3. Abschnitt
26. Juni – 01:08 Uhr
Mein süßer Schatz,
Deinen Anruf habe ich nicht gehört, denn als ich mich vor den Fernseher setzte, um mal wieder etwas von der Außenwelt zu erfahren, bin ich eingeschlafen. In eine Kneipe hätte mich heute Abend wirklich nichts mehr gebracht! Auch sonst wohin nicht.
Du hast einen wunderbaren Auflauf für mich gekocht! 1.000 Dank.
Küsse und zärtliche Umarmung
Deine Eva
26. Juni – 10:46 Uhr
Mein liebes, kleines Schmusekätzchen,
ich bin so süchtig nach Dir. Wenn Du nicht da bist und ich Dich nicht (ganz harmlos) streicheln kann, fehlt mir was, ich bin auch ein Suchtmensch, aber nur nach Dir! Einen Tag habe ich Dich nicht berührt und schon leide ich massiv unter Entzugserscheinungen!
So habe ich mir aus Verzweiflung mal ein Lehrbuch zur Gynäkologie vorgenommen. Steht viel Interessantes drin. Hatte ich gar nicht gewusst und habe trotzdem mein Examen bestanden! Ich möchte gern wesentlich mehr Energien haben!
Evachen, warum bist Du denn nicht hier?
Dein Cavaliere
26. Juni – 13:14 Uhr
Amore,
bin erst jetzt aufgewacht. Ich bin unendlich glücklich mit Dir und total verliebt, weil Du so ein echter Mensch und begabter Liebhaber bist. Aus echtem Gold. Dein Bett ist sehr schön geworden, Deine Wohnung hat Fortschritte gemacht und die neue Lampe ist traumhaft!
Aber das Schönste in Deiner Wohnung sind nicht die gebundenen Bücher, sondern das bist Du.
Bin natürlich wieder etwas geschädigt und kann nichts konzentriert tun. Das ist der einzige Nachteil unserer Rauschnächte, in denen wir einfach kein Ende finden. Aber im Moment kann ich nichts gegen diese Hingabe an die endlose und leichte Zeit tun. Und dann willst Du noch MEHR Zuwendung? Wie soll ich das schaffen? Mein Geliebter, wie schön Du strahlen und lachen kannst!
Deine Geliebte
26. Juni – 15:13 Uhr
Amore,
ich bin unendlich leer im Kopf! Du saugst auch alles aus mir heraus! Als ich im Halbschlaf an Dich dachte, regte sich schon wieder mein Mäxlein! Wie soll das denn mit uns die nächsten Jahre weitergehen?
Wenn Du mich immer so schlapp machst, kann ich am nächsten Tag nicht richtig denken, sondern nur von Dir träumen. Dann fängt der Entzug wieder an, der immer stärker wird und so lange mein Hirn lähmt, bis ich wieder bei Dir bin und alles von Neuem anfängt. Und meine Arbeit?
Ich werde nie das Geld verdienen, das ich für eine Italienreise brauche, um nur meinen Anteil tragen, geschweige denn Dich mal einladen zu können! Vielleicht sollte ich nur zwei Monate arbeiten (wenn Du in Italia bist), um zehn Monate in Deinen Armen ruhen zu können! Meine Geliebte, Du machst mich so glücklich! Du bist für mich die schönste, aufregendste und hinreißendste Frau der Welt!
Dein Barone
27. Juni – 02:48 Uhr
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
(Erich Fried)
27. Juni – 15:18 Uhr
Wunderbar. So is et.
Es ist nichts drin,
sagt die Börse,
die Rente ist klein,
sagt das Hirn.
Es ist, wie es ist,
sagt die Liebe!
Warum bist Du nicht hier!
27. Juni – 16:46 Uhr
Mein Liebling,
ich habe unendliche Sehnsucht nach Dir, Deiner Stimme, Deiner Haut und, und, und! Ich möchte heute wiederkommen, morgen Abend bei Dir bleiben, Freitagnacht auf Deine Rückkehr warten und das Wochenende totalement fou mit Dir verleben. Danach werden wir etwas vernünftiger! Bitte, sag ja! Jede Faser meines Körpers zittert vor Aufregung, wenn ich an Dich denke!
Bitte, sag ja!
Liebesangst
Als Dein Gesicht vor mir sich hob
und aufging über meinem Leben
begriff ich erst: Erbärmlich arm
war ich. Nichts konnte mir was geben.
Du schenktest mir den Liebesrausch
ein Meer in immer neuen Farben.
Durch Dich erst wird gemacht
die Welt in Regenbogenfarben.
Jetzt hab ich Angst, es könnte sein,
der Sonnenaufgang geht zu Ende,
die Freudentränen trocknen ein.
Jetzt hab ich Angst. Und doch, ich wende
mich nicht dagegen, weil ich weiß:
Ich hab aus Liebe Angst. – Ich liebe.
Ich gäbe, gegen meine Art,
was drum, dass diese Angst mir bliebe.
Von Angst bin ich gepackt. Von Angst,
dass Deine Liebe mal verweht:
Denn alle Farben sind dann tot,
wenn Dein Gesicht mir untergeht.
(Jewgeni Jetuschenko)
27. Juni – 17:10 Uhr
Amore, dieses Gedicht ist wunderbar. Das ist wirklich große Dichtung!
Ich habe gerade das chinesische Horoskop für Dich entdeckt. Ein kleiner Auszug:
Du bist Affe
Dieses clevere und geschickte Zeichen sucht stets und ständig nach Herausforderungen, vornehmlich auf geistigem Gebiet. Dem Affen sagt man überdurchschnittliche Intelligenz, äußerste Flexibilität und jede Menge Neugierde nach. Die grauen Zellen der Affegeborenen arbeiten ständig auf Hochtouren und finden Problemlösungen, wo andere schon aufgegeben haben. Sie sind halt genial.
Und hier Dein Karma:
Gefühle zulassen, ohne nach gesellschaftlichen Normen zu fragen. Die konkrete Welt der Regeln und Prinzipien ist Ihnen sehr vertraut. Vermutlich kennen Sie viele innere Leitsätze mit ›man sollte …‹ oder ›man tut …‹, die Sie kühl und streng reagieren lassen. Das Leben fordert Sie jedoch auf, offener und spontaner zu werden und Kontakte auf gefühlsmäßiger Basis zu anderen Menschen herzustellen.
Dein Liebeshoroskop:
Am Mittwoch und Donnerstag stellen Mond, Mars und Venus Ihr Privatleben auf den Kopf. Jetzt haben Sie Lust auf Verführung und mehr. Venus heizt Ihnen so ein, da wollen Sie keine Zeit verlieren, denn jetzt prickelt es verdächtig intensiv.
27. Juni – 17:24 Uhr
Meine geliebte Äffin,
›Am Mittwoch und Donnerstag stellen Mond, Mars und Venus Ihr Privatleben auf den Kopf!‹ – Das hatte ich Dir ja gesagt. Heute ist Mittwoch! Alles ist also più forte di me! Ich zittere!
Sag ja!
Dein Affe
27. Juni – 17:26 Uhr
Ich bin Ziege:
Die Prinzipien der Mütterlichkeit, Fürsorge und Hingabe werden im chinesischen Tierkreis von der Ziege verkörpert. Ziegen stecken voller Sanftmut und Mitgefühl. Sie sind die Seelentröster schlechthin, weil sie gut zuhören und aufbauen können. Bei so viel Sensibilität sind sie natürlich auch empfindlich und verletzlich, denn wer so gemütvoll und feinfühlig ist, muss sein zartes Inneres schließlich irgendwie schützen.
Und eben diesen Mechanismus praktizieren Ziegen perfekt. Sie leben mit dem Gefühl, ein einmaliges Individuum zu sein. Wie ein geistiger Nomade sind Sie ohne Rast ständig auf der Suche nach neuen Anregungen. Das Leben fordert Sie auf, kreativ zu werden und eigene Ausdrucksformen zu entwickeln. Nicht in der unverbindlichen Gemeinsamkeit einer Gruppe liegt Ihr Weg, sondern als tatkräftiger und risikofreudiger Einzeldarsteller.
27. Juni – 17:31 Uhr
Mein liebes Zicklein,
was ist mit Liebe und Beziehung, heute, morgen und den nächsten 30 Jahren? Dies fehlt noch. Ich zittere vor Aufregung. Sag ja!
27. Juni – 17:40 Uhr
Ach, Amore,
glaubst Du wirklich, dass wenn wir die nächsten vier Tage mit amour fou erleben, wir dann nächste Woche vernünftiger sein werden? Ich glaube eher, es wird dann noch schlimmer mit uns werden. Ich sage trotzdem ja.
Weil ich jetzt lebe und jetzt Sehnsucht nach Dir habe, und Du mir ganz schrecklich fehlst. Und weil ich Deinen Sofortbefriedigungswahn auch noch liebe.
Aber dann darfst Du nicht mehr schimpfen und sagen: »Wie soll das denn mit uns die nächsten Jahre weitergehen? Wenn Du mich immer so schlapp machst, kann ich am nächsten Tag nicht richtig denken, sondern nur von Dir träumen. Und meine Arbeit?«
Es ist kalt in meiner Wohnung. Hast Du Holz, damit wir den Kamin anzünden können? Ich friere ohne Dich, Geliebter.
Besser wäre es bestimmt, wenn wir uns erst morgen treffen würden. Du weißt: Alles, was man übertreibt, verwandelt sich in Herzeleid! So der Volksmund. Ich möchte nicht, dass Du müde an mir wirst.
Eva, Dein Zicklein
27. Juni – 17:47 Uhr
Amore,
ich bin so unbeschreiblich glücklich! Was schert mich die nächste Woche? Taue den Lachs und den Spinat auf! Solltest Du noch einkaufen, denke bitte an Parmesankäse oder Mozzarella. Holz für den Kamin, eine Tomatenbüchse und Muskat bringe ich mit. Ansonsten, da Monatsende, bin ich ziemlich blank! Ich liebe Dich.
Dein Affe
29. Juni – 15:17 Uhr
Mein liebes Evachen,
vorhin war ich entsetzt über Deine Reaktion. Wie schnell Du Partei gegen mich ergreifen kannst, obwohl Du die Hintergründe und Zusammenhänge nicht kennst, ist schon erstaunlich.
Ich bin Arzt und meine Schwester war behindert. Ich denke, Dir müsste in den vergangenen Wochen klargeworden sein, dass ich gern helfe und in Harmonie leben will. Obwohl Du meine Art und meinen Charakter doch etwas kennst, fragst Du Dich nicht, warum ich so unerwartet und nach Deiner Meinung unsensibel und lieblos auf einen Behinderten im Bus reagiert habe. Du siehst mal wieder nur das Äußere und fragst nicht nach den Hintergründen.
Der Mann hatte nämlich gar kein Recht, mich von dem Platz zu verscheuchen! Behinderte müssen sich nicht auf diesen Platz setzen, sondern müssen jeden freien Platz nehmen. Nur dann, und zwar nur, wenn es keinen freien Platz gibt, können sie ihr Recht, einen speziell ausgewiesenen Platz zu bekommen, einfordern. Ich denke zu Deinen Gunsten, dass Du dies alles nicht wusstest. Aber dieser Mann wusste es, denn es steht in dem Bescheid, den er erhielt und auch in seinem Ausweis. Ich weiß dies, weil ich mal Gutachter fürs Versorgungsamt war und dabei auch den Grad der Behinderungen feststellen und dem Amt einen Vorschlag für die Rechte des Antragstellers (spezieller Parkplatz, kostenfreie Gehhilfen etc.) unterbreiten musste.
Also was war vorhin passiert?
Obwohl es freie Plätze gab, nahm er sich ein Recht heraus, das ihm nicht zustand. Dies, obwohl er sah, dass wir uns unterhielten und ein Hund dalag. Er machte also eine ihm nicht zustehende Bevorzugung geltend, nur um seine Macht zu dokumentieren und um uns zu ärgern. Sein Pech war, dass ich sofort erkannte, dass er nicht nur körperlich behindert war, sondern auch tyrannisch gegen fremde Menschen seine Behinderung ausnutzt.
Anstatt mich zu fragen: ›Warum machst Du das denn? Diese Reaktion passt doch gar nicht zu Dir!‹, machst Du mir gleich Vorwürfe. Und nicht erst, als wir aus dem Bus ausgestiegen waren, sondern vor diesem Mann.
Du sagst: ›Ich liebe Dich!‹ Die erstbeste Gelegenheit nutzt Du aber, um mich vor Dritten anzugreifen und mir in den Rücken zu fallen. Die Leute im Bus sind mir dabei egal gewesen. Dass dieser miese, tyrannische Typ aber von Dir noch Unterstützung erhielt, war schon lästig. Soll ich das witzig finden, wenn meine Geliebte in dieser Form mit mir umgeht?
Wie wird Sie wohl reagieren, wenn ich wirklich (vielleicht aus Versehen) im Unrecht bin? Jedenfalls fand ich Deine Art indiskutabel. Es ist letzten Endes keine Tragödie. Aber ich denke, Du solltest Dich entschuldigen!
Dein Geliebter
29. Juni – 16:45 Uhr
Lieber,
wenn dieser behinderte Mensch irrtümlich der Meinung ist ein Anrecht auf einen Spezialplatz zu haben, dies unfreundlich oder anmaßend zum Ausdruck bringt, dann bleibe ich (auch in anderen Fällen) immer freundlich und reagiere nicht bissig oder ironisierend, oder arrogant oder belehrend wie Du.
Vielleicht will dieser Mensch zeigen, dass auch ihm etwas zusteht, vielleicht fühlt er sich nur auf diesem Platz sicher? Ich stehe dann gerne auf. Ob er im Recht ist, ist mir nicht wichtig. Wenn ich Dein Verhalten so von oben herab empfinde wie vorhin, werde ich mich immer dagegen wehren und das auch ausdrücken. Liebe bedeutet nicht, dass man sich kritiklos verhalten muss.
So gerne ich mich entschuldige, wenn ich erkenne, dass ich etwas falsch gemacht habe, so sehe ich jetzt gar keinen Grund, von Dir dazu aufgefordert zu werden. Außerdem bin ich nicht Dein Kind, dem Du sagst: ›So, und jetzt entschuldige Dich.‹ Wenn ich meine, dass ich das tun sollte, dann tue ich das ohne Aufforderung.
Ich bin aber froh, nun etwas für mich zu sein, auch wenn der Anlass dazu unerfreulich war. Nein, ein Drama ist es nicht. Aber es war auch weiß Gott keine Komödie.
Kommst Du mich um 10.30 Uhr abholen?
Kuss
Eva
29. Juni – 17:52 Uhr
Mein Liebling,
wir reden mal wieder aneinander vorbei.
Ob ich im Bus recht hatte oder nicht, ist doch egal. Wie Du auf eine Situation reagierst, ist auch egal. Wenn mir z. B. an Deinem Benehmen etwas missfallen sollte, habe ich, solange andere Menschen anwesend sind, erst mal meinen Mund zu halten. Später, wenn wir allein sind, kann ich immer noch meine Kritik äußern.
Auch wenn man sich liebt, kann man sich kritisieren. Du tust es, und ich tue es. Es geht nur darum, wie und wo. Entweder man ist ein Paar oder nicht. Im ersten Fall hält man nach außen zusammen und unterstützt den anderen, wenn er im Recht ist, oder man beruhigt ihn, wenn er sich zu Unrecht aufregt. Aber man greift ihn nicht an und unterstützt einen Wildfremden.
Aber lass uns die Sache vergessen.
