10.


Vor ei­ner Stun­de hat­te ich über das Bild­sprech­ge­rät von Ka­pi­tän Ul­jit­schin den Be­fehl er­hal­ten, sechs ne­ga­ti­ve Mu­tan­ten nach der Abend­füt­te­rung in einen ge­son­der­ten Kä­fig ein­zu­sper­ren und wei­te­re An­wei­sun­gen ab­zu­war­ten.

Ich hat­te nach dem Warum ge­fragt und die Aus­kunft er­hal­ten, es han­del­te sich um ei­ne ärzt­li­che Un­ter­su­chung.

Han­ni­bal war von da an im Um­gang ziem­lich schwie­rig. Wir führ­ten die Füt­te­rung durch und wähl­ten die sechs We­sen aus.

Sie wa­ren mir ge­nau nach den Num­mern be­zeich­net wor­den. Als wir sie mit schuß­be­rei­ten Schock­waf­fen in den bis da­hin lee­ren Groß­kä­fig trie­ben und das Git­ter ver­schlos­sen, sah ich, daß es sich bei ih­nen um die bes­ten und ver­nünf­tigs­ten aus der gan­zen Meu­te han­del­te.

Sie hat­ten noch ei­ne ei­ni­ger­ma­ßen men­schen­ähn­li­che Ge­stalt und be­sa­ßen auch einen ver­hält­nis­mä­ßig gu­ten Ver­stand. Ei­ni­ge von ih­nen konn­ten un­deut­lich spre­chen.

Ih­re Fra­gen be­ant­wor­te­te ich mit ei­nem Schul­ter­zu­cken. In mir krampf­te sich et­was zu­sam­men. Wenn wirk­lich ei­ner der Trans­por­te be­vor­stand, so hat­te ich so­eben mit To­des­kan­di­da­ten ge­spro­chen. Nie­mals konn­ten wir sie da oben in Si­cher­heit brin­gen.

Auch un­ser Schick­sal war noch völ­lig un­ge­wiß, die Ri­si­ken kaum kal­ku­lier­bar.

Auf dem Rück­weg zur Wach­stu­be flüs­ter­te Han­ni­bal auf­ge­regt:

»Großer, ich ah­ne et­was. Das geht heu­te noch los. Wahr­schein­lich in der Schlaf­pe­ri­ode. Ich füh­le, daß wir auch da­bei sein wer­den. Wenn nicht, war al­les um­sonst.«

»Es ge­nügt, wenn Man­zo mit sei­ner Bom­be oben an­kommt«, mur­mel­te ich. »Ei­ner von uns könn­te mit sei­nen bei­den klei­nen Hand­bom­ben nicht viel aus­rich­ten. Das heißt – die Brut könn­te man da­mit zwar ver­nich­ten, nicht aber ei­ne große Stadt.«

»Rech­nest du mit ei­ner?«

»Warum nicht. Sie hat­ten auch auf dem Mond gi­gan­ti­sche Un­ter­grund­sied­lun­gen. Wir wis­sen, daß sich die da­ma­li­ge Mars­be­völ­ke­rung wäh­rend des lan­gen Raum­krie­ges in große Städ­te un­ter der pla­ne­ta­ri­schen Ober­flä­che zu­rück­zog. Das wird wohl je­des Volk so ma­chen. Das Atom­zeit­al­ter for­dert sei­nen Tri­but.«

»Du soll­test TS-19 an­fun­ken«, be­schwor er mich. »Wenn Man­zo nicht als Trans­port­be­glei­ter ge­wählt wird, dann wird er noch nicht ein­mal et­was er­fah­ren.«

»Ab­war­ten, was wei­ter ge­schieht. Um­sonst ha­ben wir die sechs Ne­ga­ti­ven nicht in den Son­der­kä­fig brin­gen müs­sen.«

Nach­dem wir wie­der ei­ne hal­be Stun­de in der Wach­stu­be sa­ßen, er­schi­en Ul­jit­schin er­neut auf dem Bild­schirm. Ein an­de­rer Of­fi­zier ließ sich nicht bli­cken. Das ver­stärk­te das un­gu­te Ge­fühl in mir.

»Es­sen, ha­ben Sie die Ne­ga­ti­ven ab­ge­son­dert?«

Ich be­jah­te und be­müh­te mich, mei­nem ver­narb­ten Ge­sicht einen neu­gie­ri­gen Aus­druck zu ge­ben.

»Ich öff­ne die Stahl­pfor­te ne­ben Ih­rer Sta­ti­on. Mar­schie­ren Sie mit den Bur­schen den sicht­bar wer­den­den Gang ent­lang. Sie kom­men in ei­ne große Hal­le, wo die Un­ter­su­chung vor­ge­nom­men wird.«

»Ist das die Tür dicht ne­ben un­se­rem Git­ter?« frag­te ich ner­vös.

»Ja. Sie wird of­fen sein. Be­ei­len Sie sich. Pas­sen Sie scharf auf.«

»Ich auch, Ka­pi­tän?« er­kun­dig­te sich der Klei­ne atem­los. Sei­ne Hän­de zit­ter­ten.

»Ja. Sie kom­men mit. Ih­re Sta­ti­on wird in die­ser Schlaf­pe­ri­ode von ei­nem an­de­ren Po­si­ti­ven über­nom­men. Ich brau­che Sie bei der Un­ter­su­chung als Wa­che. Al­les klar? Noch Fra­gen?«

»Kei­ne mehr, Ka­pi­tän. Wir dür­fen doch schie­ßen, wenn die Ne­ga­ti­ven wild wer­den?«

»Nur im äu­ßers­ten Not­fall. Die Un­ter­su­chung er­for­dert ih­re vol­le Ge­sund­heit. Die Schocks grei­fen das Ner­ven­sys­tem schwer an. Rich­ten Sie sich da­nach.«

Als sich die Bild­flä­che ver­dun­kelt hat­te, lach­te der Klei­ne tro­cken auf. Es ver­riet sei­ne Un­ru­he.

»Ach so! Ge­sund müs­sen sie sein. Kei­ne Schocks, äh? Das ist wohl nicht gut für die Zell­ker­ne, die an­ders­wo als Roh­ma­te­ri­al drin­gend ge­braucht wer­den. Des­halb sind wohl auch die Wa­chen er­for­der­lich, nicht wahr! Ei­ne Be­täu­bung durch Dro­gen scheint auch nicht gut zu sein. Ich ver­ste­he, Großer!«

Da­mit hat­te er ge­nau das aus­ge­drückt, was mir eben auf­ge­fal­len war. Ich stand reg­los vor der er­lo­sche­nen Bild­flä­che. Mei­ne Über­le­gun­gen schie­nen im Zeit­lu­pen­tem­po ab­zu­lau­fen.

Es war schon seit je­her die Schwä­che ei­nes GWA-Schat­tens ge­we­sen, sich in selbst­quä­le­ri­schen Zwei­feln zu ver­lie­ren. Leu­te von un­se­rer Schu­lung wa­ren erst dann zu­frie­den, wenn ei­ne be­stimm­te Sa­che im Rah­men der Lo­gik ei­ne ein­wand­freie Lö­sung ge­fun­den hat­te.

Nun be­stand die An­wei­sung, nicht auf die Ne­ga­ti­ven zu schie­ßen. Han­ni­bals Er­klä­rung schi­en ein­wand­frei zu sein. Sie be­ant­wor­te­te auch je­ne Fra­ge, die mich im­mer wie­der ge­fol­tert hat­te.

Warum wa­ren wäh­rend des ver­mut­ba­ren Trans­por­tes zum Mars po­si­ti­ve Wäch­ter er­for­der­lich? Warum wur­den die Wil­den nicht ein­fach be­täubt und oben von Ro­bo­tern im wehr­lo­sen Zu­stand aus­ge­la­den? Bei die­ser Maß­nah­me hät­te wäh­rend der Rei­se über­haupt nichts ge­sche­hen kön­nen.

Nun sah es aber so aus, als müß­te das im In­ter­es­se der hun­dert­pro­zen­ti­gen Ge­sund­heit ver­mie­den wer­den. Es moch­te stim­men, daß sich je­de Art von Schock oder Be­täu­bung nach­tei­lig auf je­ne Zell­ker­ne aus­wirk­te, die man un­be­dingt zu be­nö­ti­gen schi­en.

Dem­nach muß­ten die Mu­tan­ten im kla­ren Zu­stand be­för­dert wer­den, was na­tür­lich Wa­chen er­for­der­lich mach­te.

Jetzt tauch­te die Fra­ge auf, warum die Frem­den die­se Auf­ga­be nicht von ih­ren star­ken Kampfro­bo­tern er­le­di­gen lie­ßen. Zwei die­ser Ma­schi­nen konn­ten mü­he­los mit min­des­tens hun­dert Mu­tan­ten fer­tig wer­den.

Ich sag­te mir, daß die­se doch recht pri­mi­ti­ven Ge­schöp­fe noch einen weitaus stär­ke­ren Schock er­hal­ten muß­ten, so­bald die Gi­gan­ten aus MA-Me­tall in Er­schei­nung tra­ten. Die emp­find­li­chen Hir­ne konn­ten dar­un­ter lei­den, das all­ge­mei­ne Ner­ven­sys­tem moch­te an­ge­grif­fen wer­den. Wir ahn­ten aber, daß ge­ra­de das Ner­ven­ge­we­be für die De­ne­ber be­son­ders in­ter­essant war.

So er­gab sich nach lo­gi­schen Ge­sichts­punk­ten die Tat­sa­che, daß die Ne­ga­ti­ven im ab­so­lut wa­chen Zu­stand trans­por­tiert und von ih­nen be­kann­ten Wäch­tern um­ge­ben sein muß­ten. Die Raum­rei­se wür­de sie wahr­schein­lich schon ner­vös ge­nug ma­chen.

Ich teil­te Han­ni­bal das Er­geb­nis mei­ner Über­le­gun­gen mit. Er nick­te.

»Das ist auch mei­ne An­sicht. Das wä­re ei­ne Lö­sung, und sie scheint be­grün­det zu sein. Ich wüß­te kei­ne ein­leuch­ten­de­re. Du soll­test aber nicht zu­viel den­ken, Großer! Ich ver­mu­te, wir müs­sen uns in nächs­ter Zu­kunft weitaus mehr auf In­stinkt­hand­lun­gen ver­las­sen.«

Wir über­prüf­ten un­se­re Waf­fen. Tas­tend glit­ten un­se­re Fin­ger­spit­zen über groß­ar­tig ge­tarn­te Ma­gnet­ver­schlüs­se, hin­ter de­nen die Aus­rüs­tungs­stücke ver­bor­gen wa­ren.

