»Warum denkst du so schlecht von den Clans?«
Sarein konnte ihren Ärger nicht länger zurückhalten. »Weil Sprecherin Peroni die Hanse vom Ekti-Nachschub abgeschnitten und auch die Lieferung anderer wichtiger Güter eingestellt hat, obwohl wir sie dringend brauchen.« Sie hob die Hand und zählte an ihren Fingern die Gründe ab, die sie von Basil gehört hatte. »Weil die Clans es ablehnen, wie jede andere Hanse-Kolonie behandelt zu werden. Weil sie keine Steuern zahlen, abgesehen von den Zollgebühren, die wir bestimmen können. Weil wir nicht einmal wissen, wo sich alle ihre Siedlungen befinden und was sie hinter ihrer Geheimniskrämerei anstellen.« Sie wartete vergeblich auf ein Zeichen der Zustimmung von ihren Eltern. »Macht euch das überhaupt nicht argwöhnisch?«
Idriss schüttelte den Kopf. »Wir brauchen ihre Hilfe, und ich sehe keine Nachteile.«
Sarein schnaufte ungeduldig. »Nehmt nur das Weltbaumholz, das sie fortbringen. Die Roamer werden es als wertvolle Handelsware verkaufen und viel Geld damit verdienen.«
»Wir haben ihnen das Holz angeboten, als Bezahlung für ihre Hilfe«, sagte Alexa betont ruhig. »Cesca Peroni hat von sich aus versprochen, uns am Gewinn teilhaben zu lassen.«
»Habt ihr das schriftlich? Habt ihr angemessene Bedingungen für Theroc ausgehandelt? Welchen Prozentsatz am Erlös geben uns die Roamer?«
Idriss lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Er wird sicher fair sein. Sie waren überhaupt nicht dazu verpflichtet, uns irgendetwas anzubieten.«
»Hunderte von Händlern und Geschäftsleuten der Hanse hätten hohe Beträge für das Recht geboten, das Weltbaumholz zu verarbeiten und zu verkaufen. Ihr habt nicht einmal an eine Versteigerung gedacht und alles den Roamer-Clans überlassen.
Das ergibt doch keinen Sinn…«
Idriss zeigte Ungeduld. »Sarein, Tochter, sieh aus dem Fenster und beobachte, welche Arbeit geleistet wird. Gibt es dort draußen irgendwelche Repräsentanten der Hanse, die Hilfe anbieten? Siehst du auch nur eine einzige Gruppe von Technikern der Terranischen Verteidigungsflotte, die uns beim Aufräumen und Wiederaufbau helfen? Nein, du siehst nur Roamer. Warum sollten wir jemand anders belohnen.«
Alexa erhob sich von ihrem vergoldeten Stuhl. »Ich möchte diese Diskussionen nicht fortsetzen, solange du nicht mit Cesca gesprochen hast, Sarein. Es wäre am besten, wenn ihr ein persönliches Gespräch führt und versucht, eure Differenzen zu überwinden. Wenn die Hydroger Reynald nicht umgebracht hätten, wäre sie jetzt unsere Schwiegertochter. Dein Vater und ich wünschen uns sehr, dass ihr Freundschaft schließt.« Idriss und Alexa gingen. Sarein blieb allein zurück und kam sich wie ein kleines Mädchen vor.
Sarein fand die Sprecherin der Roamer auf einer rußigen Wiese im Wald und bat sie um eine private Unterredung.
»Meine Eltern bestehen darauf, dass ich mit Ihnen spreche.«
Sprecherin Peroni hob die Brauen. »Und warum?«
»Angeblich ist mein Argwohn Ihnen gegenüber unfair.«
Cescas dunkle Augen wurden ein wenig größer. »Ihr Argwohn? Das ist interessant, wenn man bedenkt, dass die Hanse uns seit Generationen verfolgt, betrügt und bedrängt.
Als ich von Ihrer Rückkehr nach Theroc erfuhr, hoffte ich, dass Sie als Mittlerin zwischen der Hanse und den Roamer-Clans auftreten könnten, da Sie Reynalds Schwester sind.
Theronen sind unabhängig, und deshalb habe ich Sie für aufgeschlossener gehalten.«
Sarein dachte daran, dass Basil über Jahre hinweg in ihrer Schuld stehen würde, wenn es ihr gelang, dieses Problem aus der Welt zu schaffen und eine neue Brücke zwischen der Hanse und den Roamern zu bauen. »Liefern Sie wieder Ekti –dann ziehe ich in Erwägung, mich bei der Hanse für Sie zu verwenden.«
»Repräsentieren Sie das Volk von Theroc, oder sind Sie nur ein Sprachrohr des Vorsitzenden Wenzeslas und seiner Tiwi-Wachhunde?«
Sarein war beleidigt. »Sie greifen zu üblen Beschimpfungen, während ich versuche, unsere Differenzen zu überwinden?«
»Beschimpfungen? Ich halte mich sehr zurück. Der Vorsitzende weiß bereits, was er tun muss, damit wir wieder Ekti liefern. Jetzt ist er am Zug.«
Sarein wusste sich in der besseren Verhandlungsposition.
»Machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, dass der Treibstoff für den Sternenantrieb Ihnen die Möglichkeit gibt, die Hanse zu irgendetwas zu zwingen. Die Erde hat bereits mehrere Lieferungen von der Ekti-Fabrik über Qronha 3 erhalten.
Wenn wir weitere Himmelsminen in Betrieb genommen haben und die Transportal-Kolonisierungsinitiative in Gang gekommen ist, brauchen wir das Roamer-Ekti überhaut nicht mehr. Was soll dann aus Ihnen werden?«
Cesca schluckte den Köder nicht. »Wir bleiben auch weiterhin unabhängig und autark. Denken Sie gründlich darüber nach, Botschafterin. Die Hanse hat uns bestohlen und Roamer ermordet – warum sollten wir die Ekti-Lieferungen sonst einstellen? Der Export des Treibstoffs brachte uns gute Verdienste. Aber ich habe gesehen, was die Tiwis mit unseren hilflosen Frachtern und den unschuldigen Männern und Frauen an Bord machen.«
»Erfundene Geschichten.«
»Es gibt unbestreitbare Beweise«, sagte Cesca. »Möchten Sie die Trümmer und die Jazer-Spuren an ihnen sehen?«
Sarein wollte so etwas nicht für möglich halten, und ihre Züge verhärteten sich. »Der Vorsitzende Wenzeslas würde solche Übergriffe nicht zulassen, und der König wäre auf keinen Fall bereit, sie zu verzeihen.« Aber noch während sie diese Worte sprach, dachte sie an einige zwielichtige Dinge, auf die sich Basil bereits eingelassen hatte. Waren Überfälle auf Roamer-Transporter und der Diebstahl ihrer Ekti-Fracht wirklich nicht vorstellbar? Sarein wollte nicht über diese Möglichkeit nachdenken.
»Warum lehnt er es dann ab, auf unsere Vorwürfe einzugehen?«
Die Motoren schwerer Zugmaschinen dröhnten, als sie Stämme von Weltbäumen fortbrachten. Trümmer wurden beiseite geräumt, grüne Priester suchten fruchtbaren Boden und pflanzten dort Schösslinge. Die beiden Frauen schienen in einer leeren Blase zu stehen, während um sie herum rege Betriebsamkeit herrschte. Sareins Rücken war gerade, und ihre Lippen bildeten eine blasse Linie. Ihre Muskeln blieben gespannt.
Plötzlich eilte ein Roamer herbei. Seine uniformartige Kleidung war bestickt und wies viele Taschen auf. »Sprecherin Peroni, es ist zu einem Notfall gekommen! Er betrifft das Hurricane-Depot!«
Der Mann warf Sarein einen kurzen Blick zu, beugte sich vor und flüsterte Cesca Peroni ins Ohr. Zorn erschien in ihrem Gesicht, und mit finsterer Miene wandte sie sich Sarein zu.
»Als ob wir weitere Beweise benötigt hätten! Eine Kampfgruppe der Terranischen Verteidigungsflotte hat gerade eine unserer größten Stationen angegriffen. Die Tiwis stahlen unser Ekti und die übrigen Vorräte, verschleppten alle Personen… und zerstörten anschließend die Station.«
»Das… glaube ich nicht.« Sarein dachte zuerst, dass die Nachricht unmöglich stimmen konnte. Aber würde Sprecherin Peroni so etwas einfach erfinden? Das hielt sie für unwahrscheinlich.
Vor dem Verlassen der Erde hatte Sarein vermutet, dass Basil irgendetwas gegen die Roamer unternehmen wollte, aber ein derartiges Ausmaß an Dreistigkeit und Provokation überraschte sie. Während des Kriegs gegen die Hydroger war der Vorsitzende immer aggressiver geworden, immer mehr zu einem Falken. Wollten sich er und General Lanyan jetzt auf einen zweiten Krieg einlassen?
»Ich werde dem Flüsterpalast eine vollständige Dokumentation und überprüfbare Bilder übergeben.« Es fiel Sprecherin Peroni sichtlich schwer, ihren Zorn unter Kontrolle zu halten. »Die Angriffe der Droger sind schlimm genug, aber jetzt auch offene Feindseligkeiten der Hanse? Ich habe gehofft, dies auf eine ruhige, faire Weise regeln zu können, doch die Große Gans zeigt ganz deutlich ihr Gefieder. Sie sollten darüber nachdenken, wie vertrauenswürdig Ihre Freunde sind, Botschafterin – zum Wohle des ganzen theronischen Volkes.«
Dann eilte sie mit dem Roamer, der die Nachricht gebracht hatte, zu seinem Schiff.
92
KOTTO OKIAH
Während der Reise nach Osquivel war der Komfort recht eingeschränkt, aber das nahm Kotto überhaupt nicht zur Kenntnis. Seine Aufmerksamkeit galt anderen Dingen. Die Arbeit auf Theroc hatte er bereits vergessen, und jetzt widmete er sich ganz neuen Problemen und Rätseln.
Cesca Peroni hatte ihm eine freie Koje an Bord eines Frachters besorgt, der zu den Werften von Osquivel flog. Er hatte zu essen, zu trinken und Luft zum Atmen. Mehr brauchte er nicht. Der Kapitän des Frachters war ein Einzelgänger, der die Einsamkeit liebte und von Passagieren nicht viel hielt.
Aber da der exzentrische Ingenieur die meiste Zeit über in seiner Kabine blieb und dort Berechnungen anstellte, kamen die beiden Männer gut miteinander zurecht.
Die Vorstellung, ein intaktes Hydroger-Schiff zu untersuchen, faszinierte Kotto. Er sah sich ungeahnten Möglichkeiten gegenüber. Leider war kaum etwas über die Raumschiffe der Hydroger bekannt, was bedeutete, dass er erst dann Theorien entwickeln konnte, wenn er mit den Untersuchungen begonnen hatte. Bis dahin versuchte er, sich mit anderen Herausforderungen abzulenken.
Zuerst die extreme Hitze auf Isperos, der mehrere Roamer zum Opfer gefallen waren. Anschließend hatte er sich vorgenommen, es auf dem ultrakalten Mond Jonah 12 besser zu machen, wo Seen aus flüssigem Methan und Eisberge aus gefrorenem Ammoniak der Landschaft etwas Zauberhaftes gaben. Da die Atmosphärengase in fester Form vorlagen, konnten Roamer mit speziellen Fahrzeugen Wasserstoff einfach vom Boden aufsammeln.
Doch die meisten von Menschen hergestellten mechanischen Systeme waren nicht imstande, auf Dauer in einer so kalten Umgebung zu funktionieren. In seiner Kabine an Bord des Frachters überarbeitete Kotto das Konstruktionsmuster der Raupen und Extraktoren, entwarf dann eine neue Vakuumisolierung für die Motoren.
Er hatte sich nie für einen besonders abenteuerlichen Mann gehalten, aber er erinnerte sich an die Worte, die Cesca Peroni an jenem Tag, als sie Sprecherin geworden war, an alle Roamer gerichtet hatte. Die junge Frau war so engagiert, schön und pflichtbewusst gewesen, dass Kotto beschlossen hatte, sie nicht zu enttäuschen…
In seiner freien Zeit befasste er sich auch mit Dokumenten über Klikiss-Transportale und die Klikiss-Fackel. Die insektoide Zivilisation hatte fremdartige Formen der Mathematik und Technik entwickelt, doch für Kotto war das alles sehr interessant. Er fand großen Gefallen daran, Ideen auf ungewöhnliche Weise miteinander zu verbinden. Seine Gedanken waren wie ein Projektil, das in Schwerelosigkeit als Querschläger hin und her sauste.
Als der Frachter sein Ziel erreichte, schob Kotto all die Dinge beiseite, mit denen er sich während des Flugs beschäftigt hatte.
Del Kellum stand an der Luke, die Hände an die Hüften gestützt. »Verdamm, Kotto, Ihre Mutter hat uns gesagt, dass wir auf Ihre verrückten Ideen hören sollen. Jetzt haben Sie Gelegenheit, so verrückt zu sein, wie Sie möchten.«
Kotto nahm keinen Anstoß an diesen Worten. »Das weiß ich zu schätzen.« Er blickte sich im Andockraum um. »Wo ist das Wrack? Ich kann es gar nicht abwarten, mit der Arbeit zu beginnen.«
»Ein solches Objekt in der Nähe von bewohnten Stationen wäre zu gefährlich – die Droger könnten kommen und danach suchen.« Del Kellum klopfte Kotto auf die Schulter und ging mit ihm durch den Korridor. »Einige meiner Arbeiter haben das Schiff zur anderen Seite der Ringe gebracht. Dort wartet es allein auf Sie.«
Kellum aktivierte einen Wandschirm und ließ ein Orbitaldiagramm darauf erscheinen. Ein blinkender Punkt markierte die Stelle, an der sich das Hydroger-Schiff befand, in einem stabilen Orbit am äußeren Rand der Ringe. »Ich habe Ihnen fünf unserer Zuhörer- und Soldaten-Kompis als Assistenten zugewiesen, aber Sie werden der einzige Mensch dort draußen sein. Es sei denn, Sie brauchen noch jemanden.«
Er hob fragend die Brauen und hoffte, dass Kotto verneinte.
Der Ingenieur schüttelte den Kopf. »Nein, ich arbeite lieber allein.«
»Gut. Vorräte, Geräte und Ausrüstungsmaterial liegen für Sie bereit.« Del Kellum rief ein Bild des Hydroger-Schiffes auf den Schirm, und Kotto betrachtete es fasziniert. »Finden Sie so viel wie möglich darüber heraus.«
93
DAVLIN LOTZE
Als Davlins Schiff den Rand des Relleker-Systems erreichte, enthielt der Ekti-Tank nur noch einige wenige Tropfen Treibstoff, doch der Sender rief nach wie vor um Hilfe.
Rellekers Sonne strahlte, und die Planeten waren helle Punkte, alle viel zu weit entfernt. Stundenlang stellte Davlin Berechnungen an, zog verschiedene verzweifelte Möglichkeiten in Erwägung und verwarf sie wieder.
Schließlich zündete er ein letztes Mal das Triebwerk, um seinem Schiff ein neues Bewegungsmoment zu geben und etwas näher an einen der Planeten heranzukommen.
Nach einem Tag, als er schon die Hoffnung zu verlieren begann, dass man ihn rechtzeitig entdeckte, fand ihn ein Scoutschiff, das nach Hydrogern Ausschau hielt. Die Verteidigungsscouts von Relleker gehörten nicht zur TVF, und ihre Besatzungsmitglieder schienen eher schlecht ausgebildet zu sein, aber wenigstens befand sich eins der Schiffe zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Als man Davlin an Bord geholt hatte, zeigte er sofort die Empfehlungsschreiben des Vorsitzenden Wenzeslas und verwies auf seinen TVF-Rang.
Als die Scouts skeptisch blieben, nutzte er bei den Silbermützen erlernte Methoden, um das kleine Schiff zu übernehmen und damit so schnell wie möglich nach Relleker zu fliegen.
Die Kolonisten von Crenna drohten zu erfrieren. Und sie verließen sich auf ihn.
Die Bewohner von Relleker waren auf die Sparmaßnahmen ebenso wenig vorbereitet gewesen wie die der meisten Kolonien. Dies war eine Welt voller Luxus gewesen, auf der reiche Bürger der Hanse einen angenehmen Urlaub verbracht hatten. Die Bürger von Relleker waren alles andere als autark und hatten den größten Teil ihrer Ekti-Vorräte verwendet, um für ihr Überleben dringend benötigte Materialien zu importieren.
Als Davlin sein Anliegen an die Gouverneurin von Relleker herantrug, eine wohlgenährte Frau namens Jane Pekar, wies sie darauf hin, dass nicht genügend Ressourcen zur Verfügung standen, um den Crenna-Kolonisten zu helfen. Sie zuckte mit den Schultern. »So Leid es mir auch tut, Mr. Lotze, wir können Ihnen nicht helfen.«
»Sie scheinen sich nicht sehr zu bemühen, nach einer Lösung des Problems zu suchen.« Davlin blieb im Büro der Gouverneurin stehen, obwohl sie ihn abgewiesen hatte. Es gab keine Möglichkeit für ihn, Relleker zu zwingen, etwas zu unternehmen, um den Siedlern auf Crenna zu helfen. Entgegen allen Erwartungen hatte er es bis hierher geschafft, und jetzt sah er sich plötzlich neuen Hindernissen gegenüber, und die Zeit genügte nicht, sie alle zu überwinden. Davlin ärgerte sich über die eigene Hilflosigkeit. War er so weit gekommen, nur um hier zu versagen und Crennas Kolonisten zu enttäuschen?
Die Gouverneurin seufzte. »In ein oder zwei Tagen treffen zwei Versorgungsschiffe ein«, sagte sie. »Eine Frau namens Kett… mit der Unersättlichen Soundso. Vielleicht kann sie Ihnen helfen.«
Nun lächelte Davlin.
Als Rlinda Kett und Branson Roberts mit ihren beiden Schiffen landeten, eilte Davlin sofort zu ihnen. »Sie haben gesagt, ich sollte mich mit Ihnen in Verbindung setzen, wenn ich jemals Hilfe brauche.« Er fand es sehr beunruhigend, auf jemanden angewiesen zu sein. »Jetzt brauche ich welche.«
Rlinda grinste breit, als er die Situation erklärte. »Ha! Ich freue mich, Ihnen helfen zu können. Sie haben mich doch nicht für einen jener Regierungstypen gehalten, die ein gegebenes Versprechen zurücknehmen, oder?«
Sie und Roberts leerten die Frachträume ihrer Schiffe, luden auch die Container aus, die für andere Kolonien bestimmt waren. »Ich setze es einfach auf Rellekers Rechnung.
