8.

 

Wir hat­ten al­les er­reicht, was wir uns vor­ge­nom­men und in ei­ner über­has­te­ten Pla­nung vor­be­rei­tet hat­ten.

Nur ei­nes war uns noch nicht ge­lun­gen: fest­zu­stel­len, auf wel­chem ga­lak­ti­schen Po­si­ti­ons­punkt wir das Hei­mat­sys­tem der Or­ghs fin­den konn­ten!

Nur um mir dies aus­drück­lich ans Herz zu le­gen und es ne­ben­bei auch zu be­feh­len, hat­te Lobral mit der »1418« star­ten müs­sen, um den Ver­such zu wa­gen, das MV-AL­PHA-Sys­tem eben­falls zu er­rei­chen.

Wie mü­he- und ge­fahr­voll das ge­we­sen war, konn­te ich mir vor­stel­len. Ich brauch­te nur an un­se­ren Flug mit der tau­send­fach grö­ße­ren BA­PU­RA zu den­ken, die im Ver­hält­nis zu dem Kreu­zer über we­sent­lich bes­se­re Or­tungs­ge­rä­te und Re­chen­au­to­ma­ten ver­füg­te. Lobral hat­te ei­ne Meis­ter­leis­tung voll­bracht, an der un­se­re wis­sen­schaft­li­chen Ko­ry­phä­en, Dr. Al­li­son und Dr. Kenji Nis­hi­mu­ra, tüch­tig mit­ge­wirkt hat­ten.

Es war al­les gut­ge­gan­gen. TECH­NO hat­te die An­kunft der Ter­ra­ner ak­zep­tiert, und Han­ni­bal war es ge­lun­gen, die­se Tat­sa­che als zu­sätz­li­chen Psy­cho­fak­tor in sei­ne Re­den über die groß­ar­ti­ge To­le­ranz des Er­ben des Mars, sei­ner Ver­klärt­heit Tu­ma­dschin Khan, ein­zu­bau­en.

Wäh­rend Lobral un­an­ge­foch­ten und von Be­geis­te­rungs­stür­men der Ye­do­ce­ko­ner um­tost auf dem vier­ten Pla­ne­ten ge­lan­det war, hat­ten es über drei­tau­send Jä­ger­be­sat­zun­gen ge­wagt, tief ins In­ne­re ih­res Son­nen­sys­tems vor­zu­sto­ßen, mit der BA­PU­RA Funk­kon­takt auf­zu­neh­men und sich von de­ren Au­to­ma­ti­ken ein­steu­ern zu las­sen.

Zum Ent­set­zen der Hyp­nos, das Ki­ny und ich ein­deu­tig or­ten konn­ten, wa­ren die­se drei­tau­send licht­schnel­len Ma­schi­nen plötz­lich wie ein Hor­nis­sen­schwarm auf­ge­taucht. Ih­re Be­sat­zun­gen hat­ten sich in ei­ner fei­er­li­chen Ze­re­mo­nie mei­nem Be­fehl un­ter­stellt und auf An­wei­sun­gen ge­war­tet.

Um den Ta­ten­drang der tap­fe­ren und wa­ge­mu­ti­gen Män­ner ei­nes uns bis­lang frem­den Vol­kes nicht ent­täu­schen zu müs­sen, hat­te ich sie mit der Über­wa­chung der or­gh­schen Raum­schif­fe nach ei­ge­nem Da­für­hal­ten be­auf­tragt.

Mein Psy­cho­trick, des­sen ich mich heu­te noch schä­me, hat­te dar­in be­stan­den, die von den Hyp­nos aus­ge­hen­de Ge­fahr maß­los zu über­trei­ben. Die ye­do­ce­ko­ni­schen Pi­lo­ten hat­ten sich ge­ehrt ge­fühlt. Ab so­fort wä­ren sie für den Tu­ma­dschin Khan »durchs Feu­er ge­gan­gen«, wie man im ter­ra­ni­schen Volks­mund sagt.