Zu ver­lie­ren hat­ten wir nicht mehr. Wir konn­ten nur noch ge­win­nen, einen Er­folg für die ge­sam­te Mensch­heit er­rin­gen.

Un­ser so kom­pli­ziert und um­ständ­lich an­ge­lau­fe­ner Ein­satz trug die ers­ten Früch­te. Nie­mals wä­ren wir mit Raum­schif­fen der Erd­völ­ker bis zum Mars durch­ge­drun­gen. Die Ver­nich­tung der TI­TAN hat­te das be­wie­sen.

Al­so muß­ten wir einen Um­weg wäh­len, und den hat­ten wir ein­ge­schla­gen. Die Frem­den soll­ten uns selbst zu ih­rem Stütz­punkt brin­gen. Mit un­se­ren su­per­mo­der­nen Ver­nich­tungs­waf­fen hat­ten wir re­el­le Chan­cen, Ar­meen und rie­si­ge Stütz­punk­te aus­zu­schal­ten. Wir muß­ten nur erst ein­mal wis­sen, wo wir über­haupt an­zu­set­zen hat­ten.

Wir gin­gen auf den Rund­gang hin­aus. Die meis­ten Ne­ga­ti­ven schlie­fen be­reits in ih­ren Kä­fi­gen. Nur die sechs To­des­kan­di­da­ten wa­ren un­ru­hig.

»Ar­me Teu­fel«, stöhn­te der Klei­ne. »Was ma­chen wir mit ih­nen? Wie­der ein­mal das Ge­wis­sen mit dem Deck­man­tel des Be­fehls­not­stan­des und der zwin­gen­den Not­wen­dig­keit zum Schwei­gen brin­gen? Das wi­der­strebt mir zu­tiefst.«

»Op­fer müs­sen ge­bracht wer­den«, sag­te ich mit be­leg­ter Stim­me. »Auf der Er­de le­ben ei­ni­ge Mil­li­ar­den Men­schen. Wel­che Wahl ha­ben wir? Re­de nicht mehr da­von, bit­te!«

Er lach­te ver­zwei­felt auf.

Plötz­lich brach ein Ge­dan­ke durch, der mich schon mi­nu­ten­lang im Un­ter­be­wußt­sein ge­quält hat­te. Ein ein­zi­ger Satz fiel mir ein. Han­ni­bal fuhr zu­sam­men, als ich sei­nen Arm um­klam­mer­te.

»Klei­ner, hat Ul­jit­schin nicht ge­sagt, un­se­re Sta­ti­on soll­te wäh­rend die­ser Schlaf­pe­ri­ode von ei­nem an­de­ren po­si­ti­ven Wäch­ter über­nom­men wer­den?«

Er sah mich nur an. Fie­ber­haf­te Span­nung schi­en ihn zu be­herr­schen.

»Und?«

»Wäh­rend die­ser Schlaf­pe­ri­ode! Den­ke nach und be­grei­fe! Das be­deu­tet doch mit an­de­ren Wor­ten, daß wir nur we­ni­ge Stun­den ab­we­send sind. Der Mars steht zur Zeit sehr na­he. Nur knapp fünf­und­sieb­zig Mil­lio­nen Ki­lo­me­ter ent­fernt. Wenn ein Su­per­raum­schiff mit un­be­greif­li­chen Trieb­wer­ken in kur­z­er Zeit auf Licht­ge­schwin­dig­keit be­schleu­ni­gen kann, des­glei­chen wie­der auf Null­fahrt brem­sen, sind wir zur Mor­gen­füt­te­rung wie­der zu­rück. Nie­mand merkt es! Rech­ne ein­mal nach, Klei­ner! An­ge­nom­men, wir wür­den schon mit Licht­ge­schwin­dig­keit star­ten, so hät­ten wir die fünf­und­sieb­zig Mil­lio­nen Ki­lo­me­ter in ei­ner Zeit­span­ne von et­wa vier­ein­halb Mi­nu­ten zu­rück­ge­legt! Vier­ein­halb Mi­nu­ten!«

»Ver­rückt, to­tal ver­rückt«, sag­te er kopf­schüt­telnd. »Treib mich nicht an den Rand des Wahn­sinns. So­weit kön­nen die ein­fach nicht sein.«

»Die Raum­fahrt der De­ne­ber ist über 187.000 Jah­re alt. Sie be­herr­schen den über­licht­schnel­len Flug. Neh­men wir ein­mal an, sie brauch­ten für die Be­schleu­ni­gungs­pe­ri­ode bis auf Licht­ge­schwin­dig­keit ei­ne hal­be Stun­de. Noch­mals drei­ßig Mi­nu­ten für das Brems­ma­nö­ver. Das er­gibt zu­sam­men ei­ne Stun­de, zu­züg­lich zur ei­gent­li­chen Flug­zeit von run­den fünf Mi­nu­ten et­was mehr als ei­ne Stun­de. Sei­en wir groß­zü­gig und sa­gen wir ins­ge­samt zwei Stun­den. Ei­ne zum Aus­la­den, dann sind wir in un­ge­fähr fünf Stun­den wie­der hier.

Und wenn du in Ohn­macht fällst, den Bur­schen traue ich al­les zu! Wir ha­ben in den un­ter­lu­na­ren Han­gars der aus­ge­stor­be­nen Mar­sia­ner klei­ne Raum­schif­fe ge­fun­den. Die Trieb­wer­ke sind ein­zig­ar­tig. Nie­mand kann sie ver­ste­hen. Pro­fes­sor Scheu­ning spricht so­gar von Schwer­kraft-Ab­sor­bern und Be­schleu­ni­gungs-Neu­tra­li­sa­to­ren. Da­mit kann mit zehn­tau­send Gra­vos be­schleu­nigt wer­den, oh­ne daß du den An­druck spürst.«

»Ja, aber das wa­ren die al­ten Mar­sia­ner.«

»Die de­ne­bi­sche Tech­nik ist nicht schlech­ter. Schließ­lich ha­ben sie vie­le Raum­schlach­ten ge­won­nen. Sie sind gleich­wer­tig, mein Wort dar­auf.«

Wir kämpf­ten mit dem star­ren »Un­mög­lich« un­se­res tech­ni­schen Wis­sens. Es sag­te uns, daß ei­ne Be­schleu­ni­gung von 10 g mehr als ge­nug wä­re. Es be­haup­te­te, die neu­es­ten Plas­ma­rau­mer kämen bis auf et­wa zehn­tau­send Ki­lo­me­ter pro Se­kun­de und auf kei­nen Ki­lo­me­ter hö­her. Die Strahl­ge­schwin­dig­keit der Plas­ma­par­ti­kel wä­re iden­tisch mit der er­reich­ba­ren Höchst­ge­schwin­dig­keit.

Nun soll­ten wir Da­ten ver­ar­bei­ten, die mehr als un­ge­heu­er­lich wa­ren. Ich gab es auf, noch län­ger beim Für und Wi­der zu ver­har­ren. Wir muß­ten wie­der ein­mal ab­war­ten, was zur größ­ten Tu­gend ei­nes je­den GWA-Agen­ten ge­hör­te.

Die sechs Ne­ga­ti­ven duck­ten sich vor un­se­ren Waf­fen­mün­dun­gen. Schar­fe Be­feh­le mach­ten ih­nen be­greif­lich, daß wir nicht mit uns spa­ßen lie­ßen.

Wir brach­ten sie mit dem großen Auf­zug nach oben. Doch auch da ris­kier­ten sie kei­nen An­griff.

An­de­re Un­ge­heu­er er­wach­ten. Sie brüll­ten uns ih­re un­wil­li­gen Ru­fe nach. Der »Sau­ri­er« be­gann zu to­ben. Er woll­te auch frei sein wie die für den Trans­port Aus­ge­wähl­ten. Er wuß­te nicht, daß er froh sein konn­te, ihr Schick­sal nicht tei­len zu müs­sen.

Han­ni­bal dräng­te die sechs Ne­ga­ti­ven wei­ter. Wir ka­men durch un­ser ei­ge­nes Sperr­git­ter, gin­gen auf den Ver­bin­dungs­stol­len hin­aus und ge­wahr­ten ne­ben­an die auf­ste­hen­de Stahl­tür. Wir hat­ten uns durch un­se­re Ge­sprä­che et­was ver­zö­gert. Es wur­de al­ler­höchs­te Zeit.

Hin­ter dem Schott lag ein ho­her Gang. Grell er­leuch­tet, nackt und kahl.

»Be­ei­len Sie sich«, klang es aus ei­nem un­sicht­ba­ren Laut­spre­cher.

Al­so wur­den wir von Fern­se­hau­gen be­ob­ach­tet. Es war Ul­jit­schins Stim­me.

Wir trie­ben die Wil­den zu noch grö­ße­rer Ei­le an. Hin­ten glitt das Stahl­schott aus dem De­cken­spalt nach un­ten.

Nun be­fan­den wir uns in ei­nem Stol­len, der end­los zu sein schi­en und den wir nie zu­vor ge­se­hen hat­ten. Er war im­mer ver­schlos­sen ge­we­sen.

Die Be­leuch­tung wur­de dürf­ti­ger. Die op­ti­sche Ver­en­gung wirk­te wie ein dro­hen­des Loch.

Die Pri­mi­ti­ven be­gan­nen zu wim­mern. Mit ei­nem Strom­schuß ge­gen die Wän­de muß­ten wir sie zum schnel­le­ren Wei­ter­ge­hen ver­an­las­sen. Et­wa zwei Ki­lo­me­ter zog sich der Stol­len durch den na­tür­li­chen Fels. Die Wän­de wa­ren nicht mit der üb­li­chen Kunst­stoff­mas­se ver­klei­det. Den­noch wa­ren sie glatt und fu­gen­los, so daß sie wie gla­siert wirk­ten.

Ich fuhr mit der fla­chen Hand über die Flä­che. Das stamm­te nie­mals von Ma­schi­nen, die von Men­schen kon­stru­iert und her­ge­stellt wor­den wa­ren. Je­der Zwei­fel war aus­ge­schlos­sen.

Am En­de führ­te der Gang steil nach un­ten. Dann stan­den wir er­neut vor ei­ner stäh­ler­nen Tür. Sie glitt auf, als der ers­te Mu­tant zö­gernd im Schritt ver­harr­te.

