1.

 

Der Strom­schal­ter glitt nach un­ten. Er war im Griff­stück der Peit­sche ein­ge­baut.

Ich är­ger­te mich – ich hat­te mich zu är­gern! Ich war »Sei­ne Ver­klärt­heit, Tu­madschin Khan«.

Bei mei­nem Schlag mit der Peit­sche schrie das blaue Ku­gel­kopf­we­sen vom Pla­ne­ten Ba­wa­la V auf. Auf dem Bo­den lie­gend, kroch es nä­her und win­sel­te.

»Du bist ver­ant­wort­lich für den Mas­sa­ge-Pul­sa­tor mei­nes La­gers?« er­kun­dig­te ich mich freund­lich. Der Zwerg wim­mer­te lau­ter.

Auf mei­ne Hand­be­we­gung hin er­faß­ten zwei ge­pan­zer­te Zy­klo­pen von Tus­ty III den Ku­gel­kopf und war­fen ihn in die Are­na hin­un­ter.

Zehn­tau­send Zu­schau­er, Of­fi­zie­re, Be­am­te, Ver­bün­de­te und Die­ner mei­nes Rei­ches ver­folg­ten die Sze­ne. Die hoch­ge­stell­ten Per­sön­lich­kei­ten schweb­ten in An­ti­gra­vi­ta­ti­ons­mu­scheln über dem Rund der un­ter­mar­sia­ni­schen Are­na.

Der Moo­lo, ein acht Me­ter ho­her Sau­ri­er, fing das Op­fer auf und tö­te­te mit ei­nem Hieb sei­ner vier Tat­zen das in Un­gna­de ge­fal­le­ne We­sen.

Ich schau­te mich im Krei­se mei­ner Ge­folg­schaft um. Mein Blick fiel auf präch­ti­ge Ge­wän­der und mehr als zwan­zig nicht­mensch­li­che Ge­sich­ter. Die höchs­ten Ver­tre­ter mei­nes ga­lak­ti­schen Rei­ches ga­ben sich hier ein Stell­dich­ein.

»En­de der Pro­be, ab­bre­chen«, dröhn­te es durch die rie­si­ge Hal­le. »Ar­tis­ten aus­stei­gen. Kopf­mas­ken ab­le­gen. Pa­no­li, hö­ren Sie doch end­lich mit dem Moo­lo-Ge­brüll auf. Man ver­steht ja sein ei­ge­nes Wort nicht mehr.«

Ich leg­te mei­ne edel­stein­be­setz­te Elek­tro­peit­sche nie­der und er­hob mich. Mei­ne bis­her so un­ter­wür­fi­ge Hof­ge­sell­schaft war plötz­lich über­haupt nicht mehr de­mü­tig.

Der ge­cken­haft ge­klei­de­te Hof­dich­ter wisch­te sich den Schweiß von der Stirn und stieß ei­ni­ge Flü­che aus.

Laut Re­gie­an­wei­sung hieß der »Dich­ter« Ba­ho­le Touts, ge­bo­ren auf ei­nem Ko­lo­ni­al­pla­ne­ten der Er­de. In Wirk­lich­keit nann­te er sich Fred In­chin­ger. Er war Ma­jor der Ge­hei­men Bun­des­kri­mi­nal­po­li­zei und zur Zeit ab­kom­man­diert, um zu­sam­men mit mehr als fünf­und­vier­zig­tau­send Men­schen ei­ne Thea­ter- und Zir­kus­vor­stel­lung zu ge­ben, wie sie die Er­de noch nie ge­se­hen hat­te.

Die Dar­stel­ler wa­ren Wis­sen­schaft­ler, Tech­ni­ker, Ab­wehr­of­fi­zie­re, Sol­da­ten, Spe­zi­al­hand­wer­ker, Schau­spie­ler, Sän­ger und Ar­tis­ten aus al­len Völ­kern der Er­de.

Auf Be­schluß der ter­ra­ni­schen Zen­tral­re­gie­rung war der Be­fehl er­gan­gen, in Top­thar das größ­te Schau­spiel der Ge­schich­te ab­lau­fen zu las­sen.

Ich war zum Ober­kom­man­die­ren­den Mars er­nannt wor­den; aber auch nur des­halb, weil ich zu­sam­men mit ei­nem Kol­le­gen der ein­zi­ge Mensch war, der die Hyp­nos sehr ge­nau kann­te.

In der ein­zig­ar­tig her­ge­rich­te­ten Are­na hat­ten wir die vor­letz­te Pro­be über die Büh­ne ge­hen las­sen.

Ich beug­te mich über den Rand mei­ner Lo­ge, die an­geb­lich auf ei­nem An­ti­gra­vi­ta­ti­ons­feld schweb­te. Auch das war Be­trug! Kein ir­di­scher Wis­sen­schaft­ler hat­te ei­ne Ah­nung, wie ein sol­ches Feld auf­ge­baut wur­de, wie man es be­herr­schen konn­te und was es phy­si­ka­lisch dar­stell­te.

Un­se­re Spe­zia­lis­ten hat­ten einen Aus­weg ge­fun­den. Die Lo­ge und die an­de­ren Schwe­be­mu­scheln hin­gen an hauch­dün­nen Kunst­fa­ser­lei­nen, die im grel­len Licht der Atom­son­ne un­sicht­bar wur­den.

Die Atom­son­nen wa­ren echt! Sie stamm­ten aus der Hin­ter­las­sen­schaft der aus­ge­stor­be­nen Mars­be­völ­ke­rung, die in der Un­ter­grund­stadt Top­thar vor den An­grif­fen der De­ne­ber Schutz ge­sucht hat­te. Die­se Er­eig­nis­se la­gen be­reits 187.000 Jah­re zu­rück. Wir hat­ten mit un­se­ren Ent­de­ckun­gen auf Mond und Mars ein Er­be an­ge­tre­ten, das wir nicht be­herr­schen konn­ten.

Un­se­re Leu­te nann­ten sich in tref­fen­der Selbst­ver­höh­nung »Knopf­druck-Hau­sie­rer«. Wir wa­ren ga­lak­ti­sche Hoch­stap­ler, denn wir täusch­ten Din­ge vor, die für ir­di­sche Be­grif­fe nur den Phan­ta­sie­ge­bil­den ei­nes Geis­tes­kran­ken ent­sprun­gen sein konnten.

»Vor­sicht, Sie stür­zen sonst ab«, warn­te Ma­jor In­chin­ger. »Was ist denn mit dem blau­en Ku­gel­kopf los?«

Mehr als drei­hun­dert Tech­ni­ker, im Ge­gen­satz zu uns tru­gen sie schlich­te, graue Ar­beits­kom­bi­na­tio­nen, be­müh­ten sich um den Sau­ri­er Moo­lo, den ein Gru­sel­film­ge­stal­ter für uns ent­wi­ckelt hat­te.

Das Un­ge­heu­er, stand jetzt reg­los im Sand des Kampf­ge­län­des. In sei­nem horn­ge­pan­zer­ten Leib öff­ne­te sich ei­ne Klap­pe. Zwei schweiß­über­ström­te Män­ner klet­ter­ten her­aus. Es han­del­te sich um die »Zwei Pa­no­lis«, erst­klas­si­ge Bo­den­akro­ba­ten, die sich frei­wil­lig zur Ver­fü­gung ge­stellt hat­ten. Sie sa­ßen in dem vier­ar­mi­gen »Sau­ri­er« und be­dien­ten die kom­pli­zier­te Steu­er­me­cha­nik.

Die Ar­tis­ten ges­ti­ku­lier­ten. Et­was schi­en nicht ge­klappt zu ha­ben. Das Moo­lo-Mon­s­trum be­saß wohl noch ei­ni­ge Kin­der­krank­hei­ten; der äu­ße­re Ein­druck war be­ste­chend, nur ließ die Me­cha­nik zu wün­schen üb­rig. In­ge­nieu­re klet­ter­ten in den Hohl­kör­per.