Max
29. Juni – 19:18 Uhr
Ich bleibe heute lieber zu Hause. Bin wirklich reif, wieder einmal alleine zu sein. Mein Bedürfnis nach Kommunikation ist erschöpft. Also, Amore, dann bis morgen. Schlaf schön!
Deine Eva
29. Juni – 19:47 Uhr
Mein Liebling,
mir tut es auch gut, mal allein zu sein. Dennoch finde ich es schade, dass Dir das Erlebnis heute Nachmittag so auf die Seele geschlagen hat, dass Du den Besuch bei Heinrich absagtest. Du wolltest doch so viel besprechen.
Eine Gänsebrust habe ich schon gekauft. Auch Hühnerbeinchen, die besser sind als Brustfilet, denn Beinchen mit Knochen geben der Suppe einen besseren Geschmack. Für eine Suppenliebhaberin ist das Beste ja gerade gut genug!
Ich wünsche Dir eine schöne und erholsame Nacht. Ich werde sie mit Viktoria I. verbringen. Die hat nämlich, als große Ausnahme unter den Herrscherinnen Europas, ihren Mann geliebt und nach dessen Tod keinen mehr angesehen. Die Ähnlichkeiten zwischen Viktoria und mir sind doch frappierend. Ich werde nach Dir auch keine Frau mehr ansehen.
Viele Küsschen
Dein unerträglicher Barone
3. Juli – 01:37 Uhr
Mein Liebster,
heute Telefonate ohne Ende! Es gibt so viel zu berichten, wo ich doch schon so lange in Berlin bin. Viele Freunde rufen an, und ich habe einen Abend ganz für mich allein, habe Geduld für die Fragen, wie denn Berlin sei usw.
Bei Dir, d. h. wenn Du bei mir bist, gehe ich ja nicht ans Telefon. Ich konzentriere mich immer lieber auf einen Menschen. Aber heute Abend ging ich bei jedem Anruf ran.
›Wie ist er?‹
›Was macht er?‹
›Bist Du verliebt?‹
›Ist er auch verliebt?‹
›Wie sieht er aus?‹
›Meinst Du, er passt zu Dir?‹
›Meinst Du, da wird was draus?‹
›Liebt er Musik?‹
›Wie ist es im Bett mit ihm?‹
›Liebt er Deinen Hund?‹
Ach, Amore, ich bin jetzt etwas erschöpft davon, weil sich ja auch vieles wiederholt. Aber es war so schön, mit den alten Kumpanen, die ich schon fast ein Leben lang kenne, zu sprechen. Bald wird mich meine geliebte Regina besuchen.
Deine Eva
3. Juli – 09:04 Uhr
Hier die Antworten an Deine Freundinnen:
Wie ist er? Liebenswert!
Was macht er? Nur Unsinn!
Bist Du verliebt? Unendlich!
Ist er auch verliebt? Unsterblich!
Wie sieht er aus? So lala.
Meinst Du, er passt zu Dir? Unvergleichlich!
Meinst Du, da wird was draus? Zweifellos.
Liebt er Musik? Fast mehr als mich!
Wie ist es im Bett mit ihm? Göttlich oder probier’s doch aus
Liebt er Deinen Hund? Maßlos!
Dein Barone
3. Juli – 13:00 Uhr
Evachen, ich weiß es jetzt: Du liebst mich nicht! Würdest Du mich wirklich lieben, könntest Du in meiner Abwesenheit nicht in Ruhe atmen und schon gar nicht klar denken. Dein Blutdruck wäre im Keller und Schweißausbrüche würden Dich lähmen. Du würdest das Essen verweigern, könntest nicht fernsehen, die Fragen bei den Kreuzworträtseln würden vor Deinen Augen verschwimmen und beim Telefonieren mit alten Kumpanen würde kein klares Wort, sondern nur immer: ›Mein Geliebter, warum bist Du nicht bei mir?‹ über Deine verführerischen Lippen kommen! Die Schmetterlinge im Bauch würden die ganze Welt rosa färben und angeekelt würdest Du alle Zigaretten im Müll entsorgen!
Stattdessen fühlst Du Dich anscheinend sauwohl, wenn ich weg bin, telefonierst mit der halben Welt, gehst beglückt mit Deinem Hund spazieren und verabredest Dich zu einem Plausch mit Sybille. Die Liebe scheint doch sehr einseitig zu sein.
Dein Barone
3. Juli – 16:41 Uhr
Mein lieber Schatz,
ich habe Dir das lange Wochenende gewidmet, weil Du sagtest, dass Du anschließend 14 Tage für Dein eigenes Fortkommen arbeiten musst. Ich möchte nun auch arbeiten, in Ruhe schreiben können – dazwischen gibt es immer noch zu viel Termine: morgen der Pianist (bestimmt zwei Stunden), Do-Abend drei Gäste, dann Sa mit Lili, und anschließend muss ich sogar noch auf einen 60. Geburtstag! Sonntagnachmittag eine Dichterlesung, wo ich hin muss, weil ich da selbst mal lesen soll.
Du siehst, es ist mir schon beinahe zu viel, denn bei diesen vielen Treffs finde ich nicht die Ruhe zum Abschalten. Bleibt nur heute und Freitag ohne Termine. Heute ist Organisation und Aufräumen angesagt. Ich möchte, ich muss jetzt zur Ruhe kommen, und auch Dir kann das nicht schaden.
In Liebe
Deine Freundin
3. Juli – 18:51 Uhr
Mein Liebling,
ich hatte Dir geschrieben, dass ich nach der exzessiven Woche auch arbeiten muss, und es dann nicht mehr so weitergehen wird wie in der letzten. Dies hieß aber nicht, dass ich Dich 14 Tage nicht sehen und mit Dir zusammen sein könnte – sondern nur nicht in dem bisherigen Umfang. Wenn ich vier Stunden täglich konzentriert arbeiten kann, reicht das. Ich fürchte, Du suchst wirklich einen Alten. Einen, der 14 Tage braucht, um sich von einer exzessiven Nacht mit Dir zu erholen, und der als Rentner immer Zeit hat, um Dich auf Reisen zu begleiten.
Sonnabend willst Du auch noch zu einem Geburtstag gehen! Sehr schön! Dies ist neu für mich, denn ich dachte, wir bleiben nach dem Essen zusammen. Vorschlag: Wir treffen uns zum Essen und dann geht jeder seiner Wege. Evachen! Was ist denn plötzlich los mit Dir? Man muss nur wollen! Wurde Dir gesagt!!!
Willst Du nun oder nicht? Ich jedenfalls will, und wie!
Dein Barone
4. Juli – 16:46 Uhr
Mein Schatz,
zu der Planung Deines Familienfestes: Ich kann nicht alle drei Tage bei Deinem Familientreffen anwesend sein, und das möchte ich auch nicht. Es ist wichtig, dass Du Dich mit Deinen Kindern austauschst. Ich komme aber gerne an einem Tag dazu. Wann wäre es Dir lieb? Samstag vielleicht?
Kuss Eva
4. Juli – 18:27 Uhr
Evachen,
vier Wochen in Italien – aber nicht mal zwei Tage (Freitagnachmittag bis Sonntagnachmittag) Zeit, um meine Familie kennenzulernen? Dies erstaunt mich schon, und ich weiß nicht so recht, wie ich diese Nachricht einordnen soll. Bisher hattest Du nichts von einer Stippvisite gesagt, sondern wolltest Dich mit meinen Kindern doch intensiver beschäftigen. Du scheinst also meine Existenz in Deinem Leben immer noch als Episode zu betrachten!
Dies macht mich sehr traurig, denn ich dachte, nach dreimonatigem aufregendem und schönem Zusammensein würde ich Dir nun mehr bedeuten.
Dein verwirrter Cameriere
PS: Sofern Du nicht mit vier Kindern, zwei Schwiegerkindern und zwei Enkeln eine tiefe Freundschaft aufbaust, wirst Du nie meine Frau. Bei uns dekadenten Adligen heiratet man immer die ganze Familie! Mit anderen Worten: Wer mit einem anbändelt, hat immer die ganze Mischpoke am Hals!
Wie ist Dein aktueller Gefühlszustand? Darf ich Dir noch Küsschen zusenden oder werden die auch erst in 14 Tagen zur Kenntnis genommen? Ich traue mich jetzt schon gar nicht mehr.
Dein Schatz
4. Juli – 20:25 Uhr
Lieber Cameriere,
ich finde, dass, wenn ich einen Nachmittag und Abend Deine Kinder und Anhang kennenlerne, man dann nicht von einer Stippvisite reden kann. Für die erste Begegnung ist das sogar schon recht viel. Ich bin ja weder die Mutter noch Deine Ehefrau. Dazu kein Familienmensch wie Du.
Es ist nicht wie in Bremen, wo die ganze Sippe und somit 40 Menschen zur Abwechslung da sind, sondern eben Deine eigene Familie. Da würde ich mich auch als störend und als ein ›Zuviel‹ empfinden. Ihr habt sicher Dinge zu besprechen, die nur Euch betreffen.
Außerdem muss ich arbeiten, der Verlag will zum Jahresende das fertige Buch sehen. In Italien habe ich auch gearbeitet, fuhr gerade deswegen hin. Nur vor und nach Italien habe ich nicht gearbeitet! Deshalb kann ich nicht schon wieder einfach drei Tage streichen. Ich hoffe auf Dein Verständnis.
Kuss
Eva
4. Juli – 21:09 Uhr
Mein Liebling,
auf die Idee, mal alle Kinder zusammenzutrommeln, bin ich erst gekommen, als das Gefühl sich in mir verdichtete, ich würde mit Dir zusammenbleiben können. Wenn Dich meine Brut und deren Anhang interessieren sollte, dann wirst Du am Abend mal mit dem, mal mit jenem sprechen. Wenn wir am nächsten Tag einen Spaziergang machen oder ein Schloss bzw. das Kloster Lehnin ansehen, wirst Du Dich mit anderen unterhalten können. Ich dachte, Du wärest an mehr als nur an Smalltalk interessiert, denn bei einem Nachmittag und zehn neuen Gesichtern kann ja nicht mehr herauskommen, da Du ja – hoffentlich – noch einige Minuten für mich einkalkulieren wirst. Außerdem sind nicht drei, sondern nur zwei Tage eingeplant. Wir reden um den heißen Brei herum.
Sag mir einfach, was los ist.
Dein verzweifelter Cameriere
4. Juli – 21:34 Uhr
Max!
Ich habe doch gesagt, was los ist! Ich muss arbeiten und meine, dass ein Tag mit Deiner Familie okay ist. Ich kann nicht Fr, Sa und So dabei sein. Wenn ich bis Jahresende nicht fertig bin, verliert der Verlag das Interesse. Das interessiert Dich sicher weniger als Deine Familie, aber mich interessiert es sehr.
Eva
4. Juli – 23:26 Uhr
Gestern noch diese Fragen und heute das!
Wie ist er? Eine Nervensäge!
Was macht er? Nichts!
Bist Du verliebt? Nein!
Ist er verliebt? Ja!
Wie sieht er aus? So lala
Hat er ein Gefühl für Dich, Dein Wesen? Nein!
Meinst Du, er passt zu Dir? Nein!
Meinst Du, da wird was draus? Nein!
Liebt er Musik? Ja!
Wie ist es im Bett mit ihm? ????????
Liebt er Deinen Hund? Ja!
Du spielst mit mir, mein Liebling! Ich finde dies nicht witzig. Wenn Du die ›verlorene Zeit mit meinen Kindern‹ nicht über geringeren Fernsehkonsum, seltenere Smalltalk-Veranstaltungen und Karenz bei Kreuzworträtseln einholen willst/kannst, werden unsere vielen schönen und gemeinsamen Stunden wohl Vergangenheit gewesen sein. Es ist schon beeindruckend, wie schnell Du tiefe Gefühle zerstören kannst. Ich bin unendlich traurig.
Dein Max
4. Juli – 23:53 Uhr
Ich spiele nicht mit Dir, Amore. Ich kämpfe ebenso um unsere Beziehung wie Du.
Eva
5. Juli – 00:21 Uhr
Das schönste der Meere
ist jenes, das wir noch nicht sahen.
Die schönste der Freuden
sind jene, die noch kommen.
Die Tage, die schönsten,
sind jene, die wir noch nicht lebten.
Und das, was ich Dir sagen will,
das Schönste, ich habe es noch nicht gesagt.
(Frei nach Nasim Hikmet)
Dein unermüdlicher, nie aufgebender Barone
5. Juli – 21:30 Uhr
Mein Liebling,
Du sprichst ständig von Dir und Deinen Wünschen. Ob ich meine Sachen schaffe oder nicht, ist für Dich eine Marginalie.
Ich habe schon das Gefühl, dass ich mir meinen Freiraum – so, wie ich ihn brauche – bei Dir allmählich erkämpfen muss. Das ist nicht gut. Um ehrlich zu sein, ich habe jetzt ein großes Bedürfnis, wieder mein eigenes Leben zu führen, und das nicht dann, wenn Du es für richtig hältst, sondern, wenn ich eine Pause brauche. Vielleicht brauchst Du eine Rentnerin, die immer will und kann, wenn Du Zeit hast.
Ich will mich in Berlin vernetzen, als freie Mitarbeiterin bei Presse und Rundfunk vorstellen. Das muss vorbereitet sein. Ich will in die Musikkreise reinkommen – das sage ich schon lange, tue es aber nicht – was Dir gleichgültig zu sein scheint. Ich bin nicht zur Gattin geboren, sondern mein Leben unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten als ein sog. normales Leben. Und wenn ich meine künstlerische Arbeit vernachlässige, werde ich unzufrieden.
Du musst Dir also überlegen, ob eine Künstlerin für Dich das Richtige ist.
Wenn ich so gelebt hätte wie in den letzten Monaten (Italien ausgenommen), könntest Du nicht voller Stolz auf meine vielen Google-Seiten verweisen.
Den 60. Geburtstag hatte ich vergessen – nun fiel mir beim Aufräumen die Einladung in die Hand. Eine Kunsthistorikerin, die seit 20 Jahren eine gute Bekannte ist und die viele Konzerte von mir erlebt hat, mich verehrt und sich freut, wenn ich komme, feiert einen ganzen Tag lang im Medienhaus der UDK. Sie wäre sehr enttäuscht, wenn ich ihrer Einladung nicht folgen würde. Es gibt dort viele verschiedene Beiträge von interessanten Referenten, die ich hören möchte.
Wenn man nicht in einer Wohnung zusammenlebt, dann muss man Absprachen treffen. Besonders dann, wenn beide Freiberufler sind. Ich muss wieder Klavier üben, denn ein kleines bisschen Musik möchte ich schon noch machen, ganz privat mit Freunden.
Außer in meiner Ehe habe ich nie eine ganz enge Zweierbeziehung gelebt. Das geht nicht, siehe Tania und Klaus, die sich einen Tag im Monat für sich ganz allein reservieren, weil beide so viel unterwegs sein müssen. Denke an die vielen Künstlerehen, deren verschiedene Auftritte, Drehorte, Konzertsäle usw.
So, jetzt mache ich weiter. Und, ist es nicht so, dass Du ein Labor hast, das auf Dich wartet?
Ich umarme und küsse Dich.
Deine Animod-Ziege
5. Juli – 22:43 Uhr
Mein Liebling,
vielen Dank für Deine ausführliche Mail. Ich will ebenfalls ein selbstständiges, erfülltes Leben führen und habe deshalb, wie in unzähligen Liebesschwüren versichert, immer Verständnis für Deine Aktivitäten.
