3.

 

Die­ses Pfei­fen, Schril­len und Heu­len mar­sia­ni­scher Alarm­ge­rä­te hat­te ich bis­her nur ein­mal ver­nom­men: Beim Ein­flug der drei Hyp­no­schif­fe ins ir­di­sche Son­nen­sys­tem.

An Bord der BA­PU­RA schi­en die Höl­le aus­ge­bro­chen zu sein. War­tungs­ro­bo­ter, sie be­sa­ßen über­wie­gend die Grö­ße und an­nä­hern­de Kör­per­form von ir­di­schen Mäu­sen, die grö­ße­ren Ein­hei­ten gli­chen Ka­nin­chen, schos­sen wie­der aus zahl­rei­chen Bo­den­öff­nun­gen her­vor und ver­schwan­den in jäh auf­klap­pen­den Öff­nun­gen in den Ver­klei­dungs­wan­dun­gen der wich­tigs­ten Steu­er­ge­rä­te.

Uns war klar­ge­wor­den, daß die­ser Vor­gang nicht im­mer mit ei­nem Re­pa­ra­tur­vor­gang iden­tisch war!

Die klei­nen Spe­zi­al­ma­schi­nen gin­gen für »den Fall der Fäl­le« in Be­reit­schafts­po­si­ti­on, um bei Aus­fall­schä­den al­ler Art so­fort an Ort und Stel­le zu sein.

Die mäch­ti­gen Hoch­ener­gie­kraft­wer­ke des Su­per­schlacht­schif­fes wur­den mit ner­ven­zer­mür­ben­dem Ge­tö­se auf Ma­xi­mal­leis­tung ge­fah­ren.

In die­sem Don­nern konn­te man sein ei­ge­nes Wort nicht mehr ver­ste­hen. An ei­ne Kon­fe­renz mit den Wis­sen­schaft­lern war un­ter die­sen Um­stän­den nicht zu den­ken.

Das war auch nicht mei­ne Ab­sicht! Wir hat­ten ge­nug ge­re­det und dis­ku­tiert. Mei­ne Grund­pla­nung, die na­tur­ge­mäß noch ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig und aus­bau­fä­hig war, muß­te ent­we­der so­fort an­lau­fen oder über­haupt nicht mehr. Die bei­den Hyp­no­raum­schif­fe ras­ten näm­lich mit stei­gen­der Fahrt in das Son­nen­sys­tem hin­ein. Wir hat­ten kei­ne Mi­nu­te mehr zu ver­lie­ren, zu­mal ich TECH­NO ein­deu­tig den Be­fehl er­teilt hat­te, auf die über­hol­ten Ab­wehr­maß­nah­men zu ver­zich­ten.

Der klei­ne Kon­troll­ro­bo­ter in mei­ner schalt­tech­nisch weit über­ge­ord­ne­ten Kon­so­le for­der­te mich un­ab­läs­sig auf, den für den Ge­fah­ren­fall un­er­läß­li­chen Schutz­schirm auf­zu­bau­en.

Ich brüll­te die see­len­lo­se Ma­schi­ne an, end­lich den Mund zu hal­ten, aber sie rea­gier­te nicht dar­auf. Sie hielt es nun ein­mal für not­wen­dig, daß der Ober­kom­man­die­ren­de be­son­ders ab­ge­schirmt wur­de.

Nach­dem ich aber drei­mal hin­ter­ein­an­der auf den Ab­schalt­knopf ge­schla­gen hat­te, schwieg die Stim­me end­lich. Ich schi­en einen Son­der­be­fehl aus­ge­löst zu ha­ben.

Ma­jor Na­ru Ke­no­ne­we war un­barm­her­zig aus sei­nem Er­schöp­fungs­schlaf ge­ris­sen wor­den. Ich sah ihn die Zen­tra­le be­tre­ten und den Platz des Ers­ten Chef­pi­lo­ten ein­neh­men. Ste­pan Tronss­kij er­schi­en je­doch nicht!

Da­für be­merk­te ich einen hef­tig ges­ti­ku­lie­ren­den GWA-Me­di­zi­ner. Dr. Sa­my Ku­lot schrie mir zu:

»Drei Stun­den Tief­schlaf für Tronss­kij. Es war not­wen­dig. Er woll­te schon wie­der auf­sprin­gen. Nach­träg­lich ein­ver­stan­den?«

Ich wink­te be­stä­ti­gend. Ein wei­te­rer Knopf­druck lös­te ein be­son­de­res Alarm­pro­gramm aus.