Hundertdreißig Personen, sagten Sie? Sind sie wenigstens dünner als ich?« Dabei klopfte sie sich auf die breiten Hüften.
»Das versichere ich Ihnen.«
»Na schön. Machen wir uns auf den Weg.«
Die Unersättliche Neugier und die Blinder Glaube erreichten das dunkle Crenna-System. Davlin saß neben Rlinda Kett im Cockpit und war viel aufgeregter als zu jenem Zeitpunkt, als sie ihn auf Crenna abgesetzt hatte. Seine Anspannung wuchs, während sie sich dem Ziel näherten.
Die Blinder Glaube meldete sich. »Wir sind hier, aber jemand hat die Sonne ausgeschaltet. Sieht gar nicht mehr nach einem Planetensystem aus.«
»Pass bloß auf, dass du nicht geradewegs in die Sonne hineinfliegst, BeBob. Manchmal schenkst du der Navigation nicht genug Beachtung.«
»Das nehme ich dir übel, Rlinda.«
»Aber ich höre keinen Widerspruch.«
Rlinda Kett korrigierte den Kurs und beugte sich zum Cockpitfenster vor. Infrarote Filter erlaubten es, verblassende Farben zu erkennen, die letzte Wärme, die der Planet ans All verlor. Ohne das nukleare Feuer der Sonne war das ganze Crenna-System nicht mehr als eine abkühlende Leiche. Die Atmosphäre des Planeten war bereits gefroren. Eine dicke Schicht aus Eis und Kohlendioxidschnee bedeckte den Boden.
Seen und Bäche existierten nicht mehr; das gesamte Leben auf der Oberfläche war ausgelöscht.
Davlin schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, die Menschen haben in den Höhlen überlebt.«
»Wann hat diese Eiszeit begonnen?«, fragte Roberts per Funk.
»Vor weniger als zwei Wochen. Es gibt noch Wärme im Innern des Planeten, und die Sonne ist nicht völlig kalt. Crenna empfängt etwa ein Prozent der vorherigen Strahlung.«
»Zum Glück haben wir unsere Schaufeln mitgebracht«, sagte Rlinda. »Zeigen Sie mir den Weg, Davlin.«
Bevor er aufgebrochen war, hatte Lotze einen batteriebetriebenen Peilsender unweit der Luke über dem nach unten führenden Schacht zurückgelassen. Bürgermeister Ruis wusste davon nichts – Davlin hatte ihn nicht darauf hinweisen wollen, wie schlimm es bald an der Oberfläche sein würde. Er schaltete den Empfänger ein, und es dauerte nicht lange, bis er das Signal fand, das viel schwächer war als erwartet.
Kummervoll stellte er fest, dass sich auch der Peilsender unter einer dicken Schicht aus Schnee und Eis befand.
»Ich übermittle Ihnen die Navigationsdaten.«
Kleine Flocken aus gefrorenem Kohlendioxid umgaben die beiden Schiffe, als sie durch den dünnen Rest der Atmosphäre sanken. Davlin bediente die Kommunikationskontrollen.
»Crenna-Kolonie, hier spricht Davlin Lotze.« Er wartete, hörte aber nur statisches Rauschen. »Bürgermeister Ruis, hören Sie mich? Ich habe Hilfe mitgebracht.« Er versuchte mehrmals, einen Kontakt herzustellen, ohne Erfolg.
Rlinda sah auf die Instrumente und schüttelte den Kopf.
»Kein Grund, die Hoffnung zu verlieren, Davlin. Die dicke Eisschicht auf dem Boden absorbiert einen großen Teil der Signalenergie.«
Als die beiden Schiffe die Zielposition erreichten, blickte Davlin auf die gefrorene Atmosphäre hinab. Eis und Schnee hatten den Hangar und die Gebäude der Stadt unter sich begraben.
»Sollen wir etwas Salz streuen?«, scherzte Roberts.
»Wenn es sich wirklich nur um gefrorene Atmosphärengase handelt, so hat das Eis dort unten einen sehr niedrigen Verdampfungspunkt«, sagte Rlinda. »Wir können es mit der Abwärme unserer Triebwerke schmelzen. Besonders elegant ist das nicht, aber hier kommt es in erster Linie auf das Ergebnis an.« Sie ließ die Neugier noch etwas tiefer sinken, und die heißen Triebwerksgase sorgten dafür, dass im Bereich der geschlossenen Luke Dampfgeysire entstanden. Im Verlauf einer halben Stunde gelang es ihr, ein großes Stück des Bodens freizulegen. Dann zog sie sich zurück und überließ es der Glaube, noch mehr Atmosphäreneis zu beseitigen.
Auf diese Weise entstand ein großer Krater im Eispanzer, der die Luke bedeckt hatte.
»Jetzt zum nächsten Problem«, sagte Davlin. »Wir hatten es so eilig, Höhlen für die Kolonisten von Crenna zu graben und einen sicheren Unterschlupf für sie zu schaffen, dass wir den Zugangsschacht nur mit einer Luke sicherten. Es gibt keine Luftschleuse.«
»Können die Kolonisten lange genug überleben, um unsere Schiffe zu erreichen?«, fragte Rlinda.
Davlin schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Luft. Die Atmosphäre ist gefroren.«
»Nun, dann wird’s interessant«, kommentierte Rlinda.
»Es gibt keine Röhre, um eins der Schiffe mit der Luke zu verbinden«, sagte BeBob.
»Wie viele Schutzanzüge haben wir?«, fragte Davlin.
»Ich habe drei, und BeBob hat ebenfalls drei an Bord der Blinder Glaube.«
»Vier«, korrigierte Branson.
»Na schön.« Davlin klopfte mit den Fingern auf die Instrumententafel. »Sie haben eine für den Notfall bestimmte Druckkuppel, nicht wahr?«
Rlinda nickte. »In der Unfallausrüstung, ja. Aber sie bietet nur zwei Personen Platz.«
»Wir bauen die Druckkuppel über der Luke auf, mit den Schutzanzügen im Innern – auf diese Weise bekommen wir eine Luftschleuse. Dann öffnen wir die Luke, und zwei Kolonisten können die Höhlen verlassen und Schutzanzüge anziehen. Jeweils sechs oder sieben gehen dann an Bord der Schiffe.«
»Hundertdreißig Personen?«, fragte Roberts skeptisch. »Die Evakuierung dauert Tage, wenn nur immer zwei die Höhlen verlassen können.«
»Dann dauert es eben Tage.« Davlin warf Rlinda ein für ihn untypisches Lächeln zu. »Aber es wird funktionieren.«
Sie streiften Schutzanzüge über und gingen nach draußen.
Um sie herum ragten die steilen Eiswände des Kraters auf, den sie mithilfe der Triebwerke geschaffen hatten. Sie holten die für den Notfall bestimmte Druckkuppel hervor, die dafür bestimmt war, zwei Personen das Überleben unter extremen ambientalen Bedingungen zu ermöglichen, und errichteten sie über der freigelegten Luke des Zugangsschachtes.
Davlin nahm ein schweres Werkzeug, klopfte damit auf die Luke und hoffte, dass die Kolonisten das Pochen hörten. Schon nach kurzer Zeit fühlte er eine starke Vibration – auf der anderen Seite wurde ebenfalls geklopft. »Jemand hat überlebt.«
Der noch immer in einen Schutzanzug gekleidete Branson Roberts kam durch die Sphinktertür und brachte die drei zusätzlichen Anzüge von der Neugier. Davlin und er holten vier weitere aus der Blinder Glaube, während Rlinda Heizgeräte in der Druckkuppel in Betrieb nahm.
»Dies ist ein langweiliges und nicht sehr dramatisches Ende unserer Rettungsmission«, meinte Roberts.
»Menschen nacheinander zu retten, ist für mich aufregend genug.« Rlinda gab Davlin einen freundschaftlichen Knuff an die Schulter. »Für einen Spion zeigen Sie erstaunlich viel Mitgefühl, Mr. Lotze.«
Davlin antwortete nicht und hantierte an den Kontrollen der Luke. Als es ihm schließlich gelang, sie zu öffnen, kletterten mehrere Kolonisten nach oben, unter ihnen der freudig lächelnde Bürgermeister Ruis. Er umarmte Davlin. Die Umarmung war Davlin ein wenig peinlich, aber er lächelte ebenfalls.
94
ORLI COVITZ
Die Kolonisten nutzten die Klikiss-Ruinen als Basis und verwandelten das behelfsmäßige Lager auf Corribus schnell in eine dauerhafte Siedlung. Es galt, eine ganze neue Welt zu zähmen. Es musste so viel grundlegende Arbeit geleistet werden, dass den Siedlern kaum Zeit blieb, die Umgebung zu erforschen.
Orli hingegen hielt das für einen Teil ihrer Aufgabe.
Vor Jahren hatten sich Xeno-Archäologen in der Ruinenstadt umgesehen und so viele Informationen wie möglich gesammelt, bevor ihnen das Geld ausgegangen war. Später hatten Hud Steinman und andere Scouts der Hanse den vorgesehenen Siedlungsbereich untersucht. Doch Orli wusste, dass es hunderte von Winkeln und Spalten gab, die sich noch niemand angesehen hatte.
Zwar war ihr Vater derjenige, der hoffte, eines Tages verborgene Schätze zu finden, aber ein Teil seiner unerschöpflichen Phantasie hatte auf Orli abgefärbt. Sie stellte sich vor, dass die Klikiss während ihres letzten Kampfes in dieser Schlucht vielleicht irgendwo Aufzeichnungen versteckt und kostbare Dinge vergraben hatten.
Wenn sie auf Entdeckungstour ging, ließ sie ihre Pelzgrille im Käfig. Ihr Vater hatte seine Schicht in der Empfangsstation des Kommunikationsturms begonnen, wo er sich vermutlich die Zeit damit vertrieb, an den Entwürfen neuer Erfindungen zu arbeiten…
Orli ging dorthin, wo die Schlucht schmaler wurde und die glasierten granitenen Wände steil aufragten. Im Lauf von Jahrtausenden hatte Regen Mineralien aus dem Gestein gewaschen, und dadurch waren Ansammlungen von Alaunkristallen entstanden, wie aus einzelnen Schichten aufgebaute Glaswürfel. Sie funkelten und glitzerten an den Schluchtwänden. In ihrem ersten Bericht hatte Margaret Colicos diesen Ort als »der Berg, der kristallene Tränen weint«
beschrieben. Margaret hatte sich damals gefragt, ob die Anordnung der Kristalle auf eine Botschaft der Klikiss hinwies oder gar eine Art Schaltkreis bildete. Aber die Ergebnisse der Analysen machten deutlich, dass die Kristalle lange Zeit nach dem verheerenden Angriff gewachsen waren, der das Gestein glasiert hatte.
Als Orli die Kristalle an den Schluchtwänden betrachtete, sah sie gute Kletterhilfen in ihnen, eine Art Trittleiter, die sie zu den Rissen und Spalten weiter oben bringen konnte.
Sie begann zu kletterten, trat auf die Kristalle, griff mit den Händen nach den Vorsprüngen und zog sich hoch. Orli lächelte bei dem Gedanken, dass sie zu Orten vorstieß, die von den archäologischen Expeditionen nicht verzeichnet worden waren.
Margaret und Louis Colicos waren alte Leute, ebenso wie Hud Steinman. Etwas so Riskantes und Anstrengendes hätten sie bestimmt nicht gewagt.
Auf halbem Weg nach oben hielt sie inne, blickte nach unten und begriff dann, dass dies keine besonders gute Idee gewesen war. Der Schluchtboden lag tief unter ihr. Die Wand ragte weiterhin steil auf, und die Kristallbrocken erschienen ihr plötzlich kleiner und brüchiger. Wenn sie losließ oder in Ohnmacht fiel… Der Sturz in die Tiefe würde ihren sicheren Tod bedeuten.
Orli schluckte und beschloss, nach oben zu sehen und den Weg fortzusetzen. Eine schwarze vertikale Kerbe, halb verborgen in einer Falte des Gesteins, weckte ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht war es einmal eine große Höhlenöffnung gewesen, aber der Granit hatte sich vor Jahrtausenden in enormer Hitze verflüssigt und war dann wieder erstarrt. Auf diese Weise war eine Art Vorhang entstanden, hinter dem sich der Rest der Höhlenöffnung verbarg.
Orli war inzwischen des Kletterns müde geworden. Als sie die richtige Höhe erreichte, fand sie, wonach sie suchte. Sie näherte sich der Öffnung, und dabei rutschte der eine Fuß an einem glatten, schiefen Alaunblock ab. Mit beiden Händen hielt sich Orli an einem scharfkantigen Granitvorsprung fest, atmete mehrmals tief durch und zog sich dann in die dunkle Höhle.
Viele Räume in der Klikiss-Stadt waren halb eingestürzt und dunkel, weshalb die Kolonisten kleine Lampen bei sich führten. Orli kroch nach vorn, bis sie eine Kammer erreichte, griff dann in die Tasche. Sie hatte jetzt beide Hände frei und daher keine Mühe, die Lampe einzuschalten. Licht strich über die Höhlenwände.
Hier war der Granit rau und nicht wie draußen glasiert, aber Orli sah auf den ersten Blick, dass die Höhle, in der sie sich befand, unmöglich natürlichen Ursprungs sein konnte – dafür waren die Wände viel zu symmetrisch. Sie stellte sich vor, wie viele Arbeiter – Klikiss? – einen runden, fünf Meter durchmessenden Raum aus dem Fels meißelten. Aber warum so weit oben in der Schluchtwand? Sie leuchtete zur Decke hoch, ließ das Licht dann über die Wände streichen und hielt dabei nach Tunneln oder irgendeinem Ausgang Ausschau.
Doch im Schein der Lampe erschien nur die netzartige Klikiss-Schrift, Hieroglyphen und Gleichungen, die spiralförmig von einem zentralen Punkt ausgingen.
Schließlich leuchtete Orli auf den Boden – und schnappte nach Luft.
Die letzten von Margaret Colicos übermittelten Berichte enthielten Bilder von einem mumifizierten Klikiss-Körper, gefunden auf Rheindic Co. Als Orli nun die Leiche auf dem Boden sah, erkannte sie sofort die ledrige, schabenartige Gestalt eines Klikiss. In diesem Fall war der Körper nicht mehr intakt: Das Ektoskelett schien von innen heraus explodiert zu sein, als wären zahlreiche verschluckte Minen detoniert. Die Gliedmaßen und Flügeldecken wirkten angenagt, als hätte sich etwas einen Weg aus dem Leichnam nach draußen gefressen.
Vielleicht ein schrecklicher, auf Corribus beheimateter Parasit?
Oder ein Raubtier?
Die Schatten in der Höhle schienen dunkler zu werden, die Temperatur schien zu sinken. Orli lauschte aufmerksam, hörte aber nur den eigenen rasenden Puls im Ohr, ihren Atem und das leise Seufzen des Winds jenseits des Höhlenzugangs.
Neben der Klikiss-Leiche bemerkte sie eine zweite zerfetzte Gestalt, größer und dunkler, wie von öligen Schatten überzogen. Sie hatte die gleiche äußere Form, bestand aber aus Metall und schwarzer Keramik – ein Klikiss-Roboter!
Die käferartige Maschine war ebenfalls auseinander gerissen, so wie die Klikiss-Leiche. Die einzelnen Komponenten wirkten wie zerschmettert. Kaum mehr identifizierbare Fetzen lagen überall in der Höhle verstreut, als hätte sich eine ganze Horde Aasfresser über den metallenen Kadaver hergemacht.
Teile des fast unzerstörbaren Panzers waren geborsten und zerrissen. Orli schauderte, als sie sich vorzustellen versuchte, welche enorme Zerstörungskraft hier am Werk gewesen war.
All dies hatte sich vor vielen tausend Jahren ereignet, doch die Szene der Gewalt wirkte wie ein Schrei in der klaustrophobischen Stille. Etwas Schreckliches hatte einen Klikiss getötet und einen ihrer Roboter zerstört. Welche Art von Raubtier fiel sowohl über ein Lebewesen als auch eine Maschine her?
Die Höhle erschien Orli plötzlich viel kleiner, und die Luft in ihr fühlte sich dicker an. Sie wich zurück, stieß an den rauen Felsen der Wand und schrie unwillkürlich auf. Dies war nicht der mysteriöse Schatz, den sie zu finden gehofft hatte.
Sie versuchte, sich zu beruhigen, summte eine der Melodien, die sie auf dem Synthesizer komponiert hatte. Immer wieder sagte sie sich, dass es nichts zu befürchten gab. Was auch immer damals die Klikiss angegriffen hatte – es war seit Jahrtausenden von Corribus verschwunden.
Der rationale Teil ihres Selbst begriff, dass ihre Entdeckung tatsächlich ein wichtiger archäologischer Fund sein konnte.
Doch obwohl Orli einen klaren Kopf hatte und ganz logisch dachte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Alles in ihr drängte danach, die Höhle so schnell wie möglich zu verlassen.
Sie befürchtete, dass der Abstieg an der steilen Felswand ziemlich lange dauern würde.
95
ERSTDESIGNIERTER THOR’H
Nachdem sein Onkel die Zeremonie nachgeahmt hatte, die einen Weisen Imperator an die Macht brachte, war Thor’h froh, sich ganz der Konstruktion eines opulenten Chrysalissessels für den selbst ernannten Imperator widmen zu können.
Inzwischen hatte sein Vater sicher gemerkt, dass auf Hyrillka etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Der Erstdesignierte wies die besten Handwerker, Erinnerer und Bildhauer von Hyrillka an, einen extravaganten mobilen Sessel für den wahren Herrscher anzufertigen. Die Künstler arbeiteten mit absoluter Hingabe und wollten nicht ruhen oder etwas essen, bevor sie ihr Werk vollendet hatten.
In den gewölbten Seiten des Chrysalissessels glänzten Edelsteine und Kristalle, und kostbare Metalle zeigten Szenen aus der Saga der Sieben Sonnen, Geschichten über große Weise Imperatoren aus Rusa’hs ehrenvoller Familie. Die Ereignisse, für deren Darstellung sich Thor’h entschieden hatte, stammten aus ferner Vergangenheit, ohne eine Verbindung mit der unangenehmen Gegenwart, mit der Irreleitung und Verworfenheit, die sein eigener Vater dem ildiranischen Volk gebracht hatte.
Nach dem herrlichen Tag des feierlichen gemeinsamen Schiing-Konsums hatte Rusa’h die losen Thism-Stränge der Hyrillkaner an sich gebunden und ein neues Netz geschaffen, vollkommen von den anderen Ildiranern getrennt. Hyrillkas Bewohner führten alle Anweisungen des neuen Imperators aus.