Du hast mir, worüber ich mich sehr freute, selbst außerhalb des Bettes gesagt: ›Ich liebe Dich.‹ Für mich ist meine Liebe zu Dir etwas Totales, das merkst Du ja auch im Bett. Das heißt für mich, dass ich auf alles verzichten kann, wenn es das Zusammensein mit Dir beeinträchtigen könnte. Ich hänge mich in die Arbeit jetzt nur rein, weil ich auch finanziell auf einer Augenhöhe mit Dir sein möchte, sodass eine langfristige Perspektive besteht. Ich will nicht ausgehalten werden, klar!
Diese totale Liebe heißt, auf Feste, Treffen, Kneipenbesuche und sonstige Aktivitäten kann ich blendend verzichten, wenn es Dich nicht interessieren sollte. Oder ich gehe mit Dir dahin.
Zumindest würde ich Dich zu allem, was ich tue oder tun möchte, erst einmal einladen. Nur wenn Du sagen würdest, ›Ich habe kein Interesse, gehe Du doch da alleine hin‹, würde ich mir überlegen, ob der Smalltalkgewinn die verlorene Zeit aufwiegt.
Ich stehe Dir doch nicht im Wege beim Schreiben oder bei sonstigen Aktivitäten! Du hast so viel Zeit, alles das zu tun, was Du willst, denn sofern wir uns nur zweimal die Woche treffen (was nicht gerade für Liebe und Sehnsucht spricht), hast Du fünf Abende und sieben Tage dafür. Ich wäre, Deinem Wunsch und der Not, Dich nicht zu verlieren, gehorchend, damit einverstanden. Aber erzähle mir nicht, du kämest meinetwegen nicht zur Arbeit. Dies ist nicht fair und Du weißt selber, dass es nicht stimmt.
In der letzten, schönen und ekstatischen Woche hast Du ja auch nie gesagt, ›Lass uns mal zur Abwechslung ins Museum gehen.‹ Nicht mal mein Vorschlag, am Sonntag den Flohmarkt zu besuchen, war umsetzbar. Mein Liebling, was willst Du denn nun?
Wie oft kannst und willst Du mich sehen, ohne Deine Pläne und Arbeit zu gefährden? Öfter, um auch Berlin kennenzulernen, mit mir ins Kino oder in eine Kneipe zu gehen, oder seltener? Ich stelle mich auf alles ein. Ich weiß, dass ich alle notwendigen Arbeiten bis 13 Uhr erledigt haben kann. Ich habe also in der Regel Zeit für Dich.
Natürlich bin ich lieber allein mit Dir im Bett, als mir ein Museum anzusehen. Aber wenn Du Dir wirklich etwas ansehen willst, werde ich Dich mit Freude und Genuss begleiten. Wenn Du Dich am folgenden Tag nicht bei der Arbeit konzentrieren kannst, weil Du evtl. etwas mehr getrunken hast, als Dir gutgetan hätte, dann kann ich armer Knecht doch nichts dafür! Ich trinke, zumindest wenn ich am nächsten Tage arbeiten will oder muss, nur so viel, wie ich vertrage.
Ich habe das Gefühl, Du bist mit vielem extrem unzufrieden und lädst nun Deinen Frust bei mir ab. Ich finde das nicht fair. Ich weiß nicht, ob ich meine Liebe zu Dir und meine Begeisterung, mit Dir zusammen zu sein, ausdrücken konnte. Ich bin sicher: Wenn wir wollten, uns konzentrierten und uns wechselseitig unterstützten, könnten wir problemlos in wenigen Stunden unsere Arbeit erledigen. Danach wäre immer noch genügend Zeit, um zu den Smalltalkevents zu gehen, Berlin zu besichtigen oder uns aneinander zu erfreuen.
Dein verwirrter Geliebter
5. Juli – 23:50 Uhr
Liebster,
»Arbeit in wenigen Stunden erledigen?« Denkst Du, dass ich meine Arbeit so nach Stundenplan machen kann? Kunst kann man nicht ›erledigen‹!!! Diese Arbeit untersteht meiner akuten Verfassung, Intuition, ich kann das nicht im Voraus sagen, und wenn ich tief ins Schreiben abtrete – und anders geht es nicht – dann wird das immer Vorrang haben. Du weißt gar nicht, wovon Du sprichst!
Du lässt mich doch so oft alleine ins Konzert oder in die Oper gehen! Ich gebe dann Claudio bei Dir oder bei einem Hundesitter ab. Aber enttäuscht bin ich doch jedes Mal.
Was den Alkohol betrifft: Ich bin schneller betrunken als Du und kann dann nicht mehr stoppen. Dann ist der nächste Tag futsch, und ich kann höchstens kleine, alltägliche Aufgaben erledigen. Hundertmal gesagt! Und da ich das von mir weiß, muss ich mich auf andere Weise austricksen, z. B. kein Treffen.
Ja, ich bin unzufrieden, vor allem mit mir selbst. Ich brauche mehr Zeit für mich. Ich muss nicht arbeiten, um Geld zu verdienen. Das ist auch ein großer Unterschied zwischen uns. Ich arbeite aus einem inneren künstlerischen Drang heraus. Auch wenn ich kein Geld dafür bekomme. Zusätzlich habe ich einen viel größeren Freundeskreis als Du, dessen Austausch ich als Anregung brauche. Ich will auch nicht immer zu zweit sein. Ich habe nie so gelebt.
Erzähle ich Dir denn nur zu Deiner Unterhaltung aus meiner Vergangenheit? Ziehst Du daraus keine Schlüsse über mich und mein Leben, meine Wünsche? – Kontakte zu pflegen (künstlerische, freundschaftliche), nimmt ja auch viel Zeit in Anspruch! Oder wie denkst Du, dass meine Freundschaften in so verschiedenen Städten und Ländern entstanden sind?
Ach, Max, wir sehen einfach, wie alles mit uns wird. Ich sehe viele schöne Seiten an Dir und teile gerne meine Zeit mit Dir. Lassen wir jetzt mal wieder die Probleme ›ruhen‹. Sie werden schon wieder erwachen!
Ich umarme und küsse Dich mit Liebe
Deine Eva
6. Juli – 10:33 Uhr
Amore,
wir zerreden, wie schon mehrfach in den letzten Wochen, alle Gefühle, kommunizieren auf einem Niveau, das unerträglich ist, und traktieren uns mit schwachsinnigen Argumenten. Als pars pro toto will ich Dir eins vor Augen führen und Dir zeigen, dass auch Unehrlichkeit von Dir im Spiel ist.
Du sagst, Du hättest zum Sonnabend eine Einladung für eine Person! Haben die Einladenden nicht so viel Geld, um einen zusätzlichen Gast zu bewirten? Oder können Deine elitären Künstlerfreunde es nicht ertragen, ein neues Gesicht in dem hehren Kreis zu begrüßen? Jedenfalls wäre bei uns trivialen Schlägern ein solches Verhalten undenkbar, denn wenn man einen Freund oder eine Freundin einlädt und gern bei sich sehen will, dann natürlich auch deren Partner.
Ich gehe aber davon aus, dass genug Essen und Wein da war und die Gastgeberin auch ein wildfremdes Gesicht akzeptiert hätte. Ich habe gerade hier in Berlin schätzen gelernt, dass das Publikum in größeren Gesellschaften sehr gemischt ist, Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Universität treffen zusammen, während in Hannover alle Kreise nebeneinander bestehen und sich nur untereinander, privat oder ihren Lieblingskneipen bauchpinselten. Auch weil in der Provinz eben keiner über den Tellerrand schauen wollte, sich jede Gruppe für das non plus ultra betrachtete, bin ich nach Berlin gezogen.
Du bist also nicht ehrlich zu mir! Kämpfst Du so um unsere Beziehung? Du hast mehrfach gesagt, »Wenn ein Mann mich vereinnahmen wollte und bei meiner Arbeit behinderte, habe ich mich von ihm getrennt«.
Es ist Dein gutes Recht, Dich von der Arbeit nicht abhalten zu lassen. Ob diese Einstellung allerdings ein Beweis dafür ist, dass Du lieben kannst, wage ich zu bezweifeln. Ich habe Dir offen gesagt, dass ich bisher keine Frau so wie Dich geliebt habe. Damit meine ich eine totale, von tiefem Vertrauen, von Verständnis und auch von Leidenschaft geprägte Form. Diese umfassende Liebe, die sich auch ein immerwährendes Zusammensein wünscht, ist Dir fremd, trotz aller vergangenen Liebhaber. Weil sie Dir alle unterlegen waren und Du deshalb immer die emotionale Herrschaft über Deine Gefühle behalten konntest, hast Du sie über mehr oder weniger lange Zeit mal geliebt, mal ertragen. Du hast in allen Begleiter oder aber Liebhaber für rauschhafte Nächte gesucht und gefunden, aber Liebe in der oben beschriebenen Form hast Du nicht gesucht, wohl weil Du Angst hast, Dich total auszuliefern.
Mit unseren Mails (nicht den Gesprächen) zerreden wir alles und machen alles kaputt. Sie kosten Zeit, die wir beide für kreative Arbeit benötigen, und mich machen sie fertig, sodass ich weder schlafen noch mich konzentrieren kann. Ich werde deshalb keine Mails in diesem Stil mehr schreiben oder beantworten.
Entweder wir muntern uns auf, unterstützen uns bei unseren Vorhaben, bringen mit liebevollen oder witzigen Sätzen Freude und Sonnenschein in den Tag, oder wir lassen die Mailerei sein. Ich denke, Dein und mein Leben ist zu kurz, um es mit Briefen zu vertrödeln, die uns nicht weiterführen.
Lies noch mal mein gestriges Gedicht. So vieles Schönes könnten wir uns noch sagen und noch erleben! Aber nein, es wird stundenlang über ›Alk‹ gejammert, über den Zigarettenkonsum, wir lamentieren über das Gewicht oder lassen uns über die Arbeit aus, anstatt weniger zu trinken, weniger zu rauchen, weniger zu essen und einfach konzentriert zu arbeiten. Dann hätten wir mehr Zeit für die Liebe, für Schönes, Kreatives, auch um Berlin zu erkunden oder die Umgebung zu erradeln.
Ich möchte, genauso wie Du, nicht allein bleiben. Ich suche eine Partnerin, die ich lieben und deren Leben ich begleiten kann und umgekehrt. Mein liebes Evachen, ich hoffe immer noch, dass Du diese Frau sein wirst! Das war es dann wohl.
Dein Amore
6. Juli – 11:56 Uhr
Mein Liebling,
mir ist noch einmal (wird wahrscheinlich noch oft vorkommen) alles durch den Kopf gegangen. Anstatt immer alles negativ zu formulieren, könnten wir uns doch mal positiv sagen, was wir wollen. Dann ist eine Basis da, und wir können besser aufeinander zugehen und die Seelengemeinschaft finden, die Du in Deinem letzten langen und sehr schönen Brief ansprachst. Ich habe den Brief mehrfach gelesen. Ich möchte gleich mal anfangen, damit Du verstehst, was ich meine.
Ich möchte im Prinzip (ich weiß, das geht nicht) morgens, mittags, abends und nachts mit Dir zusammen sein. Ich möchte Dich auch morgens zärtlich oder leidenschaftlich wecken, damit Dein ganzer Tag strahlt und Du, genauso wie ich, kreativ und mit Freude an die Arbeit gehen kannst. Ich möchte mit Dir Berlin erkunden. Ich möchte auch mit Dir ins Kino, zum Bummeln oder ins Theater gehen. Ich möchte auch gern ganz Italien mit Dir bereisen. Ich möchte alle Deine Freunde kennenlernen und sie genauso lieben und schätzen, wie Du es tust. Ich wünsche mir, dass Du einen guten Draht zu meinen Kindern findest, denn ich denke, junge Menschen können Deinen Bekanntenkreis und Deine Wahrnehmung bereichern.
Ich möchte, dass Du meine Freunde genauso achtest wie ich Deine. Ich möchte bei Dir oder bei mir in Ruhe lesen, aber auch Musik hören können. Ich möchte mit Dir auch gern über Themen diskutieren, die nicht in mein oder Dein Fachgebiet gehören. Ich möchte Dich bei Deinen Projekten unterstützen und Dir Mut machen, wenn es nicht so gut läuft. Ich möchte aber auch Zeit haben, um meine Ideen umzusetzen.
Ich möchte noch viel mehr. Vor allem möchte ich mit Dir zusammenbleiben und mit Dir in Harmonie alles das erleben, erfahren und erlernen, was wir beide noch nicht kennen und wissen. Ich weiß, ich möchte viel. Alles werde ich nicht erreichen.
Aber man muss daran glauben, dass die Wünsche erfüllbar sind. Davon bin ich überzeugt, ich werde daran arbeiten. Es wird, aber es muss auch nicht alles gleich sein, denn wir haben unendlich viel Zeit. – Lass uns unsere Wünsche austauschen und dann darüber sprechen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du in gleicher Form antworten würdest.
Dein Träumer
6. Juli – 15:11 Uhr
Mein liebes Evachen,
das Parfüm, für Dich von mir kreiert, müsste sich nun voll entwickelt haben. Wie riecht es? Ich würde gern prüfen, ob der Kick, an den ich denke, noch notwendig ist.
Max
6. Juli – 15:23 Uhr
Mein liebes Mäxlein,
bin gerade zurückgekommen. Ja, ich wünsche mir das auch alles, Amore. Aber bitte erkläre mir nicht, ob ich geliebt habe oder nicht. Das kann nur ich wissen. Total ausliefern wollte ich mich nie, das stimmt. Ich sah sehr früh, dass es Frauen, die das taten, schlecht gedankt wurde.
Wir haben es einfach nicht leicht miteinander, in unserer Unterschiedlichkeit zu denken, zu leben, wahrzunehmen. Aber wir bemühen uns beide darum. Das finde ich schon viel.
Es war sehr, sehr schön mit dem Komponisten. Vielleicht ergibt sich eine Zusammenarbeit, und er vertont mein Opernlibretto über Flora. Er ist ein pfiffiger Pianist und wird zusammen mit seiner Partnerin einen Chansonabend hier bei mir geben – und er will nur das Geld, das im Hut am Abend gesammelt wird.
Fantastisch! Das wird ein Traumabend werden. Wir denken an den September. Er muss sich noch mit ihr absprechen.
Möchten Sie mich besuchen, mein Barone, und am Parfüm schnuppern?
Ihre Baronessa von der Ziege
6. Juli – 17:40 Uhr
Meine geliebte Ziegenkönigin,
ich könnte gegen 19 Uhr kommen und dann schnuppern + Bilder aufhängen. Ich habe Hunger vom vielen Arbeiten. Gibt es eine Roulade? Die kannst Du doch!
Dein Ziegenbaron
7. Juli – 18:52 Uhr
Mein Schnuckelputzelchen und Mäuschen,
ich habe noch mal über Deine Anregung, es mal mit einer anderen Frau zu versuchen, nachgedacht. Ich bin eben kein Hans-im-Glück-Typ, der hinter jeder Scheune oder in jedem Lokal ›was Besseres zu finden‹ hofft. Ich weiß, was ich ›habe‹, bin mit meiner ›Eroberung‹ äußerst zufrieden und glücklich und werde nichts tun, um diesen Goldbatzen – einen Sechser im Lotto – gegen eine Mastgans oder einen Mühlstein einzutauschen.
Ich hoffe, Du hattest einen anregenden Abend. Bis morgen. Dann wird geradelt. Hoffentlich macht das Wetter mit.
Dein glücklicher Hans
7. Juli – 22:10 Uhr
Du Rabenfrauchen,
heute Abend habe ich mir eine chinesische Hähnchenbrust süß-sauer gemacht, also mit einer Soße aus Weinessig und Honig. Ich habe für zwei gekocht, da ich ja von Claudio Besuch hatte. Ich servierte ihm das Gericht mit Reis. Er aß es mit Begeisterung!