Aus den Rücken­leh­nen der Kon­tur­sit­ze fuh­ren au­to­ma­tisch die Ge­räusch­dämp­fer. Bei die­sem Ge­tö­se konn­te man sich über die nor­ma­le Laut­spre­cher­an­la­ge nicht mehr ver­stän­di­gen. Das war nur noch mit Hil­fe der BzB-Funk­sprech­ver­bin­dung mög­lich.

Jetzt erst, zwei Mi­nu­ten nach dem An­lau­fen des Groß­alarms, konn­te ich mich wie­der mit den Män­nern und Frau­en der Zen­tral­be­sat­zung ver­stän­di­gen.

Di­cke Oh­ren­pols­ter, in de­nen die Laut­spre­cher ein­ge­baut wa­ren, schirm­ten das Ge­räuschin­fer­no fast völ­lig ab. Die Sprech­ver­bin­dung war ein­wand­frei. Stu­fen­schal­tun­gen er­mög­lich­ten ei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on »an al­le« oder nur zu be­stimm­ten Zen­tra­len. Das war gut so! Die Mar­sia­ner hat­ten Kamp­fer­fah­rung. Sie hat­ten ge­nau ge­wußt, daß be­stimm­te An­wei­sun­gen nicht von je­der­mann ge­hört zu wer­den brauch­ten.

Ich drück­te den Schal­ter un­ter­halb ei­ner hell­gelb fla­ckern­den Bild­flä­che nie­der und ver­ließ mich da­bei auf ei­ne un­be­wuß­te Ein­ge­bung, die Tag für Tag rea­lis­ti­scher zu wer­den schi­en.

Un­se­re Pa­ra­wis­sen­schaft­ler führ­ten den Ef­fekt auf die end­lich wirk­sam wer­den­den, von dem mar­sia­ni­schen Quo­ti­en­ten­de­tek­tor hoch­ge­peitsch­ten NOQ-Wer­te zu­rück.

Neu­er­dings ver­gaß ich kaum noch et­was! Auch mei­ne Sin­nes­ein­drücke und Wahr­neh­mun­gen schie­nen im­mer schär­fer zu wer­den. Wäh­rend des Ge­fechts mit den ver­blen­de­ten Ye­do­ce­ko­nern der MV-AL­PHA-Be­sat­zung hat­te ich so­gar ein­mal das Ge­fühl ge­habt, in tiefs­ter Dun­kel­heit ein­wand­frei se­hen zu kön­nen. Ich hat­te dar­über ge­schwie­gen.

Zu­nächst woll­te ich mich nicht bla­mie­ren und an­de­rer­seits nicht noch mehr als Un­ge­heu­er ein­ge­stuft wer­den. Han­ni­bal hat­te mich al­ler­dings ei­gen­tüm­lich an­ge­blickt. Ich wuß­te nicht, ob er dem glei­chen Ef­fekt un­ter­le­gen war.

Im Fal­le die­ser hell­gelb fla­ckern­den Kon­troll­bild­flä­che auf mei­nem Haupt­schalt­pult wuß­te ich plötz­lich, was sie zu be­deu­ten hat­te.

Die Schat­ten der GWA wur­den nach streng lo­gi­schen Richt­li­ni­en ge­schult. Al­so mel­de­te sich mein Un­ter­be­wußt­sein und frag­te nach dem Wie­so!

Wie­so wuß­te ich es plötz­lich? Warum ver­mu­te­te ich es nicht nur?

Mei­ne auf­kei­men­de in­ne­re Un­ru­he we­gen die­ser für mich un­ge­lös­ten Fra­ge quäl­te mich. Das war zum jet­zi­gen Zeit­punkt völ­lig ne­ben­säch­lich! Han­ni­bal leis­te­te mir je­doch so­fort Hil­fe­stel­lung. Er mel­de­te sich auf te­le­pa­thi­scher Über­mitt­lungs­ba­sis.