Ich sah ei­ne große, stark ge­wölb­te Hal­le von el­lip­ti­scher Form. Mein ers­ter Blick galt den zahl­rei­chen Ne­ga­ti­ven, die grup­pen­wei­se ver­teilt an den Wän­den stan­den. Es moch­ten un­ge­fähr hun­dert sein.

Da­nach be­merk­te ich die Wäch­ter. Es han­del­te sich um sie­ben Po­si­ti­ve, doch sie stan­den da, als hät­ten sie un­se­ren Ein­tritt nicht wahr­ge­nom­men. Sie schie­nen nur Au­gen und Oh­ren für ih­re je­wei­li­gen Schütz­lin­ge zu ha­ben, die aus al­len mög­li­chen Sta­tio­nen stam­men muß­ten. Ich kann­te fast kei­nen von ih­nen.

Ul­jit­schin war auch an­we­send, des­glei­chen Dr. Wjer­bow.

Be­feh­le schall­ten durch die er­schre­cken­de Stil­le. Sie gal­ten uns.

Man­zo stand auf der an­de­ren Sei­te vor et­wa zehn Ne­ga­ti­ven und be­kam un­se­re sechs An­kömm­lin­ge zu­ge­wie­sen.

Ul­jit­schin rief uns zu:

»Ge­hen Sie mit Dr. Wjer­bow in den Ne­ben­raum. Schutz-In­jek­tio­nen emp­fan­gen. Wir ha­ben fest­ge­stellt, daß die hier ver­sam­mel­ten Ne­ga­ti­ven an ei­ner an­ste­cken­den Krank­heit lei­den. Be­ei­len Sie sich.«

Wir nick­ten aus­drucks­los. Man­zos Blick hat­te mir völ­lig ge­nügt. Auch er ver­hielt sich so, als stän­de er un­ter der Ein­wir­kung ei­ner tief­grei­fen­den Zwangs­hyp­no­se.

Als na­tür­li­cher Te­le­path mit enor­men Geis­tes­kräf­ten war auch bei ihm die Ein­wir­kung der Ro­bot­strah­ler wir­kungs­los ver­lau­fen. Im­mer­hin hat­te er fol­ge­rich­tig ge­schal­tet, in­dem er bei der Te­st­un­ter­su­chung den Be­ein­fluß­ba­ren heu­chel­te. Wahr­schein­lich hat­te er wie­der einen Sperr­block über das Wil­lens­zen­trum ge­legt.

Der Arzt stand schon in ei­ner Ne­ben­tür. Un­se­re Ne­ga­ti­ven wim­mer­ten lei­se.

Man­zo un­ter­brach sie mit ei­nem mo­no­ton klin­gen­den Be­fehl. Sie ver­stumm­ten au­gen­blick­lich.

Wir be­tra­ten einen kah­len Raum, hin­ten durch ei­ne dün­ne Wand ab­ge­teilt. Dar­in gab es ei­ni­ge Öff­nun­gen.

»Ist das ei­ne me­di­zi­ni­sche Sta­ti­on, Dok­tor?« frag­te ich neu­gie­rig. »Wo ha­ben Sie denn Ih­re In­stru­men­te?«

Er lä­chel­te auch noch, als hin­ter uns das Heu­len auf­klang. De­ne­bi­sche Kampfro­bo­ter setz­ten ih­re Hyp­no­strah­ler ge­gen uns ein. Ich fühl­te den dump­fen Druck im Kopf. Lang­sam be­gann ich in der Hal­tung zu er­star­ren.

Als wir nach Wjer­bows An­sicht aus­ge­schal­tet wa­ren, hob er un­se­re Li­der an. Es war sehr schwer, da­bei starr zu bli­cken und nicht zu blin­zeln. Ich hol­te es rasch nach, als er den Blick senk­te und wie­der einen der sil­ber­nen Stä­be aus der Ta­sche zog. Dies­mal flim­mer­te es röt­lich. Es schi­en sich al­so nicht um ei­ne Er­we­ckung zu han­deln.

Sei­ne sonst so wohl­wol­len­de Stim­me klang kalt und ge­fühl­los, war aber von sug­ge­s­ti­ver Ein­dring­lich­keit.

Wir er­hiel­ten die An­wei­sun­gen, aus­schließ­lich auf die Ne­ga­ti­ven zu ach­ten, sonst nichts zu se­hen und zu hö­ren, so­wie je­den Be­fehl von Ka­pi­tän Ul­jit­schin oh­ne Wi­der­spruch und au­gen­blick­lich zu be­fol­gen.

Das war al­les. Bei uns ver­puff­te es wir­kungs­los, doch bei den an­de­ren Po­si­ti­ven muß­te die­ser Hyp­no­be­fehl tief ver­an­kert sit­zen.

Steif, et­was höl­zern wir­kend, gin­gen wir hin­aus. Wir be­ka­men von Ul­jit­schin zu un­se­ren sechs Bur­schen noch neun an­de­re Ge­schöp­fe zu­ge­wie­sen. Das war un­se­re Wach­grup­pe.

Han­ni­bal wur­de da­zu noch als »Feu­er­wehr« ein­ge­teilt. Er hat­te die an­de­ren Wäch­ter im Ge­fah­ren­fall zu un­ter­stüt­zen und prak­tisch auf die gan­ze Meu­te zu ach­ten.

Ich zähl­te un­auf­fäl­lig durch. Es wa­ren ge­nau achtund­neun­zig Mu­tan­ten, da­zu sie­ben Wäch­ter.

Ich konn­te Man­zo nun nicht mehr spre­chen. Ein win­zi­ges Zu­cken sei­ner Lip­pen und ein blitz­schnel­ler Blick ver­rie­ten mir, daß er ab­so­lut hand­lungs­fä­hig war.

Nun hat­ten die­se Frem­den ge­nau drei Mann in ih­ren Rei­hen, die sie si­cher­lich nicht ger­ne ge­se­hen hät­ten. Sie wuß­ten eben doch nicht al­les!

Das Licht blen­de­te so stark ab, daß wir kaum et­was er­ken­nen konn­ten. Das Rau­nen der Mu­tan­ten wur­de im­mer wie­der von den ste­reo­ty­pen Be­feh­len der hyp­no­tisch be­ein­fluß­ten Wa­chen un­ter­bro­chen.

Wei­ter vorn öff­ne­te sich ein Tor. Ich er­kann­te da­hin­ter ei­ne schlauch­ar­ti­ge Ver­bin­dung. Sie schi­en druck­dicht mit dem Schott ver­bun­den zu sein.

Drau­ßen strahl­ten und fun­kel­ten Mil­lio­nen Ster­ne. Die lan­ge Mond­nacht lag noch im­mer über un­se­rer Mond­halb­ku­gel.

Der große, spin­del­för­mi­ge Kör­per war kaum zu se­hen. Die Hül­le des war­ten­den Raum­schif­fes war tief­schwarz. Sie hob sich über­haupt nicht von den Wän­den des klei­nen Kra­ters ab. So mach­ten sie es al­so!

In un­mit­tel­ba­rer Nä­he der wei­ter rechts lie­gen­den Druck­kup­peln lan­de­ten sie ih­ren Trans­por­ter. Der hoch­lie­gen­de Kra­ter war nur von oben zu er­rei­chen. Es gab kei­nen Auf­stieg aus der Ebe­ne, so daß man das Schiff von un­ten wohl nie­mals se­hen konn­te. Ob es or­tungs­tech­nisch zu er­fas­sen war, er­schi­en mir zwei­fel­haft.

Die­se Kön­ner kann­ten be­stimmt Mit­tel und We­ge, um un­se­re Or­tungs­im­pul­se zu ab­sor­bie­ren. Was war un­se­re Tech­nik ge­gen die ih­re!

Die ein­zel­nen Wach­trup­pen durch­quer­ten den Ver­bin­dungs­schlauch, der je­den Raum­an­zug über­flüs­sig mach­te. Sie schie­nen di­rekt in die kaum er­leuch­te­te Öff­nung in­ner­halb der Schiffs­wan­dun­gen zu schrei­ten. Dar­in ver­schwan­den sie.

Man­zo hat­te sie auch schon pas­siert. Han­ni­bal stand steif ne­ben der klei­nen Luft­schleu­se und spiel­te den all­ge­mei­nen Auf­pas­ser. Ich durf­te nur auf mei­ne fünf­zehn Zög­lin­ge ach­ten. Ul­jit­schin paß­te scharf auf.

Im Ver­bin­dungs­druck­schlauch an­ge­kom­men, er­faß­te ich mit mei­nen prä­pa­ri­er­ten Au­gen die In­fra­rot­strah­lung des frem­den Raum­schif­fes. Da­ge­gen schie­nen die De­ne­ber kein Schutz­mit­tel zu ha­ben.

Die Hül­le war durch die In­nen­tem­pe­ra­tur wär­mer als das um­lie­gen­de Ge­stein. Das Va­ku­um des Mon­des hat­te oh­ne­hin kei­ne Tem­pe­ra­tur, da ein ab­so­lu­tes Nichts we­der kalt noch warm sein kann.

Nur die Zel­le des Schif­fes strahl­te ih­ren ge­rin­gen Wär­me­über­schuß in den Raum ab, und das konn­te ich se­hen. Es war höchs­tens sieb­zig Me­ter lang, nach de­ne­bi­schen Maß­stä­ben al­so ein klei­nes Fahr­zeug. Für mei­ne Be­grif­fe war es schon recht groß.

Am Heck strahl­te es enorm hell. Dort muß­ten sich be­acht­li­che Wär­me­quel­len be­fin­den. Ich sah selt­sam ge­form­te Aus­wüch­se und ei­gen­ar­ti­ge Leucht­er­schei­nun­gen.

Dann wa­ren wir im Schiff. Han­ni­bal folg­te mit Ul­jit­schin, der uns durch einen kur­z­en Gang nach vorn wies.

Man schi­en den Raum­er spe­zi­ell für die Trans­por­te ein­ge­rich­tet zu ha­ben. Ein ehe­ma­li­ger La­de­raum war um­ge­stal­tet wor­den. Es gab mehr als zwan­zig grö­ße­re Kä­fi­ge. Die Git­ter er­schie­nen hauch­dünn, aber ich er­kann­te das un­er­hört wi­der­stands­fä­hi­ge MA-Me­tall.

