Zeitgedichte
Antwort
Es ist der rechte Weg, den du betreten,
Doch in der Zeit magst du dich weidlich irren;
Das sind nicht Düfte von Muskat und Myrrhen,
Die jüngst aus Deutschland mir verletzend wehten.
Wir dürfen nicht Victoria trompeten,
So lang noch Säbel tragen unsre Sbirren;
Mich ängstet, wenn die Vipern Liebe girren
Und Wolf und Esel Freyheitslieder flöten. – –
…………………………………………
ca. 1848.
Vermittlung
Du bist begeistert, du hast Muth –
Auch das ist gut!
Doch kann man mit Begeistrungsschätzen
Nicht die Besonnenheit ersetzen.
Der Feind, ich weiß es, kämpfet nicht
Für Recht und Licht –
Doch hat er Flinten und nicht minder
Kanonen, viele Hundertpfünder.
Nimm ruhig dein Gewehr zur Hand –
Den Hahn gespannt –
Und ziele gut – wenn Leute fallen,
Mag auch dein Herz vor Freude knallen.
ca. 1848.
1649–1793–????
Die Briten zeigten sich sehr rüde
Und ungeschliffen als Regizide.
Schlaflos hat König Karl verbracht
In Whitehall seine letzte Nacht.
Vor seinem Fenster sang der Spott
Und ward gehämmert an seinem Schafott.
Viel höflicher nicht die Franzosen waren.
In einem Fiaker haben diese
Den Ludwig Capet zum Richtplatz gefahren;
Sie gaben ihm keine Calèche de Remise,
Wie nach der alten Etikette
Der Majestät gebühret hätte.
Noch schlimmer erging’s der Marie Antoinette,
Denn sie bekam nur eine Charrette;
Statt Chambellan und Dame d’Atour
Ein Sansculotte mit ihr fuhr.
Die Witwe Capet hob höhnisch und schnippe
Die dicke habsburgische Unterlippe.
Franzosen und Briten sind von Natur
Ganz ohne Gemüt; Gemüt hat nur
Der Deutsche, er wird gemütlich bleiben
Sogar im terroristischen Treiben.
Der Deutsche wird die Majestät
Behandeln stets mit Pietät.
In einer sechsspännigen Hofkarosse,
Schwarz panaschiert und beflort die Rosse,
Hoch auf dem Bock mit der Trauerpeitsche
Der weinende Kutscher – so wird der deutsche
Monarch einst nach dem Richtplatz kutschiert
Und untertänigst guillotiniert.
1849.
Epilog
zum Loblied auf den celeberrimo maestro Fiascomo.
Die Neger berichten: der König der Thiere,
Der Löwe, wenn er erkrankt ist, kurire
Sich dadurch, daß er einen Affen zerreißt,
Und ihn mit Haut und Haar verspeist.
Ich bin kein Löwe, ich bin kein König
Der Thiere, doch wollt ich erproben ein wenig
Das Neger-Rezept – ich schrieb dies Poem,
Und ich befinde mich besser seitdem.
P. Zu ›Epilog‹
Aelian erzählt, daß der Löwe, wenn er zornig, einen Affen essen müsse; nichts anders kann ihn besänftigen.
1853.
Jammerthal
Der Nachtwind durch die Lucken pfeift,
Und auf dem Dachstublager
Zwey arme Seelen gebettet sind;
Sie schauen so blaß und mager.
Die eine arme Seele spricht:
Umschling mich mit deinen Armen,
An meinen Mund drück fest deinen Mund,
Ich will an dir erwarmen.
Die andere arme Seele spricht:
Wenn ich in dein Auge sehe,
Verschwindet mein Elend, der Hunger, der Frost
Und all mein Erdenwehe.
Sie küßten sich viel, sie weinten noch mehr,
Sie drückten sich seufzend die Hände,
Sie lachten manchmal und sangen sogar,
Und sie verstummten am Ende.