Zu­gleich ver­nahm ich ein schril­les Ge­schrei. Das Ober­haupt ei­ner spa­ni­schen Li­li­pu­taner­fa­mi­lie, der ehr­wür­di­ge Don Es­te­ban de Fe­rei­ra, kroch aus dem stark be­schä­dig­ten Pup­pen­kör­per des »blau­en Ku­gel­kop­fes«, Don Es­te­ban war äu­ßerst un­ge­hal­ten und rieb sich sein fal­ti­ges Ge­sicht.

»Wenn Sie mich dem­nächst wie­der dem Moo­lo zum Fraß vor­wer­fen las­sen, be­den­ken Sie bit­te auch die Hö­he, in der Sie sich be­fin­den«, tob­te der klei­ne Mann.

Zwei­hun­dert Li­li­pu­ta­ner, die wir in der gan­zen Welt zu­sam­men­ge­sucht hat­ten, weil nur sie die Zwer­ge von Ba­wa­la V dar­stel­len konn­ten, stimm­ten in den Zorn­aus­bruch des Ur­groß­va­ters ein.

Ne­ben mir stand Oberst Huang-Tai, Chef des chi­ne­si­schen Raum­jagd­ver­ban­des der Him­mels­stür­mer. Er stell­te einen in­ter­ga­lak­ti­schen Herr­scher dar, der nur des­halb zum Mars ge­kom­men war, um mit mir, dem groß­mäch­ti­gen Tu­madschin Khan, den »Ent­schei­dungs­an­griff« auf die Er­de zu be­spre­chen.

»Ich ver­lan­ge dem­nächst einen Fall­schirm«, tob­te der Li­li­pu­ta­ner-Groß­va­ter und rauf­te sei­nen schloh­wei­ßen Bart.

Die an­de­ren Li­li­pu­ta­ner, in der Mas­ke von kurz­lei­bi­gen, rie­sen­köp­fi­gen Zwer­gen, stimm­ten ihm zu.

Alf Tront­mey­er, der fä­higs­te Re­gis­seur für trick­rei­che uto­pi­sche Fil­me, sah hil­fe­su­chend zu mir hin­auf. Ich schwang mich über die fla­che Brüs­tung der lu­xu­ri­ösen Schwe­be­lo­ge.

Mi­nu­ten zu­vor hat­te ich mich noch der Il­lu­si­on hin­ge­ge­ben, in ei­nem tech­nisch vollen­de­ten Wun­der­werk zu lie­gen. Als ich jetzt mit den Fü­ßen nach der Strick­lei­ter tas­te­te, wur­de mir wie­der un­se­re Un­zu­läng­lich­keit be­wußt.

Sie war er­schre­ckend! Wir woll­ten ei­nem Geg­ner, der die Er­de mit ei­nem Raum­schiff hät­te ato­mi­sie­ren kön­nen, vor­gau­keln, wir wä­ren tau­send­mal mäch­ti­ger als er. Ver­su­chen Sie das ein­mal! Na­tür­lich hat­ten wir die mar­sia­ni­sche Tech­nik. Aber da war der Aus­druck »Knopf­druck-Hau­sie­rer« ab­so­lut zu­tref­fend.

Wir konn­ten vie­le Knöp­fe be­tä­ti­gen! Ab und zu pas­sier­te et­was, was un­se­ren Wis­sen­schaft­lern Schau­er freu­di­ger Er­re­gung über den Rücken jag­te. Zu­meist gin­gen sie aber flucht­ar­tig in De­ckung. Die Din­ge, die wir im Ver­lauf un­se­rer wag­hal­si­gen Ex­pe­ri­men­te schon die Luft ge­bla­sen oder an­der­wei­tig de­mo­liert hat­ten, wa­ren nicht mehr zu zäh­len.

Von bit­te­ren Ge­füh­len ge­plagt, er­reich­te ich den Bo­den der Are­na. Ein Of­fi­zier des Nach­schub­diens­tes be­schwer­te sich über die maß­lo­se Ver­schwen­dung von »Blut«.

Die Are­na schwamm wie­der ein­mal in der ro­ten, schnell ge­rin­nen­den Flüs­sig­keit, die uns die che­mi­schen Fa­bri­ken der Er­de ge­lie­fert hat­ten.

Die neu­en Frach­ter und Kreu­zer der Plas­maflot­te wa­ren un­un­ter­bro­chen un­ter­wegs, um den Mar­s­stütz­punkt zu ver­sor­gen. Top­thar war ei­ne gi­gan­ti­sche Stadt. Einen Teil da­von hat­ten wir nach den Er­for­der­nis­sen un­se­res Schau­spiels aus­bau­en kön­nen. Lo­gi­scher­wei­se hat­ten wir uns auf je­ne Hal­len, Sä­le und Eta­gen be­schrän­ken müs­sen, die von den im­mer noch funk­tio­nie­ren­den mar­sia­ni­schen Atom­kraft­wer­ken mit Ar­beitss­trom und Fri­schluft ver­sorgt wur­den.

Ein­zel­ne Ab­tei­lun­gen, die wir drin­gend be­nö­tig­ten, hat­ten wir un­ter un­ge­heu­rem Auf­wand wie­der­her­stel­len müs­sen. So ge­sch­ah es, daß ne­ben den Re­ak­to­ren der Mar­sia­ner ter­ra­ni­sche Mei­ler stan­den. Sie wa­ren zwar grö­ßer, aber sie leis­te­ten ver­gleichs­wei­se nichts.

»Herr Ge­ne­ral, ich muß mich be­schwe­ren«, schrie mich Don Es­te­ban de Fe­rei­ra an und schlug mit bei­den Fäus­ten ge­gen mei­ne Ober­schen­kel, da er mei­ne Brust nicht er­rei­chen konn­te.

»Re­spekt, Ku­gel­kopf«, knurr­te hin­ter mir ei­ne Stim­me.

Ein schup­pen­ge­pan­zer­tes Un­ge­heu­er, mit Fuß­ein­la­gen 2,20 Me­ter groß und auch ge­nau­so breit, fun­kel­te mich aus sei­nem me­lo­nen­großen Au­ge an, das in Hö­he der mensch­li­chen Na­se-Au­gen­par­tie an­ge­ord­net war. Dolchar­ti­ge Reiß­zäh­ne blitz­ten in dem spalt­weit ge­öff­ne­ten Ra­chen. In den rie­si­gen Pran­ken lag ei­ne über­schwe­re La­ser-In­ter­vall­au­to­ma­tik.

Ein schar­fes Schwert war ein wei­te­rer Be­stand­teil der Zy­klo­pen­be­waff­nung. Über der Schul­ter hing ein mar­sia­ni­scher Ther­mo­strah­ler, der rei­ne Kern­ener­gie ver­feu­er­te.

Die »Zy­klos« bil­de­ten mei­ne Leib­wa­che. Die grau­en­er­re­gen­de Mas­ke war vollen­det. Die GWA-Spe­zia­lis­ten hat­ten die größ­ten und stärks­ten Män­ner der Er­de zu­sam­men­ge­ru­fen. Ein Zy­klo muß­te min­des­tens ei­ne na­tür­li­che Kör­per­län­ge von 2,07 Me­ter auf­wei­sen. Die Fuß­ein­la­gen wa­ren durch­schnitt­lich zehn Zen­ti­me­ter dick. So war ein Ti­ta­nen­volk »von ei­nem an­de­ren Pla­ne­ten« ent­stan­den – und warum …

Nur um Ein­druck zu ma­chen, nur um der Mensch­heit die In­va­si­on aus dem Raum zu er­spa­ren, die wir seit De­zem­ber 2008 er­war­te­ten.

