8.

 

Ich lag auf der Schaum­plas­tik­couch mei­nes ver­hält­nis­mä­ßig ge­räu­mi­gen Wohn­zim­mers und dach­te über die Din­ge nach, die sich nach dem Wil­len des GWA-Chefs noch er­eig­nen soll­ten.

Ich war et­was skep­tisch, ob­wohl ich aus Er­fah­rung wuß­te, wie vor­teil­haft die »Ein­si­cke­rungs­tak­tik« war. Wenn ich of­fi­zi­ell als GWA-Schat­ten an­ge­kom­men wä­re, hät­te ich von vor­ne­he­rein auf­ge­ben kön­nen.

Ne­ben mir stand der Er­fri­schungs­au­to­mat und wei­ter vorn das plas­ti­sche Farb­fern­seh­ge­rät. Man konn­te zu je­der Ta­ges- und Nacht­zeit die ame­ri­ka­ni­schen Pro­gram­me be­kom­men, da die Sen­dun­gen von den Raum­sta­tio­nen in ei­nem wech­seln­den Rhyth­mus auf die Er­de ab­ge­strahlt wur­den. Im Stütz­punkt Ta­na­ga war al­les für die Be­quem­lich­keit und Un­ter­hal­tung der Leu­te ge­tan wor­den. Das schi­en auch drin­gend not­wen­dig zu sein.

Ich rich­te­te mich auf und griff an den Re­gu­lie­rungs­schal­ter der Kli­ma­an­la­ge. Es war recht warm in dem Fer­tig­haus, das man in ei­nem klei­nen Ne­ben­stol­len er­baut hat­te. Un­ter den wil­den Ber­gen der In­sel gab es vie­le die­ser halb­run­den Bau­ten, die mit al­lem neu­zeit­li­chen Kom­fort aus­ge­stat­tet wa­ren.

Es gab grö­ße­re Ge­bäu­de für Fa­mi­li­en und sol­che mit zwei Zim­mern und Bad, die für al­lein­ste­hen­de Per­so­nen vor­ge­se­hen wa­ren. Mehr als tau­send der hier tä­ti­gen Men­schen hat­ten ih­re Fa­mi­li­en mit­ge­nom­men. Das hat­te sich auch gar nicht um­ge­hen las­sen. Es konn­te den Leu­ten nicht zu­ge­mu­tet wer­den, jah­re­lang voll­kom­men ab­ge­schlos­sen zu le­ben.

Ich er­hob mich und schritt auf das brei­te Fens­ter zu, das mir frei­en Blick auf den Stol­len er­mög­lich­te. Hier wohn­ten fast nur Of­fi­zie­re der ört­li­chen Dienst­stel­len. Di­rekt ge­gen­über lag ein grö­ße­res Fer­tig­haus, das ei­nem Fre­gat­ten­ka­pi­tän aus dem Stab des Ad­mi­rals ge­hör­te.

Der Stol­len war knapp ei­ne hal­be Mei­le lang und ziem­lich schmal. Die zwi­schen den Haus­fron­ten ver­lau­fen­de Fahr­bahn war aber breit ge­nug; schwe­re Las­ter ver­kehr­ten hier al­ler­dings nicht. Des­halb hat­te Han­ni­bal auch von ei­ner ›ru­hi­gen‹ La­ge ge­spro­chen.

Ob­wohl ich mich schon seit vier Stun­den in mei­nem Quar­tier auf­hielt, hat­te sich der Zwerg bis­her noch nicht se­hen las­sen. Ich wur­de un­ru­hig, da ich oh­ne sei­ne nä­he­ren In­for­ma­tio­nen nichts an­fan­gen konn­te. Zwar wuß­te ich, daß ich zu war­ten hat­te, bis sich die an­de­re Sei­te mel­de­te, aber es war frag­lich, ob sie sich über­haupt mel­den wür­de. Ich brauch­te Han­ni­bals In­for­ma­tio­nen, um die An­ge­le­gen­heit be­schleu­ni­gen zu kön­nen.

Wenn die hie­si­ge Spio­na­ge­zen­tra­le gut ori­en­tiert war, dann muß­ten die Leu­te wis­sen, daß ich der Kom­man­dant war, den man mit dem Trans­port der C-Bom­ben be­auf­tragt hat­te.

Das war ein aus­ge­zeich­ne­tes Lock­mit­tel. Bis zu die­sem Punkt war für mich al­les klar. Für die Leu­te muß­te ich der ge­eig­ne­te Mann sein, der in­fol­ge des Ver­trau­ens, das er ge­noß, un­auf­fäl­lig wich­ti­ge Un­ter­la­gen aus dem Stütz­punkt brin­gen konn­te.

Ich über­leg­te, ob die wahr­schein­lich an­lau­fen­de Kriegs­ge­richts­ver­hand­lung von Vor­teil sein konn­te oder nicht. Das woll­te ich un­be­dingt mit dem Klei­nen be­spre­chen. Not­falls muß­te ich die Ver­hand­lung durch die GWA-Zen­tra­le nie­der­schla­gen las­sen. Die­se Ge­schich­te war ein Fak­tor, den wir bei der Vor­pla­nung nicht hat­ten ein­kal­ku­lie­ren kön­nen.

So­gar der Al­te hat­te nicht mit ei­nem di­rek­ten An­griff durch ein GAS-U-Boot ge­rech­net. Fer­ner hat­te ich es noch vor ei­ni­gen Stun­den für un­mög­lich ge­hal­ten, daß die GAS-Re­gie­rung die Frech­heit auf­brin­gen könn­te, ei­ne Pro­test­no­te zu schi­cken.