Jene Personen, die unabsichtlich oder ganz bewusst darauf verzichtet hatten, die starke Droge zu nehmen, wurden lokalisiert und gezwungen, sich der Wirkung von Schiing auszusetzen. Ganz Hyrillka war jetzt ein einheitlicher Organismus, in dem nur Pery’h fehlte. Die treuen Wächter des neuen Imperators hielten den Designierten-in-Bereitschaft Pery’h noch immer im Zitadellenpalast unter Hausarrest.
Thor’h hatte seinen Bruder mehrmals besucht, ihn abwechselnd verspottet und angefleht, doch Pery’h weigerte sich noch immer, das Offensichtliche zu erkennen, obwohl er völlig isoliert war und deshalb litt.
Im Gegensatz zu den anderen Ildiranern auf Hyrillka konnte jemand aus der Blutlinie des Weisen Imperators nicht gezwungen werden, mit dem neuen Thism zu kooperieren.
Pery’h musste freiwillig seine Meinung ändern, aus eigenem Antrieb mit seinem fehlgeleiteten Vater brechen. Doch das lehnte der junge Mann ab, und dadurch wurde er allmählich zu einem Problem für die Pläne seines Onkels…
Nach nur drei Tagen präsentierte Thor’h voller Stolz den neuen Chrysalissessel. Rusa’h betrachtete ihn mit glasigen Augen – er erholte sich noch immer vom Schnitt des Kastrationsmessers, das ihm vollständigen Zugang zum neuen Thism gegeben hatte. Inzwischen war er fast kräftig genug, sich wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, und als er den Chrysalissessel sah, strahlte sein Gesicht so hell wie die Sonnen im Horizont-Cluster. »Er ist wundervoll. Thor’h, du bist wahrlich mein Erstdesignierter.«
Thor’h stand neben seinem Onkel und lächelte stolz. Der neue Imperator hatte befohlen, dass seine konvertierten Anhänger kein Schiing mehr nehmen sollten; anderenfalls wäre es zu einer Schwächung des neuen Thism- Netzes gekommen. Die Folge war, dass Thor’h erste
Entzugserscheinungen zu spüren bekam. Hyrillkas gesamte Drogenproduktion sollte von jetzt an für andere Welten bestimmt sein. Thor’h hatte so oft Schiing genommen, dass er davon abhängig geworden war, sich jetzt sehr danach sehnte.
Doch Teil des neuen, von Rusa’h kontrollierten Thism zu sein… Das gab ihm die Kraft, die er brauchte.
Mit der Hilfe von Thor’h und einigen schnatternden Bediensteten stand der Imperator auf und nahm seinen Platz im neuen Chrysalissessel ein. Er schloss die Hände um die gewölbten Seiten und aktivierte dann das Kraftfeld, das ihn vom Boden aufsteigen ließ.
»Von den entsandten Pilgern, die meinen Bruder für mich beobachten sollen, habe ich erfahren, dass Jora’h seine Füße den Boden berühren lässt. Er behauptet, der Weise Imperator zu sein, und doch geht er wie ein normaler Mann, anderen Männern ebenbürtig.« Rusa’hs Gesicht zeigte Abscheu. »Er ist so sehr vom rechten Weg abgekommen, dass er den leuchtenden Pfad nie wieder finden kann. Als wahrer Imperator unseres Volks beabsichtige ich, die alten Traditionen zu achten, wie von der Lichtquelle bestimmt.«
»Ein weiterer Grund, warum wir dir folgen müssen, Onkel.«
Thor’hs Finger tasteten über die Edelsteine und Kristalle in den Seiten des Chrysalissessels.
»Jetzt, da ich mobil bin, möchte ich die Nialia-Felder, die Bewässerungsgräben und die Schiing-Verarbeitungsanlagen inspizieren. Sie werden die Eckpfeiler meiner sich ausdehnenden Herrschaft bilden.«
»Seit der Konvertierung hat niemand geruht, Herr. Alle anderen angebauten Pflanzen sind verbrannt und als Dünger in den Boden gepflügt worden. Neue Gräben werden ausgehoben, und alle Ildiraner des Bauern-Geschlechts sind nach besten Kräften bemüht, weitere Nialia-Plantagen anzulegen.«
Der Chrysalissessel setzte sich in Bewegung, und Thor’h begleitete ihn. Sie kamen an Säulen vorbei, an denen Ranken wuchsen und die den offenen Hof säumten, auf dem Rusa’h einst seine Feste veranstaltet hatte und wo jetzt seine Audienzen stattfanden. Bedienstete hasteten umher, machten den Weg frei, während vier loyale Höflinge nach vorn traten und den Imperator ankündigten.
Rusa’h schickte sie alle fort. »Ich möchte allein mit meinem Erstdesignierten unterwegs sein. Teilt den Arbeitern auf den Nialia-Feldern mit, dass ich zu ihnen spreche, wenn ich die Verarbeitungsanlagen erreiche.«
Bedienstete schwärmten wie Insekten aus und taten voller Eifer, was man ihnen befohlen hatte. Adlige wichen beiseite und verbeugten sich respektvoll, als der Chrysalissessel vorbeikam. Beim nächsten Nialia-Feld steuerte Rusa’h den Sessel über einen der Bewässerungskanäle. Thor’h ging am Rand des Kanals, und der dicht über dem spiegelartigen Wasser dahingleitende Chrysalissessel sah aus wie ein Zeremonienboot.
Glitzernde Geschöpfe schwammen in den Kanälen, Quallen, die Nährstoffe aus dem Wasser und die Energie des Sonnenlichts aufnahmen, damit zu proteinreichen, gallertartigen Geschöpfen heranwuchsen, die für die Hyrillkaner eine wichtige Nahrungsquelle darstellten. In regelmäßigen Abständen zogen Arbeiter Netze durch die Kanäle und fingen Quallen, die bei Festen roh verzehrt wurden. Rusa’h hatte die Anweisung erteilt, die gefangenen Quallen zu konservieren und sie den Lebensmittelvorräten hinzuzufügen, die jetzt rationiert waren, da alle landwirtschaftlichen Flächen des Planeten der Produktion von Schiing dienten.
»Haben wir genug Lebensmittel für unsere Bevölkerung, Herr?«, hatte Thor’h gefragt.
»Wir werden bald andere Welten erobern, angefangen mit denen des Horizont-Clusters. Schiing ist der Schlüssel, und deshalb muss der Nialia-Anbau absoluten Vorrang haben.
Wenn sich mein Thism-Netz ausbreitet, stehen uns die Nahrungsmittel anderer Welten zur Verfügung. Meine neuen Armeen loyaler Ildiraner werden uns ernähren.«
Als Rusa’h und Thor’h zwischen den Nialias unterwegs waren, stiegen männliche Pflanzenmotten auf, flatterten umher und suchten nach weiblichen Blumen, die sie befruchten konnten. Arbeiter schritten durch die Felder, ernteten Triebe und Samen, um woanders neue Nialias aus ihnen wachsen zu lassen. Andere Ildiraner pressten Blutsaft aus reifen Knollen, sammelten jeden Tropfen und übergaben die Gefäße mit der Flüssigkeit Läufern, die sie zur Verarbeitungsanlage brachten, wo das Schiing in seiner reinen Form lagerte.
Die meisten dieser Arbeiter gehörten nicht dem Bauern-Geschlecht an, dem es normalerweise vorbehalten blieb, sich um Anbau und Ernte zu kümmern. Das neue Thism des Imperators hatte alle Geschlechter vereint, und derzeit wurden Bauern dringender gebraucht als andere. Selbst Beamte, Sänger und Gräber arbeiteten auf den großen Feldern, pflanzten, bestellten den Boden und ernteten. Auf den Kontinenten von Hyrillka bemühten sich Ildiraner aller Geschlechter, weitere Nialia-Plantagen anzulegen. Rusa’hs Ziel bestand darin, die Schiing-Produktion zu verzehnfachen.
Nur auf diese Weise konnte er andere Ildiraner an sich binden.
Auf dem Fliesenmosaik des Raumhafens, wo Adar Kori’nh vor langer Zeit mit seinen Kriegsschiffen eingetroffen war, um den jungen Erstdesignierten nach Ildira zu bringen – der erste Teil des Verrats seines Vaters –, wurden Hyrillkas Raumschiffe auf Thor’hs Anweisungen hin modifiziert und umgerüstet. Selbst Frachter bekamen eine Panzerung und wurden mit defensiven und offensiven Waffen ausgestattet.
Zuvor waren nur die Schiffe der Solaren Marine bewaffnet gewesen, doch Imperator Rusa’h bestand darauf, dass sich viele Dinge ändern mussten, um das ildiranische Volk vom Irrweg abzubringen und zur Lichtquelle zurückzuführen.
Ganze Schiffsladungen von rohem, konzentriertem Schiing wurden für Imperator Rusa’hs nächsten Schritt vorbereitet.
Thor’h kannte die Pläne seines Onkels ebenso wenig wie die Angehörigen des Linsen-Geschlechts, aber sie alle hatten volles Vertrauen zum erleuchteten Imperator. Die gepanzerten Frachter waren startbereit und warteten nur darauf, dass Rusa’h entschied, welche Welten er seinem Herrschaftsbereich hinzufügen wollte.
Am Ende der Bewässerungskanäle erreichten sie einen Fabrikkomplex, und dort waren Ildiraner aller Geschlechter damit beschäftigt, das gesammelte Schiing zu verpacken. Als Thor’h nach dem Hydroger-Angriff zurückgekehrt war, um den Wiederaufbau zu organisieren, war dieses Gebäude keine Fabrik gewesen, sondern ein Unterhaltungspavillon, in dem Darsteller mit glänzenden Bändern und Wimpeln getanzt hatten. Solche Darbietungen hatte der Hyrillka-Designierte gern gesehen.
Jetzt gab es neue Prioritäten – Rusa’h hatte »unnötige kulturelle Aktivitäten« untersagt. Alle Hyrillkaner mussten ihre Zeit und Kraft seinem wichtigen Werk widmen.
Als der Chrysalissessel des Imperators zur Fabrik glitt, widerstrebte es den fleißigen Arbeitern, sich von ihren Aufgaben abzuwenden. Aber als Rusa’h beide Hände hob, kamen seine Untertanen näher, um ihn anzuhören. »Ihr seid meine auserwählten Soldaten für die Zukunft! Nicht nur Krieger und Wächter, sondern Kämpfer in der größeren Schlacht um die Seele des ildiranischen Volkes. Wir können nur hoffen, dass es für die Rettung unseres Volkes noch nicht zu spät ist.«
Die Hyrillkaner nickten und lauschten hingerissen. Thor’h badete in den Worten des Imperators.
»Mir wurde offenbart, dass die Hydroger nicht nur Fremde und Feinde sind – sie kehrten als dämonische Strafe zurück!
Die Lichtquelle hat sie uns gebracht. Kamen die Hydroger nicht aus einem Lichtblitz von Oncier? Der so genannte Weise Imperator Jora’h erkannte die Verbindung nicht, denn er war dem wahren Pfad des Thism gegenüber blind.
Doch mir hat eine Vision den richtigen Weg gezeigt. Ihr alle werdet mir dabei helfen, die schmerzvollen Veränderungen herbeizuführen, die für die Rettung unseres verirrten Volkes notwendig sind. Unter meiner Leitung wird das Reich wieder groß, und die Hydroger werden verschwinden, wenn die Lichtquelle sieht, dass wir auf den rechten Weg zurückgefunden haben.«
Die Hyrillkaner nahmen Rusa’hs Worte auf, nicht nur mit den Ohren, sondern auch durch die Thism-Verbindung. Der Imperator musterte seine Zuhörer mit wohlwollender Zufriedenheit und bat Thor’h, ihm zu folgen, als er den Chrysalissessel drehte.
»Bald leiten wir die nächsten Schritte ein, Erstdesignierter.
Ein Planet nach dem anderen im Horizont-Cluster wird meinem Netz hinzugefügt, und mit jeder neuen Welt werde ich stärker.«
Thor’h folgte seinem Onkel durch die Nialia-Felder zurück zum Zitadellenpalast und runzelte verwirrt die Stirn. »Wie sollen wir die Kontrolle über den ganzen Horizont-Cluster erringen, Herr? Wie können wir, eine kleine Gruppe auf Hyrillka, die Solare Marine besiegen?«
Rusa’h lehnte sich in seinem großen, verzierten Sessel zurück und lächelte selbstgefällig. »Auch die Solare Marine wird bald uns gehören, und wir werden die Kriegsschiffe benutzen, um andere Splitter-Kolonien im Horizont-Cluster zu kontrollieren.
Doch zuerst müssen wir die Schiffe bekommen.«
Thor’h wandte sich ihm überrascht zu. »Wie?«
Der Imperator hob einen Finger, der einst mit Edelsteinen besetzte Ringe getragen hatte. »Wir müssen sie nach Hyrillka locken. Das ist der nächste Schritt.«
Thor’h stellte sich eine schwer bewaffnete Flotte der Solaren Marine vor, die nach Hyrillka kam, zornig über Rusa’hs Rebellion.
Der neue Imperator lächelte weiterhin. »Und ich weiß genau, wie ich sie hierher holen kann.«
96
CESCA PERONI
Auf dem Weg zur Erde hatte Cesca reichlich Zeit, darüber nachzudenken, was die Hanse getan hatte.
Nachdem sie Theroc verlassen hatte, war sie sofort zu dem mit Nikko Chan Tylar vereinbarten Treffpunkt geflogen. Jess Tamblyns Wasserträger verbreiteten die Nachricht bereits in den abgelegenen Außenposten der Clans, doch Cesca brauchte nicht nur Informationen, sondern auch hieb- und stichfeste Beweise. Mitten in der Leere wartete sie und hielt mit den Sensoren nach Nikkos Schiff Ausschau. Schließlich erschien die Aquarius, fast pünktlich.
Der junge Mann war ebenso aufgeregt und bestürzt wie bei der Entdeckung der Trümmer von Raven Kamarows Schiff, als er der Sprecherin gegenübertrat. In seinen Händen hielt er die Datenmodule, die Bilder und Aufzeichnungen der Kommunikationssignale der Tiwi-Schiffe beim Hurricane-Depot enthielten.
»Es wird immer schlimmer, Sprecherin«, sagte er und ließ die Bilder auf einem kleinen Schirm im Cockpit von Cescas diplomatischem Schiff ablaufen. Sie beobachtete den rücksichtslosen Angriff, den Diebstahl von Ressourcen und die Gefangennahme zahlreicher Roamer, gefolgt von der Vernichtung der Station. Im Cockpit ihres Schiffes schien es plötzlich sehr kalt zu werden.
»Den Überfall auf Ravens Schiff versuchten die Tiwis geheim zu halten«, sagte Cesca. »Aber dies ist offener Krieg.«
Sie hob die Datenmodule. »Die Große Gans glaubt, uns einfach so angreifen zu können, aber ich garantiere Ihnen: Andere Kolonien werden sich daran erinnern, was auf Yreka geschah, als die TVF auf Bürger der Hanse schoss, nur weil sie einen kleinen Ekti-Vorrat für sich selbst behielten.«
»Roamer sind nicht einmal Bürger der Hanse«, sagte Nikko.
»Die Gans hat uns nichts zu befehlen.«
»Sie hat große Streitkräfte. Manche Leute glauben, das genügt.«
Der junge Roamer wirkte noch immer erschüttert. »Was haben Sie jetzt vor, Sprecherin?«
Cesca sammelte Kraft und Entschlossenheit, bedauerte dabei, dass die Clan-Oberhäupter sie zu dem Embargo gezwungen hatten. Ihr war klar gewesen, dass sich daraus unangenehme Konsequenzen für die Roamer ergeben würden, aber es verblüffte sie, dass der König – oder steckte der Vorsitzende dahinter? – so aggressiv reagierte.
»Ich werde die Tiwis auf ihre Fehler hinweisen, Nikko.
Jemand in der Terranischen Hanse muss auf die Stimme der Vernunft hören.«
Als ihr Schiff schließlich die Erde erreichte, nahm Cesca Kurs auf den Palastdistrikt. Sofort setzte sich die Flugüberwachung mit ihr in Verbindung und wies sie an, im Orbit zu bleiben, bis sie Landeerlaubnis bekam, doch die Sprecherin achtete nicht darauf. Remoras der TVF näherten sich und drohten mit einem Abschuss, woraufhin Cesca ihnen mitteilte: »Ich bin Cesca Peroni, Sprecherin der Roamer-Clans. Ich habe dringende Angelegenheiten mit der Hanse zu besprechen.«
»Niemand hat mir mitgeteilt, dass die Roamer eine Repräsentantin zur Erde schicken«, erwiderte der Flugleitoffizier. »Sie müssen Ihr Anliegen durch die üblichen diplomatischen Kanäle vortragen, wenn Sie mit jemanden von der Hanse sprechen möchten.«
»Ich möchte nicht mit ›jemandem‹ sprechen, sondern mit dem König«, sagte Cesca kühl.
»Wir haben keinen Einfluss auf den Terminkalender des Königs«, lautete die schroffe Antwort.
»Erst schneiden sie uns vom Ekti-Nachschub ab, und jetzt glauben sie, der ganze Spiralarm gehört ihnen«, brummte einer der Remora-Piloten und wusste, dass Cesca ihn hörte.
Am Ziel ihrer Reise angekommen fragte sich Cesca, ob sie mit Verhandlungen überhaupt etwas erreichen konnte. Die Clans hatten bereits die Handelsbeziehungen mit der Hanse unterbrochen – womit sollte sie sonst noch drohen? Man würde vermutlich glauben, dass sie bluffte, dass die Roamer vom Handel ebenso abhingen wie die Große Gans. Doch die Roamer konnten den Gürtel auf die eine oder andere Weise enger schnallen.
Cesca dachte an die Möglichkeit, dass die Hanse sie als Geisel gefangen nahm, so wie die Bewohner des Hurricane-Depots. Wenn König und Vorsitzender glaubten, dass sich die Clans erpressen ließen, so hatten sie keine Ahnung vom Stolz und der Unabhängigkeit der Roamer.
Schließlich ertönte die Stimme eines Hanse-Sprechers aus dem Kom-Lautsprecher. »Wir erlauben Sprecher Peroni zu landen. Ein Treffen wird so bald wie möglich stattfinden.«
Cesca steuerte ihr Schiff tiefer und befolgte die von den Remoras übermittelten Kursanweisungen. Unmittelbar nach der Landung erschienen uniformierte Eskorten und führten sie fort. Während ihrer Abwesenheit würde man im Schiff zweifellos nach Informationen suchen und vielleicht sogar Überwachungsgeräte verstecken. Und wenn schon. Cesca hatte die wichtigen Daten mit einem speziellen Kode gesichert, der sie bei einer Schutzverletzung löschen würde. Und Wanzen irgendeiner Art konnte sie leicht finden und unschädlich machen. Mit Duplikaten der Datenmodule, die Bilder vom Angriff auf das Hurricane-Depot enthielten, machte sich Cesca auf den Weg.
