. Im Juli 1951 wird Dashiell Hammett verhaftet, nachdem er sich weigert, die Namen von Spendern für einen Fonds des Civil Rights Congress zu nennen. Dorothy macht dennoch mutig weiter. Im September 1951 setzt sie ihren Namen unter eine Spendenaufforderung für Spanien: »Viele Menschen halten mich für einen hoffnungslosen Fall. Ich schreibe an Sie, weil ich denke, dass man auch Sie manchmal so nennt und dass Sie genau wie ich stolz darauf sind, so stur zu sein. Ich bin beratungsresistent in meinem Glauben an das spanische Volk – und in der Weigerung zu vergessen, dass Francisco Franco ein Faschist ist. Und ich werde es mehr und mehr, wenn ich sehe, dass amerikanische Waffen und Dollars Spanien in eine Militärbasis für den Krieg verwandeln. (…) Schicken Sie mir bitte noch heute Ihre Spende.«484 Auch dieser Brief landet beim FBI.
1953 setzt sie sich für die Freilassung von Cedric Belfrage ein und spricht auf einer Veranstaltung mit dem Titel »Bekämpft McCarthyism – Verteidigt die Bill of Rights«.485 Belfrage, gebürtiger Engländer und Gründer der radikalen Wochenzeitschrift National Guardian, wird dennoch 1955 nach England deportiert. Ihr alter Freund Don Stewart versucht seiner Vorladung vor den HUAC zu entgehen, indem er mit seiner Frau nach London flieht. Hier erfahren sie, dass das US-Innenminsterium ihre Reisepässe für nichtig erklärt hat und sie mit einem Einreiseverbot in die USA belegt wurden. Sie werden nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, sondern den Rest ihres Lebens in Großbritannien verbringen.
Zu ihrem eigenen Erstaunen entgeht Dorothy bis 1955 einer Vorladung. Als sie endlich einbestellt wird, muss sie nicht vor dem HUAC erscheinen, sondern lediglich vor einem Unterausschuss in New York, der sich mit den Spendensammlungen für die Kommunistische Partei beschäftigt. Dafür, dass sie jahrelang Vorsitzende des Joint Anti-Fascit Refugee Committees war, das als kommunistische Tarnorganisation gilt, interessiert sich seltsamerweise niemand. Bei ihrem Auftritt vor dem Ausschuss im Februar 1955 gibt eine sehr adrett aussehende Dorothy in Nerzjacke und schickem Hütchen zu Protokoll, dass zwar ihr Name unter den Bettelbriefen des Komitees stünde, die Briefe jedoch nicht von ihr persönlich verfasst worden seien. Über die Finanzen des Komitees, das nach Berichten immerhin 1,5 Millionen Dollar gesammelt hat, wisse sie ebenso wenig wie über die exakte Verwendung der Gelder. Ihrer Ansicht nach seien diese vor allem zur Unterstützung spanischer Kinder verwendet worden. Eine Einflussnahme von Seiten der Kommunistischen Partei auf das Komitee sei ihr niemals aufgefallen, sie habe auch niemals danach gefragt. Bei der Frage nach ihrer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei macht sie von ihrem durch den V. Zusatzartikel der US-Verfassung garantierten Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. In den Zeitungen ist anschließend zu lesen: »Dorothy Parker weigert sich zu sagen, ob sie eine Rote war.«486
Zwei Monate später wird das Verfahren eingestellt. Nach Einschätzung des FBI geht keine Gefahr mehr von ihr aus: »Ein verlässlicher Beweis für eine Mitgliedschaft in der CP konnte nicht erbracht werden.«487
Ursächlich für diesen milden Umgang mit Dorothy ist wohl, dass die Kommunistenjagd zu dieser Zeit ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Das Jahr 1954 leitet McCarthys Ende ein, nachdem er sich dazu verstiegen hat, unhaltbare Anschuldigungen gegen Angehörige der US-Armee zu konstruieren. Das CBS-Politmagazin »See It Now« strahlte im März 1954 Ausschnitte eines Verhörs aus und zeigte anhand eines Einzelfalles die Konsequenzen der Verfolgung auf. Eine schockierte Öffentlichkeit erlebte, wie mutwillig die Existenz von Menschen zerstört wurde. Es war der Fernsehjournalist Edward R. Murrow, Frontmann von »See It Now«, der sich McCarthy entgegenstellte und dessen Untergang einleitete. George Clooney verfilmte diese mutige journalistische Leistung 2005 unter dem Titel »Good Night and Good Luck«, der täglichen Abschiedsformel Murrows von seinen Zuschauern. Die Gäste der Filmpremiere fanden dabei die Darstellung McCarthys sehr überzeichnet. Wie sich später herausstellte, hatte George Clooney nur Originalaufnahmen McCarthys in den Film eingebaut und ihn nicht von einem Schauspieler darstellen lassen.
