6.

 

Mein in­ne­rer Ju­bel über das ta­del­lo­se Funk­tio­nie­ren der BA­PURA-Au­to­ma­tik war mitt­ler­wei­le ab­ge­klun­gen.

Wenn ich mich da­zu hin­rei­ßen ließ, auf Ke­no­ne­wes rech­te Hand zu se­hen, brach mir der Angst­schweiß aus. Das He­bel­chen, das Na­ru so be­tont läs­sig be­weg­te, war mei­ner Auf­fas­sung nach zum tückischs­ten Ge­gen­stand des Uni­ver­sums ge­wor­den.

Wir hat­ten schon ei­ni­ge Lan­dun­gen durch­ge­führt; aber da­mals hat­te die Au­to­ma­tik von Top­thar noch ge­ruht.

Dr.-Ing. Sno­fer war es wie­der ein­mal mit al­ler­lei aber­gläu­bi­schen Be­schwö­rungs­for­meln ge­lun­gen, das An­ti­gra­vi­ta­ti­ons­feld auf­zu­bau­en.

In den Kraft­werk­sä­len eins und zwei dröhn­ten die mar­sia­ni­schen Ther­mal­um­for­mer. Wie die frei­wer­den­de Re­ak­to­ren­ener­gie in Ar­beitss­trom um­ge­wan­delt wur­de, war uns al­ler­dings ziem­lich un­klar – aber wir kann­ten die He­bel, an de­nen man zie­hen muß­te. Es war ein Glück, daß wir uns so gut auf die Leucht­kon­trol­len ein­ge­stellt hat­ten.

Das An­ti­grav­feld um­hüll­te den Rie­sen­leib der BA­PU­RA. An Bord der TORN­TO schi­en auch al­les ei­ni­ger­ma­ßen in Ord­nung zu sein.

Oh­ne ein An­ti­grav­feld, von dem die stän­dig wirk­sa­mer wer­den­de Schwer­kraft des Mars auf Null­wert ab­sor­biert wur­de, wä­re die Lan­dung mit ei­nem sol­chen Schiff un­mög­lich ge­we­sen. Es wog so­gar auf dem Mars ei­ni­ge Mil­lio­nen Ton­nen – wenn es auf dem Bo­den stand.

Wir muß­ten we­nigs­tens ei­ni­ger­ma­ßen si­cher über dem Raum­ha­fen von Top­thar an­kom­men. Die Hyp­nos hät­ten sich sehr ge­wun­dert, wenn wir un­se­ren ei­ge­nen Lan­de­platz nicht ge­fun­den, oder wenn wir ihn um et­li­che Ki­lo­me­ter ver­fehlt hät­ten. Das war al­les schon pas­siert!

Hin­ter der BA­PU­RA dröhn­ten die bei­den Hyp­no-Schif­fe durch die dich­ter wer­den­de At­mo­sphä­re des Mars.

Die TORN­TO bil­de­te das Schluß­schiff. Mein Vor­stel­lungs­ver­mö­gen schi­en sich wäh­rend der letz­ten Mi­nu­ten enorm ge­stei­gert zu ha­ben. Es ge­lang mir kaum, die im­mer wie­der ent­ste­hen­den Schre­ckens­bil­der zu un­ter­drücken.

Ei­ne Mas­sen­ka­ram­bo­la­ge zwi­schen den Gi­gan­ten war noch die harm­lo­ses­te Sa­che, die mir von mei­nem auf­ge­stör­ten Un­ter­be­wußt­sein vor­ge­gau­kelt wur­de. Schlim­mer wa­ren schon Ab­sturz­sze­nen, aus de­nen nur die raum­er­fah­re­nen Hyp­nos un­be­scha­det her­vor­gin­gen.

Die Hyp­nos mel­de­ten sich nicht. Für sie war ei­ne Pla­ne­ten­lan­dung ei­ne pro­blem­lo­se An­ge­le­gen­heit. Wenn die ge­ahnt hät­ten, wie es bei uns zu­ging!

