8
Unser Taxi bog in den Willoughby Drive ein.
»Bis nach Nummer 907«, sagte Mrs. Cool, »aber halten Sie dort nicht, sondern fahren Sie langsam vorbei, damit wir uns das Haus erst mal ansehen können.«
Der Fahrer stellte keine Fragen. Fahrgäste, die um diese Nachtzeit in Taxis umherkutschieren, haben oft sonderbare Wünsche, und ein Taxichauffeur verdient sich sein Trinkgeld damit, daß er alle Erörterungen aufspart, bis er zu Hause bei seiner Frau sitzt.
»Sehen Sie sich’s mal an, Donald«, sagte sie, als der Fahrer auf das Haus an der Ecke deutete.
Ich studierte die Auffahrt, die zur Garage führte, stellte mir den Grundriß des Hauses ungefähr vor und meinte dann, hier könnten wir richtig sein.
»Mit Bestimmtheit können Sie es nicht sagen?«
»Nein.«
»Sehr aussichtsreich ist das ja nicht«, erwiderte sie, »aber wir können’s immerhin versuchen. Drehen Sie um, und halten Sie vor dem Eckhaus da hinten«, wies sie den Fahrer an.
Als wir da waren, fragte der Fahrer, ob er warten solle.
»Ja, warten Sie.«
Ich hielt ihr die Wagentür. Der Sitz quietschte gewaltig, als sie ausstieg, unsere hilfsbereiten Arme bemerkte sie nicht. Der Fahrer sah uns nach, als wir den zementierten Weg betraten und auf das düstere, schweigsame Haus zugingen. Ich tastete nach der Klingel und drückte auf den Knopf. Im Haus hörte ich es läuten.
»Wie ist das, rede ich oder reden Sie?« erkundigte ich mich.
»Wenn die Adresse stimmt, geben Sie mir nur ein Zeichen.«
»Schön«, sagte ich, »aber falls jemand an die Tür kommt, den ich noch nicht kenne, müssen wir uns Einlaß verschaffen, damit ich mich vergewissern kann.«
»Richtig. Sagen Sie dann, ich sei plötzlich krank geworden und Sie wollten gern nach einem Arzt telefonieren - das Zimmer, wo das Telefon steht, haben Sie doch gesehen, wie?«
»Ein Telefon auf jeden Fall.«
»Das genügt... Drücken Sie nicht dauernd auf den Knopf da, Donald. Nicht so stürmisch! Warten Sie immer mal, und klingeln Sie dann nach einer Pause wieder!«
Ich hörte, wie sich in dem oberen Stockwerk etwas bewegte. Dann wurde ein Fenster geöffnet, und eine Männerstimme sagte: »Wer ist da?«
»Klingt wie die Stimme vom Chef«, flüsterte ich.
»Ich habe hier eine wichtige Nachricht zu überbringen«, rief Bertha Cool nach oben.
»Schieben Sie sie unter der Tür durch.«
»Das geht nur mündlich.«
»Wer sind Sie denn?«
»Das sage ich Ihnen, wenn Sie ’runterkommen.«
Kurze Zeit schien der Mann zu überlegen, dann schlug er das
Fenster wieder zu. Eine Lampe ging an, und das Fenster erschien einen Augenblick in grellem Licht, das jedoch sofort durch einen Vorhang wieder abgedämpft wurde. Kurz darauf konnte man jemand die Treppe herunterkommen hören.
»Treten Sie zur Seite, Donald«, sagte Bertha, »lassen Sie mich vor der Tür stehen.«
Die Außenbeleuchtung wurde angeschaltet und überflutete uns mit ihrem Schein. Bertha Cool pflanzte sich in ihrer ganzen Breite vor dem ovalen Haustürfenster auf. Die Schritte waren verstummt, und ich hatte den Eindruck, jemand spähte prüfend durch das Fenster.
Dann wurde die Tür ein wenig geöffnet. »Worum handelt es sich?«
Ich trat etwas zurück, so daß ich ihn sehen konnte. Es war der Chef. Er hatte einen hellen Seidenpyjama und Hausschuhe an, ohne Morgenrock.
»Hallo, Chef!« sagte ich.
Einen Augenblick wirkte er unheimlich starr und gespannt, dann verzogen sich seine breiten, wulstigen Lippen zu einem Lächeln. »Sieh mal an, unser guter Lam! Damit hatte ich allerdings nicht gerechnet, daß ich Sie so bald Wiedersehen würde. Wie schnell Sie zu uns zurückgefunden haben! Und wer ist Ihre Freundin hier?«
»Bertha Cool, die Inhaberin von Cools Detektivbüro«, antwortete ich.
»Was Sie nicht sagen!« strahlte er. »Das ist in der Tat ein Vergnügen, und ich möchte Ihnen meinen Glückwunsch aussprechen... Hm... Miss oder Mrs., wenn ich fragen darf?«
»Mrs.«, antwortete sie, »Mrs. Bertha Cool.«
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.« Er verbeugte sich. »Und ich kann Sie nur beglückwünschen zu einem so fixen und unerschrockenen Mitarbeiter wie Lam. So ein heller Junge! Diese Beobachtungsgabe! Und für seinen Mut kann ich persönlich Zeugnis ablegen. Treten Sie doch bitte näher.«
Er trat zur Seite. Ich zögerte noch, aber Mrs. Cool segelte an mir vorüber in das Haus. Ich folgte ihr. Der Chef schlug die Tür zu und schob einen Riegel vor. »Sie haben also tatsächlich zu uns zurückgefunden, Lam.«
Ich nickte.