»Okay, Großer, ma­che dir kei­ne Sor­gen. Mir er­geht es ähn­lich. Die von den Hen­der­won-Ko­ry­phä­en vor­aus­ge­sag­ten Ef­fek­te tre­ten ein, und zwar so un­ver­hofft, wie es sein muß. Schuld dar­an ist die Über­for­de­rung von Geist und Kör­per. Wir bei­den auf­ge­stock­ten Su­per­hel­den schei­nen in be­son­de­rer Art dar­auf zu rea­gie­ren. Ei­ne Bit­te, Großer, kein Wort dar­über zu an­de­ren Leu­ten, auch nicht zu den Pa­ra­wis­sen­schaft­lern. Ich möch­te das erst ge­nau­er un­ter Kon­trol­le brin­gen.«

»Ein­ver­stan­den!« gab ich rasch zu­rück. »Wo bist du?«

»Bei Dr. el Hai­fa­ra im Re­chen­zen­trum. Der Jun­ge ist tüch­tig. Ki­ny hält sich bei uns auf. Wir or­ten die Hyp­nos jetzt aus­ge­zeich­net. Ein­zel­ne Über­le­gungs­vor­gän­ge kön­nen wir be­reits sinn­ge­mäß ent­zif­fern. Ki­ny und ich ste­hen in Block­schal­tung.«

»Hal­tet sie sta­bil, Klei­ner. Vie­len Dank, du hast mir ge­hol­fen. Ich war et­was ver­wirrt. Wie­so fand ich plötz­lich den rich­ti­gen Schal­ter? Wie­so weiß ich, daß ich da­mit ei­ne Bord-zu-Bord-Durch­sa­ge an al­le ge­be?«

»Das hast du dich schon ein­mal ge­fragt. Be­ru­hi­ge dich. Es wird sich al­les nor­ma­li­sie­ren. Wenn du uns in der Zen­tra­le brauchst – An­ruf ge­nügt. En­de.«

An­schlie­ßend zog ich den flim­mern­den Leucht­kreis vor den Mund. Ich brauch­te ihn nur mit den Fin­ger­spit­zen zu be­rüh­ren. Er war iden­tisch mit ei­nem Mi­kro­phon, al­ler­dings nicht so pri­mi­tiv wie ein Auf­nah­me­ge­rät die­ser Art. Ich sprach ge­wis­ser­ma­ßen in ein Kraft­feld.

»Thor Kon­nat, Ge­ne­ral HC-9 der GWA, an al­le: Kei­ne Auf­re­gung we­gen der for­mel­len Mel­dung; vor al­lem kei­ne Ner­vo­si­tät we­gen des Groß­alarms. Zwei Hyp­no­schif­fe flie­gen in das MVA-Sys­tem ein. Wir ha­ben sie iden­ti­fi­ziert. TECH­NO un­ter­wirft sich mei­nem und Ma­jor Ut­ans Be­fehl. Das zur all­ge­mei­nen In­for­ma­tion, De­tails spä­ter.

Ach­tung, an die Team­wis­sen­schaft­ler und Psy­cho­aus­wer­ter: Für ei­ne Pla­nungs­be­spre­chung blieb und bleibt kei­ne Zeit. Ich ha­be TECH­NO an­ge­wie­sen, auf ei­ne so­for­ti­ge Ver­nich­tung der bei­den Or­ghs zu ver­zich­ten. Das zur Ori­en­tie­rung al­ler Per­so­nen, die mei­ne Un­ter­hal­tung mit dem Kom­man­do­com­pu­ter nicht di­rekt mit­hö­ren konn­ten. Sie müs­sen aber in­for­miert sein. Des­halb die Wie­der­ho­lung der be­spro­che­nen Ge­ge­ben­hei­ten. Hö­ren und se­hen Sie mich? Bit­te be­stä­ti­gen …!«

Vor mir leuch­te­te der bis­lang hell­gelb fla­ckern­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­schirm in ei­nem an­de­ren Farb­ton auf. Er war eben­falls hellgelb; aber um ei­ne kaum wahr­nehm­ba­re Spur dunk­ler. Das konnte ich plötz­lich ge­nau er­ken­nen. Mir stock­te der Atem! Was ging in mei­nem Ge­hirn vor?

Be­wirk­te die von dem mar­sia­ni­schen Spe­zi­al-Com­pu­ter vor­ge­nom­me­ne Quo­ti­en­ten­auf­sto­ckung die­sen Ef­fekt? Wur­de ich plötz­lich »farb­ver­stän­dig-sich­tig«?