Am Morgen kam der Commissär,
Und mit ihm kam ein braver
Chirurgus, welcher constatirt
Den Tod der beiden Cadaver.
Die strenge Witt’rung, erklärte er,
Mit Magenleere vereinigt,
Hat beider Ableben verursacht, sie hat
Zum Mindesten solches beschleunigt.
Wenn Fröste eintreten, setzt’ er hinzu,
Sey höchst nothwendig Verwahrung
Durch wollene Decken; er empfahl
Gleichfalls gesunde Nahrung.
1854/55.
[Streiche von der Stirn den Lorbeer]
Streiche von der Stirn den Lorbeer
Der zu lang herunterbammelt
Und vernimm mit freyem Ohr, Beer,
Was dir meine Lippe stammelt.
Ja, nur stammeln, stottern kann ich
Trete vor den großen Mann ich,
Dessen hoher Genius
Ist ein wahrer Kunstgenuß,
Dessen Ruhm ein Meisterstück ist
Und kein Zufall, nicht ein Glück ist
Das im Schlafe ohne Müh
Manchem kömt, er weiß nicht wie
Wie z. B. jener Rotznas
Dem Rossini oder Mozart
Nein der Meister der uns theuer
Unser lieber Beeren-Meyer
Darf sich rühmen er erschuf
Selber seines Namens Ruf,
Durch die Macht der Willenskraft,
Durch des Denkens Wissenschaft,
Durch politisches Gespinste
Und die feinsten Rechenkünste –
Und sein König, sein Protektor
Hat zum Generaldirektor
Sämmtlicher Musikanstalten
Ihn ernannt und mit Gewalten
Ausgerüstet,
Die ich heute unterthänigst
Ehrfurchtsvoll in Anspruch nehme
1854.
Die Menge tut es
»Die Pfannekuchen, die ich gegeben bisher für
drei Silbergroschen, ich geb sie nunmehr für
zwei Silbergroschen; die Menge tue es.«
Nie löscht, als wär sie gegossen in Bronze,
Mir im Gedächtnis jene Annonce,
Die einst ich las im Intelligenzblatt
Der intelligenten Borussenhauptstadt.
Borussenhauptstadt, mein liebes Berlin,
Dein Ruhm wird blühen ewig grihn
Als wie die Beeme deiner Linden –
Leiden sie immer noch an Winden?
Wie geht’s dem Tiergarten? Gibt’s dort noch ein Tier,
Das ruhig trinkt sein blondes Bier,
Mit der blonden Gattin, in den Hütten,
Wo kalte Schale und fromme Sitten?
Borussenhauptstadt, Berlin, was machst du?
Ob welchem Eckensteher lachst du?
Zu meiner Zeit gab’s noch keinen Nante:
Es haben damals nur gewitzelt
Der Herr Wisotzki und der bekannte
Kronprinz, der jetzt auf dem Throne sitzelt.
Es ist ihm seitdem der Spaß vergangen,
Und den Kopf mit der Krone läßt er hangen.
Ich habe ein Faible für diesen König;
Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig.
Ein vornehmer Geist, hat viel Talent –
Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.
Wie mir, ist auch zuwider ihm
Die Musik, das edle Ungetüm;
Aus diesem Grund protegiert auch er
Den Musikverderber, den Meyerbeer.
Der König bekam von ihm kein Geld,
Wie fälschlich behauptet die böse Welt.
Man lügt soviel! Auch keinen Dreier
Kostet der König dem Beerenmeyer.
Derselbe dirigiert für ihn
Die große Oper zu Berlin,
Und doch auch er, der edle Mensch,
Wird nur bezahlt en monnaie de singe,
Mit Titel und Würden – Das ist gewiß,
Er arbeitet dort für den Roi de Prusse.
Denk ich an Berlin, auch vor mir steht
Sogleich die Universität.
Dort reiten vorüber die roten Husaren,
Mit klingendem Spiel, Trompetenfanfaren –
Es dringen die soldatesken Töne
Bis in die Aula der Musensöhne.
