9.


Den Hauptein­gang hat­ten wir gut über­wun­den, we­nigs­tens war bis­her noch kein Alarm er­folgt, so daß man an­neh­men konn­te, un­be­merkt in die Un­ter­welt des La­by­rinths vor­ge­drun­gen zu sein.

Wir kau­er­ten dicht hin­ter ei­ner Gang­bie­gung. Hier un­ten wa­ren die Wän­de nicht mehr so schön ge­glät­tet, son­dern zer­ris­sen und za­ckig, wie sie von der Na­tur ge­schaf­fen wor­den wa­ren.

Die Berg­bau­ma­schi­nen hat­ten nur hier und da Durch­brü­che ver­grö­ßern und na­tür­li­che Gän­ge er­wei­tern müs­sen. An­sons­ten war das ei­nes der vie­len Höh­len­sys­te­me, die man tief un­ter der Krus­te des Mon­des über­all fand.

Wir be­fan­den uns et­wa fünf­hun­dert Me­ter un­ter der Ober­flä­che. Die Gän­ge ent­hiel­ten noch un­se­re künst­li­che At­mo­sphä­re, nur war es emp­find­lich kühl.

Rechts von uns, ver­steckt hin­ter der Bie­gung, la­gen die großen Hohl­räu­me mit der Kli­ma- und Luft­re­ge­ne­rie­rungs­an­la­ge. Sie ar­bei­te­te voll­au­to­ma­tisch. Un­fehl­ba­re Ro­bot­ge­rä­te be­sorg­ten die Kon­trol­len, schmier­ten die ein­zel­nen La­ger und hiel­ten stur die ein­ge­stell­ten Wer­te ein.

Wenn wirk­lich ein­mal ein Scha­den auf­trat, wur­de er durch die Ro­bo­ter nach oben ge­mel­det. Erst dann ka­men die Men­schen.

Die ato­ma­re Kraft­sta­ti­on lag wei­ter ab­seits. Auch sie war voll­au­to­ma­ti­siert.

Man­zo lausch­te mit ge­schlos­se­nen Au­gen auf Im­pul­se, die ich nie­mals wahr­neh­men konn­te. Er lau­er­te auf die Aus­strah­lun­gen den­ken­der Ge­hir­ne, die er so­gar im schla­fen­den Zu­stand er­fas­sen konn­te.

Als er sich nun auf­rich­te­te, wuß­te ich, daß nie­mand in der Nä­he sein konn­te. Das war ein be­ru­hi­gen­des Ge­fühl.

Es war dun­kel in den vie­len Gän­gen. Mit mei­nen in­fra­ro­t­emp­find­li­chen Au­gen konn­te ich sei­nen Kör­per gut er­ken­nen, doch an­sons­ten sah ich sehr we­nig. Hier gab es kei­ne Hei­z­quel­len, die sich mir durch die Wär­me­strah­lung ver­ra­ten hät­ten.

So wa­ren wir auf Man­zos Ta­schen­lam­pe an­ge­wie­sen, die er in ir­gend­ei­ner Fal­te sei­ner Sand­pa­pier­haut ver­steckt ge­tra­gen hat­te. Ich folg­te ihm dicht auf den Fer­sen. Er warn­te im­mer wie­der vor schar­fen Kan­ten.

Wir ka­men an den Ma­schi­nen­räu­men vor­bei. Wei­ter hin­ten führ­te ein dunk­ler Schacht im Win­kel von fünf­und­vier­zig Grad nach un­ten.

»Wie weit noch«, flüs­ter­te ich. »Wir müß­ten bald an ei­ne Luft­schleu­se kom­men. Die ha­ben doch nicht das gan­ze Hohl­raum­sys­tem mit Luft ge­füllt.«

»Na­tür­lich nicht«, groll­te es an mei­nem Ohr. »Nur noch durch den Schacht, dann kom­men wir an die ab­schlie­ßen­de Be­ton­mau­er. Wei­ter geht es nicht mehr. Komm nur mit, wir sind gleich da.«

Ich muß­te auf­pas­sen, daß ich mir in der en­gen Stein­röh­re nicht die Kom­bi­na­ti­on zer­riß. Un­ten an­ge­langt, kroch er auf al­len vie­ren von dem sicht­bar wer­den­den Be­ton­pfrop­fen weg. Hin­ter ihm be­gann das Nichts, die Lee­re des Mon­des. In die­ser ge­rin­gen Tie­fe wa­ren noch nie­mals Spu­ren ei­ner ehe­ma­li­gen At­mo­sphä­re ge­fun­den wor­den. Auch Was­ser fand man erst ab zwei­tau­send Me­ter.

