10.
Vor einer Stunde hatte ich über das Bildsprechgerät von Kapitän Uljitschin den Befehl erhalten, sechs negative Mutanten nach der Abendfütterung in einen gesonderten Käfig einzusperren und weitere Anweisungen abzuwarten.
Ich hatte nach dem Warum gefragt und die Auskunft erhalten, es handelte sich um eine ärztliche Untersuchung.
Hannibal war von da an im Umgang ziemlich schwierig. Wir führten die Fütterung durch und wählten die sechs Wesen aus.
Sie waren mir genau nach den Nummern bezeichnet worden. Als wir sie mit schußbereiten Schockwaffen in den bis dahin leeren Großkäfig trieben und das Gitter verschlossen, sah ich, daß es sich bei ihnen um die besten und vernünftigsten aus der ganzen Meute handelte.
Sie hatten noch eine einigermaßen menschenähnliche Gestalt und besaßen auch einen verhältnismäßig guten Verstand. Einige von ihnen konnten undeutlich sprechen.
Ihre Fragen beantwortete ich mit einem Schulterzucken. In mir krampfte sich etwas zusammen. Wenn wirklich einer der Transporte bevorstand, so hatte ich soeben mit Todeskandidaten gesprochen. Niemals konnten wir sie da oben in Sicherheit bringen.
Auch unser Schicksal war noch völlig ungewiß, die Risiken kaum kalkulierbar.
Auf dem Rückweg zur Wachstube flüsterte Hannibal aufgeregt:
»Großer, ich ahne etwas. Das geht heute noch los. Wahrscheinlich in der Schlafperiode. Ich fühle, daß wir auch dabei sein werden. Wenn nicht, war alles umsonst.«
»Es genügt, wenn Manzo mit seiner Bombe oben ankommt«, murmelte ich. »Einer von uns könnte mit seinen beiden kleinen Handbomben nicht viel ausrichten. Das heißt – die Brut könnte man damit zwar vernichten, nicht aber eine große Stadt.«
»Rechnest du mit einer?«
»Warum nicht. Sie hatten auch auf dem Mond gigantische Untergrundsiedlungen. Wir wissen, daß sich die damalige Marsbevölkerung während des langen Raumkrieges in große Städte unter der planetarischen Oberfläche zurückzog. Das wird wohl jedes Volk so machen. Das Atomzeitalter fordert seinen Tribut.«
»Du solltest TS-19 anfunken«, beschwor er mich. »Wenn Manzo nicht als Transportbegleiter gewählt wird, dann wird er noch nicht einmal etwas erfahren.«
»Abwarten, was weiter geschieht. Umsonst haben wir die sechs Negativen nicht in den Sonderkäfig bringen müssen.«
Nachdem wir wieder eine halbe Stunde in der Wachstube saßen, erschien Uljitschin erneut auf dem Bildschirm. Ein anderer Offizier ließ sich nicht blicken. Das verstärkte das ungute Gefühl in mir.
»Essen, haben Sie die Negativen abgesondert?«
Ich bejahte und bemühte mich, meinem vernarbten Gesicht einen neugierigen Ausdruck zu geben.
»Ich öffne die Stahlpforte neben Ihrer Station. Marschieren Sie mit den Burschen den sichtbar werdenden Gang entlang. Sie kommen in eine große Halle, wo die Untersuchung vorgenommen wird.«
»Ist das die Tür dicht neben unserem Gitter?« fragte ich nervös.
»Ja. Sie wird offen sein. Beeilen Sie sich. Passen Sie scharf auf.«
»Ich auch, Kapitän?« erkundigte sich der Kleine atemlos. Seine Hände zitterten.
»Ja. Sie kommen mit. Ihre Station wird in dieser Schlafperiode von einem anderen Positiven übernommen. Ich brauche Sie bei der Untersuchung als Wache. Alles klar? Noch Fragen?«
»Keine mehr, Kapitän. Wir dürfen doch schießen, wenn die Negativen wild werden?«
»Nur im äußersten Notfall. Die Untersuchung erfordert ihre volle Gesundheit. Die Schocks greifen das Nervensystem schwer an. Richten Sie sich danach.«
Als sich die Bildfläche verdunkelt hatte, lachte der Kleine trocken auf. Es verriet seine Unruhe.
»Ach so! Gesund müssen sie sein. Keine Schocks, äh? Das ist wohl nicht gut für die Zellkerne, die anderswo als Rohmaterial dringend gebraucht werden. Deshalb sind wohl auch die Wachen erforderlich, nicht wahr! Eine Betäubung durch Drogen scheint auch nicht gut zu sein. Ich verstehe, Großer!«
Damit hatte er genau das ausgedrückt, was mir eben aufgefallen war. Ich stand reglos vor der erloschenen Bildfläche. Meine Überlegungen schienen im Zeitlupentempo abzulaufen.
Es war schon seit jeher die Schwäche eines GWA-Schattens gewesen, sich in selbstquälerischen Zweifeln zu verlieren. Leute von unserer Schulung waren erst dann zufrieden, wenn eine bestimmte Sache im Rahmen der Logik eine einwandfreie Lösung gefunden hatte.
Nun bestand die Anweisung, nicht auf die Negativen zu schießen. Hannibals Erklärung schien einwandfrei zu sein. Sie beantwortete auch jene Frage, die mich immer wieder gefoltert hatte.
Warum waren während des vermutbaren Transportes zum Mars positive Wächter erforderlich? Warum wurden die Wilden nicht einfach betäubt und oben von Robotern im wehrlosen Zustand ausgeladen? Bei dieser Maßnahme hätte während der Reise überhaupt nichts geschehen können.
Nun sah es aber so aus, als müßte das im Interesse der hundertprozentigen Gesundheit vermieden werden. Es mochte stimmen, daß sich jede Art von Schock oder Betäubung nachteilig auf jene Zellkerne auswirkte, die man unbedingt zu benötigen schien.
Demnach mußten die Mutanten im klaren Zustand befördert werden, was natürlich Wachen erforderlich machte.
Jetzt tauchte die Frage auf, warum die Fremden diese Aufgabe nicht von ihren starken Kampfrobotern erledigen ließen. Zwei dieser Maschinen konnten mühelos mit mindestens hundert Mutanten fertig werden.
Ich sagte mir, daß diese doch recht primitiven Geschöpfe noch einen weitaus stärkeren Schock erhalten mußten, sobald die Giganten aus MA-Metall in Erscheinung traten. Die empfindlichen Hirne konnten darunter leiden, das allgemeine Nervensystem mochte angegriffen werden. Wir ahnten aber, daß gerade das Nervengewebe für die Deneber besonders interessant war.
So ergab sich nach logischen Gesichtspunkten die Tatsache, daß die Negativen im absolut wachen Zustand transportiert und von ihnen bekannten Wächtern umgeben sein mußten. Die Raumreise würde sie wahrscheinlich schon nervös genug machen.
Ich teilte Hannibal das Ergebnis meiner Überlegungen mit. Er nickte.
»Das ist auch meine Ansicht. Das wäre eine Lösung, und sie scheint begründet zu sein. Ich wüßte keine einleuchtendere. Du solltest aber nicht zuviel denken, Großer! Ich vermute, wir müssen uns in nächster Zukunft weitaus mehr auf Instinkthandlungen verlassen.«
Wir überprüften unsere Waffen. Tastend glitten unsere Fingerspitzen über großartig getarnte Magnetverschlüsse, hinter denen die Ausrüstungsstücke verborgen waren.