Tat­säch­lich hat­ten es die Or­ghs nicht un­ter­las­sen kön­nen, einen Pa­ra­über­fall auf die Jä­ger­be­sat­zun­gen durch­zu­füh­ren.

Et­wa vier­zig Ye­do­ce­ko­ner wa­ren trotz ih­rer Hoch­ener­gie­pan­zer so nach­hal­tig über­nom­men wor­den, daß grö­ße­res Un­heil nur durch das so­for­ti­ge Ein­grei­fen der an­de­ren Be­sat­zungs­mit­glie­der an Bord des je­wei­li­gen Jä­gers ver­hü­tet wer­den konn­te.

Zum Glück hat­ten es die Or­ghs nicht ge­schafft, die Ge­samt­be­sat­zung ei­ner Ma­schi­ne gleich­zei­tig lahm­zu­le­gen. Was sonst ge­sche­hen wä­re, wag­te ich mir nicht aus­zu­ma­len.

Der hyp­no­sug­ge­s­ti­ve Über­fall war von den Ye­do­ce­ko­nern ein­deu­tig er­kannt wor­den, zu­mal ich sie vor­her ge­nau über den ent­spre­chen­den Ef­fekt in­for­miert hat­te.

An­schlie­ßend hat­te ich mei­nen gan­zen Ein­fluß auf­bie­ten müs­sen, um zu ver­hin­dern, daß die Jä­ger­kom­man­dan­ten das Feu­er auf die Or­ghs er­öff­ne­ten.

Die er­folg­rei­che Mel­dung der Jä­ger­kom­man­deu­re war mit­tels Hy­per­funk an die Groß­sta­tio­nen von MV-Al­pha IV an­ge­strahlt wor­den. Ihr Aus­hal­te­ver­mö­gen wur­de als Sieg ge­fei­ert.

Sie, die seit Jahr­zehn­tau­sen­den in ei­nem Irr­glau­ben be­fan­ge­nen Män­ner, wur­den zu Hel­den der Jahr­tau­sen­de er­klärt! Et­wa vier Mil­li­ar­den Ye­do­ce­ko­ner be­ju­bel­ten einen Sieg, den sie end­lich durch ei­ge­ne Ent­schluß­kraft und ei­ge­ne In­itia­ti­ve er­run­gen hat­ten. Frü­her wa­ren sie im­mer von den Mar­sia­nern und in den nach­fol­gen­den Jahr­zehn­tau­sen­den von TECH­NO ge­wis­ser­ma­ßen am Gän­gel­band ge­führt wor­den.

Ich hat­te ih­nen da­ge­gen vol­le Hand­lungs­frei­heit nach ei­ge­nem Er­mes­sen ge­währt. Was das für die­ses Volk be­deu­te­te, kön­nen Sie sich vor­stel­len! Es war wie das Er­wa­chen aus ei­nem un­end­lich lan­gen Opi­um­schlaf; ein Er­wa­chen zur Selb­stän­dig­keit.

Ich konn­te ih­nen nach­füh­len, was sie da­bei be­weg­te. Sie wa­ren stolz; sie wa­ren glück­lich und wie von ei­nem Joch be­freit.

In die­sem Au­gen­blick war es nicht nur mein hei­ßer Wunsch, son­dern auch der al­ler Be­sat­zungs­mit­glie­der der BA­PU­RA, mit den Ye­do­ce­ko­nern ei­ne wah­re und auf­rich­ti­ge Völ­ker­freund­schaft ein­zu­ge­hen.

Kurz nach der Lan­dung auf dem Raum­flug­ha­fen von Baa­hant sah es nun wirk­lich da­nach aus, als soll­te die­ser Wunsch schnel­ler in Er­fül­lung ge­hen, als wir es uns je­mals er­träumt hat­ten.