»Darüber werde ich noch ein Wörtchen mit Fred zu reden haben, wahrhaftig! So ein dummer Streich, Sie unsere Adresse ’rauskriegen zu lassen. Wie haben Sie das nur angestellt, Lam, würden Sie mir das wohl verraten?«
»Kommt gar nicht in Frage«, antwortete Bertha Cool für mich.
»Aber bitte, nichts für ungut«, sagte der Chef, »möchten Sie nicht ’reinkommen und Platz nehmen... Leider kann ich Ihnen nicht mal was zu trinken anbieten.«
Er schaltete das Licht im Wohnzimmer an, wir traten ein und setzten uns.
Von oben rief eine Frauenstimme: »Was ist los, Liebling?«
»Komm bitte mal ’runter, mein Herzblatt. Zieh dir eben was über und komm ’runter. Wir haben zwei Besucher. Den einen kennst du schon, und ich möchte dir unbedingt auch den anderen vorstellen.«
Er strahlte Mrs. Cool an. »Ich habe mein Frauchen immer gern dabei, wenn ich geschäftlich verhandle. Sie wissen ja, wie’s ist. Für mich ist die Ehe ein Kompaniegeschäft, und außerdem sind zwei Köpfe besser als einer. Immer wenn sich’s um eine delikate Sache handelt, ziehe ich meine kleine Frau hinzu.«
Über uns wurde eine Tür zugeschlagen, und dann fing die Treppe an zu knarren. Man konnte dem Knarren folgen, bis die riesige Frau auf den Filzsohlen ihrer Hausschuhe geräuschlos das Zimmer betrat.
Von mir nahm sie keine Notiz, ihre Augen starrten Bertha Cool an. Als sie hereinkam, erhob ich mich. Der Chef blieb sitzen. Ich sagte: »Mrs. Cunweather... Ist der Name so richtig?«
Der Fette rief schnell: »In Ordnung, spielt ja keine Rolle, mein guter Lam. Was besagen schon Namen! Lassen wir es also bei Cunweather. Darf ich vorstellen, Mrs. Cunweather, meine Frau... Mrs. Cool. Es würde mich so freuen, wenn die Damen sich gut miteinander verstehen würden.«
Die große, hagere Frau blickt auf die kleine, rundliche hinunter. »Sehr angenehm, Mrs. Cool«, sagte sie. »Tag auch«, antwortete Bertha, »auf Formalitäten können wir wohl beide verzichten!«
Mrs. Cunweather setzte sich. Sie beobachtete uns wachsam und prüfend.
»Also, Mrs. Cool«, begann der Chef, »nun sagen Sie uns mal genau, was Sie wünschen.«
»Geld«, antwortete Bertha.
Sein Gesicht erstrahlte in einem breiten Lächeln. »Das muß ich sagen, Mrs. Cool, bei Ihnen weiß man aber wirklich gleich, wo man dran ist. Sie gefallen mir! Ich sage ja immer, es geht nichts über eine klare, sachliche Sprache, wenn sich’s um Geschäfte handelt. Wozu auch erst einen langen Schmus machen, ist es nicht so, mein Herzblatt?«
Bei diesen Worten sah er seine Frau nicht an. Offenbar erwartete er keine Antwort; sie gab ihm auch keine.
»Ich denke, wir kommen am besten zur Sache«, fiel Mrs. Cool ein.
»Aber verstehen Sie mich doch nur bitte nicht falsch, Mrs. Cool«, entgegnete der Fette. »Zwar habe ich keine Ahnung, was Mr. Lam Ihnen erzählt hat, aber sollte er angedeutet haben, daß er hier nicht äußerst zuvorkommend behandelt worden ist, dann...«
»Quatsch«, unterbrach ihn Mrs. Cool, »dafür hab’ ich jetzt gar keine Zeit. Sie haben ihn verprügelt, schadet ihm weiter nichts, macht ihn nur widerstandsfähig. Verprügeln Sie ihn ruhig noch mal, sorgen Sie nur dafür, daß er morgens pünktlich um halb neun zur Arbeit antreten kann. Wie er seine Abende verbringt, interessiert mich nicht die Bohne.«
Der Chef brach in dröhnendes Gelächter aus. »Donnerwetter, Sie sind aber eine originelle Frau, Mrs. Cool, wenn Sie’s mir nicht übelnehmen. So eine entzückende Offenheit. Und nun sagen Sie mir, was haben Sie auf dem Herzen?«
»Sie wollen über Morgan Birks etwas wissen, ich kann Ihnen da vielleicht helfen.«
»Nein, das ist aber liebenswürdig von Ihnen, Mrs. Cool. Meine Frau und ich wissen das wirklich sehr zu schätzen. Und wie reizend von Ihnen, zu dieser frühen Stunde hier herauszukommen und uns das mitzuteilen. Wirklich, oft kommt es ja bei diesen Dingen auf Sekunden an, die man keinesfalls verlieren möchte. Also, Mrs. Cool, was haben Sie nun Genaues anzubieten?«
»Wir haben Morgan Birks eine Vorladung zugestellt«, sagte Mrs. Cool.