Wie geht es dort den Professoren
Mit mehr oder minder langen Ohren?
Wie geht es dem elegant geleckten,
Süßlichen Troubadour der Pandekten,
Dem Savigny? Die holde Person,
Vielleicht ist sie längst gestorben schon –
Ich weiß es nicht – ihr dürft’s mir entdecken,
Ich werde nicht zu sehr erschrecken.
Auch Lott’ ist tot! Die Sterbestunde,
Sie schlägt für Menschen wie für Hunde,
Zumal für Hunde jener Zunft,
Die immer angebellt die Vernunft
Und gern zu einem römischen Knechte
Den deutschen Freiling machen möchte.
Und der Maßmann mit der platten Nas’,
Hat Maßmann noch nicht gebissen ins Gras?
Ich will es nicht wissen, o sagt es mir nicht,
Wenn er verreckt – ich würde weinen.
O mag er noch lange im Lebenslicht
Hintrippeln auf seinen kurzen Beinchen,
Das Wurzelmännchen, das Alräunchen
Mit dem Hängewanst! O diese Figur
War meine Lieblingskreatur
So lange Zeit – ich sehe sie noch –
So klein sie war, sie soff wie ein Loch,
Mit seinen Schülern, die bierentzügelt
Den armen Turnmeister am Ende geprügelt.
Und welche Prügel! Die jungen Helden,
Sie wollten beweisen, daß rohe Kraft
Und Flegeltum noch nicht erschlafft
Beim Enkel von Hermann und Thusnelden!
Die ungewaschnen germanischen Hände,
Sie schlugen so gründlich, das nahm kein Ende,
Zumal in den Steiß die vielen Fußtritte,
Die das arme Luder geduldig litte.
»Ich kann«, rief ich, »dir nicht versagen
All meine Bewundrung; wie kannst du ertragen
So viele Prügel? du bist ein Brutus!«
Doch Maßmann sprach: »Die Menge tut es.«
Und apropos: wie sind geraten
In diesem Jahr die Teltower Rüben
Und sauren Gurken in meiner lieben
Borussenstadt? Und die Literaten,
Befinden sie sich noch frisch und munter?
Und ist immer noch kein Genie darunter?
Jedoch, wozu ein Genie? wir laben
Uns besser an frommen, bescheidnen Gaben,
Auch sittliche Menschen haben ihr Gutes –
Zwölf machen ein Dutzend – die Menge tut es.
Und wie geht’s in Berlin den Leutenants
Der Garde? Haben sie noch ihre Arroganz
Und ihre enggeschnürte Taille?
Schwadronieren sie noch von Kanaille?
Ich rate euch, nehmt euch in acht,
Es bricht noch nicht, jedoch es kracht;
Und es ist das Brandenburger Tor
Noch immer so groß und so weit wie zuvor,
Und man könnt euch auf einmal zum Tor hinausschmeißen,
Euch alle, mitsamt dem Prinzen von Preußen –
Die Menge tut es.
1849.
Fabeln
~
~
König Langohr I.
Bei der Königswahl, wie sich versteht,
Hatten die Esel die Majorität,
Und es wurde ein Esel zum König gewählt.
Doch hört, was jetzt die Chronik erzählt:
Der gekrönte Esel bildete sich
Jetzt ein, daß er einem Löwen glich;
Er hing sich um eine Löwenhaut,
Und brüllte wie ein Löwe so laut.
Er pflegte Umgang nur mit Rossen –
Das hat die alten Esel verdrossen.
Bulldoggen und Wölfe waren sein Heer,
Drob murrten die Esel noch viel mehr.
Doch als er den Ochsen zum Kanzler erhoben,
Vor Wut die Esel rasten und schnoben.
Sie drohten sogar mit Revolution!
Der König erfuhr es, und stülpte die Kron’
Sich schnell aufs Haupt und wickelte schnell
Sich in sein mutiges Löwenfell.
