Nachlese
Romanzero
Schloßlegende
Zu Berlin im alten Schlosse,
Sehen wir, aus Stein gemetzt,
Wie ein Weib mit einem Rosse
Sodomitisch sich ergötzt.
Und es heißt: daß jene Dame
Die erlauchte Mutter ward
Unsres Fürstenstamms; der Same
Schlug fürwahr nicht aus der Art.
Ja, sie hatten alle wenig
Von der menschlichen Natur!
Und an jedem Preußenkönig
Merkte man die Pferdespur.
Stets brutal zugleich und blöde,
Stallgedanken, jammervoll,
Ein Gewieher ihre Rede,
Eine Bestie jeder Zoll.
Du allein, du des Geschlechtes
Letzter Sprößling, fühlst und denkst
Wie ein Mensch, und hast ein echtes
Christenherz, und bist kein Hengst.
Michel nach dem März
Solang ich den deutschen Michel gekannt,
War er ein Bärenhäuter;
Ich dachte im März, er hat sich ermannt
Und handelt fürder gescheuter.
Wie stolz erhob er das blonde Haupt
Vor seinen Landesvätern!
Wie sprach er – was doch unerlaubt –
Von hohen Landesverrätern.
Das klang so süß zu meinem Ohr
Wie märchenhafte Sagen,
Ich fühlte, wie ein junger Tor,
Das Herz mir wieder schlagen.
Doch als die schwarzrotgoldne Fahn’,
Der altgermanische Plunder,
Aufs neu’ erschien, da schwand mein Wahn
Und die süßen Märchenwunder.
Ich kannte die Farben in diesem Panier
Und ihre Vorbedeutung:
Von deutscher Freiheit brachten sie mir
Die schlimmste Hiobszeitung.
Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn –
Die Helden aus andern Zeiten
Aus ihren Gräbern wieder nahn
Und für den Kaiser streiten.
Die Burschenschaftler allesamt
Aus meinen Jünglingsjahren,
Die für den Kaiser sich entflammt,
Wenn sie betrunken waren.
Ich sah das sündenergraute Geschlecht
Der Diplomaten und Pfaffen,
Die alten Knappen vom römischen Recht,
Am Einheitstempel schaffen –
Derweil der Michel geduldig und gut
Begann zu schlafen und schnarchen,
Und wieder erwachte unter der Hut
Von vierunddreißig Monarchen.
Festgedicht
Beeren-Meyer, Meyer-Beer!
Welch ein Lärm, was ist der Mär?
Willst du wirklich jetzt gebären
Und den Heiland uns bescheren,
Der verheißen, der versprochen?
Kommst du wirklich in die Wochen?
Das ersehnte Meisterstück
Dreizehnjähriger Kolik,
Kommt das Schmerzenskind am End,
Das man »Jan von Leyden« nennt?
Nein, es ist nicht mehr Erfindung
Der Journale - die Entbindung
Ist vollbracht, sie ist geschehen!
Überstanden sind die Wehen;
Der verehrte Wöchner liegt
Mit verklärtem Angesicht
In dem angstbetränten Bette!
Eine warme Serviette
Legt ihm Gouin auf den Bauch,
Welcher schlaff wie’n leerer Schlauch.
Doch die Kindbettzimmerstille
Unterbricht ein laut Gebrülle
Plötzlich - es erschmettern hell
Die Posaunen, Israel
Ruft mit tausend Stimmen: »Heil!«
(Unbezahlt zum größten Teil)
»Heil dem Meister, der uns teuer,
Heil dem großen Beeren-Meyer,
Heil dem großen Meyer-Beer!
Der, nach Nöten lang und schwer,
Der nach langen, schweren Nöten
Uns geboren den Propheten!«
Aus dem Jubilantenchor
Tritt ein junger Mann hervor,
Der gebürtig ist aus Preußen
Und Herr Brandus ist geheißen.
Sehr bescheiden ist die Miene
(Ob ihn gleich ein Beduine,
Ein berühmter Rattenfänger,
Sein Musikverlagsvorgänger,
Eingeschult in jeden Rummel),
Er ergreifet eine Trummel,
Paukt drauf los im Siegesrausche,
Wie einst Mirjam tat, als Mausche
Eine große Schlacht gewann,
Und er hebt zu singen an:
»Genialer Künstlerschweiß
Hat bedächtig, tropfenweis,
Im Behälter sich gesammelt,
Der mit Plauken fest verrammelt.
Nun die Schleusen aufgezogen,
Bricht hervor in stolzen Wogen
Das Gewässer - Gottes Wunder!
’s ist ein großer Strom jetzunder,
Ja, ein Strom des ersten Ranges,
Wie der Euphrat, wie der Ganges,
Wo an palmigen Gestaden
Elefantenkälber baden,
Wie der Rheinstrom bei Schaffhausen,
Wo Kaskaden schäumen, brausen
Und Berliner Studiosen
Gaffend stehn mit feuchten Hosen,
Wie die Weichsel, wo da hausen
Edle Polen, die sich lausen,
Singend ihre Heldenleiden
Bei des Ufers Trauerweiden;
Ja, er ist fast wie ein Meer,
Wie das Rote, wo das Heer
Pharaonis mußt ersaufen,
Während wir hindurchgelaufen
Trocknen Fußes mit der Beute -
Welche Tiefe, welche Breite!
Hier auf diesem Erdenglobus
Gibts kein beßres Wasser-Opus!
Es ist hochsublim poetisch,
Urtitanisch majestätisch,
Groß wie Gott und die Natur -
Und ich hab die Partitur!«
Diesseits und jenseits des Rheins
Sanftes Rasen, wildes Kosen,
Tändeln mit den glühnden Rosen,
Holde Lüge, süßer Dunst,
Die Veredlung roher Brunst,
Kurz, der Liebe heitre Kunst –
Da seid Meister ihr, Franzosen!
Aber wir verstehn uns baß,
Wir Germanen, auf den Haß.
Aus Gemütes Tiefen quillt er,
Deutscher Haß! Doch riesig schwillt er,
Und mit seinem Gifte füllt er
Schier das Heidelberger Faß.
Lebewohl
Hatte wie ein Pelikan
Dich mit eignem Blut getränket,
Und du hast mir jetzt zum Dank
Gall’ und Wermut eingeschenket.
Böse war es nicht gemeint,
Und so heiter blieb die Stirne;
Leider mit Vergeßlichkeit
Angefüllt ist dein Gehirne.
Morphine
Groß ist die Ähnlichkeit der beiden schönen
Jünglingsgestalten, ob der eine gleich
Viel blässer als der andre, auch viel strenger,
Fast möcht ich sagen: viel vornehmer aussieht
Als jener andre, welcher mich vertraulich
In seine Arme schloß – Wie lieblich sanft
War dann sein Lächeln, und sein Blick wie selig!
Dann mocht es wohl geschehn, daß seines Hauptes
Mohnblumenkranz auch meine Stirn berührte
Und seltsam duftend allen Schmerz verscheuchte
Aus meiner Seel’ – Doch solche Linderung,
Sie dauert kurze Zeit; genesen gänzlich
Kann ich nur dann, wenn seine Fackel senkt
Der andre Bruder’ der so ernst und bleich. –
Gut ist der Schlaf, der Tod ist besser – freilich
Das beste wäre, nie geboren sein.