»Ha, Sie …!« schrie Don Es­te­ban. Sei­ne Hal­tung drück­te Ver­ach­tung aus. »Wie ha­ben Sie mich ti­tu­liert?«

»Ku­gel­kopf.« Das Wort ver­klang in ei­nem tier­haf­ten Rö­cheln. Die Zy­klo­pen spra­chen über ei­ne spe­zialm­odu­lier­te Ver­stär­ke­r­an­la­ge. Wenn Ma­jor Bo­ris Pe­tron­ko in »bes­tia­li­scher Wut« brüll­te, konn­te man das Ge­hör ver­lie­ren.

Bo­ris öff­ne­te die Pa­tent­ver­schlüs­se am Hals der Mas­ke. Der Kopf des Mon­s­trums klapp­te nach hin­ten auf die Schul­tern zu­rück.

Ein breit­flä­chi­ges, leicht som­mer­spros­si­ges Ge­sicht mit hel­len Au­gen kam zum Vor­schein. Pe­tron­ko lach­te den Li­li­pu­ta­ner an.

»Nichts für un­gut, Ca­bal­le­ro. Wir sind doch Freun­de, oder? Ich ha­be dich so be­hut­sam wie mög­lich in die ge­fe­der­ten Pran­ken des Moo­lo ge­wor­fen. Das reins­te Sprung­tuch, Groß­vä­ter­chen. Du wirst uns doch nicht die Vor­stel­lung schmei­ßen wol­len, nur weil du einen blau­en Fle­cken da­von­ge­tra­gen hast?«

»Ech­te Ar­tis­ten schmei­ßen nie ei­ne Vor­stel­lung!« er­klär­te Don Es­te­ban wür­de­voll. »Ich will Ih­nen Ih­re Ver­hal­tens­wei­se nicht nach­tra­gen.« Er wand­te sich an mich. »Herr Ge­ne­ral, wä­re es nicht mög­lich, ein an­de­res Mit­glied mei­nes Vol­kes über die Brüs­tung der Herr­scher­lo­ge wer­fen zu las­sen? Ich bin wirk­lich gern zu je­dem Op­fer be­reit, aber …!«

»Groß­vä­ter­chen, kei­ner kann so schön um Gna­de bet­teln wie du«, un­ter­brach ihn Bo­ris Pe­tron­ko. »Du mußt be­den­ken, daß je­des Wort, je­des Ge­räusch und je­de Be­we­gung echt wir­ken muß. Du bist ein gu­ter Schau­spie­ler.«

»Dann las­se ich mich wei­ter zum Fra­ße vor­wer­fen!« sag­te der Chef der Li­li­pu­ta­ner. »Auf Kin­der­chen! Fröh­lich und frei, geht, springt und hüpft. Hopp, hopp …!«

La­chend troll­te sich die zwei­hun­dert­köp­fi­ge Schar. Ich sah dem lus­ti­gen Völk­chen nach, bis Pe­tron­ko lei­se mein­te:

»Das gibt noch Schwie­rig­kei­ten, Sir. Sie sind psy­chisch be­son­ders ver­an­lagt. Her­zens­gut, aber auch leicht be­lei­digt. Was kann man da tun?«

Ich be­trach­te­te den 2,19 Me­ter großen und drei Zent­ner schwe­ren Hü­nen. Bo­ris Pe­tron­ko war ein fä­hi­ger Of­fi­zier der rus­si­schen Ab­wehr. We­gen sei­ner Qua­li­tä­ten war er zum Chef der drei­hun­dert Mann star­ken Zy­klo­pen­gar­de er­nannt wor­den.

Of­fi­zie­re, Tech­ni­ker und Wis­sen­schaft­ler be­stürm­ten mich mit Fra­gen. Die vie­len Ar­tis­ten und Schau­spie­ler hat­ten Son­der­wün­sche. Ich wink­te ab und bat um Ru­he.

»Mei­ne Da­men und Her­ren – zu ge­ge­be­ner Zeit wer­den wir an Ih­re Vor­schlä­ge den­ken. Vor­erst ha­ben wir je­doch noch ge­nug da­mit zu tun, das ein­ge­lei­te­te Pro­gramm durch­zu­spie­len. Wenn es uns ge­lingt, die er­war­te­ten Frem­din­tel­li­gen­zen zu ei­ner Lan­dung auf dem Mars zu ver­lo­cken, muß Ih­nen je­des Wort und je­de Ges­te in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen sein. Wir sind ga­lak­ti­sche Hoch­stap­ler. Wir ha­ben et­was vor­zutäu­schen, was die Mensch­heit si­cher­lich erst in et­li­chen Jahr­hun­der­ten er­rin­gen wird. Wir ge­ben vor, die über­licht­schnel­le Raum­fahrt zu be­herr­schen und ein Ster­nen­reich mit zahl­lo­sen Ko­lo­ni­al­pla­ne­ten er­obert zu ha­ben. Nur da­mit kann man auf ei­ne ga­lak­ti­sche Groß­macht Ein­druck ma­chen. Wir kön­nen den Frem­den et­wa fünf­zig ver­schie­den­ar­ti­ge Le­be­we­sen vor­füh­ren. Es ist Ih­re Auf­ga­be, die ent­spre­chen­den Mas­ken selbst­si­cher und ge­las­sen zu tra­gen. Ich weiß, daß es hier ei­ni­ge Stars gibt, die mit Recht da­von über­zeugt sind, jün­ger und at­trak­ti­ver zu sein als an­de­re Da­men, die un­se­re Spe­zia­lis­ten für Hauptrol­len aus­ge­sucht ha­ben.«

»Sag­ten Sie mit Recht?« rief ei­ne dun­kel­haa­ri­ge Da­me, in der ich ei­ne be­kann­te Film­schau­spie­le­rin er­kann­te.

Ich ver­neig­te mich. »Al­ler­dings, Ma­da­me. Mei­ne an­geb­li­che Frau ist nach den all­ge­mein­gül­ti­gen Be­grif­fen durch­aus kei­ne Schön­heits­kö­ni­gin, aber da­für ei­ne psy­cho­lo­gisch ge­schul­te Wis­sen­schaft­le­rin, die im Ernst­fall rich­tig ein­grei­fen kann.«

»Vie­len Dank, das woll­ten wir nur noch ein­mal hö­ren, Sir«, mein­te ein jun­ges Mäd­chen.

La­chend schrit­ten die Schau­spie­le­rin­nen da­von. Ich sah mich auf­seuf­zend um. Dr. An­ne Bur­ner, ei­ne schlan­ke Frau mit schar­fen Ge­sichts­zü­gen, warf mir einen iro­ni­schen Blick zu. Sie trug noch das Ein­satz­ko­stüm.

»Ma­chen Sie sich nichts dar­aus, Sir«, sag­te sie lä­chelnd. »Was steht für heu­te noch auf dem Pro­gramm?«

Cap­tain Phi­lip Bot­cher, mein Ad­ju­tant, be­gann so­fort in sei­ner Lis­te zu blät­tern.

Bot­cher galt als der größ­te Pe­dant un­ter den pas­si­ven Of­fi­zie­ren der Wis­sen­schaft­li­chen-Ab­wehr. Er war ei­ne ha­ge­re Er­schei­nung mit aus­drucks­lo­sem Ge­sicht.

»Mit­tags­pau­se von drei­zehn bis vier­zehn Uhr Sta­ti­ons­zeit«, er­klär­te er. »An­schlie­ßend Ge­ne­ral­pro­be für die Ar­tis­ten. Ab fünf­zehn Uhr Ga­laex­er­zie­ren der Zy­klo­pen­gar­de mit Scharfschie­ßen. Zur glei­chen Zeit lau­fen zwei Arena­kämp­fe mit Pseudoun­ge­heu­ern.