Zu verlieren hatten wir nicht mehr. Wir konnten nur noch gewinnen, einen Erfolg für die gesamte Menschheit erringen.
Unser so kompliziert und umständlich angelaufener Einsatz trug die ersten Früchte. Niemals wären wir mit Raumschiffen der Erdvölker bis zum Mars durchgedrungen. Die Vernichtung der TITAN hatte das bewiesen.
Also mußten wir einen Umweg wählen, und den hatten wir eingeschlagen. Die Fremden sollten uns selbst zu ihrem Stützpunkt bringen. Mit unseren supermodernen Vernichtungswaffen hatten wir reelle Chancen, Armeen und riesige Stützpunkte auszuschalten. Wir mußten nur erst einmal wissen, wo wir überhaupt anzusetzen hatten.
Wir gingen auf den Rundgang hinaus. Die meisten Negativen schliefen bereits in ihren Käfigen. Nur die sechs Todeskandidaten waren unruhig.
»Arme Teufel«, stöhnte der Kleine. »Was machen wir mit ihnen? Wieder einmal das Gewissen mit dem Deckmantel des Befehlsnotstandes und der zwingenden Notwendigkeit zum Schweigen bringen? Das widerstrebt mir zutiefst.«
»Opfer müssen gebracht werden«, sagte ich mit belegter Stimme. »Auf der Erde leben einige Milliarden Menschen. Welche Wahl haben wir? Rede nicht mehr davon, bitte!«
Er lachte verzweifelt auf.
Plötzlich brach ein Gedanke durch, der mich schon minutenlang im Unterbewußtsein gequält hatte. Ein einziger Satz fiel mir ein. Hannibal fuhr zusammen, als ich seinen Arm umklammerte.
»Kleiner, hat Uljitschin nicht gesagt, unsere Station sollte während dieser Schlafperiode von einem anderen positiven Wächter übernommen werden?«
Er sah mich nur an. Fieberhafte Spannung schien ihn zu beherrschen.
»Und?«
»Während dieser Schlafperiode! Denke nach und begreife! Das bedeutet doch mit anderen Worten, daß wir nur wenige Stunden abwesend sind. Der Mars steht zur Zeit sehr nahe. Nur knapp fünfundsiebzig Millionen Kilometer entfernt. Wenn ein Superraumschiff mit unbegreiflichen Triebwerken in kurzer Zeit auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann, desgleichen wieder auf Nullfahrt bremsen, sind wir zur Morgenfütterung wieder zurück. Niemand merkt es! Rechne einmal nach, Kleiner! Angenommen, wir würden schon mit Lichtgeschwindigkeit starten, so hätten wir die fünfundsiebzig Millionen Kilometer in einer Zeitspanne von etwa viereinhalb Minuten zurückgelegt! Viereinhalb Minuten!«
»Verrückt, total verrückt«, sagte er kopfschüttelnd. »Treib mich nicht an den Rand des Wahnsinns. Soweit können die einfach nicht sein.«
»Die Raumfahrt der Deneber ist über 187.000 Jahre alt. Sie beherrschen den überlichtschnellen Flug. Nehmen wir einmal an, sie brauchten für die Beschleunigungsperiode bis auf Lichtgeschwindigkeit eine halbe Stunde. Nochmals dreißig Minuten für das Bremsmanöver. Das ergibt zusammen eine Stunde, zuzüglich zur eigentlichen Flugzeit von runden fünf Minuten etwas mehr als eine Stunde. Seien wir großzügig und sagen wir insgesamt zwei Stunden. Eine zum Ausladen, dann sind wir in ungefähr fünf Stunden wieder hier.
Und wenn du in Ohnmacht fällst, den Burschen traue ich alles zu! Wir haben in den unterlunaren Hangars der ausgestorbenen Marsianer kleine Raumschiffe gefunden. Die Triebwerke sind einzigartig. Niemand kann sie verstehen. Professor Scheuning spricht sogar von Schwerkraft-Absorbern und Beschleunigungs-Neutralisatoren. Damit kann mit zehntausend Gravos beschleunigt werden, ohne daß du den Andruck spürst.«
»Ja, aber das waren die alten Marsianer.«
»Die denebische Technik ist nicht schlechter. Schließlich haben sie viele Raumschlachten gewonnen. Sie sind gleichwertig, mein Wort darauf.«
Wir kämpften mit dem starren »Unmöglich« unseres technischen Wissens. Es sagte uns, daß eine Beschleunigung von 10 g mehr als genug wäre. Es behauptete, die neuesten Plasmaraumer kämen bis auf etwa zehntausend Kilometer pro Sekunde und auf keinen Kilometer höher. Die Strahlgeschwindigkeit der Plasmapartikel wäre identisch mit der erreichbaren Höchstgeschwindigkeit.
Nun sollten wir Daten verarbeiten, die mehr als ungeheuerlich waren. Ich gab es auf, noch länger beim Für und Wider zu verharren. Wir mußten wieder einmal abwarten, was zur größten Tugend eines jeden GWA-Agenten gehörte.
Die sechs Negativen duckten sich vor unseren Waffenmündungen. Scharfe Befehle machten ihnen begreiflich, daß wir nicht mit uns spaßen ließen.
Wir brachten sie mit dem großen Aufzug nach oben. Doch auch da riskierten sie keinen Angriff.
Andere Ungeheuer erwachten. Sie brüllten uns ihre unwilligen Rufe nach. Der »Saurier« begann zu toben. Er wollte auch frei sein wie die für den Transport Ausgewählten. Er wußte nicht, daß er froh sein konnte, ihr Schicksal nicht teilen zu müssen.
Hannibal drängte die sechs Negativen weiter. Wir kamen durch unser eigenes Sperrgitter, gingen auf den Verbindungsstollen hinaus und gewahrten nebenan die aufstehende Stahltür. Wir hatten uns durch unsere Gespräche etwas verzögert. Es wurde allerhöchste Zeit.
Hinter dem Schott lag ein hoher Gang. Grell erleuchtet, nackt und kahl.
»Beeilen Sie sich«, klang es aus einem unsichtbaren Lautsprecher.
Also wurden wir von Fernsehaugen beobachtet. Es war Uljitschins Stimme.
Wir trieben die Wilden zu noch größerer Eile an. Hinten glitt das Stahlschott aus dem Deckenspalt nach unten.
Nun befanden wir uns in einem Stollen, der endlos zu sein schien und den wir nie zuvor gesehen hatten. Er war immer verschlossen gewesen.
Die Beleuchtung wurde dürftiger. Die optische Verengung wirkte wie ein drohendes Loch.
Die Primitiven begannen zu wimmern. Mit einem Stromschuß gegen die Wände mußten wir sie zum schnelleren Weitergehen veranlassen. Etwa zwei Kilometer zog sich der Stollen durch den natürlichen Fels. Die Wände waren nicht mit der üblichen Kunststoffmasse verkleidet. Dennoch waren sie glatt und fugenlos, so daß sie wie glasiert wirkten.
Ich fuhr mit der flachen Hand über die Fläche. Das stammte niemals von Maschinen, die von Menschen konstruiert und hergestellt worden waren. Jeder Zweifel war ausgeschlossen.
Am Ende führte der Gang steil nach unten. Dann standen wir erneut vor einer stählernen Tür. Sie glitt auf, als der erste Mutant zögernd im Schritt verharrte.