Dann ließ er vor seines Thrones Stufen
Die malkontenten Esel rufen,
Und hat die folgende Rede gehalten:
»Hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
Ihr glaubt, daß ich ein Esel sei
Wie ihr, ihr irrt euch, ich bin ein Leu;
Das sagt mir jeder an meinem Hofe,
Von der Edeldame bis zur Zofe.
Mein Hofpoet hat ein Gedicht
Auf mich gemacht, worin er spricht:
›Wie angeboren dem Kamele
Der Buckel ist, ist deiner Seele
Die Großmut des Löwen angeboren –
Es hat dein Herz keine langen Ohren!‹
So singt er in seiner schönsten Strophe,
Die jeder bewundert an meinem Hofe.
Hier bin ich geliebt; die stolzesten Pfauen
Wetteifern, mein königlich Haupt zu krauen.
Die Künste beschütz ich; man muß gestehn,
Ich bin zugleich August und Mäzen.
Ich habe ein schönes Hoftheater;
Die Heldenrollen spielt mein Kater.
Die Mimin Mimi, die holde Puppe,
Und zwanzig Möpse bilden die Truppe.
Ich hab eine Malerakademie
Gestiftet für Affen von Genie.
Als ihren Direktor hab ich in petto,
Den Raffael des Hamburger Getto,
Lehmann vom Dreckwall, zu engagieren;
Er soll mich auch selber porträtieren.
Ich hab eine Oper, ich hab ein Ballett,
Wo halb entkleidet und ganz kokett
Gar allerliebste Vögel singen
Und höchst talentvolle Flöhe springen.
Kapellenmeister ist Meyer-Bär,
Der musikalische Millionär;
Jetzt schreibt der große Bären-Meyer
Ein Festspiel zu meiner Vermählungsfeier.
Ich selber übe die Tonkunst ein wenig,
Wie Friedrich der Große, der Preußenkönig.
Er blies die Flöte, ich schlage die Laute,
Und manches schöne Auge schaute
Sehnsüchtig mich an, wenn ich mit Gefühl
Geklimpert auf meinem Saitenspiel.
Mit Freude wird einst die Königin
Entdecken, wie musikalisch ich bin!
Sie selbst ist eine vollkommene Stute
Von hoher Geburt, vom reinsten Blute.
Sie ist eine nahe Anverwandte
Von Don Quixotes Rosinante;
Ihr Stammbaum bezeugt, daß sie nicht minder
Verwandt mit dem Bayard der Haimonskinder;
Sie zählt auch unter ihren Ahnen
Gar manchen Hengst, der unter den Fahnen
Gottfrieds von Bouillon gewiehert hat,
Als dieser erobert die Heilige Stadt.
Vor allem aber durch ihre Schöne Glänzt sie!
Wenn sie schüttelt die Mähne,
Und wenn sie schnaubt mit den rosigen Nüstern,
Jauchzt auf mein Herz, entzückt und lüstern –
Sie ist die Blume und Krone der Mähren
Und wird mir einen Kronerben bescheren.
Ihr seht, verknüpft mit dieser Verbindung
Ist meiner Dynastie Begründung.
Mein Name wird nicht untergehn,
Wird ewig in Klios Annalen bestehn.
Die hohe Göttin wird von mir sagen,
Daß ich ein Löwenherz getragen
In meiner Brust, daß ich weise und klug
Regiert und auch die Laute schlug.«
Hier rülpste der König, doch unterbrach er
Nicht lange die Rede, und weiter sprach er:
»Hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
Ich werd euch meine Gunst erhalten,
Solang ihr derselben würdig seid.
Zahlt eure Steuern zur rechten Zeit
Und wandelt stets der Tugend Bahn,
Wie weiland eure Väter getan,
Die alten Esel! Sie trugen zur Mühle
Geduldig die Säcke; denn ihre Gefühle,
Sie wurzelten tief in der Religion.