Durch die Wental-Kommunikation hatten die Roamer eher von der Zerstörung der Station erfahren, als es die TVF
erwartet hatte. Das war Cescas Trumpf. Vielleicht hatte die Große Gans noch keine Zeit
gehabt, Lügen und
Rechtfertigungen vorzubereiten.
Sie hatte König Peter immer für vernünftig und mitfühlend gehalten. Er war mit Reynalds Schwester Estarra verheiratet, und Cesca hoffte, bei ihm einen größeren Sinn für Gerechtigkeit zu finden als bei Sarein.
Wächter geleiteten sie in einen privaten Besprechungsraum im Flüsterpalast. Dort nahm sie Platz, sammelte ihre Gedanken und legte sich Worte zurecht.
Als ein Kompi-Bediensteter die Tür öffnete, stand sie auf, bereit dazu, den König zu begrüßen. Doch sie sah nicht Peter, sondern den Vorsitzenden Wenzeslas. »Ihr Besuch ist ziemlich überraschend, Sprecherin Peroni. Ich wollte Ihnen eine Mitteilung schicken, aber Roamer sind schwer zu finden, wenn sie nicht gefunden werden wollen.«
»Ich glaube, Ihre Mitteilung in Form des Angriffs auf unser Hurricane-Depot ist ziemlich deutlich«, sagte Cesca scharf und beobachtete, wie Erstaunen durch das Gesicht des Vorsitzenden huschte. »Wo ist König Peter? Ich habe um ein Gespräch mit ihm gebeten.«
»Ich treffe hier die Entscheidungen. Sprechen Sie mit mir.«
»Wenn Sie die Entscheidungen treffen… Liegt die Verantwortung dann bei Ihnen? Stecken Sie hinter den wiederholten aggressiven Aktionen gegen Schiffe und Stützpunkte der Roamer?« Cesca hob die Datenmodule mit den Untersuchungsergebnissen. »Wir haben die Trümmer eines Roamer-Schiffes analysiert, das eindeutig von Jazern zerstört wurde, nach dem Diebstahl der Ekti-Ladung – hier sind die Resultate.« Sie wollte die Speichermodule dem Vorsitzenden übergeben, der sie aber ignorierte.
»Und diese Bilder zeigen den Angriff der TVF auf unser Hurricane-Depot.« Cesca aktivierte einen Flachschirm, und die von Nikko aufgezeichneten Szenen erschienen. Ganz deutlich waren die Molochs und Mantas zu sehen, die sich der Station näherten. Alle wertvollen Dinge wurden an Bord der TVF-Schiffe gebracht, und dann wurde die Station aus ihrem stabilen Orbit gerissen, was zu ihrer Vernichtung führte. »Ich habe Sie auf das Problem hingewiesen, doch eine Antwort von Ihnen blieb aus.«
Der Vorsitzende lächelte humorlos. »Unsere Antwort dürfte klar sein, oder? Die Sache mit dem Hurricane-Depot ist unsere Reaktion auf Ihr illegales Embargo, und ich werde weitere militärische Maßnahmen genehmigen, bis Sie kapitulieren. Die Hanse kann nicht zulassen, dass Sie uns vom Ekti-Nachschub abschneiden, obwohl wir den Treibstoff dringend brauchen.«
Er setzte sich und faltete die Hände. »Genug mit diesem Unsinn, der uns beiden schadet, Sprecherin. Bestimmt können wir uns auf akzeptable Bedingungen einigen.«
»Bedingungen? Unsere Bedingungen waren einfach genug, Vorsitzender. Aber anstatt das Problem zu lösen, haben Sie alles noch schlimmer gemacht.« Cesca deutete auf den Flachschirm. »Angesichts dieser Bilder von Ihrem völlig ungerechtfertigten Angriff auf das Hurricane-Depot kann niemand unsere Vorwürfe in Zweifel ziehen.«
Der Vorsitzende Wenzeslas wirkte noch immer nicht beunruhigt. »Glauben Sie? Im letzten Monat haben unsere Medien immer wieder Berichte über Unzuverlässigkeit, Verrat und Egoismus der Roamer gebracht. Ein Wort von mir genügt, und Dutzende von Experten wären bereit, diese Bilder als dilettantische Fälschungen zu bezeichnen. Alle werden davon überzeugt sein, dass Sie nur eine Schau abziehen, um das Embargo zu rechtfertigen – das wir bereits als einen Trick dargestellt haben, mit dem Sie höhere Ekti-Preise durchsetzen wollen.«
Wenzeslas beugte sich vor. »Ich möchte Ihnen eine Erklärung zeigen, die der König unterschreiben wird.« Er schaltete den Tischschirm ein, und Worte erschienen. »Wenn wir all die blumigen diplomatischen Ausdrücke weglassen, läuft es auf Folgendes hinaus: Hiermit wird das Kriegsrecht über die Roamer-Clans verhängt und Ihnen ausdrücklich das Recht auf Unabhängigkeit und eine eigene Regierung abgesprochen.«
Er betätigte die Kontrollen, und eine andere Seite erschien.
»Hier sehen Sie ein Faksimile der Vereinbarung, die von den Kolonisten aller Generationenschiffe unterschrieben wurde, auch von denen der Kanaka. Darin heißt es, dass keine Kolonisten, Besatzungsmitglieder und deren Nachfahren der Erde Schaden zufügen dürfen – und mit dem Ekti-Embargo richten Sie Schaden an.« Eine Taste klickte, und ein drittes Dokument erschien. »Dies ist die offizielle Aufforderung an die Roamer, uns alle Ekti-Vorräte zu übergeben, damit wir sie unter den Menschenwelten verteilen können, in Abhängigkeit vom Bedarf.« Wenzeslas sah die Sprecherin an und lächelte dünn. »Ich stelle Ihnen gern einen Ausdruck zur Verfügung, wenn Sie möchten.«
Cesca lachte kurz. »Dies ist so absurd, dass es keiner rechtlichen Anfechtung standhalten wird.«
»Oh, es wird keine Anfechtungen geben. Die Dokumente bringen zum Ausdruck, was die Mehrheit der Hanse-Bürger wünscht. Interessiert Sie das Ergebnis der letzten Umfragen?
Die Roamer-Clans gelten derzeit als Feinde der Menschheit.
Als Sie so dumm waren, die Handelsbeziehungen mit uns abzubrechen, haben Sie der Erde den Krieg erklärt, Sprecherin Peroni.«
»Sie hatten nie einen Anspruch auf unser ganzes Ekti.«
»Doch, den hatten wir. König Peter wird es verkünden. Und Ihr Starrsinn zwingt uns, drastische Maßnahmen zu ergreifen.
Ihr…« Wenzeslas sah auf den Schirm und las den Namen. »…
Hurricane-Depot ist nur die erste von mehreren möglichen Übernahmen, die wir geplant haben.«
»Übernahmen?«
»Einige Asteroiden-Siedlungen, Verarbeitungsanlagen, Frachter… Alles ungeschützt. Wenn Sie mich weiterhin zum Handeln zwingen, weise ich die TVF an, alles zu nehmen, was sie finden kann, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.«
Er richtete einen aufreizend »vernünftigen« Blick auf Cesca.
»Dieser Konflikt dauert nur so lange, wie Sie es wollen, Sprecherin Peroni. Übergeben Sie uns Ihr Ekti und kehren Sie in die große Familie der Menschheit zurück.«
Angesichts der Schnelligkeit, mit der die TVF das Hurricane-Depot erst ausgeraubt und dann vernichtet hatte, rechnete der Vorsitzende sicher damit, dass Cesca sofort nachgab. Aber er kannte sie nicht, und er wusste nicht genau, womit er es zu tun hatte. Mit solchen Bedingungen konnte sie unmöglich nach Rendezvous zurückkehren. Die Roamer hätten sie aus der nächsten Luftschleuse geworfen und einen neuen, stärkeren Sprecher gewählt.
»Und da ich jetzt hier bin… Vermutlich wollen Sie mich als Geisel festhalten, als politische Gefangene?«
Der Vorsitzende neigte überrascht den Kopf zur Seite.
»Etwas so Taktloses würde ich nie tun, Sprecherin Peroni. Es gibt zu viele Zeugen für Ihre Ankunft, und es wären sehr schlechte diplomatische Manieren, Sie zu verhaften.
Wahrscheinlich würde das bei den Roamern zu noch mehr Desorganisation führen, und dann wäre es noch schwerer, diese Angelegenheit zu erledigen. Sind Sie bereit, uns allen viel Mühe zu ersparen, indem Sie sofort kapitulieren?«
Cesca stand auf und sprach so ruhig wie der Vorsitzende. »Es war ein Fehler, Sie für vernünftig zu halten, Vorsitzender Wenzeslas. Dies läuft auf Erpressung hinaus. Als Sprecherin aller Clans bestätige ich hiermit den Abbruch der Handelsbeziehungen zwischen Roamern und der Hanse. Es gibt kein Ekti mehr für Sie, keine Ressourcen irgendeiner Art.«
Basil wirkte verärgert. Zweifellos glaubte er, dass sich durch Cescas Weigerung, seinen Forderungen nachzugeben, nur alles unnötig in die Länge zog.
»Wir werden Sie zur Strecke bringen«, sagte er und blieb sitzen. »Wir werden alle Ihre Stationen und Stützpunkte übernehmen.«
Cesca ging zur Tür, öffnete sie und erschreckte den Wächter, der draußen wartete. »Sie vergeuden Ihre Zeit, wenn Sie mit Kriegsschiffen nach uns suchen lassen, Vorsitzender. Sie werden feststellen, dass wir wie Rauch verschwinden.«
97
KOTTO OKIAH
Das Licht der fernen Sonne glänzte auf der kristallenen Außenhülle des Hydroger-Schiffes in den Ringen von Osquivel.
Kotto hätte am liebsten mehrere Dinge gleichzeitig getan.
Tausend Untersuchungen mussten durchgeführt und fast ebenso viele Theorien überprüft werden. Doch schlechte Planung, Unüberlegtheit, unangebrachte Begeisterung und mangelnde Organisation brachten jede Forschung in Gefahr; solche Fehler wollte und durfte er sich nicht leisten. Die Verantwortung war zu groß, und es galt, jeden Moment zu nutzen.
Die Navigation überließ Kotto dem programmierten Kompi, denn das Hydroger-Schiff faszinierte ihn so sehr, dass er vielleicht mit irgendeinem Gesteinsbrocken kollidiert wäre, während er aus dem Fenster sah. Der stumme Kompi-Pilot lenkte das Schiff durch die Gesteinswolken am Rand des dichten Rings. Die beiden analytischen Kompis GU und KR
warteten geduldig auf den Beginn der Arbeit.
»Der erste Schritt besteht aus einer gründlichen visuellen Erfassung der Kugel«, sagte Kotto. »Wenn wir keine Möglichkeit finden, ins Innere zu gelangen, bleibt uns nur die Außenseite.« Der aufmerksame GU zeichnete seine Worte wie ein Laborcomputer auf.
Kotto berechnete Kurs und Abdrift des Wracks und schloss daraus auf seine durchschnittliche Dichte. Daraus ergaben sich einige wenige Hinweise auf die Dicke der kristallenen Außenhülle und den Inhalt des Schiffes. Kotto beobachtete die stachelbesetzte Kugel, während der Laborshuttle sie immer wieder umkreiste, hielt dabei nach Unregelmäßigkeiten oder Asymmetrien Ausschau, doch das Schiff schien absolut perfekt zu sein. Ein Oben oder Unten ließ sich nicht feststellen, und nirgends deutete etwas auf eine Einstiegsluke hin.
»Wie gelangen Hydroger ins Innere? Ein echtes Rätsel.«
Mehrere Stunden lang untersuchte er das Schiff mit verschiedenen Spektralscannern. Es war kalt, und Kotto sah sich außerstande, Triebwerke, Abgasventile oder Antriebsschächte zu lokalisieren. Wenn es ihm gelang, die Grundlagen herauszufinden, würden sich die Roamer einen Spaß daraus machen, die technologischen Prinzipien für Weiterentwicklungen zu übernehmen.
Doch eins nach dem anderen. Es kam natürlich nicht infrage, sich gewaltsam einen Zugang zum Innern der Kugel zu verschaffen – selbst wenn das möglich gewesen wäre, was Kotto bezweifelte. Immerhin hatte das Tiwi-Militär seine mächtigsten Waffen gegen solche Schiffe eingesetzt, mit nur geringerem Erfolg.
Außerdem: Kotto wollte die Kugel nicht beschädigen. Es musste einen anderen Weg geben, in sie zu gelangen.
Er hielt den Shuttle stationär und schickte GU und KR mit neutralen Untersuchungsgeräten nach draußen. Die kleinen Roboter brachten die Luftschleuse hinter sich und befestigten Sensoren an der gewölbten Außenhülle des Hydroger-Schiff es. Anschließend begannen sie mit einer ganzen Serie von Tests, emittierten Signale und Lichtimpulse mit Wellenlängen, von denen bekannt war, dass sie mit Kohlenstoffverbindungen interagierten.
Schließlich versuchte es Kotto mit Vibrationen. GU brachte einen oszillierenden Klopfer an, und Kotto veränderte die Vibrationen immer wieder, hoffte dabei, dass sich eine perfekte Resonanz ergab. Er zeichnete die akustischen Wellen auf, in der Erwartung, dass sie Auskunft über Materialstruktur und inneren Aufbau der Kugel gaben.
Es überraschte ihn, als eine besondere Vibration eine bis dahin unsichtbare Luke erscheinen ließ, wie eine kreisförmige Linie an einem gläsernen Fenster. Als die Vibration andauerte, löste sich die Luke, wurde wie ein Projektil fortgeschleudert und verfehlte den Laborshuttle nur knapp.
Die plötzlich entweichende Atmosphäre wirkte wie der Plasmastrahl einer Raketendüse und beschleunigte das Hydroger-Schiff. Einer der Kompis geriet in den kondensierenden Luftwirbel und wurde davongeschleudert, über die Ebene von Osquivels Ringen, und das Hydroger-Schiff raste in die entgegengesetzte Richtung.
»Folge ihm!«, rief Kotto.
Der Kompi-Pilot sah ihn an. »Unklarer Bezug. Soll ich dem Hydroger-Schiff oder dem Kompi folgen?«
»Dem Schiff! Oh, und richte dem Kompi aus – es ist GU, nicht wahr? –, dass wir ihn in einigen Minuten holen.«
Der Laborshuttle nahm die Verfolgung auf, während das Hydroger-Schiff wie ein außer Kontrolle geratener Feuerwerkskörper hin und her torkelte. Es drehte sich, stieß gegen einen großen Felsen, prallte ab, flog weiter und änderte immer wieder den Kurs. Noch immer entwich Atmosphäre aus der Kugel, und Kotto dachte an den enormen Druck, der in ihrem Innern geherrscht hatte, ebenso hoch wie im Kern eines Gasriesen. »Das erklärt die große Dichte des Hydroger-Schiffes.«
Aber jetzt gab es eine Öffnung in der Außenhülle, und die Atmosphäre entwich mit der Schubkraft eines Düsenstrahls.
Kotto berechnete, dass es noch eine ganze Weile so weitergehen würde. Er aktivierte das Kom-System und bat die Arbeiter der Werften um Hilfe. »Das Hydroger-Schiff rast fort!
Bitte helfen Sie mir dabei, es einzufangen.«
Die Kugel stieß gegen einen weiteren Felsen und prallte ab, ohne dass eine Delle im Rumpf entstand. Kottos Laborshuttle war nicht schnell genug, um dem Schiff auf seinem verrückten Kurs zu folgen.
Eine Gruppe von Werftarbeitern brauchte mehr als zwei Stunden, um das Hydroger-Schiff zu bergen, das bis dahin seine Atmosphäre verloren hatte. Sie holten auch den zerbeulten GU, der hilflos im All trieb.
Der verlegene Kotto entschuldigte sich für den Zwischenfall und dankte Kellum und seinen Leuten für die Bergung – die Kugel befand sich weit von der Ringebene entfernt und über dem Gasriesen. »Das Schiff bleibt, wo es ist. Es braucht nicht zu den Ringen zurückgebracht zu werden. Die weiteren Untersuchungen nehmen wir hier vor.« Er holte seine Kompi-Assistenten.
»Je weiter wir von unseren Werften entfernt bleiben, desto besser, verdammt«, sagte Del Kellum. Er und seine Arbeiter kehrten zu ihren Aufgaben zurück.
Kotto richtete einen neugierigen Blick auf die jetzt offene Kugel und rieb sich die Hände. Er wollte unbedingt sehen, was sich im Innern befand.
98
PATRICK FITZPATRICK III.
Das Summen der Systeme und Aggregate sorgte für ein so lautes Hintergrundgeräusch, das Fitzpatrick glaubte, offen mit seinen Mitgefangenen reden zu können, ohne dass jemand mithörte. Solange er und seine TVF-Kameraden arbeiteten, erlaubten die Roamer-Aufseher, dass sie miteinander sprachen.
Seltsamerweise wurden sie seit zwei Tagen anders behandelt.
Die Roamer warfen ihnen immer wieder finstere Blicke zu, als hätten sie sich irgendetwas zuschulden kommen lassen. Zorn brodelte in den Wächtern, die bis dahin wohlwollend gewesen waren. Lag es an der Entdeckung des zerstörten Ekti-Frachters? Doch darüber wussten sie doch schon seit einer ganzen Weile Bescheid.
Gemurmelten Bemerkungen und geflüsterten Vorwürfen entnahm Fitzpatrick schließlich, dass die TVF damit begonnen hatte, gegen die geheimen Basen der Roamer vorzugehen. Ein Depot war angegriffen und zerstört worden, nach der Beschlagnahme aller Vorräte.
»Geschieht ihnen recht«, sagte Shelia Andez. »Sie haben den König provoziert. Dachten sie vielleicht, das bliebe ohne Konsequenzen? Ich hoffe, die Roamer lernen daraus und hören auf damit, sich quer zu stellen.«
»Es beweist die Bereitschaft der Hanse, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen«, meinte Yamane.
»Und mir beweist es, dass wir nicht tatenlos bleiben sollten.«
Fitzpatrick bedachte seine Gefährten mit einem bedeutungsvollen Blick. »Vielleicht sucht die TVF nach uns.
Wenn meine Großmutter weiß, dass ich noch lebe, setzt sie sicher alles in Bewegung.«
»Vielleicht müssen wir uns selbst helfen«, sagte Shelia.
