3.
Große Galavorstellung des Marskommandos! Aufzug der Zyklopengarde und Empfang einer Abordnung von Hypnos, die von Schauspielern in den entsprechenden Kostümen dargestellt wurden.
Das taktische und strategische Regieprogramm nahm die Ankunft der Fremden als gegeben an. Die Generalprobe wurde von Chefregisseur Alf Trontmeyer geleitet.
Ich saß im hydropneumatischen Sessel meines sogenannten Schreibtisches. Seine Verklärtheit, Tumadschin Khan, geruhte die längst erwarteten Gesandten eines fremden Volkes zu empfangen.
Hannibal spielte den autarken Herrscher über ein Sonnensystem mit achtzehn Planeten. Er gab vor, aus dem Beteigeuze-Sektor zu stammen. Seine Hauptwelt hatten wir Talagan genannt.
Weitere zwanzig autarke Herrscher oder Regierungsoberhäupter umgaben mich. Sie waren von meiner »Gnade« abhängig. Phantastische Masken und Aufmachungen, die aber alle nach einer strengen Logik erschaffen worden waren, vervollständigten die bunte Szenerie.
Weiter rechts saß ein intelligenter »Wasserstoff-Ammoniak-Methanatmer« in seinem durchsichtigen Überdruckbehälter, in dem »Giftgase« wallten. Das war der Vertreter der nichthumanoiden Völker.
Zwei Abgeordnete von Echsen- und Insektenvölkern waren ebenfalls erschienen. Sie hatten ihren Hofstaat mitgebracht. Ihre Diener waren entsprechend kostümiert.
Der Einzug begann. Blaue Kugelköpfe, die Spaßmacher des galaktischen Hofes, umtollten mich. Die Offiziere meiner Flotte, sie trugen die einfachen Kampfkombinationen, bildeten Spalier. Die Garde der Zyklopen war aufmarschiert.
Dann traten acht Hypnos auf. Die Masken der Schauspieler wirkten verblüffend echt. Die riesigen Kombiorgane der Fremden, die wie ein ovales, nach vorn gewölbtes Auge die gesamte Gesichtsfläche bedeckten, schienen eine tödliche Drohung auszustrahlen. Dies war die erste Probe, bei der sämtliche Mitwirkenden Antitron-Helme trugen.
Nur die monströsen Geschöpfe, darunter die Zyklopen und die blauen Zwerge, schienen diese Helme nicht nötig zu haben. Die voluminösen Kopfteile einzelner Masken ermöglichten es, die flachen Schutzhauben unter den Kostümen zu tragen.
Dieser Gag war uns in letzter Minute eingefallen. Es mochte psychologisch äußerst wirkungsvoll sein, den Hypnos vorzuführen, daß nicht jedes Lebewesen eine besondere Schirmvorrichtung tragen mußte, um die Suggestivimpulse abwehren zu können.
Ein Kommodore meiner Raumflotte, der Befehlshaber der beiden Schlachtschiffe, die ich zum Abfangmanöver in den Raum geschickt hatte, meldete die Abordnung.
Ich lehnte mich in meinem Prunksessel zurück, legte die Elektropeitsche auf die Tischplatte und sah den Fremden entgegen.
Die Dialoge konnte ich frei gestalten. Ich hatte nur den roten Faden der Regieanweisung zu beachten. Wir schrieben den 15. November 2009. In zweimal vierundzwanzig Stunden brach der Stichtag an.
Wenn wir die Mentalität der Hypnos nicht völlig falsch eingestuft hatten, mußten sie erscheinen. Sie waren ein Volk, das infolge seiner parapsychischen Naturgaben noch nie besiegt worden war. In dieser Hinsicht schien der Mensch tatsächlich etwas Besonderes zu sein, auch wenn er sich in der Annahme, er wäre das einzige vernunftbegabte Geschöpf im Universum, jahrelang getäuscht hatte.
Ein fürchterliches Brüllen klang auf. Durch einen Nebeneingang schritt der Moolo in den Arbeitsraum des Herrschers. Jedermann wich zurück. Die Zyklopen gingen blitzschnell in Schußstellung. Nur ich blieb ruhig sitzen.