Obwohl satt und zufrieden, sah er mich mit seinen traurigen Augen an, und ich verstand, was er mir sagen wollte: ›Mein Frauchen erlaubt mir zwar alles, worüber ich sehr unglücklich bin, denn ich weiß nie so genau, was von mir verlangt wird. – Du, mein geliebtes Herrchen, bist zwar strenger mit mir, aber Du kochst mit so viel Liebe etwas für mich! Mein Frauchen gibt mir immer nur den Einheitsbrei, diese industrielle Fertigware. Nie in meinem ganzen Hundeleben hat sie was für mich gekocht, im günstigsten Fall kriege ich Reste von ihrem Teller. Bei Dir weiß ich, was wahre Liebe bedeutet! Bei Dir, mein geliebtes Herrchen, bin ich Hund und darf es sein, und trotzdem teilst Du alles mit mir!‹
Tja, meine geliebte Eva. Dich sollte Dein schlechtes Gewissen bis zum Lebensende verfolgen, und gehe in Dich, solange Du noch kannst! Mit einem gehorsamen Handkuss und einem feucht-warmen Schlecker quer durchs Gesicht sind wir Deine
Dich sehr verehrenden
Max und Claudio
PS: Wir wären gern heute Nacht bei Dir im Bett! Es ist so kuschelig, so warm bei Dir!
9. Juli – 11:43 Uhr
Mein Liebling,
entschuldige bitte meinen unrühmlichen Abgang gestern Nacht, der von Verärgerung, aber viel mehr noch vom Alkohol bestimmt war. Mein Verhalten war indiskutabel, dennoch möchte ich Dir gern einige Hintergründe erläutern.
Eure ewigen Psychothemen und das Geschichtenerzählen langweilen mich, zumindest dann, wenn man nur bei den Histörchen bleibt und nie auf das exemplarische, das archetypische zurückkommt.
Dass (fast) alle Deiner Künstlerkollegen nicht in der Lage zu sein scheinen, dauerhafte Beziehungen aufzubauen, ist eine Sache. Statt aber über neue und weiter neue Einzelfälle zu sprechen, würde ich gern mal auf die Ursachen kommen.
Was unterscheidet denn Künstler von der Normalbevölkerung? Ist deren Extrovertiertheit oder Egomanie die Ursache oder sind es andere Gründe? Ist deren Verhalten ein Phänomen der modernen Zeit oder hatten Künstler zu allen Zeiten Schwierigkeiten mit einer Partnerschaft? Gibt es Unterschiede zwischen darstellenden, interpretierenden und schaffenden Künstlern? Wenn Ihr dann meine Versuche, das Thema von den Einzelfällen auf exemplarische Fragen zu lenken, kurz und lautstark abbügelt, frage ich mich, was ich da noch soll.
Die lallenden Bemerkungen von Ines, ob ich ›Macbeth‹ überhaupt gelesen hätte oder ob ich wisse, dass mein Partnermodell gescheitert, und ich deshalb nun eine ›freie‹ Frau gewählt hätte, waren verletzend.
Du hattest Dich auch von mir abgewandt und warst nie bereit, mir Deine Hand zu geben. Da machte ich mich auf den Weg. In Zukunft werde ich in ähnlicher Situation bleiben und wohl gelassener, geduldiger oder verständnisvoller reagieren.
Dein Amore
9. Juli – 15:21 Uhr
Lieber Max,
so tragisch war es gar nicht! Ich bin sogar irgendwie froh, dass wir nun quitt sind und uns beide einmal ›daneben benommen‹ haben. Ich bin Dir für Deinen Abgang nicht böse. Der Alk hat eben auch zerstörerische Kräfte!
Nun aber zu Deiner Theoriesucht: Brecht sagt: ›Die Liebe dauert oder dauert nicht.‹ Und genau so ist es. Künstler haben es sicher schwieriger als Menschen, die sich im Vorstadthäuschen ihr ›kleines Glück‹ aufbauen. Zum einen müssen sie stets an der Kräftigung ihres Ichs arbeiten, was dem von Dir so oft beschworenen Wir entgegensteht, denn sonst können sie ihren Beruf gleich aufgeben. Oft leben Künstlerpaare, beruflich bedingt, wochen- oder monatelang nicht zusammen, was zu Entfremdungen führen kann. Hier gibt es aber keine Regel. Und deshalb kann man immer nur den Einzelfall untersuchen.
Denke an Richard Wagner, der bis zu seinem Tod 16 Jahre mit seiner Cosima teilte, oder an den chaotischen Salvadore Dali, der 30 Jahre mit Gala zusammenlebte. Das gibt es also auch!
Es lassen sich unzählige Beispiele einer erfüllenden Künstlerpartnerschaft finden: Menuhin blieb 52 Jahre bei Diana, Sofia Loren ist schon 47 Jahre mit Ponti verheiratet und will keinen anderen, Clara Schumann blieb trotz vieler Avancen ihrer zahlreichen Anbeter 16 Jahre bei Robert, Karajan war 31 Jahre mit Eliette verheiratet usw.
Es gibt da keine Grundregeln, Muster, Theorien!
Auch das Wir-Gefühl lässt sich nicht pauschal für alle Menschen definieren. Ich empfinde ein Wir nur mit der gesamten Menschheit, mit jedem Leidenden und Hungernden, Erniedrigten, ich empfinde die innere Pflicht, helfen zu müssen, weil der andere ich selbst bin bzw. sein könnte. Jeder Mensch, mit dem ich die Möglichkeit habe, mich auseinanderzusetzen, ist auch irgendwie mein Spiegel.
Die Erziehung, die ich durch meine Eltern erfuhr, war auf die Ausprägung des Individuums ausgerichtet. Beide, Vater und Mutter waren starke Individualisten und wussten, dass die Auseinandersetzung mit sich selbst, ja, der Anspruch darauf, die einzige Möglichkeit ist, ein freier Mensch und Künstler zu werden, wenn das Potenzial dazu da ist. Das bedeutet auch, Einsamkeit und Ausgeschlossensein bewusst auf sich nehmen zu lernen.
Das Wir vereinfacht, ist oberflächlich, wird oberflächlich benutzt und kommt vielen Menschen sehr leicht über die Lippen, ohne dass sie darüber nachdenken, was sie da reden. (Eine Verkäuferin bei Aldi sagt z. B. Wir haben heute einen großen Umsatz gemacht!)
Es zählt im Umgang mit Menschen nur die Liebe, die Empathie, die Bereitschaft zum Verstehen. Ich will Dich lieben und als Individuum achten, Deine Eigenarten respektieren, Deine Verwundungen wahrnehmen und Dich trösten, wenn Du traurig bist.
Wir haben beide in einem langen Leben Erkenntnisse und Erfahrungen gesammelt. Deine fanden vornehmlich unter dem Motto ›Familie‹, dem Wir statt. Meine mehr unter dem Motto ›Einzelkämpferin‹. Mach Dir aber jetzt keine Gedanken mehr über den Abend.
Umarmung
Deine Eva
10. Juli – 12:23 Uhr
Mein allerliebster Liebling,
unser letztes Gespräch zeigte doch viel gegenseitiges Verständnis. Ich hoffe, dass das jetzt ein wenig anhält, geliebte Amazone! Ich wünsche Dir nun viel Kreativität und Schaffensdrang und heute viele Seiten in Deinem Buch.
Solltest Du Angst haben, einen Spaziergang im Park allein zu machen, rufe mich an, ich komme sofort und werde Dich mit allem, was mir lieb und teuer ist, beschützen.
Dein Amore
10. Juli – 13:32 Uhr
Lieber Schatz,
bin gegen halb sechs erst ins Bett gegangen, viel Internet, Briefe … Ich tauche jetzt ab, gehe in ›Klausur‹, wie ich das bei meiner musikalischen Arbeit immer nannte, und benötige bis Freitag meine Zeit dafür, aber auch für mich selbst. Hoffentlich kommt etwas dabei heraus, denn leider ist ja selbst das nicht sicher. Auch Dir eine kreative Zeit.
Umarmung von Deiner Dich liebenden
Animod
10. Juli – 17:58 Uhr
Ich habe heute 150 Seiten gelesen und nichts gearbeitet! Ich muss kräftig aufholen. Also tauchen wir gemeinsam hinab. Vergiss aber nicht, gelegentlich Luft zu holen!
Dein Schätzlein
10. Juli – 18:57 Uhr
In ›Schule der Lügen‹? Spannend, ne? Nein, ich vergesse die Atempausen und auch Dich nicht.
Kuss Eva
10. Juli – 19:52 Uhr
Für mich vor allem spannend, weil mir die Ideen und Gedanken der Theosophen, Artamanen, etc. so geläufig sind (Guido von List, Franz von Liebenfels). Ich habe von meinem Vater, der Ritter des ordo novi templi war, eine Menge Literatur dazu geerbt.
Fleischhauer hat hervorragend recherchiert! Mir war das meiste zwar bekannt, aber ihm wohl vorher nicht, denn diese Bewegungen und Strömungen sind so wahnwitzig gewesen, dass nur Insider damit vertraut sind, die meistens nicht mal die Namen und spinnerten Begriffe kennen! Ich muss mich zwingen, nicht weiter zu lesen. Artur ist nun in Madras!
Dein Schätzlein
10. Juli – 23:24 Uhr
Amorissima,
sei nicht unzufrieden mit Dir! Das Leben besteht nicht nur aus Leistung und Effektivität! Wir haben doch einige wunderschöne, exzessive Tage verbracht. Dabei haben wir uns kennengelernt, was notwendig war. Nun wissen wir wenigstens ungefähr, wer und wie wir sind. Dass in dieser Zeit die Arbeit etwas vernachlässigt wurde, ist richtig, aber im Hinblick auf unsere – ewig andauernde, unendlich glückliche, alles umfassende und von grenzenloser Liebe und Leidenschaft geprägte – Zukunft eher vernachlässigbar.
Wir holen die verlorene Produktivität durch Energien, die wir uns nun wechselseitig geben, locker wieder auf. Think positive! Schlaf gut und träume von mir, mein Liebling.
1.000-Watt-Küsschen
Dein dich liebender und immer vermissender Barone
11. Juli – 01:29 Uhr
Mein Herz!
Ich küsse und umarme Dich.
Du bist ein wunderbarer Geliebter, Liebhaber und Liebender. Ich habe nebenbei den Kerzenhalter von Dir poliert – und er strahlt golden und sieht noch leichter aus. Dank für das schöne Geschenk!
Übrigens wäre es fantastisch, wenn Du für ein neues Patent arbeiten würdest!!! (Ich will Dich ja nicht drängen!) Du schläfst schon … ohne Wächter unter Deinem Bett und ohne Deine Geliebte im Arm. Spätestens am Samstag wird sie Dich wieder umschlingen und glücklich bei Dir sein.
Deine Donna amorosa
11. Juli – 19:21 Uhr
Amore,
schau Dir mal den Konsoltisch ›mahagoni‹ bei eBay an. Der wird nicht viel kosten. Vom Format müsste er in Dein Esszimmer passen. Wenn man nun hübsche Füßchen im Empirestil aus Messing anbringt (gibt es hier in Berlin, Schillerstraße), an den Beinen (direkt unter der Platte) kleine Rosetten und statt der nichtssagenden Knöpfe schöne mythologische Empirebeschläge, dann würde sich dieser Tisch gut unter dem Spiegel machen. Eventuell fertigt man noch eine halbrunde Platte an, die draufgelegt wird, und die man bei Bedarf aufklappen kann. Dann wäre dieses Tischchen auch multifunktional nutzbar. Du siehst, an Fantasie fehlt es mir – auch bei Möbeln – nicht!
Dein Geliebter, Liebhaber und Liebender
11. Juli – 22:50 Uhr
Habe die Heizung aufgedreht! Wunderbar! Ich habe sooo gefroren – und das mitten im Sommer!
Eva
11. Juli – 23:09 Uhr
Pfui, Du alte Umweltverschmutzerin und Egoistin. Denke global und nicht personal!
Schaff Dir doch einen tüchtigen Lover an, der es Dir so warm macht, dass Du keine Heizung und keinen Kashmerepullover mehr brauchst. Wenn der Kerl richtig gut ist, gibst Du noch so viel Energie ab, dass die Wohnung über Dir mitgeheizt werden könnte.
Dein Kerl (in spe!)
11. Juli – 23:52 Uhr
Kannst Du mir bitte solche Ergüsse ersparen?
Ich habe wirklich genug von Deiner primitiven Sprache. Ich möchte mal eine längere Pause einlegen, habe keine Lust mehr, Dich morgen zu treffen. Du bist mir zu unsensibel.
Du passt leider doch nicht zu mir.
Eva
12. Juli – 20:09 Uhr
Darf Dein Liebling mal höflich anfragen, wann nach der erschreckenden Mail ›Ich möchte mal eine längere Pause einlegen‹ die längere Pause beendet sein wird?
Dein Amore
13. Juli – 00:05 Uhr
Darf ich denn wenigstens mal anrufen?
Dein Max
13. Juli – 01:22 Uhr
»Schaff Dir doch einen tüchtigen Kerl an …«
Das ist ja wirklich mal wieder so ein derber Witz von Maximilian Baron von Clausenthal. Enorm witzig. Wo bleibt denn der von Dir so oft beschworene ›gute Stil‹? Würdest Du Dich auch trauen, einer ›Dame‹ aus Deinem Schlägerclub solche Empfehlungen zu geben?
Also ich, die ja mit unzähligen Männern im Bett lag, müsste mich jetzt mal so richtig von einem Kerl durchvögeln lassen! Meinst Du, ich muss mir so eine Sprache gefallen lassen – alles nur aus Spaß? Du hast keinen Stil und keinen Geschmack und keine Ahnung, wer Dir begegnet ist und mit wem Du redest.
Aber da Du mir ja gesagt hast, dass ältere Frauen ganz besonders scharf auf Pornosprache sind, denke ich, dass Du Dein Glück – mit dieser Art Austausch – bestimmt noch finden wirst. Bei mir klappt das leider nicht.
Ich bedaure, dass ich mich Dir so offen hingegeben habe. Verschenkt an den Falschen. Soll nicht wieder vorkommen. Auch wenn Du nun gelernt hast, was eine Frau im Bett glücklich machen kann, über ihre Seele weißt Du wenig.
Eva
13. Juli – 09:37 Uhr
Mein liebes Evachen,
in unserem ›Schlägerclub‹ wird nie über Frauen und Ficken gesprochen. Mein witzig und nicht verletzend gemeinter Brief tut mir leid. Ich entschuldige mich von ganzem Herzen. Mit dem Kerl meinte ich ja mich.
Sehr oft hatte ich Dich gebeten, nun endlich die Erzählungen über Deine vergangenen Liebschaften und Lieben einzustellen. Schon vor Kleesten hatte ich schon alles Wesentliche vernommen. Es ist mir egal, was vorher war.
Da Dich das Thema Deiner vergangenen Beziehungen nicht losließ, habe ich vielleicht – unbewusst – manches in den falschen Hals gekriegt und Dir deshalb das ›deplatzierte Witzchen‹ geschrieben. Es gibt ja immer eine Ursache für das Verhalten eines Menschen. Erinnere Dich an alles Schöne, was wir gemeinsam erlebt haben. Denk auch an alle Pläne, die wir für die Zukunft schmiedeten. Das willst Du alles wegwerfen? Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Es hat aber keinen Sinn, weiterzumailen. Entweder wir lassen es oder wir treffen uns. Sag mir nur eine Uhrzeit!