Sie wußten nichts von Revolution –
Kein Murren entschlüpfte der dicken Lippe,
Und an der Gewohnheit frommen Krippe
Fraßen sie friedlich ihr tägliches Heu!
Die alte Zeit, sie ist vorbei.
Ihr neueren Esel seid Esel geblieben,
Doch ohne Bescheidenheit zu üben.
Ihr wedelt kümmerlich mit dem Schwanz,
Doch drunter lauert die Arroganz.
Ob eurer albernen Miene hält
Für ehrliche Esel euch die Welt;
Ihr seid unehrlich und boshaft dabei,
Trotz eurer demütigen Eselei.
Steckt man euch Pfeffer in den Steiß,
Sogleich erhebt ihr des Eselgeschreis
Entsetzliche Laute! Ihr möchtet zerfleischen
Die ganze Welt, und könnt nur kreischen.
Unsinniger Jähzorn, der alles vergißt!
Ohnmächtige Wut, die lächerlich ist!
Eu’r dummes Gebreie, es offenbart,
Wie viele Tücken jeder Art,
Wie ganz gemeine Schlechtigkeit
Und blöde Niederträchtigkeit
Und Gift und Galle und Arglist sogar
In der Eselshaut verborgen war.«
Hier rülpste der König, doch unterbrach er
Nicht lange die Rede, und weiter sprach er:
»Hochmögende Esel, ihr jungen und alten!
Ihr seht, ich kenne euch! Ungehalten,
Ganz allerhöchst ungehalten bin ich,
Daß ihr so schamlos widersinnig
Verunglimpft habt mein Regiment.
Auf eurem Eselsstandpunkt könnt
Ihr nicht die großen Löwenideen
Von meiner Politik verstehen.
Nehmt euch in acht! In meinem Reiche
Wächst manche Buche und manche Eiche,
Woraus man die schönsten Galgen zimmert,
Auch gute Stöcke. Ich rat euch, bekümmert
Euch nicht ob meinem Schalten und Walten!
Ich rat euch, ganz das Maul zu halten!
Die Räsoneure, die frechen Sünder,
Die laß ich öffentlich stäupen vom Schinder;
Sie sollen im Zuchthaus Wolle kratzen.
Wird einer gar von Aufruhr schwatzen
Und Straßen entpflastern zur Barrikade –
Ich laß ihn henken ohne Gnade.
Das hab ich euch, Esel, einschärfen wollen!
Jetzt könnt ihr euch nach Hause trollen.«
Als diese Rede der König gehalten,
Da jauchzten die Esel, die jungen und alten;
Sie riefen einstimmig: »I-A! I-A!
Es lebe der König! Hurra! Hurra!«
um 1853.
Die Wanderratten
Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.
Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.
Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl durch die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
Die lebenden lassen die toten zurück.
Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.
Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.
Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
Daß unsre Seele unsterblich ist.
So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.
Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen – die Zahl ist Legion.
O wehe! wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Toren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und keiner weiß Rat.
Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigentum.
Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Senatsdekrete,
Auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
Sie helfen euch heute, ihr lieben Kinder!
Heut helfen euch nicht die Wortgespinste
Der abgelebten Redekünste.
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.
Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
Begleitet mit Göttinger Wurstzitaten.
Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Rotten
Viel besser als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero.
1852-54.
Pferd und Esel
Auf eisernen Schienen, so schnell wie der Blitz,
Dampfwagen und Dampfkutschen,
Mit dem schwarzbewimpelten Rauchfangmast,
Prasslend vorüberrutschen.
Der Troß kam einem Gehöft vorbey,
Wo über die Hecke guckte
Langhalsig ein Schimmel; neben ihm stand
Ein Esel, der Disteln schluckte.
Mit stierem Blick sah lange das Pferd
Dem Zuge nach. Es zittert
An allen Gliedern, und seufzt und spricht:
Der Anblick hat mich erschüttert!