Die Peilan­wei­sun­gen der von uns in­stal­lier­ten Bo­den­sta­ti­on war im­mer noch zu­frie­den­stel­lend. Hof­fent­lich wur­de die Sen­dung nicht ab­ge­hört.

»Fal­len mit acht Me­ter pro Se­kun­de – fal­len – fal­len«, klang es aus den Laut­spre­chern.

Ke­no­ne­we schal­te­te. Es pas­sier­te über­haupt nichts, nur ver­än­der­te sich plötz­lich der Ar­beit­ston der Strom­re­ak­to­ren.

»Aus!« preß­te Na­ru her­vor. »Was, zum Teu­fel, ist in das Ding ge­fah­ren? Jetzt funk­tio­niert über­haupt nichts mehr.«

»Schnel­ler fal­len, Sie kom­men zu hoch an. Kor­ri­gie­ren Sie Ih­ren Kurs. Grob­wert fünf Uhr. Sie er­rei­chen in elf Se­kun­den die Funk­feu­er beim vier­ten Län­gen­grad West. Kor­ri­gie­ren Sie doch! Sie flie­gen ja auf den Nord­pol zu. Kor­ri­gie­ren Sie …!«

»Mir wird jetzt schon kalt«, mein­te Ke­no­ne­we. Sei­ne Au­gäpfel sta­chen wie wei­ße Mar­mor­ku­geln aus dem Grauschwarz sei­nes Ge­sich­tes her­vor.

Als ich ei­ni­ge Wor­te an die wie er­starrt wir­ken­den Män­ner rich­ten woll­te, be­gann ei­ne Au­to­ma­ten­stim­me zu spre­chen.

Leuchts­ka­len blen­de­ten auf. Der ova­le Knopf auf Ke­no­ne­wes Not­steu­er­pult ver­sank mit ei­nem lau­ten Knacken in der Fas­sung.

Leut­nant Er­trol mel­de­te sich: »Ich ha­be so­eben – äh – fest­ge­stellt, daß die Au­to­ma­tik den Lan­de­vor­gang über­nom­men hat. Mei­ne fort­schrei­ten­den Kennt­nis­se über die Mar­ss­pra­che ver­ra­ten mir, daß der po­sitro­ni­sche Su­per­pi­lot über un­se­re Ver­su­che leicht ver­är­gert ist. Die Funk­ver­bin­dung mit Top­thar ha­be ich üb­ri­gens un­ter­bro­chen. Peil­an­sa­gen sind wohl nicht mehr nö­tig. Ich möch­te nur wis­sen, wie­viel die Hyp­nos ab­ge­hört ha­ben und was sie sich aus den di­let­tan­ti­schen Kurz­an­wei­sun­gen zu­sam­men­rei­men. Freun­de, mir scheint, als hät­ten wir noch lan­ge nicht ge­won­nen. Ich bit­te um Ent­schul­di­gung, Sir.«

»Re­den Sie nur, re­den Sie nur Ih­ren üb­li­chen Blöd­sinn«, sag­te ich er­leich­tert. »Er­trol, Sie plau­dern so herr­lich ner­ven­ent­las­tend!«

Han­ni­bal mel­de­te sich er­neut: »Ihr habt mehr Glück als Ver­stand. Die Zen­tra­le hat Alarm ge­ge­ben. Ihr wä­ret um we­nigs­tens zwan­zig Ki­lo­me­ter zu hoch über den Platz hin­weg­ge­se­gelt, ob­wohl man an­neh­men soll­te, ei­ne Flä­che von zehn­tau­send Qua­drat­ki­lo­me­ter wä­re groß ge­nug für ei­ne Lan­dung. Die Hyp­nos ver­hal­ten sich ru­hig. Sie be­ob­ach­ten nur. Ab und zu ver­su­chen sie euch sug­ge­s­tiv zu be­ein­flus­sen. Das habt ihr wohl noch gar nicht ge­merkt, was?«

»Tat­säch­lich nicht, Klei­ner. Wir wa­ren be­schäf­tigt.«

»Okay, hier scheint auch al­les in Ord­nung zu sein.

