14

Der Dicke setzte sich vor den Fernseher. Zwanzig Minuten später hatte ich den Wagen repariert.

»Wer hat diesen Wagen gebracht, Dicker?«

»Ein Pfarrer. Ich glaube, er gehört einem Kardinal oder so was.«

»Wenn sie uns in diesem Auto abknallen, dann kommen wir in den Himmel, Dicker.«

Ich startete den Achtzylinder. Er lief perfekt. Der Dicke öffnete den Rollladen, ließ mich passieren, schloss ihn einhändig wie immer und hüpfte dann mit der Beweglichkeit eines Rehs in den Wagen.

»Es wird uns sicher jemand folgen«, sagte er. »Dass du ja nicht anhältst, nicht einmal, wenn sie die Sirene einschalten … Es folgt uns ein grüner Falcon. Mit Nummernschild. Es sind drei Typen drin. Tu, als hättest du sie nicht gesehen, und lass sie auf keinen Fall näher herankommen. Wenn wir in Belgrano sind, schüttelst du sie ab.«

»Leicht gesagt.«

»Carlitos, mein Lieber, du bist der beste Fahrer des Kontinents! Nach mir, versteht sich.«

Der Falcon versuchte näher heranzukommen, aber gegen den Achtzylinder hatte er keine Chance, und der Fahrer konnte mir bei diesem Verkehr nicht das Wasser reichen.

»Sie haben gemerkt, dass wir sie gesehen haben. Schüttle sie ab, wann du willst.«

Ich kannte diese verfluchte Stadt besser als das Scheißhaus in meiner Wohnung. Wir fuhren gerade an einem sehr großen, offenen Parkhaus vorbei. Es lag ebenerdig und hatte nur eine Ein-Ausfahrt, so dass die Wagen bequem nebeneinander hinein- und herausfahren konnten. Ich würde bloß nach links abdrehen müssen und wäre dann noch dreißig Meter von der Einfahrt entfernt. Aber die verdammte Ampel schaltete auf Rot und die beiden Trottel vor uns hielten an. Ich stemmte den Fuß auf das Gaspedal, fuhr auf den linken Bürgersteig, beschleunigte zwischen der Mauer und einer Alten mit Einkaufstüte hindurch, die mich nicht hatte kommen sehen. Ich ließ den Wagen ein bisschen schlenkern, rutschte auf die Querstraße, wo ich drehte, bis ich mit der Schnauze gegen die Einfahrt des Parkhauses zu liegen kam. Ich legte den ersten Gang ein und fuhr mit Vollgas durch die zwei Reihen geparkter Wagen. Beide Spuren waren frei bis hinten an die Mauer, die etwa fünfzig Meter entfernt war. Ich betete, dass es nicht irgendeinem Trottel einfiele, gerade in diesem Moment die Spur zu überqueren. Nach dreißig Metern zog ich die Handbremse, drückte das Gaspedal runter und riss das Steuer herum. Das heilige Auto dreht sich um hundertachtzig Grad und stand still, sein Motor schnurrte, seine Schnauze lag Richtung Einfahrt.

»Du lernst dazu«, sagte der Dicke, »du lernst dazu.«

Der Falcon hatte an der Straßenecke das gleiche Manöver wie ich versucht, aber da seine Federung viel zu hart war und nicht Tomassini am Steuer saß, kletterte er nur mit Mühe auf den Randstein. Er knallte ziemlich hart seitlich gegen die Wand, verlor die Kontrolle, lud das Großmütterchen auf die Kühlerhaube und fiel ziemlich unsanft auf die Straße zurück, da der Frontantrieb weiterdrehte, als die Räder in der Luft hingen. Der Wagen hätte sich beinahe überschlagen, doch es gelang ihm, sich zu stabilisieren und Richtung Einfahrt zu fahren, und zwar genau in dem Moment, als ich ihm im ersten Gang mit Vollgas entgegen fuhr. Ich konnte den Zusammenprall gerade noch vermeiden, indem ich nach rechts auswich. Er krachte in die Hecks der geparkten Wagen, verlor beim Rückprall die Stabilität, wurde nervös, drückte voll auf die Bremse und kippte zur Seite. Als wir an ihm vorbeifuhren, glaubte ich durch die Heckscheibe ein bekanntes Gesicht zu erkennen, das des Franzosen. Ich blockierte mit dem von Gott gesegneten Achtzylinder die Einfahrt.