Der Gang wur­de so eng, daß ich mich nun eben­falls krie­chend wei­ter­be­we­gen muß­te. Dann war er plötz­lich ver­schlos­sen. Es ging nicht mehr wei­ter.

Ich sah Man­zo er­star­ren. Nun muß­te er laut Plan die klei­ne Ki­ny an­ru­fen, da­mit uns der groß­ar­tig ge­tarn­te Zu­gang ge­öff­net wur­de.

Wie hat­ten un­se­re Spe­zi­al­ein­hei­ten nur die­sen ab­ge­le­ge­nen Fleck ge­fun­den? Wahr­schein­lich mit mo­der­nen Hohl­raum­tas­tern, nach­dem sie vor­her vom rus­si­schen Ge­heim­dienst die ge­nau­en Plä­ne über das Gang­sys­tem an­ge­for­dert hat­ten. An­ders war das wohl kaum mög­lich ge­we­sen.

Als sich der Mu­tant wie­der be­weg­te, glitt auch schon ein Teil der so mas­siv er­schei­nen­den Wand nach in­nen. Wir be­merk­ten ein dunkles Loch, in das Man­zo, oh­ne zu zö­gern, hin­ein­kroch. Ich folg­te ihm. Erst als sich die ge­tarn­te Stahl­tür wie­der ge­schlos­sen hat­te, be­merk­te ich, daß wir uns in ei­ner en­gen Höh­le be­fan­den.

Ich lau­er­te noch, da hör­te ich be­reits mei­ne Ko­de­num­mer.

»Ma­jor HC-9?« frag­te je­mand.

Ich be­jah­te zö­gernd.

Licht flamm­te auf. Es war ein trans­por­ta­bler Schein­wer­fer, den man auf Breit­strahl ge­schal­tet hat­te. Er leuch­te­te die Höh­le voll­kom­men aus.

TS-19 lach­te mich mit sei­nem Bio­ge­sicht an. Er war al­lein mit der klei­nen Ki­ny Ed­wards, die still und ver­schüch­tert im Hin­ter­grund auf ei­ner Kis­te saß.

Sie war in­zwi­schen zwölf Jah­re alt ge­wor­den, doch sie sah im­mer noch sehr kind­lich aus. Ich be­grüß­te sie mit ei­ni­gen freund­li­chen Wor­ten. Man­zo strich ihr über das Haar. Sie war nach wie vor sein »Klei­nes«. Zärt­lich sprach er ih­ren Na­men aus.

»Ma­chen wir es kurz«, sag­te ich ge­dämpft. »Wir müs­sen so­fort zu­rück. Sind die Of­fi­zie­re plan­mä­ßig ein­ge­trof­fen?«

»Und ob«, be­stä­tig­te un­ser Ver­bin­dungs­mann. »Sie ver­an­stal­ten oben schon ein Zech­ge­la­ge. Die hal­be Be­sat­zung kann kaum noch auf den Bei­nen ste­hen, die De­ne­ber ein­ge­schlos­sen. Ge­heim­di­en­stärz­te ha­ben den Ge­trän­ken ei­ni­ge net­te Zuta­ten bei­ge­mischt. Sie kom­men ga­ran­tiert gut zu­rück.«

Ich sah auf die ver­schie­den­ar­tig ge­form­ten Kis­ten.

»Ih­re Son­deraus­rüs­tung, Sir. Wir muß­ten dies­mal be­son­ders vor­sich­tig sein, da Sie nichts of­fen am Kör­per tra­gen kön­nen, was Sie nicht schon vor­her be­sa­ßen. Un­se­re Leu­te ha­ben des­halb Ih­re Ar­beits­kom­bi­na­tio­nen ge­nau­es­tens ko­piert. Na­tür­lich stim­men die Num­mern. Sie fin­den in dem ge­füt­ter­ten Ma­te­ri­al auch je zwei Mi­kro-Kern­bom­ben auf der Ka­ta­ly­se-Ba­sis.«

Ki­ny ent­nahm ei­ner Kis­te mei­ne Kom­bi­na­ti­on. Sie war we­sent­lich schwe­rer als die, die ich zur Zeit trug. Auch für Man­zo und Han­ni­bal wa­ren an­de­re Klei­dungs­stücke vor­han­den.