Das Emp­fangs­ko­mi­tee zieht auf. Wir wer­den die größ­te Schau der Welt­ge­schich­te ab­lau­fen las­sen. Ich für mei­ne Per­son … Hilfe! Hil­fe! Teich­burg! Vor­sicht …!«

Die te­le­pa­thi­sche Ver­bin­dung riß ab. Ich sprang aus mei­nem Ses­sel auf und rann­te zu un­se­rem trag­ba­ren Bild­ton­ge­rät hin­über.

Ma­jor Han­ni­bal Utan wur­de von den au­to­ma­ti­schen Ka­me­ras er­faßt. Der Klei­ne eil­te zu­sam­men mit ei­ni­gen hun­dert Wis­sen­schaft­lern, Schau­spie­lern und Ar­tis­ten durch die Gän­ge der Mar­s­stadt, als gäl­te es, einen Re­kord auf­zu­stel­len.

»Was ist das?« er­kun­dig­te ich mich. »Was ist denn jetzt schon wie­der los?«

Ei­ne Stim­me wur­de ver­nehm­bar. Ir­gend­ein Fern­seh­tech­ni­ker hat­te mei­ne Fra­ge ge­hört.

»Die Ro­bo­ter – sie mar­schie­ren«, dröhn­te es aus den Laut­spre­chern. »Vor­sicht, BA­PU­RA – Die Kampf­ma­schi­nen mar­schie­ren. Sie tram­peln al­les zu­sam­men, was ih­nen nicht aus dem We­ge geht. Es sind viel­leicht zehn­tau­send Ex­em­pla­re. Vor­sicht bei der Lan­dung. Ich sit­ze auf den Fünf­tau­send-Volt-Strom­schie­nen der Re­ser­ve­zu­lei­tung. Einen an­de­ren hoch­lie­gen­den Platz ha­be ich in der Ei­le nicht ge­fun­den. Könn­ten Sie viel­leicht den Chef der Mei­l­er­sta­ti­on V an­ru­fen und ihn er­su­chen, er soll­te mit der vor­ge­se­he­nen Zu­satz­schal­tung noch et­was war­ten? Zur Zeit füh­ren die Schie­nen näm­lich kei­nen Saft.«

»Das ha­be ich mir bei­na­he ge­dacht«, mein­te ein Hoch­fre­quen­z­in­ge­nieur der BA­PU­RA-Be­sat­zung. »Die­ser Mensch hat viel­leicht Ner­ven. Hal­lo, Sie da, klet­tern Sie schleu­nigst her­un­ter und ver­las­sen Sie die Über­schlag­zo­ne.«

»Erst ein­mal kön­nen, Sir. Un­ter mir mar­schie­ren viel­leicht zwei­hun­dert Kampfro­bo­ter hin­durch. Sie be­schä­di­gen aber nichts. Er­staun­lich, wie die sich um die Ecken her­um­schlän­geln.«

»Warum ha­ben Sie denn vor­her be­haup­tet, sie wür­den al­les zu­sam­men­tram­peln?«

»Ich ha­be da­bei mehr an un­se­re Leu­te ge­dacht, Sir.«

Ich rich­te­te mich auf und kehr­te an mei­nen Platz zu­rück. Ke­no­ne­we hat­te die Hän­de in den Schoß ge­legt. Schul­ter­zu­ckend sah er mich an.

Als ich mich ge­ra­de ei­ni­ger­ma­ßen be­ru­higt hat­te, setz­te das wild­ge­wor­de­ne Zen­tral­ge­hirn von To­phtar den Ge­scheh­nis­sen die Kro­ne auf.

Wir konn­ten nun den Raum­ha­fen von To­phtar in vol­ler Aus­deh­nung über­bli­cken. Die aus­ge­zeich­ne­te Ver­grö­ße­rungs­schal­tung er­laub­te au­ßer­dem das Her­an­ho­len von al­len ge­wünsch­ten Ge­län­de­punk­ten.

