1.
Der Stromschalter glitt nach unten. Er war im Griffstück der Peitsche eingebaut.
Ich ärgerte mich – ich hatte mich zu ärgern! Ich war »Seine Verklärtheit, Tumadschin Khan«.
Bei meinem Schlag mit der Peitsche schrie das blaue Kugelkopfwesen vom Planeten Bawala V auf. Auf dem Boden liegend, kroch es näher und winselte.
»Du bist verantwortlich für den Massage-Pulsator meines Lagers?« erkundigte ich mich freundlich. Der Zwerg wimmerte lauter.
Auf meine Handbewegung hin erfaßten zwei gepanzerte Zyklopen von Tusty III den Kugelkopf und warfen ihn in die Arena hinunter.
Zehntausend Zuschauer, Offiziere, Beamte, Verbündete und Diener meines Reiches verfolgten die Szene. Die hochgestellten Persönlichkeiten schwebten in Antigravitationsmuscheln über dem Rund der untermarsianischen Arena.
Der Moolo, ein acht Meter hoher Saurier, fing das Opfer auf und tötete mit einem Hieb seiner vier Tatzen das in Ungnade gefallene Wesen.
Ich schaute mich im Kreise meiner Gefolgschaft um. Mein Blick fiel auf prächtige Gewänder und mehr als zwanzig nichtmenschliche Gesichter. Die höchsten Vertreter meines galaktischen Reiches gaben sich hier ein Stelldichein.
»Ende der Probe, abbrechen«, dröhnte es durch die riesige Halle. »Artisten aussteigen. Kopfmasken ablegen. Panoli, hören Sie doch endlich mit dem Moolo-Gebrüll auf. Man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr.«
Ich legte meine edelsteinbesetzte Elektropeitsche nieder und erhob mich. Meine bisher so unterwürfige Hofgesellschaft war plötzlich überhaupt nicht mehr demütig.
Der geckenhaft gekleidete Hofdichter wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieß einige Flüche aus.
Laut Regieanweisung hieß der »Dichter« Bahole Touts, geboren auf einem Kolonialplaneten der Erde. In Wirklichkeit nannte er sich Fred Inchinger. Er war Major der Geheimen Bundeskriminalpolizei und zur Zeit abkommandiert, um zusammen mit mehr als fünfundvierzigtausend Menschen eine Theater- und Zirkusvorstellung zu geben, wie sie die Erde noch nie gesehen hatte.
Die Darsteller waren Wissenschaftler, Techniker, Abwehroffiziere, Soldaten, Spezialhandwerker, Schauspieler, Sänger und Artisten aus allen Völkern der Erde.
Auf Beschluß der terranischen Zentralregierung war der Befehl ergangen, in Topthar das größte Schauspiel der Geschichte ablaufen zu lassen.
Ich war zum Oberkommandierenden Mars ernannt worden; aber auch nur deshalb, weil ich zusammen mit einem Kollegen der einzige Mensch war, der die Hypnos sehr genau kannte.
In der einzigartig hergerichteten Arena hatten wir die vorletzte Probe über die Bühne gehen lassen.
Ich beugte mich über den Rand meiner Loge, die angeblich auf einem Antigravitationsfeld schwebte. Auch das war Betrug! Kein irdischer Wissenschaftler hatte eine Ahnung, wie ein solches Feld aufgebaut wurde, wie man es beherrschen konnte und was es physikalisch darstellte.
Unsere Spezialisten hatten einen Ausweg gefunden. Die Loge und die anderen Schwebemuscheln hingen an hauchdünnen Kunstfaserleinen, die im grellen Licht der Atomsonne unsichtbar wurden.
Die Atomsonnen waren echt! Sie stammten aus der Hinterlassenschaft der ausgestorbenen Marsbevölkerung, die in der Untergrundstadt Topthar vor den Angriffen der Deneber Schutz gesucht hatte. Diese Ereignisse lagen bereits 187.000 Jahre zurück. Wir hatten mit unseren Entdeckungen auf Mond und Mars ein Erbe angetreten, das wir nicht beherrschen konnten.
Unsere Leute nannten sich in treffender Selbstverhöhnung »Knopfdruck-Hausierer«. Wir waren galaktische Hochstapler, denn wir täuschten Dinge vor, die für irdische Begriffe nur den Phantasiegebilden eines Geisteskranken entsprungen sein konnten.
»Vorsicht, Sie stürzen sonst ab«, warnte Major Inchinger. »Was ist denn mit dem blauen Kugelkopf los?«
Mehr als dreihundert Techniker, im Gegensatz zu uns trugen sie schlichte, graue Arbeitskombinationen, bemühten sich um den Saurier Moolo, den ein Gruselfilmgestalter für uns entwickelt hatte.
Das Ungeheuer, stand jetzt reglos im Sand des Kampfgeländes. In seinem horngepanzerten Leib öffnete sich eine Klappe. Zwei schweißüberströmte Männer kletterten heraus. Es handelte sich um die »Zwei Panolis«, erstklassige Bodenakrobaten, die sich freiwillig zur Verfügung gestellt hatten. Sie saßen in dem vierarmigen »Saurier« und bedienten die komplizierte Steuermechanik.
Die Artisten gestikulierten. Etwas schien nicht geklappt zu haben. Das Moolo-Monstrum besaß wohl noch einige Kinderkrankheiten; der äußere Eindruck war bestechend, nur ließ die Mechanik zu wünschen übrig. Ingenieure kletterten in den Hohlkörper.