Auch ich trieb mei­ne Ge­fan­ge­nen in einen sol­chen Kä­fig. Da­zwi­schen la­gen schma­le Gän­ge, in de­nen über­all brei­te Sit­ze mit ho­hen Leh­nen stan­den. Wir er­hiel­ten die An­wei­sung, uns dort hin­ein­zu­set­zen und aus­schließ­lich auf die je­weils zu­ge­teil­ten Zel­len zu ach­ten.

Wir be­jah­ten völ­lig mo­no­ton und aus­drucks­los.

Ul­jit­schin ver­schwand für ei­ni­ge Mi­nu­ten. Wir hör­ten ihn drau­ßen mit ei­ner an­de­ren Per­son spre­chen. Sie stan­den di­rekt vor dem of­fe­nen Luk. Ei­ne vor­sich­ti­ge Kopf­dre­hung of­fen­bar­te mir die wirk­li­che Ge­stalt ei­nes De­ne­bers.

Er war ab­so­lut men­schen­ähn­lich, nur wirk­te die hoch­ge­wach­se­ne Ge­stalt dürr, zart und zer­brech­lich. Die weit vor­ge­wölb­te Stirn über­schat­te­te ein ver­hält­nis­mä­ßig klei­nes Ge­sicht mit großen, nicht­mensch­li­chen Au­gen.

Er trug ei­ne Art Kom­bi­na­ti­on und hat­te ei­ni­ge leuch­ten­de Sym­bo­le an der lin­ken Schul­ter.

Sie wa­ren mir schon be­kannt, die­se grau­sa­men In­tel­li­gen­zen, die nur noch auf das Her­an­rei­fen von Zehn­tau­sen­den ih­rer ein­ge­la­ger­ten Keim­lin­ge war­te­ten.

Sie wa­ren jetzt schon sehr ak­tiv. Was muß­te erst wer­den, wenn sie wie­der stark wa­ren? Die al­ten Mar­sia­ner hal­ten es trotz ih­rer rie­si­gen Raum­flot­te nicht ge­schafft, die­se er­obe­rungs­lüs­ter­nen Le­be­we­sen aus dem fer­nen Sys­tem der Son­ne De­neb rest­los zu ver­nich­ten. Mit­samt ih­ren Keim­lin­gen hat­te sie sich in den Tief­schlaf be­ge­ben und ein­fach ab­ge­war­tet, bis die ra­dio­ak­ti­ve Ver­seu­chung auf ein un­ge­fähr­li­ches Strah­lungs­maß ab­ge­klun­gen war.

Sie wa­ren so­gar so schlau ge­we­sen, sich nicht in strahl­si­che­ren Un­ter­grund­städ­ten zu ver­ber­gen, da sie die ge­fähr­li­che Ak­ti­vi­tät der Ver­seu­chung auf et­wa 187.000 Jah­re be­rech­net hat­ten. In die­ser Zeit wä­ren sie in den Tief­bun­kern de­ge­ne­riert. Viel­mehr hat­ten sie ih­ren Nach­wuchs kon­ser­viert und ih­re Zeit ab­ge­war­tet.

Ent­täu­schend war für sie nur die Fest­stel­lung, daß bei ih­rem end­gül­ti­gen Er­wa­chen die ir­di­sche Mensch­heit längst der Stein­zei­te­po­che ent­wach­sen war. Wir hat­ten so­gar schon den Mond er­obert, und die ers­ten Raum­schif­fe stie­ßen bis zum Mars vor.

Die­se Tat­sa­chen hat­ten ih­re ur­sprüng­li­chen Plä­ne um­ge­wor­fen.

Ul­jit­schin schloß das Luk und schal­te­te ei­ne große Bild­flä­che an der einen Quer­wand ein. Sie be­gann far­big und drei­di­men­sio­nal zu ar­bei­ten.

Er schi­en sehr ner­vös zu sein. Im­mer wie­der mus­ter­te er uns miß­trau­isch. Sei­ne Hän­de lie­ßen den Ma­schi­nen­ka­ra­bi­ner nicht los.

Auch bei den Mu­tan­ten war ei­ne ge­wis­se Un­ru­he spür­bar.

Man­zo konn­te ich durch die Git­ter hin­durch be­ob­ach­ten. Dies­mal war er wirk­lich geis­tig ab­we­send. Den lee­ren Blick kann­te ich. Al­so gab er ei­ne Te­le­pa­thie­sen­dung über die bis­he­ri­gen Er­eig­nis­se durch. Ich konn­te auf mei­nen ge­fahr­brin­gen­den Sen­der ver­zich­ten.

Im Schiff klang ein lei­ser Brumm­ton auf. Als er sich zu heu­len­den Ge­räuschen stei­ger­te, setz­te Ul­jit­schin rasch ei­ne me­tal­lisch glän­zen­de Hau­be auf. Er schütz­te da­mit sein emp­find­li­ches Ge­hirn vor den ho­hen Schwin­gun­gen des an­lau­fen­den Trieb­werks.

Ich dach­te an den star­ken Schall­wer­fer in Man­zos Hö­cker. Not­falls konn­te er uns von Nut­zen sein. Das Heu­len blieb; dann ver­wan­del­te sich das Fern­bild. Ich saß un­ge­fähr in der rich­ti­gen Blick­rich­tung, so daß ich nicht den Kopf zu dre­hen brauch­te. Das war vor­teil­haft.

Der Raum­er stieg senk­recht aus dem Fels­kes­sel her­aus. Der Bo­den fiel förm­lich zu­rück. So­fort dar­auf wa­ren die ge­sam­ten Nig­lin-Ber­ge zu über­se­hen. We­sent­li­che Aus­schnit­te der Ober­flä­che folg­ten.

Plötz­lich tauch­te am fer­nen Ho­ri­zont der strah­len­de Glut­ball der Son­ne auf.

Et­was spä­ter hing der Mond als mäch­ti­ge Ku­gel un­ter uns. Der Raum­er schi­en auf Kurs zu ge­hen. Ich konn­te nun auch die Si­chel der Er­de aus­ma­chen.

Al­les zeug­te da­von, daß wir mit star­ken Be­schleu­ni­gun­gen flo­gen, doch ich ver­spür­te nicht den ge­rings­ten An­druck.

Ich woll­te Han­ni­bal spöt­tisch an­grin­sen, muß­te es je­doch un­ter­las­sen, da sich der Ka­pi­tän in dem Au­gen­blick prü­fend um­blick­te.

Sie be­sa­ßen al­so doch Ma­schi­nen, mit de­nen sie die Kräf­te des Be­har­rungs­ver­mö­gens be­sei­ti­gen konn­ten. Die nor­ma­le Schwe­re blieb er­hal­ten. Nichts än­der­te sich, und ge­or­tet wur­den wir auch nicht.

Da­bei stan­den Hun­der­te von mo­d­erns­ten Ra­dar-Ob­jekt­tas­tern auf dem Mond. Be­son­ders Lu­na-Port ver­füg­te über weit­rei­chen­de Groß­ge­rä­te. Trotz­dem wur­den die­se Teu­fel ein­fach nicht an­ge­mes­sen!

In mir kam Ver­zweif­lung auf. Wir muß­ten Er­folg ha­ben; wir muß­ten ein­fach!

Wenn die De­ne­ber ei­nes Ta­ges mit ei­ner Flot­te sol­cher Schif­fe an­ka­men, wa­ren wir ret­tungs­los ver­lo­ren.

Der Mond ver­schwand. Über dem Schiff lag ein oh­ren­be­täu­ben­des Heu­len. Dicht hin­ter dem La­de­raum tos­te der Lärm in tie­fe­ren Ton­la­gen. Die Ge­räusche gin­gen wahr­schein­lich von Hilfs­ma­schi­nen oder Ne­be­n­ag­gre­ga­ten aus, die ver­ant­wort­lich für die Ener­gie­ver­sor­gung der ver­mu­te­ten Kraft­fel­der wa­ren. Um wel­che han­del­te es sich aber?

Es gibt so vie­le Ar­ten von Ener­gie, und die De­ne­ber schie­nen noch ei­ni­ge mehr zu ken­nen.

Ich vi­sier­te ei­ni­ge hel­le Ster­ne am Rand der Bild­flä­che an. Kaum ent­deckt, wan­der­ten die Leucht­punk­te wie­der aus.

Ich schätz­te die Zeit. Es moch­te seit dem Start ei­ne gu­te hal­be Stun­de ver­gan­gen sein.

Als das tie­fe Röh­ren hin­ter uns lei­ser wur­de, um fast gänz­lich zu ver­stum­men, wuß­te ich, daß wir knapp un­ter­halb der ein­fa­chen Licht­ge­schwin­dig­keit durch den Raum ras­ten.

So war das al­so! Wir er­leb­ten den Traum ei­nes je­den ir­di­schen Wis­sen­schaft­lers bei die­sem Flug dicht un­ter­halb der Licht­mau­er. Man be­wäl­tig­te pro Se­kun­de fast drei­hun­dert­tau­send Ki­lo­me­ter.

Ich brauch­te mich um mei­ne ge­schau­spie­ler­te Star­re nicht mehr zu be­mü­hen. Sie war nun von selbst über mich ge­kom­men. Ich war über­wäl­tigt, hin­ge­ris­sen von die­sem ein­ma­li­gen Er­leb­nis.

Ka­pi­tän Ul­jit­schin blieb völ­lig kalt. Er ach­te­te nur auf uns und die lau­ter ge­wor­de­nen Mu­tan­ten. Ei­ni­ge schri­en kläg­lich, an­de­re hat­ten sich angst­voll in die Ecken ver­kro­chen.

Ich lausch­te auf das ti­ta­ni­sche Heu­len weit hin­ten im Rumpf. Es muß­te dort sein, wo ich vor dem Start die hef­ti­ge Wär­me­strah­lung be­merkt hat­te.

Es war das Haupt­trieb­werk, das ahn­te ich. Es lief nach wie vor mit vol­ler Kraftent­fal­tung.

Ich muß­te an un­se­re phy­si­ka­li­schen Ge­set­ze den­ken, an den Wis­sen­schaft­ler Al­bert Ein­stein. Ein je­der Kör­per, der sich der Licht­ge­schwin­dig­keit nä­hert, soll­te in sei­ner Mas­se dem Un­end­lich­keits­fak­tor zu­stre­ben.

Das war hier der Fall. Die Mas­se des Schif­fes wur­de lang­sam un­end­lich, na­tür­lich nicht in der bild­lich vor­stell­ba­ren Aus­deh­nung, son­dern im re­la­ti­vis­ti­schen Ver­hält­nis zur Leis­tungs­fä­hig­keit des Trieb­werks.