»Soso, also doch!«
»Selbstverständlich haben wir das.«
»Wissen Sie«, sagte der Mann, »ich war ja von Anfang an der Meinung, daß Donald sie ihm zugestellt hat, und mein Frauchen ebenfalls. Sie haben das wohl irgendwie im Hotel fertiggekriegt, was, Donald?«
»Nicht antworten, Donald!«
»Ich denke nicht dran«, antwortete ich.
Der Chef wandte sich zu seiner Frau: »Da sieh doch mal, mein Herzblatt, wie die beiden aufeinander eingespielt sind. Das sind die richtigen Leute, die aus einer Sache was zu machen verstehen. Ja, Mrs. Cool, eigentlich weiß ich gar nicht recht, was ich da sagen soll. Sie behaupten, wir wollen Morgan Birks. Das stimmt aber durchaus nicht, obgleich es für jemanden, der ein Detektivbüro hat, ganz danach aussehen muß. Aber nehmen wir der Einfachheit halber einmal an, wir würden tatsächlich gern mit Morgan Birks ein paar Worte reden wollen - wie ginge das dann weiter?«
»Wieviel ist Ihnen das wert?«
»Nun«, sagte der Fette, indem er sich über das Kinn strich, »ist das nicht ein recht ungewöhnlicher Vorschlag?«
»Unter recht ungewöhnlichen Umständen«, versetzte Bertha Cool.
»Da haben Sie natürlich schon recht, das läßt sich nicht von der Hand weisen. Wissen Sie, ich komme einfach nicht darüber hinweg, daß Donald so prompt hierher zurückgefunden hat. Das ist geradezu unheimlich. Ich war felsenfest überzeugt, alle nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen zu haben.«
»Ich weiß, wo Morgan Birks zu finden ist«, sagte Bertha Cool. »Reden können Sie allerdings nicht mit ihm. Ist Ihnen diese Auskunft etwas wert?«
Das Lächeln auf dem fetten Gesicht gefror mit einem Schlag. Die Augen wurden hart und wachsam.
»Wollen Sie damit sagen, daß er im Gefängnis sitzt?«
»Ich will damit sagen, daß Sie nicht mit ihm reden können.«
»Hat er wieder angefangen zu trinken?«
»Ich kann Ihnen sagen, wo er ist.«
»Wieviel verlangen Sie?«
»So viel, wie Ihnen die Auskunft wert ist.«
»Warum kann ich nicht mit ihm reden?«
»Ich möchte nicht unfair sein.«
»Ist er etwa tot?«
»Ich kann Ihnen sagen, wo er ist.«
Der Fette blickte zu seiner Frau hinüber; diese schüttelte den Kopf, die Geste war unmißverständlich.
Dann wandte er sich Bertha Cool wieder zu. Er war sichtlich erleichtert. »Nein«, sagte er, »nein, die Auskunft wäre für mich
wertlos. Es tut mir leid, Mrs. Cool, denn ich halte Sie für eine sehr fähige Frau. Und Lam habe ich direkt ins Herz geschlossen, wirklich. Vielleicht kann ich eines Tages Ihre Agentur mal in Anspruch nehmen, vielleicht können Sie uns mal ein paar Auskünfte verschaffen.«
Cunweather wandte sich an seine Frau. »Wie denkst du darüber, mein Herzblatt? Findest du nicht auch, daß Mr. Lam ein aufgeweckter junger Mann ist?«
»Fred hat die Limousine genommen, als er Lam nach Hause fuhr«, sagte Mrs. Cunweather mit monotoner Stimme. »Dabei hat Lam die Wagennummer gesehen.«
Cunweather schüttelte heftig den Kopf. »Das glaube ich nicht, mein Herzblatt. Als ich Fred sagte, er solle die Limousine nehmen, habe ich ihn noch extra darauf hingewiesen. Ich habe ihm eingeschärft, gleich das Licht auszuschalten, Mr. Lam auf sein Zimmer zu bringen und den Wagen nicht eher wieder zu beleuchten, als bis er sicher war, daß Lam nichts sehen konnte.«
»So und nicht anders hat Lam hierhergefunden«, entschied Mrs. Cunweather kurz und bündig.
Der Chef griff sich mit Daumen und Zeigefinger nach seiner herabhängenden Unterlippe. »Ich will wirklich nicht hoffen, daß Fred anfängt, nachlässig zu werden«, sagte er. »Ich würde Fred nur ungern verlieren. Das ist immer der Nachteil bei Leuten, die über große körperliche Gewandtheit verfügen — sie unterschätzen die, welche nicht so stark sind wie sie selber. Fred neigt überhaupt dazu, die Fähigkeiten seiner Mitmenschen zu unterschätzen. Findest du nicht auch, mein Herzblatt?«
»Mit Fred werden wir uns später noch befassen«, erwiderte sie, »im Augenblick reden wir davon, ob wir Mrs. Cool und Mr. Lam für uns einstellen wollen.«
»Mich können Sie dabei aus dem Spiel lassen«, sagte ich.
»Hören Sie nicht auf Donald«, meinte Mrs. Cool, »er ist mein Angestellter. Ich treffe die Entscheidungen. Was haben Sie also vorzuschlagen?«
»Ich wüßte nichts im Augenblick«, antwortete Cunweather.