Wir lie­ßen uns ge­nau die ex­zel­lent ge­tarn­ten Ver­schlüs­se er­klä­ren. Dar­un­ter be­fan­den sich – sau­ber ein­ge­ar­bei­tet – die Ther­mo­ni­tal-Haft­la­dun­gen und in­ner­halb der bei­den Ober­schen­kel die nach den Beinkrüm­mun­gen an­ge­fer­tig­ten Ver­zö­ge­rungs-Kern­bom­ben. Säu­re­strah­ler wa­ren auch in der Aus­stat­tung. Von ih­nen wur­de so­gar Edel­stahl zer­stört. Al­ler­dings ver­miß­te ich die di­rek­ten An­griffs­waf­fen. Die Kom­bi ent­hielt kei­ne der zer­leg­ba­ren Ein­satz­pis­to­len.

Ich frag­te da­nach.

»Ei­ne an­de­re Lö­sung, Sir. Las­sen Sie Ih­re Schock­ge­weh­re hier und neh­men Sie die­se mit. In den Schäf­ten fin­den Sie 200-Schuß-Ma­ga­zi­ne mit hoch­wirk­sa­men Ther­mo­ni­tal-Ra­ke­ten­ge­schos­sen, die be­kannt­lich Zwölf­tau­send Hit­ze­gra­de ent­wi­ckeln. Sie kön­nen auf Ein­zel- und Dau­er­feu­er um­schal­ten. Der Lauf ist im Man­tel der Elek­tro­waf­fe ein­ge­bet­tet. Zie­len Sie völ­lig nor­mal, und drücken Sie nach der Um­schal­tung auf den Aus­lö­ser. Na­tür­lich ist das Ge­wehr nach wie vor als Schock­waf­fe zu ge­brau­chen.«

Das war al­les gut durch­dacht! Als ich den Aus­tausch voll­zo­gen und die nach­träg­lich ein­ge­bau­te Ein­rich­tung über­prüft hat­te, fühl­te ich mich we­sent­lich woh­ler in mei­ner Haut. Au­ßer­dem er­hielt ich noch mei­nen klei­nen Kör­per­sen­der auf Sup-Ul­tra-Ba­sis.

Ich ver­senk­te den Wür­fel so­fort in der er­wei­ter­ten Schuß­nar­be des rech­ten Ober­schen­kels. TS-19 ver­schloß die Öff­nung da­nach mit dem be­reit­le­gen­den Zell­plas­ma. Es war nichts mehr zu se­hen.

Nach­dem ich voll aus­ge­rüs­tet war, kam Man­zo an die Rei­he. Da sein Rie­sen­hö­cker nicht ab­nehm­bar war, leg­te sich der Mu­tant auf den Bauch, da­mit ich das Ge­heim­ver­steck durch die Ko­de­be­zeich­nung öff­nen konn­te.

Als ich die Zei­chen in die Tas­te ge­tippt hat­te, klapp­te der Hohl­be­häl­ter auf. Er bot er­staun­lich viel Platz, weitaus mehr als ein großer Ruck­sack. Wir brauch­ten die be­reit­lie­gen­den Aus­rüs­tungs­stücke nur in die be­reits vor­han­de­nen Spe­zi­al­hal­te­run­gen ein­zu­klin­ken.

Die Bom­be war groß and schwer. Selbst auf dem Mond moch­te sie un­ge­fähr fünf­zig Pfund wie­gen. Für Man­zo be­deu­te­te das ei­ne Klei­nig­keit.

Mir trat der Schweiß auf die Stirn, als ich sie ein­häng­te. TS-19 er­klär­te den Zeit­zün­der. Es war ein­fach, bei­na­he idio­ten­si­cher.

»Pas­sen Sie nur auf«, warn­te er. »Sie ent­wi­ckelt Hun­dert­fünf­zig Me­ga­ton­nen TNT.«

Ich sag­te nichts, da ich mir die Aus­wir­kun­gen vor­stel­len konn­te.