Das aber war ge­sche­hen; dar­an ließ sich nichts mehr än­dern.

Da sich in Wa­shing­ton be­reits die Dienst­stel­len mit dem Zwi­schen­fall be­schäf­tig­ten, war es nicht rat­sam, in der ge­gen­wär­ti­gen Si­tua­ti­on mit den Macht­mit­teln der GWA in die­ses Rä­der­werk ein­zu­grei­fen. Im Ma­ri­ne-Mi­nis­te­ri­um brauch­te nur ein Mit­tels­mann zu sit­zen, und schon war mein Ein­satz ver­ra­ten.

Ich be­schloß, die Ver­hand­lung ru­hig ab­zu­war­ten, falls es wirk­lich da­zu kom­men soll­te.

Als ich mei­ne Ge­dan­ken­gän­ge so­weit ab­ge­schlos­sen hat­te, hielt ein Dienst­wa­gen vor der Tür. Ich be­ob­ach­te­te, wie GWA-Leut­nant Utan gra­vi­tä­tisch über den Bür­ger­steig stol­zier­te.

Der Wa­gen fuhr wei­ter. In mei­ner Die­le klang der Sum­mer auf. Auf ei­ner klei­nen Bild­flä­che er­schi­en Han­ni­bals fal­ti­ges Ge­sicht, das un­ter der brei­ten Schirm­müt­ze so ko­misch wirk­te, daß ich un­will­kür­lich la­chen muß­te. So et­was war nun ein GWA-Agent!

Ich öff­ne­te. Han­ni­bal stol­per­te durch die auf­glei­ten­de Tür und riß grin­send sei­ne Dienst­müt­ze vom Kopf. Ver­hält­nis­mä­ßig lei­se er­kun­dig­te er sich:

»Bist du al­lei­ne, Lan­ger?«

Ich nick­te. Dar­auf­hin ließ sich der Zwerg in einen Ses­sel fal­len. Über­gangs­los teil­te er mir mit:

»Vor fünf­zehn Mi­nu­ten ist dein Chef­in­ge­nieur töd­lich ver­un­glückt.«

Ich fuhr bei die­ser Hi­obs­bot­schaft zu­sam­men, als hät­te ich mit den Fin­gern ei­ne Hoch­span­nungs­lei­tung be­rührt.

»Wie war das?« flüs­ter­te ich.

»Dein Chef­in­ge­nieur ist tot«, wie­der­hol­te er. »Ich be­kam ge­ra­de die Mel­dung, kurz be­vor ich ab­ge­löst wur­de. Er ist in Tro­cken­dock III auf die Strom­schie­ne ei­nes Lauf­krans ge­fal­len. Er soll sehr un­an­ge­nehm aus­se­hen. Das wä­re al­les.«

Er sag­te das mit der Sach­lich­keit ei­nes Man­nes, der dem Tod schon oft ins Au­ge ge­se­hen hat­te.

Ich stand wie er­starrt. Die ver­schie­dens­ten Über­le­gun­gen be­gan­nen sich in mei­nem Ge­hirn zu ja­gen. Deut­lich sah ich den Chef­in­ge­nieur vor mir, wie ich ihn vor Ta­gen zum ers­ten­mal ken­nen­ge­lernt hat­te.

»Ver­un­glückt wor­den?« frag­te ich, mei­ne Be­stür­zung über­win­dend.

»Ganz recht, Lan­ger. Oder glaubst du ernst­haft, der Mann hät­te sich frei­wil­lig auf ei­ne Strom­schie­ne ge­setzt? Ich bin kurz dort ge­we­sen und ha­be mir die Um­ge­bung an­ge­se­hen. Ein ei­ni­ger­ma­ßen ver­nünf­ti­ger Mensch kann gar nicht auf den Ge­dan­ken kom­men, die Lauf­ste­ge im Dock zu ver­las­sen und auf den Kran­schie­nen her­um­zu­klet­tern. Die lie­gen sechs bis sie­ben Me­ter hö­her. Aus den Er­klä­run­gen der Werft­tech­ni­ker geht her­vor, daß dein L. I. kei­nen Grund hat­te, das si­che­re Ge­län­de zu ver­las­sen. Der Un­fall pas­sier­te an ei­ner recht ein­sa­men Stel­le. Es sieht ganz da­nach aus, als sei­en be­stimm­te Leu­te dar­an in­ter­es­siert ge­we­sen, den In­ge­nieur zu be­sei­ti­gen.«

Ich schau­te ihn schwei­gend an und kam zu der An­sicht, daß Han­ni­bals Ver­dacht wohl den Tat­sa­chen ent­sprach. In sol­chen Din­gen hat­te er einen ge­wis­sen In­stinkt; das hat­te ich schon bei un­se­rem letz­ten Un­ter­neh­men be­merkt.

Schwer­fäl­lig ließ ich mich in einen Ses­sel sin­ken und strich mit den Fin­ger­spit­zen über mei­ne grau­en Schlä­fen.

»An­ge­nom­men, der Un­fall wä­re ge­schickt ar­ran­giert wor­den …, wel­che Mo­ti­ve ste­cken da­hin­ter?«

Utan lach­te grim­mig.