Aber seine Stimme klang nicht mehr so überzeugt, und Bertha Cool faßte seine Antwort auch nicht als endgültig auf. Sie blieb ruhig sitzen und wartete. Cunweather schielte noch einmal zu seiner Frau hinüber, dabei knetete er an seiner Unterlippe herum. »Ich will ganz offen mit Ihnen reden, Mrs. Cool«, sagte er schließlich. »Wir befinden uns in einer Lage, wo es auf Minuten ankommt, möglicherweise sogar auf Sekunden. Wir brauchen Hilfe bei der Beschaffung gewisser Informationen. Ich nehme an, daß Sie uns einige dieser Angaben machen können, die wir wollen. Vielleicht können wir darüber jetzt mal etwas reden.«
»Reden Sie nur, ich höre ja zu«, antwortete sie.
»Nein, nein, so kommen wir nicht weiter. Austauschen müssen wir unsere Informationen.«
»Ich brauche von Ihnen keine Informationen«, sagte Bertha Cool. »Wenn Sie aber von mir welche wollen, dann kostet das Geld.«
»Sicher, sicher. Das weiß ich ja. Um aber feststellen zu können, wie erschöpfend Ihre Informationen sind und wieviel sie uns wert wären, müssen wir uns doch erst mal drüber unterhalten.«
»Los, sprechen Sie«, sagte Bertha Cool; sie verlagerte ihr Gewicht im Sessel auf der Suche nach einer etwas bequemeren Lage.
»Morgan Birks interessiert uns im Augenblick nicht«, begann Cunweather, »aber wir wüßten gern Näheres über seine Freundin. Meine Leute haben da nicht aufgepaßt, und das ist bös für uns. Ich wußte, daß im Hotel Perkins irgend etwas stattfinden sollte, es war mir bekannt, daß Morgan sich dort mit jemandem treffen wollte. Nur wußte ich nicht genau, wann und auch nicht mit wem. Offenbar hatte sich die Frau, die wir suchten, als Mrs. B. F. Morgan eingetragen. Leider waren meine Leute nun derartig davon in Anspruch genommen, nach Morgan Birks Ausschau zu halten, daß sie auf diese Frau überhaupt nicht geachtet haben. So ist sie uns durch die Lappen gegangen.«
Cunweather schwieg, um Mrs. Cool Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen. Bertha Cool sagte kein Wort.
»Wir möchten sehr gern Näheres über diese Mrs. B. F. Morgan wissen«, fuhr Cunweather dann fort.
»Wieviel wollen Sie wissen, und wieviel ist es Ihnen wert?«
»Wir möchten wissen, wo wir sie finden können.«
»Da könnte ich Ihnen helfen.«
»Können Sie uns zu ihr hinführen?«
»Ja.«
Cunweather sah wieder zu seiner Frau hinüber. Diese blieb stumm und lauernd. Als Cunweather von ihr keine Anweisung erhielt, wandte er sich wieder an Mrs. Cool. »Also, das würde uns helfen, Mrs. Cool. Natürlich bin ich ganz offen mit Ihnen, Mrs. Cool. Ein Hauptbedenken dagegen, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, kommt bei uns von der Erfahrung, daß die Leute manchmal versuchen, selber dabei noch ein wenig plus zu machen. Und so etwas haben wir nicht gern. Ich nehme an, Mr. Lam hat Ihnen schon berichtet, daß mit uns nicht gut Kirschen essen ist.«
»Sparen Sie sich den Versuch, mich einzuschüchtern«, antwortete Bertha Cool, »bei mir kommen Sie damit nicht weit, ich bin selber ganz gut bestückt.«
»Hahaha!« lachte Cunweather. »Das ist schön gesagt, gut bestückt. Weiß Gott, Mrs. Cool, davon bin ich überzeugt. Und mir gefällt die Art, wie Sie sich zu behaupten wissen. Ich finde, wir sollten Ihre Dienste doch in Anspruch nehmen.«
»Ich werde jetzt von hier aus gleich zu Sandra Birks gehen«, sagte Mrs. Cool. »Wenn Sie also wollen, daß ich für Sie arbeiten soll, und wenn für mich genug Geld dabei herausspringt, dann arbeite ich für Sie. Wenn Sandra Birks will, daß ich für sie tätig sein soll, und dabei mehr für mich herausspringt, dann arbeite ich für Sandra. Ich möchte für die Partei arbeiten, die am meisten zahlt.«
»Ich soll Ihnen also ein Angebot machen?«
»Jawohl.«
»Und anschließend gehen Sie dann zu Mrs. Birks? Und hören, was die zu bieten hat?«
»So ist es.«
»Und nehmen dann das günstigste Angebot?«
»Genau!«
»Das gefällt mir nicht recht«, sagte Cunweather, »das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich finde das wenig ethisch.«
»Über meine Ethik lassen Sie sich mal keine grauen Haare Wachsen«, erwiderte Bertha Cool. »Ich lege lediglich meine Karten auf den Tisch.«
»Das habe ich gemerkt, Mrs. Cool. Jetzt aber werden Sie Sandra Birks von dieser unserer Plauderei erzählen?«
»Das kommt drauf an.«
»Worauf kommt es an?«
»Darauf, was Sandra Birks für mich zu tun hat, und was ich dabei verdienen kann.«
»Wir möchten nicht, daß Sie Ihren Besuch hier erwähnen.