Die rest­li­chen Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­de wur­den in Man­zos Rücken­be­häl­ter un­ter­ge­bracht. Da­zu ge­hör­ten die zer­leg­ten Ver­dich­tungs­mas­ken für den Mar­sein­satz, hauch­dün­ne, je­doch stark wär­me­n­de Fo­li­en, so­wie Spe­zi­al­me­di­ka­men­te für die Selbs­t­er­wär­mung und Sta­bi­li­sie­rung des Kreis­lau­fes. Zer­stäu­ber mit bak­te­rio­lo­gi­schen Ver­nich­tungs­mit­teln wur­den auch ver­staut.

Wir er­hiel­ten so­fort Ge­gen­sprit­zen. Es konn­te mög­lich sein, daß wir die­se Waf­fen zum Ein­satz brin­gen muß­ten. Dann de­po­nier­ten wir noch Nah­rungs­mit­tel in Man­zos Hö­cker.

Wenn al­les gut­ging, muß­ten wir uns auf dem Mars zwölf Ta­ge lang am Le­ben er­hal­ten kön­nen. Al­ler­dings muß­ten wir erst ein­mal dort sein und die ge­hei­me Sied­lung der De­ne­ber ge­fun­den ha­ben.

TS-19 er­klär­te auf mei­ne Fra­ge:

»Die Be­rech­nun­gen über Ih­ren letz­ten Be­richt lie­gen be­reits vor. Das ›Ge­dächt­nis‹ gibt mit 99,3pro­zen­ti­ger Wahr­schein­lich­keit an, daß die Hyp­no-Un­ter­su­chun­gen bei den po­si­ti­ven Wär­tern den Sinn hät­ten, sie auf die Mög­lich­keit ei­ner völ­li­gen Be­ein­flus­sung zu prü­fen. Be­grün­dung: Es wird an­ge­nom­men, daß die Mu­tan­ten­trans­por­te ei­ner Be­wa­chung be­dür­fen. Da nach­weis­lich nicht vie­le er­wach­se­ne De­ne­ber exis­tie­ren kön­nen, dürf­ten die we­ni­gen Tech­ni­ker und Wis­sen­schaft­ler der Frem­den vollauf da­mit be­schäf­tigt sein, das zwei­fel­los vor­han­de­ne Raum­schiff zum Mars zu brin­gen. Die Wil­den müs­sen al­so be­wacht wer­den. Nach den End­er­geb­nis­sen des Ro­bots ge­schieht das durch die po­si­ti­ven Mu­tan­ten, die vor­her in me­cha­ni­scher Tief­hyp­no­se ih­re Be­feh­le er­hal­ten. Sie flie­gen al­so in die­sem Zu­stand mit. Jetzt kommt das Tol­le, Sir!«

Ich klapp­te un­ter­des­sen Man­zos Hö­cker zu. Er sah nun wie­der so aus, als ge­hör­te er als ver­wach­se­nes An­häng­sel zum Kör­per. Un­ser Freund war um et­wa hun­dert­acht­zig Pfund schwe­rer ge­wor­den.

»Ja?« er­in­ner­te ich mich an die Be­mer­kung von TS-19.

»Es steht fest, daß noch kei­ne Po­si­ti­ven spur­los ver­schwun­den sind. Die Be­rech­nung un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Wer­te er­gibt da­her mit hun­dert­pro­zen­ti­ger Ge­wiß­heit, daß die mit­ge­führ­ten Wäch­ter nach dem Aus­schif­fen der Wil­den wie­der zum Mond zu­rück­ge­bracht wer­den. Dort ver­ges­sen sie durch einen hyp­no­ti­schen Sper­rie­gel ih­re Er­leb­nis­se.«

Ich stand starr in dem grel­len Licht des Schein­wer­fers, bis Man­zo mein­te:

»Ei­ne lo­gi­sche Lö­sung, den­ke ich.«

»Aber ei­ne mit Feh­ler­quel­len«, sprach ich laut mei­ne Ge­dan­ken aus. »Wer ga­ran­tiert uns da­für, daß aus­ge­rech­net wir als Trans­port­wäch­ter aus­ge­wählt wer­den?«

»Ich war noch nie da­bei«, be­haup­te­te Man­zo.

»Schön! Vor­aus­ge­setzt, die Trans­por­te fin­den statt, nach wel­chen Grund­sät­zen be­stim­men die drei De­ne­ber die Be­gleit­mann­schaft? Das müß­te man wis­sen. Wie ist das, Leut­nant?«

TS-19 ver­lor nicht die Ru­he.