Zugleich vernahm ich ein schrilles Geschrei. Das Oberhaupt einer spanischen Liliputanerfamilie, der ehrwürdige Don Esteban de Fereira, kroch aus dem stark beschädigten Puppenkörper des »blauen Kugelkopfes«, Don Esteban war äußerst ungehalten und rieb sich sein faltiges Gesicht.
»Wenn Sie mich demnächst wieder dem Moolo zum Fraß vorwerfen lassen, bedenken Sie bitte auch die Höhe, in der Sie sich befinden«, tobte der kleine Mann.
Zweihundert Liliputaner, die wir in der ganzen Welt zusammengesucht hatten, weil nur sie die Zwerge von Bawala V darstellen konnten, stimmten in den Zornausbruch des Urgroßvaters ein.
Neben mir stand Oberst Huang-Tai, Chef des chinesischen Raumjagdverbandes der Himmelsstürmer. Er stellte einen intergalaktischen Herrscher dar, der nur deshalb zum Mars gekommen war, um mit mir, dem großmächtigen Tumadschin Khan, den »Entscheidungsangriff« auf die Erde zu besprechen.
»Ich verlange demnächst einen Fallschirm«, tobte der Liliputaner-Großvater und raufte seinen schlohweißen Bart.
Die anderen Liliputaner, in der Maske von kurzleibigen, riesenköpfigen Zwergen, stimmten ihm zu.
Alf Trontmeyer, der fähigste Regisseur für trickreiche utopische Filme, sah hilfesuchend zu mir hinauf. Ich schwang mich über die flache Brüstung der luxuriösen Schwebeloge.
Minuten zuvor hatte ich mich noch der Illusion hingegeben, in einem technisch vollendeten Wunderwerk zu liegen. Als ich jetzt mit den Füßen nach der Strickleiter tastete, wurde mir wieder unsere Unzulänglichkeit bewußt.
Sie war erschreckend! Wir wollten einem Gegner, der die Erde mit einem Raumschiff hätte atomisieren können, vorgaukeln, wir wären tausendmal mächtiger als er. Versuchen Sie das einmal! Natürlich hatten wir die marsianische Technik. Aber da war der Ausdruck »Knopfdruck-Hausierer« absolut zutreffend.
Wir konnten viele Knöpfe betätigen! Ab und zu passierte etwas, was unseren Wissenschaftlern Schauer freudiger Erregung über den Rücken jagte. Zumeist gingen sie aber fluchtartig in Deckung. Die Dinge, die wir im Verlauf unserer waghalsigen Experimente schon die Luft geblasen oder anderweitig demoliert hatten, waren nicht mehr zu zählen.
Von bitteren Gefühlen geplagt, erreichte ich den Boden der Arena. Ein Offizier des Nachschubdienstes beschwerte sich über die maßlose Verschwendung von »Blut«.
Die Arena schwamm wieder einmal in der roten, schnell gerinnenden Flüssigkeit, die uns die chemischen Fabriken der Erde geliefert hatten.
Die neuen Frachter und Kreuzer der Plasmaflotte waren ununterbrochen unterwegs, um den Marsstützpunkt zu versorgen. Topthar war eine gigantische Stadt. Einen Teil davon hatten wir nach den Erfordernissen unseres Schauspiels ausbauen können. Logischerweise hatten wir uns auf jene Hallen, Säle und Etagen beschränken müssen, die von den immer noch funktionierenden marsianischen Atomkraftwerken mit Arbeitsstrom und Frischluft versorgt wurden.
Einzelne Abteilungen, die wir dringend benötigten, hatten wir unter ungeheurem Aufwand wiederherstellen müssen. So geschah es, daß neben den Reaktoren der Marsianer terranische Meiler standen. Sie waren zwar größer, aber sie leisteten vergleichsweise nichts.
»Herr General, ich muß mich beschweren«, schrie mich Don Esteban de Fereira an und schlug mit beiden Fäusten gegen meine Oberschenkel, da er meine Brust nicht erreichen konnte.
»Respekt, Kugelkopf«, knurrte hinter mir eine Stimme.
Ein schuppengepanzertes Ungeheuer, mit Fußeinlagen 2,20 Meter groß und auch genauso breit, funkelte mich aus seinem melonengroßen Auge an, das in Höhe der menschlichen Nase-Augenpartie angeordnet war. Dolchartige Reißzähne blitzten in dem spaltweit geöffneten Rachen. In den riesigen Pranken lag eine überschwere Laser-Intervallautomatik.
Ein scharfes Schwert war ein weiterer Bestandteil der Zyklopenbewaffnung. Über der Schulter hing ein marsianischer Thermostrahler, der reine Kernenergie verfeuerte.
Die »Zyklos« bildeten meine Leibwache. Die grauenerregende Maske war vollendet. Die GWA-Spezialisten hatten die größten und stärksten Männer der Erde zusammengerufen. Ein Zyklo mußte mindestens eine natürliche Körperlänge von 2,07 Meter aufweisen. Die Fußeinlagen waren durchschnittlich zehn Zentimeter dick. So war ein Titanenvolk »von einem anderen Planeten« entstanden – und warum …
Nur um Eindruck zu machen, nur um der Menschheit die Invasion aus dem Raum zu ersparen, die wir seit Dezember 2008 erwarteten.
»Ha, Sie …!« schrie Don Esteban. Seine Haltung drückte Verachtung aus. »Wie haben Sie mich tituliert?«
»Kugelkopf.« Das Wort verklang in einem tierhaften Röcheln. Die Zyklopen sprachen über eine spezialmodulierte Verstärkeranlage. Wenn Major Boris Petronko in »bestialischer Wut« brüllte, konnte man das Gehör verlieren.