Sie, Sir, ha­ben Ih­ren Auf­tritt im Nach­rich­ten­zen­trum noch­mals zu pro­ben. Statt Pracht­ko­stüm ein­fa­che, schmuck­lo­se Uni­form. Den­ken Sie dar­an: Au­ßer­halb der Pa­la­sträu­me sind Sie der große ga­lak­ti­sche Er­obe­rer, der es bei To­dess­tra­fe ver­bo­ten hat, in prunk­vol­ler Klei­dung zu er­schei­nen. Sie und die Eli­te­sol­da­ten des Stütz­punk­tes ver­kör­pern Er­folgs­men­schen, die ei­ne gren­zen­lo­se Macht hin­ter sich wis­sen.«

»Ver­stan­den. Noch et­was?«

»Ja­wohl, Sir. Das neue Trick­film­pro­gramm ist ein­ge­trof­fen. Es zeigt Sze­nen ei­nes ga­lak­ti­schen Krie­ges. Aus­schnitts­dar­stel­lun­gen sind vor­be­rei­tet. Gi­gan­ti­sche Raum­schif­fe zer­schla­gen die Flot­te ei­nes frem­den Vol­kes. Mel­dun­gen sind im­mer wie­der ein­ge­streut. Die Sen­dung er­folgt über den ge­hei­men Ka­bel­weg aus Stu­dio III. Neue Rie­sen­pro­jek­ti­ons­flä­chen, die wie Bild­schir­me ei­nes über­licht­schnell ar­bei­ten­den Bild­ton­ge­rä­tes wir­ken, sind in­stal­liert. Au­ßer­dem möch­te Sie ein Ku­ri­er aus dem Haupt­quar­tier der GWA spre­chen.«

»Spie­gel­fech­te­rei­en«, sag­te Pe­tron­ko. »Hin­ter den ›Hy­per­funk­schir­men‹ ste­hen ge­wöhn­lich Film­pro­jek­to­ren. Das ist der größ­te Bluff der Mensch­heit. Wir er­obern frem­de Pla­ne­ten in den Zei­chen­stu­ben der Trick­film­stu­di­os.«

»Nur das Ziel ist wich­tig, Sir«, wur­de er von Bot­cher be­lehrt. »Sie, Herr Ge­ne­ral, müs­sen so­fort den Funk­sprech­ver­kehr pro­ben. Ih­re Ge­sprächs­part­ner, an­geb­lich Of­fi­zie­re der un­über­wind­li­chen Flot­te des Tu­madschin Khan, wer­den in die Trick­auf­nah­men ein­ge­blen­det. Im­pro­vi­sa­ti­ons­dia­lo­ge sind mög­lich. Die Schau­spie­ler sind dar­auf vor­be­rei­tet.

An­schlie­ßend ha­ben Sie noch einen Auf­tritt in der Fes­tungs­zen­tra­le. Wir kön­nen nun acht­und­zwan­zig Su­per­forts aus­fah­ren und in Stel­lung brin­gen. Die hy­drau­li­schen He­be­büh­nen funk­tio­nie­ren.«

»Die dar­auf in­stal­lier­ten Strahl­ge­schüt­ze auch?« frag­te ich lei­se. Ich war schon zu ab­ge­stumpft, um noch zu ei­ner iro­ni­schen Be­mer­kung fä­hig zu sein.

»Lei­der nicht, Sir. Die Waf­fen­wir­kung wird vor­ge­täuscht. Das wä­re al­les. Mit den an­de­ren Trai­nings­grup­pen kom­men Sie heu­te nicht mehr in Be­rüh­rung.«

Trai­nings­grup­pen! Wie ein­fach das klang! Ich dach­te an die Rie­sen­raum­schif­fe, die wir erst vor acht Mo­na­ten in bis­her un­be­kann­ten Tei­len der un­ter­mar­sia­ni­schen Stadt ent­deckt hat­ten.

Schon vor ei­ni­gen Jah­ren hat­ten wir auf dem Mond ei­ne ähn­li­che An­la­ge ent­deckt. Die lu­na­re Fes­tung Zon­ta war der letz­te Zu­fluchts­ort ei­nes ge­nia­len Vol­kes ge­we­sen, das den An­grif­fen der über­mäch­ti­gen De­ne­ber nicht mehr län­ger stand­hal­ten konn­te.

Auf dem Mond hat­ten wir die po­sitro­ni­schen Wach­ge­hir­ne so­zu­sa­gen über­lis­ten kön­nen. Auf dem Mars war das nicht mög­lich ge­we­sen. Die Kom­man­do­di­vi­si­on hat­te bei der Aus­schal­tung der Steu­er­zen­tra­len schwe­re Ver­lus­te er­lit­ten.

Jetzt aber »be­herrsch­ten« wir die Rie­sen­werf­ten und Schiffs­han­gars, weil die un­er­müd­li­chen Ro­bo­ter und voll­au­to­ma­ti­schen Ein­rich­tun­gen die ur­al­ten Schlachtrau­mer start­klar ge­macht hat­ten.

Da­bei fehl­te uns der ver­stor­be­ne De­ne­ber Coat­la sehr. Dank sei­ner Freund­schaft zu den Men­schen war es uns we­nigs­tens ge­lun­gen, den Kreu­zer »1418« so ken­nen­zu­ler­nen, daß wir ihn flie­gen konn­ten. Die­ses Raum­schiff, das ich ein­mal als ge­wal­tig an­ge­se­hen hat­te, war aber nur das Ret­tungs­boot ei­nes Su­per­schlacht­schif­fes der Por­cu­pa­klas­se!

Su­per­schlacht­schif­fe der Por­cu­pa­klas­se wa­ren die größ­ten und stärks­ten Ein­hei­ten der mar­sia­ni­schen Flot­te ge­we­sen. Vor 187.000 Jah­ren hat­ten sie bei­na­he den in­ter­ga­lak­ti­schen Krieg zwi­schen De­neb und Mars ent­schie­den.

Nun wur­de uns zu­ge­mu­tet, mit der­ar­ti­gen Ge­bir­gen aus MA-Me­tall Ma­nö­ver zu flie­gen. Je­der Start wur­de zu ei­nem Aben­teu­er auf Le­ben und Tod. Nie­mand wuß­te, wie die Trieb­wer­ke, Kraft­zen­tra­len, po­sitro­ni­schen Kon­trol­lein­rich­tun­gen und Waf­fen funk­tio­nier­ten.

Ge­nau hun­dert­un­delf Raum­fahr­zeu­ge die­ses Typs stan­den auf dem Ha­fen von Top­thar mit an­lauf­kla­ren Im­pul­strieb­wer­ken. Die Er­fah­run­gen, die wir mit der »1418« ge­won­nen hat­ten, reich­ten we­nigs­tens aus, die Ti­ta­nen­ma­schi­nen in Be­trieb zu set­zen.

Wir hat­ten in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten hun­dert­un­delf Ein­hei­ten aus den Tie­fen des Ro­ten Pla­ne­ten an die Ober­flä­che ge­bracht; auch da­bei war uns die vollen­de­te Me­cha­nik zu Hil­fe ge­kom­men.

Die An­ti­gra­vi­ta­ti­ons­schäch­te, tau­send Me­ter durch­mes­send und bis zu ei­ner Tie­fe von fünf Ki­lo­me­ter hin­a­b­rei­chend, er­füll­ten noch ih­ren Dienst. Durch sie wa­ren die stäh­ler­nen Schiff­sun­ge­heu­er nach oben ge­schwebt.

Zu die­sen Su­per­schlacht­schif­fen ka­men noch drei­hun­dert­und­zwan­zig Schwe­re Kreu­zer der Kas­hat­klas­se, die wir eben­falls ent­deckt hat­ten.

Die Ar­ma­da stand nun auf dem bläu­li­chen Me­tall­be­lag des Raum­flug­ha­fens, den wir mit un­sag­ba­ren Mü­hen vom Staub und Schmutz der Jahr­tau­sen­de ge­säu­bert hat­ten.

Schwers­te Spe­zial­ma­schi­nen wa­ren von der Er­de stück­wei­se her­bei­ge­schafft und auf dem Mars zu­sam­men­ge­baut wor­den. Da­mit hat­ten wir ein Ha­fen­ge­län­de in der Grö­ßen­ord­nung von et­wa zehn­tau­send Qua­drat­ki­lo­me­ter re­no­viert. Die Be­we­gung der an­ge­weh­ten Sand­mas­sen hat­te Mo­na­te be­an­sprucht.

