6.

 

Wir wur­den von zwei klei­nen Boo­ten der Küs­ten­wa­che be­reits er­war­tet. Es han­del­te sich um schwer­be­waff­ne­te Tief­see­boo­te, de­ren schwar­ze Hecht­kör­per di­rekt vor der Ein­fahrt la­gen.

Deut­lich er­schie­nen sie auf den Bild­flä­chen un­se­rer Radar­breit­strahl­tas­ter. Im Emp­fän­ger des Un­ter­was­ser­sprech­funk­ge­rä­tes be­gann es zu knacken.

»CC-215, Com­man­der Fur­les an U-2338, bit­te mel­den.«

Ich er­griff das Mi­kro­phon und mel­de­te mich. Un­ser Richt­strah­ler war ge­nau auf das an­ru­fen­de Boot ein­ge­peilt.

»Ver­stan­den, Sir«, gab der Com­man­der des Wach­boo­tes zu­rück. »An­fra­ge im Auf­trag von Ad­mi­ral Por­ter: Sind Sie voll ma­nö­vrier­fä­hig? Kön­nen Sie oh­ne frem­de Hil­fe in die Schleu­se ein­lau­fen?«

Die of­fe­ne An­fra­ge er­schi­en mir et­was un­vor­sich­tig, bis ich mich dar­an er­in­ner­te, daß die Richt­strahlim­pul­se ei­nes Un­ter­was­ser­funk­sprech­ge­rä­tes sich so schnell aus­brei­te­ten, daß sie schon einen Ki­lo­me­ter hin­ter dem an­ge­peil­ten Boot nicht mehr ab­ge­hört wer­den konn­ten. Un­ter­was­ser­sprech­ge­rä­te eig­ne­ten sich nur zur un­mit­tel­ba­ren Bord-zu-Bord-Ver­bin­dung. Soll­ten grö­ße­re Ent­fer­nun­gen auf dem Funk­weg über­brückt wer­den, muß­ten die Boo­te not­ge­drun­gen auf­tau­chen und die An­ten­ne über die Was­sero­ber­flä­che brin­gen.

»Ich bin voll ma­nö­vrier­fä­hig«, lau­te­te mei­ne Ant­wort.

»Dan­ke, Sir. Ach­ten Sie auf die Echo­sen­der, die auf dem Grund der Ein­fahrt auf­ge­stellt sind. Sie wer­den ein­ge­schal­tet, so­bald Sie die Sperr­ge­biet­mar­kie­rung über­fah­ren. Haupt­schleu­se II ist für Sie ge­flu­tet wor­den. Wir blei­ben hin­ter Ih­nen. En­de.«

Auch ich schal­te­te ab. Dann ach­te­te ich auf den vor­de­ren Bild­schirm, der zeig­te, daß wir uns den un­ter­see­i­schen Schluch­ten und Fel­sen der Aleu­ten­in­sel Ta­na­ga nä­her­ten.

»Ge­nau auf zwei­und­neun­zig Me­ter Tie­fe ge­hen«, gab ich an den L. I. durch. »Auf Leucht­bo­je ach­ten.«

Mit lang­sam lau­fen­der Schrau­be scho­ben wir uns an die düs­te­ren Fels­mas­sen her­an, die vor uns aus dem Grund em­por­wuch­sen. Un­ter uns lag ei­ne un­wirk­lich an­mu­ten­de Un­ter­see­land­schaft, die an die­ser Stel­le aus­schließ­lich von er­starr­ten La­va­mas­sen ge­bil­det wur­de. Hier muß­te vor lan­gen Zeiträu­men die Höl­le ge­tobt ha­ben.

Un­se­re bei­den Haupt­trieb­wer­ke wa­ren längst ab­ge­schal­tet. Mit nur drei See­mei­len Fahrt nä­her­ten wir uns der Schlucht, die von zwei schwar­zen Ba­salt­wän­den ge­bil­det wur­de. Das war die Ein­fahrt zur Haupt­schleu­se II.