Wahrhaftig, wär’ ich nicht von Natur
Bereits gewesen ein Schimmel,
Erbleichend vor Schrecken wär’ mir die Haut
Jetzt weiß geworden; o Himmel!
Bedroht ist das ganze Pferdegeschlecht
Von schrecklichen Schicksalsschlägen.
Obgleich ein Schimmel, schau’ ich doch
Einer schwarzen Zukunft entgegen.
Uns Pferde tödtet die Concurrenz
Von diesen Dampfmaschinen –
Zum Reiten, zum Fahren wird sich der Mensch
Des eisernen Viehes bedienen.
Und kann der Mensch zum Reiten uns,
Zum Fahren uns entbehren –
Ade der Hafer! Ade das Heu!
Wer wird uns dann ernähren?
Des Menschen Herz ist hart wie Stein;
Der Mensch giebt keinen Bissen
Umsonst. Man jagt uns aus dem Stall,
Wir werden verhungern müssen.
Wir können nicht borgen und stehlen nicht,
Wie jene Menschenkinder,
Auch schmeicheln nicht wie der Mensch und der Hund –
Wir sind verfallen dem Schinder.
So klagte das Roß, und seufzte tief.
Der Langohr unterdessen
Hat mit der gemüthlichsten Seelenruh’
Zwey Distelköpfe gefressen.
Er leckte die Schnauze mit der Zung,
Und gemüthlich begann er zu sprechen:
Ich will mir wegen der Zukunft nicht
Schon heute den Kopf zerbrechen.
Ihr stolzen Rosse seyd freylich bedroht
Von einem schrecklichen Morgen.
Für uns bescheidne Esel jedoch
Ist keine Gefahr zu besorgen.
So Schimmel wie Rappen, so Schecken wie Fuchs,
Ihr seid am Ende entbehrlich;
Uns Esel jedoch ersetzt Hans Dampf
Mit seinem Schornstein schwerlich.
Wie klug auch die Maschinen sind,
Welche die Menschen schmieden,
Dem Esel bleibt zu jeder Zeit
Sein sicheres Daseyn beschieden.
Der Himmel verläßt seine Esel nicht,
Die ruhig im Pflichtgefühle,
Wie ihre frommen Väter gethan,
Tagtäglich traben zur Mühle.
Das Mühlrad klappert, der Müller mahlt,
Und schüttet das Mehl in die Säcke;
Das trag’ ich zum Bäcker, der Bäcker backt,
Und der Mensch frißt Bröde und Wecke.
In diesem uralten Naturkreislauf
Wird ewig die Welt sich drehen,
Und ewig unwandelbar wie die Natur,
Wird auch der Esel bestehen.
Moral
Die Ritterzeit hat aufgehört,
Und hungern muß das stolze Pferd.
Dem armen Luder, dem Esel aber
Wird niemals fehlen sein Heu und Haber.
1852-55.
Aus der Zopfzeit
Fabel
Zu Kassel waren zwey Ratten,
Die nichts zu essen hatten.
Sie sahen sich lange hungrig an;
Die eine Ratte zu wispern begann:
Ich weiß einen Topf mit Hirsebrey,
Doch leider steht eine Schildwach dabey;
Sie trägt churfürstliche Uniform,
Und hat einen Zopf der ist enorm;
Die Flinte ist geladen mit Schrot,
Und wer sich naht, den schießt sie todt.
Die andere Ratte knistert
Mit ihren Zähnchen und wispert:
Des Churfürsten Durchlaucht sind gescheit,
Er liebt die gute alte Zeit,
Die Zeit der alten Chatten,
Die lange Zöpfe hatten.
Durch ihre Zöpfe die Chatten
Wetteiferten mit den Ratten.
Der Zopf ist aber das Sinnbild nur
Des Schwanzes, den uns verlieh die Natur;
Wir auserwählten Geschöpfe,
Wir haben natürliche Zöpfe.
