
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr
»Du reist ab? Ich denke Martin ist gerade gekommen.« Anja schaut mich ungläubig an. Ob sie nun mitfahren will oder nicht, will ich wissen. Sie will nicht. Sie hat bereits einen Flug für den nächsten Tag gebucht und das Ticket ist bei Storno nicht rückerstattungsfähig.
»Habt ihr Streit?«
»Nein. Wir haben uns ausgesprochen und dabei habe ich sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen, die mich jetzt zum Handeln zwingen.«
»Er hat tatsächlich was mit seiner Assistentin?«
»Frag du ihn. Ich fahre jetzt los.«
Einen schlechteren Reisetag hätte ich mir nicht aussuchen können. Die Autobahn ist brechend voll. Während ich im endlos langen Stau stehe, überlege ich, wann ich bei diesem Tempo wohl in Hamburg ankommen werde. Wie bescheuert bist du eigentlich Charlotte? Was willst du denn an Pfingsten in Hamburg? Die Bank hat zu. Vor Dienstag wirst du niemanden erreichen. Also zurück in Martins Haus? Auf keinen Fall. Die Blöße werde ich mir nicht geben. Nein, ich werde mich bis Marseille durchquälen und Linde und ihren Männern einen Besuch abstatten. Ob ich willkommen bin, frage ich telefonisch nach.
»Ich komme nämlich mit einer Überraschung im Gepäck.«
»Wie schön. Beeile dich, wir freuen uns«, sagt Linde.
Jackson legt sich gleich auf den Rücken und bepinkelt sich beim Anblick der heranstürmenden Artgenossen. Aber Lindes Promenadenmischungen tun ihm nichts. Nach dem ersten Beschnuppern toben sie alle gemeinsam durch den großen Garten.
»Der Hund ist die Überraschung?«, sagt Albert enttäuscht. Sie hatten alle auf die Bekanntgabe unseres Hochzeitstermins getippt.
»Der Termin ist in ganz weite Ferne gerückt«, schimpfe ich und berichte von Martins Vorwurf, ich würde nur finanziell an ihm interessiert sein. Linde will mir nicht glauben.
»Das kann er nur aus Wut gesagt haben. Sicherlich hat er es nicht so gemeint«, nimmt sie ihren Sohn in Schutz.
»Habt ihr schon gegessen?«
»Gerade fertig. Hast du Hunger? Ich mache dir gern eine Kleinigkeit«, bietet Caruso an, während er den Joint und ein Feuerzeug auf den Tisch legt.
»Steck ihn an und dann reiche mir den Burschen rüber. Heute werde ich mal unvernünftig sein.«
Ich bin die Erste, die ziehen darf. Etwa auf Lunge? Na klar, was sonst. Und nicht gleich loshusten. Stell dich nicht wie ein kleines, dummes Mädchen an! Meine Güte, das geht ja sofort in den Kopf. Wenn Martin mich jetzt sehen könnte. Er würde komplett ausflippen. Wie komisch. Wie urkomisch. Ich lache mich gleich schlapp. Nein ich lache mich schlapp.
»Ihr hättet sein dummes Gesicht sehen sollen, als ihm gesagt habe, er solle die Zeit in seinem Haus genießen, solange es ihm noch gehört«, gackere ich. »Und wisst ihr, wie er den harmlosen Jon Miller genannt hat? Mr. Möchtegern Hemingway. Ist das nicht saukomisch?«
Albert und Caruso lachen gemeinsam mit mir. Als Linde fragt, ob Martin sich im Schrank versteckt hat, prusten wir alle zusammen los. Meine Fresse. Ist das lustig. Ich habe noch nie solange am Stück gelacht und mir tut bereits der Bauch weh. Ich kann nicht mehr frei durchatmen und gluckse nur noch.
»Lass mich noch mal ziehen«, bettle ich. »Daran könnte ich mich gewöhnen. Das sollte Martin auch unbedingt ausprobieren. Ist besser als Sushi.«
»Wieso Sushi?«, fragt Albert nach.
»Sie hat ihn mit rohem Fisch gefüttert. Wie einen Seehund bei Planten und Blomen«, kreische ich.