Was wir auf die­sen Bild­aus­schnit­ten sa­hen, raub­te uns den Atem. Pan­zer­forts über Pan­zer­forts wa­ren aus dem sand­ver­schüt­te­ten Ge­län­de rechts und links der ge­säu­ber­ten Lan­de­bah­nen her­vor­ge­bro­chen.

Der Be­griff »Forts« war un­ter­trie­ben. Es han­del­te sich um halb­ku­ge­li­ge Fes­tun­gen aus me­ter­di­cken MA-Me­tall­wän­den und zu­sätz­li­chen Ener­gieglo­cken, die wohl nur dann zer­stört wer­den konn­ten, wenn gleich­zei­tig der Pla­net in ei­ne Atom­fa­ckel ver­wan­delt wur­de.

Je­de Kup­pel be­saß den Um­fang ei­ner ter­ra­ni­schen Klein­stadt von sie­ben­tau­send Ein­woh­nern.

Das wä­re aber – ab­ge­se­hen von dem über­wäl­ti­gen­den Ein­druck – nicht furcht­ein­flö­ßend ge­we­sen, wenn die Halb­ku­gel­tür­me nicht Ener­gie­säu­len aus­ge­schickt hät­ten, wie ich sie noch nie ge­se­hen hat­te.

Wir wur­den na­tür­lich nicht an­ge­grif­fen; aber den Hyp­nos wur­de ge­zeigt, daß an­de­re Leu­te auch et­was von Tech­nik ver­ste­hen.

Wäh­rend die TORN­TO und wir na­he den Hauptein­gän­gen so er­schüt­te­rungs­frei auf den Bo­den ge­setzt wur­den, daß wir von der Lan­dung kaum et­was be­merk­ten, er­leb­ten die Hyp­nos Höl­len­qua­len.

Aus et­wa drei­ßig Ab­wehr­fes­tun­gen schos­sen ro­sa­ro­te Strah­lungs­bah­nen her­vor. Sie um­spiel­ten die bei­den Hyp­no-Schif­fe, hiel­ten sie fest und zwan­gen sie in ei­ne so schnel­le Ro­ta­ti­on, daß ich schau­dernd an die Be­sat­zun­gen dach­te.

Die Dreh­zahl war so hoch, daß un­se­re Au­gen kei­ne Ein­zel­hei­ten mehr un­ter­schei­den konn­ten. Bei­de Schif­fe gli­chen plötz­lich irr­lich­tern­den Me­tall­wol­ken mit ho­hem Licht­bre­chungs­ver­mö­gen.

Ich fühl­te mei­ne letz­ten Hoff­nun­gen auf einen gu­ten Aus­gang un­se­res Vor­ha­bens schwin­den.

Die Wis­sen­schaft­ler der BA­PU­RA hat­ten sich eben­falls mit dem Pro­blem be­schäf­tigt. Dr.-Ing. Sno­fer rief mich an.

»Ich se­he noch kei­ne Ge­fahr für die Frem­den, Sir. Sie ver­fü­gen frag­los über her­vor­ra­gen­de An­druck­ab­sor­ber, die auch die Dreh­be­we­gung neu­tra­li­sie­ren kön­nen. Ich traue es der Mar­s­au­to­ma­tik zu, daß sie be­rech­nen kann, wie hoch sie mit dem Ro­ta­ti­ons­ef­fekt ge­hen kann. Schät­zungs­wei­se wird er et­was hö­her sein als die Ab­sorb­ti­ons­fä­hig­keit der An­ti­an­druck-Ge­rä­te. Wir wer­den die Hyp­nos be­wußt­los ein­sam­meln kön­nen.«

»Hof­fent­lich ha­ben Sie recht«, er­wi­der­te ich. »Ach­tung, an alle! Das Schiff wird plan­mä­ßig ver­las­sen, egal, in wel­chem Zu­stand die Hyp­nos auf dem Bo­den an­kom­men. Neh­men Sie Ih­re Po­si­tio­nen ein.«

»Ach du mei­ne Gü­te!« rief Ke­no­ne­we aus.

Die bis­her un­sicht­ba­ren Schlün­de der Mar­s­stadt hat­ten sich ge­öff­net. Über­all be­weg­ten sich Sand­dü­nen un­ter dem Druck aus­fah­ren­der Turm­schleu­sen.