O Churfürst, liebst du die Chatten,
So liebst du auch die Ratten;
Gewiß für uns dein Herze klopft,
Da wir schon von der Natur bezopft.
O gieb, du edler Philozopf,
O gieb uns frey den Hirsetopf,
O gieb uns frey den Topf mit Brey,
Und löse ab die Schildwach dabey.
Für solche Huld, für solchen Brey,
Wir wollen dir dienen mit Lieb und Treu.
Und stirbst du einst, auf deinem Grab
Wir schneiden uns traurig die Schwänze ab,
Und flechten sie um dein Haupt als Kranz;
Dein Lorbeer sey ein Rattenschwanz!
1852-55.
Die Wahlesel
Die Freiheit hat man satt am End’,
Und die Republik der Tiere
Begehrte, daß ein einz’ger Regent
Sie absolut regiere.
Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben;
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intrigen wurden getrieben.
Das Komitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret;
Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard’,
Die schwarz-rot-gold, verzieret.
Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.
Als einer jedoch die Kandidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: »Du bist ein Verräter!
Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;
Du bist kein Esel, ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.
Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut,
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.
Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;
Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.
Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel;
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.
Ich bin kein Römling, ich bin kein Slaw’;
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.
Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele;
Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
Mit ihren Säcken zur Mühle.
Die Väter sind nicht tot! Im Grab
Nur ihre Häute liegen,
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.
Verklärte Esel im Glorialicht!
Wir wollen euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Nur einen Fingerbreit weichen.
O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren.
Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.
Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.
Und weil ich ein Esel, so rat ich euch,
Den Esel zum König zu wählen;
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.
Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen! Es lebe, hurra!
Der König vom Eselsgeschlechte!«
So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.
Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt’ er mit dem Schwanze.
1852-55.
Duelle
Zwey Ochsen disputirten sich
Auf einem Hofe fürchterlich.
Sie waren beide zornigen Blutes
Und in der Hitze des Disputes
Hat einer von ihnen, zornentbrant
Den andern einen Esel genannt.
Da Esel ein Tusch ist bey den Ochsen
So mußten die beiden John Bulle sich boxen.
Auf selbigem Hofe zu selbiger Zeit
Gerieten auch zwey Esel in Streit,
Und heftig stritten die beiden Langohren
Bis einer so sehr die Geduld verloren
Daß er ein wildes I-A ausstieß
Und den Andern einen Ochsen hieß.
Ihr wißt ein Esel fühlt sich tuchirt
Wenn man ihn Ochse titulirt.
Ein Zweykampf folgte, die beiden stießen
Sich mit den Köpfen, mit den Füßen
Gaben sich manchen Tritt in den Podex
Wie es gebietet der Ehre Codex.
Und die Moral? Ich glaub es giebt Fälle
Wo unvermeidlich sind die Duelle;
Es muß sich schlagen der Student
Den man einen dummen Jungen nennt.
1854-55.
Der tugendhafte Hund
Ein Pudel, der mit gutem Fug
Den schönen Namen Brutus trug,
War vielberühmt im ganzen Land
Ob seiner Tugend und seinem Verstand.
Er war ein Muster der Sittlichkeit,
Der Langmuth und Bescheidenheit.
Man hörte ihn loben, man hörte ihn preisen,
Als einen vierfüßigen Nathan den Weisen.
Er war ein wahres Hundejuvel!
So ehrlich und treu! eine schöne Seel’!
Auch schenkte sein Herr in allen Stücken
Ihm volles Vertrauen, er konnte ihn schicken
Sogar zum Fleischer. Der edle Hund
Trug dann einen Hängekorb im Mund,
Worin der Metzger das schöngehackte
Rindfleisch, Schaffleisch, auch Schweinefleisch packte –
Wie lieblich und lockend das Fett gerochen,
Der Brutus berührte keinen Knochen,
Und ruhig und sicher, mit stoischer Würde,
Trug er nach Hause die kostbare Bürde.
