Historischer Hintergrund

Das letzte Drittel des siebzehnten Jahrhunderts war eine kriegerische Zeit. Frankreich, das mächtigste Reich Europas, hatte in Ludwig XIV. einen energischen und ehrgeizigen König, der seine Macht stärken und sein Reich vergrößern wollte. Dies konnte jedoch nur zu Lasten seiner Nachbarn geschehen. Da war Spanien, das nicht nur an den Pyrenäen an Frankreich grenzte, sondern auch große Teile des heutigen Belgiens als »Spanische Niederlande« beherrschte. Der zweite Nachbar war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, seit dem Westfälischen Frieden nur noch ein loser Zusammenschluss von kleinen Reichsgrafschaften, Reichsstädten, Reichsabteien bis hin zu den großen Herrschaften Brandenburg, Sachsen und vor allem Österreich.

Für seine Kriege suchte Ludwig XIV. Gründe, die ihm eine Rechtfertigung dafür boten, und fand diese in der Vergangenheit. Seine Beamten mussten in sogenannten Reunionskammern nach alten Urkunden und Aufzeichnungen forschen, denen zufolge die Gebiete für die gewünschte Reichsvergrößerung irgendwann einmal französisches Lehen gewesen waren. Ludwig XIV. dehnte die Zeit bis zu Karl dem Großen und dessen Reich aus, so dass er als Erklärung für seine Kriege ausschließlich die Rückgewinnung seit damals verlorener Gebiete einfordern konnte.

Sehr oft, wenn auch nicht immer, war Ludwig XIV. damit erfolgreich. So eroberte er etliche neue Gebiete und drängte die Habsburger an der gemeinsamen Grenze zurück. Er fand auch stets Verbündete, die sich in seinem Schatten ebenfalls einen Zuwachs an Land und Einfluss erhofften. Andere Landesherren verhielten sich neutral oder schlossen ein geheimes Bündnis mit Ludwig XIV., damit dieser sich ihren Nachbarn, nicht aber ihnen zuwandte.

Es war für den Kaiser (in unserem Roman Leopold I.) fast unmöglich, ein dauerhaftes Bündnis gegen Frankreich zu schließen. Zum einen war seine Macht auf Österreich beschränkt, und das wurde von den Osmanen bedroht, die von Konstantinopel/Istanbul aus den größten Teil Südosteuropas beherrschten. Zum Zweiten war es eine Zeitepoche, in der Rang und Ehre eine ungeheure Bedeutung besaßen. Beim Zusammentreffen gekrönter Häupter wurde um die prunkvollere Sitzgelegenheit ebenso erbittert gestritten wie um Erbschaften und Landgewinn. Wer nur einen einfachen Stuhl oder gar einen Schemel zugewiesen bekam, stand im Rang weit unter jemandem, der auf einem gepolsterten Sessel mit Armlehnen thronte.

Der Kaiser in Wien hatte im Reich keine Macht mehr, doch er tat alles, um weiterhin als Kaiser zu gelten und nicht nur als Erster unter Gleichen, wie es die Fürsten und Herzöge der großen deutschen Teilreiche gerne gesehen hätten. Das eigene Ansehen galt alles, und so verhielten sich Leopold und seine Berater so, als hätten sie allein über Krieg und Frieden im Reich zu entscheiden. So mancher Fürst, der mit Leopold verbündet war, wurde von den Verhandlungen mit den Franzosen ausgeschlossen und erfuhr erst hinterher, dass Frieden geschlossen worden war und er nicht mehr gebraucht wurde. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Preußen war darüber so erzürnt, dass er mehrfach die Seiten wechselte und ein Bündnis mit Frankreich einging. Allerdings war er in seinen Bündnissen allgemein sehr flexibel.

 

In diese Zeit hinein haben wir unseren Roman geschrieben. Es herrscht kein Frieden, aber auch nicht direkt Krieg. Eine kleine Reichsstadt am Rhein wird seit einem Jahr von den Franzosen besetzt. Sie mit einem großen Heer von dort zu vertreiben, könnte der Zündfunke für das Wiederaufflammen eines großen Krieges sein. Die Anwesenheit der Franzosen in unserem Oppingen kann der Kaiser jedoch nicht hinnehmen, da diese von dort aus die Lande am Rhein bis zu den Niederlanden bedrohen können. Daher schließt Leopold ein Bündnis mit dem Reichsgrafen von Berrinsburg, der sich im Gegenzug eine Rangerhöhung und andere Vorteile erhofft.

 

Oppingen und Berrinsburg sind fiktive Ortschaften. Das Geschehen um diese beiden Städte entspricht jedoch den Gepflogenheiten jener Zeit.

 

Iny und Elmar Lorentz