»Was soll das, bist du verrückt geworden, Idiot!«, schrie der Dicke.

»Es ist der Franzose, Dicker. Die Uzi, schnell!«

Die Eisenwaren lagen auf dem Rücksitz, bedeckt mit einem Mantel des Dicken, der aussah wie eine Decke. Die Schwarze und die 9 mm steckten in meinem Hosenbund. Die beiden Granaten waren auf den Boden gefallen. Der Dicke packte die Uzi und ging zwischen zwei Autos in Deckung. Ich schaffte es, eine der beiden Granaten zu ergreifen, und rannte damit über die Fahrspur auf den Wagen des Franzosen zu. Plötzlich sah ich den Kleinen Italo, der eine Halcón-Maschinenpistole in die Höhe streckte, und den Fisch mit einer Magnum, die größer war als er selbst. Als ich direkt auf das gekippte Auto zulief, streckte einer der Typen den Kopf aus dem Fenster und seine rechte Hand, in der er eine Waffe hielt. Von einem Punkt aus, den ich nicht einsehen konnte, setzte ihm der Dicke mit seiner Uzi zwei Schüsse in die Birne. Er war treffsicher wie ein Turnierschütze. Er bediente die Maschinenpistole mit einer Hand. Mit Fingerspitzengefühl.

»Da kommen uns zwei Freunde zu Hilfe, Tito! Knall sie nicht ab!«, schrie ich ihm zu.

Ich drehte mich um, aber der Kleine Italo und das Fischgesicht hatten sich bereits hinter den Blechkarossen verschanzt.

»Der mit der Maschinenpistole ist ein Freund! Knallt ihn nicht ab!«

Während ich weiter auf den Wagen des Franzmanns zurannte, fummelte ich am Sicherungsbolzen der Granate herum. Ich riss ihn heraus, trat mit einem Fuß eine Scheibe ein und warf die Granate ins Wageninnere.

»Geht in Deckung, verdammt!«, schrie ich und hechtete über die Kühlerhaube eines Chevrolets.

Als ich durch die Luft flog, hörte ich, dass aus dem Auto des Franzosen geschossen wurde. Die Salve durchlöcherte den Chevrolet.

Die Granate war nicht explodiert.

»Haltet sie hier in Schach!«, schrie der Kleine Italo. »Ich halte den Verkehr auf, schießt nicht auf mich!«

Er rannte bis zur Einfahrt, glitt hinters Steuer des Achtzylinders, fuhr in verbotener Fahrtrichtung auf die Avenida hinaus und versperrte dort mit einem grandiosen Manöver einem Bus den Weg. Er stieg sofort aus, schoss mit der Maschinenpistole in den Motor des Busses und verschwand zwischen den Reihen der gestauten Autos.

»Die Granate hat nicht funktioniert!«, schrie ich. »Schießt nicht, ich geh mal näher ran.«

»Bleib, wo du bist, verdammte Scheiße!«, schrie Tito von irgendwoher.

»Geh nicht näher ran, Idiot, bleib, wo du bist!«, schrie der Kleine Italo von links hinter mir.

»Dicker!«, schrie ich. »Brich diesen Pick-up auf, starte den Motor und schau nach, ob er genug Treibstoff hat!«

Ich rannte auf das umgekippte Auto des Franzosen los, gab drei Salven auf den Benzintank ab und kniete mich nieder, steckte die Schwarze mit dem Lauf gegen oben in die Tasche und suchte nach dem Feuerzeug. Ich konnte es nicht finden.

»Hat jemand Feuer?«, brüllte ich. »Gebt mir Feuer, ihr Drecksäcke, gebt mir Feuer!«

»Ich rauche nicht«, schrie das Fischgesicht. »Geh in Deckung!«

»Geh weg da, Carlitos! A figa sore te!«

Das war der Kleine Italo.