Der vierarmige Saurier kam näher. Als ich lockend die Hand ausstreckte, legte sich das Ungeheuer flach auf den Boden und kroch auf mich zu. Knurrend und gelegentlich aufheulend, duldete es meine Liebkosungen.
Ich hatte den Moolo angeblich völlig in der Gewalt. Er war mein halbintelligenter Leibwächter. Die zwei Panolis machten ihre Sache gut.
Der Panzersaurier, der wie ein hünenhaftes Känguruh mit dem Kopf eines Krokodils aussah, kauerte sich zu meinen Füßen nieder. Lauernd blickte er mit seinen kleinen Augen zu der Hypnogruppe hinüber.
Nun begann das Verständigungsproblem. Wir wußten, daß die Hypnos tragbare Simultantranslatoren besaßen, die nach kurzer Programmierungszeit eine fehlerfreie Übersetzung lieferten.
Hier offenbarte sich eine weitere schwache Stelle in unserer Gesamtplanung. Wir gaben vor, über eine vollendete Technik zu verfügen, aber wir konnten keine Translatoren einsetzen. Das ließ sich auch nicht mit Tricks überspielen.
Es kam infolgedessen darauf an, die Hypnos unauffällig zu überlisten. Ein Simultanprogramm war vorbereitet worden. Wir verfügten über ein funktionsklares Marsgerät, das die Geistesbilder eines Menschen auf einem großen Schirm sichtbar werden ließ. Die Handhabung war relativ einfach. Man brauchte sich nur etwas vorzustellen.
Ein Kugelkopf reichte mir den Elektrodenbügel. Aus dem Sockel des Tisches schob sich ein ovaler Bildschirm. Die Hypnos mußten ihn sehen.
Ich begann mit der Sendung. Auf der Röhre wurde das vernichtende Forschungsschiff erkennbar. Bildsymbole waren vielleicht noch wirkungsvoller als Worte.
Der Kreuzer raste in das System hinein. Ich stellte mir die Zentrale vor und nahm marsianische Konstruktionen als Vorbild. Kommandant und Offiziere beugten sich über die Auswertungsdiagramme von Elektronengehirnen. Sie entdeckten, daß es nicht ratsam war, näher an die Erde heranzufliegen. Statt dessen stießen sie in die als leblos erkannte Zone des Mars vor und landeten auf dem Wüstenplaneten.
Die Entdeckung des Kreuzers durch terranische Großkampfschiffe war nur eine Frage der Zeit. Trotzdem griffen die Terraner nicht an, weil der Mars als Hoheitsgebiet des Tumadschin Khan galt.
Als ich gerade demonstrieren wollte, daß ich ein Abtrünniger sei und mit Terra in Feindschaft lebte, begann unter meinen Füßen der Boden zu erzittern.
»Abbrechen!« brüllte Alf Trontmeyer.
Ich winkte erregt ab. Die Szene wurde unwirklich. Zyklopen und andere Fremdintelligenzen glichen Statuen. Wir lauschten.
Der Fußboden bebte noch heftiger. Gleich darauf verliefen sich die ersten Schockwellen. Ein konstantes Vibrieren blieb zurück.
Ich erhob mich. Niemand sprach ein Wort, bis plötzlich Professor Dr. Dr. Emanuel Scheuning erschien. Seine Hände zitterten, als er nach einem Halt suchte.
»Nun behaupten Sie nur nicht, Professor, die bisher so unantastbaren Atomreaktoren der Marsianer wären angelaufen«, sagte ich möglichst gelassen. Ich ahnte jedoch, daß meine Ruhe nicht glaubwürdig wirkte.
Unser physikalisches Genie kam näher und blieb vor mir stehen. Seine hagere Gestalt zog die Blicke auf sich.