»Wenn dein L. I. nicht aus­ge­rech­net ein U-Boot-Fah­rer ge­we­sen wä­re, könn­te man un­ter Um­stän­den auf den Ge­dan­ken kom­men, daß er hier per­sön­li­che Fein­de hat­te. Das hal­te ich aber für aus­ge­schlos­sen.«

»Das heißt mit an­de­ren Wor­ten, daß Chef­in­ge­nieur Spencer den Leu­ten im We­ge war, die wir fie­ber­haft su­chen, nicht wahr?«

»Rich­tig! Ich fra­ge mich nur, wes­halb er ih­nen plötz­lich im We­ge war. Es gibt An­halts­punk­te da­für, daß er für den GAS-Ge­heim­dienst ge­ar­bei­tet hat. Er muß zu den Of­fi­zie­ren ge­hört ha­ben, die es wag­ten, wich­ti­ge Un­ter­la­gen und Nach­rich­ten aus Ta­na­ga hin­aus­zu­brin­gen. Nun muß ir­gend et­was schief­ge­gan­gen sein, was zur Fol­ge hat­te, daß man ihn schnells­tens be­sei­tig­te.«

»Von die­sen Ge­sichts­punk­ten aus­ge­hend, hat es den An­schein, als sei Spencer ge­willt ge­we­sen, mir oder dem hie­si­gen Si­cher­heits­chef ei­ni­ge Mit­tei­lun­gen zu ma­chen.«

»Mög­lich. Wir wis­sen nicht, was in dem Mann vor­ge­gan­gen ist. Ich neh­me aber stark an, daß ihm der An­griff auf dei­nen Kreu­zer er­heb­lich auf die Ner­ven ge­gan­gen ist. Viel­leicht hat er im Au­gen­blick der größ­ten Ge­fahr er­kannt, wor­auf er sich ei­gent­lich ein­ge­las­sen hat. Hast du hin­sicht­lich die­ser Sa­che An­wei­sun­gen zu ge­ben?«

Ich über­leg­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke.

»Du bist jetzt dienst­frei?«

»Ja, für zwölf Stun­den. Mor­gen früh um neun Uhr muß ich wie­der an­tre­ten.«

»Dem­nach liegt ei­ne lan­ge Nacht vor uns. Wir ge­hen heu­te zu­sam­men aus. Zei­ge mir die Lo­ka­le, in de­nen wich­ti­ge Leu­te ver­keh­ren. Vor­her ver­schwin­de für ei­ni­ge Zeit in ein Quar­tier und fun­ke den Atom­bom­ber an, der in hun­dert Ki­lo­me­ter Hö­he die In­sel um­kreist.«

»Okay, Wort­laut?«

»HC-9 an GWA-Zen­tra­le. Chef­in­ge­nieur Spencer, U – 2338, acht Stun­den nach An­kunft Ta­na­ga er­mor­det wor­den. Te­st­un­ter­la­gen von Na­vy-De­part­ment und Ge­hei­me-Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei an­for­dern, oder di­rekt ein­se­hen. Psy­cho­ana­ly­sen be­ach­ten und fest­stel­len, ob Spencer be­ein­fluß­bar und wan­kel­mü­tig war. Ha­be Ver­dacht, daß Spencer be­gan­ge­ne Ver­feh­lun­gen ein­ge­ste­hen woll­te. An­fra­ge, ob Ver­dacht be­grün­det.«

Ich hat­te die Wor­te in Han­ni­bals Dik­ta­phon hin­ein­ge­spro­chen, das zu sei­ner GWA-Spe­zi­al­aus­rüs­tung ge­hör­te. Das Ge­rät war nicht viel grö­ßer als ein Uni­form­knopf sei­ner Ja­cke. Auch das war ein Wun­der­werk, das in den mi­kro­me­cha­ni­schen Spe­zi­al­werk­stät­ten der GWÄ ent­stan­den war.

»Ich ge­be den Spruch so­fort durch.«

»Ist dein Sen­der gut ge­tarnt?«

»Dar­auf kannst du dich ver­las­sen. Ich ha­be die Fels­wand hin­ter mei­nem Quar­tier durch Po­ram-Spren­gun­gen aus­ge­höhlt. Sie sind be­kannt­lich laut­los, da das Ge­stein lang­sam zer­pul­vert wird.«

»Gut. Laß dir den Emp­fang be­stä­ti­gen und schal­te den au­to­ma­ti­schen Auf­neh­mer ein, falls die Ant­wort in dei­ner Ab­we­sen­heit durch­kommt. Ist dein Mi­kro­sen­der eben­falls klar?«

Er tipp­te an sei­ne lin­ke Ach­sel­höh­le, un­ter der das win­zi­ge Ge­rät ver­bor­gen war. Es hat­te nur ei­ne Reich­wei­te von we­ni­gen Mei­len, die aber voll­kom­men für un­se­re ge­gen­sei­ti­ge Ver­bin­dung ge­nüg­te.

Ich sah auf die Uhr und er­hob mich.