Seine unbeherrschte Art wurde Joseph McCarthy letztlich zum Verhängnis. Es wurde ein Untersuchungsausschuss einberufen, doch McCarthy verweigerte jegliche Zusammenarbeit. Die Anhörungen, bei denen er Ausschussmitglieder in unsachgemäßer Weise beleidigte, wurden im Fernsehen übertragen. Die Stimmung innerhalb der Bevölkerung wandte sich gegen den Senator. Der Senat spach ihm daraufhin das Misstrauen aus und enthob ihn des Ausschussvorsitzes. Nur zweieinhalb Jahre später starb Joseph McCarthy am 2. Mai 1957 als schwerer Alkoholiker an einer Hepatitis. Die USA aber brauchten lange, um sich von diesem Kapitel ihrer Geschichte zu erholen. Der Dramatiker Arthur Miller verarbeitete die McCarthy-Jahre in seinem Drama »Hexenjagd«, für das er die Hexenprozesse von Salem als Metapher benutzt.
Auch wenn Dorothy Parker in diesen Jahren nicht im selben Maße leiden muss wie viele ihrer Kollegen, zerstören die Anschuldigungen auch ihre Karriere als Drehbuchautorin. Sie bezahlt für ihren aufrechten Gang einen hohen Preis. Jahre später wird sie auf die Frage eines Journalisten, ob sie denn berufliche Schwierigkeiten wegen ihrer politischen Ansichten gehabt hätte, antworten: »Und wie! Die Schwarzen Listen haben sich zwar nicht ins Theater eingeschlichen oder in die Redaktionszimmer der Zeitschriften, deren Mitarbeiterin ich bin. Aber in Hollywood, da feiern sie großen Triumphe. Gewisse Herrschaften lassen dort einfach einen Namen fallen, und der Name benimmt sich wie ein Gummiball, er springt von allein weiter. Das ist dann einer dieser Namen von Leuten, die man in der Gesellschaft von sogenannten ›Commies‹ gesehen hat, wie man das auf so reizende Weise zu bezeichnen pflegt. Man kann doch die Uhr nicht 30 Jahre zurückstellen, bis die Zeiger auf Sacco und Vanzetti stehen! Ich jedenfalls mache das nicht mit. Jaja, so ist das nun mal. Wie kann nur der Film das alles ohne Niveaubeschwerden verdauen? Sam Goldwyns Mund entstammt die Frage: ›Wie soll ich anständige Filme drehen, wenn meine guten Autoren allesamt im Kittchen sitzen?‹«488
Die Verfolgung unter McCarthy zerstört nicht nur ihre Karriere, sondern auch ihre Ehe. Nachdem Alan und Dorothy auf der Schwarzen Liste der Studios gelandet sind und nicht mehr als Drehbuchschreiber engagiert werden, geht ihnen langsam, aber sicher das Geld aus. Dorothy will zurück nach New York, in diesem Klima aus Angst und Denunziation will sie keinesfalls bleiben. Alan hingegen mag Los Angeles und die Chancen, die ihm die Stadt bietet. Obwohl auch er Angst vor der Zukunft hat, sieht er sich doch in erster Linie als Drehbuchautor und Schauspieler. Hollywood ist längst sein Zuhause geworden. Er will nicht zurück nach New York, sondern hofft, dass sich die Studiobosse bald eines Besseren besinnen und ihn wieder engagieren. Offen gibt er Dorothy die Schuld an der Misere. Nur durch sie sei er in den 1930er Jahren mit der kommunistischen Bewegung in Kontakt gekommen. Sie hätte ihn da hineingezogen. Es waren ihre Freunde, ihre Ansichten und ihr Engagement, für das er nun bestraft