Dein sehr trauriger
Amore
13. Juli – 12:04 Uhr
Nee, bei Euch wird nur in primitivster Weise darüber geschrieben, eben weil Deine Schläger nicht davon sprechen. Irgendwo muss der Druck ja raus! Verdrängung bringt dann die Resultate, für die Du ein exemplarischer Fall bist. Du sprichst ja immer so viel von Stil. Der zeigt sich bei Dir aber nicht im takt- und rücksichtsvollem Verhalten einer Frau gegenüber. Dein Sti(e)l befindet sich ausschließlich in der Hose.
13. Juli – 14:21 Uhr
Liebes Evachen,
da Du meine heutige Entschuldigung nicht angenommen hast, bin ich einem spontanen Entschluss, aber auch Deinem Rat gefolgt, und habe mal eine Anzeige aufgegeben. Die erste meines Lebens! Sie wird am Sonntag erscheinen. Leider war es für übermorgen zu spät.
Kinderreicher Großvater, 63, 171, 67, 2 x HSA, allen Facetten des schönen Lebens äußerst zugewandt, sucht sehr selbstbewusste, umfassend gebildete und vor allem neugierige Lebenspartnerin, die ihre Zeit nicht mit Gesprächen über das Wetter, Krankheiten und unwichtige Menschen vertrödeln möchte. Bin altmodisch und konservativ im Benehmen, dafür umso liberaler im Denken. Auch unernst gemeinte Zuschriften werden unter pockroy@web.de beantwortet.
Vielleicht spricht Dich der Text ja an. Über eine Mail an die angegebene Adresse würde ich mich freuen.
Dein Primitivling
13. Juli – 15:38 Uhr
Viel Erfolg! Eva
13. Juli – 17:31 Uhr
Liebe Eva-Maria,
ich legte ein Päuschen bei meiner Arbeit ein und sah mir mal den eBay-Bestand an. Dort ist noch der halbrunde Tisch, der Dir so gut gefiel. Sonntagnachmittag ist Ende des Bietprozesses. Soll ich den Tisch für Dich ersteigern? Wenn keine Versandgebühren anfallen, wirst Du den Tisch sehr preiswert erwerben können. Ich bin auch gern bereit, Dir die Applikationen, so wie beschrieben, anzubringen.
Liebe Grüße Maximilian
PS: Ich bin auch gern bereit, Claudio wieder für kürzere oder längere Zeit zu übernehmen, solltest Du irgendwann einmal einen Hundesitter brauchen.
13. Juli – 21:33 Uhr
Lieber Maximilian,
danke für Deine freundlichen Angebote. Auf das bezüglich Claudio komme ich gerne mal zurück. Ja, bitte den Tisch für mich ersteigern. Kann man immer gebrauchen. Hoffentlich geht er ins Auto.
Liebe Grüße
Eva
13. Juli – 22:59 Uhr
Liebe Eva,
es hat mich sehr gefreut, dass Du meine Angebote angenommen hast bzw. nutzen willst. Stehst Du noch zu Deinem Angebot, meine Bücher zu ordnen? Es wäre mir eine große Hilfe, mehr noch, eine große Freude! Heute habe ich das letzte Regal erhalten. In spätestens drei Wochen habe ich die Dekoration für die Regale fertiggestellt. Dann wäre Deinem Schaffensdrang nach oben hin keine Grenze gesetzt! Es wird richtig Arbeit sein!
Ich würde mich für diese tolle Unterstützung mit Berlin-Sightseeing oder Radtouren durch die Mark revanchieren. Wenn Du also willst, erreichst Du noch alles, was Du Dir von Deinem Inserat erhofftest. Du musst nur Bescheid sagen, wann Du aktiv werden willst.
Liebe Grüße
Max
14. Juli – 10:45 Uhr
Liebe Eva,
ich muss heute Nachmittag mal unbedingt Pause machen und will mich bei diesem schönen Wetter an die frische Luft begeben. Wollen wir nicht etwas Rad fahren? Ohnehin muss ich Dir das Buch zurückgeben und habe wohl noch einige Sachen abzuholen. Ich würde mich freuen, wenn Du Zeit und Lust hättest.
Dein Max
15. Juli – 10:37 Uhr
Liebes Evachen,
es war sehr schön, Dich wiederzusehen. Ich genieße es trotz allem, mit Dir zusammen zu sein und, selbst wenn der Grund Deine Schmerzen im Bein sind, Dich mal wieder in den Arm zu nehmen!
Diese letzten Monate waren für mich wunderschön, und ich werde sie nie vergessen! Es ist doch aufregender, einige rauschhafte, intensive Monate gelebt zu haben (trotz eines unerwarteten und traurigen Endes), als nur Bücher zu lesen oder Versuche zu machen. Unsere Unterhaltung ist mir natürlich noch durch den Kopf gegangen. Dann habe ich mir noch mal zwei Deiner Mails vom 11.7. vorgenommen.
»Ich küsse und umarme Dich. Du bist ein wunderbarer Geliebter und Liebhaber und Liebender.«
Und:
»Kannst Du mir bitte solche Ergüsse ersparen? Ich habe wirklich genug von Deiner primitiven Sprache.«
Selbst wenn meine Sprache primitiv gewesen sein sollte (Ich denke, mehr die hinter der Sprache liegende Idee hat Dich abgestoßen – zudem habe ich mich ganz primitiv ja selbst zum Warmmachen andienen wollen und Dir nie und nimmer – Eifersucht? einen anderen Kerl gewünscht), ist Deine Reaktion unverständlich, wenn Dich nicht etwas ganz anderes, wesentlich Gravierenderes unzufrieden gemacht hätte. Diese Unzufriedenheit war latent und unterschwellig immer da und kam plötzlich explosiv aus Dir heraus.
Gestern hast Du es ja gesagt. Genauso wie Alberto, der sich auch nicht mit Deinen CDs, Zeitungsartikeln etc. vertraut machte oder machen wollte, habe auch ich mich nicht in dem notwendigen – zumindest von Dir erwarteten – Umfang mit Deinem Lebenswerk beschäftigt. Ich habe Dich jedenfalls vorrangig als Frau (aber auch Mensch) und erst in zweiter Linie als Künstlerin mit außerordentlichen Lebensleistungen und Erfolgen gesehen. Zudem war ich – als notorischer Optimist – mehr der Zukunft (Lebenspartnerin, Pläne, gemeinsame Projekte, etc.) zugewandt, als mich dauernd mit dem Vergangenen, wie Liebschaften, Erfolgen aber auch unseren vergangenen Mails, zu beschäftigen. So wird mir erst Deine Reaktion verständlich.
Heute gibt es eine witzige Anzeige. Eine Frau sagt, was sie alles nicht ist: Attraktiv, wohlhabend, geistreich, humorvoll etc. Mal was anderes, sich in einer Anzeige selbst auf den Arm zu nehmen. Leider ist sie erst 51, etwas zu jung für eine Teilnahme am Wettbewerb.
Ich wünsche Dir nochmals von ganzem Herzen gute Besserung und einen schönen Sonntag. Wenn Du wieder mal radeln willst und Begleitung suchst oder Aufmunterung brauchst, melde Dich bitte.
Liebe Grüße
Dein Examore, Excavaliere, Exbarone, Exgeliebter, Exliebhaber, Exliebender, Exknecht, aber vielleicht zukünftiger Fahrradkumpel und Hauskoch.
15. Juli – 12:00 Uhr
Lieber Exgeliebter,
beide Äußerungen von mir hatten einen Anlass. Die erste kam aus meinem Herzen, meinem Gefühl für Dich, die zweite durch die für mich beleidigende Mail. Ich kann nichts dafür, dass das an einem einzigen Tag stattfand.
Sehr heftige Reaktionen gegen Dich kamen von mir nur dann, wenn Du mich, und das immer wieder – trotz meines geäußerten Widerwillens – mit Deiner Primisprache belästigt hast. Dem hast Du aber nie Rechnung getragen, sondern Deine banalen Äußerungen immer wieder fortgesetzt. Aber da kann man jetzt nichts mehr machen.
Auch ich werde immer an das Schöne und Besondere zwischen uns denken. Und Du sollst wissen, dass ich sehr traurig bin. Vielleicht hast Du das gestern bei mir gesehen – ich weiß es nicht. Es wäre auch eigenartig, wenn kein Schmerz da wäre, nach so vielen schönen Gefühlen für Dich.
Vielleicht kommen unsere Unterschiede ja daher, weil Du etwas nachzuholen hast, und ich darunter leide, Beruf und Zugehörigkeit verloren zu haben. Ich bin darüber hinaus viel grüblerischer – trotz Optimismus – veranlagt als Du. Du bist geradlinig und nicht so von Gefühlen besetzt wie ich. Meine Ambivalenzen sind nun einmal ein Teil von mir, auch wenn sie mich selbst manchmal stören und belasten.
Unsere Unterschiede sind so groß, dass wir uns gegenseitig wohl nicht verstehen können und deshalb auch immer wieder missverstanden haben. Darum ist es für uns beide besser, jetzt auseinanderzugehen, als in zwei oder drei Jahren. Ich bin aber sehr froh darüber, dass wir uns nun nicht streitend und böse trennen. Du weißt ja: Eigentlich ist Freundschaft für mich das Schönste!
Auch Dir einen schönen Tag! Alles Liebe für Dich.
Eva
15. Juli – 12:55 Uhr
Mein liebes Evachen,
da ich ab morgen wieder mehr Zeit haben werde, möchte ich mich etwas mit Deinem Lebenswerk beschäftigen. Ich muss ja schließlich wissen, wer mich in den Armen gehalten hat, oder darf ich sagen, wen ich in den Armen halten durfte? Es wäre doch sehr peinlich, wenn mich meine Urenkel in 40 oder 50 Jahren nach Dir fragen würden, und ich über Dich nur von Persönlichem und Intimem, aber nichts über Deine Arbeit und Deine Erfolge berichten könnte. Gewährst Du mir denn diese Bitte? Es würde mich freuen!
Dein Multi-Ex oder Ex-Multi
PS: Ich werde mein ganzes Leben immer Pläne schmieden. Unabhängig davon, ob ich Erfolg habe oder nicht. Als alles noch mit meiner Firma positiv aussah, machte ich schon Pläne für meine Zeit nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung. Ich habe (subjektiv) genug Erfolge. Was andere darüber denken, ist mir egal. Das ist eben der Gegensatz zu einem Künstler, der ja ohne Leistung und breite Anerkennung nicht existieren kann.
15. Juli – 17.00 Uhr
Meine geliebte Regina,
seit drei Tagen ist es nun endgültig mit Max aus, und ich leide schon wieder – wie jedes Mal – wie ein Tier!
Anlass war wieder eine Mail, die mich verletzte. Aber es ist einfach ganz generell so, dass unser so verschiedenes Wesen immer wieder Anlass zu Konflikten und Auseinandersetzungen gibt. Da er aber nicht bereit ist, über diese zu reden, und auf der Ansicht beharrt, dass das Darüber-Reden nur ein Zer-reden der Gefühle ist, drehen wir uns im Kreis, können uns nicht finden und verstehen und können so auch nicht an die Wurzeln unserer Liebe kommen.
Nur oder vorwiegend in unseren rasenden und hingebungsvollen Umarmungen und in der nonverbalen Begegnung (Streicheln, Blicke, Lachen) zeigt sich eine tiefe gegenseitige innere Zugehörigkeit. Ich habe das noch nie so erlebt.
Wir haben nun beschlossen, Freunde zu bleiben. Zu bleiben? Bisher waren wir ja noch gar keine! Auch das müssen wir erst lernen! Ich weiß nicht, ob mir das gelingen wird, denn ich habe große Sehnsucht nach ihm. Der Kopf sagt Nein und mein Herz sagt Ja. Das ist schrecklich anstrengend!
Er ist für mich da, hilft mir in vielen Dingen. Aber er ist auch sehr egoistisch, denn dies tut er nur bei Dingen, die ihm selbst Freude machen: Kochen, Feste bei mir vorbereiten und feiern, eBay-Angebote für mich aussuchen. Aber er blockt bei allem ab, was ihm ungenehm oder lästig ist. Er will mich schlicht und freundlich, so waren wohl auch die Frauen, die er vor mir hatte. Na ja, dann muss er wohl wieder eine solche finden. Warum fällt mir die Trennung trotzdem so schwer?
Sei umarmt von
Deiner Eva
15. Juli – 16:55 Uhr
Liebes Evachen,
bei der Durchsicht unserer Mails der letzten Tage fiel mir etwas auf. Ich sagte mehrfach, ich sei traurig. Und Du schriebst heute Vormittag:
»Und Du sollst wissen, dass ich sehr traurig bin.«
Warum trauern wir denn so rum? Gibt es denn nicht Lösungen, die nicht mit Trauer, sondern mit Freude behaftet sind?
Jetzt will ich Dir mal einen Gedanken vortragen, den Du in Ruhe abwägen und nicht gleich verwerfen solltest. Diesen würde ich keiner anderen Frau vortragen, aber ich denke, dass Du, aber nur Du, in der Lage bist, ihn zu verstehen.
Erstens wollen wir beide weiter miteinander befreundet sein. Ich freue mich drauf, denn ich bin nicht nur gern mit Dir zusammen, sondern auch mit Deinen Freunden.
Zweitens haben wir uns wunderbar im Bett verstanden. Für mich warst Du im Bett eine Offenbarung und auch Du sagtest mehrfach, so entspannt und vertraut wie mit mir hättest Du Dich noch mit keinem Mann im Bett vergnügt. Warum sollen wir denn trauern, das Schöne aufgeben und auf diese Freude und diesen Spaß verzichten? Ist nicht jeder Tag (na ja, ich will nicht übertreiben!) ohne diese Freude ein verlorener Tag? Zudem wollten wir doch noch so viel forschen und entwickeln!
Kannst Du Dir denn nicht eine Beziehung vorstellen, die von großer, tiefer und teilnahmsvoller Freundschaft beherrscht und zugleich durch ein leidenschaftliches Liebesverhältnis geprägt ist, aber nicht mit großen Liebesschwüren belastet wird und deshalb schnell mit Verletzungen einhergeht? Wir werden uns nichts mehr wechselseitig vorwerfen können, denn jeder bleibt seines eigenen Glückes Schmied! Wir würden uns entspannt und unverkrampft einfach Berlin und die Umgebung erschließen und vieles Aufregende erfinden können! In Kopf und Herz würden wir uns beide weiterhin frei fühlen, aber immer wieder gern zusammen sein wollen.
Bitte, bitte unterstelle mir nicht, dass ich nur umsonst ficken will. Deine Freundschaft ist mir mindestens genauso wichtig. Ich denke, dass wir wegen dieser unbegreiflichen Vertrautheit, die wir in so kurzer Zeit erreicht haben, auch über meinen Vorschlag sprechen können. Ich könnte dann gut auf das Ergebnis meines Inserates verzichten!
Ich würde gern auch Regina wiedersehen. Wollen wir nicht gemeinsam einen Nachmittag in Berlin-Mitte verbringen und abends koche ich uns was?
Dein Prof. Dr. Schlingel
(Der bleibe ich und dieser wird nie Dein Ex!)
15. Juli – 17:23 Uhr
Lieber Schlingel,
ich werde über Deinen Vorschlag nachdenken. Spontan sage ich mal so: Die Trennung zwischen Liebe und Bett ist nicht das, was ich suche. (Ausnahme, mal für eine Nacht). Aber eine Liebesbeziehung, die nach einem Programm verfährt, auf einer Absprache basiert, das klappt bestimmt nicht bei mir.
Dazu bin ich seelisch zu leidenschaftlich und leider auch zu besitzergreifend veranlagt. Ich hatte auch so eine Beziehung noch nie, was ja zeigt, dass ich niemals an so etwas interessiert war.