Dicht vor uns zuck­te das ro­te Licht der fest an­ge­brach­ten Grund­bo­je auf. Als wir dar­über hin­weg­g­lit­ten, be­gan­nen die au­to­ma­ti­schen Peil­sen­der auf Ul­tra­schall­ba­sis zu ar­bei­ten. So ka­men wir si­cher vor­an. Im­mer tiefer ging es in die un­ter­see­i­sche Schlucht hin­ein, bis wir uns di­rekt vor steil auf­ra­gen­den Fels­wän­den be­fan­den.

Ich war zum ers­ten­mal hier. Mein Er­stau­nen über die hier voll­brach­te Leis­tung war echt. Die Män­ner, die die­ses Wun­der­werk ge­schaf­fen hat­ten, muß­ten un­ter här­tes­ten Be­din­gun­gen ge­ar­bei­tet ha­ben.

Ich be­trach­te­te die frem­de Um­ge­bung. Vor mir ta­ten sich die Wun­der des Mee­res auf. Es war al­les düs­ter und schwarz, nir­gends be­merk­te ich schil­lern­de Ko­ral­len­bän­ke oder un­ter­see­i­sche Ge­wäch­se. Es mach­te sich be­merk­bar, daß wir uns be­reits in der ark­ti­schen Mee­res­zo­ne be­fan­den.

Ich hat­te nichts mehr zu tun, da die Ein­wei­sung des Kreu­zers voll­au­to­ma­tisch vor­ge­nom­men wur­de.

Ich hör­te, daß die Ma­schi­ne für Au­gen­bli­cke ver­stumm­te. Plötz­lich öff­ne­te sich vor dem Boot ei­ne stäh­ler­ne Wand, die so ge­schickt den üb­ri­gen Fels­mas­sen an­ge­paßt war, daß ich sie erst jetzt er­ken­nen konn­te.

Ich ver­nahm ein dump­fes Pol­tern, als die Schleu­sen­to­re auf­glit­ten. Das al­so war ei­ner der Ein­gän­ge zu dem ge­heim­nis­vol­len Ma­ri­ne­stütz­punkt Ta­na­ga.

Im­mer wei­ter öff­ne­te sich die Schleu­se. Nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken konn­te ich ei­ne rie­si­ge Fels­hal­le er­ken­nen, die sich tief in den Fels er­streck­te. Sie muß­te mehr als drei­hun­dert Me­ter lang sein, so daß auch große Trans­por­ter ein­lau­fen konn­ten. Der Ein­gang war qua­dra­tisch, doch die Hal­le schi­en rund zu sein.

Un­ser Kreu­zer nahm wie­der Fahrt auf. Lang­sam schob sich der Bug in die ge­wal­ti­ge Öff­nung hin­ein. In der Schleu­sen­hal­le flamm­te das licht auf. Es brach sich in dem dunklen Was­ser, mit dem die Schleu­se ge­füllt war. Sie war hun­dert­pro­zen­tig ge­flu­tet wor­den.

Das hal­be Vor­schiff war hin­durch. An dem kur­z­en Ru­cken und Zit­tern be­merk­te ich, daß die ma­gne­ti­schen Grei­fer das Vor­schiff er­faßt hat­ten. Un­se­re Ma­schi­ne ver­stumm­te end­gül­tig, da wir nun au­to­ma­tisch in die un­ter­see­i­sche Hal­le hin­ein­bug­siert wur­den.

Atem­los be­ob­ach­te­te ich die ver­schie­den­ar­ti­gen Ma­nö­ver, bis wir plötz­lich stil­la­gen. Un­ter mir pol­ter­te und ru­mor­te es, als der Boots­kör­per auf die Ma­gnet­schie­nen ge­zo­gen wur­de.

Vor mir flamm­te ro­tes licht auf. Ich drück­te den Schal­ter nach un­ten.

»Schleu­sen­zen­tra­le«, klang es auf. »Boot ist ma­gne­tisch ver­an­kert. Wir len­zen die Schleu­se.«

Ich be­stä­tig­te den Emp­fang und war­te­te. Hin­ter uns dröhn­te es er­neut, als sich die Schleu­sen­to­re schlos­sen. An­schlie­ßend be­gan­nen die Tur­bo­pum­pen zu ar­bei­ten. Fas­zi­niert be­ob­ach­te­te ich den Vor­gang, denn ich konn­te mir vor­stel­len, wel­cher Kraft­auf­wand er­for­der­lich war, die ge­wal­ti­gen Was­ser­mas­sen aus der großen Schleu­se hin­aus­zu­pum­pen. Wir be­fan­den uns im­mer­hin in ei­ner Tie­fe von zwei­und­neun­zig Me­tern.