»Ver­schwin­de nun und zieh ei­ne fri­sche Uni­form an. Du darfst nicht auf­fal­len, wenn du wie­der­kommst. Es kann leicht mög­lich sein, daß wir be­reits un­ter Be­ob­ach­tung ste­hen.«

»Schön wä­re es. Ich ha­be seit mei­ner An­kunft schon et­li­che hun­dert Leu­te in füh­ren­den Po­si­tio­nen ken­nen­ge­lernt und so gut wie nichts ent­deckt. Man könn­te wahn­sin­nig wer­den bei dem Ge­dan­ken, daß wir mit­ten un­ter den Bur­schen ste­cken, die drauf und dran sind, sämt­li­che Ge­heim­nis­se von Ta­na­ga an den Mann zu brin­gen. Elis kann dir auch nicht wei­ter­hel­fen. Sie sitzt in ei­ner un­güns­ti­gen Po­si­ti­on.«

»Sie soll sich vor­läu­fig zu­rück­hal­ten, bis ich wei­ter­ge­kom­men bin. Wir wer­den sie spä­ter an­ru­fen und in ein Lo­kal be­stel­len. Das kann kei­nen Ver­dacht er­re­gen, da ich sie im­mer­hin zur In­sel ge­bracht ha­be. Soll man ru­hig an­neh­men, wir hät­ten uns et­was an­ge­freun­det. Sie hat nachts doch kei­nen Dienst, oder?«

»Nein. Die Bau­ar­bei­ten an den Schleu­sen sind be­en­det, des­halb wird in den Pla­nungs­bü­ros nachts nicht mehr ge­ar­bei­tet. Sie er­war­tet un­se­ren An­ruf.«

Er er­hob sich seuf­zend und reck­te sei­ne klei­ne Ge­stalt. Gleich­zei­tig glit­ten sei­ne Au­gen for­schend durch den Raum, der sehr ele­gant ein­ge­rich­tet war.

»Hier gibt es al­ler­hand ver­steck­te Win­kel, in de­nen man ein Ab­hör­mi­kro­phon un­ter­brin­gen könn­te«, mur­mel­te er. »Paß auf, wenn du zu­rück­kehrst. Es ist frag­lich, ob wir dann noch of­fen spre­chen kön­nen.«

»Dar­auf hof­fe ich di­rekt. Klei­ner. Du kannst dich dar­auf ver­las­sen, daß ich es be­mer­ken wer­de. Einen grö­ße­ren Ge­fal­len könn­ten mir die Bur­schen gar nicht tun.«

»Wenn sie dich für wich­tig ge­nug hal­ten, wer­den sie Wert dar­auf le­gen, dei­ne Ge­sprä­che zu be­lau­schen. Sind dei­ne Mi­kro­ka­me­ras klar?«

»Ich wer­de ei­ne in der Die­le an­brin­gen. Ver­schwin­de nun, die War­te­rei geht mir auf die Ner­ven.«

»Die soll­te ein GWA-Cap­tain aber nicht ha­ben«, spöt­tel­te er.

Ehe er die Tür auf­glei­ten ließ, warn­te er mich noch.

»Sei vor­sich­tig mit dei­ner Be­waff­nung. Da darfst kei­nes­falls dei­ne GWA-Au­to­ma­tik füh­ren. Wenn man sie fin­det, weiß man, wie der Ha­se läuft.«

Ich dräng­te ihn hin­aus und wink­te ihm nach. Ziem­lich laut rief ich ihm noch nach:

»Be­ei­len Sie sich aber, Ridge­man.«

Er nick­te und schritt ei­lig da­von.

Kaum hat­te ich die Tür ge­schlos­sen, summ­te in mei­nem Wohn­zim­mer be­reits das Bild­sprech­ge­rät Ich drück­te den Schal­ter nie­der. Auf der hand­großen Bild­flä­che er­schi­en das Ge­sicht ei­nes uni­for­mier­ten Man­nes. Es war der Ad­ju­tant des Ad­mi­rals.

Ich nick­te ihm zu, da ich wuß­te, daß er mich auf sei­ner Bild­flä­che eben­falls se­hen konn­te.

»Gut, daß Sie da sind, Sir«, klang es aus dem Laut­spre­cher. »Ad­mi­ral Por­ter möch­te Sie spre­chen. Ich ver­bin­de.«

Sein Bild ver­blaß­te. Au­gen­bli­cke spä­ter wur­de das Ge­sicht von Por­ter sicht­bar.

Er er­hob grü­ßend die Hand.

»Ei­ne bo­den­lo­se Schwei­ne­rei, Li­ming«, ver­nahm ich sei­ne auf­ge­reg­te Stim­me. »Sind Sie schon in­for­miert?«

Ich über­leg­te blitz­schnell und be­schloß, den Be­such von Han­ni­bal zu er­wäh­nen.

»Wenn Sie den Un­fall mei­nen, Sir, so bin ich un­ter­rich­tet. So­eben war Ridge­man vom Si­cher­heits­dienst bei mir.«

»Ah, in­ter­essant. Was woll­te er?«

»Er stell­te ei­ni­ge Fra­gen über die Cha­rak­terei­gen­schaf­ten meines L. I. die ich aber nicht be­ant­wor­ten konn­te. Schließ­lich kann­te ich ihn nur seit knapp zwei Ta­gen. Ich konn­te nicht fest­stel­len, ob er schwer­mü­tig war, oder nicht. Ridge­man ver­mu­tet Selbst­mord.«

»So, tut er das? Nun, wir wer­den se­hen, ob es wirk­lich ein Un­fall war. Die Sa­che er­scheint mir selt­sam. Was hat­te Spencer ad den Kran­schie­nen zu su­chen? Er war le­dig­lich be­auf­tragt wor­den, die Re­pa­ra­tu­r­ar­bei­ten an Ih­rem Kreu­zer zu über­wa­chen. Ha­ben Sie einen be­grün­de­ten Ver­dacht?«

»Nein, Sir, kei­nen. Ich ste­he vor ei­nem Rät­sel.«

Ich sah sei­ne prü­fen­den Au­gen und die zu­sam­men­ge­preß­ten Lip­pen.