»Sie sind angelaufen!« entgegnete er. »Und wie! In den Kraftwerksälen scheint ein Unsichtbarer sämtliche Schaltanlagen betätigt zu haben, die wir nicht verstehen konnten. Die Anzeigen schlagen weit aus, zahllose Beobachtungs-Bildschirme leuchten plötzlich. Die Wartungsroboter scheinen ihren mechanischen Verstand verloren zu haben. Sie arbeiten an fast allen Maschinen, deren Defekte anscheinend jetzt erst, kurz nach dem Anfahren, von den Pflegedienstrobotern entdeckt werden können. Sir, ich habe meine Leute aus den Energiesälen zurückgezogen. Wir können nichts tun. Die Meiler laufen wahrscheinlich noch mit Minimalleistung. Ich glaube, sie sind nur deshalb von dem unbekannten Zentralgehirn angelassen worden, damit sie notfalls schnell genug hochgefahren werden können.«
Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an. Ich vermutete etwas, das ich nicht auszusprechen wagte. Hannibal hatte weniger Hemmungen.
»Sie kommen!« behauptete er. »Das Erbe der Marsianer erwacht. Die Hypnos kommen! Zum Teufel, nun stehen Sie doch nicht wie die Steinbilder herum. Nehmen Sie Ihre vorgeschriebenen Positionen ein.«
Der plötzlich entstehende Tumult glich einer Panik – aber es war keine. Jedermann wußte, was zu tun war.
»Captain Dogendal an Kommandant – dringlich – dringlich – dringlich. Bitte melden.«
Ich zog mein Mikrofunksprechgerät aus der Tasche und hielt es mit dem Mikrophongitter vor die Lippen.
»HC-9 an Dogendal. Ich höre. Sie wollen mir sagen, sämtliche Ortungs- und Peilgeräte der Marsianer hätten plötzlich angesprochen, nicht wahr?«
»Und ob, Sir! Woher wissen Sie das?«
»Unwichtig. Sieht die Sache gefährlich aus?«
»Überhaupt nicht, Sir. Es ist grandios. Hinter uns ist eine Mauer im Boden versunken.«
»Was …?«
»Doch, Sir. Sie verschwand wie eine vertikal laufende Schiebetür. Wir schauen jetzt in einen riesigen Saal. Bildschirme von mindestens fünfzig Meter Durchmesser pro Einheit bedecken die Wände. Decke und Fußboden bestehen fast nur aus Bildflächen von dieser Größenordnung. Überall piepst, summt und klingelt es. Eine Automatenstimme teilt etwas mit, was wir nicht verstehen können.«
»Jetzt wissen Sie, wofür die Energie der Meiler gebraucht wird«, warf Hannibal ein und bedachte Scheuning mit einem anzüglichen Blick.
»Wir kommen, Dogendal. Sehen Sie etwas auf den Schirmen, was Ihnen merkwürdig vorkommt?«
Dogendals Stimme überschlug sich plötzlich. Die letzten Schauspieler rannten aus dem Saal. Sie hatten verstanden, was die kurze Unterhaltung zwischen mir und dem Chef der Funkstation bedeutete. Von nun an wurden sämtliche Durchsagen und Befehle in jeden noch so kleinen Raum übertragen. Die Frauen und Männer der Marsdivision mußten ständig über die letzten Ereignisse informiert sein.
»… drei – drei Raumfahrzeuge sind es«, brüllte Dogendal. Nun konnte man seine Worte wenigstens verstehen. »Hier, sehen Sie doch, wir haben sie auf den Schirmen. Es sind Raumschiffe. Sie fliegen mit einer unwahrscheinlichen Geschwindigkeit. Gerade wird auf einem anderen Schirm das Sonnensystem eingeblendet.
Phantastisch – dagegen sind wir Stümper. Die einzelnen Planeten erscheinen. Ihre Umlaufbahnen sind farbig markiert. Die Sonne steht als gelber Ball im Zentrum. Die drei Raumschiffe sind violette Punkte. Ihr Kurs wird von einem Lichtbalken dargestellt. Sie fliegen ins System. Eben kreuzen sie die Plutobahn. Oh – das ist eine Sache! Sie werden herangeholt – die Schiffe, meine ich. Wahrscheinlich eine Vergrößerungsoptik oder sonst etwas, das nenne ich Ortungstechnik! Sir …!«
Ich hörte längst nicht mehr zu. Jim Dogendal hatte vorübergehend die Beherrschung verloren.
Ich rannte los. Der wissenschaftliche Stab und die kommandierenden Sektoroffiziere folgten mir. Zur Zeit rannte überhaupt jeder.