»Wir sollten über unsere Möglichkeiten nachdenken.«
Yamane bastelte an einem beschädigten Kompi herum.
»Vielleicht können wir unerwartete Verbündete finden.«
Die aus den Wracks der TVF-Schiffe geborgenen Soldaten-Kompis wurden draußen in den Industrieanlagen eingesetzt und verrichteten dort Arbeiten, die für Roamer zu schwer oder zu gefährlich waren. Als kybernetischer Spezialist gehörte Yamane zu den wenigen Personen bei Osquivel, die für die Wartung der Soldaten-Modelle qualifiziert waren. Er nutzte die Gelegenheit, um herauszufinden, wie die komplexen Kompis auf die Neuprogrammierung reagierten.
Fitzpatrick half ihm bei der Untersuchung des Soldaten-Kompi, nahm sich die Instruktions- und Programmmodule vor.
Dieser kleine Roboter hatte eine Kollision mit einem Gesteinsbrocken der Ringe hinter sich, doch dabei war nur oberflächlicher Schaden angerichtet worden.
»Die Kakerlaken haben die militärische Programmierung überschrieben, aber die Speicherstruktur reicht tief«, sagte Yamane leise. »Soldaten-Kompis enthalten Instruktionsmodule der Klikiss. Allem Anschein nach gibt es eine verborgene Partition, die mit Standardroutinen nicht gelöscht werden kann.
Es ist noch alles irgendwo da drin. Ich muss nur eine Möglichkeit finden, die Kernprogramme zu aktivieren.« Seine Lippen formten ein dünnes Lächeln. »Dann werden sich die Dinge hier ändern.«
Fitzpatrick sah einen Roamer, der sie beobachtete. Er beugte sich näher und gab vor zu helfen. »Wie meinst du das?«, fragte er.
»Nach der Aktivierung der Kernprogrammierung haben wir ein Heer aus hundert oder mehr Soldaten-Kompis.«
Bill Stanna kam mit einer großen Kiste. Der stämmige Soldat arbeitete als Verlader, trug Ausrüstungs- und Versorgungsmaterial. Stanna hatte eine Grundausbildung hinter sich und wusste, wie man mit Waffensystemen umging und Standardschiffe flog, aber ein brillanter Taktiker war er gewiss nicht.
»Wenn ich nur an der Untersuchung des Hydroger-Schiffs teilnehmen könnte, das die Roamer in den Ringen gefunden haben«, sagte Fitzpatrick. »Stellt euch vor, wie gern General Lanyan das Ding in die Hände bekommen würde.«
»Ich fürchte, der verrückte Roamer-Wissenschaftler ruiniert alles. Ich könnte an die Decke gehen, wenn ich daran denke…« Shelia bückte sich und half Stanna dabei, die Kiste hochzuheben.
Der große, kräftige Soldat seufzte, richtete sich auf und sah aus dem schmalen Fenster des Arbeitsasteroiden, über den Gasriesen hinweg zu den fernen Sternen. »Wenn wir doch nur nach draußen kämen… Dann könnte ich mir ein Schiff der Kakerlaken nehmen und einfach wegfliegen.«
Fitzpatrick schüttelte den Kopf. »Das hätte kaum einen Sinn, Bill. Du hast Kellum gehört. Keins der Schiffe dort draußen eignet sich dafür, interstellare Distanzen zurückzulegen. Es sind alles interplanetare Transporter.«
»Ich könnte es trotzdem versuchen.«
Shelia stieß Stanna mit dem Ellenbogen an. »Du würdest tausend Jahre brauchen, um das nächste Sonnensystem zu erreichen, Bill.«
»Wer sagt das? Ich könnte ein Schiff nehmen und… zur Kometenwolke fliegen. Dort gibt es Ekti-Fabriken, was bedeutet, dass die Kakerlaken auch interstellare Schiffe haben.
Wie sollten sie sonst den Treibstoff transportieren?«
Yamane lachte leise. »Guter Hinweis.«
»In der Kometenwolke könnte ich mir einen der schnellen Frachter schnappen und damit verschwinden.«
»Ich fürchte, der Plan enthält noch die eine oder andere schwache Stelle«, sagte Fitzpatrick, der nicht sicher war, ob Stanna alles gründlich durchdacht hatte. »Ich rate davon ab…«
»Warum es nicht versuchen, wenn sich eine Chance ergibt?«, beharrte der große Soldat.
Shelia sah Fitzpatrick an und schnitt eine finstere Miene.
»Möchtest du lieber hier bleiben, Fitz? Hast du vor, dir eine hübsche Roamer-Frau zu nehmen und einen eigenen Clan zu gründen? Ich mache mir allmählich Gedanken über dich.«
Fitzpatrick wandte sich ab – es war ihm peinlich, dass er bei Shelias Worten an Zhett gedacht hatte. »Ganz und gar nicht.
Ich möchte ebenso sehr fort von hier wie ihr, aber wir sollten nichts Dummes anstellen. So etwas liefe auf Selbstmord hinaus. Wir müssen den richtigen Zeitpunkt abwarten.« Er half Yamane wieder beim Soldaten-Kompi und schloss die Wartungsklappe des Roboters.
»Du denkst zu viel, Fitz«, brummte Stanna.
Fünf Tage später ergab sich eine Gelegenheit.
In einem dichten Haufen aus Werftanlagen fiel das Gravitationstau eines Schleppers aus, der einen großen erzhaltigen Felsen zu einem Schmelzer brachte. Der massige Brocken stieß an die Seite des automatischen Erzverarbeiters, verursachte erhebliche Schäden, prallte ab und kollidierte mit einem Verwaltungshabitat. Die äußere Felsschicht schützte die meisten Menschen in den Büros, doch die Notsysteme wurden automatisch aktiv. Zugangsluken schlossen sich. Einige Personen, unter ihnen Zhett Kellum, saßen im Innern fest.
In den Werften wurde Alarm gegeben, und
Rettungsmannschaften machten sich auf den Weg zum Unglücksort. Roamer lebten mit der Gefahr, hatten deshalb Einsatzpläne für alle Arten von Notfällen bereit und reagierten sofort. Schiffe änderten den Kurs. Ingenieure unterbrachen ihre Arbeit. Greifkapseln flogen los. Für kurze Zeit herrschte überall Durcheinander.
Bill Stanna, der an Fitzpatricks Seite arbeitete, sah auf. »Dies ist unsere Chance, und ich werde sie nutzen.« Er griff nach Fitzpatricks Arm. »Deck mich, Fitz. Ich habe mir bereits ein Schiff ausgesucht.«
Ein Prospektorenscout hatte an ihrem Arbeitsasteroiden angedockt, ein kleines, einsitziges Schiff, dazu bestimmt, in den Ringen nach Erzvorkommen zu suchen. Stanna wusste, wie man es flog.
Der Alarm dauerte an, und es waren nicht viele Roamer zu sehen. Die Soldaten-Kompis gingen ihren programmierten Aufgaben nach, ohne eine Pause einzulegen. Stanna lief zu einem für Notfälle bestimmten Ausrüstungsschrank, nahm einen Schutzanzug und streifte ihn so schnell über, als handelte es sich um eine TVF-Übung während der Grundausbildung.
Fitzpatrick war bei der Sache nicht wohl zumute, aber er wagte es nicht, Stanna aufzuhalten. Wenn ihm die Flucht gelang, würde er die TVF benachrichtigen und irgendwie Hilfe holen. Dann konnten sie alle fort.
»Pass gut auf, Fitz – sorg dafür, das ich Gelegenheit bekomme loszufliegen.« Stanna stapfte schwerfällig in seinem Schutzanzug nach vorn und setzte den Helm auf.
Fitzpatrick klopfte ihm auf den Rücken. »Viel Glück, Bill.«
Stanna eilte zur Luftschleuse. Fitzpatrick vergewisserte sich, dass die Roamer noch immer auf die Bildschirme blickten, das Geschehen beim Verwaltungshabitat und dem Erzverarbeiter beobachteten. Die Aktivierung der Luftschleuse würde bei den Instrumenten vor ihnen Indikatoren aufleuchten lassen, aber vermutlich glaubten die Roamer, dass sich jemand von ihnen den Rettungsmannschaften anschließen wollte.
Das Außenschott der Luftschleuse öffnete sich, und Stanna stieß sich ab, schwebte durchs All, dem Prospektorenscout entgegen. Er erreichte das kleine Schiff, hielt sich daran fest und zog sich zur Einstiegsluke.
Im Kontrollraum des Arbeitsasteroiden wurden die drei Roamer neugierig – sie schienen etwas bemerkt zu haben.
Einer von ihnen ging zum Fenster und sah in Richtung des kleinen Raumschiffs.
Fitzpatrick befürchtete, das die Roamer Stanna gleich entdeckten, und er begriff, dass er sofort etwas unternehmen musste. Er lief zu den Wandkontrollen und aktivierte das Feuersignal. Die Luft in den ausgehöhlten Asteroiden wurde wiederaufbereitet und aus Tanks erneuert; Feuer stellte immer eine große Gefahr dar. Um glaubwürdig zu wirken, öffnete Fitzpatrick die Tür des Ausrüstungsraums, griff nach einem Löscher und sprühte Schaum auf mehrere Kisten in der Ecke.
Als die Roamer herbeieilten, sah er mit geheuchelter Panik zu ihnen auf. »Ich habe Rauch gesehen und sofort gehandelt!«, sagte er und deutete auf den Schaum.
Die drei Roamer musterten ihn skeptisch. »Wir müssen uns um andere Notfälle kümmern. Benehmen Sie sich.« Sie kehrten zu ihren Stationen zurück, und Fitzpatrick wischte das Löschmittel auf.
Er sah durch die kleinen Fenster und beobachtete, wie der Prospektorenscout fortglitt, ein weiteres Schiffe in dem Durcheinander. Fitzpatrick hob die Hand zum Mund, verbarg ein nervöses, aber zufriedenes Lächeln und setzte die Arbeit fort.
Die Roamer waren so sehr damit beschäftigt, die im beschädigten Verwaltungshabitat festsitzenden Personen zu retten und den Erzverarbeiter zu reparieren, dass es eine ganze Weile dauerte, bis Prospektoren aufbrachen, um in Osquivels Ringen erneut nach Erz zu suchen.
Erst nach vier Tagen bemerkte man das Fehlen des kleinen Schiffes.
99
TASIA TAMBLYN
Die TVF war voller Stolz auf den »entscheidenden Schlag«
gegen die »halsstarrigen« Roamer des Hurricane-Depots.
Tasia, gefangen zwischen dem Militärdienst und der Loyalität ihrem Erbe gegenüber, fand das alles abscheulich.
Als die TVF ihren »grandiosen« Sieg bekannt gab, hörte sie den Jubel und konnte es kaum fassen. Dann, ohne ein Wort zu den anderen Soldaten, war sie zu ihrem Quartier geeilt und hätte sich fast übergeben. Im Halbdunkel lag sie auf der Koje, während EA still in einer Ecke stand, schloss die Augen und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Sie war zutiefst beunruhigt und zornig, fühlte sich gleichzeitig hilflos.
Im Kampf gegen die Hydroger hatte die Große Gans bittere Niederlagen hinnehmen müssen und deshalb beschlossen, sich einem Gegner zuzuwenden, den sie schlagen konnte. Die TVF
war ausgezogen, um einen unbewaffneten Stützpunkt anzugreifen, und anschließend feierte sie ihren Sieg als großartige Leistung.
Tasia verstand jetzt, warum man ihr das Kommando über den Manta-Kreuzer genommen hatte, obgleich es sich die Terranische Verteidigungsflotte kaum leisten konnte, einen erfahrenen und kampferprobten Kommandanten wie sie zu verlieren. Die TVF hatte die Aktion gegen das Hurricane-Depot von langer Hand vorbereitet und vertraute ihr ganz offensichtlich nicht.
Da Tasia weder die TVF-Politik bestimmen noch über ihre Schlachtpläne entscheiden konnte, reichte sie offiziellen Protest bei Admiral Willis ein. Die einzige Möglichkeit für sie, sich zur Wehr zu setzen, bestand darin, gegen die ungerechtfertigte Versetzung anzukämpfen, und dabei benutzte sie das während der vergangenen sechs Jahre gesammelte Wissen über die militärische Bürokratie.
»Womit habe ich es verdient, dass Sie meine
Diensttauglichkeit in Zweifel ziehen, Admiral?« Tasia kannte natürlich die Antwort, als sie in Willis’ Büro stand, den Kopf hoch erhoben, und versuchte, den Zorn im Zaum zu halten.
»Sie kennen meine Leistungen bei der Ausbildung – ich gehöre zu Ihren besten Piloten. Sie haben mir erst den Befehl über eine Thunderhead-Waffenplattform gegeben und dann das Kommando über einen Manta. Sie wählten mich für den Einsatz der Klikiss-Fackel bei Ptoro aus.«
»Ihre herausragenden Leistungen sind mir durchaus bewusst, Commander Tamblyn.«
»Warum haben Sie mir dann das Kommando genommen?«
»Stellen Sie sich nicht dumm.« Die Admiralin faltete ihre knochigen Hände und bedachte Tasia mit einem routinierten großmütterlichen Lächeln. »Sie sind auch Mitglied eines Roamer-Clans, und der Vorsitzende Wenzeslas hat die Roamer zu Gegnern erklärt, weil sie uns in Kriegszeiten wichtige Ressourcen vorenthalten. Ich wusste, dass Sie sich nicht darüber freuen würden, aber unter den gegebenen Umständen habe ich die bestmögliche Wahl getroffen.«
Der ehrliche Glanz in den Augen der älteren Frau wies Tasia darauf hin, dass die Admiralin gründlich darüber nachgedacht hatte. »Lassen Sie es sich einmal durch den Kopf gehen«, fuhr Willis fort. »Möchten Sie lieber gezwungen sein, am Angriff auf einen Roamer-Stützpunkt teilzunehmen, nur um sich zu beweisen? Oder General Lanyan könnte Ihnen befehlen, alle Ihre Informationen über die Clans und Siedlungen der Roamer preiszugeben. Es erschien mir besser, Sie aus dem Zentrum des Geschehens herauszuholen.«
»Aber es ist falsch, dass wir uns neue Feinde machen! Wir haben bereits alle Hände voll mit den Drogern zu tun.«
Willis blieb kühl. »Die Roamer haben sich zu unseren Feinden gemacht, Commander. Es ist nicht richtig, dass sie uns kein Ekti mehr liefern.«
»Sprecherin Peroni hat darauf hingewiesen, dass TVF-Schiffe Frachter der Roamer überfallen haben. Sind diese Vorwürfe untersucht worden?«
»Solche Behauptungen sind absurd, Commander. Als Offizier der TVF sollten Sie es eigentlich besser wissen.«
Tasia hob das Kinn. »Entschuldigen Sie, Admiral, aber wir haben gerade eine unbewaffnete, zivile Einrichtung der Roamer zerstört. Wie kann ich da sicher sein, dass die Behauptungen der Sprecherin falsch sind?«
»Sie kommen der Insubordination gefährlich nahe.«
Tasia biss sich auf die Zunge und versuchte, die Ruhe zu bewahren. »Soweit ich weiß, hat die TVF beim Hurricane-Depot mehr als hundert Geiseln genommen.«
»Es sind keine Geiseln, sondern Kriegsgefangene.«
»Ich wusste nicht, dass der König den Roamern den Krieg erklärt hat.«
»Wir haben unsere eigenen Definitionen.«
»Könnte ich mit einem ihrer Repräsentanten sprechen? Meine Herkunft erlaubt es mir vielleicht, die… Misshelligkeiten zu überwinden. Ich eigne mich nicht dafür, Rekruten auf dem Mars über Hindernisstrecken zu schicken.«
»Sie sind ein guter Soldat, Commander, aber kein Diplomat.
Überlassen Sie die politischen Angelegenheiten der Hanse, in Ordnung?«
»Shizz, auch Robb Brindle war kein Diplomat, aber das hinderte die TVF nicht daran, ihn in die Tiefen von Osquivel zu schicken, damit er dort mit den Drogern spricht.«
»Und sehen Sie nur, was daraus geworden ist.« Die Admiralin nickte und hielt das Gespräch offenbar für beendet.
»In der Zwischenzeit sollten Sie ein wenig in sich gehen. Sind Sie tief in Ihrem Herzen eine Angehörige der TVF oder noch immer Roamerin?«
Tasia zögerte. »Kann ich nicht beides sein?«
»Nicht wenn beide Seiten Krieg gegeneinander führen.«
Zweifellos hatten Ermittler der Abteilung für innere Angelegenheiten bereits damit begonnen, Tasias Vergangenheit zu untersuchen. Wenn sich herausstellte, dass sie EA mit einer Warnung zu Del Kellums Werften geschickt hatte, so musste sie damit rechnen, dass man sie wegen Verrat oder Spionage vor ein Kriegsgericht stellte. Tasia musste sehr vorsichtig sein und durfte der TVF keinen Grund geben, noch misstrauischer zu werden…
Nach dem Gespräch mit Admiral Willis kehrte sie zu ihrem Quartier zurück und fand dort auch keine Antworten, nicht einmal bei ihrem Zuhörer-Kompi. EA konnte ihr keinen nützlichen Rat anbieten.
Mit der Zerstörung des Hurricane-Depots hatte Basil Wenzeslas den Fehdehandschuh hingeworfen und eine Eskalation herbeigeführt, obwohl es möglich gewesen wäre, das Problem friedlich zu lösen. Tasia hatte den Vorsitzenden immer für kühl und sachlich gehalten, aber jetzt beschritt er einen Weg, der ihr sehr fragwürdig erschien.
Für die TVF gab es kein Zurück mehr. Sie würde weiter gegen die Roamer vorgehen, bis sie ihre Ziele erreichte. Doch die Roamer gaben sich nicht so leicht geschlagen. Wie war es möglich, dass die TVF so wenig von der Mentalität der Roamer verstand? Es war eine schlimme Situation, und sie würde noch viel schlimmer werden.
Und Tasias Aufgabe bestand jetzt darin, weitere Soldaten für die Schiffe auszubilden, die Stützpunkte der Clans angreifen sollten.
100
BASIL WENZESLAS
Das grelle blauweiße Licht von Kaliumdampflampen kam von oben und projizierte rasiermesserscharfe Schatten im offenen Untersuchungsraum. Basil stand neben Admiral Stromo und betrachtete das sonderbare Schiff skeptisch: Es war ein Ungeheuer aus ganz unterschiedlichen Komponenten und Ersatzteilen, die wie aufs Geratewohl zusammengefügt wirkten und eigentlich nicht funktionieren sollten. Das Schiff sah plump und schwerfällig aus, doch dieser Eindruck täuschte –es war sehr schnell.