Tan­ca­noc hat­te mich freu­de­strah­lend be­grüßt. Ei­ne un­ge­heu­re Volks­mas­se war un­ge­ach­tet der Hit­ze, die den nach­glü­hen­den Trieb­wer­ken der BA­PU­RA ent­ström­te, bis zum Schiff vor­ge­drun­gen, um end­lich die­sen schon le­gen­där ge­wor­de­nen Tu­ma­dschin Khan be­grü­ßen oder nur se­hen zu dür­fen.

Al­le po­li­ti­schen und re­li­gi­ösen Span­nun­gen, von de­nen die In­tel­li­genz­we­sen des Pla­ne­ten Ye­do­ce­kon heim­ge­sucht wor­den wa­ren, hat­te man in Se­kun­den­schnel­le ver­ges­sen.

Be­geis­ter­te Män­ner und Frau­en hat­ten eben­falls la­chen­de, schwer­ge­pan­zer­te Sol­da­ten ein­fach zur Sei­te ge­drängt und die Ab­sperr­li­ni­en durch­bro­chen. Kei­ner der Ord­nungs­hü­ter hat­te ein gro­bes Wort aus­ge­spro­chen, ge­schwei­ge denn von ei­ner Be­täu­bungs­waf­fe Ge­brauch ge­macht.

Und warum war das ge­sche­hen?

Weil Han­ni­bal, die­ser ge­nia­le Zwerg, es ver­stan­den hat­te, klei­ne mensch­li­che und auch ye­do­ce­ko­ni­sche Schwä­chen von vorn­her­ein au­gen­zwin­kernd zu er­wäh­nen. Er hat­te ver­si­chert, Sei­ne Ver­klärt­heit, Tu­ma­dschin Khan, wür­de das voll­kom­men ver­ste­hen und fol­ge­rich­tig auf­fas­sen, denn auch er wä­re ein Ter­ra­ner!

Der da­durch er­ziel­te po­li­ti­sche und mi­li­tä­ri­sche Er­folg war phä­no­me­nal. Ich kam im­mer­hin mit ei­nem Schiffs­gi­gan­ten der Por­cu­pa-Klas­se an. TECH­NO un­ter­warf sich mei­nem Be­fehl. Die­se bis­lang ver­ehr­te see­len­lo­se Ro­bot­gott­heit beug­te sich dem Er­ben der Mar­sia­ner. Mehr Er­klä­run­gen ver­lang­ten die Ye­do­ce­ko­ner nicht; im Ge­gen­teil – es war schon fast et­was zu­viel der To­le­ranz.

Dar­an wa­ren sie nicht ge­wohnt. Sie wa­ren bes­se­re Skla­ven ge­we­sen. Plötz­lich wur­den sie um Hil­fe ge­be­ten. Un­ver­mit­telt über­trug ih­nen ein Frem­der Hand­lungs­voll­mach­ten, die für sie un­vor­stell­bar wa­ren. Die Jä­ger­be­sat­zun­gen hat­ten mit ih­rem Ge­fechts­be­richt mehr er­reicht, als Han­ni­bal mit zahl­rei­chen schö­nen Re­den.

Es war ein­fach über­wäl­ti­gend.

Die bei­den Or­ghs wa­ren von den Re­lais­sta­tio­nen des Groß­ro­bo­ters TECH­NO in Fern­steue­rung ge­nom­men und auf den da­für vor­ge­se­he­nen Ab­stell­plät­zen ge­lan­det wor­den. Einen hyp­no­sug­ge­s­ti­ven Über­fall hat­ten sie nicht mehr un­ter­nom­men.

Das war die der­zei­ti­ge Si­tua­ti­on!

Ei­ni­ge hun­dert Me­ter wei­ter be­merk­te ich die ver­trau­ten Kon­tu­ren der »1418«. Lobral und sei­ne Be­sat­zungs­mit­glie­der wa­ren be­reits an Bord der BA­PU­RA ge­kom­men.