Wir würden das als einen Vertrauensbruch betrachten«, sagte Cunweather.
»Das sieht für mich ganz anders aus«, gab Bertha Cool zurück. »Sie haben mich ja nicht hierher bestellt. Ich hab’ das Haus allein gefunden.«
»Sie machen die Sache äußerst schwierig«, meinte Cunweather.
Bertha Cool seufzte. »Wir reden und reden, für nichts und wieder nichts.«
»Passen Sie auf, Mrs. Cool«, sagte Cunweather einlenkend, »ihr Angebot interessiert mich bestimmt, aber ich muß ein bißchen mehr wissen, ehe ich mich auf einen Preis festlege. Ich kann hier keine Katze im Sack kaufen.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Ich möchte die Gewißheit haben, daß Sie tatsächlich in der Lage sind, uns zu Morgans Freundin hinzuführen. Ich möchte wissen, ob Sie wirklich Morgan Birks die Papiere zugestellt haben und nicht etwa auf einen geschickten Schwindel ’reingefallen sind.«
»Was verstehen Sie darunter?«
»Sandra Birks wollte die Scheidung. Zu diesem Zwecke mußte sie Morgan Birks die Klage und die Vorladung zustellen. Sie konnte Morgan nicht finden, also kam sie auf die schlaue Idee, irgend jemand anderen Morgan Birks’ Rolle spielen zu lassen. Ihrer Meinung nach ist Morgan Birks heute ins Hotel Perkins gekommen. Wir sind dagegen überzeugt, daß er das nicht getan hat.«
Mrs. Cool öffnete ihre Handtasche, nahm eine Zigarette heraus, schob sie sich zwischen die Lippen, kramte nach einem Streichholz, zündete sich die Zigarette an, dann sagte sie: »Los, Donald, erzählen Sie ihm.«
»Was?« fragte ich.
»Alles, wie Sie Morgan Birks die Vorladung zugestellt haben. Reden Sie so lange, bis ich >halt< sage.«
»Sandra Birks betraute uns mit der Sache«, begann ich. »Daraufhin bin ich zu ihr in ihre Wohnung gegangen und habe mir Fotos von Morgan Birks geholt. Es waren gute Schnappschüsse. Ich habe sie kontrolliert, um mich zu vergewissern, daß es nicht etwa falsche Fotos waren, die sie da im Album hatte.«
»Stimmt«, unterbrach mich Cunweather, »das ist richtig, die Fotos hatten Sie mit dem Original der Vorladung in Ihrer Rocktasche.«
Ich fuhr fort. »Sandras Bruder, B. L. Thoms, den sie Bleatie nennt, war aus Kansas City gekommen, um...«
»Woher?« unterbrach mich Mrs. Cunweather.
»Aus Kansas City.«
Der Chef sah seine Frau scharf an. »Weiter, Lam«, sagte er.
»Bleatie war gekommen, um Sandra zur Seite zu stehen. Er kennt Morgan sehr gut, ich glaube sogar, er steht besser mit Morgan als mit seiner eigenen Schwester. Er erklärte sich bereit, uns zu Morgan zu führen, solange er die Überzeugung hätte, daß Sandra nicht drauf aus sei, Morgan zu beschwindeln. Er schien keine sonderlich hohe Meinung von den Grundsätzen und von der Lauterkeit seiner Schwester zu haben.«
Cunweathers Augen glühten vor Interesse. »Das ist mehr als genug, Donald«, warf Mrs. Cool gelassen ein. »Von jetzt an kostet es Geld.«
»Wieso Geld?« fragte der Fette.
»Dafür«, entgegnete sie, »daß ich in dieser Herrgottsfrühe aus dem Bett aufgestanden bin. Ich unterhalte ein Detektivbüro. Ich muß Miete zahlen, Gehälter, Lohnsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer. Von dem bißchen, was mir dann noch übrigbleibt, muß ich mich kleiden, muß ich mich beköstigen...«
»Klar, natürlich, das verstehe ich ja alles, Mrs. Cool«, unterbrach er sie lächelnd und wiegte seinen Kopf dabei mit mechanischer Regelmäßigkeit hin und her, während die smaragdgrünen Augen unablässig auf Bertha Cool geheftet waren. »Glauben Sie mir, ich habe selber Sorgen dieser Art.«
»Schön! Mein Beruf aber ist es, mir Informationen zu verschaffen und diese geschäftlich zu verwerten«, sagte sie. »Ich bin jetzt im Besitz von Informationen, an denen Sie interessiert sind. Sie haben versucht, aus meinem Mitarbeiter einfach alles rauszuprügeln. Das gefällt mir nicht.«
»Wir waren ja tatsächlich etwas schroff«, gab der Chef zu.
»Mich kosten meine Informationen Geld. Ich bin kein Wohltätigkeitsinstitut.«
»Ich bin vor allem an den Vorgängen im Hotel Perkins interessiert«, bemerkte der Chef. Dann wandte er sich an seine Frau: »Was meinst du, wäre es denkbar, daß wir ’reingefallen sind?«
»Irgendwas bei der Sache stinkt«, antwortete sie.
»Sollen wir Mrs. Cool hundert Dollar anbieten?«
Frauchen nickte.
»Hundert Dollar«, sagte der Fette.
»Zweihundert«, erwiderte Bertha Cool.