Wenn die Frem­den ka­men – und wenn es uns ge­lang, sie zur Lan­dung zu zwin­gen, dann er­blick­ten sie zwar einen to­ten Pla­ne­ten, aber die An­la­gen von Top­thar muß­ten trotz­dem einen ge­wal­ti­gen Ein­druck er­we­cken. Wir protz­ten mit dem Er­be ei­nes aus­ge­stor­be­nen Vol­kes.

Fünf­tau­send Män­ner, die fä­higs­ten Kos­mo­nau­ten und Wis­sen­schaft­ler, be­müh­ten sich zur Zeit, die Waf­fen­sta­tio­nen der Por­cu­pa-Schif­fe zu er­grün­den. Es war hoff­nungs­los, dies in der kur­z­en, noch zur Ver­fü­gung ste­hen­den Zeit er­rei­chen zu wol­len.

We­nigs­tens konn­ten wir die Gi­gan­ten star­ten, lan­den und auch ei­ni­ger­ma­ßen ma­nö­vrie­ren. Wenn es so­weit war, muß­ten zu­min­dest zwei Schlacht­schif­fe in den Raum vor­sto­ßen und ei­ne Ab­wehr­front bil­den.

Ich ver­such­te, mir die Grö­ße die­ser Schif­fe vor­zu­stel­len. Die durch­ma­ßen in ih­rer Ku­gel­ge­stalt neun­hun­dert Me­ter! Die Kas­hat-Kreu­zer hat­ten da­ge­gen »nur« zwei­hun­dert­fünf­zig Me­ter Durch­mes­ser. Ih­re Trieb­wer­ke schie­nen leis­tungs­fä­hi­ger zu sein als die der schwe­ren Ein­hei­ten. Wahr­schein­lich wa­ren sie nur auf Schnel­lig­keit aus­ge­legt. Wir hat­ten auf die Be­nut­zung ver­zich­tet, nach­dem ein Schiff die­ses Typs mit der For­schungs­be­sat­zung in den Raum ge­rast und dort ex­plo­diert war.

Ich, der an­geb­li­che Er­obe­rer, Ter­ra-Ab­kömm­ling und Ko­lo­nis­ten-Nach­kom­me, hat­te die Auf­ga­be, dem mit größ­ter Wahr­schein­lich­keit auf­tau­chen­den Geg­ner klarzu­ma­chen, daß der Mars ein fast ver­las­se­ner Stütz­punkt mei­nes Vol­kes war und ich in un­mit­tel­ba­rer Nä­he der noch viel mäch­ti­ge­ren Er­de nur des­halb ge­dul­det wur­de, weil die dor­ti­ge Zen­tral­re­gie­rung ein Waf­fen­still­stand­s­ab­kom­men mit mir ge­schlos­sen hat­te.

Die psy­cho­lo­gi­schen Fak­ten wa­ren viel ein­fa­cher zu lö­sen als die tech­ni­schen Aspek­te. Im Plä­ne­schmie­den war die GWA schon im­mer un­schlag­bar ge­we­sen. In die­ser Be­zie­hung über­tra­fen uns auch die »Hyp­nos« nicht, die ich von mei­nem letz­ten Ein­satz her in un­an­ge­neh­mer Er­in­ne­rung hat­te.

Es war mir ge­lun­gen, einen For­schungs­kreu­zer der Hyp­nos zu spren­gen. Wir wa­ren der Mei­nung ge­we­sen, die über­ra­schen­de Ver­nich­tung hät­te den Kom­man­dan­ten des in un­se­ren Raum­sek­tor vor­ge­sto­ße­nen Schif­fes dar­an ge­hin­dert, ei­ne Er­folgs­mel­dung an sei­ne Hei­mat­welt zu ge­ben.

Das war ein Irr­tum ge­we­sen! Die Hy­per­funk­sta­ti­on des Mar­s­kreu­zers »1418« hat­te ein­wand­frei ei­ne mit höchs­ter Ener­gie ab­ge­strahl­te Nach­richt auf­ge­fan­gen.

Das GWA-Su­per­ge­hirn PLA­TO be­haup­te­te mit hun­dert­pro­zen­ti­ger Wahr­schein­lich­keit, es hät­te sich um die ga­lak­ti­sche Po­si­ti­ons­an­ga­be des so­la­ren Sys­tems ge­han­delt und um ei­ne War­nung vor den in­tel­li­gen­ten Be­woh­nern des drit­ten Pla­ne­ten – der Er­de.

Tau­sen­de von Da­ten, die aus ver­schie­de­nen Be­ob­ach­tun­gen re­sul­tier­ten, wa­ren mit al­len nur denk­ba­ren Va­ri­an­ten aus­ge­wer­tet wor­den. Der wich­tigs­te Fak­tor wa­ren Ma­jor MA-23 und ich.

Wir wa­ren die ein­zi­gen Män­ner der Welt, die nach ei­ner äu­ßerst ge­fähr­li­chen Ge­hirn­ope­ra­ti­on da­zu prä­des­ti­niert wa­ren, ei­ne pa­ra­psy­chi­sche Auf­la­dungs­schu­lung mitz­u­ma­chen. Han­ni­bal und ich wa­ren zu Te­le­pa­then ge­wor­den.

Zu uns zähl­te noch Ki­ny Ed­wards, die als Kind strah­lungs­ge­schä­dig­ter El­tern im Jah­re 1992 auf dem Mond ge­bo­ren wor­den war. Ki­ny war ei­ne na­tür­li­che Po­si­tiv­mu­tan­tin mit über­ra­gen­den pa­ra­psy­chi­schen Fä­hig­kei­ten.

Sie soll­te als le­ben­der Nach­rich­ten­sa­tel­lit die­nen und den In­for­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen uns und dem ir­di­schen Haupt­quar­tier über­neh­men. Sie be­fand sich zur Zeit an Bord ei­nes Plas­ma­kreu­zers, der zwi­schen Er­de und Mars im frei­en Raum stand. Die Ver­bin­dung war schwach; aber aus­rei­chend. Ki­nys te­le­pa­thi­sche Sen­dun­gen wa­ren we­sent­lich stär­ker als mei­ne. Wenn wir si­cher­ge­hen woll­ten, muß­ten Han­ni­bal und ich einen Ver­stär­ker­block bil­den und mit ver­ein­ten Kräf­ten das jun­ge Mäd­chen an­ru­fen.

Von dem Re­lais­kreu­zer aus wur­den die an Ki­ny über­mit­tel­ten In­for­ma­tio­nen durch La­ser-Richt­strahl­funk an die Ra­dio­sa­tel­li­ten wei­ter­ge­ge­ben. Das war die »über­licht­schnel­le Hy­per­funk­ver­bin­dung« zu al­len Pla­ne­ten der Ga­la­xis!

Das Wis­sen um die tech­ni­sche Un­zu­läng­lich­keit der Men­schen zer­mürb­te uns. Nur we­ni­ge Jah­re zu­vor hat­ten wir noch an­ge­nom­men, die ein­zig hoch­ste­hen­den Le­be­we­sen des Uni­ver­sums zu sein. Die­se Mei­nung war schwer er­schüt­tert wor­den, als wir vor Jah­ren die al­ten Mar­s­städ­te ent­deck­ten. Dann wa­ren die Schlä­fer er­wacht. Die de­ne­bi­schen Er­obe­rer aus ei­ner Zeit, die die Welt noch als Ur­pla­ne­ten ge­se­hen hat­te, wa­ren aus ih­rem bio­lo­gi­schen Tief­schlaf auf­ge­stan­den.

Wir hat­ten das Un­heil ab­wen­den kön­nen, weil wir es nur mit we­ni­gen Über­le­ben­den zu tun hat­ten. An­fang des Jah­res 2008 hat­ten wir die Ve­nus an­ge­flo­gen und dort die letz­te Zen­tra­le der De­ne­ber ver­nich­tet. Die Kom­man­do­ge­hir­ne wa­ren ab­ge­stor­ben und die von ih­nen ab­hän­gi­gen Ver­for­mungs­mons­tren wa­ren eben­falls in den Atom­glu­ten ver­gan­gen.