»Das ist ein Roamer-Schiff, Vorsitzender«, sagte Stromo.
»Wir haben es beim Hurricane-Depot erbeutet.«
Basil verschränkte die Arme, wobei er darauf achtete, dass keine Falten in seinem teuren Anzug entstanden. Er wusste, dass die Roamer während ihrer vielen Jahre des Mangels und der Isolation innovative, exzentrische Technik entwickelt hatten, aber er wusste nicht, warum eine Untersuchung dieses Schiffes lohnen sollte. »Bitte sagen Sie nicht, dass Sie unsere Remoras rekonfigurieren wollen, damit sie so aussehen. Was könnten Sie einem solchen Konstruktionsmuster entnehmen?«
Stromo hatte in den vergangenen Jahren zugenommen, was Basil veranlasste, missbilligend die Stirn zu runzeln. Vielleicht sollte der Admiral häufiger an Übungen teilnehmen, als immer nur hinter seinem Schreibtisch zu sitzen.
»Es geht mir nicht ums Konstruktionsmuster. Der Inhalt der Datenbanken hat mein Interesse geweckt.«
Daraufhin hob Basil die Brauen. »Wie konnten Sie auf die Computersysteme zugreifen, ohne dass es zu einer automatischen Löschung der Daten kam?« Nach Cesca Peronis Aufforderung an die Weltraumzigeuner, spurlos zu verschwinden, würde es für die Hanse noch schwerer sein, sie zu finden.
»Reines Glück, Vorsitzender. Der Pilot dieses Schiffes versuchte, den Computer zu zerstören, aber wir erwischten ihn, bevor er die Sicherheitsautomatik aktivieren konnte. Etwa die Hälfte der Dateien ging verloren, doch unsere kryptographischen Experten konnten die übrigen Daten wiederherstellen. Wir haben jetzt die genauen Koordinaten von mehr als zehn bisher unbekannten Siedlungen und Industrieanlagen der Roamer.« Stromo lächelte voller Stolz.
Im blauweißen Licht wirkte sein Gesicht blass und krank.
»Ich nehme an, das ist noch nicht alles«, sagte Basil und beobachtete, wie Techniker der Hanse und Fachleute der TVF
das Roamer-Schiff untersuchten, in der Hoffnung, wertvolle Hinweise zu finden.
»Da haben Sie Recht, Vorsitzender.« Admiral Stromos Lächeln wuchs in die Breite. »Wir konnten auch die Koordinaten von Rendezvous in Erfahrung bringen. Das ist der zentrale Roamer-Komplex, der Sitz ihrer Regierung.«
Basil atmete tief durch. »Ausgezeichnet! Mit diesen Informationen können wir etwas anfangen.« Seine Freude schien übertrieben zu sein, aber nach so vielen Katastrophen und Plänen, die nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt hatten, war er sehr froh darüber, dass sich die Dinge einmal in die richtige Richtung entwickelten.
Der demonstrative Angriff auf das Hurricane-Depot hatte die Clans nicht genug eingeschüchtert, und deshalb musste die zweite Phase noch überwältigender und demoralisierender sein. Basil wollte Sprecherin Peroni eine Lektion erteilen und nicht den geringsten Zweifel daran lassen, wer der Stärkere war.
»Es hätte nicht so weit kommen müssen«, sagte er leise und wie zu sich selbst. »Wären die Roamer doch nur bereit gewesen, mit uns zusammenzuarbeiten, als Teil des Teams namens Menschheit… wenn sie doch nur die Notwendigkeiten der Situation eingesehen hätten…« Er hob den Kopf und sah Stromo an, der auf Anweisungen wartete. »Es kann keinen bedeutenderen Sieg geben als die Übernahme von Rendezvous.
Admiral, bereiten Sie einen gezielten Angriff vor und stellen Sie eine Flotte zusammen, die groß genug ist, um den Sieg zu garantieren. Zerstören Sie den Sitz der Roamer-Regierung und brechen Sie damit den Widerstandswillen der Clans.
Anschließend wird ihnen gar nichts anderes übrig bleiben, als sich uns zu fügen.«
»Was ist mit Opfern, Vorsitzender?«
Basil runzelte die Stirn. »Belasten Sie mich nicht mit zu vielen Details.«
Stromo faltete so die Hände, als könnte er seine Aufregung kaum unter Kontrolle halten. Nach der verheerenden Niederlage bei Jupiter wünschte er sich einen Kampf, bei dem er sich des Sieges sicher sein konnte. »Ich werde den Einsatz selbst leiten.«
101
KÖNIG PETER
König Peter schwor, dass er Basil Wenzeslas nie wieder trauen würde – als ob er ihm jemals getraut hätte. Zuerst befahl der Vorsitzende den Angriff auf das Roamer-Depot, und dann verhinderte er eine Begegnung Peters mit Sprecherin Peroni, als sie zur Erde kam. Die Situation im Spiralarm wurde immer schwieriger, und nichts entwickelte sich den Wünschen des Vorsitzenden gemäß, was dazu führte, dass Wenzeslas die Geduld verlor… und Fehler machte.
Du bist nicht mehr der Alte, Basil.
Peter ersuchte um ein kurzes Treffen mit dem Vorsitzenden, und Wenzeslas räumte ihm widerstrebend fünfzehn Minuten in seinem Terminkalender ein. Für einen Moment wünschte sich Peter, dass ihn Estarra begleiten könnte, um ihn allein durch ihre Präsenz zu stärken, aber dies musste er allein hinter sich bringen.
Basil faltete die Hände auf seinem Computerschreibtisch, in dessen Bildschirmfenstern Daten und Bilder um die Aufmerksamkeit des Vorsitzenden wetteiferten. »Es ist ungewöhnlich, dass Sie die richtigen Kanäle benutzen, Peter.
Sie haben es sich zur Angewohnheit gemacht, einfach bei irgendwelchen Besprechungen zu erscheinen, als hätten Sie ein Recht darauf, an ihnen teilzunehmen.«
Peter ignorierte den Köder. »Ich zeige gutes Benehmen.
Damit Sie nicht noch einmal versuchen, mich zu töten. Oder Estarra.«
Der Vorsitzende verzichtete auf Höflichkeitsfloskeln. »In einigen Minuten muss ich mich um eine andere Sache kümmern. Worüber möchten Sie mit mir sprechen?«
»Über Prinz Daniel. Ich weiß, dass Sie ihn irgendwo im Flüsterpalast verstecken. Ich möchte mit ihm reden.«
Basil blieb gelassen. »Warum?«
Peter hob die Brauen. »Wäre es nicht bessere Publicity, wenn man uns beide zusammen in der Öffentlichkeit sähe, als große glückliche Familie? Immerhin ist er mein lieber ›Bruder‹, auch wenn ich ihn nie sehe.«
»Daniel ist noch nicht bereit für einen Auftritt in der Öffentlichkeit.«
»Wird er jemals bereit sein?«
Basil ging nicht auf die Frage ein und beugte sich vor.
»Nennen Sie mir den wahren Grund für Ihr Interesse an ihm.«
Peter zuckte mit den Schultern und glaubte, dass er mit Ehrlichkeit nichts verlor. »Sie wiesen auf seine Existenz hin, um mich einzuschüchtern. Ich möchte sehen, wie groß die Gefahr ist.«
»Der Junge kommt einer Versicherung für mich gleich. Er schützt mich vor… Ihrem Starrsinn. Derzeit sehe ich in ihm nicht die erste Wahl für Ihren Nachfolger.«
»Ich habe also nichts zu befürchten?«
Basil bedachte Peter mit einem durchdringenden Blick.
»Kommt ganz darauf an, wie gut Sie Ihre Pflichten erfüllen.«
Peter wusste: Er wäre bereits tot gewesen, wenn sich Daniel als fügsamer erwiesen hätte. »Na schön, Basil.« Er wandte sich zum Gehen und log nicht sehr überzeugend: »Ich nehme Sie beim Wort und mache mir keine Sorgen mehr.«
Auf dem privaten Balkon der königlichen Suite genossen Peter und Estarra ein angenehmes Essen. Sie beobachteten den Sonnenuntergang, der seine prächtigen Farben bis zum Ozean am Horizont ergoss. Es sah wie ein Gemälde aus und war sehr romantisch. * Die besten Köche des Flüsterpalastes hatten die Speisen zubereitet, und die Teller bestanden aus erlesenem Porzellan. Ein aromatischer Duft ging von frischen Blumenarrangements aus. Alles schien perfekt zu sein.
»OX, du solltest besser alles auf Gift überprüfen«, sagte Peter. »Wie üblich.«
Mit einer chemischen Analysesonde suchte der Lehrer-Kompi nach toxischen Substanzen oder Drogen in den Speisen. Während sie mit knurrendem Magen warteten, sah Peter in Estarras große dunkle Augen. »Wir wissen, wozu Basil fähig ist. Wir können nicht vorsichtig genug sein.«
»Ja, ich weiß«, sagte Estarra, lächelte und berührte ihn am Arm.
Als OX die Speisen für sicher erklärte, begannen König und Königin zu essen. Peter nahm einen Keks mit einer Scheibe geräuchertem Lachs und bot ihn Estarra an. Sie folgte seinem Bespiel, und er ließ es sich nicht nehmen, kurz an ihren Fingern zu knabbern.
Nach einer Weile, als sie von allen Köstlichkeiten probiert hatten, rückte für Peter der kulinarische Genuss in den Hintergrund. Sorgen belasteten ihn. »OX, ich möchte deine objektive Meinung über etwas hören.«
»Ich bin immer gern bereit, Ihnen meine Meinung zu sagen und Sie zu beraten, König Peter.«
»Es geht mir darum, eine Gefahr richtig einzuschätzen. Du unterrichtest Prinz Daniel – wie nahe ist er daran, Basils Anforderungen zu genügen? Könnte ich in naher Zukunft durch ihn ersetzt werden?«
OX berechnete Wahrscheinlichkeiten und nahm eine Situationsbewertung vor. Seine Worte klangen nach einem Scherz, gaben die Fakten aber so wieder, wie der kleine Roboter sie sah. »Wenn Prinz Daniel mit der gleichen Geschwindigkeit wie bisher Fortschritte erzielt, wird er in dreihundert Jahren bereit sein, Ihren Platz einzunehmen.«
Estarra lachte leise. »Wie konnte der Vorsitzende ihn so falsch einschätzen?«
Der Lehrer-Kompi trat neben den Tisch. »Prinz Daniel wurde schnell ausgewählt, ohne die gründlichen Ermittlungen wie bei Ihnen, König Peter, damals, als Sie noch Raymond Aguerra waren.« Peter presste die Fingerspitzen aneinander und hörte zu. »Bisher ist Prinz Daniel den in ihn gesetzten Erwartungen nicht gerecht geworden.«
»Glaubst du, Basil könnte entscheiden, Daniel…
loszuwerden und jemand anders zu wählen?«, fragte Estarra, und ihre dunklen Augen wurden noch größer.
Peter schürzte die Lippen. »Derzeit geht es Basil nur darum, mich mit Daniel unter Druck zu setzen, damit ich spure.
Solange wir uns einigermaßen kooperationsbereit zeigen, hält es der Vorsitzende nicht für ›rentabel‹, mich zu ersetzen.«
Peter seufzte und wusste, dass er nicht nur darauf achten musste, sich selbst zu schützen, sondern auch Estarra.
Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch, eine Angewohnheit, die aus seinem Leben als Raymond Aguerra stammte – die Protokolllehrer hatten ihn mehrmals darauf hingewiesen, dass sich so etwas nicht gehörte. »Ich bin dem Prinzen nie begegnet, OX. Basil will mich nicht zu ihm lassen. Wie ist mein angeblicher Bruder?«
»Narzisstisch, unverschämt und ungezogen. Und er ist nicht so gefügig wie erwartet. Ich versuche, dem Jungen beizubringen, worauf man als König achten muss, aber er hört kaum auf mich. Daniel hat kein Interesse daran, etwas zu lernen. Seine gegenwärtige Situation gefällt ihm; er möchte lieber in seinen Zimmern bleiben und sich verwöhnen lassen.
Um überhaupt mit ihm arbeiten zu können, bin ich gezwungen gewesen, eine Methode aus Versprechungen und Drohungen zu entwickeln.«
»Du drohst ihm, OX? Das sieht dir gar nicht ähnlich.« Peter trank einen Schluck Eiswasser.
»Ich drohe ihm damit, dass er kein Dessert bekommt.
Prinz Daniel hat eine große Vorliebe für Süßigkeiten, Pudding und dergleichen. Der Vorsitzende hat mich ermächtigt, darüber zu entscheiden, ob Daniel die von ihm gewünschten Leckereien bekommt oder nicht. Ich kann das Dessert einer Mahlzeit entweder streichen oder verdoppeln –es kommt ganz auf das Ausmaß seiner Kooperation an. Bisher hat Daniel dreizehn Kilo zugenommen. Der Metabolismus und die physiologischen Merkmale des Jungen lassen mich zu dem Schluss gelangen, dass schließlich ein fettleibiger Erwachsener aus ihm wird.«
Peter schüttelte den Kopf. »Der Hanse stehen schwere Zeiten bevor, und in den Kolonien herrschen Not und Hunger. Unter solchen Umständen können wir uns keinen dicken Großen König leisten. Wenn Basil davon erfährt, wird er eine strenge Diät für Daniel anordnen.«
»Ich habe dem Prinzen bereits vorgeschlagen, mit regelmäßigen körperlichen Übungen zu beginnen, aber er weigert sich.«
»Klingt so, als müsste man ihm ordentlich die Leviten lesen«, sagte Peter. »Hm, selbst wenn mir Basil offiziell nicht erlaubt, mit Peter zu reden… Vielleicht könntest du ein Treffen arrangieren. Wer weiß? Möglicherweise hört er auf meinen Rat.«
Estarra sah ihn verwirrt an. Seit Peter ihr keine Bissen mehr reichte, hatte sie kaum noch etwas gegessen. »Ich dachte, du möchtest, dass Daniel inkompetent bleibt – damit wir uns keine Sorgen machen müssen.«
»Trotzdem, jener Junge und ich haben einen gemeinsamen Hintergrund. Wir wurden beide aus unserem Leben gerissen und einer völlig neuen Situation ausgesetzt. Vielleicht können wir… Verbündete oder so werden.« Peter wandte sich an den Lehrer-Kompi. »Kannst du mich zu ihm bringen, OX?«
Die optischen Sensoren des Roboters glühten. »Der Vorsitzende hat zu verstehen gegeben, dass er eine solche Begegnung nicht wünscht. Andererseits hat er mir nicht ausdrücklich verboten, Sie dem Prinzen vorzustellen. Ich halte es jedoch nicht für sehr wahrscheinlich, dass Daniel Ihr Freund wird.«
Peter wischte sich den Mund mit einer Serviette ab und stand auf. »Freundschaft ist nicht unbedingt nötig, OX. Es kommt darauf an, seine Feinde im Auge zu behalten.«
102
DD
Die von den Klikiss-Robotern übernommene TVF-Kampfgruppe näherte sich dem ersten Angriffsziel. Die fünf Manta-Kreuzer und der Moloch trugen noch immer das Symbol der Terranischen Verteidigungsflotte, eine Kette aus Sternen, doch jetzt standen sie unter dem Befehl der schwarzen Roboter. Die Kolonisten befanden sich erst seit kurzer Zeit auf Corribus und waren noch immer damit beschäftigt, sich in der Ruinenstadt einzurichten. Sie ahnten nichts.
DD stand auf der Brücke des Moloch, als Sirix seine Gliedmaßen entfaltete und detaillierte Anweisungen für das bevorstehende Massaker erteilte. »Jazer mit Energie laden.
Alle Mantas, Vorbereitung auf den ersten Angriff. Dieser Moloch wird das Zerstörungswerk vervollständigen.«
»Dies ist nicht nötig«, sagte DD. »Bitte überlege es dir.«
»Es ist notwendig. Wir haben das Volk unserer Schöpfer ausgelöscht, und jetzt vernichten wir die Menschheit. Corribus wird ohne Leben sein, wenn wir den Planeten verlassen.«
Der Kommunikationsturm der Kolonie übertrug eine fröhlich klingende Stimme. »Hallo, da oben. Hier spricht die Corribus-Zentrale. An die Schiffe im Anflug: Ich heiße Sie willkommen.
Gehören Sie zur TVF? Bringen Sie Ausrüstungsmaterial für uns?«
Sirix drehte den flachen, eckigen Kopf und sah die Soldaten-Kompis auf der Brücke an. »Nicht antworten.«
»Die Menschen meinen es nicht böse«, sagte DD. »Sie sind keine Gefahr für euch.«
»Hallo?«, fuhr der Mann fort. »Hört mich jemand? Hier spricht Jan Covitz, der, äh, zuständige Kommunikationsbeamte auf Corribus. Bitte identifizieren Sie sich.«
Die TVF-Schiffe setzten ihren stillen, unheilvollen Anflug fort.
»In die Atmosphäre vorstoßen«, ordnete Sirix an.
Die Manta-Kreuzer schnitten wie Messer durch die oberen Luftschichten, und der große Moloch folgte ihnen.
»Ist dieses Ding eingeschaltet?« Ein Klopfen kam aus den Kom-Lautsprechern. »Die, äh, nächste Lieferung Ausrüstungsmaterial haben wir erst in der kommenden Woche erwartet, aber wir brauchen praktisch alles. Wir würden uns sogar über Nahrungsrationen freuen, wenn Sie welche loswerden wollen. Ihre Soldaten hätten bestimmt nichts dagegen.« Jan Covitz schwieg und wartete auf eine Antwort.
»Reden alle Menschen so viel?«, fragte Sirix.
»Nur die freundlichen«, erwiderte DD. »Dort unten auf dem Planeten sind vermutlich alle freundlich. Ihr braucht sie nicht zu töten.«
DD suchte noch immer nach einer Möglichkeit, den Angriff zu verhindern. Für die optimistischen menschlichen Kolonisten gab es keinen Grund, TVF-Schiffe zu fürchten, denn das Militär der Erde sollte Kolonien der Hanse verteidigen. Sie wussten nicht, was ihnen drohte.
Der Kompi erinnerte sich daran, wie er versucht hatte, Margaret und Louis Colicos auf Rheindic Co vor den Klikiss-Robotern zu schützen. Margaret hatte ihn angewiesen zu kämpfen, doch solche Dienste konnte DD nicht leisten; darauf war er nicht programmiert.
Jetzt musste er tatenlos zusehen, wie sich eine Tragödie anbahnte.
Die Raumschiffe durchbrachen die Wolkendecke, und die Landschaft von Corribus breitete sich unten ihnen aus. Die kleine Flotte beschleunigte und flog in Richtung der tiefen Schlucht mit der menschlichen Siedlung.
