10.
Ich erkannte den Mann sofort und blieb wie erstarrt stehen. Seine schwere Dienstpistole drohte zu deutlich. Es war eine vollautomatische Henderley, Kaliber 38. Diese neuen Dienstwaffen mit dem zwanzigschüssigen Magazin wurden vom Sicherheitsdienst des Stützpunktes benutzt.
»Ich würde Ihnen raten, Sir, schön ruhig zu bleiben«, murmelte der lange, schlaksig wirkende Mann. In seinem hageren Gesicht bewegte sich kein Muskel.
Ich stand im Toilettenraum des »Three Hell Club«. Hannibal hielt sich draußen auf, doch ich war beinahe sicher, daß er in dem Augenblick ebenfalls Besuch erhalten hatte.
Sergeant Strubing, er hatte mir das Mikrophon in die Wohnung geschmuggelt, schien beunruhigt zu sein. Ich blickte auf meine Uhr und stellte fest, daß es kurz nach Mitternacht war.
Man hatte also den von Hannibal und mir besprochenen Tondraht schon abgehört. Es war so gekommen, wie ich es erhofft hatte.
Innerlich jubelte ich, doch äußerlich gab ich mich gefaßt. Schneidend fragte ich:
»Soll das bedeuten, Sergeant, daß ich endgültig verhaftet bin?«
»Fragen Sie nicht zu viel, Sir, Sie werden es in wenigen Minuten wissen. Folgen Sie mir, und machen Sie keine Dummheiten. Diese Tür! Ihre Rechnung wird beglichen. Kommen Sie.«
Ich drehte mich langsam um und nahm die Haltung eines Mannes an, der alles verloren glaubt. Mit hängenden Schultern ging ich vor dem Sergeanten des Sicherheitsdienstes her, der auf eine Nebentür gedeutet hatte, die direkt in den kleinen Garten hinausführte.
Draußen war es recht dunkel, da wir uns auf der Rückseite des Klubhauses befanden. In einigen Metern Entfernung verlief eine schmale Verbindungsstraße direkt an der Felswand entlang. Dort bemerkte ich einen schweren Turbowagen, der mit leise surrender Maschine auf uns zu warten schien.
Strubing sah sich aufmerksam um; doch hier hinten hielt sich niemand auf.
»Gehen Sie weiter, Sir«, sagte er kurz.
Ich ging auf den Wagen zu, dessen Fondtür sofort geöffnet wurde. Im Innern bemerkte ich einen Mann, der ebenfalls eine schwere Schußwaffe in der Hand hielt.
»Einsteigen, Liming«, klang eine Stimme auf, die mir bekannt vorkam.
Ich kletterte in den Fond hinein und ließ mich in die Polster sinken. Jetzt erkannte ich den Mann. Ich hatte ihn in der vergangenen Nacht kennengelernt. Es war Dr. Tonther, Physiker und erster Assistent des hiesigen Chefphysikers, Professor Centrew.
Leuchtröhren warfen einen schwachen Schein ins Wageninnere. Anscheinend konnte der Physiker mein erstauntes Gesicht sehen.
Er lachte leise, doch seine Waffe drohte nach wie vor.
»Was soll das bedeuten, Doktor?« fragte ich aufgeregt. »Gehören Sie etwa auch zum Sicherheitsdienst? Wenn ja, dann ist das eine reichlich seltsame Verhaftung. Ich …«
»Regen Sie sich nicht auf, Liming und seien Sie vor allem nicht so laut«, unterbrach er mich. »Sie sind nicht verhaftet, aber es kann sehr leicht möglich sein, daß der Sicherheitschef diesen Befehl geben wird, sobald er von Ihren Fluchtplänen erfahrt, die obendrein noch mit Landesverrat verbunden sind. Bleiben Sie sitzen!«
Ich hatte mich aufgerichtet. Er mußte den Eindruck gewinnen, als wollte ich ihn angreifen.
Die Mündung seiner Waffe preßte sich in meinen Leib.