Ich sah eine große, stark gewölbte Halle von elliptischer Form. Mein erster Blick galt den zahlreichen Negativen, die gruppenweise verteilt an den Wänden standen. Es mochten ungefähr hundert sein.
Danach bemerkte ich die Wächter. Es handelte sich um sieben Positive, doch sie standen da, als hätten sie unseren Eintritt nicht wahrgenommen. Sie schienen nur Augen und Ohren für ihre jeweiligen Schützlinge zu haben, die aus allen möglichen Stationen stammen mußten. Ich kannte fast keinen von ihnen.
Uljitschin war auch anwesend, desgleichen Dr. Wjerbow.
Befehle schallten durch die erschreckende Stille. Sie galten uns.
Manzo stand auf der anderen Seite vor etwa zehn Negativen und bekam unsere sechs Ankömmlinge zugewiesen.
Uljitschin rief uns zu:
»Gehen Sie mit Dr. Wjerbow in den Nebenraum. Schutz-Injektionen empfangen. Wir haben festgestellt, daß die hier versammelten Negativen an einer ansteckenden Krankheit leiden. Beeilen Sie sich.«
Wir nickten ausdruckslos. Manzos Blick hatte mir völlig genügt. Auch er verhielt sich so, als stände er unter der Einwirkung einer tiefgreifenden Zwangshypnose.
Als natürlicher Telepath mit enormen Geisteskräften war auch bei ihm die Einwirkung der Robotstrahler wirkungslos verlaufen. Immerhin hatte er folgerichtig geschaltet, indem er bei der Testuntersuchung den Beeinflußbaren heuchelte. Wahrscheinlich hatte er wieder einen Sperrblock über das Willenszentrum gelegt.
Der Arzt stand schon in einer Nebentür. Unsere Negativen wimmerten leise.
Manzo unterbrach sie mit einem monoton klingenden Befehl. Sie verstummten augenblicklich.
Wir betraten einen kahlen Raum, hinten durch eine dünne Wand abgeteilt. Darin gab es einige Öffnungen.
»Ist das eine medizinische Station, Doktor?« fragte ich neugierig. »Wo haben Sie denn Ihre Instrumente?«
Er lächelte auch noch, als hinter uns das Heulen aufklang. Denebische Kampfroboter setzten ihre Hypnostrahler gegen uns ein. Ich fühlte den dumpfen Druck im Kopf. Langsam begann ich in der Haltung zu erstarren.
Als wir nach Wjerbows Ansicht ausgeschaltet waren, hob er unsere Lider an. Es war sehr schwer, dabei starr zu blicken und nicht zu blinzeln. Ich holte es rasch nach, als er den Blick senkte und wieder einen der silbernen Stäbe aus der Tasche zog. Diesmal flimmerte es rötlich. Es schien sich also nicht um eine Erweckung zu handeln.
Seine sonst so wohlwollende Stimme klang kalt und gefühllos, war aber von suggestiver Eindringlichkeit.
Wir erhielten die Anweisungen, ausschließlich auf die Negativen zu achten, sonst nichts zu sehen und zu hören, sowie jeden Befehl von Kapitän Uljitschin ohne Widerspruch und augenblicklich zu befolgen.
Das war alles. Bei uns verpuffte es wirkungslos, doch bei den anderen Positiven mußte dieser Hypnobefehl tief verankert sitzen.
Steif, etwas hölzern wirkend, gingen wir hinaus. Wir bekamen von Uljitschin zu unseren sechs Burschen noch neun andere Geschöpfe zugewiesen. Das war unsere Wachgruppe.
Hannibal wurde dazu noch als »Feuerwehr« eingeteilt. Er hatte die anderen Wächter im Gefahrenfall zu unterstützen und praktisch auf die ganze Meute zu achten.
Ich zählte unauffällig durch. Es waren genau achtundneunzig Mutanten, dazu sieben Wächter.
Ich konnte Manzo nun nicht mehr sprechen. Ein winziges Zucken seiner Lippen und ein blitzschneller Blick verrieten mir, daß er absolut handlungsfähig war.
Nun hatten diese Fremden genau drei Mann in ihren Reihen, die sie sicherlich nicht gerne gesehen hätten. Sie wußten eben doch nicht alles!
Das Licht blendete so stark ab, daß wir kaum etwas erkennen konnten. Das Raunen der Mutanten wurde immer wieder von den stereotypen Befehlen der hypnotisch beeinflußten Wachen unterbrochen.
Weiter vorn öffnete sich ein Tor. Ich erkannte dahinter eine schlauchartige Verbindung. Sie schien druckdicht mit dem Schott verbunden zu sein.
Draußen strahlten und funkelten Millionen Sterne. Die lange Mondnacht lag noch immer über unserer Mondhalbkugel.
Der große, spindelförmige Körper war kaum zu sehen. Die Hülle des wartenden Raumschiffes war tiefschwarz. Sie hob sich überhaupt nicht von den Wänden des kleinen Kraters ab. So machten sie es also!
In unmittelbarer Nähe der weiter rechts liegenden Druckkuppeln landeten sie ihren Transporter. Der hochliegende Krater war nur von oben zu erreichen. Es gab keinen Aufstieg aus der Ebene, so daß man das Schiff von unten wohl niemals sehen konnte. Ob es ortungstechnisch zu erfassen war, erschien mir zweifelhaft.
Diese Könner kannten bestimmt Mittel und Wege, um unsere Ortungsimpulse zu absorbieren. Was war unsere Technik gegen die ihre!
Die einzelnen Wachtruppen durchquerten den Verbindungsschlauch, der jeden Raumanzug überflüssig machte. Sie schienen direkt in die kaum erleuchtete Öffnung innerhalb der Schiffswandungen zu schreiten. Darin verschwanden sie.
Manzo hatte sie auch schon passiert. Hannibal stand steif neben der kleinen Luftschleuse und spielte den allgemeinen Aufpasser. Ich durfte nur auf meine fünfzehn Zöglinge achten. Uljitschin paßte scharf auf.
Im Verbindungsdruckschlauch angekommen, erfaßte ich mit meinen präparierten Augen die Infrarotstrahlung des fremden Raumschiffes. Dagegen schienen die Deneber kein Schutzmittel zu haben.
Die Hülle war durch die Innentemperatur wärmer als das umliegende Gestein. Das Vakuum des Mondes hatte ohnehin keine Temperatur, da ein absolutes Nichts weder kalt noch warm sein kann.
Nur die Zelle des Schiffes strahlte ihren geringen Wärmeüberschuß in den Raum ab, und das konnte ich sehen. Es war höchstens siebzig Meter lang, nach denebischen Maßstäben also ein kleines Fahrzeug. Für meine Begriffe war es schon recht groß.
Am Heck strahlte es enorm hell. Dort mußten sich beachtliche Wärmequellen befinden. Ich sah seltsam geformte Auswüchse und eigenartige Leuchterscheinungen.
Dann waren wir im Schiff. Hannibal folgte mit Uljitschin, der uns durch einen kurzen Gang nach vorn wies.
Man schien den Raumer speziell für die Transporte eingerichtet zu haben. Ein ehemaliger Laderaum war umgestaltet worden. Es gab mehr als zwanzig größere Käfige. Die Gitter erschienen hauchdünn, aber ich erkannte das unerhört widerstandsfähige MA-Metall.
Auch ich trieb meine Gefangenen in einen solchen Käfig. Dazwischen lagen schmale Gänge, in denen überall breite Sitze mit hohen Lehnen standen. Wir erhielten die Anweisung, uns dort hineinzusetzen und ausschließlich auf die jeweils zugeteilten Zellen zu achten.