Das Was­ser um­quirl­te schau­mig den Boots­kör­per, doch es dau­er­te nicht lan­ge, bis der Was­ser­spie­gel ra­pi­de sank. Sie muß­ten sehr star­ke Pum­pen ein­set­zen, denn nach knapp fünf Mi­nu­ten tauch­te be­reits un­ser Turm aus dem Was­ser auf.

Ich er­teil­te ei­ni­ge kur­ze Be­feh­le und be­trat die Roll­trep­pe, die mich nach oben brach­te. Nach­dem das vor­de­re Turm­luk auf ge­glit­ten war, schwang ich mich hin­aus. Der I. O. folg­te mir. Plötz­lich be­fan­den wir uns in der hel­ler­leuch­te­ten Rie­sen­hal­le, in der der Was­ser­spie­gel sehr rasch sank. Ich konn­te das dump­fe Heu­len schwe­rer Tur­bo­pum­pen hö­ren. Als das Ge­räusch ver­stumm­te, war der Kreu­zer prak­tisch auf­ge­taucht.

Sie hat­ten die Hal­le nicht voll­stän­dig leer­ge­pumpt, aber das war auch nicht er­for­der­lich. Es ge­nüg­te, wenn der Turm und die La­de­lu­ken frei wa­ren. Das Boot wä­re noch ge­schwom­men, wenn un­se­re Tauch­zel­len nicht ge­flu­tet ge­we­sen wä­ren. Durch die­se Ober­be­las­tung la­gen wir fest auf den Spe­zi­al­schie­nen, mit de­nen wir zu­sätz­lich ma­gne­tisch ver­an­kert wa­ren.

»Fei­ne Sa­che, nicht wahr, Sir«, mein­te der I. O. Er blick­te mich re­spekt­voll an. Die Sa­che mit dem ge­wag­ten Tor­pe­do­schuß hat­te of­fen­sicht­lich auf die Leu­te einen star­ken Ein­druck ge­macht.

Ich nick­te und sah zu dem Teil der her­vor­ra­gend aus­be­to­nier­ten Hal­le hin­über, wo sich so­eben ein halb­run­des Pan­zer­schott öff­ne­te. Die brei­ten Fahr­bah­nen auf bei­den Sei­ten der Hal­le wa­ren frei vom Was­ser, so daß der klei­ne Wa­gen her­ein­fah­ren konn­te.

Es war ein of­fe­ner Mi­li­tär­wa­gen, ver­gleich­bar mit ei­nem al­ten Jeep. Ich er­kann­te ei­ni­ge uni­for­mier­te Män­ner, die auf den Är­meln ih­rer dun­kelblau­en Uni­formja­cken die wei­ßen Arm­bin­den des Ma­ri­ne­si­cher­heits­diens­tes tru­gen.

Mit krei­schen­den Brem­sen stopp­te der Wa­gen vor der lan­gen Aus­le­ger­brücke, die au­gen­blick­lich noch ein­ge­fah­ren war.

Als die Leu­te aus­stie­gen, be­gann es zu sum­men. Die Brücke aus ei­nem leich­ten, aber sta­bi­len Kunst­stoff­ma­te­ri­al senk­te sich her­ab. Es dau­er­te nur we­ni­ge Au­gen­bli­cke, bis sie auf der vor­de­ren Lauf­brücke auf­schlug. Sie schob sich noch et­was aus­ein­an­der, bis sie fest und si­cher auf­lag.

»Das ist Ta­na­ga, Sir«, sag­te der I. O. bei­na­he ehr­furchts­voll. Und in die­sen Mi­nu­ten konn­te ich ihn gut ver­ste­hen.

Als ich dann aber den Mann sah, der mit selt­sam hüp­fen­den Schrit­ten über die Lauf­brücke kam, muß­te ich mich ge­wal­tig zu­sam­men­neh­men. Der Gnom hat­te sich wirk­lich nicht ver­än­dert!