»Schön, las­sen wir das. Das ist der vier­te Un­fall, der sich in­ner­halb der letz­ten drei Mo­na­te er­eig­net hat. Ta­na­ga scheint für ge­wis­se Per­so­nen ge­fähr­lich zu wer­den.«

»Ich ver­ste­he nicht ganz, Sir«, ent­geg­ne­te ich zö­gernd.

»Brau­chen Sie auch nicht. Sie mel­den sich mor­gen früh um neun Uhr bei mir. Es han­delt sich um Ih­re Sa­che.«

»Ja­wohl, Sir. Ha­ben sich neue Ge­sichts­punk­te er­ge­ben?«

»Sieht so aus. Die Ant­wort­no­te un­se­rer Re­gie­rung ist äu­ßerst scharf zu­rück­ge­wie­sen wor­den. Ich ha­be die Mel­dung so­eben er­hal­ten. Es ging al­les sehr rasch, da man sich be­müht, die Sa­che un­ter den Tisch zu brin­gen. Wa­shing­ton wird noch­mals ab­wei­send ant­wor­ten. Bis mor­gen früh wer­den wir se­hen, wie sich die Ge­schich­te ent­wi­ckelt hat. Man stellt im­mer noch die ho­hen Scha­den­er­satz­an­sprü­che und for­dert Ih­re ex­em­pla­ri­sche Be­stra­fung. Die An­ge­le­gen­heit sieht für Sie gar nicht gut aus. Ist Ih­nen das klar?«

»Voll­kom­men, Sir«, be­stä­tig­te ich be­drückt. In mei­nem Ge­hirn be­gann es zu ar­bei­ten, da ich fest ge­willt war, die Sach­la­ge zu mei­nem Vor­teil aus­zu­nut­zen.

Wenn ich in dem Au­gen­blick schon ge­ahnt hät­te, was die­ser No­ten­wech­sel zu be­deu­ten hat­te, dann wä­re mir be­stimmt übel ge­wor­den!

»Wir tref­fen uns al­so um neun Uhr. Las­sen Sie sich von Ridge­man nicht in al­len un­mög­li­chen Bars her­um­schlep­pen. Der Bur­sche ver­führt mir sämt­li­che Of­fi­zie­re zum Sau­fen. Ich se­he das nicht gern.«

»Ich wer­de mich da­nach rich­ten, Sir.«

»Ah, da­mit ge­ben Sie zu, daß Sie sei­ne tod­si­cher er­folg­te Ein­la­dung schon an­ge­nom­men ha­ben, was?«

Ich wich sei­nem Blick nicht aus und sag­te nur: »Ja.«

Por­ter mur­mel­te noch ei­ni­ge un­deut­li­che Wor­te, ehe er ab­schal­te­te.

Schmun­zelnd drück­te ich den Schal­ter nach un­ten. Die Bild­flä­che ver­blaß­te. Von Han­ni­bal schi­en er wirk­lich nicht viel zu hal­ten. Der Klei­ne konn­te froh sein, daß er auf ei­ne Kar­rie­re in der Na­vy nicht an­ge­wie­sen war. Un­ter Por­ter hät­te er le­bens­läng­lich auf ei­ne Be­för­de­rung war­ten kön­nen.

In­ter­essant war je­doch die Tat­sa­che, daß auch der Ad­mi­ral nicht an einen Un­fall glaub­te.

Wäh­rend ich über das Ge­spräch nach­dach­te, öff­ne­te ich mein Ge­päck und ent­nahm ei­nem Kof­fer mei­ne Spe­zi­al­aus­rüs­tung. Sie war voll­stän­dig; es fehl­te nichts. Han­ni­bal hat­te sorg­fäl­tig dar­auf ge­ach­tet.

Ich nahm ei­ne der win­zi­gen Spe­zi­al­ka­me­ras und kleb­te sie in ei­nem De­cken­win­kel mei­ner klei­nen Die­le so fest, daß das Weit­win­kel­ob­jek­tiv die ge­sam­te Tür­brei­te er­faß­te. Den Aus­lö­se­kon­takt der auf In­fra­rot­ba­sis ar­bei­ten­den Mi­kro­ka­me­ra be­fes­tig­te ich an den Gleit­schie­nen der Schie­be­tür und leg­te an­schlie­ßend die haar­fei­ne Lei­tung. So­bald sich der Kon­takt­ge­ber ein­schal­te­te, wür­de je­der un­be­fug­te Ein­dring­ling au­to­ma­tisch ge­filmt wer­den.

Es ver­ging ei­ni­ge Zeit, bis ich die Ka­me­ra aus­rei­chend ge­tarnt hat­te. Das war ei­ne Kunst, auf de­ren ex­ak­te Be­herr­schung man auf der GWA-Aka­de­mie größ­ten Wert ge­legt hat­te.

Zu­frie­den be­trach­te­te ich mei­ne Ar­beit und ließ die Ka­me­ra pro­be­wei­se an­lau­fen. Das Wun­der­werk aus den mi­kro­me­cha­ni­schen Werk­stät­ten der GWA ar­bei­te­te ein­wand­frei.

Drau­ßen hör­te ich einen Dienst­wa­gen vor­fah­ren. Es war Han­ni­bal, der sei­ne Sen­dung in der Zwi­schen­zeit er­le­digt hat­te. Ich un­ter­brach den Aus­lö­se­kon­takt und ließ ihn ein. Er trug ei­ne fri­sche Uni­form; sein Kunst­fa­ser­kra­gen glänz­te so weiß, daß ich ge­blen­det die Au­gen schloß.