Boris öffnete die Patentverschlüsse am Hals der Maske. Der Kopf des Monstrums klappte nach hinten auf die Schultern zurück.
Ein breitflächiges, leicht sommersprossiges Gesicht mit hellen Augen kam zum Vorschein. Petronko lachte den Liliputaner an.
»Nichts für ungut, Caballero. Wir sind doch Freunde, oder? Ich habe dich so behutsam wie möglich in die gefederten Pranken des Moolo geworfen. Das reinste Sprungtuch, Großväterchen. Du wirst uns doch nicht die Vorstellung schmeißen wollen, nur weil du einen blauen Flecken davongetragen hast?«
»Echte Artisten schmeißen nie eine Vorstellung!« erklärte Don Esteban würdevoll. »Ich will Ihnen Ihre Verhaltensweise nicht nachtragen.« Er wandte sich an mich. »Herr General, wäre es nicht möglich, ein anderes Mitglied meines Volkes über die Brüstung der Herrscherloge werfen zu lassen? Ich bin wirklich gern zu jedem Opfer bereit, aber …!«
»Großväterchen, keiner kann so schön um Gnade betteln wie du«, unterbrach ihn Boris Petronko. »Du mußt bedenken, daß jedes Wort, jedes Geräusch und jede Bewegung echt wirken muß. Du bist ein guter Schauspieler.«
»Dann lasse ich mich weiter zum Fraße vorwerfen!« sagte der Chef der Liliputaner. »Auf Kinderchen! Fröhlich und frei, geht, springt und hüpft. Hopp, hopp …!«
Lachend trollte sich die zweihundertköpfige Schar. Ich sah dem lustigen Völkchen nach, bis Petronko leise meinte:
»Das gibt noch Schwierigkeiten, Sir. Sie sind psychisch besonders veranlagt. Herzensgut, aber auch leicht beleidigt. Was kann man da tun?«
Ich betrachtete den 2,19 Meter großen und drei Zentner schweren Hünen. Boris Petronko war ein fähiger Offizier der russischen Abwehr. Wegen seiner Qualitäten war er zum Chef der dreihundert Mann starken Zyklopengarde ernannt worden.
Offiziere, Techniker und Wissenschaftler bestürmten mich mit Fragen. Die vielen Artisten und Schauspieler hatten Sonderwünsche. Ich winkte ab und bat um Ruhe.
»Meine Damen und Herren – zu gegebener Zeit werden wir an Ihre Vorschläge denken. Vorerst haben wir jedoch noch genug damit zu tun, das eingeleitete Programm durchzuspielen. Wenn es uns gelingt, die erwarteten Fremdintelligenzen zu einer Landung auf dem Mars zu verlocken, muß Ihnen jedes Wort und jede Geste in Fleisch und Blut übergegangen sein. Wir sind galaktische Hochstapler. Wir haben etwas vorzutäuschen, was die Menschheit sicherlich erst in etlichen Jahrhunderten erringen wird. Wir geben vor, die überlichtschnelle Raumfahrt zu beherrschen und ein Sternenreich mit zahllosen Kolonialplaneten erobert zu haben. Nur damit kann man auf eine galaktische Großmacht Eindruck machen. Wir können den Fremden etwa fünfzig verschiedenartige Lebewesen vorführen. Es ist Ihre Aufgabe, die entsprechenden Masken selbstsicher und gelassen zu tragen. Ich weiß, daß es hier einige Stars gibt, die mit Recht davon überzeugt sind, jünger und attraktiver zu sein als andere Damen, die unsere Spezialisten für Hauptrollen ausgesucht haben.«
»Sagten Sie mit Recht?« rief eine dunkelhaarige Dame, in der ich eine bekannte Filmschauspielerin erkannte.
Ich verneigte mich. »Allerdings, Madame. Meine angebliche Frau ist nach den allgemeingültigen Begriffen durchaus keine Schönheitskönigin, aber dafür eine psychologisch geschulte Wissenschaftlerin, die im Ernstfall richtig eingreifen kann.«
»Vielen Dank, das wollten wir nur noch einmal hören, Sir«, meinte ein junges Mädchen.
Lachend schritten die Schauspielerinnen davon. Ich sah mich aufseufzend um. Dr. Anne Burner, eine schlanke Frau mit scharfen Gesichtszügen, warf mir einen ironischen Blick zu. Sie trug noch das Einsatzkostüm.
»Machen Sie sich nichts daraus, Sir«, sagte sie lächelnd. »Was steht für heute noch auf dem Programm?«
Captain Philip Botcher, mein Adjutant, begann sofort in seiner Liste zu blättern.
Botcher galt als der größte Pedant unter den passiven Offizieren der Wissenschaftlichen-Abwehr. Er war eine hagere Erscheinung mit ausdruckslosem Gesicht.
»Mittagspause von dreizehn bis vierzehn Uhr Stationszeit«, erklärte er. »Anschließend Generalprobe für die Artisten. Ab fünfzehn Uhr Galaexerzieren der Zyklopengarde mit Scharfschießen. Zur gleichen Zeit laufen zwei Arenakämpfe mit Pseudoungeheuern.