 

*

 

Hin­ter mir hüs­tel­te je­mand. Aus den Au­gen­win­keln her­aus er­kann­te ich, daß Elis Tee­fer nach oben ge­kom­men war. Die Beu­le an ih­rer Stirn war durch die me­di­zi­ni­schen Küns­te un­se­res Bord­arz­tes fast ver­schwun­den. Auch mei­ne Stirn­wun­de wür­de spä­tes­tens mor­gen ver­heilt sein, da sie mit le­ben­den Ge­we­be­kul­tu­ren be­han­delt wor­den war.

Au­gen­blick­lich war die Wun­de noch ge­klebt. Ich hat­te des­halb die Ge­wiß­heit, daß kei­ne stö­ren­de Nar­be zu­rück­b­lieb.

Vor dem Turm öff­ne­ten sich die Lu­ken. Die Leu­te ström­ten her­aus. Sie sa­hen sich nicht be­son­ders ver­wun­dert um, da sie schon oft in Ta­na­ga ge­we­sen wa­ren.

Ich ach­te­te kaum auf sie, da sich mei­ne vol­le Auf­merk­sam­keit auf den Zwerg rich­te­te, der über die Ver­bin­dungs­brücke ge­tän­zelt kam.

Die Leu­te, die sich un­ten vor dem Turm auf­hiel­ten, be­gan­nen un­ver­hoh­len zu grin­sen. Ich konn­te es ih­nen nicht ver­übeln.

Agent MA-23 war schließ­lich erst seit sie­ben Ta­gen in Ta­na­ga, so daß sie ihn vor­her nicht ken­nen­ge­lernt ha­ben konn­ten.

Ich blick­te zu den Män­nern des Na­vy-Si­cher­heits­diens­tes hin­über, die hin­ter ih­rem Kor­vet­ten­ka­pi­tän her­schrit­ten. Tat­säch­lich, der lie­be Han­ni­bal-Othel­lo-Xer­xes hat­te drei mit­tel­brei­te Gold­strei­fen an den Är­meln. Das ver­schlug mir fast die Spra­che. Wenn das nur gut­ging! Wie war der Al­te nur auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, aus­ge­rech­net Han­ni­bal als Kor­vet­ten­ka­pi­tän in den Si­cher­heits­dienst von Ta­na­ga ein­zu­schleu­sen. Den nahm doch nie­mand ernst!

Sei­ne Män­ner be­müh­ten sich, ih­re Hei­ter­keit nicht zu zei­gen. Mei­ne Leu­te hus­te­ten krampf­haft. Mein I. O. stieß so selt­sa­me Lau­te aus, daß ich ihn är­ger­lich zu­recht­wies.

»Ich bit­te um Be­herr­schung, Mr. Sonth. Was gibt es hier zu fei­xen?«

Der I. O. ge­wann sei­ne Selbst­be­herr­schung zu­rück. Ich be­gann je­doch all­mäh­lich zu schwit­zen. Sie hät­ten mei­ne Ge­füh­le be­stimmt ge­teilt, wenn Sie mit­er­lebt hät­ten, wie Klein-Han­ni­bal in der Uni­form aus­sah! Sei­ne dun­kelblaue Schirm­müt­ze war nach oben aus­ge­beult; ver­ur­sacht wur­de das durch sei­ne ei­gen­ar­ti­ge Kopf­form. An dem Bur­schen schi­en über­haupt nichts nor­mal zu sein.

Elis hus­te­te in ihr Ta­schen­tuch, als Utan auf dem Boot an­kam. Der Boots­mann, der un­ten stand, grüß­te stramm, doch sei­ne Au­gen glänz­ten ver­däch­tig.

Utan mach­te sei­nem Na­men al­le Eh­re, als er be­hen­de wie ein Af­fe die stäh­ler­nen Spros­sen zum Turm hin­auf­klet­ter­te. Je­mand lach­te. Ich warf ihm einen dro­hen­den Blick zu.

Han­ni­bal tän­zel­te auf mich zu. Sein von Run­zeln und Som­mer­spros­sen be­deck­tes Ge­sicht ließ ei­tel Freu­de er­ken­nen. Beim Be­trach­ten der Ar­mee­pis­to­le an sei­ner Hüf­te muß­te man sich un­will­kür­lich fra­gen, ob der Klei­ne mit sei­nen Kin­der­hän­den auch fä­hig war, die schwe­re Waf­fe zu be­die­nen.