»Sie Narr, haben Sie noch nicht begriffen? Ich spreche offen zu Ihnen, weil wir Sie hundertprozentig in der Hand haben. Ihr Gespräch mit Ridgeman ist abgehört worden. Wenn wir wollten, könnten wir das Band dem Sicherheitsdienst zuspielen. Sie würden in spätestens drei Tagen an der Wand stehen.«
Ich stöhnte verhalten und sank in mich zusammen.
»Ich … ich verstehe nicht ganz«, stammelte ich. »Da ist doch dieser Sergeant vom Sicherheitsdienst, und er …«
»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, unterbrach er mich erneut. »Er gehört zu unserer Organisation. Dort kommt er mit Ridgeman. Klären Sie diesen sofort auf, damit er keinen Lärm schlägt. Bedenken Sie, daß es um Ihre Haut geht. Wir dürfen nicht auffallen.«
»Wer sind Sie? Für wen arbeiten Sie?« keuchte ich.
»Das brauchen Sie wirklich nicht zu fragen, Liming«, entgegnete er.
»Ich gehöre zu den Leuten, an die Sie das Geheimnis um Ihren neuen Ultra-Schallstrahler verkaufen wollen.«
»Woher wollen Sie wissen, daß ich …«
»Seien Sie doch nicht kindisch«, fuhr er mich erbost an. »Ich sagte Ihnen doch unmißverständlich, daß wir Ihr Gespräch mit Ridgeman abgehört haben. Ich würde an Ihrer Stelle nicht auf den Gedanken kommen, diese Tatsache abzustreiten. Klären Sie, Ridgeman auf.«
Ich drehte mich um und sah den Kleinen leicht schwankend durch den Garten auf uns zukommen. Hinter einem Zierstrauch stand der Sergeant mit gezogener Waffe. Hannibal war in Begleitung einer Bardame, die offensichtlich ebenfalls zu dem Verein gehörte. Ich beobachtete, daß sie Strubing einen Wink gab, während Hannibal erfolgreich den Betrunkenen spielte.
Augenblicke später war seine Begleiterin verschwunden. Hannibal wurde nun von dem Sergeanten festgehalten und unsanft in den Wagen gestoßen. Fluchend richtete sich der Kleine auf, da er sich die Knie angeschlagen hatte.
Ich war ihm beim Aufstehen behilflich und drückte ihn neben mich auf den Sitz. Strubing begab sich hinter das Steuer und ließ den Wagen anfahren.
»He, was soll das heißen?« brüllte der Zwerg, der schlagartig nüchtern zu werden schien. »Eh, Rob, was willst du von mir? Kitty hat gesagt, ich sollte zu dir kommen und …, verdammt«, unterbrach er sich. »Was soll die Pistole? Sind Sie nicht Dr. Tonther?«
»Halte endlich den Mund«, mischte ich mich ein. »Ich habe dich nicht rufen lassen, aber wir sind gerufen worden. Unser Gespräch über die beabsichtigte Flucht ist abgehört worden und …«
Hannibal spielte seine Rolle hervorragend. Bei meinen Worten zuckte er zusammen; seine Hand fuhr sofort in die Tasche, wo er seine leichte Dienstwaffe trug.
Ich umklammerte ihn mit beiden Armen und schrie ihm erregt zu:
»Laß das, es ist sinnlos. Wir werden nicht vom Sicherheitsdienst abgeholt, sondern von den Leuten, mit denen wir ohnehin Verbindung aufnehmen wollten. Tonther und der Sergeant gehören zu einem Spionagering. Laß die Hand von der Waffe.«
Er saß wie erstarrt und sah den Physiker unentwegt an, der in seine Ecke gerückt war und die Henderley auf uns gerichtet hielt.
Strubing schien sich nicht um uns zu kümmern. Er hatte die unterirdische Stadt bereits durchfahren und bog in einen großen Verbindungsstollen ein, der direkt nach Norden führte.
Mit hastigen Worten erklärte ich Hannibal, was ich von dem Physiker erfahren hatte. Die sprungbereite Haltung des Kleinen lockerte sich.