Doch unter den Hunden wird gefunden
Auch eine Menge von Lumpenhunden –
Wie unter uns – gemeine Köter,
Tagdiebe, Neidharde, Schwerenöther,
Die ohne Sinn für sittliche Freuden
Im Sinnenrausch ihr Leben vergeuden!
Verschworen hatten sich solche Racker
Gegen den Brutus, der treu und wacker
Mit seinem Korb im Maule nicht
Gewichen von dem Pfad der Pflicht –
Und eines Tages als er kam
Vom Fleischer und seinen Rückweg nahm
Nach Hause, da ward er plötzlich von allen
Verschworenen Bestien überfallen;
Da ward ihm der Korb mit dem Fleisch entrissen,
Da fielen zu Boden die leckersten Bissen,
Und fraßbegierig über die Beute
Warf sich die ganze hungrige Meute –
Brutus sah anfangs dem Schauspiel zu,
Mit philosophischer Seelenruh’,
Doch als er sah, daß solchermaßen
Sämmtliche Hunde schmausten und fraßen,
Da nahm er auch an der Mahlzeit Theil
Und speiste selbst eine Schöpsenkeul’ –
Moral
Auch du, mein Brutus, auch du, du frißt?
So ruft wehmüthig der Moralist.
Ja böses Beyspiel kann verführen;
Und ach! gleich allen Säugethieren,
Nicht ganz und gar vollkommen ist
Der tugendhafte Hund – er frißt!
1854-55.
Fabel
Es saß ein brauner Wanzerich
Auf einem Pfennig und spreitzte sich
Wie ein Rentièr und sprach: »Wer Geld hat
Auch Ehr und Ansehn in der Welt hat.
Wer Geld hat ist auch lieblich und schön –
Es kann kein Weib mir widerstehn;
Die Weiber erbleichen schon und zittern
Sobald sie meinen Odem wittern.
Ich habe manche Sommernacht
Im Bett der Königinn zugebracht;
Sie wälzte sich auf ihren Matrazzen
Und mußte sich beständig kratzen.«
Ein lustiger Zeisig, welcher gehört
Die pralende Worte, war drob empört;
Im heiteren Unmuth sein Schnäbelein schliff er
Und auf das Insekt ein Spottlied pfiff er.
Gemein und schmutzig der Wanzerich
Wie Wanzen pflegen rächte er sich;
Er sagte daß ihm der Zeisig grollte
Weil er kein Geld ihm borgen wollte.
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Und die Moral? Der Fabulist
Verschweigt sie heute mit klugem Zagen,
Denn mächtig verbündet in unseren Tagen
Das reiche Ungeziefer ist.
Es sitzt mit dem Geldsack unter dem Arsch
Und trommelt siegreich den Dessauer Marsch.
1855.
Zu ›Fabel‹
Das Ungeziefer jedes Lands
Es bildet eine heil’ge Allianz.
Zumal die musikalischen Wanzen
Die Componisten von schlechten Romanzen
(Welche, wie Schlesingers Uhr nicht gehn)
Allüberall im Bündniß stehn.
Da ist der Mozart der Krätze in Wien
Die Perle ästhetischer Pfänderleiher
Der intriguirt mit dem Lorbeermeyer,
Dem großen Maestro in Berlin –
Da werden Artikelchen ausgeheckt
Die eine Blattlaus, ein Mitinsekt
Für baares Geld in die deutsche Presse schmuckelt –
Das lügt und kriecht und katzebuckelt –
Und hat dabey die Melancholik –
Das Publikum glaubt oft der Lüge
Aus Mitleid; es sind so leidend die Züge
Der Heuchler und ihr Dulderblick –
Was willst du thun in solchen Nöthen
Du mußt die Verläumdung ruhig ertragen,
Du darfst nicht reden, du darfst nicht klagen
Willst du das schnöde Geschmeiß zertreten
Verpestet es dir die Luft mit Gestank,
Beschmutzt dir den Stiefel, der so blank –
1855.