Dicht vor mir be­müh­te er sich, ei­ne an­ge­mes­se­ne Hal­tung an­zu­neh­men. Er sa­lu­tier­te. Als sei­ne Stim­me er­tön­te, hät­te ich mir am liebs­ten die Oh­ren zu­ge­hal­ten, um die Laut­stär­ke et­was zu mil­dern. Han­ni­bals Mel­dung konn­te man über­all in der Hal­le ver­ste­hen.

»Kor­vet­ten­ka­pi­tän Ridge­man, Sir. Zwei­ter Si­cher­heits­chef Ta­na­gas, Sek­ti­on Schleu­sen­kam­mern. Will­kom­men, Sir.«

Ich leg­te die Hand an die Müt­ze.

»Cap­tain Li­ming. Freut mich, Sie ken­nen­zu­ler­nen, Mr. Ridge­man.«

»Ganz mei­ner­seits, ganz mei­ner­seits, Sir«, schrie Han­ni­bal be­geis­tert. »Ist Ihr Boot tat­säch­lich noch voll ma­nö­vrier­fä­hig?«

»Wie Sie se­hen, bin ich oh­ne frem­de Hil­fe ein­ge­lau­fen.«

»Aus­ge­zeich­net. Ad­mi­ral Por­ter möch­te Sie so­fort spre­chen. Ih­re ra­pi­de Ab­wehr hat al­ler­hand Staub auf­ge­wir­belt. Dürf­te ich Ih­re Trans­port­pa­pie­re se­hen?«

Sei­ne brei­ten Lip­pen zuck­ten, aber sei­ne Au­gen blick­ten ernst. In die­sem Au­gen­blick er­kann­te ich er­neut, wie sehr man sich in Utan täu­schen konn­te. Sei­ne äu­ße­re Er­schei­nung, sein Ge­ba­ren, der be­wußt ein­fäl­ti­ge Aus­druck sei­nes Ge­sichts …, al­les war nur Mas­ke. Ei­ne vor­züg­li­che Mas­ke, wie ich zu­ge­ben muß­te.

Ich bat ihn höf­lich nach un­ten. Er for­der­te Elis auf, eben­falls zu fol­gen, da er auch ih­re Pa­pie­re zu über­prü­fen ha­be.

Ich gab dem I. O. ei­ni­ge An­wei­sun­gen und glitt die Roll­trep­pe hin­un­ter. Sorg­fäl­tig ver­schloß ich die Schie­be­tür. Als ich mich um­wand­te, war Han­ni­bal wie ver­wan­delt. Sein fal­ti­ges Ge­sicht hat­te sich ver­här­tet. Er wirk­te plötz­lich gar nicht mehr lä­cher­lich, Sei­ne zu­vor wäs­se­ri­gen Au­gen hat­ten sich eben­falls ver­än­dert. In ge­dämpf­tem Ton sag­te er:

»Sehr schön, Lan­ger, daß du end­lich hier bist. Hast du schon ein­mal den Be­griff ›Kom­man­do­sa­che HC-9‹ ge­hört?«

Ich blick­te ihn bei die­ser Fra­ge er­staunt an. HC-9 war mei­ne Co­de­num­mer. Mein Auf­trag lief un­ter der Tarn­be­zeich­nung ›Kom­man­do­sa­che HC-9‹.

»Was soll das, Klei­ner? Treibst du einen dei­ner selt­sa­men Scher­ze?«

»Mir ist nicht da­nach zu­mu­te«, ent­geg­ne­te er mit dem An­flug ei­nes Lä­chelns. »Ich ha­be nur da­nach ge­fragt, da­mit du dich recht­zei­tig dar­an er­in­nerst, daß du nicht nach Ta­na­ga ge­kom­men bist, um mit der Tür ins Haus zu fal­len.«