»Hundertfünfzig«, sagte Mrs. Cunweather zu ihrem Mann. »Wenn sie damit nicht zufrieden ist, gib ihr gar nichts.«
»Also gut«, sagte Bertha, »hundertfünfzig.«
Der Chef wandte sich an seine Frau. »Hast du gerade hundertfünfzig bei dir, mein Herzchen?«
»Nein.«
»Ich hab’ meine Brieftasche oben. Würdest du vielleicht so nett sein und sie holen?«
»Nimm es aus dem Gürtel«, sagte sie.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Hören Sie, Mrs. Cool«, sagte er, »fangen Sie ruhig schon mal an zu erzählen; ich garantiere Ihnen, Sie bekommen die hundertfünfzig. Ich verspreche es Ihnen.«
»Erst die hundertfünfzig«, sagte Bertha Cool.
Er seufzte resigniert, dann erhob er sich und knöpfte seine Pyjamajacke auf. Sein mächtiger Bauch war weiß und schwammig. Rund um ihn war ein lederner Geldgürtel geschlungen, den der Schweiß völlig verfärbt hatte. Er öffnete eine der Taschen und zog zwei Hundertdollarscheine heraus.
»Haben Sie’s nicht kleiner?« fragte Bertha Cool.
»Leider nicht.«
»Dann werde ich mein ganzes Kleingeld los.«
»Bedaure, kleiner hab’ ich’s aber nicht.«
Bertha Cool kramte in ihrer Geldbörse herum, dann sah sie hoffnungsvoll zu mir herüber. »Haben Sie Geld bei sich, Donald?« fragte sie.
»Keinen Cent.«
Nachdem sie ihr Geld gezählt Hatte, sagte sie: »Fünf Dollar muß ich für das Taxi behalten. Im ganzen hab’ ich vierzig Dollar. Fünfunddreißig kann ich Ihnen geben. Seien Sie damit zufrieden, oder gehen Sie nach oben, und holen Sie Ihre Brieftasche.«
»Schön, lassen wir es gut sein«, antwortete er, »um fünfzehn Dollar zu sparen, steige ich keine Treppen hoch.«
»Bringen Sie mir die zweihundert Dollar, Donald«, sagte sie.
Der Fette hielt mir das Geld hin, und ich brachte es ihr. Sie gab mir das Wechselgeld - Eindollar-, Fünfdollar- und Zehndollarscheine. Ich trug sie zu Cunweather hinüber, und er gab sie weiter an seine Frau. »Tu’s fort«, sagte er, »ich möchte kein Kleingeld in meinem Gürtel haben.« Darauf schloß er die Tasche an dem Gürtel, knöpfte seine Pyjamajacke zu, schob sie unter seinen Hosenbund, sah mich an und fragte: »Wie geht’s nun weiter? Soll Lam erzählen?«
»Jawohl, Lam wird erzählen«, erwiderte Bertha Cool.
Ich begann. »Sandra machte Morgan das...«
»Nichts davon«, unterbrach sie mich, »damit schädigen wir das Ansehen unseres Klienten. Beschränken Sie sich auf Morgan, wie wir ihn ausfindig gemacht und ihm die Papiere zugestellt haben. Aber verraten Sie nicht den Namen oder die Adresse von Morgans Freundin.«
»Bleatie«, fuhr ich fort, »gab mir den Namen von Morgans Freundin. Darauf bin ich zu ihr hin und habe ihr Angst gemacht, wir würden sie in die Scheidungsaffäre mit hineinzerren. Anschließend habe ich sie beobachtet. Durch sie bin ich zum Hotel Perkins gekommen, wo sie sich als Mrs. B. F. Morgan eintrug und Zimmer 618 erhielt. Dann habe ich einen Pagen bestochen, der für mich feststellte, welche Zimmer in der Nähe noch frei waren und er...«
»Schön, schön«, unterbrach mich Cunweather, »das ist uns alles bekannt, Donald. Wir kennen jeden Ihrer Schritte von dem Moment an, wo Sie das Hotel betraten.«
»Dann wissen Sie also auch, wie ich Morgan Birks die Vorladung zugestellt habe?«
»Sie haben sie gar nicht Morgan Birks zugestellt. Sie haben sie ganz jemand anderem zugestellt.«
»Reden Sie doch keinen Blödsinn!« fuhr Bertha Cool dazwischen. »Morgan Birks persönlich hat er sie zugestellt.«
»Wo?«
»Im Zimmer seiner Freundin. Im Zimmer 618.«
Cunweather und seine Frau blickten sich an: »Da stimmt was nicht«, sagte Cunweather.
»Stimmt alles haargenau!«
»Morgan Birks hat das Zimmer 618 überhaupt nicht betreten. Wir sind uns dessen absolut sicher.«
»Keine Sorge, er war bestimmt drin«, sagte Bertha Cool. »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.«
»Wie ist es, mein Herzblatt«, sagte Cunweather zu seiner Frau, »wollen wir...«
»Laß Donald erst zu Ende erzählen«, antwortete sie.
»Also weiter, Donald«, sagte er.