»Oink, oink«, versuche ich zu imitieren.
»So macht ein Schwein«, lacht Linde.
»Dann mach du uns doch einen Seehund, du alte Besserwisserin!«, fordert Caruso sie auf. Danach ist es um uns geschehen. Wir biegen uns vor Lachen.
»Sag nicht Alte zu mir, du Scheintoter!«
»Nein, das heißt heutzutage antik«, brülle ich und bitte um eine Auszeit. Mein Zwerchfell schmerzt und ich kann beim besten Willen nicht mehr lachen. Danach legen wir vier uns auf die Liegestühle und stimmen den Kanon an. Caruso sagt mir, ich solle die erste Stimme übernehmen. Und ich drehe mich nur noch zuckend auf die Seite. Was für eine tolle Mittagspause.
Drei Tage Sonne und Strand. Linde und ich haben uns vor der Strandbar zwei Liegestühle reserviert. Ich verzichte auf einen Sonnenschirm und brutzle mit Sonnenschutzfaktor 30 in der warmen Sonne.
»Woran arbeitest du gerade?«, frage ich die Künstlerin. Sie sagt, sie hätte eine Auftragsarbeit für einen Bauträger angenommen. Namensschilder in Stein gemeißelt, die im Eingangsbereich der neuen Villen in die Mauern eingelassen werden sollen. Tolle Idee.
»Machst du mir auch eins?«
»Etwa Villa Talbach?«
»Na klar, was sonst?«
»Und du bist dir sicher, dass du das Geld zusammen bekommst? Die Banken zieren sich zurzeit.«
»Mein Sparkassenfritze soll sich ja nicht einfallen lassen, mir den Kredit zu versagen. Schließlich bin ich seit über zwanzig Jahren dort Kunde. Guter Kunde. Was immer das heutzutage bedeuten mag.«
Linde lacht und ich will wissen warum.
»So langsam wird mir klar, was Martin meinte.«
»Was meinte Martin denn? Los spuck es aus. Was hat er über mich erzählt.«
»Dass du dir nicht die Butter vom Brot nehmen lässt und er zuvor noch nie einer so selbstbewussten und halsstarrigen Frau, wie dir begegnet ist.«
»Und was ist falsch daran?«
»Männer wie Martin spielen gern den Beschützer. Da ist er seinem Vater sehr ähnlich. Nur du brauchst keinen Beschützer. Das ist euer Problem. Ich habe mich deshalb vom Vater meiner Kinder getrennt. Ich hoffe inständig, ihr findet euren Mittelweg. Es wäre zu schade, wenn es zwischen euch nicht klappt. Denn soweit ich es beurteilen kann, klappt der Rest doch wunderbar.«
»Er nennt mich halsstarrig?«
»Bockig, eigensinnig, stur und unbeschreiblich liebenswert.« Ja, das klingt nach ihm. Und was kann ich über ihn sagen? Rechthaberisch, borniert, snobistisch, treulos und unbeschreiblich liebenswert.
Ich lasse Jackson bei Linde und besteige den Flieger in Marseille. Zwei Tage sollten genügen, um meine Angelegenheiten in Hamburg zu klären. Dafür muss mein Hundebaby keine lange Autofahrt auf sich nehmen. Ich bin braun gebrannt und sehe erholt aus, wie meine Mitarbeiter feststellen. Sie sind überrascht mich zu sehen. Wieso? Noch wohne ich hier. Noch! Herr Svensson von der Sparkasse, bittet mich den aktuellen Grundbuchauszug zum Gespräch mitzubringen. Mist. Darin stehen Martin und ich als gemeinsame Eigentümer der beiden Doppelhaushälften. Ich werde also seine Einwilligung brauchen, um meine Hälfte beleihen zu können.
»Vergiss es, Darling«, lacht er mich am Abend aus und fordert mich auf, endlich zur Vernunft zu kommen. »Komm her zu mir«, haucht er und ich könnte mich ohrfeigen, weil ich ihm verraten habe, dass dieser Satz wie ein Codewort auf mich wirkt.