»Das be­trifft wohl den Zwi­schen­fall mit dem GAS-U-Boot, nicht wahr?«

»Na­tür­lich. Kein Mensch macht dir einen Vor­wurf, daß du den Kahn ab­ge­schos­sen hast. Es war ver­mut­lich die ein­zi­ge Lö­sung. Wir ha­ben in­zwi­schen fest­ge­stellt, daß der ver­schwun­de­ne Trans­por­ter eben­falls durch Be­schuß aus ei­ner sehr star­ken Ul­tra­schall­ka­no­ne an­ge­grif­fen wor­den ist. Die Un­ter­was­ser­auf­nah­men kannst du dir spä­ter an­se­hen. Dar­aus geht her­vor, daß das Schick­sal dei­nes Kreu­zers an ei­nem Fäd­chen ge­han­gen hat. Du hast noch recht­zei­tig ge­schal­tet.«

»Schön, daß man das ein­sieht«, sag­te ich är­ger­lich. »Ich hat­te schließ­lich vier C-Bom­ben an Bord.«

»Si­cher, hat­test du. Trotz­dem bist du mit der Tür ins Haus ge­fal­len, denn die an­de­re Sei­te wird einen Kom­man­dan­ten, der der­art hart und schnell rea­giert hat, viel­leicht nicht für ge­eig­net hal­ten. Es ist doch wohl dei­ne Haupt­auf­ga­be, dich mit den Leu­ten in Ver­bin­dung zu set­zen.«

Ich wink­te ab.

»Kein Grund zur Be­sorg­nis. Die Leu­te wer­den sich fra­gen müs­sen, ob ich aus­schließ­lich aus Va­ter­land­streue ge­han­delt ha­be oder auf Grund ei­ner an­de­ren Über­le­gung. Ich war ver­ant­wort­lich für die La­dung, al­so muß­te ich un­ter al­len Um­stän­den han­deln. Da­mit ist noch lan­ge nicht ge­sagt, daß ich ein un­be­dingt ver­läß­li­cher Of­fi­zier bin. Mei­ne Er­fah­run­gen mit den füh­ren­den Köp­fen des GAS-Ge­heim­diens­tes ge­hen da­hin, daß man sol­che Punk­te ge­nau be­ach­tet und tes­tet. Das ist ein psy­cho­lo­gi­sches Re­chenexem­pel, sonst nichts.«

Er blick­te mich zwei­felnd an. Ru­hig füg­te ich hin­zu:

»Laß das mei­ne An­ge­le­gen­heit sein, Klei­ner. Ich wer­de schon da­für sor­gen, daß man mich nicht für so un­be­dingt ver­läß­lich hält, wie es au­gen­blick­lich noch den An­schein hat. Wie weit bist du mit dei­nen Nach­for­schun­gen? Vor al­lem, was macht dein Sen­der?«

»Auf­ge­baut und si­cher un­ter­ge­bracht. Bis­her konn­te ich noch kei­ne di­rek­te Ver­bin­dung auf­neh­men, da mir der Richt­strah­ler fehl­te. Habt ihr ihn mit­ge­bracht?«

»Da­für bin ich schließ­lich ins Haupt­quar­tier ge­fah­ren«, warf Elis ein. »Die An­ten­ne ist in mei­nem Ge­päck, ge­tarnt als per­sön­li­cher Be­darf. Sor­gen Sie da­für, daß der Schrank­kof­fer gut an Land kommt.«

»Wird er­le­digt. An der Quel­le sitzt der Kna­be«, lach­te er lei­se. »Wie ist es mit der Ver­bin­dungs­ma­schi­ne? Mit den Sup-Ul­tra­kur­z­en-Wel­len kom­me ich nur dann bis nach Wa­shing­ton durch, wenn wir ei­ne Re­lais­sta­ti­on da­zwi­schen­schal­ten.«

»Der Atom­bom­ber wird in die­sen Mi­nu­ten star­ten«, ent­geg­ne­te Elis. »Er wird so lan­ge über Ta­na­ga krei­sen und als Re­lais­sta­ti­on die­nen, bis die Sa­che er­le­digt ist.«

»Ist die Be­sat­zung zu­ver­läs­sig?«

»Ga­ran­tiert. Agent TS-19 ist an Bord. Wenn die Ma­schi­ne nach vier­und­zwan­zig Stun­den durch einen an­de­ren Atom­bom­ber ab­gelöst wird, wird sich ein wei­te­rer Agent als Kom­man­dant in der Ma­schi­ne be­fin­den. Die Di­rekt­ver­bin­dung ist da­mit ge­si­chert.«

Han­ni­bal nick­te zu­frie­den, doch ich hat­te Be­den­ken.