Han­ni­bal, Dr. An­ne Bur­ner, Pro­fes­sor Aich und al­le an­de­ren Per­so­nen, die ich mit dem Bei­boot vor­aus­ge­schickt hat­te, wa­ren auch an­we­send.

Han­ni­bal trug sei­ne Prunk­klei­dung als »Tran­tor of Tal­gan«. Die Psy­cho­lo­gin lach­te still vor sich hin. Al­li­son riß Wit­ze, und Pro­fes­sor Aich wisch­te sich stän­dig den Schweiß von der Stirn.

»Nun wer­den Sie wohl all­mäh­lich er­schei­nen müs­sen, Eu­er Ver­klärt­heit«, mein­te er oh­ne je­de Iro­nie. »Las­sen Sie sich mög­lichst nicht zer­rei­ßen. Die Leu­te sind au­ßer sich. Aber vor Freu­de! Man liebt einen Frem­den, den man nie­mals zu­vor sah. Man war fas­sungs­los, als man von den Jä­ger­kom­man­dan­ten hör­te, die­ser Frem­de hät­te ih­nen die Ent­schei­dungs­frei­heit über­las­sen und ih­nen zu­ge­traut, sich oh­ne sei­ne Hil­fe ge­gen die Zwangs­be­vor­mun­dung der Hyp­nos zu be­haup­ten. Ge­ne­ral Kon­nat – was das für die­se Leu­te be­deu­tet, kön­nen Sie sich nicht vor­stel­len, auch wenn Sie das nicht wahr­ha­ben wol­len. Das ist ein Fall der ab­so­lu­ten Su­per­la­ti­ve.«

Mein La­chen klang hei­ser. Mei­ne Keh­le war wie aus­ge­dörrt.

»Wir kom­men als Nichts­kön­ner und wer­den um­ju­belt. Un­vor­stell­bar!« füg­te er noch hin­zu.

Ich such­te krampf­haft nach Aus­re­den, um mei­nen Auf­tritt noch et­was hin­aus­zu­zö­gern. Die Hyp­nos an der Na­se her­um­zu­füh­ren – das war da­ge­gen ei­ne Klei­nig­keit. Wie soll­te ich mich ver­hal­ten?

Ich fühl­te plötz­lich einen äu­ßerst schmerz­haf­ten Druck an mei­ner lin­ken Schul­ter. Die Hand ei­nes Ti­ta­nen schi­en sie um­faßt zu ha­ben. Ich dreh­te den Kopf.

Tan­ca­noc stand hin­ter mir. Er ahn­te nicht, daß er mir weh tat. Ich ver­zog auch kei­ne Mie­ne.

»Freund«, sag­te er mit tiefer Stim­me in sei­nem mitt­ler­wei­le gut ver­ständ­li­chen Eng­lisch, »ich weiß, was Sie be­wegt. Ich bin auf die­ser Welt der ein­zi­ge Ye­do­ce­ko­ner, der die tech­ni­schen Schwie­rig­kei­ten Ih­res ter­ra­ni­schen Vol­kes kennt. Kein Wort dar­über ist über mei­ne Lip­pen ge­kom­men. Bis zu mei­ner An­kunft auf MV-AL­PHA-VI war ich noch arg­wöh­nisch. Jetzt bin ich es nicht mehr. Ich füh­le, daß in­ne­re Zwei­fel Sie pla­gen. Das ist nicht gut; nicht gut für Sie und nicht gut für uns. Sie müs­sen Tu­ma­dschin Khan sein. Ver­ste­hen Sie, was ich da­mit mei­ne?«

Ich nick­te be­drückt. Tan­ca­noc trug wie­der die dun­kel­ro­te Uni­form­kom­bi­na­ti­on mit der sil­bern strah­len­den Son­ne auf dem Brust­teil. Um zwei Köp­fe klei­ner als ich, aber we­sent­lich brei­ter in den Schul­tern, bil­de­ten wir bei­den Ver­tre­ter von zwei völ­lig ver­schie­den­ar­ti­gen ga­lak­ti­schen Völ­kern einen selt­sa­men Kon­trast.