Übrigens hat mir Sybille denselben Vorschlag gemacht. Aber ich glaube, ich kann das nicht. Da ist mir eine Freundschaft lieber.
Jetzt gehe ich mit Claudio spazieren.
PS: Würdest Du mir bitte sagen, was Du unter ›umsonst ficken‹ verstehst?
15. Juli – 17:51 Uhr
Liebes Evachen,
zuerst habe ich mal tief durchgeatmet, dass ich nicht vom Hof gejagt wurde. Natürlich ist alles für mich auch neu. Aber mit Dir ist alles neu! Vielleicht entspringt der Vorschlag meinem Zwillingsnaturell. Für mich gibt es nicht nur schwarz oder weiß, entweder und oder. Es gibt so viele Nuancen und Übergänge. Zudem sagte der chinesische Affe: Wo andere ein unüberwindbares Problem sehen, hat er gleich eine Lösung parat.
Ich sage Dir, was mir durch den Kopf ging: Ich möchte nicht auf die wunderbaren Nächte mit Dir verzichten. Ich war und bin ja immer noch süchtig. Deshalb auch die (jetzt sehe ich das so) übereilte Anzeige im Tagesspiegel. Nachdem unsere Beziehung auf der Gefühlsebene, auf der sie bis Mitte der Woche gelebt wurde, nicht fortbestehen kann, suche ich keine neue mit dieser aufwühlenden Intensität, sondern bin mit einer wunderbaren Freundschaft und einer Geliebten vollauf zufrieden. Wenn beides in einer Person verbunden ist, umso besser und schöner, weil man je nach Stimmungslage von einer Ebene in die andere wechseln kann. Allerdings: Wenn Du das Gefühl hast, dass Du in solch einer Beziehung keinen Orgasmus bekommen und weder Freude noch Spaß haben kannst, weil Dein Herz und Deine Seele nicht beteiligt sind, dann lassen wir das und wir reden nicht mehr weiter darüber.
Dein Schlingelchen
15. Juli – 23:24 Uhr
Mein liebes Evachen,
mein heutiges Pensum ist geschafft, und ich kann mir nun sehr entspannt Beethovens 3. Klavierkonzert anhören! Dabei stelle ich mir mein Leben wie folgt vor:
Morgens nach dem Frühstück gehe ich mit meiner besten, einzigen und wilden Busenfreundin los, um drei, bei guten Tagen vier Pferde zu stehlen. Finden wir keine Pferde, klauen wir entweder spanischen Rotwein oder Hundefutter. Vor dem Mittagessen werde ich mit meiner Freundin schwarz nach Berlin-Mitte fahren, wo wir erst den Kartenkontrolleur des Pergamonmuseums mit falschen Eintrittskarten täuschen und anschließend ein Restaurant der Oberklasse dann verlassen, wenn wir das gute Mittagessen mit einem Chablis heruntergespült, die Speisen weitgehend verdaut und den Zahlkellner mit einem Hinweis auf zwei Al Quaida-Koffer, je einer in der Damen- und der Herrentoilette, von albernen Rechnungslegungen abgelenkt haben.
Nach der Heimfahrt, bei der ich einem kleinbürgerlichen Kontrolleur mit dramatischen und überzeugenden Worten schildere, dass wir uns zwar in guter Hoffnung auf dem Wege zur Gynäkologie des weltberühmten Professore befinden, uns aber wegen der Notlage kein Ticket kaufen konnten, ruhen wir uns aus. Danach prüfen wir gut erholt alle Möglichkeiten zur Schädigung der verhassten, kapitalistischen, bundesrepublikanischen Gesellschaftsordnung zu prüfen, wobei wir immer wieder von Neuem feststellen, dass wir mit einem illegalen Geldtransfer in das benachbarte, uns und dem Geld freundlich gesinnte Ausland unseren edlen politischen Motiven am ehesten gerecht werden könnten.
Nachdem wir während eines Spaziergangs bei herrlichem Sonnenuntergang mit unserem geliebten Hund vor dem Abendessen noch einige kleinere Scheckbetrügereien durchgeführt und drei übergewichtige Schlipsträger um ihre Bankkarte inkl. Geheimnummer erleichtert haben, feiern wir mit zartesten Garnelen und saftigen Steaks, mit Sekt, Wein und Whisky in bester Stimmung und enthusiastisch unseren Tageserfolg, wobei wir uns ausgelassen langsam vom Speisezimmer in das Schlafzimmer begeben. Über alles Weitere schweigt des hochmusikalischen Sängers Höflichkeit.
Das laute und rüde Klingeln und Klopfen am frühen Morgen beendet eine traumhafte Nacht. Schicksalsergeben stelle ich mich einer Übermacht von uniformierten Häschern in der Gewissheit, dass Neid und Missgunst der Kleinbürger dem Henker das Scharfbeil sicher und zielgerichtet führen werden. Auf meinem Grabstein werden meine Kinder in ehernen Lettern die Worte einmeißeln lassen:
›Des Morgens schon um achte trank Eva roten Wein und lachte!‹
16. Juli – 06:26 Uhr
Am 11. Juli schriebst Du mir: »Ich werde nach Dir auch keine Frau mehr ansehen.« Am 12. Juli kam diese Nachricht: »Ich habe mal eine Anzeige aufgegeben. Die erste meines Lebens!«
Sicher wirst Du verstehen, dass ich mit einem Mann, der seine Versprechen so schnell vergisst, niemals Zechprellerei oder Scheckbetrügereien unternehmen würde. Versprechen über das Teilen des Raubzuges wären auch am nächsten Tag vergessen. Da kann man nicht mehr vertrauen.
Eva
16. Juli – 09:58 Uhr
Du alte Reichsbedenkenträgerin!
Bevor es zum Streit über die Aufteilung der Beute kommen kann, hat mir der Scharfrichter doch schon längst den Kopf vor die Füße gelegt. Du sackst ohnehin alles ein! Außerdem bin ich, wie Du weißt, an Geld nicht interessiert. Ich wäre doch mit dem Hundefutter zufrieden gewesen.
Dein Schlitzohr
16. Juli – 12:36 Uhr
Um 6.26 Uhr versendest Du Mails! Da ich weiß, dass Du keine Frühaufsteherin bist, musst Du ja die ganze Nacht auf Achse gewesen sein und hast mir in Deiner unendlichen Güte und Zuneigung vor dem Schlafengehen noch die Mail gesandt.
Was hast Du denn die ganze Nacht gemacht? Hast Du Dich mit Deinen kriminellen Gelüsten neuerdings auf Raubzüge im Dunkel und im Schutz der Nacht verlegt? Hast Du einen neuen Partner, der Dich auf seine nächtlichen Einbruchstouren mitnimmt? Ich bin enttäuscht! Nun meidest Du nicht nur mich, sondern auch die Schönheit der Sonne und die Klarheit des Lichts! Es wird böse mit Dir enden!
Dein Schlawiner
16. Juli – 14:56 Uhr
Es kommt immer mal wieder vor, dass ich sehr früh wach werde. In der Tat bin ich nun also schon seit 6 Uhr auf. Claudio genießt die ganz frühen morgendlichen Spaziergänge immer sehr. Heute ist es ziemlich heiß. Wünsche Dir trotzdem einen schönen Tag.
Eva
16. Juli – 15:15 Uhr
Ich habe bald frei und überlege angestrengt, was ich mit dem angebrochenen Abend machen könnte. Hast Du eine pfiffige Idee?
Vom Schlingel ein kleines und unverfängliches
Küsschen hinters Ohr.
16. Juli – 18:38 Uhr
Komme gerade aus der Stadt zurück. Es ist total schwül. Auf Ischia hätte es längst ein krachendes Gewitter gegeben, einen erlösenden Regensturz! Und dann ist die Luft wie neugeboren. Ich bin ziemlich lethargisch, sodass ich über gar keine Ideen verfüge, und über pfiffige schon gar nicht.
Eva
16. Juli – 18:49 Uhr
Liebes Evachen,
nun habe ich mal schnell die freie Zeit genutzt, um die Gebrauchsanleitung für Deine Waage zu lesen. Ich denke, ich kann Dir beim Einprogrammieren der Basiswerte helfen. Allerdings müsstest Du dann barfuss und nackt sein, damit die sehr geringen elektrischen Ströme zur Körperfett- und Körperwassermessung nicht von Fremdwiderständen auf der Haut beeinflusst werden. Traust Du Dich denn, Dich mir im Evakostüm zur Waagejustierung hinzugeben?
Wenn Du Angst haben solltest, dass der ungeschickte, dauernd Gläser umwerfende Schlingel seine Hände nicht unter Kontrolle halten und sich nicht auf die Knöpfchen der Waage konzentrieren kann, dann musst Du mit der Programmierung so lange warten, bis Du einen geschickteren Schlawiner gefunden hast, der Deine Wünsche erfüllt. Du musst also zwischen Teufel und Beelzebub entscheiden.
Jeder von uns beiden hat doch ein Riesenproblem. Du kannst Deine Zigarettensucht nicht beherrschen, und ich bin süchtig nach dem Ficken. Ich finde zwar, meine Sucht ist viel schöner, aber vielleicht ist dies nur mein Blickwinkel.
Mein liebes Evachen: Lass mich doch weiter an Deinen heimlichen Wünschen teilhaben, damit ich nicht wieder vom Hof gejagt oder als Spinner abqualifiziert werde!
Nachdem ich Dich kennengelernt habe und in die Schönheit eines fantasievollen und rauschhaften Zusammenseins im Bett eingeführt worden bin, will ich nicht mehr auf das regelmäßige Ficken verzichten und mir wie viele Jahre lang nur gelegentlich ›aus medizinischer Sicht‹ einen runterholen. Für mich ist lediglich die Frage, wie und mit wem!
Es wäre natürlich sehr schön und würde mich wahnsinnig glücklich machen, wenn ich Dich zwei- bis dreimal pro Woche (vielleicht auch etwas mehr) ficken könnte.
Ich würde mir keine Frau mehr suchen müssen, und wir könnten vor oder nach dem Bettrausch Musik hören, essen, Geschäfte machen oder planen und was auch immer. Sicher wirst Du nicht jedes Mal, wenn mich die Lust auf Deinen Körper übermannt, auch genug Spaß für einen Orgasmus haben. Du kannst es Dir dann ja selbst machen.
Für Deine Bereitschaft, liebe- und verständnisvoll mit meiner Sucht umzugehen, werde ich mich revanchieren und versuchen, alle Deine Wünsche zu erfüllen. Du musst mir nur sagen, was Du ausprobieren willst oder was Dir Deine Fantasie eingibt. Glaube mir, es wird Dir und mir sehr viel Spaß machen, wenn ich immer neue Einfälle bedienen darf.
Ich habe diesen Brief geschrieben, weil ich mir jetzt endgültig den abwertenden Vorwurf: ›Du denkst ja immer nur ans Ficken‹, nicht mehr anhören möchte! Ich mache ja auch keine Kommentare zu Deiner Rauchsucht! Also, sei so nett und denke darüber nach.
Dein Kumpel und ewig hilfsbereites Schlitzohr
16. Juli – 20:17 Uhr
Max,
nach dieser Mail bist Du noch nicht mal mehr mein Kumpel, leider auch kein Freund mehr. Eine solche Ignoranz meinem gesamten Wesen gegenüber habe ich wirklich noch nie erlebt.
Dein Trieb, zu ficken, ist Deine Sache, und da Du Dir einen Puff nicht leisten kannst, musst Du eben eine Frau finden, die Dein Angebot dankbar annimmt. Das wird nicht wirklich schwer sein. Du wirst eine finden.
Ich hole morgen Claudio ab. Den wirst Du genauso wenig wiedersehen wie mich. Das ist nun endgültig vorbei. Ein Freund bist Du nicht mehr für mich – vielleicht hat Dir auch eigentlich – selbst daran – nichts gelegen. Ich wünsche Dir, da ich Dich einmal gern hatte, eine erfüllte Fickbeziehung. Wahrscheinlich hast Du auch gar nicht mehr nötig.
Alles Gute
Eva-Maria
16. Juli – 22:21 Uhr
Liebe Eva,
ich habe mal nachgedacht, warum ich Dir Dinge schreibe, die ich vorher noch nie gegenüber einer Dame ausgesprochen habe. Die Ursache (hat nichts mit Schuld oder Sühne zu tun) liegt nicht in unterschiedlicher Herkunft, Sozialisation oder was auch immer, sondern nur an uns beiden.
Du weißt, wenn ich an Dich denke oder Dir schreibe, passiert immer das Geiche. Wenn ich dann masturbiert habe, geht es wieder, aber denke ich ein, zwei Stunden später wieder an Dich, dann steht er wieder. Ich finde dies nicht normal. Woran liegt das?
Natürlich finde ich Deine Art, Deine Ausstrahlung, Deine Haut aufregend. Ich habe mich in alles verliebt. Dieses Sinnliche wird noch gesteigert durch das Wissen, eine Frau, die zig Liebhaber hatte, genießt auch mit mir die Vergnügungen, die man im Bett haben kann. Aber am aufregendsten und meine Sinne endgültig verwirrend sind Deine im Bett hingehauchten Wünsche. Ich genieße diese und möchte natürlich alles tun, damit Deine Wünsche in Erfüllung gehen. Dies sind die Hauptursachen für mein Verhalten. Als Frau mit Männerfahrung müsstest Du ja wissen, dass nur Du die Ursache für mein Verhalten bist.
Also: Was beklagst Du Dich denn? Hätte ich Dich betrogen, Dich beklaut, oder sonst was gemacht, wäre Dein Verhalten nachvollziehbar.
Du genießt das Ficken schon seit der Studentenzeit. Das finde ich wunderschön, und ich habe noch nie eine Frau getroffen, die dies so klar und deutlich zum Ausdruck bringt (die meisten genieren sich wohl).
Was mache ich denn Schlimmes? Ich bin nicht impotent, nicht schwul, kein Sado oder Maso und brauche kein Viagra, um mich in Stimmung zu bringen. Statt froh zu sein, dass Du einen ganz normalen Mann hast, einen, der sich auch nicht über diese oder jene Altersdefekte auslässt und an der Figur rumnörgelt, spielst Du plötzlich die feine Dame, an deren Ohr nichts Unanständiges gelangen darf.
Höre auf, Dir Unsinn einzureden, freue Dich, dass Du einen Partner hast, der dich so mag, wie Du bist, der Deinen Körper liebt, alle noch nie ausgesprochenen Wünsche erfüllen will und auch außerhalb des Bettes gern mit Dir zusammen sein möchte. Höre mit dem blöden Erosgequatsche auf, sondern werde einfach eine normale Frau und freue Dich, dass ich mich nach Deinem Erdbeermund sehne.
Und ich Blödkopp hatte gestern, als ich Deine Mail las, ein schlechtes Gewissen und entschuldigte mich am Telefon. Ich ziehe jetzt meine Entschuldigung zurück. Aus Selbstachtung müsstest Du so reagieren?
Nun, Schwamm über Dein ganzes gestriges Theater. Ich werde Dich auch in Zukunft gern wieder in den Arm nehmen, freue mich, wenn wir wieder ganz normal und nicht sturzbetrunken im Bett liegen, und auch sonst liebevolle Partner sind, die durch dick und dünn gehen. Und wenn mir danach zumute ist, etwas Schlüpfriges zu schreiben, dann tue ich das mit der gleichen Selbstverständlichkeit und dem gleichen Vertrauen in Dich, wie Du mir alle Deine erotischen Wünsche sagen kannst.
Der Antiquitäten-Katalog ist da! Wollen wir mal hingehen und alles besichtigen? Ich verspreche, Dir bei jeder schönen Antiquität eine schöne Schweinerei ins Ohr zu flüstern (nur wenn Du willst)!