Trotz­dem hat­ten uns die letz­ten Nach­kom­men ei­nes ehe­mals mäch­ti­gen Vol­kes noch in größ­te Ge­fahr ge­bracht. Ein au­to­ma­ti­scher Hy­per­sen­der hat­te bei der Zer­stö­rung der Ve­nus­zen­tra­le zu ar­bei­ten be­gon­nen und Not­ru­fe in den Raum ab­ge­strahlt.

Sie wa­ren von dem For­schungs­schiff ei­nes bis­her un­be­kann­ten Vol­kes auf­ge­fan­gen und ein­ge­peilt wor­den.

Im No­vem­ber 2008 wa­ren die Hyp­nos in un­se­rem Son­nen­sys­tem auf­ge­taucht. Sie wa­ren vor­sich­tig ge­nug ge­we­sen, nicht auf Ter­ra zu lan­den, son­dern auf dem Mars einen Stütz­punkt zu er­rich­ten. Nur die Bei­boo­te des Mut­ter­schif­fes wa­ren bis zur Er­de vor­ge­drun­gen.

Da die ga­lak­ti­schen Ko­lo­ni­sa­to­ren über die na­tür­li­che Fä­hig­keit der Sug­ge­s­ti­on ver­füg­ten, hat­ten sie zahl­rei­che Wis­sen­schaft­ler und füh­ren­de Staats­män­ner zu Sa­bo­teu­ren ge­macht. In al­ler Ru­he hat­ten sie die Mensch­heit stu­diert und Da­ten ge­sam­melt.

Han­ni­bal und ich wa­ren in die Ge­walt der Hyp­nos ge­ra­ten. Erst im letz­ten Au­gen­blick war es mir ge­lun­gen, das Raum­schiff zu ver­nich­ten.

Zu die­sem Zeit­punkt muß­te der von Mars­schiff »1418« auf­ge­fan­ge­ne Funk­spruch ab­ge­strahlt wor­den sein.

Was hat­te der Kom­man­dant des For­schungs­kreu­zers an sei­ne Re­gie­rung ge­funkt? Wie wür­den sich die Be­herr­scher ei­nes Ster­nen­rei­ches auf Grund die­ser Mel­dung ver­hal­ten?

Wür­den sie ein ein­zel­nes Schiff schi­cken – oder viel­leicht drei? Muß­ten wir mit ei­nem Schlacht­ge­schwa­der von der Art je­ner Rie­sen­raum­schif­fe rech­nen, wie wir sie auf dem Mars ent­deckt hat­ten?

Was soll­ten wir tun? Die Welt­raum­fahrt der Mensch­heit steck­te nach wie vor in den Kin­der­schu­hen. Die mo­d­erns­ten Plas­ma­kreu­zer brauch­ten durch­schnitt­lich im­mer noch drei Wo­chen, um den Mars zu er­rei­chen.

Da wir die bal­di­ge An­kunft des Geg­ners er­war­te­ten, hat­ten wir den Zir­kus auf dem Mars auf­ge­zo­gen. Seit un­ge­fähr ei­nem Jahr ar­bei­te­te die Mensch­heit nur noch für ein Pro­jekt, das wir »Ge­gen­schlags­pro­gramm Ko­per­ni­kus« ge­nannt hat­ten.

Viel­leicht war es ein Selbst­be­trug, aber wir hoff­ten, mit der Spie­gel­fech­te­rei einen Er­folg zu er­zie­len, ob­wohl nie­mand wuß­te, was der letz­te Funk­spruch des Ex­pe­di­ti­ons­kom­man­dan­ten bein­hal­tet hat­te.

Wenn er nur die Po­si­ti­on un­se­rer Son­ne und die Ent­de­ckung der Er­de durch­ge­ge­ben hat­te, war un­se­re Hoff­nung be­rech­tigt. Wenn es ihm je­doch noch ge­lun­gen war, die Da­ten über die kul­tu­rel­le, tech­ni­sche und wis­sen­schaft­li­che Ent­wick­lungs­stu­fe der Mensch­heit mit­zu­tei­len, dann wa­ren wir so gut wie ver­lo­ren.

»Der Ku­ri­er, Herr Bri­ga­de­ge­ne­ral!« sag­te Cap­tain Bot­cher ein­dring­lich.

Ich schreck­te auf. Wie im Traum sah ich mich um. Die Frau­en und Män­ner mei­nes »Hof­staa­tes« wi­chen mei­nen Bli­cken aus.

Es ge­lang mir zu lä­cheln. Ich war kurz nach der Ver­nich­tung des Ex­pe­di­ti­ons­kreu­zers vom Chef der GWA zum Bri­ga­de­ge­ne­ral be­för­dert wor­den, weil die Mit­glie­der der Zen­tral­re­gie­rung der Auf­fas­sung ge­we­sen wa­ren, ei­nem Oberst kön­ne die Durch­füh­rung ei­ner sol­chen Ak­ti­on nicht über­tra­gen wer­den.

Wir ak­ti­ven GWA-Mit­glie­der hat­ten über die­se mi­li­tä­ri­schen Vor­stel­lun­gen ge­lä­chelt. Der Dienst­grad spiel­te bei uns oh­ne­hin ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le. Wich­tig war al­lein die zwölf- bis fünf­zehn­jäh­ri­ge wis­sen­schaft­li­che Spe­zi­al­aus­bil­dung, die ei­nem Agen­ten »ZBV« das Recht ver­lieh, sich »Schat­ten« nen­nen zu dür­fen.

Ich leg­te mei­nen Spe­zia­lum­hang ab. Er wirk­te nicht nur ein­drucks­voll und re­spekt­ge­bie­tend, son­dern ent­hielt auch ei­ne tech­ni­sche Raf­fi­nes­se. Der Um­hang ver­wan­del­te sich bei Be­darf durch einen Mi­kro­me­cha­nis­mus in einen »Ener­gie­schirm«, der an­geb­lich für je­de Waf­fen­wir­kung un­durch­läs­sig war.

Wir wuß­ten, daß die Mar­sia­ner sol­che Kör­per­pro­jek­to­ren ent­wi­ckelt hat­ten, aber wir hat­ten kei­ne Ah­nung, wie ein Ab­wehr­schirm funk­tio­nier­te. Trotz­dem hat­ten die GWA-Ex­per­ten wel­che »kon­stru­iert«.

Wenn ich auf den Schal­ter der Ent­fal­tungs­au­to­ma­tik drück­te, ver­wan­del­te sich die Ober­flä­chen­struk­tur des Kunst­fa­ser­ma­te­ri­als. Schil­lern­de Licht­re­fle­xe ent­stan­den. Es sah ver­blüf­fend echt aus.

Als wir die Are­na ver­lie­ßen, lief be­reits die nächs­te Pro­be an. Das Ar­tis­ten­kom­man­do be­gann mit groß­ar­ti­gen Kampf­spie­len. Das Brül­len des Moo­lo war noch zu ver­neh­men, als wir auf den nächs­ten An­ti­grav­lift zu­gin­gen und in das leuch­ten­de Feld spran­gen.

Ich wur­de so­fort schwe­re­los. Ein ge­üb­ter Druck mit dem Fuß – und schon schweb­te ich nach oben. Wir hat­ten die­sen Teil der un­ter­mar­sia­ni­schen Stadt mit größ­ter Sorg­falt aus­ge­sucht. Hier funk­tio­nier­ten noch sämt­li­che An­la­gen.