»Ich nahm mir ein Zimmer. Alma Hunter war bei mir, Sandra und Bleatie kamen etwas später nach. Dann bin ich zu einem Kostümverleih und habe mir dort eine Pagenuniform besorgt. Außerdem hatte ich ein Telegramm an Mrs. B. F. Morgan, postlagernd Telegrafenbüro, aufgegeben. Ich wartete, bis es ankam, ließ es mir aushändigen und schrieb mit Bleistift die Adresse >vielleicht Hotel Perkins<. Darauf besorgte ich mir ein Quittungsbuch, fingierte ein paar Unterschriften darin und ging ins Hotel zurück. Dort war die ganze Gesellschaft in heller Aufregung, weil Morgan Birks sich inzwischen eingefunden hatte, gleich nachdem ich fortgegangen war. Ich zog mir die Pagenuniform an und klopfte an die Tür von 618. Als sie hörten, ein Telegramm sei für sie eingetroffen, sagte sie, ich solle es unter der Tür durchschieben. Ich schob es gerade so weit durch, daß sie sich von Adresse und Echtheit des Telegramms überzeugen konnten. Da ich es aber in dem Notizbuch steckenließ, konnte ich sagen, es ging nicht völlig durch die Tür, ich müsse mir das Telegramm aber quittieren lassen. Darauf fielen sie auch prompt herein und öffneten die Tür. Als ich eintrat, sah ich Morgan Birks auf dem Bett liegen, und ich stellte ihm die Papiere sofort zu. Währenddessen kam Sandra aufgeregt ins Zimmer gestürzt, und ein Wortwechsel entstand. Es gibt keinen Zweifel daran, daß es Morgan Birks war.«
Der Fette blickte fragend zu Bertha Cool hinüber.
Sie nickte.
»Genauso ist es gewesen. Ich habe ihn selbst gesehen und ebenfalls die Fotos von ihm in den Zeitungen. Es war derselbe Mann.«
Cunweather rückte voller Unruhe in seinem Sessel hin und her.
»Wenn Sie mal wieder Informationen haben wollen«, sagte Bertha noch, »dann versuchen Sie sie nicht aus meinen Mitarbeitern herauszuprügeln. Sie sehen, daß Sie so viel besser bedient werden.«
»Wir hatten nicht geglaubt, Mr. Lam würde so schwierig sein«, antwortete der Fette.
»Meine Mitarbeiter sind sehr zäh«, entgegnete Mrs. Cool, »ich suche sie mir danach aus.«
»Lassen Sie mich mal ein paar Worte mit meiner Frau reden,
Mrs. Cool. Ich glaube, wir können Ihnen ein Angebot machen. Was meinst du, mein Herzblatt? Gehen wir mal für eine Minute ins Nebenzimmer?«
»Gar nicht nötig«, erwiderte Mrs. Cunweather, »du machst das schon richtig.«
Der Chef wandte sich wieder an Mrs. Cool. »Wir möchten Ihre Agentur für eine ganz bestimmte Aufgabe in Anspruch nehmen, und zwar möchten wir gern mit der Freundin von Morgan Birks in Verbindung treten. Wir möchten nämlich herausbekommen, wieviel Safes sie unter ihrem Namen gemietet hat und wo. Wir brauchen diese Informationen sehr eilig.«
»Wieviel ist Ihnen die Sache wert?« fragte Bertha.
»Sagen wir zweihundertfünfzig Dollar für jeden Safe, den Sie ausfindig machen.«
»Um wie viele handelt es sich?«
»Das weiß ich nicht, Mrs. Cool, tatsächlich nicht. Offen gestanden bin ich mir nicht mal ganz sicher, ob überhaupt welche da sind, aber ich habe so meinen Verdacht. Ich möchte fast darauf schwören.«
»Nichts zu machen«, sagte Bertha, »ist für mich nicht lukrativ genug.«
»Also, nun seien wir doch mal vernünftig, Mrs. Cool«, sagte Cunweather. »Sie wissen, wo diese Frau ist. Wir brauchen so nicht erst zeitraubende Nachforschungen anzustellen. Morgan Birks hat ein recht gutes Versteck gefunden und wird da wohl auch bleiben. Er ist zu gerissen für die Polizei. Seine Freundin hat er ein paar Safes mieten lassen, vielleicht fünf, möglicherweise aber auch nur zwei.«
»Oder überhaupt keins«, fiel Bertha Cool ein.
»Da haben wir’s!« Cunweather schmunzelte. »Da zeigt sich mal wieder Ihre originelle Persönlichkeit. Das ist zwar erfrischend, aber es bringt uns nicht weiter, und die Sekunden rinnen uns durch die Finger. Nun haben wir aber doch den tüchtigen Lam hier, der doch nur zu dem Mädchen hinzugehen braucht und im Nu alle nötigen Auskünfte bekommt.«
»Lassen Sie mich aus dem Spiel«, sagte ich.
»Aber, Lam, seien Sie doch nicht so hartnäckig. Sie sind so em netter Kerl. Seien Sie nicht so nachtragend. Der Vorfall gestern abend war doch eine geschäftliche Angelegenheit.«
»Ohne Donald«, sagte Mrs. Cool, »Sie verhandeln mit mir, Donald ist meine Sache.«
»Wir können dreihundert Dollar pro Safe sagen«, meinte Cunweather.
»Nein.«
»Das ist unser letztes Angebot.«
»Ich rufe Sie an, und gebe Ihnen Bescheid, sobald ich mit Sandra gesprochen habe.«
»Wir möchten Ihre Antwort sofort.«
»Die haben Sie bereits.«
Cunweather fing wieder an, in seinem Stuhl zu wippen.