Ein frei­er Fall wie in nie­de­ren Ge­schwin­dig­keits­be­rei­chen schi­en nicht mehr mög­lich zu sein. Bei die­ser ho­hen Fahrt muß­ten die Ag­gre­ga­te lau­fend mit Voll­wer­ten ar­bei­ten, da­mit die Fahrt­stu­fe kon­stant blieb.

Ich frag­te mich, warum wir nicht auf Über­licht­ge­schwin­dig­keit gin­gen, bis mir die Lo­gik sag­te, daß dies bei der kur­z­en Stre­cke völ­lig fehl am Plat­ze wä­re. Viel­leicht konn­te man das in­ner­halb ei­nes von Gra­vi­ta­ti­ons­fel­dern und Kraft­li­ni­en an­ge­füll­ten Son­nen­sys­tems auch nicht durch­füh­ren oder ris­kie­ren. Was wuß­ten wir über die Fak­ten ei­ner über­licht­schnel­len Fahrt! Über­haupt nichts.

Nach we­ni­gen Mi­nu­ten er­scholl wie­der das Röh­ren hin­ter der Quer­wand. Die Hilfs­ma­schi­nen setz­ten er­neut mit volls­ten Leis­tungs­wer­ten ein. Ich hielt das für den Be­ginn des Brems­ma­nö­vers, das na­tür­lich wie­der­um ei­ne Neu­tra­li­sa­ti­on der fürch­ter­li­chen An­druck­kräf­te be­ding­te.

Es schi­en al­les so klar zu sein, und doch war es so un­end­lich schwie­rig! Ob das die Mensch­heit je­mals schaf­fen könn­te?

Die Ster­ne wur­den wie­der er­kenn­bar. Man brems­te mit un­glaub­li­chen Kräf­ten, ob­wohl das Heck des Raum­ers noch nicht ein­mal ge­gen die bis­he­ri­ge Fahrtrich­tung ge­dreht wor­den war. Wo­mit brems­ten sie al­so?

Ich muß­te erst ge­nau hin­hö­ren, bis ich die von vorn kom­men­den Ar­beits­ge­räusche er­faß­te. Al­so es exis­tier­te auch ein Bug­trieb­werk, wahr­schein­lich eben­so leis­tungs­fä­hig wie das im Heck.

Man hät­te ver­zwei­feln kön­nen bei ei­ner der­art dras­ti­schen und von maß­lo­ser Über­le­gen­heit zeu­gen­den Vor­füh­rung.

Dann dreh­te sich plötz­lich der Schiffs­kör­per. Ich hät­te schrei­en mö­gen, als ich den rie­sen­großen Pla­ne­ten Mars er­kann­te. Blut­rot leuch­te­te er auf dem Fern­bild, es fast ganz aus­fül­lend.

Wir wa­ren dem­nach schon an­ge­kom­men. Ich sah Han­ni­bal krampf­haft schlu­cken.

Kein Wun­der – vor viel­leicht zwei Stun­den hat­ten wir das al­les noch an­ge­zwei­felt, und nun hin­gen wir über dem Ro­ten Pla­ne­ten. Es war un­vor­stell­bar.

Die Ne­ga­ti­ven schri­en vor Angst. Ei­ner der Wäch­ter feu­er­te einen Elek­tro­schuß in die künst­li­che Luft des La­de­rau­mes ab. So­fort wur­den sie ru­hi­ger.

Ul­jit­schin schwieg. Er hat­te ge­se­hen, daß der Pos­ten kei­nen ge­schockt hat­te.

Nun war­te­te ich auf die Lan­dung, auf die Ein­lei­tung zur Kreis­bahn, oder auf das di­rek­te, kom­pro­miß­lo­se Hin­a­b­ra­sen zur Ober­flä­che. Die Tech­nik be­herrsch­ten sie ge­wiß. Mit dem Rei­bungs­wi­der­stand konn­ten sie be­stimmt fer­tig wer­den.

Es ge­sch­ah je­doch nichts der­glei­chen. Was war nun los? Was soll­te das hei­ßen?

Die Mi­nu­ten wur­den zu qual­vol­len Ewig­kei­ten. Man­zo zit­ter­te in sei­nem Ses­sel. Als dann ei­ner der bei­den Mars­mon­de sicht­bar, wur­de, be­gann ich all­mäh­lich zu be­grei­fen.

Da wir so na­he bei dem Pla­ne­ten wa­ren, konn­te es sich bei dem Tra­ban­ten nur um Pho­bos, den in­ne­ren Mond, han­deln. Dei­mos hat­te ei­ne viel wei­te­re Um­lauf­bahn. Wenn er es ge­we­sen wä­re, hät­ten wir den Mars nicht so groß wahr­neh­men kön­nen.

Ich dach­te an die Be­rech­nun­gen ei­ni­ger Wis­sen­schaft­ler. Sie hat­ten schon vor mehr als drei­ßig Jah­ren be­haup­tet und ver­sucht nach­zu­wei­sen, zu­min­dest ei­ner der bei­den Mar­stra­ban­ten könn­te nicht na­tür­li­chen Ur­sprungs sein.

In letz­ter Zeit wa­ren neue Theo­ri­en auf­ge­taucht, wo­nach man ge­ra­de Pho­bos für ei­ne als Mond ge­tarn­te Raum­sta­ti­on der al­ten Mar­sia­ner hielt. Dann muß­te es al­ler­dings ein gi­gan­ti­scher Sa­tel­lit sein. Pho­bos hat einen Durch­mes­ser von et­wa zehn Ki­lo­me­ter.

Ich war­te­te atem­los, von tau­send­fa­chen Hoff­nun­gen er­füllt. Wie – wenn das wirk­lich ein gi­gan­ti­scher Hohl­kör­per war? Wenn die rät­sel­haf­te Brut­sta­ti­on der De­ne­ber über­haupt nicht auf dem Mars, son­dern in­ner­halb des Mon­des lag? Viel muß­te uns da­durch er­spart blei­ben, das Un­ter­neh­men konn­te sich da­mit gren­zen­los ver­ein­fa­chen.

Wenn dort Man­zos Bom­be ex­plo­dier­te, blieb von dem Ge­bil­de nichts üb­rig.

Ich dach­te noch be­bend an die so jäh­lings ver­än­der­ten Ver­hält­nis­se, als der Raum­er in ei­ne dun­kel­gäh­nen­de Öff­nung hin­ein­g­litt. We­nig spä­ter zisch­te drau­ßen Luft.

Wir er­hiel­ten den Be­fehl, die Mu­tan­ten trupp­wei­se aus den Kä­fi­gen zu las­sen.

Dies­mal hielt ich mich in der Mit­te. Als wir aus dem Luk tra­ten und den Lauf­gang hin­ab­schrit­ten, sah ich wie­der kei­ne De­ne­ber. Man schi­en die oh­ne­hin to­tal ver­stör­ten Mu­tan­ten nicht noch ner­vö­ser ma­chen zu wol­len.

Nur Ul­jit­schin blieb in der Nä­he. Wir stell­ten uns in der rie­sen­haf­ten Luft­schleu­se auf und mar­schier­ten dann ge­schlos­sen durch ein auf­glei­ten­des Tor. Wir wa­ren in­ner­halb des Mon­des Pho­bos!

Ich be­merk­te me­tal­li­sche Wän­de, ge­glät­te­te Bö­den und über­all lift­ähn­li­che Kon­struk­tio­nen. Au­ßer­dem exis­tier­ten ein­fa­che Schäch­te, über de­ren Öff­nun­gen ein selt­sa­mes Flim­mern lag.

Ein Dröh­nen schi­en über der Raum­sta­ti­on zu lie­gen. Ur­alt muß­te sie sein – er­baut von In­tel­li­genz­we­sen, die längst nicht mehr leb­ten.

En bes­se­res Ver­steck hät­ten sich die De­ne­ber wirk­lich nicht aus­su­chen kön­nen. Das war ei­ne Welt für sich, äu­ßer­lich durch Stein­krus­ten als klei­ner Mond ge­tarnt, der sei­ne wah­re Iden­ti­tät nur durch sei­ne et­was feh­ler­haf­te Um­lauf­bahn und sei­ne wahn­wit­zi­ge Bahn­ge­schwin­dig­keit teil­wei­se ent­hüllt hat­te.

Nun wuß­ten wir es ge­nau.

Ich ver­such­te mir vor­zu­stel­len, was die­se zehn Ki­lo­me­ter durch­mes­sen­de Hohl­ku­gel al­les ent­hielt. Höchst­wahr­schein­lich wies sie Hun­der­te von Eta­gen auf.

In ei­ner an­de­ren Hal­le muß­ten wir ge­schlos­sen ein lan­ges Ge­fährt be­stei­gen. Es sah wie die Wa­gen­schlan­ge ei­ner mo­der­nen Va­ku­um-Röhr­bahn aus. Mein ers­ter Ein­druck be­stä­tig­te sich.

Der An­druck war hart. Drau­ßen hör­ten wir es pfei­fen. Als wir an­hiel­ten, hat­ten wir ei­ne recht be­acht­li­che Stre­cke zu­rück­ge­legt.

Wir trie­ben die Mu­tan­ten aus den Wa­gen mit dem run­den Quer­schnitt. Sie ver­hiel­ten sich ru­hig, ver­stummt vor in­stink­ti­ver Furcht. Ul­jit­schin be­merk­te es und er­teil­te has­tig Be­feh­le. Es schi­en ihm äu­ßerst un­an­ge­nehm zu sein, die Ne­ga­ti­ven in ei­nem der­art ner­vö­sen Zu­stand zu se­hen. In­fol­ge­des­sen ach­te­te er we­ni­ger auf uns Wäch­ter. Er hielt uns nach wie vor für tief hyp­no­ti­siert, was auch bei den an­de­ren der Fall war.

Mir stock­te der Atem, als wir an ei­ner großen Pfor­te vor­über­ka­men, aus der ein selt­sa­mes Ge­fährt her­aus­glitt. Es lief nicht auf Rä­dern, son­dern schi­en ei­ne Hand­breit über dem Bo­den zu schwe­ben. Ich konn­te einen kur­z­en Blick in den Saal wer­fen.

Er war an­ge­füllt mit recht­e­cki­gen Be­häl­tern. In Reih und Glied stan­den sie, mit­ein­an­der ver­bun­den durch Ka­bel und Lei­tun­gen. In ih­nen wall­te und bro­del­te die schlei­mi­ge Brü­he, die wir schon in der De­ne­ber-Sta­ti­on auf dem Mond ge­se­hen hat­ten.