Sie, Sir, haben Ihren Auftritt im Nachrichtenzentrum nochmals zu proben. Statt Prachtkostüm einfache, schmucklose Uniform. Denken Sie daran: Außerhalb der Palasträume sind Sie der große galaktische Eroberer, der es bei Todesstrafe verboten hat, in prunkvoller Kleidung zu erscheinen. Sie und die Elitesoldaten des Stützpunktes verkörpern Erfolgsmenschen, die eine grenzenlose Macht hinter sich wissen.«
»Verstanden. Noch etwas?«
»Jawohl, Sir. Das neue Trickfilmprogramm ist eingetroffen. Es zeigt Szenen eines galaktischen Krieges. Ausschnittsdarstellungen sind vorbereitet. Gigantische Raumschiffe zerschlagen die Flotte eines fremden Volkes. Meldungen sind immer wieder eingestreut. Die Sendung erfolgt über den geheimen Kabelweg aus Studio III. Neue Riesenprojektionsflächen, die wie Bildschirme eines überlichtschnell arbeitenden Bildtongerätes wirken, sind installiert. Außerdem möchte Sie ein Kurier aus dem Hauptquartier der GWA sprechen.«
»Spiegelfechtereien«, sagte Petronko. »Hinter den ›Hyperfunkschirmen‹ stehen gewöhnlich Filmprojektoren. Das ist der größte Bluff der Menschheit. Wir erobern fremde Planeten in den Zeichenstuben der Trickfilmstudios.«
»Nur das Ziel ist wichtig, Sir«, wurde er von Botcher belehrt. »Sie, Herr General, müssen sofort den Funksprechverkehr proben. Ihre Gesprächspartner, angeblich Offiziere der unüberwindlichen Flotte des Tumadschin Khan, werden in die Trickaufnahmen eingeblendet. Improvisationsdialoge sind möglich. Die Schauspieler sind darauf vorbereitet.
Anschließend haben Sie noch einen Auftritt in der Festungszentrale. Wir können nun achtundzwanzig Superforts ausfahren und in Stellung bringen. Die hydraulischen Hebebühnen funktionieren.«
»Die darauf installierten Strahlgeschütze auch?« fragte ich leise. Ich war schon zu abgestumpft, um noch zu einer ironischen Bemerkung fähig zu sein.
»Leider nicht, Sir. Die Waffenwirkung wird vorgetäuscht. Das wäre alles. Mit den anderen Trainingsgruppen kommen Sie heute nicht mehr in Berührung.«
Trainingsgruppen! Wie einfach das klang! Ich dachte an die Riesenraumschiffe, die wir erst vor acht Monaten in bisher unbekannten Teilen der untermarsianischen Stadt entdeckt hatten.
Schon vor einigen Jahren hatten wir auf dem Mond eine ähnliche Anlage entdeckt. Die lunare Festung Zonta war der letzte Zufluchtsort eines genialen Volkes gewesen, das den Angriffen der übermächtigen Deneber nicht mehr länger standhalten konnte.
Auf dem Mond hatten wir die positronischen Wachgehirne sozusagen überlisten können. Auf dem Mars war das nicht möglich gewesen. Die Kommandodivision hatte bei der Ausschaltung der Steuerzentralen schwere Verluste erlitten.
Jetzt aber »beherrschten« wir die Riesenwerften und Schiffshangars, weil die unermüdlichen Roboter und vollautomatischen Einrichtungen die uralten Schlachtraumer startklar gemacht hatten.
Dabei fehlte uns der verstorbene Deneber Coatla sehr. Dank seiner Freundschaft zu den Menschen war es uns wenigstens gelungen, den Kreuzer »1418« so kennenzulernen, daß wir ihn fliegen konnten. Dieses Raumschiff, das ich einmal als gewaltig angesehen hatte, war aber nur das Rettungsboot eines Superschlachtschiffes der Porcupaklasse!
Superschlachtschiffe der Porcupaklasse waren die größten und stärksten Einheiten der marsianischen Flotte gewesen. Vor 187.000 Jahren hatten sie beinahe den intergalaktischen Krieg zwischen Deneb und Mars entschieden.
Nun wurde uns zugemutet, mit derartigen Gebirgen aus MA-Metall Manöver zu fliegen. Jeder Start wurde zu einem Abenteuer auf Leben und Tod. Niemand wußte, wie die Triebwerke, Kraftzentralen, positronischen Kontrolleinrichtungen und Waffen funktionierten.
Genau hundertundelf Raumfahrzeuge dieses Typs standen auf dem Hafen von Topthar mit anlaufklaren Impulstriebwerken. Die Erfahrungen, die wir mit der »1418« gewonnen hatten, reichten wenigstens aus, die Titanenmaschinen in Betrieb zu setzen.
Wir hatten in den vergangenen Monaten hundertundelf Einheiten aus den Tiefen des Roten Planeten an die Oberfläche gebracht; auch dabei war uns die vollendete Mechanik zu Hilfe gekommen.
Die Antigravitationsschächte, tausend Meter durchmessend und bis zu einer Tiefe von fünf Kilometer hinabreichend, erfüllten noch ihren Dienst. Durch sie waren die stählernen Schiffsungeheuer nach oben geschwebt.
Zu diesen Superschlachtschiffen kamen noch dreihundertundzwanzig Schwere Kreuzer der Kashatklasse, die wir ebenfalls entdeckt hatten.
Die Armada stand nun auf dem bläulichen Metallbelag des Raumflughafens, den wir mit unsagbaren Mühen vom Staub und Schmutz der Jahrtausende gesäubert hatten.