wird. Jetzt geht alles wieder von vorne los. Ohne Arbeit beginnt Dorothy wieder verstärkt zu trinken, die Auseinandersetzungen häufen sich. Nach einem besonders heftigen Krach im Sommer 1951 verlässt Alan sie. Bevor er geht, bezahlt er für ein Jahr die Miete für das Haus in Malibu, in dem sie leben. Die noch unbezahlten Möbel werden nach und nach abgeholt, bis Dorothy samt Hunden in einem leeren Haus sitzt. Sie trägt es mit Fassung – zumindest hat sie ihr Bett behalten: »Zwei Menschen können nicht auf Dauer so weitermachen, Jahr für Jahr die gleichen Dinge tun, wenn nur mehr einer von beiden diese Dinge tun möchte und dabei glücklich ist.«489
Um nicht allein zu sein und die Kosten für das Haus zu reduzieren, nimmt sie den Drehbuchautor James Agee als Untermieter auf. Agee ist schwerer Alkoholiker und in denkbar schlechter Verfassung. Vor ein paar Wochen hatte er während der Arbeit am Skript zu »African Queen«, das soeben mit Katharine Hepburn und Humphrey Bogart verfilmt wird, einen Herzinfarkt erlitten. Die Ärzte hatten ihm daraufhin dringend geraten, sein Leben zu ändern. Doch Agee qualmt wie ein Schlot und säuft Scotch in rauen Mengen. Dorothy ist er ein höchst willkommener Mitbewohner, auch wenn die meisten Menschen seine Anwesenheit als Zumutung empfinden. Agee wäscht sich nicht und läuft tagein, tagaus mit denselben verdreckten Klamotten herum. Damit passt er hervorragend in Dorothys Haus, das nach Alans Auszug zur Müllhalde verkommt. Niemand räumt hier jemals auf oder macht sauber. Allein der Gedanke daran, eine Haushaltshilfe zu engagieren, überfordert Dorothy komplett. Sid Perelman berichtet voller Ekel, wie die beiden hausen: »Parker sagt, Agee hat letzten Freitag ohne jede Hilfe drei Flaschen Scotch geleert. Von Agee bekam ich keine endgültige Aussage darüber, wie viel Parker trinkt. Die beiden hausen in einem Mief aus Kleidung, die nach Alkohol stinkt, kaltem Rauch und dreckigem Geschirr, ohne Möbel und ohne jegliche Sauberkeit. Man wäre nicht im geringsten überrascht, wenn sie ins Bett pissen würden.«490 Als Agee einen weiteren Herzinfarkt erleidet, reist seine Ehefrau aus New York an und beendet diese Wohngemeinschaft. Agee kehrt zu Frau und Kindern zurück und stirbt nur vier Jahre später mit 45 Jahren in New York an seinem dritten Herzinfarkt. Dorothy, der der Schmutz jetzt auch zu viel wird, beschließt, anstatt zu putzen, ins Chateau Marmont umzuziehen. Allerdings nicht für lange Zeit. Sie hat die Nase längst voll von Hollywood. Es wird Zeit, nach Hause zurückzukehren. Es ist Zeit für New York City. In der Rückschau wird sie sagen: »Hollywoods Geld ist kein Geld. Es ist gefrorener Schnee, der einem auf der Hand zergeht, und hinterher steht man da. Über Hollywood kann ich nicht sprechen. Für mich war der Aufenthalt dort einfach fürchterlich; ich kann nur mit Schrecken daran zurückdenken. Ich weiß nicht, wie ich auf den Einfall kommen konnte, nach Hollywood zu gehen. Als ich es hinter mir hatte, sperrte sich alles in mir, sobald ich nur den Namen ausprechen wollte.«491