Am be­ste­chends­ten war ei­ne Rei­he von Kraft­werks­sä­len, in de­nen Leis­tungs­re­ak­to­ren stan­den, von de­nen drei bis vier die ge­sam­te ir­di­sche In­dus­trie mit Ar­beitss­trom hät­te ver­sor­gen kön­nen. Wir hat­ten ge­tan, was wir konn­ten, um die Ein­rich­tun­gen in Be­trieb zu hal­ten. Hier und da wuß­ten un­se­re Wis­sen­schaft­ler be­reits, auf wel­che Knöp­fe man drücken muß­te.

Die »He­bel­druck-Ex­pe­ri­men­te« hat­ten da­zu ge­führt, daß ein Teil der au­to­ma­ti­schen Stadt wie­der zum Le­ben er­wacht war.

Drei Eta­gen hö­her ver­ließ ich den Lift. Hier la­gen die ver­schie­de­nen Zen­tra­len, die wir eben­falls re­no­viert oder neu ein­ge­baut hat­ten.

Die »ga­lak­ti­sche Groß­funk­sta­ti­on« war ein Wun­der­werk aus un­ver­stan­de­nen Mars­an­la­gen und ter­ra­ni­schen Trickin­stal­la­tio­nen. Die Mars­sen­der hat­ten wir nicht an­ge­rührt. Nie­mand wuß­te, was sonst ge­sche­hen wä­re.

Da­für aber lie­fen un­se­re Stu­dio­pro­gram­me. Als ich ein­trat, un­ter­hielt sich der Dienst­ha­ben­de so­eben mit ei­nem Kom­man­die­ren­den Flot­te­nad­mi­ral, der »den Auf­trag er­hal­ten hat­te«, die auf­stän­di­schen Ein­ge­bo­re­nen von Ka­tabt VI zu un­ter­wer­fen.

Ich blieb ste­hen, um die Ge­ne­ral­pro­be nicht zu un­ter­bre­chen. Die Bild­schir­me zeig­ten einen Aus­schnitt der stern­fun­keln­den Milch­stra­ße. Ein Ku­gel­raum­schiff, we­nigs­tens drei­tau­send Me­ter durch­mes­send, schweb­te im Vor­der­grund ei­ner zwei­ten Pro­jek­ti­ons­flä­che.

Ein großes Nah­ver­bin­dungs­schiff, das den Ver­kehr zwi­schen ei­ner Raum­sta­ti­on und dem Flot­ten­flagg­schiff her­stell­te, wirk­te ne­ben der Rie­sen­ku­gel wie ei­ne Steck­na­del.

Ein drit­ter Bild­schirm zeig­te die Zen­tra­le des Super­rie­sen. Die Sze­nen wa­ren von ge­nia­len Künst­lern ent­wor­fen, ge­zeich­net und ge­filmt wor­den. Es war be­ein­dru­ckend.

Der vier­te Bild­schirm wur­de von ei­nem bär­ti­gen Mann mit mar­kan­ten Ge­sichts­zü­gen und fun­keln­den Rang­ab­zei­chen aus­ge­füllt. Das war Ad­mi­ral Um­ir­ga, Ober­be­fehls­ha­ber im ga­lak­ti­schen Dun­kel­wol­ken­sek­tor ZWYG-1726047-ADD-225.

»… drit­ter Trä­ger­schiffs­ver­band ver­nich­tet«, teil­te Ad­mi­ral Um­ir­ga mit. »Ste­he kurz vor der Bahn des sieb­ten Pla­ne­ten. Äu­ße­rer Fes­tungs­ring wird so­eben um­faßt und auf­ge­rollt. Kaum Ver­lus­te. Ka­tabt VI wird in drei Stun­den fal­len. Be­son­de­re An­wei­sun­gen, Sir?«

»Be­fehl von Sei­ner Ver­klärt­heit, Tu­madschin Khan: Der sechs­te Pla­net der Son­ne Ka­tabt ist zu ver­nich­ten. Sei­ne Ver­klärt­heit ist der Auf­fas­sung, es müß­te ein ab­schre­cken­des Bei­spiel ge­ge­ben wer­den.«

»Ver­stan­den, Sir.«

»Noch et­was, Ad­mi­ral Um­ir­ga. Sor­gen Sie da­für, daß die Be­stra­fungs­ak­ti­on von Ih­ren Ka­me­ra­schif­fen in al­len Pha­sen auf­ge­nom­men und an die Ver­tei­ler­zen­tra­len der kos­mi­schen Sa­tel­li­ten­rin­ge ab­ge­strahlt wird. Wir wün­schen von Ih­nen einen Di­rek­t­emp­fang. Die Ga­la­xis soll mit­er­le­ben, wie Ka­tabt VI un­ter­geht.«

»Ja­wohl, Sir, ich ha­be ver­stan­den. Mei­nen er­ge­bens­ten Gruß an Sei­ne Ver­klärt­heit, Tu­madschin Khan.«

»En­de, wir blei­ben auf Emp­fang.«

Ad­mi­ral Um­ir­gas Bild ver­schwand. An­de­re Bild­schir­me leuch­te­ten auf. Ei­ne Flot­te, mehr als drei­tau­send Schif­fe stark, ver­nich­te­te die letz­ten Ein­hei­ten des Fein­des.

Sze­nen aus den Zen­tra­len der ein­zel­nen Schif­fe wur­den ein­ge­blen­det. Die Be­sat­zun­gen ar­bei­te­ten schnell, aber kon­zen­triert. Die Be­fehl­ser­tei­lung war prä­zi­se.

Das Ge­sche­hen en­de­te mit der Zer­stö­rung der Welt Ka­tabt VI. Von licht­schnel­len Su­per­bom­ben­trä­gern in glu­ten­de Bruch­stücke auf­ge­spal­ten, ras­te sie un­ter dem Druck un­ge­heu­rer Hy­per­gra­vi­ta­ti­ons­fel­der auf ih­re Son­ne zu.

Da­mit en­de­te der Film.

»Groß­ar­tig!« sag­te je­mand mit tiefer Stim­me. »Das ist der bes­te Strei­fen, der je­mals fa­bri­ziert wur­de. Wenn es Ih­nen ge­lingt, den Hyp­nos das vor­zu­füh­ren, stu­fen sie uns kei­nes­falls als leich­te Beu­te ein. – Ha­ben Sie einen Geist ge­se­hen, Kon­nat?«

Es schi­en an die­sem kal­ten Mars­ta­ge mein Schick­sal zu sein, lau­fend aus mei­nen Grü­belei­en auf­ge­schreckt zu wer­den. Ich dreh­te mich um.

Die Of­fi­zie­re und Tech­ni­ker der Funk- und Or­tungs­zen­tra­le wa­ren auf­ge­stan­den und hat­ten Hal­tung an­ge­nom­men.

Ich er­kann­te jetzt erst, daß der Be­fehls­ha­ber des größ­ten Ge­heim­diens­tes der Er­de per­sön­lich auf dem Ro­ten Pla­ne­ten an­ge­kom­men war.

Vier-Ster­ne-Ge­ne­ral Ar­nold G. Re­ling, Chef der GWA und gleich­zei­tig Ober­kom­man­die­ren­der der In­ter­na­tio­na­len Ab­wehr­ko­ali­ti­on, sah mich prü­fend an.

Sein Ge­sicht mit dem eis­grau­en Schnurr­bart wies tie­fe Fal­ten auf. Re­ling war äl­ter ge­wor­den – und här­ter, viel här­ter als frü­her.

Der Ku­ri­er, von dem Cap­tain Bot­cher ge­spro­chen hat­te, war al­so der Al­te per­sön­lich. Na­tür­lich hat­te Bot­cher den Be­fehl er­hal­ten, mich nicht vor­zei­tig auf­zu­klä­ren.

Ich sah Re­ling mit dem »be­rühmt-be­rüch­tig­ten« Lä­cheln des Tu­madschin Khan an. Es ge­hör­te zu mei­ner Rol­le, im­mer dann be­son­ders höf­lich und sanft­mü­tig zu wir­ken, wenn ich wie­der ein­mal je­mand in die Are­na wer­fen, oder einen Pla­ne­ten ver­nich­ten las­sen woll­te.