Zyklopen stürmten an mir vorbei. In den Quartieren der Schiffsbesatzung heulten die Alarmsirenen.
Ehe ich die Funkzentrale erreicht hatte und den so plötzlich entstandenen Raum bewundern konnte, wurde ich von Major Naru Kenonewe angerufen, dem zur besonderen Verwendung abgestellten Kommandeur des afrikanischen Raumjagdkommandos.
Ich blieb stehen und blickte auf den Bildschirm meines Mikrogerätes.
»Sind Sie jetzt für einen Moment zu sprechen, Sir?«
»Reden Sie, Naru. Haben Sie mir auch eine Hiobsbotschaft mitzuteilen?«
»Das ist fraglich, Sir. In der Funk- und Ortungszentrale meines Schiffes ist der Teufel los. Tausend Geräte fingen auf einmal an zu arbeiten. Roboter, die wir noch nie gesehen haben, tauchen aus irgendwelchen Luks auf und verrichten Dinge, von denen wir nicht wissen, was sie bedeuten sollen. Der Energiehauptschalter, mein ewiges Sorgenkind, hat sich auf seiner Oberfläche in einen Bildschirm verwandelt – mit Gradeinteilung. Die Kommandozentrale hat automatisch verdunkelt. Dafür leuchten jetzt einige hundert Bildschirme. Auch wir sehen die drei einfliegenden Raumschiffe.
Captain Listerman, unser Waffenexperte, behauptet, die BAPURA würde klar zum Gefecht gemacht. Sir, wenn wir Glück haben, übernehmen die Roboter die Waffenleitstelle.«
»Nur nicht«, rief ich entsetzt. »Naru, wenn die Marsraumer zu feuern beginnen wie in alten Tagen, dann bleiben von den Hypnos nur noch verglühende Aschewolken übrig. Schießen Sie die Roboter bewegungsunfähig, oder schlagen Sie mit Knüppeln auf die Lenkorgane. Die Hypnos müssen landen, verstehen Sie! Wenigstens eins der Schiffe muß nach Hause fliegen können, um dort zu berichten, wie gefährlich wir sind. Das ist der Zweck des Gegenschlagsprogramms Kopernikus. Unternehmen Sie etwas.«
»Es steht doch noch gar nicht fest, ob die Roboter wirklich etwas mit den Schiffswaffen vorhaben«, meinte der Afrikaner beruhigend. »Wir behalten sie aber im Auge. Kommen Sie bald an Bord, Sir?«
Ich nickte. Plötzlich fiel mir mit fast schmerzhafter Klarheit ein, daß ich hier in Topthar schon seit zehn Minuten nichts mehr verloren hatte. Die Darsteller wußten auch ohne meine Kommandos, was sie zu tun hatten. Schließlich hatten wir den Ernstfall mehr als fünfhundertmal durchexerziert.
Hannibal teilte mir telepathisch mit, er stünde mit Kiny Edwards in Verbindung.
»Das Mädchen ist jetzt an Bord der ›1418‹. Der Marskreuzer ist vom Chef an Stelle des Plasmaschiffes als Funkrelaisstation abgestellt worden. Auf der Erde, so sagt Kiny, weiß man noch nichts vom Eintreffen der Hypnos. So schnell wie die Hyperortung des Mars arbeiten unsere Radiosatelliten nicht. Lobral hat bereits einen Laserspruch senden lassen.«
Scheuning rüttelte mich erregt am Arm. »Gute Nachrichten?«
»Ja. Die ›1418‹ hat den Einflug ebenfalls registriert. Professor, für mich steht fest, daß die automatischen Alarm- und Abwehranlagen des Mars und der Marsschiffe noch exakt funktionieren. Zerfallserscheinungen werden von den Wartungsrobotern beseitigt.«
»Sie wollen doch wohl nicht andeuten, dieser mechanische Rummel sei nur durch den Einflug der drei Schiffe ausgelöst worden?«
»Das will ich nicht nur andeuten, sondern behaupte es sogar!«
»Aber das ist doch unsinnig«, erregte sich der kleine Mann. »Ich frage Sie, Herr General, wieso hat vor einem Jahr um diese Zeit kein einziges Gerät angesprochen? Weshalb hat die Vollautomatik von Topthar nicht reagiert, als die Hypnos hier ankamen? Ferner frage ich Sie, Sir, wieso konnten wir auf dem Mars landen und unbeschadet unseren Aufgaben nachgehen? Haben Sie dafür eine Erklärung?«
»Wir haben einige Programmierungen entschlüsselt. Solche Abwehrmaßnahmen wurden von den Marsianern nur gegen ernstzunehmende Gegner eingeleitet. Gegen neugierige, alles riskierende Wilde, die den ersten Sprung in den Raum wagten, hatte man nichts einzuwenden. Die heutigen Erfahrungen beweisen das. Die Automatik spricht fraglos auf die hochgezüchteten Hyper- und Normaltriebwerke der Hypnoschiffe an.«
Scheuning lachte. Ich ging weiter, um einen Blick in die neuentstandene Ortungsstation zu werfen.