Tau­sen­de fast fer­tig ent­wi­ckel­ter Keim­lin­ge schwam­men dar­in.

Ich un­ter­drück­te den auf­stei­gen­den Brech­reiz. Die Tür schloß sich schnell. Der Ka­pi­tän sah sich auf­ge­regt um und mus­ter­te uns durch­boh­rend, doch ich schritt steif und teil­nahms­los an ihm vor­bei.

Wir ka­men in ei­ne an­de­re Hal­le, wo be­reits ei­ni­ge De­ne­ber war­te­ten. Die Mu­tan­ten er­schra­ken nicht. Sie konn­ten den Un­ter­schied zwi­schen Er­den­mensch und De­neb-Ab­kömm­lin­gen wohl auch nicht rich­tig er­fas­sen.

Die Frem­den tru­gen hel­le Kom­bi­na­tio­nen. Im Hin­ter­grund stan­den wuch­ti­ge Ma­schi­nen, da­vor lan­ge Trö­ge. Ei­ne breii­ge Mas­se bro­del­te dar­in. Das wa­ren wohl auch ein­mal ne­ga­ti­ve Mu­tan­ten von der Er­de ge­we­sen! Al­so hat­te das »Ge­dächt­nis« doch recht ge­habt, als es er­rech­ne­te, die Grund­stof­fe zur bio­lo­gi­schen Er­zeu­gung der Men­schen-Nach­ah­mun­gen stamm­ten von ech­ten Le­be­we­sen, die im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes »ver­ar­bei­tet« wur­den.

An den an­de­ren Wän­den be­fan­den sich Kä­fi­ge, in die wir die Wil­den hin­ein­trei­ben muß­ten. Da­nach er­folg­te der schrof­fe Be­fehl, der uns zum so­for­ti­gen Rück­zug zwang.

Un­se­re Wäch­ter­rol­le war aus­ge­spielt.

Ul­jit­schin führ­te uns in einen grö­ße­ren Ne­ben­raum.

»Auf die La­ger set­zen«, sag­te er sug­ge­s­tiv. »Sie schla­fen jetzt – Sie schla­fen ganz fest und tief, bis Sie ge­weckt wer­den.«

Wir san­ken zu­sam­men wie ab­ge­schnit­te­ne Pflan­zen. In al­len Stel­lun­gen la­gen die Wäch­ter reg­los auf den fla­chen Pols­tern und at­me­ten sehr tief. Sie wa­ren ein­fach ab­ge­schal­tet wor­den.

Aus schmal ge­öff­ne­ten Li­dern be­ob­ach­te­te ich die Nach­ah­mung ei­nes rus­si­schen Raum­of­fi­ziers. Er ging prü­fend an uns vor­bei und ver­schwand dann so rasch, wie ich es kaum er­hofft hat­te.

Wir hat­ten kei­ne Se­kun­de mehr zu ver­lie­ren. Er konn­te al­le Au­gen­bli­cke zu­rück­kom­men.

Man­zo hat­te sich dicht ne­ben mich ge­legt, Han­ni­bal ruh­te na­he der Tür.

Mein Zi­scheln wur­de nur von ih­nen ver­nom­men. Wäh­rend er sich lang­sam um­dreh­te und die ge­tarn­te Ther­mo-Rak-Au­to­ma­tik an­hob, wälz­te sich Man­zo auf die an­de­re Sei­te, da­mit ich sei­nen Hö­cker öff­nen konn­te.

Die Ma­gnet­ver­schlüs­se der Spe­zi­al­kom­bi­na­ti­on klaff­ten aus­ein­an­der. Der nack­te Bu­ckel lag vor mir.

Ich tipp­te die Ko­de­zah­len in die Tas­te. Der Be­häl­ter klapp­te auf. Mei­ne Hän­de zit­ter­ten, als ich die Bom­be aus den Hal­te­run­gen klink­te. Sie war hier viel schwe­rer als auf dem Mond. An­schei­nend hat­ten die De­ne­ber die künst­li­che Gra­vi­ta­ti­on von Pho­bos ih­ren Be­dürf­nis­sen ent­spre­chend ein­ge­rich­tet.

Ich wur­de in der lie­gen­den Hal­tung mit dem schwe­ren Spreng­kör­per nicht fer­tig. Man­zo er­hob sich so­fort, als er mei­ne ver­geb­li­chen Be­mü­hun­gen be­merk­te, und nahm sie in sei­ne star­ken Ar­me.

Es ging al­les sehr rasch. Mit ei­nem Griff hat­te ich den Zeit­zün­der auf zwei­ein­halb Stun­den ein­ge­stellt. Dann nick­te ich dem Mu­tan­ten zu.

Ge­walt­sam zog ich die nie­de­ren Pols­ter von der Me­tall­wand zu­rück. Er leg­te die flach ge­ar­bei­te­te Bom­be in den Spalt, an­schlie­ßend scho­ben wir das La­ger wie­der vor.

Man konn­te den Spreng­kör­per nur dann ent­de­cken, wenn man sich weit vor­beug­te. Ich hoff­te in­brüns­tig, daß nie­mand den klei­nen Ab­stand zwi­schen Pols­ter und Wand be­mer­ken wer­de.

Sonst un­ter­nah­men wir nichts, al­ler­dings hat­ten wir die Schock­ge­weh­re auf Ther­mo-Rak-Ge­schos­se um­ge­schal­tet. Kein Ton war ge­spro­chen wor­den, doch da­für at­me­ten wir laut und er­regt wie ge­hetz­te Tie­re.

Als die Tür wie­der auf­glitt, hat­ten wir un­se­re al­ten Stel­lun­gen wie­der ein­ge­nom­men. Ul­jit­schin gab den Be­fehl zum Er­wa­chen.

Wie­der ging es durch die Gän­ge zu der Rohr­bahn, die in die­ser gi­gan­ti­schen Raum­sta­ti­on wohl er­for­der­lich war. Nie­mand sprach ein Wort.

Sehr schnell hat­ten wir wie­der das Raum­schiff er­reicht. Der Start er­folg­te un­mit­tel­bar nach un­se­rem Ein­tref­fen. Wir hiel­ten uns in dem glei­chen La­de­raum auf.

Erst als der Mars un­se­ren Bli­cken ent­schwand und die to­ben­den Ma­schi­nen zu hö­ren wa­ren, lo­cker­te sich mei­ne un­säg­li­che Span­nung. Han­ni­bal perl­te der Angst­schweiß auf der Stirn. So­gar Man­zo zit­ter­te. Das er­staun­te mich, da ich im­mer an­ge­nom­men hat­te, die Na­tur hät­te ihn mit »ei­ser­nen« Ner­ven aus­ge­stat­tet.

Die De­ne­ber brach­ten uns tat­säch­lich zu­rück! Nie­mals hat­te ich ernst­haft da­mit ge­rech­net, nie­mals! Es war al­les so ein­fach ge­we­sen, so er­schre­ckend un­kom­pli­ziert.

Ich ver­gaß mo­men­tan völ­lig, daß ei­ne Lö­sung im­mer dann ein­fach er­scheint, wenn man sie nach un­end­li­chen Mü­hen ge­fun­den hat. So war es auch in un­se­rem Fal­le.

Dann nä­her­ten wir uns er­neut der Licht­ge­schwin­dig­keit. Ich dach­te, in­ner­lich fie­bernd, an die »ver­ges­se­ne« Bom­be. Funk­tio­nier­te der Zün­der tat­säch­lich? Ging sie nicht zu früh, viel­leicht über­haupt nicht hoch? Es war ei­ne Qual, still und starr ne­ben den Freun­den zu hocken und auf et­was zu war­ten, was viel­leicht durch einen lä­cher­li­chen Zu­fall nie­mals ein­tre­ten konn­te. Was wür­de ge­sche­hen, wenn die Bom­be vor­zei­tig ent­deckt wür­de?

Han­ni­bal sah mich plötz­lich be­schwö­rend an. Ich wuß­te auch, daß mei­ne Lip­pen krampf­haft ge­zuckt hat­ten.

Als der ir­di­sche Mond wie­der auf­tauch­te, zo­gen wir ei­ni­ge lan­ge Schlei­fen. Der Flug­kör­per lan­de­te in ei­ner groß­zü­gig an­ge­leg­ten Brem­sel­lip­se, als hät­te es nie­mals schnel­le und schwer­be­waff­ne­te Raum­jä­ger ge­ge­ben.

Das ver­zö­ger­te die Lan­dung. Es dau­er­te al­les viel zu lan­ge. Ich mach­te mir be­reits bit­te­re Vor­wür­fe!

Warum hat­te ich den Zün­der nicht auf drei oder drei­ein­halb Stun­den ein­ge­stellt! Wenn die Ex­plo­si­on jetzt schon statt­fand, konn­te in dem ge­mäch­lich lan­den­den Raum­schiff ei­ne ka­ta­stro­pha­le Si­tua­ti­on ent­ste­hen.

Man­zo und Han­ni­bal dach­ten auch dar­an. Sie hiel­ten ih­re Waf­fen um­klam­mert. Der Blick des Mu­tan­ten schweif­te im­mer häu­fi­ger zu dem Ka­pi­tän hin­über.

End­lich er­folg­te die Lan­dung. Die Ma­schi­nen ver­stumm­ten. Gleich dar­auf er­hiel­ten wir den Be­fehl, die un­glaub­li­che Kon­struk­ti­on zu ver­las­sen.

Mei­ne Fin­ger­spit­zen ruh­ten auf den Ma­gnet­ver­schlüs­sen in­ner­halb der Ober­schen­kel. Deut­lich spür­te ich die bei­den Ver­zö­ge­rungs-Atom­bom­ben, de­ren Ener­gie­ent­wick­lung nur in der Form von Hit­ze auf­trat. Sie ex­plo­dier­ten nicht, sie zer­fie­len in ei­nem Kern­pro­zeß von fünf­zehn Mi­nu­ten Dau­er. Das er­zeug­te auch noch im äu­ßern Gas­ball ei­ne Hit­ze von we­nigs­tens hun­dertzwan­zig­tau­send Grad.