Re­ling mus­ter­te mich et­was fas­sungs­los. Ich sag­te da­ge­gen mit ge­fähr­lich er­schei­nen­der Ru­he:

»Cap­tain Do­gen­dal, warum ist die­ses un­ter­ent­wi­ckel­te Ko­lo­ni­al­ge­schöpf nicht dar­über be­lehrt wor­den, daß es bei mei­nem Er­schei­nen ei­ne de­mü­ti­ge Hal­tung ein­zu­neh­men hat?«

Jim Do­gen­dal, Cap­tain im GWA-Raum­korps, spiel­te so­fort mit. Er warf sich auf den Bo­den und rief angst­zit­ternd:

»Es ist dar­über be­lehrt wor­den, Eu­er Ver­klärt­heit. Gna­de, Eu­er Ver­klärt­heit.«

»Ka­ko, bei­ße ihm den Kopf ab.«

Pe­tron­ko han­del­te au­gen­blick­lich. Er klapp­te sei­nen Un­ge­heu­er­kopf nach vorn und stürm­te brül­lend auf mei­nen höchs­ten Vor­ge­setz­ten zu. Re­ling schrie auf, als er von dem Rie­sen an­ge­ho­ben wur­de. Dann ver­schwand sein Ge­sicht im Ra­chen des Zy­klo­pen.

Als Pe­tron­ko den Al­ten auf den Bo­den zu­rück­stell­te, war das »Op­fer« lei­chen­blaß.

Ich sa­lu­tier­te und sag­te: »Will­kom­men auf dem Mars, Herr Ge­ne­ral.«

»Ihr – ihr seid ja ver­rückt!« stam­mel­te Re­ling.

Er ern­te­te ein ho­me­ri­sches Ge­läch­ter. Trotz­dem dau­er­te es noch ei­ne Wei­le, bis sich un­ser sonst so un­er­schüt­ter­li­cher Chef wie­der ge­faßt hat­te.

»Sie woll­ten mir wohl so­fort einen nach­hal­ti­gen Ein­druck Ih­rer Ar­beit ver­mit­teln, wie?« fuhr er mich an. »Mr. Kon­nat, das ken­ne ich be­reits! Ich ha­be schließ­lich die­se Mas­ken in Auf­trag ge­ge­ben.«

Bo­ris run­zel­te die Stirn. »Wie, tat­säch­lich? Da­nach ha­ben Sie sich aber gar nicht ver­hal­ten, Sir. Mir scheint, Ih­nen ist das große Zit­tern ziem­lich ge­kom­men. Oder stimmt das et­wa nicht?«

Knur­rend schritt Re­ling da­von. Vor den mar­sia­ni­schen Schalt­ti­schen blieb er ste­hen. Nach­denk­lich sah er zu den Bild­schir­men hin­auf.

Re­ling dach­te meis­tens et­was schnel­ler und weit­sich­ti­ger als an­de­re.

»Das war ein­fach groß­ar­tig«, gab er zu. »Mei­ne Her­ren, ich glau­be bald auch dar­an, daß Ih­nen das Un­mög­li­che ge­lingt. Das Auf­tre­ten des Tu­madschin Khan war frag­los ei­ne Im­pro­vi­sa­ti­on. Ich wur­de da­von über­wäl­tigt. Wenn schon mir so et­was pas­siert, dürf­ten Frem­de eben­falls schwach wer­den. Ich muß Sie spre­chen, Kon­nat, kom­men Sie.«

Re­ling nick­te den Sol­da­ten der Zen­tral­be­sat­zung zu und ging auf die stäh­ler­nen Schie­be­tü­ren zu. Da­hin­ter la­gen die Re­gie­rungs- und Wohn­sek­to­ren mit großen Sä­len, die von uns aus­ge­baut wor­den wa­ren. Dort be­fand sich auch mein Ar­beits­zim­mer. Na­tür­lich war es mei­ner Wür­de ent­spre­chend ein­ge­rich­tet.

»Die Da­men und Her­ren des mi­li­tä­ri­schen, tech­ni­schen, wis­sen­schaft­li­chen und künst­le­ri­schen Sta­bes sind ein­ge­trof­fen«, flüs­ter­te mein Ad­ju­tant in vor­neh­mer Zu­rück­hal­tung.

Zu­sam­men mit Pe­tron­ko, An­ne Bur­ner, dem Chef­re­gis­seur Alf Tront­mey­er, Cap­tain Jim Do­gen­dal und mei­nem Hof­dich­ter, Major In­chin­ger, schritt ich auf die Tür zu.

Zwei Panzer­zy­klo­pen hiel­ten Wa­che. Sie stie­ßen einen Gruß aus und schlu­gen sich mit bei­den Fäus­ten ge­gen die Brust­har­ni­sche, in de­nen – of­fen­kun­dig sicht­bar! – je zwei »Ener­gie­feld­pro­jek­to­ren« ein­ge­baut wa­ren.

»Lau­ter und grau­si­ger rö­cheln«, rüg­te Pe­tron­ko. »Ma­he­le, die Haut­schup­pen an Ih­rem rech­ten Un­ter­arm sind be­schä­digt. Las­sen Sie das so­fort re­pa­rie­ren.«

»Ja­wohl, Sir«, sag­te der mas­kier­te Mas­sai.

Wir be­tra­ten die Vor­räu­me. Der für die­sen Be­zirk ver­ant­wort­li­che Of­fi­zier ver­zich­te­te aus­nahms­wei­se auf die Emp­fangs­ze­re­mo­nie. »Nor­ma­ler­wei­se« schmet­ter­ten die Fan­fa­ren ei­nes Ro­bo­ter­kom­man­dos, das aus nach­ge­ahm­ten Mars­ma­schi­nen be­stand. Die Män­ner, die die­se Ver­klei­dung zu tra­gen hat­ten, muß­ten Ath­le­ten sein.

Lei­der war es uns noch nicht ge­lun­gen, die Kampfro­bo­ter der Mar­sia­ner be­triebs­klar zu ma­chen.

In den Ar­se­na­len hat­ten wir bis jetzt et­wa hun­dert­tau­send Ro­bo­ter ent­deckt, die reg­los auf ih­ren Ab­ruf­be­fehl war­te­ten. Wir kann­ten die Kampf­kraft die­ser 2,50 Me­ter ho­hen Ma­schi­nen, die über ein so hoch­ent­wi­ckel­tes Steu­er­ge­hirn ver­füg­ten, daß un­se­re fä­higs­ten Hoch­fre­quen­z­in­ge­nieu­re und Ky­ber­ne­ti­ker rat­los wa­ren.

Wenn es uns ge­lun­gen wä­re, nur ei­ni­ge hun­dert Ver­nich­tungs­werk­zeu­ge die­ser Art zu pro­gram­mie­ren und in Be­trieb zu neh­men, wä­re mir we­sent­lich woh­ler ge­we­sen.

Die über­all sicht­ba­ren Re­pa­ra­tur- und War­tungs­ro­bo­ter konn­ten wir für un­ser Schau­spiel zwar eben­falls gut ge­brau­chen, aber an kampf­kräf­ti­gen Spe­zi­al­kon­struk­tio­nen fehl­te es. Wahr­schein­lich gab es ir­gend­wo ei­ne Steu­er­zen­tra­le, auf de­ren Im­puls­ge­bung die seit 187.000 Jah­ren war­ten­den Ma­schi­nen rea­gier­ten.

Wir hat­ten uns lan­ge Zeit ge­fragt, wie­so wir von ih­nen nicht an­ge­grif­fen wor­den wa­ren. Schließ­lich ge­hör­ten wir nicht hier­her. Dann wa­ren wir zu dem Schluß ge­kom­men, die Haupt­schalt­sta­ti­on müs­se nicht mehr in Ord­nung sein.

Die Tor­flü­gel mei­nes Ar­beits­zim­mers glit­ten auf. Zwei Zy­klo­pen sa­lu­tier­ten.