Die hintere Wand war tatsächlich verschwunden. Die Bildschirme waren gigantisch. Zum ersten Male erblickte ich die drei Schiffe, die sich bereits der Neptunbahn näherten. Sie flogen fraglos mit fast hundertprozentiger Lichtgeschwindigkeit.
Überall dröhnten Automatenstimmen. Das zentrale Steuergehirn erfaßte nicht, daß seine Erbauer schon vor 187.000 Jahren ausgestorben waren. Es gab seine Beobachtungen und Rechenergebnisse bekannt. Wir konnten jedoch nur die optischen Anzeigen deuten.
»Ich will Ihnen verraten, warum der Forschungskreuzer nicht registriert wurde«, rief mir Scheuning zu. »Das Wiedererwachen der Zentralpositronik haben wir unserer wissenschaftlichen Pfuscherei zu verdanken. Bei den Renovierungsarbeiten haben wir alle möglichen Dinge berührt, auf Knöpfe gedrückt und Hebel umgelegt. Unser Herumgetaste muß etwas ausgelöst oder bewegt haben, was vorher durch einen vielleicht winzigen Versager nicht mehr funktionierte. Ich halte es für sicher, daß irgendein Fehler beseitigt wurde, der für das Versagen der Automatik bei der ersten Hypnolandung verantwortlich war.«
Ein Donnern erinnerte mich daran, daß ich eigentlich schon seit einer Viertelstunde an Bord der BAPURA hätte sein müssen.
Die bisherigen Probestarts dieses Schiffes hatten wir nur mit der Notsteuerschaltung durchgeführt. Es war uns recht und schlecht geglückt, die BAPURA in den Raum zu bringen und sie auch wieder zu landen, ohne dabei den halben Mars zu zerstören. Wenn ein Schiff dieser Größenordnung abstürzte, mußte es fraglos zu atomaren Reaktionen kommen.
Mich überfiel ein Frösteln. Der Schweiß auf meiner Stirn fühlte sich kalt an.
Jemand zerrte mir die Prunkuniform vom Körper. Man brachte mir die Einsatzkleidung und half mir beim Anziehen. Aus dem Operettenherrscher wurde der Flottenoberbefehlshaber Tumadschin Khan.
Der Funkhelm vervollständigte meine Ausrüstung. Jetzt konnte ich mit jeder Kommandostelle direkt Verbindung aufnehmen.
Hinter mir hielt ein Wagen. Zwei Männer mit geschlossenen Raumanzügen rissen die Türen auf. Ich stieg ein.
»Ihr Helm!« rief mir ein Techniker zu. Jemand schlug mit der flachen Hand dagegen.
Der Druckhelm klappte nach vorn und rastete in die Magnethalterungen der Halsmanschette ein. Klimaanlage und Luftversorgung begannen automatisch zu arbeiten.
Der Fahrer raste mit höchsten Beschleunigungswerten los.
Wir benutzten eine Serpentinenstraße. Die Kurven waren eng. Die Spiralbahn jagten wir mit einem Tempo hinauf, daß ich glaubte, mein letztes Stündlein wäre angebrochen.
Die Tore der Innenschleuse waren bereits geöffnet. Ich erblickte nur noch zwei Techniker. Die Alarmpositionen waren also schon eingenommen worden. Die Männer winkten uns zu, als wir in den großen Raum hineinrollten. Die Schotte schlossen sich.