»Fol­gen Sie mir«, be­fahl Ul­jit­schin und ver­ließ den Raum. Die Bom­ben rutsch­ten in mei­ne Hand­flä­chen. Kaum hör­bar flüs­ter­te ich:

»Auf fünf­zehn Mi­nu­ten ein­stel­len. Fal­len las­sen.«

Die Hand­grif­fe be­herrsch­ten wir wie im Schlaf. Ins­ge­samt sechs Höl­len­ge­wäch­se aus un­se­ren kern­phy­si­ka­li­schen Mi­kro­la­bors roll­ten un­ter die Sit­ze. Der La­de­raum lag in der Mit­te des Schif­fes.

Erst da­nach gin­gen wir. Et­was schnel­ler al­so sonst, aber nie­mand merk­te es.

Wei­ter vorn sah ich zwei De­ne­ber. Es schie­nen die ein­zi­gen Mit­glie­der der Be­sat­zung zu sein. Wir ka­men durch den Druck­schlauch wie­der in die Höh­le, de­ren in­ne­re Luft­schleu­se sich sau­gend schloß.

Die Nach­ah­mung des Dr. Wjer­bow stand in der Hal­le.

»Sie kom­men spät!« warf er dem Of­fi­zier vor. Er war sehr hef­tig. »Nun aber schnells­tens die Sper­re vor­le­gen. In ei­ner hal­b­en Stun­de be­ginnt schon die Mor­gen­füt­te­rung.«

Die ers­ten der heim­ge­kehr­ten Wäch­ter wur­den in den Ne­ben­raum ge­führt, wo be­reits der Arzt war­te­te. Die Ro­bo­ter aber auch, das ahn­te ich.

Sie ka­men nicht mehr zu­rück. Ich ver­mu­te­te da­her, daß man sie nach dem Er­we­cken auf ei­nem an­de­ren Weg in die Mons­ter­höh­len zu­rück­schick­te.

Man­zo wur­de vor uns ab­ge­holt. Han­ni­bal und ich ka­men als letz­te an die Rei­he. Der Stab er­schi­en wie­der. Ein­dring­lich wur­de uns sug­ge­riert, daß wir al­les zu ver­ges­sen hät­ten. Wir wä­ren zur Un­ter­su­chung in die Hal­le ge­kom­men, hät­ten dort ge­war­tet und die Ne­ga­ti­ven be­wacht, bis wir nun wie­der ge­hen könn­ten. Der Be­fehl zum Auf­wa­chen wur­de aus­ge­spro­chen.

Wir lie­ßen uns Zeit und spiel­ten da­nach die völ­lig Un­be­fan­ge­nen. Dr. Wjer­bow lä­chel­te freund­lich.

»Ge­hen Sie zu Ih­rer Sta­ti­on zu­rück«, sag­te er ver­bind­lich. »Die Tü­ren sind auf. Den Weg ken­nen Sie ja, nicht wahr? Nein – be­nut­zen Sie die­se Tür hier.«

Wir wink­ten ihm zu. Trotz­dem lag mein Fin­ger noch im­mer auf dem Ab­zug der Waf­fe.

Als wir ge­ra­de den Gang er­reicht hat­ten, ver­nahm ich die ent­setz­ten Schreie. Es war Ul­jit­schin, und dann fiel auch der Arzt ein.

Drau­ßen muß­ten so­eben die Bom­ben im Raum­schiff in den Kern­pro­zeß ge­tre­ten sein. Vor ei­ni­gen Mi­nu­ten hat­te auch un­se­re Hin­ter­las­sen­schaft auf Pho­bos ih­re Wir­kung ent­fal­tet. Wenn al­les nach Plan ver­lau­fen war, stand an Stel­le des imi­tier­ten Mon­des nun ein gi­gan­ti­scher Glut­ball von Son­nen-Tem­pe­ra­tur. Sol­chen Ge­wal­ten konn­te auch ei­ne zehn Ki­lo­me­ter durch­mes­sen­de Raum­sta­ti­on nicht wi­der­ste­hen.

Han­ni­bal lag plötz­lich auf dem Bo­den. Drau­ßen er­folg­te ei­ne dump­fe De­to­na­ti­on. Die Fels­wän­de be­gan­nen zu be­ben. Das Raum­schiff exis­tier­te nicht mehr.

Ul­jit­schin und Dr. Wjer­bow er­schie­nen plötz­lich un­ter der schma­len Tür. Ih­re Ge­sich­ter wa­ren ver­zerrt. Der Ka­pi­tän hielt sei­ne Waf­fe schuß­be­reit.

Wir schos­sen schnel­ler. Dann rann­ten wir um un­ser Le­ben.

Hin­ter uns be­gan­nen die Wän­de zu glü­hen. Hei­ße Luft­schwa­den folg­ten uns in ih­rer ex­pan­si­ven Aus­deh­nung.

Un­se­re Haa­re be­gan­nen zu knis­tern. Wir lie­fen laut­los und je­den Atem­zug spa­rend. Drau­ßen groll­te es wei­ter.

End­lich hat­ten wir die Stei­gung des Gan­ges über­wun­den. Der Aus­gang lag noch weit vor uns, als sich Han­ni­bal für einen Au­gen­blick um­dreh­te. Sein gel­len­der Schrei ließ mich her­um­fah­ren. So­fort sah ich das ro­te Flim­mern vor den Strah­ler­mün­dun­gen der Ro­bo­ter.

Un­ge­fähr­det hat­ten sie die Glu­ten un­se­rer Ther­mo-Ge­schos­se durch­schrit­ten und stan­den nun hin­ter uns. Ehe ich es noch recht er­faßt hat­te, wa­ren wir von dem Ro­ten Leuch­ten ein­ge­fan­gen und um­wa­bert.

Das war der Tod – er muß­te es ein­fach sein.

»Nicht lau­fen«, schrie ich Han­ni­bal ver­zwei­felt zu. »Feu­re auf die Wän­de.«

Gleich­zei­tig ris­sen wir die Ab­zü­ge durch. Die Au­to­ma­tiks be­gan­nen zu schie­ßen.

Peit­schen­de Knal­le ver­misch­ten sich mit dem Lärm da­von­ra­sen­der Rak-Pro­jek­ti­le. Dicht vor den Ro­bo­tern schlu­gen sie in die Wän­de und ent­flamm­ten.

Plötz­lich wa­ren die Ma­schi­nen nicht mehr zu se­hen.

»Wei­ter­schie­ßen«, rief der Klei­ne, »wei­ter­schie­ßen, oder sie kom­men auch dort wie­der durch. Die Wän­de müs­sen schmel­zen.«

Ich schoß mein Ma­ga­zin leer und be­hielt nur we­ni­ge Schuß üb­rig. Die an­de­ren Ma­ga­zi­ne trug Man­zo in sei­nem Hö­cker.

Dann jag­te uns wie­der die Glut. Wei­ter hin­ter uns zer­lief das Ge­stein und bil­de­te einen wa­bern­den Pfrop­fen im Gang.

Tau­melnd er­reich­ten wir die vor­de­re Tür. Fast gleich­zei­tig er­schi­en Man­zo. Er fing uns auf. Dann be­merk­te ich aus stump­fen Au­gen den zwei­köp­fi­gen Mu­tan­ten.

»Schließ die Tür«, brüll­te ihn Man­zo an. »Egal wie, aber schlie­ße sie.«

Ich sah, wie die bei­den Köp­fe selt­sam er­starr­ten. Sie ar­bei­te­ten mit ih­ren te­le­ki­ne­ti­schen Ga­ben, und plötz­lich glitt das Stahl­schott nach un­ten.

Es han­del­te sich um hoch­ver­dich­te­tes Ma­te­ri­al, das der Hit­ze im Gang gut wi­der­ste­hen muß­te.

Han­ni­bal wim­mer­te vor Schmer­zen. Wir la­gen in dem wei­ten Haupt­stol­len. Vor uns stand der Dop­pel­kopf­mu­tant in hilflo­ser Hal­tung.

»Was ist ei­gent­lich?« frag­te Tor­by wei­ner­lich. »Ist et­was los?«

Ich lach­te schrill.

Ob et­was los wä­re!

Man­zo riß mir die ver­brann­te Kom­bi­na­ti­on vom Rücken. Sehn­lichst war­te­te ich bei sei­ner Hil­fe­leis­tung auf mei­ne geis­ti­ge Um­nach­tung.

Er gab mir In­jek­tio­nen, die den Schmerz be­täub­ten. Auch Han­ni­bal hör­te auf zu stöh­nen. Auf­peit­schungs­mit­tel mo­bi­li­sier­ten un­se­re letz­ten Kraft­re­ser­ven.

An­de­re po­si­ti­ve Mu­tan­ten er­schie­nen auf dem Gang. Sie nah­men ei­ne dro­hen­de Hal­tung an, doch da sag­te der rech­te Kopf ge­las­sen:

»Kei­nen Schritt wei­ter, Freun­de, oder ihr fliegt al­le ge­gen die Wand. Wollt ihr mal se­hen?«

Ich schob eben das neue Ma­ga­zin aus Man­zos Hö­cker auf die Waf­fe, als Pon­ti, der Vo­gel­köp­fi­ge, plötz­lich in der Luft hing. Sie hat­ten ihn ein­fach hoch­schwe­ben las­sen.

»Wo sind die Trup­pen?« stöhn­te ich. »Man­zo, du hast doch hof­fent­lich so­fort ei­ne Nach­richt ab­ge­setzt.«

»Noch vor der Lan­dung. Der An­griff rollt. Hörst du es don­nern?«

Ja, das wa­ren Spren­gun­gen. Fer­ne Stim­men klan­gen auf.

»Ki­ny sagt, Pho­bos wä­re vor ei­ner hal­b­en Stun­de ex­plo­diert. Sie hat­ten ihn ge­nau in den Rie­sen­te­le­sko­pen. Ne­ben dem Mars geht ei­ne neue Son­ne auf. Vorn in den Kup­peln ha­ben be­reits die Ex­plo­sio­nen statt­ge­fun­den. Der Kom­man­deur dürf­te nicht mehr am Le­ben sein. Auf der Er­de ha­ben die Ge­heim­diens­te gleich­zei­tig ge­schal­tet.«

Han­ni­bal stand mit schuß­be­rei­ter Waf­fe vor den po­si­ti­ven Mu­tan­ten. Im­mer mehr ka­men aus ih­ren Sta­tio­nen her­bei, um sich nach dem Lärm zu er­kun­di­gen.

»Nur mit der Ru­he«, wehr­te der Klei­ne ab. »Macht kei­nen Blöd­sinn mit eu­ren Schock­ge­weh­ren. Wir ha­ben wirk­sa­me­re Mit­tel. Die Hit­ze im Gang ist von uns er­zeugt wor­den. Hal­tet Ru­he, bis die Trup­pen ein­tref­fen.«

»Wel­che Trup­pen?« schrie ei­ner er­regt.