Was dar­aus her­vor­quoll, war nichts an­de­res als die vie­len tau­send Kampfro­bo­ter, die ich mir noch we­ni­ge Ta­ge zu­vor als Bun­des­ge­nos­sen ge­wünscht hat­te, die wir je­doch nicht hat­ten be­triebs­klar ma­chen kön­nen.

Sie schlu­gen ein schnel­les Marschtem­po ein. Schließ­lich er­ho­ben sie sich so­gar in die Luft und flo­gen auf den Raum­ha­fen hin­aus.

Dort, wo sie lan­de­ten, ver­färb­te sich der MA-Me­tall­be­lag des Ge­län­des. Ro­te Rin­ge ent­stan­den. Sie be­sa­ßen einen Durch­mes­ser von et­wa ei­nem Ki­lo­me­ter. Es sah da­nach aus, als soll­te ei­ne be­stimm­te Zo­ne mar­kiert wer­den.

Ehe ich die­sen Ge­dan­ken in Wor­te klei­den konn­te, schos­sen ener­ge­ti­sche Strah­lun­gen aus dem Bo­den her­vor. Sie wie­sen eben­falls einen ro­sa­ro­ten Farb­ton auf.

Als ich wie­der auf die Fern­be­ob­ach­tung blick­te, be­merk­te ich, daß die Ro­ta­ti­on der Hyp­no-Schif­fe lang­sa­mer wur­de. Die Fahr­zeu­ge wur­den von den Strahl­bah­nen, die sie wa­ben­för­mig um­hüll­ten, zum Zen­trum des Ha­fens hin­über­ge­zo­gen. Gleich dar­auf be­gann ein Lan­de­ma­nö­ver, bei dem mir der Atem stock­te.

Ich ver­stand plötz­lich al­les!

In den be­reits ent­zif­fer­ten Be­rich­ten der Mar­sia­ner war von ei­ner neu­en Waf­fe, dem »Zug-Ro­ta­tor«, die Re­de ge­we­sen. Es han­del­te sich um einen Saug- oder Gra­vi­ta­ti­onss­trah­ler, mit dem man fes­te Kör­per her­an­ho­len konn­te, gleich­gül­tig aus wel­chem Ma­te­ri­al sie be­stan­den.

Die Fär­bung der Ener­gie­strah­lung ver­wan­del­te sich. Plötz­lich leuch­te­te sie in ei­nem blas­sen Blau. Über den Hyp­no-Schif­fen ent­stand je ei­ne Ener­gieglo­cke.

Der Vor­gang hat­te et­wa fünf­zehn Mi­nu­ten ge­dau­ert. Die Mars­po­sitro­nik hat­te un­se­re Pla­nung end­gül­tig um­ge­wor­fen. Jetzt ge­lang uns aber auch gar nichts mehr!

»Wie sieht es in der Stadt aus? Al­les in Ord­nung?« frag­te ich Han­ni­bal.

»Wenn du un­se­ren Ge­sund­heits­zu­stand meinst – ja! Wir sind den Ro­bo­tern glück­li­cher­wei­se ent­gan­gen. Scheu­ning schätzt die An­zahl der wach­ge­wor­de­nen Ma­schi­nen auf et­wa zwan­zig­tau­send. Sie schei­nen den Be­fehl er­hal­ten zu ha­ben, die bei­den Lan­dungs­krei­se ab­zu­sper­ren. Jetzt fra­ge ich mich nur, mit wel­chen Tricks wir die Hyp­nos aus ih­ren Schif­fen her­aus­ho­len sol­len.«

Dar­auf wuß­te ich kei­ne Ant­wort. Na­tür­lich hat­te ich kei­ne Ah­nung, auf wel­che Schal­ter man in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on zu drücken hat­te.