»Fin­dest du mich nicht un­wi­der­steh­lich?« frag­te der Klei­ne. Ein brei­tes Grin­sen husch­te über sein Ge­sicht.

Prü­fend sah er sich in der Die­le um.

»Erst­klas­si­ge Ar­beit. Ich kann die Ka­me­ra nicht ent­de­cken. Be­sor­ge dir ein gu­tes Ver­steck für dei­ne Aus­rüs­tung. Wenn hier je­mand ein­drin­gen soll­te, so wird man ga­ran­tiert dein Ge­päck durch­su­chen.«

»Wenn über­haupt je­mand ein­dringt«, sag­te ich un­zu­frie­den. »Ist dein Spruch gut durch­ge­kom­men?«

»Oh­ne Schwie­rig­kei­ten. Der Chef wird jetzt schon in­for­miert sein. Auf­nah­me­ge­rät ist ein­ge­schal­tet.«

»Dann wol­len wir uns fer­tig­ma­chen. Ich bin neu­gie­rig, wie es in den Bars und Klubs die­ser gi­gan­ti­schen Maul­wurf­sied­lung zu­geht.«

»Du wirst dich wun­dern. Hat dich Por­ter an­ge­ru­fen? An sich müß­te er dich ja be­nach­rich­ti­gen.«

»Ist ge­sche­hen. Er hat mich vor dir ge­warnt, da du die Leu­te zu Sauf­ge­la­gen ver­füh­ren wür­dest.«

Er lach­te amü­siert, wäh­rend ich mei­ne Aus­rüs­tung an­leg­te, die ich von nun an im­mer am Kör­per tra­gen muß­te. Da­bei han­del­te es sich in ers­ter Li­nie um den wür­fel­för­mi­gen Sen­der, der auf Sup-Ul­tra-Wel­le ar­bei­te­te, die von kei­ner Sta­ti­on ab­ge­hört wer­den konn­te.

Ich ent­blö­ßte mei­nen rech­ten Ober­schen­kel. Han­ni­bal be­trach­te­te fach­män­nisch die tie­fe Nar­be, die ehe­mals nur ei­ne ge­ring­fü­gi­ge Schuß­ver­let­zung ge­we­sen war. Als sie von den GWA-Chir­ur­gen ent­deckt wor­den war, konn­te ich ih­nen nicht mehr ent­ge­hen. Die Wun­de wur­de er­wei­tert, sau­ber aus­ge­schnit­ten und ge­nau auf die Ma­ße ge­bracht, daß ei­ner un­se­rer Mi­kro­sen­der hin­ein­paß­te.

»Ex­zel­lent ge­macht«, brum­mel­te der Zwerg, als er vor­sich­tig das win­zi­ge Ge­rät hin­ein­glei­ten ließ. Er ver­band es mit der haar­fei­nen An­ten­ne, die un­ter der Haut am Bein ent­lan­glief und an mei­nem rech­ten Fuß en­de­te. Auch die­sen Ein­griff hat­te ich den me­di­zi­ni­schen Kön­nern der GWA zu ver­dan­ken.

Der ein­ge­träu­fel­te Bio­kle­ber hielt den Sen­der fest. Dar­über kam syn­the­ti­scher Ge­we­be­strei­fen, der sich naht­los mit der ech­ten Haut ver­band, so daß man den Sen­der mit dem bes­ten Wil­len nicht mehr ent­de­cken konn­te.

Die­se Ge­rä­te, die je­der GWA-Agent bei sei­nen Un­ter­neh­mun­gen am Kör­per trug, bil­de­ten für uns ei­ne ge­wis­se Le­bens­ver­si­che­rung. Je­den­falls konn­te man da­mit er­rei­chen, daß an­de­re GWA-Leu­te recht­zei­tig über die Er­mitt­lungs­er­geb­nis­se in­for­miert wur­den.

Kri­tisch be­trach­te­te ich mein Bein, ehe ich wie­der in die Uni­form­ho­se schlüpf­te. Ich griff in die rech­te Ho­sen­ta­sche und tas­te­te nach der win­zi­gen Er­hö­hung, die sich un­ter dem künst­li­chen Haut­strei­fen ab­zeich­ne­te. Se­kun­den spä­ter gab ich mein Ruf­zei­chen durch, das ich fünf­mal wie­der­hol­te.

Han­ni­bal be­ob­ach­te­te mich ge­spannt. Als das Bild­te­le­fon zu sur­ren be­gann, nick­te er be­frie­digt.

»Gut! Sie mel­det sich schon. Al­so hat sie dein Ruf­zei­chen emp­fan­gen. Das Ge­rät ar­bei­tet ta­del­los.«

Ich schal­te­te ein. Elis’ Ge­sicht er­schi­en auf der Bild­flä­che.

»Hal­lo, Cap­tain, ich woll­te Sie nur ein­mal an­ru­fen. Ha­ben Sie sich in Ta­na­ga schon um­ge­se­hen?«

Ich ver­nein­te und lud sie zu ei­nem Bum­mel ein. Plan­mä­ßig nahm sie mei­nen Vor­schlag an.