Als ich fertig war, begann er derart gekonnt und ausgiebig zu fluchen, daß ich ziemlich sprachlos die Augen aufriß. Strubing begann zu grinsen, und Dr. Tonther schien aufzuatmen.
»Gut, daß Sie vernünftig geworden sind, Ridgeman«, erklärte er laut. »Sie haben unverschämtes Glück gehabt, daß Ihr Sicherheitschef, Kapitän Orlop, nicht auf den Gedanken gekommen ist, in Limings Quartier ein Abhörmikrophon einzubauen. Wenn er daran gedacht hätte, dann wären Sie wirklich verhaftet worden.«
»Großartig.« Ich lachte aufreizend. »Und was haben Sie mit uns vor? Die Sache sieht mir sehr nach einer Entführung aus.«
»Seien Sie froh, daß wir rechtzeitig geschaltet haben. Wenn Sie vernünftig sind, passiert Ihnen nichts. Ich habe lediglich den Auftrag erhalten, Sie zwecks einer eingehenden Aussprache an einen anderen Ort zu bringen. Sie brauchen sich also nicht aufzuregen.«
»Was verstehen Sie unter Aussprache?« fragte Hannibal aggressiv.
»Das kommt auf Sie an. Wir werden Ihnen gewisse Vorschläge unterbreiten. Wenn Sie annehmen, sind Sie aus allen Schwierigkeiten heraus. Das kriegsgerichtliche Verfahren gegen Liming wird dann eingestellt werden. Sie können verdienen, was Sie wollen. Natürlich werden Sie unsere Bedingungen erfüllen müssen.«
»Es erscheint mir verwunderlich, daß Sie so frei von Ihrem offensichtlichen Verrat sprechen«, bemerkte ich rauh.
»Das ist gar nicht verwunderlich, Liming. Das sollten Sie wissen. Wir haben Sie vollkommen in der Hand. Das Tonband mit Ihrem Fluchtplan und dem damit verbundenen Landesverrat ist in unserem Besitz. Sie werden sich hüten, auch nur die geringfügigste Bemerkung gegenüber Uneingeweihten fallenzulassen. Ist Ihnen das klar?«
Ich schwieg, da ich fürchtete, daß man den Triumph in meiner Stimme wahrnehmen könnte. Die Leute hatten so prompt angebissen, wie ich es sehnlichst erwartet hatte. Vielleicht hätten sie noch tagelang gezögert, wenn wir sie durch unser »Hörspiel« nicht zu einer sofortigen Verbindungsaufnahme bewegt hätten.
»Ich habe begriffen, Doc«, murmelte ich leise. »Was wollen Sie von uns. Oder von mir? Natürlich die Unterlagen über die amerikanische Ultraschallunterwasserkanone, nicht wahr?«
»Auch, aber erst in zweiter Linie. Sie werden alles hören. Fahren Sie langsamer, Strubing.«
Der Sergeant nickte und fuhr in einen Stollen ein, der sich serpentinenartig nach unten wand. Weit entfernt hörte ich grollende Geräusche, aus denen ich entnehmen konnte, daß wir uns recht weit im nördlichen Teil der Insel befinden mußten. Dort wurde noch gearbeitet. Sprengungen donnerten Tag und Nacht durch das unterirdische Labyrinth.
Uns begegneten schwere Lastwagen, die mit Felsschutt beladen waren. Anschließend kreuzten wir die Geleise der Hochbahn.
Es dauerte noch fünf Minuten, bis wir endlich in einen breiten Tunnel einbogen, der offensichtlich mehr zu Wohnzwecken als dem Durchgangsverkehr diente.
Der Wagen hielt vor einem größeren Fertighaus, das sich in seiner halbkugelförmigen Konstruktion an die Felswand anlehnte. In guter Sichtdeckung zur Straße stoppte der Wagen.
Dr. Tonther sah sich vorsichtig um und deutete auf das Haus, in dem sich eine Seitentür öffnete.