Dein Max
19. Juli – 23:51 Uhr
Mein liebes Evachen,
und das für Dich unter der Bettdecke. Du musst es ja nicht lesen. Deshalb in Klammern:
(Warum, verehrte Maestra sind Sie denn so kalt und so gefühllos, dass Sie nicht verstehen, welche Freude und Genüsse Sie mir, einem armen, verwilderten, verwahrlosten Manne bieten, wenn ich meine Jugend, Vitalität und Lebensfreude wiedergewinne, indem ich mich zwischen Ihre Schenkel lege, ihr Perlchen zärtlich mit der Zunge streichele und dabei merke, wie ihre Möse heiß und feucht wird, sich öffnet und alles, was hart ist, aufnehmen will? Ich bitte Sie, machen Sie doch immer, wenn ich sie verliebt, gierig und begeistert anschaue, Ihre Beine breit und laden Sie mich ein in alle erotischen Genüsse, die Sie, eine Dame mit sicher unübertreffbarer Erfahrung bieten könnten. Lassen Sie meine Zunge und Finger alles betasten und mich überall hineinwühlen und alles ausstopfen, was Sie mir raten, und was ich mir erwünsche. Seien Sie großzügig, denn Sie sollten sich immer bewusst sein, dass das Berühren ihrer Brüste, der Blick in Ihre blauen Augen und das Berühren ihrer Möse der höchste Preis ist, den Sie mir bieten können.)
Mit einem gehorsamen Handkuss bin ich ihr ergebener
Maximilian
20. Juli – 22:22 Uhr
Mein liebes Evachen,
etwas traurig war ich schon, als Du mich heute nicht sehen wolltest. Du hast einfach den Hörer aufgelegt und mich in meiner Sehnsucht wieder mal allein gelassen. Wieder böse auf mich? Und schrecklich empört? Think positive! Ich dachte, unseren täglichen Kontakt könnten wir doch weiterführen.
Leider nur Dein Schlingelchen, dem der Erdbeermund doch sehr fehlt!
23. Juli 07 – 23:38 Uhr
Lieber Schlingel,
Deine rote Plastikrose schmückt nun meine weiße Wand und sagt mir, dass die echte Liebe – falls sie je da war – meines Geliebten sich einfach weggewundert hat. Vielleicht zu den Sternen, vielleicht hinter Bücher oder Ahnenabbildungen.
Stattdessen legt er mir ein Konstrukt zu Füßen: die Trennung von Seele, Geist und Körper, also etwas Künstliches. Wie wenig Du mich kennst! Nie mehr würde ich ohne diese Totalität, die wir hatten, wieder mit Dir im Bett landen. Auch hier sind wir leider so unterschiedlich. Ich suche nichts Praktisches. Wir haben nun genug darüber geredet. Jetzt Kopf hoch!
Du wirst die Frau finden, die ebenso veranlagt ist wie Du, und dann gibt es weniger Streit oder Auseinandersetzung und Nachdenken und Gefühlsgewitter wie mit mir.
Abends gehe ich in den PianoSalon. Darf ich Dir dann Claudio anvertrauen?
Eva
PS: Ich danke Dir, dass Du so taktvoll warst, Dich nicht über meine Altersdefekte auszulassen und an meiner Figur herumzunörgeln. Das verbindet uns. Ich habe mich ja auch niemals über Deine Altersdefekte beklagt. Oder siehst Du nie in den Spiegel?
24. Juli – 00:17 Uhr
Mein Liebling,
eben hörte ich Rachmaninows II. Klavierkonzert. Wunderschöne Musik! Ich würde, als dummer, ungebildeter Kleinbürger, sagen: Sphärisch aus einer anderen Welt! Du spielst großartig. Mein Kompliment! Ich habe Deine Leidenschaft vor Augen, wie ich sie – von woanders her kenne. Ich werde mir die CD gern noch einmal oder mehrere Mal anhören, erbitte aber dazu etwas Hintergrundwissen.
Du alter Nörgelpeter! »Falls sie denn je da war«! Typisch Evachen! Genauer sollte es heißen: Falls sie denn bei meinem geliebten kleinen Evachen je da war! Du hast doch immer rumgezweifelt und nicht ich! Ich hatte Dich, wie Du mehrfach zu Deinem eigenen Erstaunen einräumen musstest, und was Dir absolut neu war, für immer und ewig gesehen, als Lebenspartner, Teil meiner Familie. Aber, mein Liebling: Du wolltest es ja nicht!
Sei einfach mir und Dir gegenüber ehrlich!
Du hast mich nach dem Bett süchtig gemacht. Auf Zigaretten und Alk kann ich leichter verzichten als darauf. Vielleicht finde ich eine Frau dafür. Aber diese wird nicht wie Du sein, und Du wirst mir immer fehlen. Wahrscheinlich werde ich bei der anderen auch immer nur an Dich denken. Wir beide, mein Liebling, haben immer noch alle Zeit der Welt! Denke daran! Ich freue mich jedenfalls sehr, wenn ich Dich dauernd sehen kann, wenn ich Dich dabei – fast wie ein Bruder – berühren kann. Diese Berührung, Deine Haut und Deine Wärme möchte ich nicht missen.
Bis morgen – Dein Schlingel
24. Juli – 01:38 Uhr
Ich freue mich, wenn Dir Rachmaninow gefällt. Ja, es ist ein herrliches, tief empfundenes Werk. Wenn Du im IN nachsiehst, wirst Du vieles darüber finden.
Nur zur Korrektur: Ich habe nicht an meiner Liebe zu Dir gezweifelt und sie Dir in vielen Facetten gezeigt. Ich konnte nur nicht sagen: ›Dich für immer und ewig, mein Lebenspartner.‹ Wie kann man so etwas ernsthaft sagen? Na ja, irgendwann mehr darüber.
Schlaf schön.
Eva
24. Juli – 10:56 Uhr
Carissima,
es geht doch nicht ums Sagen: Es geht um das Wollen!
Schau Dir doch die vielen Paare an, die heiraten. Sie dokumentieren nach außen und untereinander, dass sie zusammenbleiben wollen. Die sind auch nicht blöde und wissen, dass viele Ehen später wieder geschieden werden. Aber erst mal muss der eindeutige Wunsch dahinterstehen, dass man zusammenbleiben will. Das kann man sehr wohl ernsthaft sagen. Sagt man etwas nicht, meint man es auch nicht (anders herum geht es aber: Nicht alles, was gesagt wurde, meint man wirklich).
In Deinem Fall: Du genießt die Zeit mit mir, schon wissend und einkalkulierend, dass diese Zeit früher oder später beendet sein wird. Dieses tief im Unterbewusstsein oder auch in höheren Hirnregionen angesiedelte Wissen führt dazu, dass man eben leichter die Beziehung gefährdet, keine Kompromisse eingeht, um die Partnerschaft zu erhalten, den anderen öfter als notwendig und mit leichter Hand verletzt, weil einem gerade danach zumute ist, man sich nicht ändern will – denn wozu, man ist mit sich im Prinzip zufrieden, und die Partnerschaft endet doch ohnehin irgendwann. Man entschuldigt sich nicht, wenn der andere verletzt wurde, man toleriert kleinere oder größere Marotten nicht etc. Insoweit hatten meine Freunde schon recht, wenn sie sagten:
»Sie müssen es aber auch wollen«.
Damals, als ich zum ersten Mal diesen Satz hörte, habe ich auch gelächelt. Aber heute ist mir klar, dass dieser kurze Satz viel Lebensweisheit in sich birgt.
Es gibt für Deine Einstellung wohl nur zwei Erklärungsformen. Entweder ich war für Dich zwar ganz nett, aber doch nicht der Traummann, den Du Dir erhofftest und zu dem Du bereit gewesen wärest, ›Lebenspartner‹ zu sagen, oder Du suchst gar keinen Lebenspartner, sondern nur eine aufregende, vielleicht sogar rauschhafte Beziehung, die, solange sie hält, genossen wird, aber wie alle anderen vorangegangenen auch nur von zeitlicher Dauer ist. So mein Liebling: Das war das Wort zum Wochenende! Ich freue mich, Dich nachher wiederzusehen.
Dein Schlingel
24. Juli – 12:02 Uhr
Normalerweise heiratet man in der Jugend, und da sehen Lebenseinsichten anders aus als mit 63.
Markus wollte ich für immer und ewig. Da war ich 20. Als ich heiratete, war ich 26, und überzeugt, dass ich mit Milan mein ganzes Leben zusammenbleiben würde. Ludwig und ich wollten ein großartiges Musikerpaar werden – für immer. Da war ich 37. Dann ging mir der Glaube ›für immer und ewig‹ verloren.
Was heißt das denn: ›zeitliche Dauer‹?
Alle Beziehungen sind von zeitlicher Dauer! Immerhin dauerten sie bei mir länger als bei Dir. Ich war 24 Jahre verheiratet! Ich weiß längst, dass ich nur sagen kann: Jetzt will ich, weil ich Dich jetzt liebe. Ewige Liebe kann man nur seinen Kindern schwören. Und dieser Schwur ist nicht willentlich, sondern tiefer angesiedelt. Alles andere ist Fiktion. Und ich kann mir vorstellen, dass Du nach zukünftigen Erfahrungen (die Du vielleicht wirklich machen musst) meine Ansicht einmal teilen wirst.
Ich meine, dass man seine Gefühle nicht unter ein selbst auferlegtes Diktat stellen kann, dass man bei dem Entschluss ›für immer‹ dem anderen vielleicht sogar größere Verletzungen zufügen kann. Es hat auch etwas mit Respekt dem Partner gegenüber zu tun, ihm nicht etwas zu versprechen, was man vielleicht nicht halten kann. Auch hier denke ich, wirst Du meine Ansicht einmal teilen können.
Mein ›Traummann‹ (diesen Begriff benutze ich nie ernsthaft) bist Du nicht, weil unsere Unterschiede zu groß sind, weil mir die innere Betroffenheit von Kunst bei Dir fehlt, Du eine andere, für mich oft begrenzte Wahrnehmung hast und anders denkst und fühlst, ein ausgeprägter Pragmatiker und Theoretiker bist.
Aber ich erlebte immer wieder eine so große innere Verbundenheit und Zusammengehörigkeit zwischen uns, dass ich glaubte, dies alles überbrücken zu können. Ich war trotzdem sehr glücklich mit Dir.
Doch, doch! Ich wünsche mir einen Geliebten, einen, der mein Wesen versteht und meine Empfindungen teilen kann.
Ich habe große Sehnsucht nach Geborgenheit. Aber wenn er sagen würde: ›Du für immer und ewig‹, ginge meine Skepsis schon wieder los. Das Leben hat seine Spuren bei mir hinterlassen. Bei uns allen. Warum fällt mir die Trennung von Dir nur so schwer – auch wenn ich sie wünsche und Dir vielleicht gerade jetzt dankbar sein muss, dass Du derjenige bist, der in dieser Abschiedsphase stur bleibt.
Deine Eva
24. Juli – 13:54 Uhr
Mein liebes Evamäuschen,
in manchem hast Du ja recht. Man kann nichts erzwingen, schon gar nicht Gefühle. Aber dennoch gilt, dass man dann, wenn man etwas hat, sich entscheiden muss, ob man es behalten will!
Natürlich ist nichts und niemand perfekt. Einen Traummann, nennen wir ihn mal so, der die gleiche Sensibilität in der Kunst hat und mit Dir dort übereinstimmt, schaut vielleicht – wenn er noch jung genug und gesund ist – kleinen Mädchen hinterher (auch Viagra-Freunde wie Dein Alberto sollen das ja machen), er ist vielleicht geizig, cholerisch, hat Achselschweiß oder einen dicken Bauch. Er trägt eventuell Altlasten mit sich herum. Vielleicht ist er egoman und versagt im Bett. Tausend Möglichkeiten!
Mein liebes Evachen: Das, was Du wünschst, gibt es doch gar nicht! Also muss man Kompromisse (zusätzlich zur Liebe oder wegen der Liebe) machen. Aber das ist nicht Deine Stärke! Wenn man eine gewisse Altersweisheit hat, weiß man das alles. Man hat dann genug Erfahrung, hat zig oder Hunderte von potenziellen Partnern gesehen und festgestellt, dass dieser aus jenen Gründen und jener aus diesen Gründen doch nicht das Gelbe von Ei ist.
Ich bin nicht stur. Jetzt, nachdem wir die Auseinandersetzung wieder aufgenommen haben, noch viel weniger. Aber wenn wir überhaupt eine Chance haben sollten, müssen wir uns über alles klar sein, und uns über alles ausgesprochen haben. Denn sonst fängt das Ganze in zwei Wochen oder zwei Monaten wieder von Neuem an. Das ist der Grund, warum ich so ›stur‹ bin.
Vielleicht sollten wir uns doch nach anderen Partnern umsehen, vor allem Du. Und falls wir dann in einem halben Jahr festgestellt haben, dass wir niemanden gefunden haben, mit dem wir uns in ähnlicher Totalität und Ausschließlichkeit verstehen, dann können wir doch immer noch neu anfangen.
Du inserierst, und ich melde mich als Bewerber im concours d’amour um Dich. Sollte ich das Rennen gewinnen, dann werden wir uns darüber klar sein müssen, dass wir in anderer Form miteinander umzugehen haben.
Bussilein, überallhin.
Dein Teufelchen
PS: Sollten wir doch noch eine klitzekleine Chance sehen, dann dürfen wir den Kontakt auf keinen Fall abbrechen.
25. Juli – 14:04 Uhr
Mein Nachtgebet,
ich wollte Dir noch sagen, dass die Bücher, die Du für mich ausgesucht hast, mir gut gefallen. Grazie mille.
Du hast das Säckchen mit den Paprikas liegen lassen. Nachdem ich Dich nun schon etwas länger oder besser kenne, muss ich sagen, dass Du ein richtiger Schusselpeter bist. Ich dachte anfangs, Du seist total korrekt und geordnet.
Ich bin so froh, dass wir uns versöhnt haben! Du bist sooo süß und hingebungsvoll, und nun ist wieder die Dauersehnsucht in mir ausgebrochen nach Deinen Augen, Deinen streichelnden Händen und Deinem schönen, dunklen Schwanz. So kann es doch nicht weitergehen! Es stellt sich immer noch keine ›Normalität‹ ein! Ich denke nur an Dich. Aber es ist eben, wie es ist.
»Man muss Kompromisse (zusätzlich zur Liebe oder wegen der Liebe) machen. Wenn man eine gewisse Altersweisheit hat, weiß man das alles.«
Wenn Du diesen Satz ernst gemeint hast, dann werden Deine Sexmails in Zukunft sicherlich unterbleiben. Nicht wahr?
Und noch einen Satz zu Deiner selbst ernannten Altersweisheit: Du hast dabei nicht bedacht, dass ich ja ein halbes Jahr älter bin als Du.
con amore la tua Eva
25. Juli – 14:38 Uhr
Amore,
Du bist für mich alles, viel mehr als nur ein Sterngebet und Nachtgemahl. Du bist nämlich beides, mein Nachtmahl. Ich habe deshalb immer Appetit auf Dich, in den letzten Tagen waren die Augen allerdings etwas größer als der Magen, und so muss ich erst alles (mit Genuss an den himmlisch gewürzten Speisen) verdauen. Aber Hunger und Durst nach dem nächsten Mahl kommt so sicher wie ein Ave Maria. Ich bin in zwei Stunden da, vielleicht auch schon wieder mit gesegnetem Appetit.