»Wenn du das sagst, bin ich willenlos, Martin. Dann kann ich dir nicht widerstehen«, hatte ich ihm vor langer Zeit in einem innigen Moment gebeichtet. Das war einmal! Heute kann und werde ich der Versuchung standhalten.
»Du willst mir Steine in den Weg legen? Wie armselig, Seibert. Das ist mein Haus. Ich habe es gefunden. Ich habe den günstigen Preis ausgehandelt und ich habe monatelang Zeit und Kraft in die Fertigstellung investiert. Ich werde es kaufen und als einzige Besitzerin im Grundbuch stehen. Ich dachte zwar, es wäre unser gemeinsamer Wunsch, dort zu leben. Aber so wie es sich jetzt darstellt, liegt dir deutlich weniger daran als mir. Ich brauche keinen Mann, der mir meine Wünsche finanziert. Bisher habe ich meine Träume immer selbst bezahlt. Und daran wirst du mit deiner Mörderkohle nichts ändern. Dein Geld hat mich noch nie interessiert. Dass du das allerdings anders siehst, zeigt mir, dass du mich überhaupt nicht kennst. Du hast nicht die Spur einer Ahnung von mir.«
»Lotte!«
»Lotte geht jetzt schlafen. Allein!«
Svensson druckst. Ohne weitere Sicherheiten, will er meinem Antrag nicht zustimmen.
»Ich habe einen garantierten Produktionsauftrag. Meine Einkünfte sind demzufolge gesichert. Es spricht auch nichts dagegen, dass Sie Ihre Forderungen im französischen Grundbuch eintragen lassen. Also, wo ist das Problem?«
Das Problem ist, dass Svensson sich nicht mit Auslandsimmobilien auskennt. Dann mach dich schlau, du Paddel! Ich will dieses Haus kaufen und du wirst mir das Geld leihen.
»Dann bringen Sie mir bitte den Vorvertrag und ich werde es mit meinen Kollegen aus der Fachabteilung prüfen. Wären Sie denn bereit, uns die künftigen Gewinne aus ihrem Kaufhausauftrag abzutreten? Mit dieser Voraussetzung hätte ich deutlich bessere Karten bei der Kreditbewertung.«
Von mir aus bringe ich dir auch eine Urinprobe vorbei. Hauptsache es klappt und zwar zügig. Ich habe nicht vor, den Sommer in Hamburg zu verbringen. So schnell wie nur möglich will ich wieder abreisen.
»Ich habe das Geld«, lüge ich Martin dreist ins Gesicht. »Also lass uns den Kaufvertrag unterzeichnen.«
Wie ich es angestellt habe, binnen so kurzer Zeit diese hohe Summe zu beschaffen, ohne das Haus zu beleihen, will er wissen.
»Ich habe eine Abtretungserklärung auf meine künftigen Gewinne unterzeichnet. Mehr war nicht nötig. Wie du siehst, ist Lady Marmelade solvent und auf deine Kröten nicht angewiesen. Also was? Wann kann ich unterschreiben?«
»Ich verkaufe dir das Haus nicht. Heirate mich endlich und ich schenke es dir.«
»Bevor ich dich heirate, kaufe ich mir lieber einen Wohnwagen und siedel auf einen Campingplatz um. Steck dir das Haus sonst wo hin! Ich verabscheue dich, Martin. Du hast gewonnen! Behalte das Haus, aber mich bist du los!«
»Sei doch nicht kindisch!«
»Ich bin nicht kindisch, ich bin antik und eine dumme Kuh, weil ich immer treu war! Iss weiterhin rohen Fisch und umgebe dich mit Frauen, die deine Töchter sein könnten. Protze mit deinem Geld. Bei ihnen wirst du mehr Erfolg haben. Und nimm deine Finger von mir, bevor ich sie dir abbeiße!«
»Und wie soll es nun weitergehen?«
»Wir werden nach dem Modell Time Sharing leben. Wohne du weiterhin in Hamburg. Wenn dir der Sinn nach Sonne steht und du in DEIN Ferienhaus kommen willst, dann gib mir Bescheid, damit ich vorzeitig abreisen kann!«
Wieder lacht er mich höhnisch aus. Pass auf Seibert, dass dir dein blödes Lachen nicht im Halse stecken bleibt.