»Verlassen Sie den Wagen, und gehen Sie schnell hinein! Beeilen Sie sich! Sie werden erwartet.«
Als Sergeant Strubing die Tür öffnete, gab ich Hannibal einen Wink. Der Kleine stieg aus und rannte zu dem Gebäude hinüber. Ich folgte ihm rasch. Tonther und Strubing kamen hinterher.
Ich betrat den kleinen Vorraum, in dem Hannibal bereits wartete. Vor uns glitt eine Schiebetür zurück. Ich erblickte eine schwarzhaarige Frau, die betont ruhig in einem Sessel saß und in einem Buch las.
»Oh, bitte, treten Sie näher«, empfing uns Doris Elvador, die ich in der vergangenen Nacht ebenfalls kennengelernt hatte. Sie gehörte zum engeren Stab des Chef-Geologen Dr. Siluk und war die geologische Leiterin eines Bauabschnitts.
Beim Eintritt ließ ich meine Blicke durch das geräumige und luxuriös eingerichtete Wohnzimmer schweifen. Sie bewohnte ein großes und komfortables Haus. Es war nur bedauerlich, daß sie es für ihre gesetzwidrigen Geschäfte benutzte.
Hannibal grinste sie ungeniert an.
»Sieh mal an, Doktorchen Elvador gehört also auch zu dem Verein. Das hätte ich schon vor Wochen wissen sollen.«
»Was hätten Sie denn in dem Fall getan, Ridgeman?« fragte die schöne Frau, in deren Adern mexikanisches Blut floß. »Sie hätten sich wohl einen Orden verdient, nicht wahr?«
Ihr voller Mund lächelte, doch ihre dunklen Augen glänzten kalt. Ich fühlte instinktiv, daß diese Geologin gefährlich war. Wir waren hier mit Leuten zusammen, die innerhalb der Spionageorganisation mit Sicherheit eine führende Position einnahmen. Sergeant Strubing schien ein enger Mitarbeiter zu sein, und der unauffällig aussehende Bursche, der sich außer Doris Elvador noch im Zimmer aufhielt, gehörte zweifellos auch dazu.
Ich mußte mich beherrschen, um nicht ein unbedachtes Wort auszusprechen. Vor mir saßen die Leute, die mit ihrem Wissen die wichtigsten Anlagen des Stützpunktes verraten konnten. Besonders die Geologin war darüber informiert, an welchen Punkten die Bombenarsenale angelegt worden waren.
»Nehmen Sie doch Platz, Mr. Liming«, sagte sie höflich. »Es unterhält sich besser, wenn man sitzt. Strubing, schließen und sichern Sie die Tür. Edgar, nehmen Sie doch die Hand aus der Tasche. Eine Schußwaffe scheint hier nicht angebracht zu sein.«
»Die beiden sind bewaffnet«, gab der mit dem Namen Edgar angeredete Mann zu bedenken.
»Sind Sie das wirklich?« fragte sie betont, während ich mich setzte. »Sie werden doch hoffentlich nicht auf dumme Gedanken kommen, Mr. Liming! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich das Originaltonband nicht in meinem Haus befindet. Sollten Sie also so unvorsichtig sein, Ihre Beherrschung zu verlieren, dürfte Ihnen das nicht viel nützen.«
»Wo ist das Band, besser gesagt, das angebliche Band?« wollte Hannibal wissen. »Ich glaube Ihnen nicht eher, bis ich es gehört habe. Denken Sie nur nicht, daß Sie mit uns Katze und Maut spielen können.«
Dr. Tonther lachte, während Doris Elvador amüsiert den Kop schüttelte.
»Mr. Ridgeman, mit Ihnen haben wir erst in zweiter Linie zu tun. Sie sollten also froh sein, daß wir gewillt sind, auch Sie in unsere Organisation aufzunehmen. Es dürfte Ihnen auch gar nichts anderes übrig bleiben. Erklären Sie jetzt aber nicht, Ihr kostbares Leben sei Ihnen gleichgültig, und Sie würden uns trotzdem Ihrem Sicherheitschef melden. So heroisch sind Sie nicht veranlagt, das haben wir längst festgestellt. Dessenungeachtet bin ich bereit, eine Kopie des Bandes abspielen zu lassen. Edgar, schalten Sie das Gerät ein.«
Hinter uns klang ein Lautsprecher auf. Wir hörten das, was wir vor einigen Stunden gesprochen hatten.