Schwerste Spezialmaschinen waren von der Erde stückweise herbeigeschafft und auf dem Mars zusammengebaut worden. Damit hatten wir ein Hafengelände in der Größenordnung von etwa zehntausend Quadratkilometer renoviert. Die Bewegung der angewehten Sandmassen hatte Monate beansprucht.
Wenn die Fremden kamen – und wenn es uns gelang, sie zur Landung zu zwingen, dann erblickten sie zwar einen toten Planeten, aber die Anlagen von Topthar mußten trotzdem einen gewaltigen Eindruck erwecken. Wir protzten mit dem Erbe eines ausgestorbenen Volkes.
Fünftausend Männer, die fähigsten Kosmonauten und Wissenschaftler, bemühten sich zur Zeit, die Waffenstationen der Porcupa-Schiffe zu ergründen. Es war hoffnungslos, dies in der kurzen, noch zur Verfügung stehenden Zeit erreichen zu wollen.
Wenigstens konnten wir die Giganten starten, landen und auch einigermaßen manövrieren. Wenn es soweit war, mußten zumindest zwei Schlachtschiffe in den Raum vorstoßen und eine Abwehrfront bilden.
Ich versuchte, mir die Größe dieser Schiffe vorzustellen. Die durchmaßen in ihrer Kugelgestalt neunhundert Meter! Die Kashat-Kreuzer hatten dagegen »nur« zweihundertfünfzig Meter Durchmesser. Ihre Triebwerke schienen leistungsfähiger zu sein als die der schweren Einheiten. Wahrscheinlich waren sie nur auf Schnelligkeit ausgelegt. Wir hatten auf die Benutzung verzichtet, nachdem ein Schiff dieses Typs mit der Forschungsbesatzung in den Raum gerast und dort explodiert war.
Ich, der angebliche Eroberer, Terra-Abkömmling und Kolonisten-Nachkomme, hatte die Aufgabe, dem mit größter Wahrscheinlichkeit auftauchenden Gegner klarzumachen, daß der Mars ein fast verlassener Stützpunkt meines Volkes war und ich in unmittelbarer Nähe der noch viel mächtigeren Erde nur deshalb geduldet wurde, weil die dortige Zentralregierung ein Waffenstillstandsabkommen mit mir geschlossen hatte.
Die psychologischen Fakten waren viel einfacher zu lösen als die technischen Aspekte. Im Pläneschmieden war die GWA schon immer unschlagbar gewesen. In dieser Beziehung übertrafen uns auch die »Hypnos« nicht, die ich von meinem letzten Einsatz her in unangenehmer Erinnerung hatte.
Es war mir gelungen, einen Forschungskreuzer der Hypnos zu sprengen. Wir waren der Meinung gewesen, die überraschende Vernichtung hätte den Kommandanten des in unseren Raumsektor vorgestoßenen Schiffes daran gehindert, eine Erfolgsmeldung an seine Heimatwelt zu geben.
Das war ein Irrtum gewesen! Die Hyperfunkstation des Marskreuzers »1418« hatte einwandfrei eine mit höchster Energie abgestrahlte Nachricht aufgefangen.
Das GWA-Supergehirn PLATO behauptete mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit, es hätte sich um die galaktische Positionsangabe des solaren Systems gehandelt und um eine Warnung vor den intelligenten Bewohnern des dritten Planeten – der Erde.
Tausende von Daten, die aus verschiedenen Beobachtungen resultierten, waren mit allen nur denkbaren Varianten ausgewertet worden. Der wichtigste Faktor waren Major MA-23 und ich.
Wir waren die einzigen Männer der Welt, die nach einer äußerst gefährlichen Gehirnoperation dazu prädestiniert waren, eine parapsychische Aufladungsschulung mitzumachen. Hannibal und ich waren zu Telepathen geworden.
Zu uns zählte noch Kiny Edwards, die als Kind strahlungsgeschädigter Eltern im Jahre 1992 auf dem Mond geboren worden war. Kiny war eine natürliche Positivmutantin mit überragenden parapsychischen Fähigkeiten.
Sie sollte als lebender Nachrichtensatellit dienen und den Informationsaustausch zwischen uns und dem irdischen Hauptquartier übernehmen. Sie befand sich zur Zeit an Bord eines Plasmakreuzers, der zwischen Erde und Mars im freien Raum stand. Die Verbindung war schwach; aber ausreichend. Kinys telepathische Sendungen waren wesentlich stärker als meine. Wenn wir sichergehen wollten, mußten Hannibal und ich einen Verstärkerblock bilden und mit vereinten Kräften das junge Mädchen anrufen.
Von dem Relaiskreuzer aus wurden die an Kiny übermittelten Informationen durch Laser-Richtstrahlfunk an die Radiosatelliten weitergegeben. Das war die »überlichtschnelle Hyperfunkverbindung« zu allen Planeten der Galaxis!
Das Wissen um die technische Unzulänglichkeit der Menschen zermürbte uns. Nur wenige Jahre zuvor hatten wir noch angenommen, die einzig hochstehenden Lebewesen des Universums zu sein. Diese Meinung war schwer erschüttert worden, als wir vor Jahren die alten Marsstädte entdeckten. Dann waren die Schläfer erwacht. Die denebischen Eroberer aus einer Zeit, die die Welt noch als Urplaneten gesehen hatte, waren aus ihrem biologischen Tiefschlaf aufgestanden.
Wir hatten das Unheil abwenden können, weil wir es nur mit wenigen Überlebenden zu tun hatten. Anfang des Jahres 2008 hatten wir die Venus angeflogen und dort die letzte Zentrale der Deneber vernichtet. Die Kommandogehirne waren abgestorben und die von ihnen abhängigen Verformungsmonstren waren ebenfalls in den Atomgluten vergangen.