Der Druckausgleich erfolgte innerhalb von zwei Minuten. Während dieser Zeit rief mir der neben mir sitzende Offizier zu:
»In sämtlichen Marsschiffen sind die Maschinen angelaufen, Sir. Wir vermuten, daß die Anlagen vom Zentralgehirn gesteuert werden, das auch für Topthar verantwortlich ist. Captain Listerman hat eine Theorie.«
»Wie lautet sie?«
»Verrückt, Sir. Er glaubt, die Automatik würde mehrere Schiffe starten, wenn wir nicht rechtzeitig losfliegen und ihr somit beweisen, daß wir persönlich die Initiative ergriffen haben. Listerman meint, der Großrobot wäre bestimmt so programmiert. Dann ist da noch etwas, Sir.«
»Was denn, um alles in der Welt?« stöhnte ich.
»Die kybernetische Abteilung hat uns eben angerufen. Jemand ist auf die Idee gekommen, wir sollten die wild gewordenen Schiffsroboter nach freiem Ermessen handeln lassen. Man nimmt an, die Ortungspositronik wäre ›feinsinnig‹ genug, um den Unterschied zwischen den Raumschiffen der Deneber und den zur Zeit einfliegenden Einheiten zu erkennen. Was halten Sie davon?«
»Der Gedanke ist nicht schlecht. Was meint Major Kenonewe?«
»Er möchte es probieren. Den Waffenrobotern soll aber trotzdem auf die Finger gesehen werden. Wer weiß, was die sonst anrichten, wenn die Hypnos nicht prompt auf einen Funkruf antworten.«
Der Wagen ruckte wieder an. Er glitt die Außenrampe hinauf, sprang über die Kontaktschwelle und rollte auf den spiegelglatten Belag des Raumhafens von Topthar hinaus.
Weit vor uns ragten die Porcupa-Giganten in den blaßgrauen Winterhimmel. Die Sonne war vor einer Stunde aufgegangen. Es war kalt. Ein eisiger Wind wirbelte den Sand der endlosen Wüste auf.
Ich blickte mich um – und erschrak.
»Was ist das?« erkundigte ich mich.
Ich sah einen riesigen bläulich glitzernden Metallturm. Zahlreiche Antennen kreisten darauf, andere standen still.
»Ach, das meinen Sie, Sir. Die Türme kamen plötzlich aus dem Sand heraus, als es unter dem Hafen zu donnern begann. Wir haben dreizehn Stück entdeckt. Die Antennen der Hyperortung können wohl kaum unter der Oberfläche arbeiten.«
»Natürlich nicht«, bestätigte ich und faßte mir an den Kopf.
»Nimm dich zusammen, Großer«, vernahm ich Hannibals telepathische. Stimme. »Ich fühle mich auch nicht wohl in meiner Haut. Was denkst du wohl, was hier los ist, wenn die drei Hypnoraumer tatsächlich zur Landung ansetzen? Ich sehe schwarz für unseren schönen Plan. Wahrscheinlich werden sämtliche Vorbereitungen über den Haufen geworfen. Richte dich auf improvisierte Vorstellungen ein und laß dir rechtzeitig ein paar logisch klingende Ausreden einfallen. Scheuning hat übrigens auch eine neue Theorie.«
»Schon wieder!« stöhnte ich auf Psi-Ebene.