Ich fuhr fort:

»Dan­ke. Ich glau­be Ih­re Be­stä­ti­gungs­mel­dung auf mei­ner Haupt­kon­so­le zu er­ken­nen und fol­ge­rich­tig zu iden­ti­fi­zie­ren. Al­le Sta­tio­nen mel­den die Klar­ver­stän­di­gung. Wenn ich mich ge­täuscht ha­ben soll­te – bit­te so­fort akus­tisch be­rich­ti­gen!«

In der Haupt­steu­er­zen­tra­le be­fan­den sich au­gen­blick­lich zir­ka hun­dertzwan­zig Men­schen. Eben­so­vie­le an­ge­spann­te, mir zu­ge­wen­de­te Ge­sich­ter konn­te ich wahr­neh­men. Man starr­te mich fas­sungs­los an! Seit wann konn­te der »Al­te« ei­ne Farb­sym­bo­li­sie­rung le­sen? Au­ßer­dem kam kei­ne akus­ti­sche Be­rich­ti­gung über die Rund­ruf­an­la­ge. Al­so hat­te ich rich­tig ver­mu­tet.

»Narr!« sag­te Han­ni­bal auf Pa­rae­be­ne. Mir war, als klän­ge sei­ne Stim­me wie klir­ren­des Eis. Das war na­tür­lich Ein­bil­dung. Oder doch nicht? Konn­te ich plötz­lich den Ton­fall ei­ner über­sinn­li­chen Mit­tei­lung eben­falls un­ter­schei­den?

»Narr!« wie­der­hol­te er. »Schö­ner konn­test du dich nicht ver­ra­ten. Hat­te ich dir nicht ge­ra­ten, über die­se Din­ge den Mund zu hal­ten?«

»Zweck­be­dingt«, wehr­te ich den Vor­wurf ab. »Ich brau­che volls­tes Ver­trau­en, oder die Män­ner dre­hen bei dem, was ich jetzt vor­ha­be, ret­tungs­los durch. Das ist für nor­ma­le Men­schen fast zu­viel. Ach­te lie­ber auf dei­ne Be­wußt­seinss­pio­na­ge. Kannst du schon ei­ni­ge Hirn­fre­quenz­mus­ter un­ter­schei­den und spei­chern? Ich möch­te sie spä­ter über­spielt ha­ben. En­de.«

Ich block­te mich ab. Han­ni­bals Äu­ße­run­gen wa­ren in die­ser Si­tua­ti­on un­be­deu­tend. Im Ge­gen­satz da­zu hielt ich die rest­li­che Be­fehl­ser­tei­lung für über­aus wich­tig. Ei­ne Fin­ger­be­rüh­rung brach­te die Auf­nah­me­spi­ra­le noch dich­ter vor mei­ne Lip­pen.

»An al­le, letz­te in­for­ma­to­ri­sche Durch­sa­ge vor dem Start. Ja­wohl – Sie ha­ben rich­tig ver­stan­den! Die BA­PU­RA star­tet so­fort! Ma­jor Ke­no­ne­we und Cap­tain Do­gen­dal über­neh­men die Po­si­tio­nen der bei­den Chef­pi­lo­ten. Ich grei­fe not­falls ein. Schal­ten Sie beim Start­vor­gang auf Au­to­pi­lot. Ich for­de­re die zu­sätz­li­che Un­ter­stüt­zung des Groß­com­pu­ters an.

Pla­nung: Wir flie­gen den bei­den Hyp­nos ent­ge­gen. Vor­ge­se­hen wie im No­vem­ber 2009 na­he der Mars­bahn. TECH­NO wird sich nicht ein­mi­schen. Wir stop­pen die Hyp­nos mit ei­ner Breit­sei­te aus den BA­PU­RA-Ge­schüt­zen. Die­se Macht­de­mons­tra­ti­on ge­nügt. Die zu­sätz­li­chen Ener­gie­schir­me des Kom­man­do­ro­bo­ters wä­ren zu be­ein­dru­ckend. Die bei­den Or­ghs dür­fen auf kei­nen Fall das Sys­tem flucht­ar­tig ver­las­sen. Soll­ten sie den­noch die­se Ab­sicht ha­ben – und soll­te sie mit Aus­sicht auf Er­folg rea­li­siert wer­den, sind bei­de Raum­schif­fe zu ver­nich­ten.

Ach­tung, Feu­er­leit­zen­tra­le, Cap­tain Lis­ter­man:

Ge­hen Sie au­gen­blick­lich auf Zie­lor­tung. Kon­stant-Ver­fol­gungs­schal­tung her­stel­len, je­der­zeit feu­er­be­reit sein. Sie er­öff­nen das Wir­kungs­feu­er nur auf mei­nen Be­fehl hin.«

»Feu­er­leit­zen­tra­le an HC-9 – ver­stan­den«, ent­geg­ne­te der Ers­te Waf­fen­of­fi­zier.