»Paß nur auf, daß der Spe­zi­al­sen­der nicht durch einen dum­men Zu­fall ent­deckt wird«, warn­te ich be­un­ru­higt. »In dem Fal­le hät­test du dei­ne GWA-Mar­ke zu zei­gen, und das wä­re gleich­be­deu­tend mit ei­nem Schei­tern des Un­ter­neh­mens.«

»Er wird nicht ent­deckt wer­den. Ab­hör­ge­fahr be­steht nicht. Ich kann un­be­sorgt fun­ken, da es in Ta­na­ga kein ein­zi­ges Ge­rät gibt, mit dem man die Sup-Ul­tra-Wel­le ab­hö­ren kann. Sie ist im­mer noch ein sorg­fäl­tig ge­hü­te­tes Ge­heim­nis der GWA. Die Funk­ab­wehr läuft zwar auf Hoch­tou­ren, aber das kann uns nichts scha­den. Habt ihr eu­re Klein­sen­der, da­mit wir zu je­der Zeit mit­ein­an­der in Ver­bin­dung tre­ten kön­nen?«

Ich nick­te. Elis be­jah­te eben­falls.

Han­ni­bal woll­te ei­ni­ge Er­klä­run­gen ab­ge­ben, doch ich un­ter­brach ihn mit ei­ner Hand­be­we­gung.

»Kei­ne Zeit da­für. Wir wer­den uns spä­ter se­hen. Su­che mich in mei­nem Quar­tier auf und er­stat­te Be­richt. Wir dür­fen uns hier nicht zu lan­ge auf­hal­ten.«

»Okay«, mein­te er. »Wie steht es mit dei­nen Leu­ten? Zu­ver­läs­sig?«

Ich zuck­te mit den Schul­tern, da ich trotz schärfs­ter Auf­merk­sam­keit nichts hat­te be­mer­ken kön­nen.

»Die Gau­ner sit­zen in un­se­rem Stütz­punkt, aber es muß auch Ver­bin­dungs­leu­te in Wa­shing­ton oder in Fris­co ge­ben«, teil­te er mit. »Von dem Trans­port der vier C-Bom­ben war hier nichts be­kannt, das weiß ich be­stimmt. Nicht ein­mal Por­ter war dar­über in­for­miert, dem­nach muß in den Staa­ten je­mand sit­zen, der über den Trans­port ori­en­tiert war und der die Nach­richt so­fort wei­ter­ge­ge­ben hat. Was hältst du von Vi­zead­mi­ral Son­gal?«

»Un­durch­sich­tig, aber zwei­fel­los ein tüch­ti­ger Of­fi­zier. Der Al­te nimmt ihn und sei­nen nä­he­ren Stab zur Zeit un­ter die Lu­pe. Viel­leicht fin­den wir et­was. Im Na­vy-De­part­ment sitzt Chef-Ad­mi­ral Seth­ler. Er hat die Ein­schleu­sung von zwei Agen­ten er­mög­licht. Wir wer­den in­fol­ge­des­sen so­fort fest­stel­len kön­nen, ob ei­ner ver­däch­tig ist. Rücken­de­ckung ist al­so vor­han­den. Was macht die Sa­che mit dem Trans­por­ter? Ist Pro­fes­sor Mor­row ge­fun­den wor­den?«

Ich hat­te be­reits den Dau­men auf dem Öff­nungs­kon­takt der Schie­be­tür, als er ent­geg­ne­te:

»Vor zwei Stun­den. Tot! Es ist nie­mand mehr aus dem Trans­por­ter her­aus­ge­kom­men. Mor­rows Lei­che wur­de hier ein­wand­frei iden­ti­fi­ziert. Die Un­ter­la­gen wur­den mit­samt sei­ner Map­pe ge­fun­den.«

Wir wech­sel­ten ei­ni­ge nach­denk­li­che Bli­cke, wäh­rend ich die Tür auf­glei­ten ließ. Han­ni­bal nahm die Trans­port­pa­pie­re an sich, und wir gin­gen zur Ka­bi­ne hin­über. Er stell­te das Ge­päck zu­sam­men und ließ es von den Män­nern des Si­cher­heits­diens­tes nach oben brin­gen.