Dein Schlingelchen
PS: Hier die erste Antwort auf meine Annonce:
22. Juli – 11:58 Uhr
Sehr geehrter Inserent,
Ihre Anzeige hat mich angeregt und ermutigt, Ihnen zu schreiben. Ich bin eine kinderlose Witwe (57/160), aber sehr kinderlieb und aus kinderreichem Elternhaus. Mit meinem Mann habe ich viele Jahre mit zahlreichen Kindern in einer Art SOS-Kinderdorf zusammengelebt. Ich bin Diplom-Soziologin und war fast immer im psychosozialen Bereich in konzeptionell-administrativer Funktion in Berlin berufstätig.
Meine Interessen und Aktivitäten sind sehr zahlreich. Zurzeit renoviere ich mein Landhaus in der Nähe von Potsdam, daher könnte es sein, dass ich schon morgen oder übermorgen vom Netz bin, weil das Zimmer dann ›dran‹ ist. Wenn ich nicht in Haus und Garten ackere, lese ich viel, mache Fahrradtouren, wandere oder gehe meinen vielfältigen kulturellen Interessen nach. Meine Erfahrung ist allerdings, dass es nicht darauf ankommt, ob man die gleichen Interessen hat. Hauptsache, es gibt Gemeinsamkeiten und gegenseitige Wertschätzung. Mein Mann interessierte sich z. B. gar nicht für Kultur und Radfahren, dafür umso mehr für Segeln und handwerkliche Tätigkeiten. Das hat unserer Beziehung keineswegs geschadet. Ich lebe in Wilmersdorf, wo ich auch arbeite. Wenn Sie mich erreichen wollen, meine Handy-Nr. ist: 0162 – 3345891
Ich antwortete Ihr so:
23. Juli – 07: 14 Uhr
Liebe …,
(haben Sie keinen Vornamen? Dies ist doch sehr selten und nach meiner oberflächlichen Kenntnis des bundesdeutschen Namenrechts nicht zulässig!). Jedenfalls vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wenn in den nächsten Tagen das so und sovielte Zimmer dran ist, scheinen Sie sich ja auch an handwerklichen Tätigkeiten erfreuen zu können. Wie viele Zimmer harren denn noch der fürsorglichen Pflege?
Ich hatte nicht erwartet, dass die Marktlage für ungebildete, denkfaule und komplexbehaftete kinderreiche Großväter so günstig ist. Da sich Gegensätze ja anziehen sollen (wo ich das gelernt oder gelesen habe, weiß ich nicht mehr), hatte ich mir beim Verfassen des Anzeigentextes eben gedacht, ich suche einfach eine umfassend gebildete, selbstbewusste und wissensdurstige Dame.
Ob die große Zahl der Zuschriften wohl mit der allgemein verbesserten Konjunktur zusammenhängt? Denn Facharbeiter, ja selbst Akademiker werden zunehmend gesucht! Angela hat eben neuen Wind in die fast verblühten Landschaften gebracht.
Mein konventionelles Benehmen zeigt sich auch dadurch, dass ich jede Mail beantworten werde, denn es verlangt die Höflichkeit, Briefe zu beantworten – Ausnahme Finanzamt und Polizeipräsident von Berlin. So werde ich nunmehr einige Wochen beschäftigt sein. Da ich keinen Fernseher besitze, werde ich mich endlich erfüllter Abende erfreuen können, denn so ohne Glotze langweilt man sich ja unendlich und weiß nicht, wie man die Zeit bis zum Einschlafen totschlagen soll.
Für eine Beziehung, die sich nur auf Gemeinsamkeiten und gegenseitige Wertschätzung beschränkt, fühle ich mich noch ein bisschen zu jung und vital.
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich Ihr freundliches Angebot, Sie anzurufen, zurzeit nicht annehme. Ich bin so eine Art ›homme de lettres‹ und möchte erst einen Menschen besser kennenlernen. Zu einem Rendezvous verabrede ich mich erst dann, wenn ich zumindest eine ungefähre Vorstellung von ihm gewonnen habe.
Liebe Grüße
Maximilian
25. Juli – 20:06 Uhr
Mein geliebtes Evachen,
jetzt lade ich mir Rachmaninows II. Klavierkonzert vom IN herunter und mache mir mit Whisky einen schönen Abend in meiner Kuschelecke. Dabei werde ich an Dich denken.
Das Folgende, das vereinbarungsgemäß von Dir nicht gelesen werden muss, steht in Klammern! Wenn Du es liest, hast du selber schuld!
(Auch ich bin wild, den verwirrenden, süßen Duft Deines Erdbeermundes riechen, zuerst Deinen Hals, dann die Schultern, die Brüste, die Knospen und den ganzen Körper liebkosen, das kleine Perlchen, Hüterin und Wächterin des Erdbeermundes, suchen, dann berühren und schließlich mit meiner Zunge zärtlich streicheln zu dürfen. Ich möchte es langsam wachsen, größer und härter werden sehen, ich möchte es zum Erzittern bringen, bis es Deinen ganzen Köper erfasst und Du vor Lust schreist. Und ich möchte Dich immer glücklich sehen, und ich wünsche mir, dass sich meine süße, geliebte, kleine Perle immer wieder und wieder danach sehnt, berührt und gestreichelt zu werden. Und wenn sich dann der Erdbeermund auftut, mich aufnimmt und mich nicht mehr loslassen will, werde ich von Neuem glücklich sein und mit Dir zusammen vor Lust schreien. Wir werden wieder und wieder eintauchen in Gefühle, die ich so viele Jahre lang nicht kannte. Wir werden unsere Vertrautheit vertiefen und erweitern, und alles tun können, was uns zu weiteren Rasereien und Vereinigungen führt. Ich wünsche mir dies und noch viel mehr!)
Wenn Du neugieriges Schlingelfrauchen das alles gelesen hast und entsetzt bist, kann ich auch nichts dafür. Ich wasche meine Hände in Unschuld und lasse mir jetzt und in Zukunft keine Vorwürfe mehr machen.
Dein Amore
25. Juli – 22:30 Uhr
Mia carissima Amore,
nachdem ich Google ausgiebig befragt hatte, habe ich mir erneut Deine CD mit Rachmaninows II. Klavierkonzert angehört. Es ist schon umwerfend. Schade, dass ich nicht in vivo mein Evalein beobachten konnte, wie sie diese gewaltigen Passagen am Flügel meisterte! Mein Kompliment!
Es ist aber unfassbar,
dass dieses Weib
mit ihrem bronznen Leib
nicht kochen kann.
Ich hätt’ Dir gern im Klee
ein Bett gemacht
und Dir zum Zeitvertreib
ein zartes Lamm
mit Knoblauch und viel Rosmarin
in Liebe dargebracht.
Doch mein liebevollster Rat
gilt nichts bei Dir!
Einzig die fette Leberwurst
macht Dir Pläsier.
O Schmerz, o Schmerz
wann blüht der schöne Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht?
Wie sehn ich mich nach unsrem Spiel
in Deinem dunklen Tal,
im Muschelgrund!
Ich bin so wild
nach deinem Erdbeermund!
Dein verliebter und glücklicher Schelm
26. Juli – 04:46 Uhr
Mein liebes Evachen,
sei so nett und bring mich nicht wieder in eine so unerfreuliche Lage. Ich hatte mich auf Euren Besuch gefreut, aber es war unerträglich, von Hobbypsychologen wie Dir und Regina zu hören, wo ich etwas verschluckt, falsch zerkaut, verdrängt oder sonst wie den Normen und Vorstellungen aller halbgebildeten Hobbypsychologen entsprechend nicht theoriegerecht reagiert habe.
Ein Psychologieprofessor, der sich immerhin als Fachmann bezeichnen durfte, versuchte bei meinem Studium, uns Kerlen aufzuschwatzen, dass wir alle in letzter, tiefster Konsequenz schwul seien. Jeder Student, der diese subtile Analyse der männlichen Reaktionen nicht akzeptierte, hatte eben sein Schwulsein verdrängt, war verklemmt oder hatte eine Mauer aufgebaut. Wenn die Theorie nicht klappt, dann ist eben der Mensch nicht in Ordnung. Diese Leier kenne ich bis zum Erbrechen. Nicht nur von gestern, sondern aus vielen, vielen Gesprächen in den letzten 30 Jahren.
Also nimm mich in Zukunft bitte so, wie ich bin, und versuche nicht, die Sterne, meine frühkindlichen, präpubertären oder sonstigen Erfahrungen für irgendwelche heutigen Reaktionen heranzuziehen. Aus Miniinformationen gleich Theorien und Erklärungen für den Einzelfall zu entwickeln, ist in der Wissenschaft unseriös. Deshalb war ich vorhin auch so ungehalten, weil ich diese unstrukturierte und inkompetente Unterhaltung nicht mehr ertragen konnte. Ich entwickle keine großen Theorien über Deine Kindheit, Dein Berufs- oder Privatleben, obwohl ich unsinnigste formulieren und auch gut begründen könnte.
Ich bitte Dich – aus Gründen des wechselseitigen Respekts, der Achtung und Liebe – mich in Zukunft mit diesem Gequatsche genauso in Ruhe zu lassen, wie ich Dir keine Ratschläge zum Klavierspielen geben werde. Ich denke, jeder sollte sich auf das beschränken, was er kann. Im Kern: Urteilt nicht über Dinge, von denen Ihr nichts oder zu wenig versteht. Ich bitte Dich, über diesen Brief etwas nachzudenken und auch mit Regina darüber zu sprechen.
Dein Schlingelchen mit gelegentlichen Ausfällen
26. Juli – 04:29 Uhr
Mein Liebster,
es war schön bei Dir. Regina fand Dich sehr sympathisch. Ich umarme Dich, liebe Dich und möchte bei Dir sein.
Eva
26. Juli – 10:32 Uhr
»Es war schön bei Dir« – Trotz meiner aggressiven Ausfälle? Danke, und ich bin erfreut, wenn Du es so siehst. Leider hatte ich mir gerade in dem Moment, als Du mir diese Mail zusandtest, meinen Frust und Ärger vom Hals geschrieben. Nimm die Mail bitte nicht tragisch.
Ich liebe Dich ja auch, selbst wenn ich Deine Urteile und Beurteilungen manchmal etwas hart und vorschnell finde. Aber Deine Beschreibungen von Menschen sind schon etwas Besonderes, und da kann ich viel von Dir lernen. Ich wünsche Euch einen schönen Tag, vor allem Regina Erfolg in Babelsberg! Bis heute Abend: Ecke Kantstr./Wilmersdorfer Str.
Dein Max
26. Juli – 11:34 Uhr
Mein liebes Evachen,
heute habe ich so richtig gut durch- und ausgeschlafen. Ich hoffe, es wird ein produktiver Tag. Meine vielen Verehrerinnen haben sich auch aus dem Staub gemacht – einige haben sich noch etwas verbittert geäußert – sodass ich nun weniger Zeit mit der Beantwortung von Mails unbekannter Damen verlieren werde.
Hier der Text, der so abschreckend gewesen war. Insgesamt aber ist erstaunlich, wie groß die Zahl der Suchenden ist. Ich hatte wegen meines arroganten Anzeigentextes nicht erwartet, dass sich so viele Damen melden würden.
Liebe …
mit meiner Art, zu schreiben, komme ich nicht weiter. Sie haben mir sehr nett geantwortet. Aber alle anderen Damen auch. Ich kann nun nicht bis zum St. Nimmerleinstag eine anregende Korrespondenz mit den vielen Opafreundinnen führen. Ich glaube, ich komme einfach deshalb nicht weiter, weil ich bisher nur rumblödelte.
Ich möchte mich deshalb mal seriös beschreiben (was mir sehr, sehr schwerfällt!), damit Sie selbst Ihre Entscheidung – weiterschreiben oder hoffnungsloser, uninteressanter Fall – treffen können. Es ist mir ohnehin angenehmer, wenn die Dame eine Entscheidung trifft, denn ich möchte niemanden verletzen.
Rumblödeln, im Kern nichts oder wenig ernst und wichtig nehmen, – ich selbst sehe dies mehr als Gelassenheit – ist einer meiner typischen Wesenszüge. Für mich ist das Glas immer (fast) randvoll.
Ich bin vor über zwei Jahren fürchterlich finanziell auf die Nase gefallen, bis zu Hartz IV durchgerutscht, und dieses Desaster hat mein Gemüt überhaupt nicht betroffen. Ich war dankbar für die beeindruckende Solidarität unserer Gesellschaft, die mich so großzügig unterstützte, damit ich essen und mich kleiden konnte, eine Wohnung hatte und krankenversichert war.
Alle für mich wichtigen Dinge, wie Lesen, Musik hören, sich mit Freunden und Kindern treffen etc. waren mir ja verblieben. Reisen, Häuser und viele andere wirtschaftlich aufwendige Wünsche konnte ich mir natürlich nicht leisten, aber diese Wünsche rangieren bei mir auch unter unwichtig für Glück und Lebensfreude. (Aus dieser Hartz-IV-Situation bin ich wieder raus, aber ein Krösus werde ich nicht mehr).
Für mich und mein Selbstbewusstsein war die Erkenntnis entscheidend, dass ich auf alle Statussymbole, die für viele Menschen eine überragende Bedeutung haben, mit Lockerheit und Leichtigkeit verzichten kann. Aus meinem Flop habe ich sehr viel über mich selbst gelernt, und im letzten tiefen Kern bin ich froh, dass ich diese Lehre ziehen konnte.
Vice versa sind mir Bedenkenträgerschaft, Pessimismus, Larmoyanz, german Angst, und alles, was in diese Richtung geht, nicht nur fremd, sondern widerwärtig. Ich komme mit Menschen, die – aus deren Blickwinkel vielleicht auch zu Recht – pessimistisch sind, an Politik rummäkeln, nie zufrieden mit dem Wetter sind, den Nachbarn oder Arbeitskollegen als Ekel beschreiben nicht klar. – Tut mia leid, abba so isset nu mal mit meene vaknackte Psyche, oda wie det heest.
Ich genieße aber das Leben mit Menschen, die sich mit mir Wagner anhören, die sich mit mir über die bis heute spürbaren Wirkungen des 4. Laterankonzils (1215) unterhalten, mit denen ich die geniale Schlachtordnung von Pharsalus diskutieren kann oder die ebenso großen Genuss an Villons Gedicht über den Erdbeermund empfinden!
Aus dieser Lebensphilosophie folgt, dass das Aussehen einer Partnerin für mich keine wesentliche Bedeutung hat. Die innere Einstellung, die Haltung zum Leben, der Geist, die Bildung, der Esprit sind für mich entscheidend und wirken auf mich höchst erotisierend. Ein anregendes Gespräch, in dem geistig mit dem Florett gefochten wird, hat bei mir die gleiche Wirkung wie auf andere Männer meines Alters ein junges Püppchen, Viagra, ein Porno, Leder und Peitschen oder eine Reise nach Thailand.
Da Erotik eine große Bedeutung in meinem Leben hat, suche ich also nach einer Partnerin, die mit dem Florett fechten kann und mir deshalb hinreißende Gefühle vermittelt. Ich fürchte, vieles klingt für Sie vielleicht wirr und unverständlich. Aber es ist, wie es ist, und ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut.
So, jetzt können Sie entscheiden, ob Sie mir weiter schreiben wollen. Wenn Sie Zweifel haben, ist es besser, wir telefonieren und treffen uns nicht, oder wir versuchen erst gar nicht die vielen schönen Freuden, die im Bett möglich sind, gemeinsam zu genießen. Sie ersparen sich nur Tränen und Verletzungen.
Liebe Grüße
Ihr (etwas skurriler) Maximilian
Evalein, ich freue mich auf unser Wiedersehen heute Nachmittag.
Dein Amore