»Vor­sicht«, fuhr ich fort. »Die Or­ghs wer­den ver­su­chen, uns mit ei­nem hyp­no­sug­ge­s­ti­ven Über­fall geis­tig zu un­ter­jo­chen. Ich er­in­ne­re an den Mar­san­flug. Ge­ne­rel­ler Be­fehl an je­des Le­be­we­sen in­ner­halb der BA­PU­RA:

Nach voll­zo­ge­nem Start sind die An­ti­tron-Ab­sor­ber­hel­me an­zu­le­gen und auf den ex­ak­ten Sitz der Elek­tro­den zu über­prü­fen. Sie wis­sen, daß beim Mars­schau­spiel ein Mann des Raum­ha­fen-Au­ßen­kom­man­dos sei­nen Helm be­schä­dig­te und da­her an­fäl­lig für die pa­ra­psy­chi­sche Be­vor­mun­dung wur­de. Er er­hielt von den Hyp­nos den Sug­ge­s­tiv­be­fehl, Groß­re­ak­to­ren der Mar­s­stadt Top­thar zu spren­gen. Nur die Ent­schlos­sen­heit die­ses Sol­da­ten, Bal­dur Tho­mas­son, Ober­feld­we­bel der 18. Eu­ro­päi­schen-Raum­lan­de­di­vi­si­on, ver­hin­der­te ei­ne Ka­ta­stro­phe. Er wähl­te in ei­nem Au­gen­blick geis­ti­ger Frei­heit den Selbst­tod.«

Ich über­flog mit ei­nem Blick die ver­schie­den­ar­ti­gen Leuch­t­an­zei­gen mei­ner Haupt­schalt­kon­so­le.

Dr.-Ing. Sno­fer hat­te die Trieb­wer­ke der BA­PU­RA auf Start­leis­tung hoch­ge­fah­ren. Auch das er­kann­te ich plötz­lich – oh­ne je­de vor­be­rei­ten­de Un­ter­rich­tung. Ich be­müh­te mich, mein see­li­sches Gleich­ge­wicht zu wah­ren und en­de­te mit den Wor­ten:

»Wir wer­den auf den Psy­cho­über­fall ge­las­sen und iro­nisch rea­gie­ren. Dann se­hen wir wei­ter. Ach­tung – An­wei­sung an al­le Dar­stel­ler des bor­din­ter­nen Schau­spie­ler- und Ar­tis­ten­kom­man­dos:

Le­gen Sie so­fort Ih­re Mas­ken an. Die klei­nen Leu­te von Ter­ra wer­den ge­be­ten, schnells­tens die blau­en Ku­gel­we­sen von Ba­wa­la V dar­zu­stel­len. Don Es­te­ban de Fe­rei­ra, sor­gen Sie bit­te für die ein­wand­freie Ko­stü­mie­rung der Ih­nen un­ter­stell­ten Li­li­pu­ta­ner. Ma­jor Bo­ris Pe­tron­ko, so­fort um­klei­den. Ih­re Zy­klo­pen­gar­de wird im Er­fas­sungs­be­reich der Bild­auf­nah­me er­schei­nen.

An die bei­den Pa­no­lis: So­fort ein­satz­klar ma­chen. Be­stei­gen Sie Ihr Moo­lo-Un­ge­heu­er und kom­men Sie mit dem Pseu­do-Sau­ri­er in die Zen­tra­le. Vor mei­ner Haupt­kon­so­le nie­der­kau­ern und das bra­ve Rie­sen­schoß­hünd­chen spie­len. Ver­stär­ke­r­an­la­ge nur bei Be­darf hoch­fah­ren. Das Moo­lo-Ge­brüll darf nicht zu laut sein.

Al­le an­de­ren Be­sat­zungs­mit­glie­der tra­gen wei­ter­hin die ein­fa­chen Bord­kom­bi­na­tio­nen des Tu­ma­dschin Khan.

Ma­jor Ke­no­ne­we, schal­ten Sie um auf Selbst­lenk­po­sitro­nik. Start frei für BA­PU­RA.«

Nur ei­ne Se­kun­de spä­ter stei­ger­te sich das Grol­len un­se­rer Trieb­wer­ke. Drau­ßen, jen­seits der me­ter­star­ken Stahl­wan­dun­gen aus MA-Me­tall, leuch­te­te der vor schäd­li­chen Strah­lun­gen und Hit­ze­ent­wick­lung schüt­zen­de Ener­gie­schirm des drei­tau­send Me­ter in den Bo­den rei­chen­den Schacht­han­gars hell­rot auf.