Der er­mor­de­te Wis­sen­schaft­ler tat mir leid; trotz­dem fühl­te ich mich er­leich­tert. Plötz­lich glaub­te ich zu wis­sen, warum ein ver­we­ge­ner U-Boot-Kom­man­dant den Ver­such un­ter­nom­men hat­te, mei­nen schwer­be­waff­ne­ten Kreu­zer an­zu­grei­fen.

Er muß­te ge­wußt ha­ben, daß ich vier C-Bom­ben an Bord hat­te, die für die asia­ti­sche Wis­sen­schaft ei­ne un­schätz­ba­re Beu­te dar­ge­stellt hät­ten. Bei dem An­griff auf den Trans­por­ter muß­te ein Feh­ler un­ter­lau­fen sein, der zur vor­zei­ti­gen Ver­nich­tung des Boo­tes ge­führt hat­te. Viel­leicht hat­te der Kom­man­dant sich auch im letz­ten Au­gen­blick ent­schlos­sen, das Boot zu op­fern. Das konn­te wohl kaum noch fest­ge­stellt wer­den, es sei denn, die ge­fun­de­nen Bän­der der Sprech­ver­bin­dung wa­ren noch in Ord­nung. Viel­leicht hat­te er ei­ni­ge kur­ze Hin­wei­se auf ein Band ge­spro­chen.

Ich folg­te mei­nen bei­den Mit­ar­bei­tern nach oben und rief den I. O. an.

»Mr. Sonth, ich mel­de mich bei Ad­mi­ral Por­ter. Sor­gen Sie da­für, daß die La­dung or­dent­lich ge­löscht wird. So­bald das ge­sche­hen ist, ha­ben al­le Mann das Boot zu ver­las­sen, da es von den Tech­ni­kern des Stütz­punk­tes un­ter­sucht wird. L. I. …«

Der Chef­in­ge­nieur kam nä­her.

»Be­an­tra­gen Sie so­fort die Frischauf­la­dung des Re­ak­tors. Das Boot kommt oh­ne­hin in die Werft, da kann das gleich er­le­digt wer­den.«

»Aye, aye, Sir.«

»Sie fin­den mich in mei­nem Quar­tier. Ich wer­de Be­scheid ge­ben, über wel­che Lei­tung Sie mich er­rei­chen kön­nen.«

Ich tipp­te flüch­tig an die Müt­ze und be­gab mich nach un­ten. Wäh­rend ich Han­ni­bal über die Ver­bin­dungs­brücke folg­te, stell­te ich zu­frie­den fest, daß die Män­ner des Si­cher­heits­diens­tes mein Ge­päck auf einen zwei­ten Wa­gen ver­lu­den.

Auf den Ge­päck­stücken leuch­te­ten die Sie­gel­fo­li­en des Si­cher­heits­diens­tes. Nach mensch­li­chem Er­mes­sen konn­te nie­mand mehr auf den Ge­dan­ken kom­men, daß der In­halt nicht voll­kom­men harm­los war. Es wä­re äu­ßerst pein­lich ge­we­sen, wenn ein Un­be­fug­ter mei­ne Spe­zi­al­aus­rüs­tung ge­se­hen hät­te.

Ich setz­te mich ne­ben Han­ni­bal in den Wa­gen. Er spiel­te wie­der den et­was leicht­fer­ti­gen Bur­schen, was zu sei­ner Rol­le als Zwei­ter Si­cher­heits­chef, Sek­ti­on Schleu­sen, ei­gent­lich gar nicht paß­te. Ich blick­te ihn war­nend an.

»Kei­ne Sor­ge, die sind schon an mich ge­wöhnt«, flüs­ter­te er. »Ich kom­me in zwei Stun­den zu dir. Dein Quar­tier ha­be ich aus­ge­sucht, liegt güns­tig und et­was ab­seits. Ich ha­be noch ei­ni­ge Neu­ig­kei­ten. Vor­sicht, wenn du vor dem Ad­mi­ral stehst. Ein ver­flucht schar­fer Bur­sche.«