»Aha!« mel­de­te sich Han­ni­bal er­neut. »Das ha­ben wir uns auch schon über­legt. Das Ge­hirn han­delt – von sei­ner War­te aus ge­se­hen – voll­kom­men rich­tig. Es macht den Geg­ner erst ein­mal hand­lungs­un­fä­hig. Die Ro­bo­ter ha­ben un­se­re Leu­te nicht an­ge­grif­fen. Dr. Besch­ter meint nun doch, wir wä­ren als be­fehls­be­rech­tigt an­er­kannt wor­den. Au­ßer­dem glaubt er, daß wir, al­so du und ich, den Un­ter­gang der ter­ra­ni­schen Mars­di­vi­si­on ver­hin­dert ha­ben. Da staunst du, was?«

Ich staun­te tat­säch­lich.

»Das ist gar nicht so ver­wun­der­lich. Er­in­ne­re dich an un­se­ren Mond­ein­satz vor drei Jah­ren, Tarn­be­zeich­nung ›Dia­gno­se ne­ga­tiv‹. Un­ser In­tel­li­genz­quo­ti­ent wur­de durch ein ge­fähr­li­ches Ex­pe­ri­ment ge­stei­gert. Ich ha­be seit­dem 51,3 Neu-Orb­ton-Ein­hei­ten an­statt wie vor­her nur 37,4. Du bist von 38,2 Ein­hei­ten auf 52,4 auf­ge­stockt wor­den. Die In­tel­li­genz­stei­ge­rung war er­for­der­lich, um das Kom­man­do­ge­hirn auf Lu­na be­herr­schen zu kön­nen. Ei­ne Geis­tes­ka­pa­zi­tät un­ter fünf­zig Neu-Orb­ton-Ein­hei­ten wur­de nicht an­er­kannt. Fällt dir et­was auf?«

»O ja!« gab ich be­stürzt zu­rück. Wie­so wa­ren wir nicht frü­her dar­auf ge­kom­men?

»Aus die­sem Grun­de ist Dr. Besch­ter der Mei­nung, wir wä­ren hier eben­falls an­er­kannt. Die Hyp­nos sind be­sin­nungs­los. Die Ro­ta­ti­on muß sich ka­ta­stro­phal aus­ge­wirkt ha­ben. Im Prin­zip ha­ben wir den Zweck un­se­res Thea­ters jetzt schon er­reicht. Die Her­ren wis­sen, wie mäch­tig wir sind.«

»Zu sein vor­ge­ben«, kor­ri­gier­te ich. »Ehe ich sie ab­flie­gen las­se, müs­sen sie noch in den Ge­nuß un­se­rer Trick­fil­me kom­men. Die­ses Pro­gramm soll nicht um­sonst auf­ge­baut wor­den sein. Au­ßer­dem müs­sen sie dar­über be­lehrt wer­den, daß man uns in die­sem Son­nen­sys­tem nur dul­det. Es kommt gar nicht dar­auf an, die Hyp­nos von der Macht Sei­ner Ver­klärt­heit, Tu­madschin Khan, zu über­zeu­gen, son­dern von der noch viel grö­ße­ren Macht der Er­de und des von ihr be­herrsch­ten Pla­ne­ten­bun­des.«

»Apro­pos – da ist vor­hin ei­ne Mel­dung ge­kom­men. Ge­ne­ral Re­ling und der Ab­wehr­chef der Ost­staa­ten­ko­ali­ti­on wer­den mit der ›1418‹ den Mars an­flie­gen. In Mas­ke selbst­ver­ständ­lich. Der Al­te und Mar­schall Gor­ss­kij ha­ben sich ent­schlos­sen, un­se­ren schief­ge­lau­fe­nen Plan et­was zu sta­bi­li­sie­ren. Sie wol­len zwei Ge­sand­te spie­len, die Tu­madschin Khan ein Ul­ti­ma­tum der Erd­re­gie­rung über­brin­gen, und vor­ge­ben, die Auf­brin­gung der bei­den Hyp­no­schif­fe sei von ter­ra­ni­schen Fern­tas­tern re­gis­triert wor­den.«

»Ein gu­ter Ge­dan­ke«, stimm­te ich zu. »Gib an Ki­ny Ed­wards durch, der Chef soll­te un­be­dingt mit sei­ner An­kunft war­ten, bis ich ihn be­nach­rich­ti­ge. Hier muß erst die La­ge ge­klärt wer­den. Gibt es sonst noch et­was?«