Der mar­sia­ni­sche Por­cu­pa-Gi­gant lös­te sich trotz sei­ner ge­wal­ti­gen Mas­se so sanft vom Stahl­be­lag des Han­gar­bo­dens, daß kei­ne Er­schüt­te­rung spür­bar wur­de.

Vor mir, et­wa zwan­zig Me­ter ent­fernt, stan­den die bei­den Sitze der Chef­pi­lo­ten. Sie wa­ren we­sent­lich wei­ter von der Drei­vier­tel­run­dung der Zen­tra­le­wan­dung auf­ge­stellt wor­den, als al­le üb­ri­gen Be­fehls­ele­men­te.

Jim Do­gen­dal hat­te sich als Co-Pi­lot gut be­währt. Wäh­rend des Mar­sein­sat­zes hat­te er als Chef der Or­tung im Schwes­ter­schiff der BA­PU­RA, dem 900-Me­ter-Rie­sen TORN­TO, fun­giert.

Vor mir blen­de­te ei­ne drei­eck­för­mi­ge Leucht­flä­che auf. Ich ahn­te, was das zu be­deu­ten hat­te. Gleich­zei­tig mel­de­te der her­ku­lisch ge­bau­te Afri­ka­ner Ke­no­ne­we über BzB-Sprech­funk:

»TECH­NO hat Start­vor­gang über­nom­men. Er wird uns erst au­ßer­halb der At­mo­sphä­re zum Aut­ark­flug ent­las­sen.«

Ich nick­te nur. Ir­gend­wie hat­te ich das ge­wußt!

Han­ni­bal mel­de­te sich nicht. Er und die Mu­tan­tin Ki­ny Ed­wards wa­ren jetzt wohl in ei­ner tie­fen, ohn­macht­s­ähn­li­chen Kon­zen­tra­ti­ons­pha­se. Sie muß­ten ver­su­chen, die ty­pi­schen und ge­ne­rell ein­ma­li­gen Hirn­fre­quen­zen des or­gh­schen Kom­man­deurs und die sei­ner wich­tigs­ten Of­fi­zie­re zu er­mit­teln, sie ex­akt von­ein­an­der zu tren­nen und zu spei­chern. Wir be­nö­tig­ten für ei­ne spä­te­re Über­wa­chung die­ser be­deu­ten­den Per­sön­lich­kei­ten ein un­ver­wech­sel­ba­res, pa­ra­psy­chi­sches und pa­ra­phy­si­ka­li­sches Fre­quenz­mus­ter, da­mit wir uns je­der­zeit spe­zi­ell auf ein be­stimm­tes We­sen ein­stel­len konn­ten.

Die Trieb­wer­ke der BA­PU­RA wur­den in der oh­ne­hin schwa­chen An­lauf­leis­tung noch mehr ge­dros­selt. Ma­jor Ke­no­ne­we mel­de­te das Ent­ste­hen ei­nes schwer­kraftab­sor­bie­ren­den Kraft­fel­des. Dem­nach war nur noch die Mas­se des Schif­fes zu be­we­gen. Ein »Ge­wicht« im Sin­ne des Wor­tes gab es nicht mehr.

Nach we­ni­gen Mi­nu­ten blen­de­ten die Bild­schir­me der »Ze­nit­ga­le­rie« auf. Das wa­ren die größ­ten Sicht­flä­chen des Schif­fes, die bis zur ge­wölb­ten De­cken­kup­pel der Zen­tra­le hin­auf­reich­ten und den Ein­druck er­weck­ten, als be­stün­de sie aus durch­sich­ti­gem Ma­te­ri­al.

An­de­re Schir­me zeig­ten die rie­si­ge Schachtrun­dung, aus der die BA­PU­RA so­eben ge­glit­ten war.