Wir bejahten völlig monoton und ausdruckslos.
Uljitschin verschwand für einige Minuten. Wir hörten ihn draußen mit einer anderen Person sprechen. Sie standen direkt vor dem offenen Luk. Eine vorsichtige Kopfdrehung offenbarte mir die wirkliche Gestalt eines Denebers.
Er war absolut menschenähnlich, nur wirkte die hochgewachsene Gestalt dürr, zart und zerbrechlich. Die weit vorgewölbte Stirn überschattete ein verhältnismäßig kleines Gesicht mit großen, nichtmenschlichen Augen.
Er trug eine Art Kombination und hatte einige leuchtende Symbole an der linken Schulter.
Sie waren mir schon bekannt, diese grausamen Intelligenzen, die nur noch auf das Heranreifen von Zehntausenden ihrer eingelagerten Keimlinge warteten.
Sie waren jetzt schon sehr aktiv. Was mußte erst werden, wenn sie wieder stark waren? Die alten Marsianer halten es trotz ihrer riesigen Raumflotte nicht geschafft, diese eroberungslüsternen Lebewesen aus dem fernen System der Sonne Deneb restlos zu vernichten. Mitsamt ihren Keimlingen hatte sie sich in den Tiefschlaf begeben und einfach abgewartet, bis die radioaktive Verseuchung auf ein ungefährliches Strahlungsmaß abgeklungen war.
Sie waren sogar so schlau gewesen, sich nicht in strahlsicheren Untergrundstädten zu verbergen, da sie die gefährliche Aktivität der Verseuchung auf etwa 187.000 Jahre berechnet hatten. In dieser Zeit wären sie in den Tiefbunkern degeneriert. Vielmehr hatten sie ihren Nachwuchs konserviert und ihre Zeit abgewartet.
Enttäuschend war für sie nur die Feststellung, daß bei ihrem endgültigen Erwachen die irdische Menschheit längst der Steinzeitepoche entwachsen war. Wir hatten sogar schon den Mond erobert, und die ersten Raumschiffe stießen bis zum Mars vor.
Diese Tatsachen hatten ihre ursprünglichen Pläne umgeworfen.
Uljitschin schloß das Luk und schaltete eine große Bildfläche an der einen Querwand ein. Sie begann farbig und dreidimensional zu arbeiten.
Er schien sehr nervös zu sein. Immer wieder musterte er uns mißtrauisch. Seine Hände ließen den Maschinenkarabiner nicht los.
Auch bei den Mutanten war eine gewisse Unruhe spürbar.
Manzo konnte ich durch die Gitter hindurch beobachten. Diesmal war er wirklich geistig abwesend. Den leeren Blick kannte ich. Also gab er eine Telepathiesendung über die bisherigen Ereignisse durch. Ich konnte auf meinen gefahrbringenden Sender verzichten.
Im Schiff klang ein leiser Brummton auf. Als er sich zu heulenden Geräuschen steigerte, setzte Uljitschin rasch eine metallisch glänzende Haube auf. Er schützte damit sein empfindliches Gehirn vor den hohen Schwingungen des anlaufenden Triebwerks.
Ich dachte an den starken Schallwerfer in Manzos Höcker. Notfalls konnte er uns von Nutzen sein. Das Heulen blieb; dann verwandelte sich das Fernbild. Ich saß ungefähr in der richtigen Blickrichtung, so daß ich nicht den Kopf zu drehen brauchte. Das war vorteilhaft.
Der Raumer stieg senkrecht aus dem Felskessel heraus. Der Boden fiel förmlich zurück. Sofort darauf waren die gesamten Niglin-Berge zu übersehen. Wesentliche Ausschnitte der Oberfläche folgten.
Plötzlich tauchte am fernen Horizont der strahlende Glutball der Sonne auf.
Etwas später hing der Mond als mächtige Kugel unter uns. Der Raumer schien auf Kurs zu gehen. Ich konnte nun auch die Sichel der Erde ausmachen.
Alles zeugte davon, daß wir mit starken Beschleunigungen flogen, doch ich verspürte nicht den geringsten Andruck.
Ich wollte Hannibal spöttisch angrinsen, mußte es jedoch unterlassen, da sich der Kapitän in dem Augenblick prüfend umblickte.
Sie besaßen also doch Maschinen, mit denen sie die Kräfte des Beharrungsvermögens beseitigen konnten. Die normale Schwere blieb erhalten. Nichts änderte sich, und geortet wurden wir auch nicht.
Dabei standen Hunderte von modernsten Radar-Objekttastern auf dem Mond. Besonders Luna-Port verfügte über weitreichende Großgeräte. Trotzdem wurden diese Teufel einfach nicht angemessen!
In mir kam Verzweiflung auf. Wir mußten Erfolg haben; wir mußten einfach!
Wenn die Deneber eines Tages mit einer Flotte solcher Schiffe ankamen, waren wir rettungslos verloren.
Der Mond verschwand. Über dem Schiff lag ein ohrenbetäubendes Heulen. Dicht hinter dem Laderaum toste der Lärm in tieferen Tonlagen. Die Geräusche gingen wahrscheinlich von Hilfsmaschinen oder Nebenaggregaten aus, die verantwortlich für die Energieversorgung der vermuteten Kraftfelder waren. Um welche handelte es sich aber?
Es gibt so viele Arten von Energie, und die Deneber schienen noch einige mehr zu kennen.
Ich visierte einige helle Sterne am Rand der Bildfläche an. Kaum entdeckt, wanderten die Leuchtpunkte wieder aus.
Ich schätzte die Zeit. Es mochte seit dem Start eine gute halbe Stunde vergangen sein.
Als das tiefe Röhren hinter uns leiser wurde, um fast gänzlich zu verstummen, wußte ich, daß wir knapp unterhalb der einfachen Lichtgeschwindigkeit durch den Raum rasten.
So war das also! Wir erlebten den Traum eines jeden irdischen Wissenschaftlers bei diesem Flug dicht unterhalb der Lichtmauer. Man bewältigte pro Sekunde fast dreihunderttausend Kilometer.
Ich brauchte mich um meine geschauspielerte Starre nicht mehr zu bemühen. Sie war nun von selbst über mich gekommen. Ich war überwältigt, hingerissen von diesem einmaligen Erlebnis.
Kapitän Uljitschin blieb völlig kalt. Er achtete nur auf uns und die lauter gewordenen Mutanten. Einige schrien kläglich, andere hatten sich angstvoll in die Ecken verkrochen.
Ich lauschte auf das titanische Heulen weit hinten im Rumpf. Es mußte dort sein, wo ich vor dem Start die heftige Wärmestrahlung bemerkt hatte.
Es war das Haupttriebwerk, das ahnte ich. Es lief nach wie vor mit voller Kraftentfaltung.
Ich mußte an unsere physikalischen Gesetze denken, an den Wissenschaftler Albert Einstein. Ein jeder Körper, der sich der Lichtgeschwindigkeit nähert, sollte in seiner Masse dem Unendlichkeitsfaktor zustreben.
Das war hier der Fall. Die Masse des Schiffes wurde langsam unendlich, natürlich nicht in der bildlich vorstellbaren Ausdehnung, sondern im relativistischen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Triebwerks.
Ein freier Fall wie in niederen Geschwindigkeitsbereichen schien nicht mehr möglich zu sein. Bei dieser hohen Fahrt mußten die Aggregate laufend mit Vollwerten arbeiten, damit die Fahrtstufe konstant blieb.