Trotzdem hatten uns die letzten Nachkommen eines ehemals mächtigen Volkes noch in größte Gefahr gebracht. Ein automatischer Hypersender hatte bei der Zerstörung der Venuszentrale zu arbeiten begonnen und Notrufe in den Raum abgestrahlt.
Sie waren von dem Forschungsschiff eines bisher unbekannten Volkes aufgefangen und eingepeilt worden.
Im November 2008 waren die Hypnos in unserem Sonnensystem aufgetaucht. Sie waren vorsichtig genug gewesen, nicht auf Terra zu landen, sondern auf dem Mars einen Stützpunkt zu errichten. Nur die Beiboote des Mutterschiffes waren bis zur Erde vorgedrungen.
Da die galaktischen Kolonisatoren über die natürliche Fähigkeit der Suggestion verfügten, hatten sie zahlreiche Wissenschaftler und führende Staatsmänner zu Saboteuren gemacht. In aller Ruhe hatten sie die Menschheit studiert und Daten gesammelt.
Hannibal und ich waren in die Gewalt der Hypnos geraten. Erst im letzten Augenblick war es mir gelungen, das Raumschiff zu vernichten.
Zu diesem Zeitpunkt mußte der von Marsschiff »1418« aufgefangene Funkspruch abgestrahlt worden sein.
Was hatte der Kommandant des Forschungskreuzers an seine Regierung gefunkt? Wie würden sich die Beherrscher eines Sternenreiches auf Grund dieser Meldung verhalten?
Würden sie ein einzelnes Schiff schicken – oder vielleicht drei? Mußten wir mit einem Schlachtgeschwader von der Art jener Riesenraumschiffe rechnen, wie wir sie auf dem Mars entdeckt hatten?
Was sollten wir tun? Die Weltraumfahrt der Menschheit steckte nach wie vor in den Kinderschuhen. Die modernsten Plasmakreuzer brauchten durchschnittlich immer noch drei Wochen, um den Mars zu erreichen.
Da wir die baldige Ankunft des Gegners erwarteten, hatten wir den Zirkus auf dem Mars aufgezogen. Seit ungefähr einem Jahr arbeitete die Menschheit nur noch für ein Projekt, das wir »Gegenschlagsprogramm Kopernikus« genannt hatten.
Vielleicht war es ein Selbstbetrug, aber wir hofften, mit der Spiegelfechterei einen Erfolg zu erzielen, obwohl niemand wußte, was der letzte Funkspruch des Expeditionskommandanten beinhaltet hatte.
Wenn er nur die Position unserer Sonne und die Entdeckung der Erde durchgegeben hatte, war unsere Hoffnung berechtigt. Wenn es ihm jedoch noch gelungen war, die Daten über die kulturelle, technische und wissenschaftliche Entwicklungsstufe der Menschheit mitzuteilen, dann waren wir so gut wie verloren.
»Der Kurier, Herr Brigadegeneral!« sagte Captain Botcher eindringlich.
Ich schreckte auf. Wie im Traum sah ich mich um. Die Frauen und Männer meines »Hofstaates« wichen meinen Blicken aus.
Es gelang mir zu lächeln. Ich war kurz nach der Vernichtung des Expeditionskreuzers vom Chef der GWA zum Brigadegeneral befördert worden, weil die Mitglieder der Zentralregierung der Auffassung gewesen waren, einem Oberst könne die Durchführung einer solchen Aktion nicht übertragen werden.
Wir aktiven GWA-Mitglieder hatten über diese militärischen Vorstellungen gelächelt. Der Dienstgrad spielte bei uns ohnehin eine untergeordnete Rolle. Wichtig war allein die zwölf- bis fünfzehnjährige wissenschaftliche Spezialausbildung, die einem Agenten »ZBV« das Recht verlieh, sich »Schatten« nennen zu dürfen.
Ich legte meinen Spezialumhang ab. Er wirkte nicht nur eindrucksvoll und respektgebietend, sondern enthielt auch eine technische Raffinesse. Der Umhang verwandelte sich bei Bedarf durch einen Mikromechanismus in einen »Energieschirm«, der angeblich für jede Waffenwirkung undurchlässig war.
Wir wußten, daß die Marsianer solche Körperprojektoren entwickelt hatten, aber wir hatten keine Ahnung, wie ein Abwehrschirm funktionierte. Trotzdem hatten die GWA-Experten welche »konstruiert«.
Wenn ich auf den Schalter der Entfaltungsautomatik drückte, verwandelte sich die Oberflächenstruktur des Kunstfasermaterials. Schillernde Lichtreflexe entstanden. Es sah verblüffend echt aus.
Als wir die Arena verließen, lief bereits die nächste Probe an. Das Artistenkommando begann mit großartigen Kampfspielen. Das Brüllen des Moolo war noch zu vernehmen, als wir auf den nächsten Antigravlift zugingen und in das leuchtende Feld sprangen.
Ich wurde sofort schwerelos. Ein geübter Druck mit dem Fuß – und schon schwebte ich nach oben. Wir hatten diesen Teil der untermarsianischen Stadt mit größter Sorgfalt ausgesucht. Hier funktionierten noch sämtliche Anlagen.
Am bestechendsten war eine Reihe von Kraftwerkssälen, in denen Leistungsreaktoren standen, von denen drei bis vier die gesamte irdische Industrie mit Arbeitsstrom hätte versorgen können. Wir hatten getan, was wir konnten, um die Einrichtungen in Betrieb zu halten. Hier und da wußten unsere Wissenschaftler bereits, auf welche Knöpfe man drücken mußte.