TECH­NO mel­de­te sich über­gangs­los wie im­mer:

»Aus­schleu­sung be­en­det, Fahrt­auf­nah­me Gelb­wert fünf­zig. Das ent­ste­hen­de Va­ku­um in Ih­rer Ab­flug­bahn wird zum Zwe­cke der Tar­nung neu­tra­li­siert. Wir­bel­stür­me sind nicht zu be­fürch­ten. Wün­schen Sie ei­ne to­ta­le oder lo­ka­li­sier­te Ener­gie­ab­schir­mung des Ver­sor­ger­pla­ne­ten MV-Al­pha-VI?«

»Über­haupt kei­ne Schutz­schir­me«, ant­wor­te­te ich rasch. »Die Ener­gie­or­tung durch die Or­ghs dürf­te oh­ne­hin ver­rä­te­risch ge­nug sein. Ach­tung, Fra­ge an TECH­NO: Ist Tan­ca­nocs Aus­sa­ge rich­tig, daß zwi­schen dir und dem vier­ten Pla­ne­ten ei­ne Trans­mit­ter­ver­bin­dung be­steht? Wenn ja – wel­che Ka­pa­zi­tät ha­ben der oder die Trans­mit­ter?«

TECH­NO rea­gier­te un­wahr­schein­lich schnell und kor­rekt.

»Vier Trans­mit­ter­stre­cken, Ge­ne­ral Kon­nat. Drei Hoch­last­ver­bin­dun­gen und ei­ne Nie­der­last­stre­cke zum Trans­port bis zu fünf­tau­send le­ben­den Or­ga­nis­men.«

Schwin­del woll­te mich über­fal­len! Der Trans­port von fünf­tau­send Men­schen oder ein­ge­bo­re­nen Ye­do­ce­ko­nern war al­so für die Be­grif­fe des Mam­mu­tro­bo­ters ei­ne »Nie­der­last­stre­cke«, ge­wis­ser­ma­ßen un­be­deu­tend.

Die Hoch­last­ver­bin­dun­gen wa­ren, da­nach zu ur­tei­len, iden­tisch mit Ma­te­ri­al­trans­por­tern, die auf Grund mei­ner Er­fah­run­gen mit sol­chen tech­ni­schen Wun­der­wer­ken Mas­sen­gü­ter im Ge­wicht von zir­ka fünf Mil­lio­nen Ton­nen ent- und wie­der­ver­stoff­lich­ten.

»Be­fehl an TECH­NO: Die von mir ge­fan­gen­ge­nom­me­nen Ye­do­ce­ko­ner sind per Trans­mit­ter zu ih­rer Hei­mat­welt zu brin­gen. Dort sol­len sie von dei­nen Kampfro­bo­tern un­ter schar­fe Be­wa­chung ge­stellt wer­den. Den Be­woh­nern des vier­ten Pla­ne­ten, vor­dring­lich der Re­gie­rung, ist mit­zu­tei­len, daß in al­ler Kür­ze ein Kom­man­do des Tu­ma­dschin Khan an­kommt, um die Sach­la­ge zu er­läu­tern. Du hast den Ye­do­ce­ko­nern un­miß­ver­ständ­lich zu er­klä­ren, daß sie sich mei­nem Be­fehl zu beu­gen ha­ben. Ich kom­me je­doch als Freund und Be­schüt­zer. Auch das hast du in ver­ständ­li­cher Form zu er­wäh­nen.«

»Ver­stan­den. Wün­schen Sie zu­sätz­lich ei­ne psy­cho­lo­gi­sche Un­ter­stüt­zung? Ich könn­te Sie und Ih­re Un­ter­ge­be­nen als die Er­ben der Göt­ter avi­sie­ren.«

»Erst­klas­sig, TECH­NO! Ich ver­las­se mich in der Hin­sicht auf dei­nen Lo­gik­sek­tor. Du hast al­les zu ver­an­las­sen oder aus­zu­spre­chen, was mei­nem Wunsch zur schnel­len und freund­schaft­li­chen Kon­takt­auf­nah­me ent­ge­gen­kommt. Ich wer­de den Tech­no­of­fi­zier Tan­ca­noc, ei­ne von sei­nem Volk be­wun­der­te und ge­ach­te­te Per­sön­lich­keit, zu­sam­men mit ei­nem ter­ra­ni­schen Kom­man­do, das aus erst­klas­si­gen Fach­wis­sen­schaft­lern be­steht, zum vier­ten Pla­ne­ten schi­cken. Die­se In­for­ma­ti­on hast du in dei­ner Lo­gik­hand­lung psy­cho­lo­gisch aus­zu­wer­ten und zu be­ach­ten. Noch­mals, TECH­NO:

Tu­ma­dschin Khan, der Er­be der Göt­ter, Herr­scher über das Zwei­te Reich, kommt und lan­det als Freund und Be­schüt­zer, der in ers­ter Li­nie be­müht sein wird, die kul­tu­rel­len und re­li­gi­ös ab­sur­den Vor­stel­lun­gen der Ye­do­ce­ko­ner zu be­rei­ni­gen. Er­wäh­ne gleich­zei­tig, daß ernst­zu­neh­men­de Fein­de in das MV-Al­pha-Sys­tem ein­flie­gen. Man soll den Him­mel be­ob­ach­ten. Atom­son­nen wer­den ent­ste­hen. Sie er­ge­ben sich aus mei­ner Maß­nah­me zum Schut­ze al­ler hier hei­mi­schen In­tel­li­genz­we­sen.«

»Ak­zep­tiert und ver­stan­den, Ge­ne­ral Kon­nat. Mein Pro­gramm ist fer­tig. Ich be­gin­ne mit der Aus­füh­rung.«

Die letz­ten Wor­te des Groß­ro­bo­ters konn­te ich trotz der dämp­fen­den Ohr­schüt­zer kaum noch ver­ste­hen.

Die BA­PU­RA hat­te mit stän­dig an­stei­gen­der Be­schleu­ni­gung die At­mo­sphä­re des Ver­sor­ger­pla­ne­ten durch­sto­ßen und drang in den frei­en Raum vor.

Et­wa zwan­zig hand­flä­chen­große Kon­troll­schir­me mei­ner Kom­man­do­so­le wech­sel­ten ih­re Farb­tö­ne.

Nach dem hel­len Grün der mi­ni­ma­len An­lauf­wer­te kam Blau. Es wech­sel­te in die als leis­tungs­stark ein­zu­stu­fen­de Gelb­pha­se über, um kurz dar­auf in den Rot­sek­tor ein­zu­tre­ten.

Die Far­be ROT war für die Mar­sia­ner of­fen­bar der In­be­griff höchs­ter Ge­fahr oder ma­xi­ma­ler Leis­tung, al­ler­dings in min­des­tens zwei­hun­dert Ab­stu­fun­gen in­ner­halb die­ser Grund­far­be.

Ein un­ge­heu­res To­sen er­schwer­te so­gar die BzB-Funk­sprech­ver­bin­dung. Auf den großen Schir­men der Ze­nit­ga­le­rie wur­de der stern­fun­keln­de Welt­raum er­kenn­bar. Gleich­zei­tig leuch­te­ten an­de­re Sicht­flä­chen auf.

Auf ih­nen er­schie­nen die bei­den or­gh­schen Raum­schif­fe in ver­schie­den­ar­ti­gen Ver­grö­ße­rungs­maß­stä­ben. Ei­ne hell­blaue, et­was ge­zackt ver­lau­fen­de Li­nie zeig­te den Kurs der Hyp­nos an.

Die Li­nie be­gann am äu­ßers­ten Ran­de des MVA-Sys­tems und en­de­te dort, wo sich die bei­den Raum­schif­fe zur Zeit be­fan­den.

Ei­ne Hoch­rech­nungs­li­nie, ro­sa­far­ben, zeig­te den ver­mut­li­chen Kurs an. Da­zu er­schi­en das ge­sam­te 13-Pla­ne­ten-Sys­tem mit farb­sym­bo­li­sier­ten Um­lauf­bah­nen der ein­zel­nen Pla­ne­ten.

De­ren Mon­de wur­den als leuch­ten­de und stark irr­lich­tern­de Punk­te dar­ge­stellt, ih­re Um­lauf­bah­nen um die je­wei­li­gen Pla­ne­ten er­schie­nen als punk­tier­te Li­nie.

Es war phan­tas­tisch!

Die Bo­den­bild­schir­me der Zen­tra­le zeig­ten den Ver­sor­ger­pla­ne­ten, der uns Men­schen so lan­ge ge­fähr­det hat­te. Das war nun vor­über. Die Ma­te­ri­al­lie­fe­run­gen wa­ren ein­ge­stellt wor­den.

We­ni­ge Se­kun­den spä­ter war der sechs­te Pla­net nur noch ein gelb­leuch­ten­der Punkt un­ter vie­len. Er un­ter­schied sich von den zwölf an­de­ren Wel­ten le­dig­lich durch die flim­mern­de Au­reo­le.

Die BA­PU­RA nahm Kurs auf die bei­den Hyp­no­raum­schif­fe, die uns in­fol­ge un­se­rer über­aus ho­hen Trieb­werks­leis­tung jetzt schon ge­or­tet ha­ben muß­ten. Es wur­de ernst!