Ich fragte mich, warum wir nicht auf Überlichtgeschwindigkeit gingen, bis mir die Logik sagte, daß dies bei der kurzen Strecke völlig fehl am Platze wäre. Vielleicht konnte man das innerhalb eines von Gravitationsfeldern und Kraftlinien angefüllten Sonnensystems auch nicht durchführen oder riskieren. Was wußten wir über die Fakten einer überlichtschnellen Fahrt! Überhaupt nichts.
Nach wenigen Minuten erscholl wieder das Röhren hinter der Querwand. Die Hilfsmaschinen setzten erneut mit vollsten Leistungswerten ein. Ich hielt das für den Beginn des Bremsmanövers, das natürlich wiederum eine Neutralisation der fürchterlichen Andruckkräfte bedingte.
Es schien alles so klar zu sein, und doch war es so unendlich schwierig! Ob das die Menschheit jemals schaffen könnte?
Die Sterne wurden wieder erkennbar. Man bremste mit unglaublichen Kräften, obwohl das Heck des Raumers noch nicht einmal gegen die bisherige Fahrtrichtung gedreht worden war. Womit bremsten sie also?
Ich mußte erst genau hinhören, bis ich die von vorn kommenden Arbeitsgeräusche erfaßte. Also es existierte auch ein Bugtriebwerk, wahrscheinlich ebenso leistungsfähig wie das im Heck.
Man hätte verzweifeln können bei einer derart drastischen und von maßloser Überlegenheit zeugenden Vorführung.
Dann drehte sich plötzlich der Schiffskörper. Ich hätte schreien mögen, als ich den riesengroßen Planeten Mars erkannte. Blutrot leuchtete er auf dem Fernbild, es fast ganz ausfüllend.
Wir waren demnach schon angekommen. Ich sah Hannibal krampfhaft schlucken.
Kein Wunder – vor vielleicht zwei Stunden hatten wir das alles noch angezweifelt, und nun hingen wir über dem Roten Planeten. Es war unvorstellbar.
Die Negativen schrien vor Angst. Einer der Wächter feuerte einen Elektroschuß in die künstliche Luft des Laderaumes ab. Sofort wurden sie ruhiger.
Uljitschin schwieg. Er hatte gesehen, daß der Posten keinen geschockt hatte.
Nun wartete ich auf die Landung, auf die Einleitung zur Kreisbahn, oder auf das direkte, kompromißlose Hinabrasen zur Oberfläche. Die Technik beherrschten sie gewiß. Mit dem Reibungswiderstand konnten sie bestimmt fertig werden.
Es geschah jedoch nichts dergleichen. Was war nun los? Was sollte das heißen?
Die Minuten wurden zu qualvollen Ewigkeiten. Manzo zitterte in seinem Sessel. Als dann einer der beiden Marsmonde sichtbar, wurde, begann ich allmählich zu begreifen.
Da wir so nahe bei dem Planeten waren, konnte es sich bei dem Trabanten nur um Phobos, den inneren Mond, handeln. Deimos hatte eine viel weitere Umlaufbahn. Wenn er es gewesen wäre, hätten wir den Mars nicht so groß wahrnehmen können.
Ich dachte an die Berechnungen einiger Wissenschaftler. Sie hatten schon vor mehr als dreißig Jahren behauptet und versucht nachzuweisen, zumindest einer der beiden Marstrabanten könnte nicht natürlichen Ursprungs sein.
In letzter Zeit waren neue Theorien aufgetaucht, wonach man gerade Phobos für eine als Mond getarnte Raumstation der alten Marsianer hielt. Dann mußte es allerdings ein gigantischer Satellit sein. Phobos hat einen Durchmesser von etwa zehn Kilometer.
Ich wartete atemlos, von tausendfachen Hoffnungen erfüllt. Wie – wenn das wirklich ein gigantischer Hohlkörper war? Wenn die rätselhafte Brutstation der Deneber überhaupt nicht auf dem Mars, sondern innerhalb des Mondes lag? Viel mußte uns dadurch erspart bleiben, das Unternehmen konnte sich damit grenzenlos vereinfachen.
Wenn dort Manzos Bombe explodierte, blieb von dem Gebilde nichts übrig.
Ich dachte noch bebend an die so jählings veränderten Verhältnisse, als der Raumer in eine dunkelgähnende Öffnung hineinglitt. Wenig später zischte draußen Luft.
Wir erhielten den Befehl, die Mutanten truppweise aus den Käfigen zu lassen.
Diesmal hielt ich mich in der Mitte. Als wir aus dem Luk traten und den Laufgang hinabschritten, sah ich wieder keine Deneber. Man schien die ohnehin total verstörten Mutanten nicht noch nervöser machen zu wollen.
Nur Uljitschin blieb in der Nähe. Wir stellten uns in der riesenhaften Luftschleuse auf und marschierten dann geschlossen durch ein aufgleitendes Tor. Wir waren innerhalb des Mondes Phobos!
Ich bemerkte metallische Wände, geglättete Böden und überall liftähnliche Konstruktionen. Außerdem existierten einfache Schächte, über deren Öffnungen ein seltsames Flimmern lag.
Ein Dröhnen schien über der Raumstation zu liegen. Uralt mußte sie sein – erbaut von Intelligenzwesen, die längst nicht mehr lebten.
En besseres Versteck hätten sich die Deneber wirklich nicht aussuchen können. Das war eine Welt für sich, äußerlich durch Steinkrusten als kleiner Mond getarnt, der seine wahre Identität nur durch seine etwas fehlerhafte Umlaufbahn und seine wahnwitzige Bahngeschwindigkeit teilweise enthüllt hatte.
Nun wußten wir es genau.
Ich versuchte mir vorzustellen, was diese zehn Kilometer durchmessende Hohlkugel alles enthielt. Höchstwahrscheinlich wies sie Hunderte von Etagen auf.
In einer anderen Halle mußten wir geschlossen ein langes Gefährt besteigen. Es sah wie die Wagenschlange einer modernen Vakuum-Röhrbahn aus. Mein erster Eindruck bestätigte sich.
Der Andruck war hart. Draußen hörten wir es pfeifen. Als wir anhielten, hatten wir eine recht beachtliche Strecke zurückgelegt.
Wir trieben die Mutanten aus den Wagen mit dem runden Querschnitt. Sie verhielten sich ruhig, verstummt vor instinktiver Furcht. Uljitschin bemerkte es und erteilte hastig Befehle. Es schien ihm äußerst unangenehm zu sein, die Negativen in einem derart nervösen Zustand zu sehen. Infolgedessen achtete er weniger auf uns Wächter. Er hielt uns nach wie vor für tief hypnotisiert, was auch bei den anderen der Fall war.
Mir stockte der Atem, als wir an einer großen Pforte vorüberkamen, aus der ein seltsames Gefährt herausglitt. Es lief nicht auf Rädern, sondern schien eine Handbreit über dem Boden zu schweben. Ich konnte einen kurzen Blick in den Saal werfen.
Er war angefüllt mit rechteckigen Behältern. In Reih und Glied standen sie, miteinander verbunden durch Kabel und Leitungen. In ihnen wallte und brodelte die schleimige Brühe, die wir schon in der Deneber-Station auf dem Mond gesehen hatten.
Tausende fast fertig entwickelter Keimlinge schwammen darin.