Während die Jazer Energie aufnahmen, beobachtete Sirix das Terrain. »Vor Jahrtausenden war jener Ort dort unten eine große Zitadelle der verhassten Klikiss-Herrn«, sagte der schwarze Roboter zu DD. »Sie wurde beim letzten Kampf zerstört, nachdem die überlebenden Klikiss ihre Fackel gegen die Hydroger einsetzten.«
»Sie haben sich nur verteidigt«, sagte DD.
»Kein einziger Klikiss hätte den ersten Vernichtungsschlag überleben sollen, doch auf Corribus blieben einige von ihnen übrig. Die letzten.« Sirix drehte seinen käferartigen Körper.
»Wie damals jene Klikiss löschen wir jetzt die Menschen aus, die hierher gekommen sind, und dann auch alle anderen Menschen auf den bewohnten Welten des Spiralarms.«
Jan Covitz ging erneut auf Sendung. »He, Sie machen mich allmählich nervös. Ist mit Ihren Kom-Systemen etwas nicht in Ordnung? Ich bin angewiesen, Alarm zu geben, wenn etwas von dieser Art passiert, und das wollen wir doch vermeiden, oder? Bitte geben Sie mir irgendwie zu verstehen, dass Sie mich hören.«
»Gib ihnen wenigstens eine Chance«, sagte DD. »Sende ihnen eine Nachricht.«
»Sie werden unsere Nachricht gleich bekommen.« Sirix wandte sich an die Soldaten-Kompis vor den taktischen Stationen des Molochs. Die Kampfschiffe rasten der Schlucht entgegen, und die ersten Gebäude der Siedlung gerieten in Sicht – sie befanden sich genau im Zentrum der Zielerfassung.
»Feuer eröffnen. Mit der totalen Zerstörung beginnen.«
103
ORLI COVITZ
Noch bevor Orli den Zugang der dunklen Höhle erreichte, hörte sie das Donnern näher kommender Raumschiffe – wie Geschützfeuer hallte es durch die Schlucht.
Als Orli das Dröhnen von Triebwerken hörte, die für den Flug im All und nicht in der Atmosphäre eines Planeten bestimmt waren, eilte Orli zum Riss in der steilen Felswand und blickte nach draußen, um zu sehen, was geschah. Die Wand der Schlucht, von Kristallaggregaten besetzt, reichte weit nach unten. Das Mädchen schwindelte und hielt sich am halb geschmolzenen und dann wieder erstarrten Rand der Höhlenöffnung fest.
Die TVF-Kampfschiffe jagten durch den Trichter der Schlucht. Als sie sich der menschlichen Siedlung in den Klikiss-Ruinen näherten, wurden sie langsamer – aber nur, um mit dem Angriff zu beginnen. Orli fragte sich zuerst, ob es sich um eine Art Parade handelte. Sie hatte sich nie sehr fürs Militär interessiert, identifizierte aber die Insignien der Terranischen Verteidigungsflotte. Zu Anfang war sie nicht besorgt. Immerhin handelte es sich um menschliche Streitkräfte, deren Aufgabe darin bestand, Hanse-Kolonien zu schützen und zu verteidigen.
Dann eröffneten die TVF-Schiffe das Feuer.
Jazer-Blitze zuckten aus den Bugwaffen der ersten drei Mantas. Ihre destruktive Energie riss den Boden auf und verwandelte ihn in eine qualmende, glasige Masse. Der Moloch hinter den Kreuzern feuerte mit explosiven Projektilen auf die Klikiss-Gebäude, die zehntausend Jahre lang der Erosion widerstanden hatten und jetzt den menschlichen Kolonisten als Unterkunft dienten.
Orli schrie, als sie die Zerstörung beobachtete. Ihre Stimme verlor sich im Dröhnen der Waffen, und sie war zu weit von der Siedlung entfernt, um zu helfen. Als ihre Kehle wund war, presste sie die Lippen zusammen und schrie nur noch in Gedanken.
Unten in der Siedlung gerieten die Kolonisten in Panik. Viele hielten sich draußen auf, arbeiteten in Gärten oder halfen dabei, neue Gebäude zu errichten, abseits der alten Klikiss-Stadt. Als die Kampfschiffe zum ersten Mal über sie hinwegflogen, ging alles in Flammen auf.
Der erste Manta-Kreuzer erreichte das Ende der Schlucht und kam an der Höhlenöffnung vorbei, von der aus Orli alles beobachtete. Er stieg auf, mit einer Beschleunigung, die kein Mensch ausgehalten hätte. Wie ein Raubvogel aus Stahl flog der Manta in einem weiten Bogen und stieß dann erneut auf die Siedlung herab. Jazer-Strahlen gleißten und vernichteten die bunten Fertighäuser, die von der Hanse für die erste Besiedlungsphase zur Verfügung gestellt worden waren.
Orli sah Männer und Frauen inmitten der Flammen. Einige suchten Zuflucht in den Häusern. Andere liefen davon, Kleidung und Haar in Flammen, und sanken schließlich zu Boden.
Orlis Vater war irgendwo dort unten.
Heiße Tränen strömten ihr über die Wangen, als sich Orli vorbeugte und nach unten sah. Sie hatte sich von einem Alaunkristall zum nächsten gezogen, ohne zu merken, wie weit sie nach oben kletterte… und ohne daran zu denken, wie lange es dauern würde, wieder nach unten zu gelangen. Der Abstieg dauerte bestimmt eine Stunde. Von der Kolonie würde nur noch Asche übrig sein, wenn sie sie schließlich erreichte. Und wenn sie jetzt sofort nach unten kletterte… Dann gab sie sich den Angreifern preis, die bestrebt zu sein schienen, alle lebenden Personen auf Corribus zu töten.
Mantas stiegen auf und flogen einen Bogen, um erneut anzugreifen. Der Moloch passierte die Höhlenöffnung, so gewaltig, dass Orli seine Größe gar nicht richtig erfassen konnte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er vorbei war.
Als die Schiffe das Ende der Schlucht erreichten und aufstiegen, kam es zu einer kurzen Pause. Die Überlebenden in der Siedlung schrien noch immer. Orli hörte ihre verzweifelten Stimmen in weiter Ferne. Die Kolonisten liefen kopflos umher.
Eine Gruppe versuchte, das Hauptgebäude mit dem Transportal zu erreichen.
»Ja!«, rief Orli. »Verlasst den Planeten! Bringt euch in Sicherheit!« Vielleicht war ihr Vater bei der Gruppe.
Als die fünf Mantas erneut angriffen, war ihr Hauptziel das Gebäude mit dem Transportal. Jazer-Strahlen und explosive Projektile machten den alten Gebäudekomplex der Klikiss dem Erdboden gleich und vernichteten das Transportal, durch das die Kolonisten von Corribus hätten fliehen können. Die Männer und Frauen waren entweder verbrannt oder lagen unter den Trümmern begraben.
Selbst wenn Orli den Angriff überlebte: Ohne das Transportal konnte sie Corribus nicht verlassen.
Und die Kampfschiffe griffen erneut an.
104
DESIGNIERTER-IN-BEREITSCHAFT PERY’H
Der verrückte Hyrillka-Designierte und seine Wächter hielten Pery’h seit Tagen gefangen. Die Bewohner des Planeten trennten sich vom Thism des Weisen Imperators, was für den jungen Mann wachsende Isolation bedeutete – er war von allen anderen Präsenzen im großen mentalen Netzwerk abgeschnitten. Eine derartige Einsamkeit konnte einen Ildiraner in den Wahnsinn treiben.
Wächter mit Kristallspeeren standen vor der Tür und hinderten den leidenden Pery’h daran, sein Zimmer zu verlassen. Er hatte eine Begegnung mit Rusa’h verlangt, auch mit seinem Bruder Thor’h, aber niemand wollte mit ihm sprechen. Nach der unerhörten Behauptung des Hyrillka-Designierten, der Weise Imperator Jora’h hätte seinen eigenen Vater vergiftet, hielten die Wächter Pery’h von allen Ereignissen fern.
Durch seine Thism-Verbindung, ohne die Pery’h den Verstand verloren hätte, spürte er: Inzwischen wusste der Weise Imperator, dass im Horizont-Cluster etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Doch auf dem fernen Planeten Ildira konnte niemand ahnen, wie schlimm die Situation geworden war.
Zu exzessiver Konsum von rohem Schiing hatte die Thism-Verbindungen bei den Hyrillkanern gelockert und ihr Selbst manipulierbar gemacht. Das hatte der Designierte Rusa’h ausgenutzt, um seine eigene verdorbene Version des Thism zu schaffen, die Bewohner von Hyrillka der Kontrolle des Weisen Imperators zu entziehen und sie seiner eigenen zu unterwerfen.
Der Erstdesignierte Thor’h hatte sich aus freiem Willen der Rebellion angeschlossen, und Pery’h konnte nicht fassen, dass sich der Sohn des Weisen Imperators auf so etwas einließ.
Bestimmt war Thor’h geistig nicht so schwach, dass er von seinem Onkel gegen seinen Willen in eine Marionette verwandelt werden konnte. Bestürzt musste sich Pery’h der Erkenntnis stellen, dass sein eigener Bruder, der Erstdesignierte des Ildiranischen Reichs, bei diesem Wahn ein bereitwilliger Komplize war.
Thor’h kam zur Tür des Arrestraums, begleitet von einigen Ildiranern des Soldaten-Geschlechts. Der Erstdesignierte blieb ihm Zugang stehen, die Arme vor der schmalen Brust verschränkt. Sein Gesicht war schmal und blass, die Lippen so verzogen, als hätte er gerade etwas sehr Bitteres gegessen.
Pery’h sehnte sich nach einer Verbindung, mit irgendjemandem, aber Thor’h behandelte seinen jüngeren Bruder wie einen Fremden. »Begleite mich zum Thronsaal.
Imperator Rusa’h möchte mit dir über dein Schicksal sprechen.«
»Imperator? Das ist doch verrückt, Thor’h.«
»So muss es sein, zum Wohle des Ildiranischen Reichs.«
Pery’h rührte sich nicht von der Stelle. »Ich bin der Designierte-in-Bereitschaft von Hyrillka. Du gehörst nicht einmal hierher.«
In Thor’hs Augen blitzte es. »Ich bin der Erstdesignierte. Ich werde überall dort sein, wo man mich braucht. Und mit unserem fehlgeleiteten Vater bin ich nie so eng verbunden gewesen wie mit Imperator Rusa’h.«
Er winkte, und die Wächter traten vor, packten Pery’h grob an den Armen und zogen ihn aus dem Raum. Mit langen Schritten gingen sie durch die Korridore des rankenbewachsenen Zitadellenpalastes.
Pery’h traf eine Entscheidung, hielt den Kopf hoch erhoben und ging ebenso schnell wie die Wächter, damit sie ihn nicht mehr ziehen mussten. Es wäre dumm gewesen, Widerstand zu leisten, und eine verbale Auseinandersetzung mit den Angehörigen des Soldaten-Geschlechts nützte nichts. Zwar schritt er neben den Wächtern, aber er fühlte sich wie durch eine breite Kluft von ihnen getrennt. Pery’h nahm die Reste seines Stolzes zusammen und ging noch schneller, erweckte dadurch den Eindruck, die Gruppe anzuführen.
Die leeren Blicke hunderter von Hyrillkanern folgten ihm.
Dies sollte sein Volk sein, aber diese Leute befanden sich nicht mehr in dem Thism, das Pery’h mit dem Rest des Ildiranischen Reiches verband. Er hätte ihr nächster Designierter werden sollen.
Als er den Empfangsplatz erreichte, wo sein Onkel früher viele Feste veranstaltet hatte, sah Pery’h, wie viel sich verändert hatte. Das Gefühl der Einsamkeit und Isolation wurde intensiver.
Rusa’h ruhte in der verzierten Nachbildung eines Chrysalissessels, der noch eindrucksvoller wirkte als Jora’hs Exemplar im Prismapalast. Er trug Umhänge, die denen des Weisen Imperators glichen, hatte sein Haar sogar zu einem Zopf gebunden. Voller Unbehagen fragte sich Pery’h, ob sich Rusa’h auch einer Kastrationszeremonie unterzogen hatte, so wie Jora’h, als er zu Cyroc’hs Nachfolger geworden war. Er fühlte keine Antworten im Thism.
Als der Hyrillka-Designierte Pery’h sah, setzte er sich auf und bedachte ihn mit einem überlegenen Lächeln. »Die heiligen Traditionen müssen wiederhergestellt und geschützt werden. Es gilt, die verirrten Ildiraner auf den wahren Weg zurückzuführen, der unsere Zivilisation über Jahrtausende hinweg bewahrte.«
Thor’h wandte sich von den Wächtern ab, trat katzenartig vor und nahm seinen Platz an Rusa’hs Seite ein. Der Erstdesignierte schien sich in der Nähe seines verrückten Onkels recht wohl zu fühlen.
»Mein Vater wird von den hiesigen Vorgängen erfahren«, sagte Pery’h, ohne die Stimme zu heben. Er sprach ruhig, aber auch mit einer gewissen Festigkeit. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, welche Strafe etwas so Unerhörtes verdiente. »Der Weise Imperator wird nicht erlauben, dass diese…
Scheußlichkeiten andauern. Ihr könnt sie nicht lange geheim halten.«
Das heiße Messer des Wahnsinns drohte sich in Pery’hs Geist zu bohren. Er war so allein. Ein fremdes Thism umgab ihn, und kein Strang erlöste ihn von der schrecklichen Einsamkeit.
»Oh, Jora’h soll Bescheid wissen. Selbst durch sein fehlgeleitetes Thism müsste er inzwischen erkannt haben, dass hier etwas Neues geschieht. Aber du, Pery’h, wirst ihm eine klare Botschaft schicken. Unsere Pilger befinden sich bereits im Prismapalast. Der Usurpator wird von den schweren Fehlern erfahren, die er gemacht hat, und von seinen Verbrechen.«
»Du bezeichnest meinen Vater als Usurpator?« Pery’h war mehr schockiert als zornig. »Er ist der Weise Imperator…«
»Ich bin der wahre Imperator!«, donnerte Rusa’h.
Thor’h seufzte und beugte sich zu seinem Onkel. »Er wird dir nie den Prismapalast überlassen, Imperator.«
»Ich weiß«, sagte Rusa’h traurig. »Und viele Ildiraner werden deshalb leiden.«
Die Wächter hielten die Speere mit den kristallenen Spitzen bereit und starrten Pery’h an.
Der Designierte-in-Bereitschaft fühlte sich so allein und verlassen, dass es ihm schwer fiel zu sprechen, aber er zwang die Worte aus sich heraus. »Hör mir zu, Onkel. Du bist verletzt worden. Dein Bewusstsein hat beim Angriff der Hydroger Schaden genommen. Du musst erkennen, wie verrückt dies alles ist…«
Rusa’h griff nach den Seiten des Chrysalissessels und stemmte sich hoch. Sein Zopf zuckte. »Ich habe alles erkannt, Pery’h, deutlicher als jeder andere Ildiraner. Ich bin den Seelenfäden gefolgt und habe gesehen, wie zerfranst und wirr sie sind. Jora’h und sein Vorgänger Cyroc’h haben großen Schaden angerichtet, aber noch ist es möglich, unser Volk zu retten. Wir müssen auf den richtigen Weg zurückkehren.«
Pery’h hob die Brauen. »Und der richtige Weg führt zu Verrat am Weisen Imperator, der das Thism kontrolliert?«
»Ich halte hier alle Fäden des Thism. Du fühlst es selbst.«
Pery’h fühlte es tatsächlich. Die Pein der Leere quälte ihn.
»Alle Personen auf Hyrillka sind an mich gebunden«, fuhr der Designierte fort. »Unsere Erleuchtung wird sich im Horizont-Cluster ausbreiten und schließlich alle Ildiraner erreichen. Jora’h sollte sich der Veränderung nicht widersetzen, aber er ist blind und stur. Nach der Vergiftung seines Vaters begreift er nicht die Tiefe seines Falls.«
Pery’h sah den Ärzten, Linsen-Angehörigen, Wächtern und Höflingen in die Augen. Selbst die Vergnügungsgefährtinnen, die einst so sanft und schön gewesen waren, wirkten jetzt so hart wie Kristallklingen. Die Augen des Erstdesignierten sahen am schlimmsten aus – sie schienen sich in Stein verwandelt zu haben. Thor’hs Miene deutete darauf hin, dass er wusste, was nun geschehen würde, und dass er damit einverstanden war.
»Du wirst unsere Botschaft sein, Pery’h«, sagte Rusa’h. »Da du dich weigerst, mit uns zusammenzuarbeiten, bist du ein loser Faden des Thism. Du musst von der Falle getrennt werden, die dich festhält.«
Krallen der Isolation bohrten sich in Pery’hs Selbst, doch er blieb tapfer. »Mein Vater ist der wahre Weise Imperator. Ich werde mich nicht von ihm abwenden.«
Rusa’h lächelte. »Das erwarten wir auch nicht von dir. Wir bitten dich nicht einmal darum.« Er hob die Hand und winkte den Wächtern, die sich daraufhin Pery’h näherten.
»Dies zwingt Jora’h zu einer Reaktion«, sagte der Hyrillka-Designierte. »Und wir sind bereit.«
Die Soldaten hoben ihre Speere mit den kristallenen Spitzen und griffen an, bevor Pery’h auch nur einen Schrei von sich geben konnte. Sie stießen zu, und der Designierte-in-Bereitschaft sank zu Boden. Andere Soldaten holten aus Kristall und Metall bestehende Keulen hervor und schlugen damit auf ihn ein, zertrümmerten Schädel und Knochen.
Pery’hs Blut spritzte auf die sauberen Fliesen. Er konnte sich nicht wehren, als ihn immer wieder Speere und Keulen trafen.
Dies waren nicht seine Ildiraner. Pery’h spürte keine Verbindung zu ihnen. Das letzte Gesicht, das er sah, gehörte seinem Bruder Thor’h, der neben dem nachgebildeten Chrysalissessel stand und das Geschehen ruhig beobachtete.
Als der junge Mann auf dem Boden lag, streckte er die Hand nach den Seelenfäden aus, die um ihn herum glitzerten. Voller Schmerz und Fassungslosigkeit griff Pery’h nach dem einen hellen Thism-Strang, der ihn mit seinem Vater verband, und hielt sich daran wie an einer Rettungsleine fest – bis ihn das Licht gnädigerweise aufnahm.
Speere und Keulen zerfetzten Pery’hs Leiche.