»Ähn­li­che Über­le­gun­gen ha­ben wir auch an­ge­stellt. Nach un­se­ren Er­fah­run­gen mit den Hyp­no­strah­lern der Kampfro­bo­ter wirkt die Hyp­no­se auf einen nor­ma­len Men­schen un­ge­mein stark, so­gar schon schäd­lich. Die Ge­hir­ne der Po­si­ti­ven sind auch emp­find­lich. Die De­ne­ber müß­ten ei­gent­lich ver­mei­den, den glei­chen Mann ein zwei­tes­mal auf die Rei­se zu schi­cken. Wir wis­sen, daß sie sehr vor­sich­tig sind. Sie über­se­hen im­mer nur win­zi­ge Klei­nig­kei­ten.«

»Zum Bei­spiel uns«, lach­te der Mu­tant. Es dröhn­te durch den en­gen Raum.

»Ru­he«, zisch­te ich. »Das sind nur Ver­mu­tun­gen.«

»Nicht nur, Sir. Wir wis­sen be­stimmt um den schäd­li­chen Ein­fluß. Au­ßer­dem müs­sen Sie be­den­ken, daß die Er­in­ne­rungs­sper­re bei ei­nem zwei­ten Trans­por­tein­satz er­heb­lich ver­tieft wer­den müß­te. Die Be­trof­fe­nen müs­sen bei­de Er­eig­nis­se ver­ges­sen. Das ist nicht pro­blem­los zu er­rei­chen, zu­mal es sich um Mu­tan­ten mit zu­meist selt­sa­men Ga­ben han­delt. Wie leicht könn­te et­was schief ge­hen. Das ›Ge­dächt­nis‹ ver­mu­tet da­her stark, daß im­mer neue Leu­te ge­nom­men wer­den.«

»Wenn über­haupt«, zwei­fel­te ich. »Es kann eben­so gut mög­lich sein, daß sie die Trans­por­te al­lein aus­füh­ren. Das wür­de auch er­klä­ren, warum noch kein Po­si­ti­ver oh­ne nach­prüf­ba­re To­des­ur­sa­che ver­schol­len ist.«

»Ab­war­ten«, riet der Kol­le­ge. Wäh­rend wir noch­mals un­se­re Aus­rüs­tun­gen über­prüf­ten, fuhr er fort:

»Wir glau­ben fest dar­an, daß Sie da­zu be­stimmt wer­den. Na­tür­lich wer­den die De­ne­ber Wert dar­auf le­gen, kräf­ti­ge, geis­tig klar­den­ken­de und rasch rea­gie­ren­de Leu­te als Wa­chen mit­zu­neh­men. Der Vo­gel­kopf dürf­te nicht in Fra­ge kom­men, der Dop­pel­kopf­mu­tant eben­falls aus­schei­den. Sie sind un­zu­ver­läs­sig. Über ei­nem Streit ver­ges­sen sie al­les an­de­re. MA-23 und Sie je­doch dürf­ten durch Ihr Ver­hal­ten bei dem ul­tra­ho­hen Ge­läch­ter einen gu­ten Ein­druck hin­ter­las­sen ha­ben.«

Ich gab es auf, län­ger über die An­ge­le­gen­heit zu dis­ku­tie­ren. Wir wa­ren zum hilflo­sen War­ten ver­ur­teilt.

»Der Chef soll nur da­für sor­gen, daß auf der Er­de kei­ne Dumm­hei­ten pas­sie­ren. Kein er­kann­ter De­ne­ber darf jetzt schon un­schäd­lich ge­macht wer­den. War­ten Sie un­se­ren ent­schei­den­den Ein­satz ab. Wenn wir die Mars­zen­tra­le er­le­digt ha­ben, dür­fen Sie han­deln. Kei­nes­falls vor­her! Auch dar­auf ach­ten, daß sie die Sa­che mit dem Ul­tra­schall nicht be­mer­ken. Even­tu­el­le Über­prü­fun­gen ganz un­auf­fäl­lig an­stel­len. Ist das klar?«

»Un­be­dingt, Sir. Die an­ge­for­der­ten Trup­pen ste­hen be­reit. Die Rie­sen­te­le­sko­pe auf dem Mond und den Au­ßen­sta­tio­nen ha­ben den Mars im Blick­feld. Wenn es da oben kracht, star­ten un­se­re neu­en Plas­ma­rau­mer. Wenn Sie wirk­lich nicht von den De­ne­bern zu­rück­ge­bracht wer­den, hal­ten Sie da oben nur zwölf Ta­ge aus. Wir ho­len Sie.«

Wir be­spra­chen die letz­ten Ein­zel­hei­ten und ver­mie­den es ab­sicht­lich, noch­mals auf den Punkt »Ab­ho­len« zu­rück­zu­kom­men. Das war mehr als il­lu­so­risch. Noch nie hat­ten wir mit sol­chen Un­ge­wiß­hei­ten zu kämp­fen ge­habt.