»Es fällt mir schwer, Tan­ca­noc. Ich be­trü­ge nicht gern. Ihr Volk be­nimmt sich so groß­ar­tig und ent­ge­gen­kom­mend, daß ich mich mei­ner Lü­gen­rol­le schä­me.«

Er hob den Kopf, so daß ich sei­ne tief­lie­gen­den Au­gen un­ter der mäch­ti­gen Schä­del­vor­wöl­bung se­hen konn­te.

»Nein, tun Sie es nicht. Sie dür­fen es nicht ein­mal, selbst wenn Sie es wirk­lich woll­ten! Ob Lü­ge oder nicht – nur Ihr Er­schei­nen mit den ent­spre­chen­den Vor­zei­chen und Ar­gu­men­ten kann mei­nem Volk den Frie­den brin­gen. Sie müs­sen wei­ter­spie­len, Freund.«

»Freund?« wie­der­hol­te ich be­wegt. »Hal­ten Sie mich die­ses ho­hen Be­grif­fes für wür­dig?«

»Ja. Darf ich Sie so nen­nen?«

Ich reich­te ihm un­vor­sich­ti­ger­wei­se die Hand. Er drück­te zu. Als ich stöh­nend in die Knie ging, er­in­ner­te er sich an sei­ne schwer­kraftan­ge­paß­ten Kräf­te. Er ent­schul­dig­te sich be­stürzt. Ich wink­te ab.

»Tan­ca­noc, ich bit­te um Ih­re Hil­fe. Be­glei­ten Sie mich. Las­sen Sie mich kei­ne Se­kun­de aus den Au­gen. Mit Fein­den wer­de ich je­der­zeit fer­tig, nicht aber mit In­tel­li­genz­we­sen, de­nen das Herz auf der Zun­ge liegt. Kor­ri­gie­ren Sie mich, wenn ich Feh­ler ma­chen soll­te.«

Wir gin­gen. Ich trug die Prunk­klei­dung Ers­ter Klas­se. In der lin­ken Hand hielt ich je­nes Päck­chen, das mir Cap­tain Phi­lip Bot­cher im letz­ten Au­gen­blick über­reicht hat­te. Schon wie­der ein un­schö­ner Psy­cho­gag!

Ke­no­ne­we hat­te die To­re der rie­si­gen Las­ten­schleu­se öff­nen las­sen. Ei­ne Platt­form aus MA-Me­tall hat­te sich ins Freie ge­scho­ben und ab­ge­senkt, bis sie den Bo­den be­rühr­te. An­ne Bur­ner war der Mei­nung ge­we­sen, mein Er­schei­nen in der klei­nen Pol­schleu­se der un­te­ren Schiffs­run­dung wä­re viel zu un­auf­fäl­lig ge­we­sen.

Das über­aus grel­le Licht ei­ner Rie­sen­son­ne stach in mei­ne Au­gen. Ich konn­te kaum et­was se­hen. Kein Wun­der, daß die Ye­do­ce­ko­ner von Na­tur aus tief­lie­gen­de Au­gen be­sa­ßen.

Ich tas­te­te nach Tan­ca­nocs Hand und fand sie. Er drück­te be­hut­sam zu. Trotz­dem war es noch schmerz­haft.