Die »Hebeldruck-Experimente« hatten dazu geführt, daß ein Teil der automatischen Stadt wieder zum Leben erwacht war.
Drei Etagen höher verließ ich den Lift. Hier lagen die verschiedenen Zentralen, die wir ebenfalls renoviert oder neu eingebaut hatten.
Die »galaktische Großfunkstation« war ein Wunderwerk aus unverstandenen Marsanlagen und terranischen Trickinstallationen. Die Marssender hatten wir nicht angerührt. Niemand wußte, was sonst geschehen wäre.
Dafür aber liefen unsere Studioprogramme. Als ich eintrat, unterhielt sich der Diensthabende soeben mit einem Kommandierenden Flottenadmiral, der »den Auftrag erhalten hatte«, die aufständischen Eingeborenen von Katabt VI zu unterwerfen.
Ich blieb stehen, um die Generalprobe nicht zu unterbrechen. Die Bildschirme zeigten einen Ausschnitt der sternfunkelnden Milchstraße. Ein Kugelraumschiff, wenigstens dreitausend Meter durchmessend, schwebte im Vordergrund einer zweiten Projektionsfläche.
Ein großes Nahverbindungsschiff, das den Verkehr zwischen einer Raumstation und dem Flottenflaggschiff herstellte, wirkte neben der Riesenkugel wie eine Stecknadel.
Ein dritter Bildschirm zeigte die Zentrale des Superriesen. Die Szenen waren von genialen Künstlern entworfen, gezeichnet und gefilmt worden. Es war beeindruckend.
Der vierte Bildschirm wurde von einem bärtigen Mann mit markanten Gesichtszügen und funkelnden Rangabzeichen ausgefüllt. Das war Admiral Umirga, Oberbefehlshaber im galaktischen Dunkelwolkensektor ZWYG-1726047-ADD-225.
»… dritter Trägerschiffsverband vernichtet«, teilte Admiral Umirga mit. »Stehe kurz vor der Bahn des siebten Planeten. Äußerer Festungsring wird soeben umfaßt und aufgerollt. Kaum Verluste. Katabt VI wird in drei Stunden fallen. Besondere Anweisungen, Sir?«
»Befehl von Seiner Verklärtheit, Tumadschin Khan: Der sechste Planet der Sonne Katabt ist zu vernichten. Seine Verklärtheit ist der Auffassung, es müßte ein abschreckendes Beispiel gegeben werden.«
»Verstanden, Sir.«
»Noch etwas, Admiral Umirga. Sorgen Sie dafür, daß die Bestrafungsaktion von Ihren Kameraschiffen in allen Phasen aufgenommen und an die Verteilerzentralen der kosmischen Satellitenringe abgestrahlt wird. Wir wünschen von Ihnen einen Direktempfang. Die Galaxis soll miterleben, wie Katabt VI untergeht.«
»Jawohl, Sir, ich habe verstanden. Meinen ergebensten Gruß an Seine Verklärtheit, Tumadschin Khan.«
»Ende, wir bleiben auf Empfang.«
Admiral Umirgas Bild verschwand. Andere Bildschirme leuchteten auf. Eine Flotte, mehr als dreitausend Schiffe stark, vernichtete die letzten Einheiten des Feindes.
Szenen aus den Zentralen der einzelnen Schiffe wurden eingeblendet. Die Besatzungen arbeiteten schnell, aber konzentriert. Die Befehlserteilung war präzise.
Das Geschehen endete mit der Zerstörung der Welt Katabt VI. Von lichtschnellen Superbombenträgern in glutende Bruchstücke aufgespalten, raste sie unter dem Druck ungeheurer Hypergravitationsfelder auf ihre Sonne zu.
Damit endete der Film.
»Großartig!« sagte jemand mit tiefer Stimme. »Das ist der beste Streifen, der jemals fabriziert wurde. Wenn es Ihnen gelingt, den Hypnos das vorzuführen, stufen sie uns keinesfalls als leichte Beute ein. – Haben Sie einen Geist gesehen, Konnat?«
Es schien an diesem kalten Marstage mein Schicksal zu sein, laufend aus meinen Grübeleien aufgeschreckt zu werden. Ich drehte mich um.
Die Offiziere und Techniker der Funk- und Ortungszentrale waren aufgestanden und hatten Haltung angenommen.
Ich erkannte jetzt erst, daß der Befehlshaber des größten Geheimdienstes der Erde persönlich auf dem Roten Planeten angekommen war.
Vier-Sterne-General Arnold G. Reling, Chef der GWA und gleichzeitig Oberkommandierender der Internationalen Abwehrkoalition, sah mich prüfend an.
Sein Gesicht mit dem eisgrauen Schnurrbart wies tiefe Falten auf. Reling war älter geworden – und härter, viel härter als früher.
Der Kurier, von dem Captain Botcher gesprochen hatte, war also der Alte persönlich. Natürlich hatte Botcher den Befehl erhalten, mich nicht vorzeitig aufzuklären.
Ich sah Reling mit dem »berühmt-berüchtigten« Lächeln des Tumadschin Khan an. Es gehörte zu meiner Rolle, immer dann besonders höflich und sanftmütig zu wirken, wenn ich wieder einmal jemand in die Arena werfen, oder einen Planeten vernichten lassen wollte.