Aus meinen Überlegungen herausgerissen, lauschte ich einige Minuten und winkte dann ab.
»Schon gut, schalten Sie aus. Ich glaube Ihnen.«
»Sehr vernünftig. Kann ich zur Sache kommen? Meine Zeit ist begrenzt. Im geologischen Stab wird auch noch nachts gearbeitet.«
»Wer sind Sie, oder was sind Sie?« fragte Hannibal wütend. »Wer ist hier eigentlich der Chef? Wenn wir schon verhandeln, dann wollen wir es auch mit Leuten zu tun haben, deren Anweisungen befolgt werden.«
»Ich bin nicht der sogenannte Chef, aber das, was ich Ihnen zusichere, wird auch eingehalten werden. Vorläufig sind wir noch nicht soweit. Ich habe lediglich den Auftrag erhalten, mich über Ihre Gesinnung zu vergewissern. Ihre Aufgaben bekommen Sie später gestellt.«
»Was verstehen Sie unter Aufgaben?« warf ich kühl ein. »Ich sehe ein, daß wir uns vollkommen in Ihrer Hand befinden. Sie kennen unseren Plan. Das würde genügen, uns restlos auszuschalten. Insoweit sehe ich klar. Was wollen Sie nun eigentlich? Wissen Sie nicht, daß mir eine kriegsgerichtliche Verhandlung droht; daß ich jeden Augenblick verhaftet werden kann? Was kann ich Ihnen unter solchen Umständen nützen? Lassen Sie mich meinen Fluchtplan durchführen.«
Sie musterte mich. Mir war dabei gar nicht wohl zumute.
»Das ist nicht notwendig, Mr. Liming«, entgegnete sie nach einigen Augenblicken. »Wenn Sie auf mein Angebot eingehen, kann das Verfahren gegen Sie niedergeschlagen werden. Die GAS-Regierung wird die Protestnoten zurückziehen und auch auf die Schadensersatzansprüche verzichten. Das muß Ihnen genügen.«
Ich sah sie zweifelnd an.
»Haben Sie wirklich einen solchen Einfluß?«
»Sind sie wirklich so naiv, oder geben Sie sich nur so? Der Chef wird das besorgen. Sind Sie einverstanden? Wir garantieren für Ihre Sicherheit. Sie werden auch Ihr Kommando wieder erhalten.«
Hannibal lachte bissig.
»Schön, auch das will ich glauben. Was habe ich dafür zu tun?« fragte ich beunruhigt.
»Für uns zu arbeiten; das ist alles. Wir legen Wert auf eine gute Verbindung zur Außenwelt. Bisher hat sich das außerordentlich schwierig gestaltet. Sie wissen selbst, daß Tanaga nur durch U-Boote erreichbar ist. Infolgedessen benötigen wir U-Boot-Kommandanten, die unsere Nachrichten nach draußen bringen.’ Untergeordnete Besatzungsmitglieder sind für uns bedeutungslos, denn nur ein Kommandant kann die Befehle geben, die zur Übergabe der Nachrichten erforderlich sind.«
Hannibal sah gegen die Decke, und ich begann verhalten zu lächeln.
»Interessant. Ich soll also wichtige Unterlagen aus dem Stützpunkt hinausbringen. Ist das alles?«
»Das ist alles. Mehr haben Sie nicht zu tun. Die Unterlagen werden nicht sehr umfangreich sein. Es handelt sich immer nur um kleinere Behälter, die Sie auf hoher See zu übermitteln haben. Sie haben die Behälter lediglich ins Wasser zu werfen, wo sie von einem anderen U-Boot aufgenommen werden. Dafür ist es erforderlich, daß Sie entweder auftauchen, oder die Behälter mitsamt Ihren Abfällen aus dem Boot ausstoßen. Ich sage Ihnen offen, Mr. Liming, daß wir besonderen Wert auf Ihre Mitarbeit legen. Sie gehören zu den wenigen U-Boot-Kommandanten, denen man hier im Stützpunkt allergrößtes Vertrauen entgegenbringt, was Sie in Ihrem Fall durch den Transport der C-Bomben gerechtfertigt haben. Sie erhalten für jede erfolgte Nachrichtenübermittlung hunderttausend Dollar.«
»Und ich? Was habe ich dabei zu tun?« fragte Hannibal interessiert.