Ich unterdrückte den aufsteigenden Brechreiz. Die Tür schloß sich schnell. Der Kapitän sah sich aufgeregt um und musterte uns durchbohrend, doch ich schritt steif und teilnahmslos an ihm vorbei.
Wir kamen in eine andere Halle, wo bereits einige Deneber warteten. Die Mutanten erschraken nicht. Sie konnten den Unterschied zwischen Erdenmensch und Deneb-Abkömmlingen wohl auch nicht richtig erfassen.
Die Fremden trugen helle Kombinationen. Im Hintergrund standen wuchtige Maschinen, davor lange Tröge. Eine breiige Masse brodelte darin. Das waren wohl auch einmal negative Mutanten von der Erde gewesen! Also hatte das »Gedächtnis« doch recht gehabt, als es errechnete, die Grundstoffe zur biologischen Erzeugung der Menschen-Nachahmungen stammten von echten Lebewesen, die im wahrsten Sinne des Wortes »verarbeitet« wurden.
An den anderen Wänden befanden sich Käfige, in die wir die Wilden hineintreiben mußten. Danach erfolgte der schroffe Befehl, der uns zum sofortigen Rückzug zwang.
Unsere Wächterrolle war ausgespielt.
Uljitschin führte uns in einen größeren Nebenraum.
»Auf die Lager setzen«, sagte er suggestiv. »Sie schlafen jetzt – Sie schlafen ganz fest und tief, bis Sie geweckt werden.«
Wir sanken zusammen wie abgeschnittene Pflanzen. In allen Stellungen lagen die Wächter reglos auf den flachen Polstern und atmeten sehr tief. Sie waren einfach abgeschaltet worden.
Aus schmal geöffneten Lidern beobachtete ich die Nachahmung eines russischen Raumoffiziers. Er ging prüfend an uns vorbei und verschwand dann so rasch, wie ich es kaum erhofft hatte.
Wir hatten keine Sekunde mehr zu verlieren. Er konnte alle Augenblicke zurückkommen.
Manzo hatte sich dicht neben mich gelegt, Hannibal ruhte nahe der Tür.
Mein Zischeln wurde nur von ihnen vernommen. Während er sich langsam umdrehte und die getarnte Thermo-Rak-Automatik anhob, wälzte sich Manzo auf die andere Seite, damit ich seinen Höcker öffnen konnte.
Die Magnetverschlüsse der Spezialkombination klafften auseinander. Der nackte Buckel lag vor mir.
Ich tippte die Kodezahlen in die Taste. Der Behälter klappte auf. Meine Hände zitterten, als ich die Bombe aus den Halterungen klinkte. Sie war hier viel schwerer als auf dem Mond. Anscheinend hatten die Deneber die künstliche Gravitation von Phobos ihren Bedürfnissen entsprechend eingerichtet.
Ich wurde in der liegenden Haltung mit dem schweren Sprengkörper nicht fertig. Manzo erhob sich sofort, als er meine vergeblichen Bemühungen bemerkte, und nahm sie in seine starken Arme.
Es ging alles sehr rasch. Mit einem Griff hatte ich den Zeitzünder auf zweieinhalb Stunden eingestellt. Dann nickte ich dem Mutanten zu.
Gewaltsam zog ich die niederen Polster von der Metallwand zurück. Er legte die flach gearbeitete Bombe in den Spalt, anschließend schoben wir das Lager wieder vor.
Man konnte den Sprengkörper nur dann entdecken, wenn man sich weit vorbeugte. Ich hoffte inbrünstig, daß niemand den kleinen Abstand zwischen Polster und Wand bemerken werde.
Sonst unternahmen wir nichts, allerdings hatten wir die Schockgewehre auf Thermo-Rak-Geschosse umgeschaltet. Kein Ton war gesprochen worden, doch dafür atmeten wir laut und erregt wie gehetzte Tiere.
Als die Tür wieder aufglitt, hatten wir unsere alten Stellungen wieder eingenommen. Uljitschin gab den Befehl zum Erwachen.
Wieder ging es durch die Gänge zu der Rohrbahn, die in dieser gigantischen Raumstation wohl erforderlich war. Niemand sprach ein Wort.
Sehr schnell hatten wir wieder das Raumschiff erreicht. Der Start erfolgte unmittelbar nach unserem Eintreffen. Wir hielten uns in dem gleichen Laderaum auf.
Erst als der Mars unseren Blicken entschwand und die tobenden Maschinen zu hören waren, lockerte sich meine unsägliche Spannung. Hannibal perlte der Angstschweiß auf der Stirn. Sogar Manzo zitterte. Das erstaunte mich, da ich immer angenommen hatte, die Natur hätte ihn mit »eisernen« Nerven ausgestattet.
Die Deneber brachten uns tatsächlich zurück! Niemals hatte ich ernsthaft damit gerechnet, niemals! Es war alles so einfach gewesen, so erschreckend unkompliziert.
Ich vergaß momentan völlig, daß eine Lösung immer dann einfach erscheint, wenn man sie nach unendlichen Mühen gefunden hat. So war es auch in unserem Falle.
Dann näherten wir uns erneut der Lichtgeschwindigkeit. Ich dachte, innerlich fiebernd, an die »vergessene« Bombe. Funktionierte der Zünder tatsächlich? Ging sie nicht zu früh, vielleicht überhaupt nicht hoch? Es war eine Qual, still und starr neben den Freunden zu hocken und auf etwas zu warten, was vielleicht durch einen lächerlichen Zufall niemals eintreten konnte. Was würde geschehen, wenn die Bombe vorzeitig entdeckt würde?
Hannibal sah mich plötzlich beschwörend an. Ich wußte auch, daß meine Lippen krampfhaft gezuckt hatten.
Als der irdische Mond wieder auftauchte, zogen wir einige lange Schleifen. Der Flugkörper landete in einer großzügig angelegten Bremsellipse, als hätte es niemals schnelle und schwerbewaffnete Raumjäger gegeben.
Das verzögerte die Landung. Es dauerte alles viel zu lange. Ich machte mir bereits bittere Vorwürfe!
Warum hatte ich den Zünder nicht auf drei oder dreieinhalb Stunden eingestellt! Wenn die Explosion jetzt schon stattfand, konnte in dem gemächlich landenden Raumschiff eine katastrophale Situation entstehen.
Manzo und Hannibal dachten auch daran. Sie hielten ihre Waffen umklammert. Der Blick des Mutanten schweifte immer häufiger zu dem Kapitän hinüber.
Endlich erfolgte die Landung. Die Maschinen verstummten. Gleich darauf erhielten wir den Befehl, die unglaubliche Konstruktion zu verlassen.
Meine Fingerspitzen ruhten auf den Magnetverschlüssen innerhalb der Oberschenkel. Deutlich spürte ich die beiden Verzögerungs-Atombomben, deren Energieentwicklung nur in der Form von Hitze auftrat. Sie explodierten nicht, sie zerfielen in einem Kernprozeß von fünfzehn Minuten Dauer. Das erzeugte auch noch im äußern Gasball eine Hitze von wenigstens hundertzwanzigtausend Grad.
»Folgen Sie mir«, befahl Uljitschin und verließ den Raum. Die Bomben rutschten in meine Handflächen. Kaum hörbar flüsterte ich:
»Auf fünfzehn Minuten einstellen. Fallen lassen.«
Die Handgriffe beherrschten wir wie im Schlaf. Insgesamt sechs Höllengewächse aus unseren kernphysikalischen Mikrolabors rollten unter die Sitze. Der Laderaum lag in der Mitte des Schiffes.