105
WEISER IMPERATOR JORA’H
Zwar saß Jora’h oft im Chrysalissessel, wie man es von ihm erwartete, aber manchmal verließ er ihn und wanderte durch die Korridore des Palastes. Zweimal hatte er sich sogar auf den Straßen von Mijistra gezeigt.
Die Ildiraner waren darüber erstaunt und entsetzt, doch in einer solchen Zeit des Chaos hielt Jora’h es für richtig, die starren Annahmen seiner Untertanen infrage zu stellen. Im Lauf der Jahrhunderte waren die ildiranischen Traditionen versteinert, doch sie stellten keine Naturgesetze des Universums dar. Das Reich musste sich ändern, um zu überleben. Jora’h war entschlossen, den Ildiranern zu zeigen, worauf es dabei ankam.
Nachdem er seinen Platz unter der warmen Kuppel der Himmelssphäre eingenommen hatte, öffnete sich die große, verzierte Tür und gewährte den Pilgern dieses Tages Einlass.
Wie immer warteten in den hellen Korridoren Gruppen ehrfürchtiger Ildiraner. Sie alle hatten angemessen demütige Bitten formuliert, und Jora’h würde ihre Ergebenheit mit seinem Segen und einem Lächeln belohnen.
Yazra’h bezog wachsam vor dem Podium Aufstellung, begleitet von ihren Katzen. Sie hatte ihre eigenen Wächter ausgesucht und ging ganz in der Rolle als erste Protektorin auf, obwohl es noch immer vielen Ildiranern schwer fiel, sich an diese Veränderung der Tradition zu gewöhnen. Jora’h spürte ihre Verwirrung und wusste, dass sie sich schließlich daran gewöhnen würden. Aufmerksam musterte seine Tochter jeden Pilger, der sich dem Podium näherte.
Zuerst begrüßte Jora’h einige Ildiraner des Bauern-Geschlechts, die ihn mit glänzenden Augen und voller Entzücken ansahen. Sie stammten von der konsolidierten Splitter-Kolonie auf Heald und versicherten dem Weisen Imperator, dass sie auch weiterhin mit ihrer ganzen Kraft dafür arbeiten würden, dass ihre Kolonie stark blieb. Jora’h entließ sie mit einem wohlwollenden Lächeln.
Die zweite Pilgergruppe bestand aus acht Ärzten, Vergnügungsgefährtinnen und Angehörigen des Linsen-Geschlechts von Hyrillka – sie wirkten ausgemergelt und abgestumpft. Übermäßiger Schiing-Konsum machte ihre Präsenz im Thism undeutlich, wie der Weise Imperator voller Unbehagen feststellte. Dies war in wenigen Wochen die vierte Pilgergruppe von Hyrillka. Warum kamen so viele Bittsteller von dort? Und was wollten sie mit einem so benebelten Geist erreichen?
Als sich die hageren Pilger näherten, sah Jora’h die Schatten hinter ihren Augen, den Schmerz ihrer Welt durch den Angriff der Hydroger. Er hieß die Besucher willkommen.
Spontan verließ der Weise Imperator seinen Platz im Chrysalissessel und trat aufs Podium. Die Pilger von Hyrillka waren überrascht und sogar verärgert, als Jora’h gegen die heiligen Traditionen verstieß, doch er hob die Hände. »Das Volk von Hyrillka hat viel Not und Unglück hinter sich. Es gehört sich nicht, dass ich in einem bequemen Sessel sitze, während Sie große Mühen auf sich genommen haben, um hierher zu kommen. Ich ehre Sie, indem ich hier stehe.«
Die Pilger sahen zu ihm auf, einige mit
zusammengekniffenen Augen. Sie musterten das Oberhaupt des ildiranischen Volkes, anstatt es zu bewundern. Die seltsame Reaktion verwunderte Jora’h, aber das Schiing hinderte ihn daran, durchs Thism die Gedanken der Hyrillkaner zu ergründen.
Ein Angehöriger des Linsen-Geschlechts deutete eine Verbeugung an. »Sie haben unserer Reise hierher Sinn gegeben, Weiser Imperator«, sagte er, und die Worte klangen wie auswendig gelernt. »Wir haben gesehen, was wir sehen wollten.«
Jora’h fühlte die vom Schiing geschaffene Distanz und fand es beunruhigend, dass diese Leute – ebenso wie Thor’h – so viel Schiing genommen hatten, bevor sie in den Empfangsaal kamen. Vielleicht sollte er einen weiteren Aufsehen erregenden Wandel einleiten, indem er sein Volk aufforderte, auf die Droge zu verzichten. Aber Schiing war das Hauptprodukt von Hyrillka, einer Welt, die sich gerade von einem verheerenden Angriff der Hydroger erholte. Jora’h runzelte die Stirn und wusste nicht, was er tun sollte. »Ich danke Ihnen für Ihren Besuch.«
Der Blick von Jora’hs Rauchtopasaugen war noch immer auf den Angehörigen des Linsen-Geschlechts gerichtet, als der Attentäter angriff.
Der dritte Mann in der Reihe, ein Arzt, holte zwei rasiermesserscharfe Kristallmesser hervor, eins aus jedem Ärmel. Der Mediziner sprang die Stufen hoch und dem Weisen Imperator entgegen, stieß mit den Messern zu.
Yazra’h und ihre Tiere reagierten sofort. Jora’hs Tochter und die Isix-Katzen sausten wie ein Blitz aus reflektiertem Licht nach vorn. Mit beiden Händen riss Yazra’h den Weisen Imperator zurück, drehte sich und brachte ihren Körper wie einen Schild zwischen Jora’h und den Angreifer, der sein Ziel nur knapp verfehlte: Ein Messer schnitt den bunten Umhang des Weisen Imperators auf, und das andere traf Yazra’hs Arm.
Yazra’h stieß ihren Vater in den Schutz des Chrysalissessels und trat dann vor den Weisen Imperator, um ihn vor den Pilgern zu schützen, die ihm nach dem Leben trachteten. Sie versuchte nicht einmal, ihre Tiere daran zu hindern, den Attentäter zu zerfleischen. Die Isix-Katzen stürzten sich auf den Angehörigen des medizinischen Geschlechts, und seine Schreie verklangen schnell. Nur eins der drei Raubtiere trug eine oberflächliche Schnittwunde davon, als die Kristallmesser aus den leblosen Händen des Angreifers fielen.
Wächter eilten herbei und packten die Pilger, die keinen Widerstand leisteten. Ihr Bewusstsein war benebelt gewesen, ihre Gedanken manipuliert. Bei zwei anderen wurden ebenfalls Waffen entdeckt.
Yazra’h achtete nicht auf den Schnitt in ihrem Arm und stand drohend vor dem Podium. Schweiß glänzte auf ihren Muskeln; das Blut des Attentäters klebte an ihrer Haut. Und die Isix-Katzen schienen großen Gefallen daran zu finden, die Leiche des Attentäters zu zerfetzen. Mit einem knappen Wink rief Yazra’h sie an ihre Seite zurück, obwohl sie ihnen lieber die Möglichkeit gegeben hätte, den Verräter zu fressen, während die anderen Hyrillkaner zusahen.
»Wir dienen keinem falschen Weisen Imperator«, sagte einer der Gefangenen. »Sie sind der Lichtquelle gegenüber blind und müssen Ihres Amtes enthoben werden, damit die Ildiraner wieder den Seelenfäden folgen können. Nur Imperator Rusa’h sieht den wahren Weg.«
»Imperator Rusa’h?«, wiederholte Jora’h und verließ den Chrysalissessel erneut. »Was stellt mein Bruder an?«
Bevor ihm jemand antworten konnte, fühlte der Weise Imperator einen stechenden Schmerz in der Brust, so als hätte eine Kristallklinge sein Herz durchbohrt. Ein weiterer Attentäter? Ein Heckenschütze? Schmerz und Schock explodierten in seinem Selbst. Die Beine gaben unter ihm nach, und er sank zu Boden.
Ein Schrei vibrierte über die Thism-Linien.
Pery’h.
Jora’h hatte vor kurzer Zeit Furcht und Verwirrung beim Designierten-in-Bereitschaft bemerkt, ohne Einzelheiten feststellen zu können. Überall im Reich herrschte Aufruhr.
Doch jetzt war das Schlimmste passiert. Unvorstellbar! Der Seelenfaden, der Pery’h mit seinem Vater verbunden hatte, war durchschnitten worden, abgetrennt wie ein amputiertes Glied.
Wie in weiter Ferne hörte Jora’h das Knurren der Isix-Katzen, die nach einem weiteren Angreifer suchten, auf den sie sich stürzen konnten. Yazra’h taumelte, als sie die Verbindung mit ihrem Bruder verlor, fasste sich aber schnell wieder und kniete neben ihrem Vater. Wächter und Höflinge eilten die Stufen zum Podium hoch, riefen den Namen des Weisen Imperators und wollten wissen, was geschehen war. Doch er konnte keine Antwort geben.
Kummer und Schmerz angesichts des Verlustes bestimmten Jora’hs Empfinden. Ein Teil aus dem Kern seines Selbst war fortgerissen worden.
»Pery’h ist tot!« Er schloss die Augen, und sofort suchten ihn noch schrecklichere Offenbarungen heim. Sein Sohn war nicht nur tot, sondern ermordet worden! Verraten und ermordet.
»Man hat ihn auf Hyrillka umgebracht.«
Bilder des Verrats schufen noch tiefere Wunden in seinem bereits gequälten Bewusstsein. Als das Entsetzen schließlich nachließ und zu einem beharrlichen dumpfen Pochen im Kopf schrumpfte, hob Jora’h die Lider und sah die Bestürzung in den Gesichtern der Ildiraner im Empfangssaal.
Yazra’h half ihrem Vater auf die Beine. Er schwankte kurz, straffte dann die Schultern und sprach so laut, dass ihn alle hörten.
»Pery’h ist ermordet worden. Mein eigener Bruder Rusa’h hat dem Ildiranischen Reich den Krieg erklärt.«
106
ADAR ZAN’NH
Zan’nh war mit seinem Manipel aus Kriegsschiffen auf Routinepatrouille und demonstrierte dem ildiranischen Volk seine Entschlossenheit. Er musste gesehen werden und stark erscheinen, obwohl er gar nicht sicher war, dass er die Splitter-Kolonien gegen die mächtigen Feinde verteidigen konnte, denen sich das Reich gegenübersah. Doch die Ildiraner mussten daran glauben, und er wollte versuchen, ihren Erwartungen gerecht zu werden.
Er erinnerte sich daran, was Adar Kori’nh ihm während seiner Ausbildung vermittelt hatte: »Der eigene Zweifel ist die größte Waffe des Feinds. Der Adar ist ein Mikrokosmos der ganzen Solaren Marine. Wenn der Anführer stark und voller Zuversicht ist, so gilt das auch für seine Flotte.«
Zan’nh fühlte sich wie im Schatten seines großen Vorgängers. Der frühere Adar war ihm mit seinen taktischen Fähigkeiten und seinem Mut überlegen gewesen, und dies hatte trotzdem nicht ausgereicht, um ihm den Sieg zu sichern.
Kori’nhs selbstmörderische Tapferkeit hatte den Hydrogern einen schweren Schlag versetzt, aber der Krieg war damit ganz und gar nicht gewonnen. Die Hydroger griffen weiterhin an.
Zan’nh stand im Kommando-Nukleus, dazu bereit, die nächsten Anweisungen zu erteilen, als sich plötzlich etwas in ihm zusammenkrampfte – Pery’h war gestorben!
Den unerwarteten Tod des Weisen Imperators Cyroc’h hatten alle Ildiraner im Reich gefühlt, denn das Thism verband sie direkt mit ihm. Doch die Ermordung des Designierten-in-
Bereitschaft schickte nur eine kleine Welle des Unbehagens durch Zan’nhs Crew. Er allein wusste, was geschehen war.
»Kursänderung.« Seine Stimme klang seltsam rau, aber es mangelte ihr nicht an Entschlossenheit. »Wir müssen sofort nach Ildira zurück! Ich habe etwas im Thism gespürt.«
»Ja, Adar.«
Die Brückenoffiziere begannen damit, den neuen Kurs zu berechnen und gaben Zan’nhs Befehl an die achtundvierzig anderen Schiffe weiter. In perfekter Formation wendete der Manipel.
Plötzlich wurde ein Alarm ausgelöst, und der Offizier an der Kommunikationskonsole sah überrascht auf die Anzeigen.
»Sie haben Recht, Adar. Wir haben gerade einen Notruf empfangen, von…« Der Bildschirm zeigte ihm die Details. »…
der Splitter-Kolonie Hrel-oro.«
»Hrel-oro?« Das hatte Zan’nh ganz und gar nicht erwartet.
Er wandte sich dem Hauptschirm zu, auf dem das schmale, reptilienartige und rußverschmierte Gesicht eines Geschuppten erschien. Seine Schlitzaugen blinzelten hektisch. »…
angegriffen. Wir können nichts gegen sie ausrichten und wissen nicht, was sie wollen.«
Explosionen donnerten im Hintergrund. Eine riesige Kugel flog über den Himmel, gefolgt von fünf weiteren. Eiswellen gingen von ihnen aus. Koloniegebäude knackten und brachen auseinander. »Warum sind die Hydroger hierher gekommen?«, rief der Geschuppte. »Schicken Sie so schnell wie möglich Hi…« Die Kom-Sendung wurde abrupt unterbrochen.
Zan’nh versteifte sich, und es lief ihm kalt über den Rücken.
»Wir fliegen nicht nach Ildira. Wie weit ist Hrel-oro entfernt?«
»Wir können in einer Stunde dort sein, Adar. Wir sind die nächsten Kriegsschiffe.«
»Beschleunigen Sie, sobald der Kurs berechnet ist.
Höchstgeschwindigkeit.« Was auch immer mit Pery’h geschehen war – die Hydroger griffen eine ildiranische Splitter-Kolonie an. Dies war seine Aufgabe. Darauf hatte ihn Adar Kori’nh vorbereitet, und Zan’nh wollte das Andenken seines Mentors ehren. »Wir greifen die Hydroger an und zeigen ihnen, wozu die Solare Marine fähig ist.«
Der Manipel sprang durchs All, der Konfrontation entgegen.
Zan’nh ließ seine Soldaten an ihren Stationen üben. »Wir müssen für das bereit sein, was wir auf Hrel-oro vorfinden.
Jede Waffe, jedes Schiff, jeder Kämpfer. Uns bleibt nur wenig Zeit.«
Er drehte sich im Kommando-Nukleus um und sprach zur Crew. »Projizieren Sie alle Informationen über die Kolonie auf meinen taktischen Schirm. Ich möchte über Terrain, Geschichte und den Hintergrund Bescheid wissen. Was könnte die Hydroger dorthin geführt haben?« Er beauftragte die sieben Septars und auch Qul Fan’nh, den Kommandanten des Manipels, sich mit den Daten zu befassen und wenn möglich Vorschläge zu entwickeln. Zan’nh befasste sich mit den zur Verfügung stehenden Informationen, nahm alles in sich auf.
Hrel-oro war ein trockener, warmer Planet, wie viele der seit langer Zeit verlassenen Klikiss-Welten. Große Bäume gab es dort nicht, nur niedrige Büsche und Sträucher, aber der Boden enthielt wertvolle Mineralien und Metalle. Vor über tausend Jahren hatte der Weise Imperator Geschuppte angewiesen, dort eine industrielle Splitter-Kolonie zu gründen. Zwar lebten viele ildiranische Geschlechter auf Hrel-oro, aber der größte Teil der Bevölkerung bestand aus Geschuppten. Sie betrieben die Bergwerke, gruben sich durch die Wände tiefer Schluchten und verarbeiteten die gewonnenen Rohstoffe. In den weiten Wüsten hatten sie Sonnenkraftwerke gebaut und dort Windturbinen errichtet, wo die Schluchten enger wurden und besonders starker Wind wehte.
Während die neunundvierzig Kriegsschiffe durchs All jagten, ging Zan’nh Berichte über frühere Angriffe der Hydroger durch, sowohl auf Planeten der Menschen als auch auf ildiranischen Welten. Hinter einigen von ihnen steckte Vergeltung für den Einsatz von Himmelsminen in den Atmosphären bestimmter Gasriesen – ein verständliches Motiv. Die Schläge gegen Corvus Landing, Boone’s Crossing, Hyrillka und den unbewohnten Planeten Dularix deuteten darauf hin, dass es den Hydrogern darum gegangen war, den Weltwald und alle großen Bäume zu vernichten.
Hrel-oro passte nicht in dieses Muster. Offenbar griffen die Hydroger diesmal aus reiner Bosheit an und hatten es auf Ildiraner abgesehen.
Die Kriegsschiffe rasten dem trockenen Planeten entgegen und erreichten ihn eher als erwartet. Ihre Waffensysteme waren einsatzbereit. Sondierungen zeigten viel Rauch und thermische Emissionen an den Orten bekannter Siedlungen.
»Wir orten Kugelschiffe, Adar.«
»Volle Geschwindigkeit. Jeder Septar kann selbst entscheiden, auf welche Weise er gegen den Feind vorgehen will. Greifen wir an, bevor die Hydroger begriffen haben, dass wir hier sind.«
Die ildiranischen Kriegsschiffe flogen durch die Atmosphäre, die Solarfinnen eingefahren, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Bisher hatte sich mit gewöhnlichen Waffen kaum etwas gegen die Hydroger ausrichten lassen, aber Zan’nh wollte alles, was ihm zur Verfügung stand, gegen den Feind einsetzen…
Als die ildiranischen Schiffe auf den Gegner stießen, hatten die Hydroger ihr Werk der Zerstörung fast beendet. Die dornigen kristallenen Kugeln flogen durch die Schluchten, ließen Windturbinen zerbersten und die Zugänge von Bergwerken einstürzen. Schwarzer Rauch stieg auf, und Eiswellen bewirkten, dass alles unter glitzerndem Weiß erstarrte.
Neunundvierzig Kriegsschiffe – die gleiche Anzahl von Schiffen, mit denen Adar Kori’nh seinen Triumph bei Qronha 3 errungen hatte – feuerten hochenergetische Projektile auf die Hydroger ab, die an den kristallenen Rümpfen explodierten und destruktive Stoßwellen verursachten. Die Kugeln wandten sich den Angreifern zu, und flackernd sammelte sich Energie zwischen ihren Dornen.
Zan’nh schloss die Hände fest ums Geländer des Kommando-Nukleus und wusste, dass die Hydroger in der Lage waren, den ganzen Manipel zu vernichten.
Konzentrierte Energiestrahlen und kinetische Projektile rasten den Kugeln entgegen. Und dann setzten sich die Hydroger zur Wehr. Blaue Strahlen gleißten und rissen die gepanzerten Außenhüllen ildiranischer Schiffe auf.