»Ei­gent­lich ei­ne gan­ze Men­ge, aber dar­um brauchst du dich jetzt nicht zu küm­mern. Soll das De­mo­lie­rungs­kom­man­do im­mer noch war­ten?«

»Hü­tet euch, auch nur ei­ne Schal­tung un­brauch­bar zu ma­chen. Wir ha­ben ge­nug Pro­ble­me. En­de.«

Ich un­ter­brach die Ver­bin­dung und stell­te mich auf den Geis­tes­in­halt der Hyp­nos ein. Han­ni­bal hat­te nicht über­trie­ben. Sie wa­ren be­sin­nungs­los. Ich konn­te nur ver­wa­sche­ne Sin­nes­ein­drücke emp­fan­gen.

»Fer­tig, Sir, klar zum Aus­schleu­sen«, mel­de­te Na­ru Ke­no­newe. »Die Män­ner sind schon drau­ßen.«

»Wie ver­hal­ten sich die Ro­bo­ter?«

»Als wä­ren wir nicht da. Un­ser Glück, Sir.«

Wir fuh­ren zur Pol­schleu­se hin­un­ter und spran­gen in das An­ti­grav­feld. Auf dem Raum­ha­fen herrsch­te ein Be­trieb, als wä­ren die aus­ge­stor­be­nen Mar­sia­ner wie­der er­wacht.

Die Kampfro­bo­ter gli­chen ei­ner stäh­ler­nen Ar­ma­da. Je­des Fahr­zeug wur­de von et­wa zehn­tau­send Kriegs­ma­schi­nen um­la­gert.

Die Be­sat­zun­gen der Mars­schif­fe hat­ten sich nach Plan auf­ge­stellt. Es war ei­ne präch­ti­ge Pa­ra­de. Ich be­stieg mei­nen Prunk­wa­gen und stell­te mich vor den zu­rück­ge­scho­be­nen Bei­fah­rer­sitz, als wir an der Front der Män­ner vor­bei­fuh­ren.

Dicht hin­ter uns folg­te die Gar­de der Zy­klo­pen. Sie stan­den auf ge­pan­zer­ten Prit­schen­wa­gen.

»Wun­der­bar!« mel­de­te sich Han­ni­bal. »Das sieht groß­ar­tig aus. Jetzt feh­len ei­gent­lich nur noch die Hyp­nos.

Hui – der Chef der Ex­pe­di­ti­on be­kommt so­eben Vor­wür­fe we­gen sei­nes leicht­fer­ti­gen Ein­flu­ges ins Sol­sys­tem! Die von dem Ge­hirn ein­ge­setz­te Waf­fe kennt man nicht. Die Hyp­nos sind be­ein­druckt. Nein – mehr als das! Sie ha­ben To­des­angst. Die letz­ten Ge­hei­mun­ter­la­gen wer­den ver­nich­tet. Sie war­ten auf dei­nen An­ruf. Wo­zu hast du ein Bild­sprech­ge­rät?«

»Zum Sen­den und Emp­fan­gen, vor­aus­ge­setzt, es ist sinn­voll. Ha­ben die Wis­sen­schaft­ler schon ent­deckt, wel­che Tricks man an­wen­den muß, um die Hyp­nos durch die Ener­gieglo­cken zu brin­gen?«

»Wie?«

Ich un­ter­brach die te­le­pa­thi­sche Ver­bin­dung und gab den Be­fehl, so schnell wie mög­lich zur un­ter­mar­sia­ni­schen Zen­tra­le zu fah­ren. Et­was muß­te ge­sche­hen. Wenn wir gar kei­nen Aus­weg mehr fan­den, muß­ten sämt­li­che Schal­tun­gen zer­stört wer­den, die in un­se­rer Reich­wei­te la­gen.