Erst danach gingen wir. Etwas schneller also sonst, aber niemand merkte es.
Weiter vorn sah ich zwei Deneber. Es schienen die einzigen Mitglieder der Besatzung zu sein. Wir kamen durch den Druckschlauch wieder in die Höhle, deren innere Luftschleuse sich saugend schloß.
Die Nachahmung des Dr. Wjerbow stand in der Halle.
»Sie kommen spät!« warf er dem Offizier vor. Er war sehr heftig. »Nun aber schnellstens die Sperre vorlegen. In einer halben Stunde beginnt schon die Morgenfütterung.«
Die ersten der heimgekehrten Wächter wurden in den Nebenraum geführt, wo bereits der Arzt wartete. Die Roboter aber auch, das ahnte ich.
Sie kamen nicht mehr zurück. Ich vermutete daher, daß man sie nach dem Erwecken auf einem anderen Weg in die Monsterhöhlen zurückschickte.
Manzo wurde vor uns abgeholt. Hannibal und ich kamen als letzte an die Reihe. Der Stab erschien wieder. Eindringlich wurde uns suggeriert, daß wir alles zu vergessen hätten. Wir wären zur Untersuchung in die Halle gekommen, hätten dort gewartet und die Negativen bewacht, bis wir nun wieder gehen könnten. Der Befehl zum Aufwachen wurde ausgesprochen.
Wir ließen uns Zeit und spielten danach die völlig Unbefangenen. Dr. Wjerbow lächelte freundlich.
»Gehen Sie zu Ihrer Station zurück«, sagte er verbindlich. »Die Türen sind auf. Den Weg kennen Sie ja, nicht wahr? Nein – benutzen Sie diese Tür hier.«
Wir winkten ihm zu. Trotzdem lag mein Finger noch immer auf dem Abzug der Waffe.
Als wir gerade den Gang erreicht hatten, vernahm ich die entsetzten Schreie. Es war Uljitschin, und dann fiel auch der Arzt ein.
Draußen mußten soeben die Bomben im Raumschiff in den Kernprozeß getreten sein. Vor einigen Minuten hatte auch unsere Hinterlassenschaft auf Phobos ihre Wirkung entfaltet. Wenn alles nach Plan verlaufen war, stand an Stelle des imitierten Mondes nun ein gigantischer Glutball von Sonnen-Temperatur. Solchen Gewalten konnte auch eine zehn Kilometer durchmessende Raumstation nicht widerstehen.
Hannibal lag plötzlich auf dem Boden. Draußen erfolgte eine dumpfe Detonation. Die Felswände begannen zu beben. Das Raumschiff existierte nicht mehr.
Uljitschin und Dr. Wjerbow erschienen plötzlich unter der schmalen Tür. Ihre Gesichter waren verzerrt. Der Kapitän hielt seine Waffe schußbereit.
Wir schossen schneller. Dann rannten wir um unser Leben.
Hinter uns begannen die Wände zu glühen. Heiße Luftschwaden folgten uns in ihrer expansiven Ausdehnung.
Unsere Haare begannen zu knistern. Wir liefen lautlos und jeden Atemzug sparend. Draußen grollte es weiter.
Endlich hatten wir die Steigung des Ganges überwunden. Der Ausgang lag noch weit vor uns, als sich Hannibal für einen Augenblick umdrehte. Sein gellender Schrei ließ mich herumfahren. Sofort sah ich das rote Flimmern vor den Strahlermündungen der Roboter.
Ungefährdet hatten sie die Gluten unserer Thermo-Geschosse durchschritten und standen nun hinter uns. Ehe ich es noch recht erfaßt hatte, waren wir von dem Roten Leuchten eingefangen und umwabert.
Das war der Tod – er mußte es einfach sein.
»Nicht laufen«, schrie ich Hannibal verzweifelt zu. »Feure auf die Wände.«
Gleichzeitig rissen wir die Abzüge durch. Die Automatiks begannen zu schießen.
Peitschende Knalle vermischten sich mit dem Lärm davonrasender Rak-Projektile. Dicht vor den Robotern schlugen sie in die Wände und entflammten.
Plötzlich waren die Maschinen nicht mehr zu sehen.
»Weiterschießen«, rief der Kleine, »weiterschießen, oder sie kommen auch dort wieder durch. Die Wände müssen schmelzen.«
Ich schoß mein Magazin leer und behielt nur wenige Schuß übrig. Die anderen Magazine trug Manzo in seinem Höcker.
Dann jagte uns wieder die Glut. Weiter hinter uns zerlief das Gestein und bildete einen wabernden Pfropfen im Gang.
Taumelnd erreichten wir die vordere Tür. Fast gleichzeitig erschien Manzo. Er fing uns auf. Dann bemerkte ich aus stumpfen Augen den zweiköpfigen Mutanten.
»Schließ die Tür«, brüllte ihn Manzo an. »Egal wie, aber schließe sie.«
Ich sah, wie die beiden Köpfe seltsam erstarrten. Sie arbeiteten mit ihren telekinetischen Gaben, und plötzlich glitt das Stahlschott nach unten.
Es handelte sich um hochverdichtetes Material, das der Hitze im Gang gut widerstehen mußte.
Hannibal wimmerte vor Schmerzen. Wir lagen in dem weiten Hauptstollen. Vor uns stand der Doppelkopfmutant in hilfloser Haltung.
»Was ist eigentlich?« fragte Torby weinerlich. »Ist etwas los?«
Ich lachte schrill.
Ob etwas los wäre!
Manzo riß mir die verbrannte Kombination vom Rücken. Sehnlichst wartete ich bei seiner Hilfeleistung auf meine geistige Umnachtung.
Er gab mir Injektionen, die den Schmerz betäubten. Auch Hannibal hörte auf zu stöhnen. Aufpeitschungsmittel mobilisierten unsere letzten Kraftreserven.
Andere positive Mutanten erschienen auf dem Gang. Sie nahmen eine drohende Haltung an, doch da sagte der rechte Kopf gelassen:
»Keinen Schritt weiter, Freunde, oder ihr fliegt alle gegen die Wand. Wollt ihr mal sehen?«
Ich schob eben das neue Magazin aus Manzos Höcker auf die Waffe, als Ponti, der Vogelköpfige, plötzlich in der Luft hing. Sie hatten ihn einfach hochschweben lassen.
»Wo sind die Truppen?« stöhnte ich. »Manzo, du hast doch hoffentlich sofort eine Nachricht abgesetzt.«
»Noch vor der Landung. Der Angriff rollt. Hörst du es donnern?«
Ja, das waren Sprengungen. Ferne Stimmen klangen auf.
»Kiny sagt, Phobos wäre vor einer halben Stunde explodiert. Sie hatten ihn genau in den Riesenteleskopen. Neben dem Mars geht eine neue Sonne auf. Vorn in den Kuppeln haben bereits die Explosionen stattgefunden. Der Kommandeur dürfte nicht mehr am Leben sein. Auf der Erde haben die Geheimdienste gleichzeitig geschaltet.«
Hannibal stand mit schußbereiter Waffe vor den positiven Mutanten. Immer mehr kamen aus ihren Stationen herbei, um sich nach dem Lärm zu erkundigen.
»Nur mit der Ruhe«, wehrte der Kleine ab. »Macht keinen Blödsinn mit euren Schockgewehren. Wir haben wirksamere Mittel. Die Hitze im Gang ist von uns erzeugt worden. Haltet Ruhe, bis die Truppen eintreffen.«
»Welche Truppen?« schrie einer erregt.