Reling musterte mich etwas fassungslos. Ich sagte dagegen mit gefährlich erscheinender Ruhe:
»Captain Dogendal, warum ist dieses unterentwickelte Kolonialgeschöpf nicht darüber belehrt worden, daß es bei meinem Erscheinen eine demütige Haltung einzunehmen hat?«
Jim Dogendal, Captain im GWA-Raumkorps, spielte sofort mit. Er warf sich auf den Boden und rief angstzitternd:
»Es ist darüber belehrt worden, Euer Verklärtheit. Gnade, Euer Verklärtheit.«
»Kako, beiße ihm den Kopf ab.«
Petronko handelte augenblicklich. Er klappte seinen Ungeheuerkopf nach vorn und stürmte brüllend auf meinen höchsten Vorgesetzten zu. Reling schrie auf, als er von dem Riesen angehoben wurde. Dann verschwand sein Gesicht im Rachen des Zyklopen.
Als Petronko den Alten auf den Boden zurückstellte, war das »Opfer« leichenblaß.
Ich salutierte und sagte: »Willkommen auf dem Mars, Herr General.«
»Ihr – ihr seid ja verrückt!« stammelte Reling.
Er erntete ein homerisches Gelächter. Trotzdem dauerte es noch eine Weile, bis sich unser sonst so unerschütterlicher Chef wieder gefaßt hatte.
»Sie wollten mir wohl sofort einen nachhaltigen Eindruck Ihrer Arbeit vermitteln, wie?« fuhr er mich an. »Mr. Konnat, das kenne ich bereits! Ich habe schließlich diese Masken in Auftrag gegeben.«
Boris runzelte die Stirn. »Wie, tatsächlich? Danach haben Sie sich aber gar nicht verhalten, Sir. Mir scheint, Ihnen ist das große Zittern ziemlich gekommen. Oder stimmt das etwa nicht?«
Knurrend schritt Reling davon. Vor den marsianischen Schalttischen blieb er stehen. Nachdenklich sah er zu den Bildschirmen hinauf.
Reling dachte meistens etwas schneller und weitsichtiger als andere.
»Das war einfach großartig«, gab er zu. »Meine Herren, ich glaube bald auch daran, daß Ihnen das Unmögliche gelingt. Das Auftreten des Tumadschin Khan war fraglos eine Improvisation. Ich wurde davon überwältigt. Wenn schon mir so etwas passiert, dürften Fremde ebenfalls schwach werden. Ich muß Sie sprechen, Konnat, kommen Sie.«
Reling nickte den Soldaten der Zentralbesatzung zu und ging auf die stählernen Schiebetüren zu. Dahinter lagen die Regierungs- und Wohnsektoren mit großen Sälen, die von uns ausgebaut worden waren. Dort befand sich auch mein Arbeitszimmer. Natürlich war es meiner Würde entsprechend eingerichtet.
»Die Damen und Herren des militärischen, technischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Stabes sind eingetroffen«, flüsterte mein Adjutant in vornehmer Zurückhaltung.
Zusammen mit Petronko, Anne Burner, dem Chefregisseur Alf Trontmeyer, Captain Jim Dogendal und meinem Hofdichter, Major Inchinger, schritt ich auf die Tür zu.
Zwei Panzerzyklopen hielten Wache. Sie stießen einen Gruß aus und schlugen sich mit beiden Fäusten gegen die Brustharnische, in denen – offenkundig sichtbar! – je zwei »Energiefeldprojektoren« eingebaut waren.
»Lauter und grausiger röcheln«, rügte Petronko. »Mahele, die Hautschuppen an Ihrem rechten Unterarm sind beschädigt. Lassen Sie das sofort reparieren.«
»Jawohl, Sir«, sagte der maskierte Massai.
Wir betraten die Vorräume. Der für diesen Bezirk verantwortliche Offizier verzichtete ausnahmsweise auf die Empfangszeremonie. »Normalerweise« schmetterten die Fanfaren eines Roboterkommandos, das aus nachgeahmten Marsmaschinen bestand. Die Männer, die diese Verkleidung zu tragen hatten, mußten Athleten sein.
Leider war es uns noch nicht gelungen, die Kampfroboter der Marsianer betriebsklar zu machen.
In den Arsenalen hatten wir bis jetzt etwa hunderttausend Roboter entdeckt, die reglos auf ihren Abrufbefehl warteten. Wir kannten die Kampfkraft dieser 2,50 Meter hohen Maschinen, die über ein so hochentwickeltes Steuergehirn verfügten, daß unsere fähigsten Hochfrequenzingenieure und Kybernetiker ratlos waren.
Wenn es uns gelungen wäre, nur einige hundert Vernichtungswerkzeuge dieser Art zu programmieren und in Betrieb zu nehmen, wäre mir wesentlich wohler gewesen.
Die überall sichtbaren Reparatur- und Wartungsroboter konnten wir für unser Schauspiel zwar ebenfalls gut gebrauchen, aber an kampfkräftigen Spezialkonstruktionen fehlte es. Wahrscheinlich gab es irgendwo eine Steuerzentrale, auf deren Impulsgebung die seit 187.000 Jahren wartenden Maschinen reagierten.
Wir hatten uns lange Zeit gefragt, wieso wir von ihnen nicht angegriffen worden waren. Schließlich gehörten wir nicht hierher. Dann waren wir zu dem Schluß gekommen, die Hauptschaltstation müsse nicht mehr in Ordnung sein.
Die Torflügel meines Arbeitszimmers glitten auf. Zwei Zyklopen salutierten.