»Rus­si­sche, ge­sam­t­eu­ro­päi­sche und ame­ri­ka­ni­sche. Zu eu­rer In­for­ma­ti­on, Freun­de, wir sind kei­ne Mu­tan­ten son­dern An­ge­hö­ri­ge des Ge­heim­diens­tes. Wir ha­ben hier ver­bre­che­ri­sche Vor­gän­ge auf­ge­deckt, aber das be­trifft nicht euch. Hal­tet Ru­he.«

»Ach so ist das«, sag­te ei­ner der bei­den Köp­fe. »Ihr be­nahmt euch schon im­mer et­was selt­sam.«

Weit vorn tauch­te ein stäh­ler­nes Un­ge­tüm auf. Ich wank­te dem schwe­ren Mond­pan­zer ent­ge­gen und wink­te mit bei­den Hän­den. Mit­tels Laut­spre­cher­durch­sa­gen wur­den die Po­si­ti­ven in die Sta­tio­nen zu­rück­be­or­dert. Sie be­folg­ten die An­wei­sun­gen wi­der­spruchs­los.

Plötz­lich stand ich vor dem Chef des rus­si­schen Ge­heim­diens­tes. Ärz­te spran­gen aus an­de­ren Fahr­zeu­gen und sorg­ten da­für, daß wir auf Tra­gen ge­legt wur­den.

»Was ist mit der De­ne­ber-Sta­ti­on?« frag­te ich. Die Schmer­zen wa­ren zwar ver­schwun­den, aber der Kör­per war der­art an­ge­grif­fen, daß sich nun die völ­li­ge Er­schöp­fung ein­stell­te.

»Ei­ne glü­hen­de Atom­son­ne ist dar­aus ge­wor­den«, teil­te er mir mit.

Sol­da­ten has­te­ten vor­bei. Es wa­ren Eli­te­ein­hei­ten von der rus­si­schen Raum­lan­de-Di­vi­si­on und Leu­te aus un­se­rem Ein­satz­korps.

»Sie kom­men so­fort in die Kli­nik«, ord­ne­te Gre­gor Gor­ss­kij an. »Sie se­hen sehr mit­ge­nom­men aus. Wuß­ten Sie nicht, daß auf den Mars­mon­den der Zu­tritt ver­bo­ten war?«

Der Mann hat­te einen ab­strak­ten Hu­mor. Ich lach­te ver­zwei­felt.

Dann wur­den un­se­re Tra­gen in einen Wa­gen ge­scho­ben und in schnel­ler Fahrt er­reich­ten wir die Kli­nik.

Un­ter­wegs nahm Man­zo, der ne­ben uns saß, be­reits mit Ki­ny Kon­takt auf.

Wir fan­den sie und TS-19 in den Druck­kup­peln. Im Ge­bir­ge tob­ten noch schwe­re Kämp­fe. Ich hör­te deut­lich das Röh­ren der mar­sia­ni­schen Strahl­waf­fen, mit de­nen un­se­re Leu­te die de­ne­bi­schen Ro­bo­ter an­grif­fen und ver­nich­te­ten.

Mir wur­de er­klärt, die Kampf­ma­schi­nen wä­ren aus­schließ­lich im Ge­bir­ge sta­tio­niert ge­we­sen. Zu un­se­rer Te­st­un­ter­su­chung war nur ei­ner in die Kom­man­dan­tur ge­holt wor­den. Wä­re das nicht so ge­we­sen, dann hät­ten wir jetzt auch kei­ne Druck­kup­peln mehr ge­habt. Mar­sia­ni­sche Ener­gie­strah­ler wä­ren sehr schnell mit dem biß­chen Pan­zer­plast fer­tig ge­wor­den.

Oberst­leut­nant Ka­mow war tot.

Ver­wun­de­te wur­den ein­ge­lie­fert. Wir ver­nah­men Wor­te in rus­si­scher und eng­li­scher Spra­che. Um die Mensch­heit vor ei­ner dro­hen­den Ka­ta­stro­phe, aus­ge­hend von den An­ge­hö­ri­gen ei­nes ga­lak­ti­schen In­tel­li­genz­vol­kes, zu be­wah­ren, hat­ten die Re­gie­run­gen der Er­de zu­sam­men­ge­ar­bei­tet und ge­mein­sam ge­han­delt.

Wir wa­ren längst in Ge­we­be­ver­bän­de gehüllt, als end­lich der Al­te un­se­ren Raum be­trat. Wort­los drück­te er uns die Hän­de.

»Las­sen Sie nur Ih­ren Be­richt«, sag­te er. »Ich ha­be von Man­zo schon al­les er­fah­ren. Un­se­re An­fra­ge, ob auf dem Mars auch noch ei­ne De­ne­ber-Sta­ti­on exis­tiert, hat das ›Ge­dächt­nis‹ mit hun­dert­pro­zen­ti­ger Si­cher­heit mit Nein be­ant­wor­tet. Die Frem­den hat­ten in dem künst­li­chen Mond der­art viel Platz, daß sie auf kei­ne an­de­ren Or­te mehr an­ge­wie­sen wa­ren. Ne­ben­bei, Ma­jor, un­se­re neu­en Plas­ma-Kreu­zer sind vor et­wa ei­ner Stun­de ge­st­ar­tet. Ich wet­te, daß sie gut durch­kom­men, zu­mal Sie das wahr­schein­lich letz­te Raum­schiff der De­ne­ber ver­nich­tet ha­ben. Ich den­ke, der Fall ›De­neb‹ ist da­mit für al­le Zei­ten er­le­digt.«

Er lach­te lei­se und ließ sich er­schöpft auf die Kan­te des La­gers sin­ken. Ich konn­te mir vor­stel­len, daß er in den letz­ten Ta­gen kei­ne Mi­nu­te mehr ge­schla­fen hat­te.

Das be­stä­tig­ten auch sei­ne lei­sen Wor­te:

»Kon­nat, Sie ha­ben die ge­sam­te GWA in Atem ge­hal­ten, das kön­nen Sie mir glau­ben. Was den­ken Sie wohl, was los war, bis wir end­lich Ih­re Schock­ge­weh­re um­ge­baut hat­ten. Bis die Spe­zi­al­bom­be fer­tig war und all die an­de­ren Ge­rä­te! Wir hat­ten Glück, daß Sie nicht wirk­lich auf dem Mars lan­de­ten. Mit Pho­bos hat­te nie­mand ge­rech­net, nicht ein­mal das Ro­bot­ge­hirn. Nicht zu fas­sen! Sie dürf­ten ei­ni­ge Jahr­hun­der­te lang die ein­zi­gen Men­schen sein, die je­mals einen licht­schnel­len Raum­flug er­lebt ha­ben.«

»Das war das ein­zig Schö­ne an dem ri­si­ko­vol­len Un­ter­neh­men«, be­haup­te­te Han­ni­bal nach­denk­lich.

Er ver­stumm­te mit­ten im Satz und fuhr fort. Der Ge­we­be­ver­band quietsch­te. Lei­chen­blaß sah mich der Klei­ne an.

»Was ist denn?« frag­te Ge­ne­ral Re­ling be­un­ru­higt.

»Großer«, stöhn­te Han­ni­bal, »Großer, bin ich ei­gent­lich noch nor­mal? Die Ro­bo­ter hat­ten uns doch im Ro­ten Leuch­ten! Wie viel Stun­den sind seit­dem ver­gan­gen? Großer, bin ich noch nor­mal?«

Ich nick­te stumm. Un­ab­läs­sig hat­te ich dar­an den­ken müs­sen. Die Furcht vor ei­nem En­de in völ­li­ger Apa­thie hat­te mich bald ge­lähmt. Doch jetzt glaub­te ich nicht mehr dar­an.

»Das war mei­ne Be­fürch­tung, ehe ich die­sen Raum be­trat«, sag­te Re­ling schwerat­mend. »Kon­nat, wis­sen Sie jetzt, warum ich Ih­nen die­se Net­ze in die Kopf­haut ein­set­zen ließ? – Es sind mehr als sie­ben Stun­den ver­gan­gen. Die ab­schir­men­den Net­ze ha­ben bei Ih­nen ih­re Schul­dig­keit ge­tan.«

Bei sei­nen Wor­ten fiel die Qual der letz­ten Stun­den von mir ab. Er­leich­tert sank auch Han­ni­bal in die Kis­sen zu­rück.

Drau­ßen, über dem Mond, lag noch im­mer die Nacht. Aber es muß­te bald Tag wer­den, so wie es im­mer Tag wur­de auf der na­hen und doch so fer­nen Er­de.

Der rus­si­sche Ge­heim­dienst­chef er­kun­dig­te sich nach un­se­rem Be­fin­den. Die Säu­be­rungs­ak­ti­on war ab­ge­schlos­sen; die we­ni­gen Kampfro­bo­ter ver­nich­tet und die Nach­ah­mun­gen er­schos­sen.

Als er ge­hen woll­te, hielt ich ihn mit ei­nem kur­z­en Ruf zu­rück.

»Ja?«

»Ge­ne­ral, wird es nun zwi­schen Ih­nen und uns so blei­ben wie es jetzt ist? Ich mei­ne, ar­bei­ten wir auch in Zu­kunft fried­lich Hand in Hand, oder soll der Kal­te Krieg zwi­schen den Ge­heim­diens­ten wie­der auf­le­ben?«

Er sah mich lan­ge an, ehe er be­däch­tig den Kopf schüt­tel­te.

»Nein, die Zeit des ge­gen­sei­ti­gen Miß­trau­ens ist vor­bei. Seit­dem wir wis­sen, daß wir im wei­ten All nicht al­lein sind, dürf­te sich das über­lebt ha­ben. Dar­auf kön­nen Sie ver­trau­en, Ma­jor! Die­se Tat­sa­che ist ein bes­se­rer Ga­rant für den wirk­li­chen Frie­den zwi­schen den Er­den­völ­kern als die so­ge­nann­te mensch­li­che Ver­nunft. Dar­auf hät­te ich mich we­nigs­tens nicht ver­las­sen – ich nicht!«

Uns auf­mun­ternd und zu­ver­sicht­lich zu­ni­ckend schritt er hin­aus.

Ich war zu­frie­den, end­lich ein­mal zu­frie­den, ob­wohl es nun im Son­nen­sys­tem einen Mond we­ni­ger gab.

EN­DE