Da­mit war die Funk­kon­trol­le er­le­digt. Elis war da­für aus­er­se­hen wor­den, Han­ni­bal und mir als Ver­bin­dungs­per­son zu die­nen. Sie ver­füg­te über einen Emp­fän­ger, der auf die Sup-Ul­tra-Wel­len un­se­rer Mi­kro­sen­der an­sprach. Wenn wir in aku­te Ge­fahr kom­men soll­ten, so konn­te sie je­der­zeit han­deln.

Vor­sich­tig leg­te ich mei­ne Spe­zial­uhr an, de­ren win­zi­ge Sprüh­dü­se nur bei ei­ner sehr sorg­fäl­ti­gen Un­ter­su­chung zu ent­de­cken war. In­ner­halb des nor­mal aus­se­hen­den Ge­häu­ses be­fan­den sich we­ni­ge Trop­fen ei­ner höl­li­schen Säu­re, die so­gar bes­ten Stahl in ko­chen­de Ma­te­rie ver­wan­del­te. Die Uhr diente nur als Not­wehr­waf­fe. Die un­ter Druck ste­hen­de Fül­lung reich­te für drei Sprüh­schüs­se, die aber voll­kom­men ge­nüg­ten, um das Ge­sicht ei­nes Geg­ners rest­los zu zer­stö­ren.

Ich hat­te bei mei­nem Ein­satz in Ost­asi­en er­fah­ren, wie wich­tig ei­ne sol­che Not­wehr­waf­fe sein konn­te.

Han­ni­bal reich­te mir die Kra­wat­ten­na­del, auf de­ren Rück­sei­te ei­ne Wid­mung ein­gra­viert war. Sie konn­te für das Ge­schenk ei­ner Freun­din ge­hal­ten wer­den. Die­ser Ein­druck war auch be­ab­sich­tigt.

Ich drück­te auf den kaum fühl­ba­ren Knopf, und die lan­ge Span­ge klapp­te aus­ein­an­der. Dar­in be­fan­den sich acht win­zi­ge ro­te Ku­geln, ver­gleich­bar mit Steck­na­del­köp­fen. In den Hohl­räu­men der Plas­tik­kü­gel­chen be­fan­den sich ge­rin­ge Men­gen je­nes grau­en Pul­vers, das un­se­re Wis­sen­schaft­ler »Ther­mo­ni­tal« nann­ten.

Der Stoff glich dem ver­al­te­ten Ther­mit. So­bald er mit dem Sau­er­stoff der Luft in Be­rüh­rung kam, brann­te das Pul­ver un­ter der Ent­wick­lung von zwölf tau­send Hit­ze­gra­den ab.

Un­se­re Ver­su­che hat­ten be­wie­sen, daß die Fül­lung ei­ner ein­zi­gen La­dung aus­reich­te, um den Stahl­rie­gel ei­ner Pan­zer­tür ver­damp­fen zu las­sen.

Sorg­fäl­tig schob ich die Span­ge über mein schwar­zes Hals­tuch. An­schlie­ßend griff ich nach der Waf­fe, die ich zu mei­nem größ­ten Be­dau­ern nicht füh­ren durf­te.

Die schwe­re Ther­mo-Rak-Au­to­ma­tik mit dem 25-Schuß-Ma­ga­zin wä­re bei ei­ner Ent­de­ckung so­fort als GWA-Spe­zi­al­waf­fe er­kannt wor­den. Das hät­te den so­for­ti­gen Ver­rat mei­nes Un­ter­neh­mens be­deu­tet.

Ther­mo-Rak-Pis­to­len be­sa­ßen nicht ein­mal die Be­am­ten der Ge­hei­men-Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei. Sie wa­ren ei­ne Spe­zial­ent­wick­lung der GWA und aus­schließ­lich den GWA-Agen­ten vor­be­hal­ten. Die Waf­fen schos­sen nicht mehr mit nor­ma­len Pa­tro­nen, son­dern mit win­zi­gen Ra­ke­ten­ge­schos­sen, so daß nach dem Schuß kein Hül­sen­aus­wurf er­folg­te. Die Ge­schoß­zün­dung er­folg­te elek­trisch. Das be­deu­tet ei­ne enor­me Feu­er­ge­schwin­dig­keit, so­bald man auf Dau­er­feu­er um­stell­te.

Ich sah auf den man­tel­ver­klei­de­ten Lauf mit den Ab­gas­öff­nun­gen und be­trach­te­te auch die fünf Zen­ti­me­ter lan­gen Ge­schos­se, die nach dem Auf­schlag so­fort zün­de­ten. Die La­dung be­stand aus Ther­mo­ni­tal.

»Zweck­los, Lan­ger«, warf Han­ni­bal sach­lich ein. »Du kannst die Ther­mo-Rak nicht am Kör­per tra­gen. Nimm die an­de­re Ka­no­ne.«

Ich leg­te die Waf­fe weg und er­griff die 38er-Au­to­ma­tik mit dem zwölf­schüs­si­gen Ma­ga­zin. Es war mei­ne Dienst­waf­fe, die ich als Kom­man­dant ei­nes U-Kreu­zers auch in­ner­halb des Stütz­punk­tes Ta­na­ga tra­gen durf­te. Das konn­te al­so kei­nes­wegs auf­fal­len.

Ich ent­leer­te das Ma­ga­zin und griff nach der Schach­tel mit der GWA-Spe­zial­mu­ni­ti­on, die ich von un­se­rer Aus­rüs­tungs­ab­tei­lung er­hal­ten hat­te.