»Hal­tung, Großer!« ver­nahm ich Han­ni­bals te­le­pa­thi­sche Stim­me. »Wir sind al­le bei dir. Tan­ca­noc ist ein ech­ter Freund. Der wür­de sich für dich in Stücke rei­ßen las­sen. Oh – das ha­be ich bei­na­he ver­ges­sen! Tan­ca­noc wur­de zum Ober­be­fehls­ha­ber al­ler ye­do­ce­ko­ni­schen Streit­kräf­te er­nannt. Er ist ›Held der Ge­schich­te‹ ge­wor­den und da­mit au­to­ma­tisch der höchs­te Tech­no­of­fi­zier. Man hat sich ihm be­reit­wil­lig un­ter­stellt. Ein Wort von ihm – und drei Mil­lio­nen Mann ge­hor­chen. So sind die­se Leu­te nun ein­mal ver­an­lagt. Ich über­trei­be nicht!«

Für die­se In­for­ma­ti­on war ich dank­bar. Ich woll­te ant­wor­ten, aber das auf­bran­den­de Ge­räusch hin­der­te mich dar­an. Es war wie ein be­gin­nen­der Sturm­wind, der sich rasch zum To­sen ei­nes Tai­funs stei­gert.

Wo­hin ich auch blick­te – ich sah nichts, was den Er­zeug­nis­sen ir­gend­wel­cher Tech­ni­ken ge­gli­chen hät­te! Je­der noch so klei­ne Fleck des rie­si­gen Raum­flug­ha­fens war von Ye­do­ce­ko­nern be­deckt. Zwi­schen ih­nen er­kann­te ich die leuch­ten­den Ener­gie­pan­zer der Sol­da­ten. Sie wa­ren mit­ge­ris­sen wor­den.

Mei­ne in­ne­re Scham ver­ging. Mich er­füll­te nur noch Freu­de.

Sind Sie schon ein­mal von so vie­len In­tel­li­genz­we­sen der­art of­fe­nen Her­zens be­grüßt wor­den? Ich glau­be nicht.

Es muß­ten Mil­lio­nen sein, die sich hier vor der Groß­stadt Baa­hant ein­ge­fun­den hat­ten. Über zehn Stun­den hat­ten sie ge­war­tet. Als sie noch nicht ge­nau wuß­ten, wes­halb sich die An­kunft der BA­PU­RA so lan­ge ver­zö­ger­te, wa­ren sie un­ru­hig ge­wor­den.

Als aber die drei­tau­send Jä­ger in den Raum ge­rast wa­ren, als man er­fuhr, daß ich ye­do­ce­ko­ni­sche Män­ner um Hil­fe ge­be­ten hat­te, hat­te man klag­los stun­den­lang in der glü­hen­den Son­nen­hitze aus­ge­harrt.

Ich er­hob die Hand und wink­te. Et­was Bes­se­res fiel mir nicht ein. Dann wink­te ich mit bei­den Hän­den, die Ar­me hoch über den Kopf ge­r­eckt. Das Brau­sen der Stim­men wur­de zu ei­nem un­wirk­li­chen To­sen.

Als ich mir nicht mehr zu hel­fen wuß­te, über­reich­te ich Tan­ca­noc das von Phi­lip Bot­cher vor­be­rei­te­te Päck­chen. Ich wuß­te nicht, was dar­in ver­bor­gen war. Mei­ne Wor­te an Tan­ca­noc gin­gen in der Ge­räusch­ku­lis­se un­ter.

Er, der klu­ge Mann, be­griff mei­ne La­ge. So­fort trat er et­was vor und riß die Pack­fo­lie der­art de­mons­tra­tiv auf, daß es plötz­lich ru­hi­ger wur­de. Dann trat ab­so­lu­te Stil­le ein. Mir wur­de un­heim­lich. Was, um al­les in der Welt, hat­te sich Bot­cher dies­mal aus­ge­dacht?

Ich sah ein lu­xu­ri­öses Etui. Tan­ca­noc klapp­te es auf. Ich erblick­te ei­ne kost­bar ge­ar­bei­te­te Ther­mo­rak­pis­to­le aus den Spe­zial­werk­stät­ten der GWA.