Was hat­te das aber zur Fol­ge? Jetzt, wo die An­la­gen von Stun­de zu Stun­de bes­ser funk­tio­nier­ten, weil die Re­pa­ra­tur­ro­bo­ter un­er­müd­lich tä­tig wa­ren! Was bis­her noch nicht in Ord­nung ge­we­sen war, wur­de von den War­tungs­ma­schi­nen mit größ­tem Ei­fer re­pa­riert. Das be­deu­te­te, daß die Ne­ben­schalt­stel­len des Haupt­ge­hirns im­mer mehr kom­plet­tiert wur­den. An­la­gen, von de­ren Funk­ti­on wir kei­ne Ah­nung hat­ten, nah­men den Be­trieb wie­der auf. Kom­man­do­sta­tio­nen er­wach­ten. Die ur­al­ten Raum­schiff­werf­ten be­gan­nen zu fa­bri­zie­ren und zu re­pa­rie­ren.

Mei­ne Knie be­gan­nen zu zit­tern.

Ein ge­wal­ti­ges To­sen, dem ein Heul­ton folg­te, ließ mich auf mei­nem Sitz her­um­fah­ren. Der Fah­rer brems­te.

»Nein, nicht das!« stöhn­te ich.

Ein Ab­wehr­fort hat­te auf das klei­ne­re der bei­den Hyp­no-Schif­fe das Feu­er er­öff­net. Der bläu­li­che Ener­gie­schirm war durch­schla­gen wor­den. Ein Teil der obe­ren Schiffs­hälf­te leuch­te­te in Weiß­glut. Die Ein­schuß­öff­nung war be­acht­lich. Ich konn­te nicht er­ken­nen, ob der ther­mi­sche Ener­gie­strahl die Zel­le durch­schla­gen hat­te und ob er auf der an­de­ren Sei­te wie­der aus­ge­tre­ten war.

Auf al­le Fäl­le hat­te er aber einen ho­hen Pro­zent­satz sei­ner Ener­gie im Schiff­sin­nern ab­ge­ge­ben. Was das be­deu­te­te, brauch­te mir nie­mand zu sa­gen.

Mein trag­ba­res Bild­sprech­ge­rät läu­te­te. Cap­tain Jim Do­gen­dal, Chef un­se­rer Or­tungs- und Funk­sta­ti­on, mel­de­te sich.

»Der Geg­ner ver­sucht zu fun­ken, Sir. Beim ers­ten Im­puls hat das Fort das Feu­er er­öff­net. Die Hyp­nos schwei­gen wie­der. Das war ei­ne bit­te­re Leh­re. Ich weiß aber jetzt, wie ge­nau und schnell die ro­bot­ge­steu­er­ten Peil­ge­rä­te ar­bei­ten. Kaum hat­te ich das ers­te Rot­zei­chen ge­se­hen, da knall­te es schon. Die Dif­fe­renz zwi­schen dem ers­ten Funk­ver­such und dem Feu­er­stoß be­trug nicht ein­mal ei­ne Mil­li­se­kun­de. Das nen­ne ich Schnel­lig­keit, Sir.«

Das Kom­man­do­ge­hirn von To­phtar wur­de mir un­heim­lich. Wenn die­ser Au­to­mat so schnell und fol­ge­rich­tig rea­gier­te, wür­de es uns sehr schwer­fal­len, ihn un­schäd­lich zu ma­chen – selbst wenn wir es ge­wollt hät­ten. Die Tech­ni­ker wä­ren noch kei­ne zehn Me­ter weit ge­kom­men. Beim ers­ten Schuß oder beim ers­ten Auf­flam­men ei­nes Schneid­bren­ners in wich­ti­gen Schalt­sek­to­ren wä­ren wir frag­los von den über­all ein­ge­bau­ten Ab­wehr­ge­schüt­zen in Ener­gie ver­wan­delt wor­den.

Nach­dem wir die Schleu­sen pas­siert hat­ten, fuh­ren wir die Ser­pen­ti­nen­stra­ße hin­un­ter. Ich war so mü­de, daß ich kaum noch die Au­gen of­fen­hal­ten konn­te. Das Den­ken fiel mir schwer. Was soll­te nun ge­sche­hen?