Sie sah ihn abschätzend an und entgegnete ruhig:
»Nicht so viel, Ridgeman. Es trifft sich gut, daß Sie zweiter Sicherheitschef für die Schleusen sind. Es ist Ihre Aufgabe, darauf zu achten, daß Liming unkontrolliert sein Boot betreten kann, sobald er Nachrichten bei sich hat. Das können Sie doch, nicht wahr?«
»Was springt dabei für mich heraus?«
»Zwanzigtausend, nicht mehr. Wir zahlen schon sehr anständig für eine an und für sich leichte Arbeit.«
»Die aber ebenso leicht den Kopf kosten kann«, brummte ich. »Waren das Ihre Vorschläge?«
»Vorläufig ja. Wir werden Ihnen den Weg ebnen. Sind Sie einverstanden?«
Ich sah zu Hannibal hinüber. Er zuckte mit den schmalen Schultern. Mit einem zynischen Unterton in der Stimme meinte er:
»Es dürfte dir wohl kaum ein anderer Ausweg bleiben, mein Lieber! Wenn das Verfahren abgebogen wird, ist ja alles gut. Dann brauchst du auch nicht mehr Hals über Kopf zu verschwinden.«
Ich überlegte einige Augenblicke, während sie ungeduldig auf die Uhr blickte.
»Geht Ihre Nachricht sofort hinaus? Ich meine, haben Sie jemand, der Ihre Leute noch rechtzeitig genug verständigen kann, damit die Noten auch zurückgezogen werden?«
»Wenn Sie sich noch lange besinnen, dann ist es zu spät«, sagte Dr. Tonther. »Unsere Verbindungen sind äußerst dürftig, zumal wir erst vor wenigen Tagen einen Kommandanten verloren haben.«
»Sprechen Sie vielleicht von dem Kommandanten des Transporters, der Professor Morrow an Bord hatte?«
Sie warf Dr. Tonther wegen seiner unbedachten Bemerkung einen ärgerlichen Blick zu. Er ließ meine Frage daraufhin unbeantwortet.
»Das hat Sie gar nicht zu interessieren, Mr. Liming«, erklärte sie. »Ich habe Ihnen offen gesagt, daß wir Sie dringend benötigen, was aber nicht bedeuten soll, daß wir nun unter allen Umständen auf Ihre Mithilfe angewiesen sind. Vergessen Sie nie, daß Ihr Schicksal von unserem Willen abhängt. Erklären Sie sich zur Mitarbeit bereit?«
»Ja, es bleibt mir keine andere Wahl«, stieß ich hervor.
Sie nickte sachlich und gab Edgar anschließend einige Anweisungen.
»Machen Sie sich sofort auf den Weg. K-3 soll die Nachricht ›positiv‹ absetzen.«
Der Mann verschwand in größter Eile. Ich war sicher, daß er noch den Kommandanten eines U-Bootes erreichen mußte, das anscheinend kurz vor dem Auslaufen stand.
Die Bande hatte bereits die ersten, schwerwiegenden Fehler begangen, die als solche ihnen aber nicht erkennbar sein konnten. Wenn sie gewußt hätten, mit wem sie verhandelten 1 Doris Elvador erhob sich abrupt und sah erneut auf die Uhr.