»Jeder hat eine Theorie«, lachte der Kleine. »Mache dir nichts daraus. Scheuning glaubt, die Zentralsteuerung des Mars hätte uns als befehlsberechtigt anerkannt, oder wir wären von den Kampfrobotern längst in Asche verwandelt worden. Teichburg sitzt mit einigen Biologen zusammen. Sie vermuten, die Zentralsteuerung hätte genau erfaßt, daß wir keine Marsianer sind. Sie erkennt uns aber an, weil wir humanoide Lebewesen darstellen. Auf nichthumanoide Intelligenzen, also auf Echsen- oder Reptilienabkömmlinge, dürfte die Zentrale dagegen negativ reagieren. Jetzt wirft sich für die gelehrten Köpfe nur die Frage auf, wie sich die Steueranlage verhält, wenn du mit drei Fremdraumschiffen ankommst, die über Hyperantrieb verfügen. Wird sich die Superelektronik dann nicht entschließen, diese Lebewesen als feindlich einzustufen? Wird sie uns noch in Ruhe handeln lassen?«
»Mach mich nicht wahnsinnig«, forderte ich schroff. »Wir werden es erleben. Uns bleibt keine andere Wahl, als die Dinge auf uns zukommen zu lassen. Wenn die Hypnos geradewegs auf die Erde zufliegen und den Mars unbeachtet lassen, sind wir ohnehin aller Sorgen ledig. Ende der Sendung. Ich habe zu tun.«
Hannibal unterbrach die Verbindung. Es wurde auch Zeit. Der Wagen fuhr soeben an einem Landebein der BAPURA vorbei. Über uns wölbte sich die Rumpfunterseite der gigantischen Kugel.
Genau über meinem Kopf erblickte ich die gähnenden Öffnungen der Schirmfelddüsen. Sie waren in dem Mittelwulst untergebracht, der den Kugelkörper in Äquatorhöhe wie ein Rettungsring umlief.
Als wir anhielten, erblickte ich den Lichtschein, der aus dem Schott einer Mannschleuse herausfiel. Major Kenonewe winkte mir zu.
Ich kletterte aus dem Wagen und sprang in das Antigravfeld. Die Öffnung lag zwanzig Meter über dem Boden. Ich wurde von dem Saugfeld nach oben getragen und sanft in der Schleuse abgesetzt.
Niemand hatte mich auf das Kommende vorbereitet. Wahrscheinlich waren die Herren der Auffassung gewesen, ich könnte auch einmal eine kleine Überraschung vertragen.
Zwei fast drei Meter große Metallungeheuer erhoben ruckartig ihre vier Waffenarme und stampften mit beiden Füßen den Bodenbelag, daß es dröhnte. Gleichzeitig schrien sie mir etwas zu, was ich nicht verstehen konnte.
Ich zuckte zurück.
»Sie salutieren, Sir«, erklärte Kenonewe grinsend. »Das Gebrüll war ein Willkommensgruß. Ich habe ihnen, als Sie plötzlich auftauchten, einfach gesagt, Sie wären der Oberbefehlshaber – und siehe da! – man hat meine in bestem Englisch gesprochenen Worte verstanden!«
»Sind Sie betrunken, Naru?«
»Keineswegs, Sir, aber allmählich habe ich das Gefühl, als wäre ich gerade aus einer Narkose erwacht. Hier passiert alle Augenblicke etwas anderes. Das Schiff wimmelt von Robotern aller Art. Vor zehn Minuten kam ein raupenartiges Ding in die Zentrale gerasselt und öffnete die Verkleidungsbleche eines Schaltgerätes. Das Wartungsgehirn der BAPURA …!«
»Das was?« unterbrach ich ihn.
»Das Wartungsgehirn, Sir. Listermans Leute haben es entdeckt. Es handelt sich um einen Riesenkasten in den unteren Sektoren des Schiffes. Wir haben durch Messungen feststellen können, daß es ununterbrochen sendet. Es handelt sich um millionenfältige Impulse, Schlüsselgruppen und Kurzzeichen, die alle von den dafür programmierten Robotern empfangen werden. Die BAPURA wird zur Zeit generalüberholt, soweit das mit den Bordmitteln möglich ist. An den Triebwerken und Leistungsreaktoren wird ebenfalls gearbeitet.«
»Und die beiden Kampfroboter haben tatsächlich Ihren Hinweis, der Oberbefehlshaber käme an Bord, richtig aufgefaßt?« erkundigte ich mich fassungslos.
»Drehen Sie sich um, Sir. Sie folgen Ihnen auf dem Fuße. Ich vermute, das Zentralgehirn hat ihnen befohlen, als Ihre Leibwächter zu fungieren. Listerman behauptet neuerdings, die Hauptschaltstation verfüge über einen Simultan-Translator, wie ihn auch die Hypnos besitzen. Wenn das später auch noch funktioniert, haben wir keine Übersetzungsschwierigkeiten.«