Ich nahm Han­ni­bals Kom­bi an mich. Sein Schock­ge­wehr hat­te ich schon mit­ge­bracht. Wäh­rend mei­ner Ab­we­sen­heit war er oh­ne Waf­fe in der Mons­ter­hal­le. Hof­fent­lich ging das gut.

Es war auch noch ein Pro­blem, sei­ne al­te Klei­dung zu ver­ste­cken. Wenn sie ge­fun­den wur­de, war der Teu­fel los.

Der Rück­weg war ei­ne Qual. Wir stie­ßen über­all an, au­ßer­dem ging es jetzt nach oben.

Zum ers­ten­mal hat­te ich nichts an der ge­rin­gen Schwer­kraft des Mon­des aus­zu­set­zen, die uns im­mer­hin ei­ne ge­wal­ti­ge Hil­fe war.

Wir spran­gen im Schein der klei­nen Lam­pe über brei­te Bo­den­ris­se und zwäng­ten uns durch Spal­ten. Dann er­reich­ten wir den großen Haupt­stol­len.

Wir sa­hen im schwa­chen Licht der Gang­be­leuch­tung die schil­lern­den Ob­jek­ti­vau­gen der Fern­bild­auf­nah­me. Als wir hin­durch­husch­ten, hoff­te ich in­brüns­tig, daß der von TS-19 er­wähn­te Al­ko­hol­ge­nuß in den Druck­kup­peln sei­nen Hö­he­punkt er­reicht hat­te.

Wenn jetzt nur ein Sol­dat auf­paß­te, muß­ten wir be­merkt wer­den. Viel­leicht durch­bra­chen wir auch noch un­sicht­ba­re Sper­ren, die in der Kom­man­dan­tur Klin­gel­zei­chen oder an­de­re Lär­m­in­stru­men­te aus­lös­ten.

Hof­fent­lich hat­ten die Spe­zia­lis­ten vom rus­si­schen Ge­heim­dienst für ei­ne ta­del­lo­se Sa­bo­ta­ge ge­sorgt. Es muß­te je­doch auch dar­auf ge­ach­tet wer­den, daß man die Ma­ni­pu­la­tio­nen spä­ter mit ei­ni­gen Hand­grif­fen wie­der in Ord­nung brin­gen konn­te.

Man­zo ver­schwand laut­los in Rich­tung sei­ner Sta­ti­on. Ich drück­te schnell un­se­re ei­ge­ne Git­ter­tür nach oben.

Als sie hin­ter mir zu­ras­sel­te und das ro­te Warn­licht der Strom­sper­re auf­leuch­te­te, wuß­te ich, daß mich Han­ni­bal auf sei­nem Bild­schirm hat­te.

Trotz­dem nahm ich die neue Waf­fe schuß­be­reit in die Arm­beu­ge. Ich war ner­vös ge­wor­den.

Der Klei­ne trat aus der Wach­stu­be und nick­te mir zu. Zehn Mi­nu­ten spä­ter wa­ren wir weit jen­seits der Hal­le.

Im Schut­ze ei­nes vor­ste­hen­den Fels­za­ckens zog er sich um und über­prüf­te die Aus­rüs­tung. Sie glich der mei­nen. Über die Be­son­der­hei­ten sei­nes neu­en Schock­ge­weh­res in­for­mier­te ich ihn in Stich­wor­ten. Es konn­te al­so los­ge­hen.

»Sieh dich nach ei­nem gu­ten Ver­steck für die al­te Kom­bi um.«

»Schon ge­sche­hen. Dort hin­ten exis­tiert ein Riß im Fels. Er ist ziem­lich tief. Nicht an­zu­neh­men, daß ei­ner hin­ein­sieht. Au­ßer­dem ist es da dun­kel. In ei­ner Stun­de müs­sen die Bur­schen ge­weckt wer­den. Du bist reich­lich lan­ge aus­ge­blie­ben.«

Das merk­te ich auch, denn ich war hun­de­mü­de.