Der Treibstoff floss in Strömen aus dem Tank. Ich legte die Schwarze auf den Boden und gab einen Schuss ab. Der Treibstoff entzündete sich. In diesem Moment streckte der Franzose seinen Kopf aus dem Fenster und ich schoss auf ihn. Ein Schuss traf ihn in den Mund und er glitt ins Wageninnere zurück. Das Benzin brannte lichterloh. Ich ging zur Windschutzscheibe und sah das zusammengesackte Dreckschwein. Noch ging ein Zittern durch sein rechtes Bein, und er röchelte. Bevor er von alleine abkratzte, gab ich ihm meine letzten zwei Kugeln in den Arsch. Der dritte Typ im Wagen blutete aus dem Mund, weinte und sagte:

»Knallt mich nicht ab, Jungs, knallt mich nicht ab!«

»Verschwinden wir von hier, verdammt! Hier werden bald jede Menge Bullen aufkreuzen!«, schrie der Kleine Italo.

Der Dicke hatte den Pick-up schon zur Ausfahrt gefahren, im ersten Gang und langsam. Der Fisch stieg ein wie eine Katze auf Mäusefang, der Kleine Italo wie ein Jaguar. In diesem Moment verspürte ich einen stechenden Schmerz im rechten Bein. Als der Kleine Italo sah, dass ich nicht selbst in den Wagen steigen konnte, packte er mich beim Haarschopf und zog mich in den Wagen.

Auf der Straße ging alles drunter und drüber. Der Bus stand in Flammen. Wir hörten Sirenen, aber der Weg hinaus auf die Avenida war frei. Der Kleine Italo war ein echtes Genie. Ein Korporal der Bundespolizei stellte sich uns in den Weg, Gewehr im Anschlag. Der Fisch gab mit seiner Magnum einen Schuss auf ihn ab, der den braven Unteroffizier auf den Rücken blies, Beine in die Höh. Wir überfuhren ihn und setzten den Wagen auf die Avenida. Seit unserer Fahrt über den Bürgersteig waren keine fünf Minuten vergangen. Das Auto des Franzosen explodierte. Wir haben nie erfahren, ob die Granate detoniert ist oder der Tank, oder ob es der Tank war, der die Granate zur Explosion brachte.

»Du blutest wie ein gestochenes Schwein, Idiot!«

Der Dicke kurvte durch den Verkehr wie ein Fisch im Wasser. Nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam. Unter dem aufmerksamen Blick des Kleinen Italo und des Fischgesichts betastete ich meine Brust. Nichts Ungewöhnliches.

»Es ist das rechte Bein!«, sagte der Fisch. »Reiß ihm die Fetzen vom Leib, Italo.«

Er nahm sich die rote Krawatte ab. Der Kleine Italo öffnete meinen Gurt und zog mir mit einem Ruck die Hose aus, dann machte er mir aus einem billigen Füllfederhalter und der Krawatte des Fisches eine Aderpresse.

Erst jetzt wurde mir klar, dass mein rechtes Hosenbein blutdurchtränkt war. Mit meinem Blut.

»Sie haben dich erwischt, als du über den Chevrolet gehechtet bist!«, sagte der Fisch, während er mein Bein mit größter Aufmerksamkeit untersuchte. Die Arterie ist nicht durchschlagen, und es gibt ein Ausschussloch. Hilf mir, ihn in die Fahrerkabine zu tragen, Italo.

Bei der ersten Ampel stieg der Kleine Italo aus, der Fisch folgte ihm. Sie packten mich, der eine bei den Beinen, der andere unter den Achseln, und legten mich in die Kabine neben den Dicken.

»Dass du mir ja meinen Mantel nicht befleckst, mein Liebster«, sagte der Dicke. »Hast du deine Tage?«

»Fick deine Schwester, Dicker!«, antwortete ich. »Wer hat dir diese Granaten angedreht, die nicht explodieren? Wir hätten Mus aus ihnen machen können.«

»Wir haben Mus aus ihnen gemacht, mein Lieber.«

»Und wieso habt ihr Idioten uns nicht gewarnt, dass der Franzose uns auf den Fersen war, verdammte Scheiße?«

»Ich habe keine Schuld, dass du so blöd bist«, gab mir der Kleine Italo zur Antwort. »Wir haben euch in der Werkstatt gesucht und nicht gefunden, bis wir euch in dem Achtzylinder herauskommen sahen. Dann sind wir diesen Volltrotteln bis zum Parkhaus gefolgt. Der Kleine wird nicht sehr zufrieden sein, Carlitos. Fünf Morde in fünf Minuten. Aber Kommissar Caputo, der wird zufrieden sein.«

Der Dicke fuhr über die Jean-Jaurès-Straße Richtung Abasto-Markt. Wir waren auf unserem Territorium.