»Wir müssen unsere Unterhaltung leider abbrechen. Mein Dienst beginnt. Tonther, bringen Sie unsere neuen Mitarbeiter zum Klub zurück. Wenn Sie gefragt werden sollten, wo sie waren, so sagen Sie, Sie hätten mich besucht, um mich zu einem Bummel zu verleiten. Der Wagen kann bemerkt worden sein. Strubing, Sie verschwinden unauffällig.«
Das war kurz und schmerzlos gewesen, überhaupt nicht romantisch. Aber daran war ich längst gewöhnt, da ich erfahren hatte, daß es im unterirdischen Kampf der Geheimdienste keine Spur von Romantik gab. Es ging stets um das nackte Dasein. Wenn ein: Mitarbeiter versagte oder wenn es nur den Anschein hatte, daß er eventuell versagen könnte, so wurde er rücksichtslos ausgeschaltet.
Der Sergeant blieb zurück. Zusammen mit Dr. Tonther fuhren wir zum Klub zurück. Unsere kurze Abwesenheit war nicht aufgefallen.
Die Bardame, die Hannibal so fürsorglich zum Wagen gebracht hatte, warf Dr. Tonther einen fragenden Blick zu. Er nickte bestätigend. Aus ihrem Lächeln konnte ich ersehen, daß sie ebenfalls zu der Organisation gehörte. Es war allerhöchste Zeit, daß mit dieses Spionagezentrale innerhalb von Tanga aufgeräumt wurde.
Die Leute saßen in wichtigen Positionen. Es war unvorstellbar, was alles geschehen konnte, wenn genaue Pläne und Angaben über die geheimsten Daten des Stützpunktes in falsche Hände gelangten.
Wir blieben bis vier Uhr. Dann ließ ich einen Wagen anrufen, der uns zu den Quartieren brachte. Ehe wir gingen, raunte uns Dr. Tonther noch zu:
»Wir ziehen nun am gleichen Strick, Liming. Seien Sie wachsam, denn mit dem hiesigen Sicherheitschef ist nicht zu spaßen. Wir haben vergeblich versucht, einen Mann in die Unterwasserortungszentrale hineinzubringen. Das war auch bei der Funküberwachung unmöglich. Ich rate Ihnen dringend, äußerst vorsichtig zu sein.«
»Sie sollten den Sicherheitschef in eine Falle locken«, erwiderte ich sarkastisch. »Das ist Ihnen in meinem Fall doch auch gelungen.«
Er zuckte mit den Schultern und sah sich unruhig um.
»Leider hat er kein GAS-Boot versenkt. An den Mann ist nicht heranzukommen; und tüchtig ist er auch. Ridgeman soll vorsichtig sein, daß er nicht auffällt. Orlop läßt ihn schneller an die Wand stellen, als er ahnen kann.«
Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß Dr. Tonther die Wahrheit sagte. Er war derart nervös, daß dieser Zustand nicht gespielt sein konnte.
Als ich mit Hannibal im Wagen saß, der ihn zuerst zu seinem Quartier bringen sollte, fragte ich leise:
»Was hältst du von Kapitän Orlop? Könnten wir es riskieren, ihm unsere Marken zu zeigen? Hast du ihn unter die Lupe genommen?«
Er schwieg einige Sekunden, ehe er zurückflüsterte:
»Orlop ist zweifellos in Ordnung. Ich habe ihn schon lange aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen. Er gibt sich alle Mühe, die Schweinereien aufzudecken.«
»Ich brauche ihn! Alleine kommen wir nicht weiter. Kannst du dafür sorgen, daß ich ihm vorgeführt werde? Er soll mich, wenn möglich, anrufen und mir persönliche Anweisungen geben. Warnungen vor unüberlegten Handlungen, Verbot zum Betreten der Schleusensektoren und so weiter. Kannst du ihm verständlich machen, daß eine solche persönliche Verwarnung erforderlich ist? Schließlich bist du von ihm mit meiner Überwachung beauftragt worden.«
Er begann breit zu grinsen.
»Wird sofort erledigt. Spätestens um acht Uhr hast du den Befehl. Was habe ich zu tun?«
»Sofort Funknachrichten an den Atombomber absetzen. Berichten, was vorgefallen ist. Alle Namen erwähnen, die uns bekanntgeworden sind. Wir sehen uns um dreizehn Uhr in der Messehalle.«