»Frag sie, wo sich Morgan Birks im Augenblick befindet«, sagte Mrs. Cunweather.
»Nun mal los, Mrs. Cool. Sie haben hundertfünfundsechzig Dollar von mir bekommen. Sie wissen, wo Morgan Birks ist. Ich finde, Sie sollten es uns sagen.«
Bertha spitzte gedankenvoll die Lippen. »Diese Auskunft würde Ihnen eventuell gar nichts nützen, andererseits ist sie vielleicht Gold wert. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die was verschenken.«
Das Telefon klingelte, während Cunweather noch gedankenvoll mit seinem Stuhl schaukelte.
»Gehst du mal ’ran«, antwortete sie und blieb regungslos sitzen. Er seufzte, umfaßte mit einem festen Griff die Stuhllehne, richtete sich schwerfällig auf und watschelte ins Nebenzimmer. Er nahm den Hörer auf und sagte mit verhaltener Stimme: »Ja, was ist?« Dann hörte er eine Weile still zu, schließlich sagte er: »Bist du ganz sicher?... Dann komm her, ich geb dir die neue Instruktion. Die Sache hat ein anderes Gesicht bekommen.«
Er legte ohne ein weiteres Wort auf, kam zurückgewatschelt und strahlte Mrs. Cool an. »Ich kann Ihre Haltung sehr gut verstehen, Mrs. Cool.« Dann wandte er sich an seine Frau.
»Morgan Birks ist tot, mein Herzblatt. Ein Mädchen namens Alma Hunter hat ihn heute früh in Sandra Birks’ Wohnung erschossen, glatt in den Rücken, als er gerade im Begriff war, aus der Wohnung zu verschwinden.«
»Tot?« erkundigte sich Mrs. Cunweather.
»Mausetot«, versicherte Cunweather.
»Das ist natürlich dann was anderes«, sagte sie.
»Kommen Sie, Donald«, sagte Mrs. Cool.
Ich stand auf, sie schnappte ihre Handtasche zu, schob ihre Füße so weit wie möglich nach hinten unter den Stuhl, stemmte sich mit beiden Händen auf die Stuhllehne und stand auf.
Wir gingen zur Tür, während Cunweather und seine Frau miteinander flüsterten. Gleich darauf, ehe wir noch den Korridor erreicht hatten, rief Cunweather hinter uns her: »Einen Moment mal, Mrs. Cool. Ich möchte Sie noch was fragen.« Er watschelte auf uns zu und sagte: »Wissen Sie, ob Morgan Birks die ganze Zeit über in 618 war? Mit anderen Worten, war er bereits da, als sich diese Freundin von ihm in der Halle eintrug?«
»Weiß ich nicht. Wie war das, Donald?«
»Ausgeschlossen«, antwortete ich, »es sei denn, sie hätte mit dem Portier zusammengearbeitet und Morgan Birks wäre irgendwie ins Zimmer geschmuggelt worden. Der Mann am Empfang hat ihr 618 als leeres Zimmer gegeben. Sie hatte vorher angerufen und sich zwei Zimmer mit dazwischenliegendem Bad reservieren lassen. Man hatte 618 und 620 für sie vorgesehen. Später verzichtete sie jedoch auf 620, angeblich, weil ihr Bekannter nicht...«, ich brach ab, mich durchzuckte plötzlich ein Gedanke.
»Nicht was?« fragte Cunweather interessiert.
»... nicht eingetroffen war. Danach brachte ein Page sie auf 618; der andere sagte mir das, worauf ich mir 620 geben ließ.«
»Wer von Ihnen hatte das Bad?«
»Ich.«
»Dann hatte 618 also kein Bad?« fragte Cunweather.
»Möchte ich annehmen... Es sei denn, zwischen 618 und 616 wäre ebenfalls ein Bad gewesen.«
»Laß sie gehen, William«, rief Mrs. Cunweather aus dem Zimmer. »Wir wissen jetzt genug, um die Sache allein weiterzubringen.«
»Mrs. Cool«, sagte der Chef, »es war wirklich entzückend, daß Sie uns aufgesucht haben. Bitte, schauen Sie ruhig mal wieder ’rein. Ich vergesse Sie nicht so leicht. Und Sie, Lam, seien Sie uns wegen der Geschichte nicht mehr böse. Sie haben sich blendend gehalten, mein Junge, und mit Ihrer Nase sieht das gar nicht so schlimm aus. An Ihrem Gang kann ich sehen, daß Ihre Rippen noch ein bißchen weh tun, in ein paar Tagen ist das aber alles vorbei.«
Er watschelte zur Tür und hielt sie uns auf.
Ich ging an ihm vorbei hinaus in die Nacht. Er folgte mir bis auf die Veranda. »Kommen Sie, Lam«, sagte er, »geben wir uns die Hand!«
»Los, Donald, geben Sie ihm die Hand!« befahl Bertha.
Er streckte mir die Hand entgegen. Es war, als hätte ich in eine Schüssel mit kaltem Pudding gegriffen. Er sah mir in die Augen.
»Sie sind immer noch böse, Lam«, sagte er und ließ meine Hand fallen. »Ganz wie Sie wollen.«
Dann watschelte er zurück ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
»Er ist unser Kunde, Donald«, bemerkte Bertha Cool. »Der Kunde hat immer recht.«
Ich hielt den Mund.