Das war von Bot­cher und un­se­ren Psy­cho­lo­gen ei­ne nie­der­träch­ti­ge Aus­nut­zung der Si­tua­ti­on – we­nigs­tens nach mei­nem Ge­fühl. Wenn man dem Ober­be­fehls­ha­ber ei­ner be­freun­de­ten Macht ei­ne Waf­fe schenkt, die er­wie­se­ner­ma­ßen Ener­gie­schutz­pan­zer durch­schlägt, dann konn­te das nicht mehr sein als ein wohl­be­rech­ne­ter Trick.

Tan­ca­noc dach­te je­doch an­ders. Er stieß einen gut­tu­ra­len Schrei aus, riß die Ther­mo­rak aus dem Etui und hielt sie mit bei­den Hän­den hoch.

Je­der Ye­do­ce­ko­ner wuß­te un­ter­des­sen, was die­se Waf­fen be­deu­te­ten. Sie hat­ten von dem »gött­li­chen« TECH­NO und den ge­fan­ge­nen Ro­bot­wäch­tern von der grau­en­haf­ten Wir­kung ge­hört. Und nun schenk­te Tu­ma­dschin Khan ih­rem höchs­ten Of­fi­zier ei­ne sol­che Waf­fe, die al­le Ye­do­ce­ko­ner in to­ta­ler Ver­ken­nung der Sach­la­ge für die mo­d­erns­te Kon­struk­ti­on des Zwei­ten Rei­ches hiel­ten! Mehr noch: Man muß­te an­neh­men, daß Tan­ca­noc von nun an in der La­ge war, mei­nen Schutz­schirm zu durch­schie­ßen und mich zu tö­ten – wenn er woll­te!

Der er­neut aus­bre­chen­de Freu­den­tau­mel war kaum noch zu er­tra­gen. Ich rief Ki­ny auf te­le­pa­thi­scher Ebe­ne an.

»Tei­le Bot­cher in mei­nem Na­men, und zwar wört­lich mit, ich hiel­te ihn für ein nie­der­träch­tig han­deln­des In­di­vi­du­um! Das wä­re nach ei­ner sol­chen Be­grü­ßung nicht mehr not­wen­dig ge­we­sen. Wir hat­ten schon al­les er­reicht.«

»Sir, die Idee stammt nicht von Bot­cher, son­dern von Ge­ne­ral Re­ling! Die Waf­fe ist erst mit der ›1418‹ an­ge­kom­men. Es tut mir leid, Thor. Ich – ich kann das gar nicht mehr se­hen und hö­ren. Wenn man Fein­de täuscht – in Ord­nung! Nicht aber Freun­de wie die­se Men­schen hier; ich mei­ne Ye­do­ce­ko­ner.«

An­schlie­ßend wur­de Tan­ca­noc von Bot­cher noch ein pracht­voll ge­ar­bei­te­ter Waf­fen­gür­tel mit of­fe­nem Half­ter und ei­ner an­ge­häng­ten Ta­sche für zwei Re­ser­ve­ma­ga­zi­ne über­reicht. Ei­ne Kis­te Mu­ni­ti­on mit fünf­hun­dert Schuß folg­te.

Je­des De­tail wur­de von den flie­gen­den und fern­ge­steu­er­ten Fern­seh­ka­me­ras ge­nau auf­ge­nom­men. Vier Mil­li­ar­den Ye­do­ce­ko­ner sa­hen die Ze­re­mo­nie.

Mir war klar, daß auf Grund der Men­ta­li­tät die­ses Vol­kes die Waf­fe ei­ne be­son­de­re Stel­lung ein­nahm. Man sah in ihr in ers­ter Li­nie das Sym­bol für ein un­ein­ge­schränk­tes Ver­trau­en, das man ih­nen ent­ge­gen­brach­te.

So un­ge­fähr be­ur­teil­te ich die Si­tua­ti­on, der so­gar ein so hoch­ge­bil­de­ter Mann wie Tan­ca­noc un­ter­lag. Der Teu­fel soll­te die Psy­cho­lo­gen der GWA ho­len!