Die blan­ken Mes­sin­g­hül­sen der Pa­tro­nen un­ter­schie­den sich über­haupt nicht von der nor­ma­len Mu­ni­ti­on. Die La­dung war auch die glei­che.

Im Ge­gen­satz da­zu aber be­sa­ßen die harm­los aus­se­hen­den Ni­ckel­man­tel-Ge­schos­se ei­ne ver­hält­nis­mä­ßig große Ther­mo­ni­tal-Fül­lung. Sie reich­te aus, um einen schwe­ren Fels­block in glut­flüs­si­ge La­va zu ver­wan­deln.

»Nimm das Ding schon«, dräng­te Han­ni­bal un­ge­dul­dig. »Sie ist un­se­ren Spe­zi­al­ka­no­nen zwar un­ter­le­gen, doch da­für hat sie ein weitaus grö­ße­res Ka­li­ber, was ei­ne acht­fach grö­ße­re Ther­mo­ni­tal-Fül­lung be­deu­tet. Ich möch­te nicht auf dem glei­chen Fleck ste­hen­blei­ben, wenn so ein Ge­schoß einen Me­ter ne­ben mir ab­brennt. Du brauchst dei­nen Mann gar nicht ge­nau auf den Punkt zu tref­fen. Was bei ei­nem nor­ma­len Ge­schoß nur einen Streif­schuß be­deu­tet, das bringt bei die­ser La­dung den so­for­ti­gen Hit­ze­tod.«

»Dan­ke für die Auf­klä­rung«, fuhr ich ihn an. »Bring mich mm in einen La­den, wo wich­ti­ge Leu­te ver­keh­ren. Die Klei­nen in­ter­es­sie­ren mich nicht; die krie­gen wir oh­ne­hin, wenn wir wis­sen, wo die Großen zu su­chen sind.«

»Schön ge­sagt«, mein­te der Zwerg. In sei­nem Ge­sicht bil­de­ten sich tau­send Fal­ten. »Glaubst du ernst­lich, daß man sich heu­te schon an dich her­an­ma­cht? Die wer­den dich erst ein­mal nä­her un­ter die Lu­pe neh­men, wenn sie die­se Ab­sicht über­haupt ha­ben. Wir kön­nen froh sein, wenn nach Ab­lauf ei­ner Wo­che die ers­te An­nä­he­rung er­folgt.«

Ich preß­te die Lip­pen zu­sam­men und sag­te nichts mehr. Ich wüß­te nur zu ge­nau, daß der Klei­ne recht hat­te. Die »Ein­si­cke­rungs­tak­tik« war zwei­fel­los gut, doch sie hat­te auch ih­re Nach­tei­le. Wenn man über­haupt nichts wuß­te, so muß­te man wohl oder übel auf den Zeit­punkt war­ten, wo sich der Geg­ner von selbst mel­de­te. Da­mit konn­te man et­was an­fan­gen, aber vor­her hieß es war­ten, so­gar ge­dul­dig war­ten. Das aber kos­te­te Ner­ven.

Ich ver­stau­te die an­de­ren Ge­rä­te mei­ner Son­deraus­rüs­tung in­ner­halb des Fern­seh­ge­rä­tes und hoff­te, daß man sich das In­ne­re des Emp­fän­gers nicht so ge­nau an­se­hen wür­de. Der Hohl­raum, in dem sich die Res­te mei­ner Spe­zi­al­aus­rüs­tung be­fan­den, war je­den­falls gut ab­ge­deckt.

Han­ni­bal sah kri­tisch in das Ge­rät hin­ein.

»Sehr schön, sieht gut aus. Was pas­siert aber, wenn ei­ner auf den Ge­dan­ken kom­men soll­te, den Kas­ten an­zu­schal­ten?«

»Gar nichts, das soll­test du wis­sen«, fuhr ich ihn leicht ge­reizt an. »Die Ver­bin­dun­gen se­hen nur so aus wie Löt­stel­len. Die Kle­be­mas­se lei­tet nicht.«

Fünf Mi­nu­ten spä­ter ver­lie­ßen wir das Haus. Ehe ich die Schie­be­tür ver­schloß, schal­te­te ich den Aus­lö­se­kon­takt der Ka­me­ra ein. Wenn ich zu­rück­kehr­te, wür­de sie zwar auch an­lau­fen, aber das war be­deu­tungs­los.

Da es bis zur Zen­tra­le nur zehn Mi­nu­ten zu ge­hen war, hat­ten wir auf einen Wa­gen ver­zich­tet. Ge­müt­lich schlen­der­ten wir den Ne­ben­stol­len hin­un­ter, bis vor uns die ge­wal­ti­ge Höh­lung auf­tauch­te, in die man ei­ne re­gel­rech­te Stadt hin­ein­ge­baut hat­te.

»Da wä­ren wir«, stell­te der Klei­ne fest, als wir den hel­ler­leuch­te­ten Dom be­tra­ten. »Ich wer­de dir un­ter die Ar­me grei­fen. Lan­ger.«

»Da­zu müß­test du dich ge­wal­tig an­stren­gen«, är­ger­te ich ihn. »Zei­ge mir einen teu­ren La­den und sor­ge da­für, daß ich in ein Spiel ver­wi­ckelt wer­de. Viel­leicht Po­ker! Ich möch­te, daß man sieht, wie leicht ich mein Geld ver­lie­re, von dem ich oh­ne­hin nicht ge­nug be­sit­ze. Bunt wol­len es die Leu­te ha­ben, ver­ehr­ter Kol­le­ge!«