»Russische, gesamteuropäische und amerikanische. Zu eurer Information, Freunde, wir sind keine Mutanten sondern Angehörige des Geheimdienstes. Wir haben hier verbrecherische Vorgänge aufgedeckt, aber das betrifft nicht euch. Haltet Ruhe.«
»Ach so ist das«, sagte einer der beiden Köpfe. »Ihr benahmt euch schon immer etwas seltsam.«
Weit vorn tauchte ein stählernes Ungetüm auf. Ich wankte dem schweren Mondpanzer entgegen und winkte mit beiden Händen. Mittels Lautsprecherdurchsagen wurden die Positiven in die Stationen zurückbeordert. Sie befolgten die Anweisungen widerspruchslos.
Plötzlich stand ich vor dem Chef des russischen Geheimdienstes. Ärzte sprangen aus anderen Fahrzeugen und sorgten dafür, daß wir auf Tragen gelegt wurden.
»Was ist mit der Deneber-Station?« fragte ich. Die Schmerzen waren zwar verschwunden, aber der Körper war derart angegriffen, daß sich nun die völlige Erschöpfung einstellte.
»Eine glühende Atomsonne ist daraus geworden«, teilte er mir mit.
Soldaten hasteten vorbei. Es waren Eliteeinheiten von der russischen Raumlande-Division und Leute aus unserem Einsatzkorps.
»Sie kommen sofort in die Klinik«, ordnete Gregor Gorsskij an. »Sie sehen sehr mitgenommen aus. Wußten Sie nicht, daß auf den Marsmonden der Zutritt verboten war?«
Der Mann hatte einen abstrakten Humor. Ich lachte verzweifelt.
Dann wurden unsere Tragen in einen Wagen geschoben und in schneller Fahrt erreichten wir die Klinik.
Unterwegs nahm Manzo, der neben uns saß, bereits mit Kiny Kontakt auf.
Wir fanden sie und TS-19 in den Druckkuppeln. Im Gebirge tobten noch schwere Kämpfe. Ich hörte deutlich das Röhren der marsianischen Strahlwaffen, mit denen unsere Leute die denebischen Roboter angriffen und vernichteten.
Mir wurde erklärt, die Kampfmaschinen wären ausschließlich im Gebirge stationiert gewesen. Zu unserer Testuntersuchung war nur einer in die Kommandantur geholt worden. Wäre das nicht so gewesen, dann hätten wir jetzt auch keine Druckkuppeln mehr gehabt. Marsianische Energiestrahler wären sehr schnell mit dem bißchen Panzerplast fertig geworden.
Oberstleutnant Kamow war tot.
Verwundete wurden eingeliefert. Wir vernahmen Worte in russischer und englischer Sprache. Um die Menschheit vor einer drohenden Katastrophe, ausgehend von den Angehörigen eines galaktischen Intelligenzvolkes, zu bewahren, hatten die Regierungen der Erde zusammengearbeitet und gemeinsam gehandelt.
Wir waren längst in Gewebeverbände gehüllt, als endlich der Alte unseren Raum betrat. Wortlos drückte er uns die Hände.
»Lassen Sie nur Ihren Bericht«, sagte er. »Ich habe von Manzo schon alles erfahren. Unsere Anfrage, ob auf dem Mars auch noch eine Deneber-Station existiert, hat das ›Gedächtnis‹ mit hundertprozentiger Sicherheit mit Nein beantwortet. Die Fremden hatten in dem künstlichen Mond derart viel Platz, daß sie auf keine anderen Orte mehr angewiesen waren. Nebenbei, Major, unsere neuen Plasma-Kreuzer sind vor etwa einer Stunde gestartet. Ich wette, daß sie gut durchkommen, zumal Sie das wahrscheinlich letzte Raumschiff der Deneber vernichtet haben. Ich denke, der Fall ›Deneb‹ ist damit für alle Zeiten erledigt.«
Er lachte leise und ließ sich erschöpft auf die Kante des Lagers sinken. Ich konnte mir vorstellen, daß er in den letzten Tagen keine Minute mehr geschlafen hatte.
Das bestätigten auch seine leisen Worte:
»Konnat, Sie haben die gesamte GWA in Atem gehalten, das können Sie mir glauben. Was denken Sie wohl, was los war, bis wir endlich Ihre Schockgewehre umgebaut hatten. Bis die Spezialbombe fertig war und all die anderen Geräte! Wir hatten Glück, daß Sie nicht wirklich auf dem Mars landeten. Mit Phobos hatte niemand gerechnet, nicht einmal das Robotgehirn. Nicht zu fassen! Sie dürften einige Jahrhunderte lang die einzigen Menschen sein, die jemals einen lichtschnellen Raumflug erlebt haben.«
»Das war das einzig Schöne an dem risikovollen Unternehmen«, behauptete Hannibal nachdenklich.
Er verstummte mitten im Satz und fuhr fort. Der Gewebeverband quietschte. Leichenblaß sah mich der Kleine an.
»Was ist denn?« fragte General Reling beunruhigt.
»Großer«, stöhnte Hannibal, »Großer, bin ich eigentlich noch normal? Die Roboter hatten uns doch im Roten Leuchten! Wie viel Stunden sind seitdem vergangen? Großer, bin ich noch normal?«
Ich nickte stumm. Unablässig hatte ich daran denken müssen. Die Furcht vor einem Ende in völliger Apathie hatte mich bald gelähmt. Doch jetzt glaubte ich nicht mehr daran.
»Das war meine Befürchtung, ehe ich diesen Raum betrat«, sagte Reling schweratmend. »Konnat, wissen Sie jetzt, warum ich Ihnen diese Netze in die Kopfhaut einsetzen ließ? – Es sind mehr als sieben Stunden vergangen. Die abschirmenden Netze haben bei Ihnen ihre Schuldigkeit getan.«
Bei seinen Worten fiel die Qual der letzten Stunden von mir ab. Erleichtert sank auch Hannibal in die Kissen zurück.
Draußen, über dem Mond, lag noch immer die Nacht. Aber es mußte bald Tag werden, so wie es immer Tag wurde auf der nahen und doch so fernen Erde.
Der russische Geheimdienstchef erkundigte sich nach unserem Befinden. Die Säuberungsaktion war abgeschlossen; die wenigen Kampfroboter vernichtet und die Nachahmungen erschossen.
Als er gehen wollte, hielt ich ihn mit einem kurzen Ruf zurück.
»Ja?«
»General, wird es nun zwischen Ihnen und uns so bleiben wie es jetzt ist? Ich meine, arbeiten wir auch in Zukunft friedlich Hand in Hand, oder soll der Kalte Krieg zwischen den Geheimdiensten wieder aufleben?«
Er sah mich lange an, ehe er bedächtig den Kopf schüttelte.
»Nein, die Zeit des gegenseitigen Mißtrauens ist vorbei. Seitdem wir wissen, daß wir im weiten All nicht allein sind, dürfte sich das überlebt haben. Darauf können Sie vertrauen, Major! Diese Tatsache ist ein besserer Garant für den wirklichen Frieden zwischen den Erdenvölkern als die sogenannte menschliche Vernunft. Darauf hätte ich mich wenigstens nicht verlassen – ich nicht!«
Uns aufmunternd und zuversichtlich zunickend schritt er hinaus.
Ich war zufrieden, endlich einmal zufrieden, obwohl es nun im Sonnensystem einen Mond weniger gab.
ENDE