Der Tag, der alles verändern sollte

 

Als die Vorlesungen am Freitagmittag beendet waren, gingen Caitlin und ich einen Cappuccino trinken. Es war Ende November, und bereits sehr kalt. Da ich diese Temperaturen aus Kalifornien nicht gewohnt war, fror ich so gut wie immer. Caitlin meinte, dass ich mich schnell daran gewöhnen würde. Das hoffte ich auch.

Als ich meine Tasse in den Händen hielt, fühlte ich die Wärme in meine Finger zurückkehren. Ich schloss die Augen und fühlte mich einfach nur wohl.

„In welchen Film geht ihr denn?“

„Keine Ahnung. Eric hat die Karten reserviert. Ich hab ihm gesagt, dass ich auf Filme mit Happy End stehe.“

Caitlin lachte. „Das heißt aber nicht unbedingt, dass ihr euch so einen Film ansehen werdet. Ich wette, dass er auf Actionfilme steht. Wahrscheinlich wird es eine Mischung aus beidem. So was wie James Bond oder so.“

„Da läuft doch grad keiner.“

Ich zuckte die Schultern. „Ich lass mich einfach überraschen. Außerdem ist der Film ja auch gar nicht so wichtig.“

Belustigt sah sie mich an. „Ach so. Und wieso nicht?“

„Na ja, Hauptsache ich bin mit ihm zusammen. Das Drumherum ist nicht von Bedeutung.“

Gedankenverloren rührte ich mit dem kleinen Löffel in meinem Cappuccino. Tatsächlich war ich sehr gespannt, welchen Film Eric wohl ausgesucht hatte. Im Kino würden wir zwar nicht viel reden können, aber es war der perfekte Ort, um sich etwas näher zu kommen.

„Ich rede heut mit Mom und Dad wegen den Weihnachtsferien.“

„Was meinst du werden sie sagen?“

„Ich glaube Mom flippt völlig aus. Dad wird eher gelassen reagieren. Aber Mom beschwert sich dann wieder, dass er sie unterstützen soll. Also werd ich mit beiden zu kämpfen haben.“

Aufmunternd sah ich sie an. „Du schaffst das schon.“

Jetzt grinste sie. „Ich weiß.“

 

Als ich nach Hause kam, war meine Tante dabei, eine Reisetasche voll zu packen.

„Oh, hallo Sam.“

„Hi. Warum packst du?“

„Meine Chefin hat gerade angerufen. Morgen findet in Edinburgh eine Ausstellung unserer Galerie statt. Eigentlich hätte Emily dort übers Wochenende sein sollen. Aber ihr Sohn ist krank geworden und jetzt muss ich an ihrer Stelle dahin. Das Haus gehört die nächsten Tage also dir allein.“

Ich überlegte, ob mir das gefallen würde oder ob es mich eher beunruhigte, so ganz allein in dem riesigen Haus zu sein.

Lori hielt in ihrer Bewegung inne und sah mich drohend an.

„Wäre ich deine Mutter, würde ich dir jetzt wahrscheinlich einen stundenlangen Vortrag darüber halten, was du tun und was du lassen sollst.“

Abwartend sah ich sie an.

„Aber da ich nicht Sylvia bin sag ich nur, dass ich dir vertraue und weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

Das mir entgegengebrachte Vertrauen meiner Tante freute mich sehr.

„Du kannst dich auf mich verlassen, Ehrenwort. Wann musst du los?“

Hektisch lief sie umher.

„Eigentlich sollte ich schon längst unterwegs sein.“

Sie schnappte ihre Tasche und lief in Richtung Haustür.

„Ich fahr selbst nach Edinburgh, das heißt, dass du ohne Auto auskommen musst bis ich wieder da bin.“

„Kein Problem.“

„Machs gut Süße, bis bald.“

„Viel Spaß, bis bald.“

 

Sobald sie zur Tür raus war, rief ich Caitlin an.

„Hi Caitlin. Meine Tante musste spontan übers Wochenende verreisen. Hast du Lust heute hier zu schlafen?“

„Na klar. Weißt du was? Ich bring uns einen Film mit.“

„Hört sich gut an. Ich such dann schon mal die Karte vom Mexikaner raus.“

„Okay, dann bis gleich.“

„Bis gleich.“

 

Wir lümmelten gerade auf der Couch, eingehüllt in eine Decke und schauten den Film an, als das Telefon klingelte.

„Das ist bestimmt Lori.“

Ich sprang auf und lief zum Telefon.

„Hallo?“

Als ich keine Antwort erhielt, fragte ich nochmals:

„Hallo?“

Wieder antwortete mir niemand. Doch diesmal vernahm ich ein unregelmäßiges Geräusch. Es klang wie das Atmen von irgendjemandem.

„Hallo, wer ist denn da?“

Ich hörte deutlich, wie am anderen Ende jemand ein- und ausatmete. Es wurde mir so langsam unheimlich und da legte ich einfach auf.

Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, sagte Caitlin:

„Das ging aber schnell.“

„Es war niemand dran. Ich hab nur jemanden atmen hören. Irgendwie gruselig.“

„Wahrscheinlich falsch verbunden.“

„Ja, wahrscheinlich.“ Doch ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl dabei.

 

 

***

 

 

Am Samstagmorgen erwachte ich neben Caitlin auf der Couch.

„Guten Morgen Langschläfer.“

Ich schaute auf die Uhr. „Es ist doch erst neun. Was heißt hier Langschläfer?“

„Zumindest bist du dann heute Abend fit und ausgeruht“, sie zwinkerte mir zu.

Ich rieb mir mit meinen Händen übers Gesicht.

„Ich geh kurz ins Bad, dann können wir Frühstück machen.“

„Schon erledigt.“

Da fiel mein Blick auf den Esszimmertisch.

„Wow! Willst du vielleicht öfter hier übernachten?“

Sie lachte. „Jetzt mach dich fertig und dann komm essen.“

 

Caitlin ging gegen halb fünf nach Hause. Höchste Zeit, um mich für mein Date zu richten.

Ich stieg unter die Dusche und ließ das warme Wasser auf meinen Körper rieseln. Ich dusche immer viel länger als nötig.

Als ich endlich fertig war, nahm ich meine neue Bodylotion aus dem Schrank und cremte mich ein. Ich freute mich sehr aufs Kino mit Eric. Den ganzen Abend über würde ich ihm nahe sein. Meine Haare ließ ich nach langem Überlegen dann doch offen über meine Schultern fallen. War einfach praktischer fürs Kino. Was natürlich nicht fehlen durfte, war mein neues Parfüm. Und fertig war ich, Eric konnte kommen.

„Man könnte meinen, wir hätten uns abgesprochen“, sagte ich zu Eric, nachdem ich seine Kleider gesehen hatte.

Er trug ebenfalls eine schwarze Hose, ein weißes Seidenhemd kam unter seiner schwarzen Lederjacke zum Vorschein. Man konnte kaum erkennen, wo seine dunklen Locken aufhörten und die Jacke anfing.

„Ich finde es steht dir ziemlich gut“, sagte er.

„Das kann ich nur zurückgeben.“

Wir stiegen in sein Auto und er fuhr los.

„Welchen Film schauen wir denn an?“

„Ich hab Karten für `Verliebt in eine Hexe`.“

„Perfekt. Genau den hätte ich mir auch ausgesucht.“

„Inzwischen kenn ich dich eben schon recht gut.“

 

Als wir im Kino ankamen, holte Eric unsere Karten. Er brachte eine große Tüte Popcorn und zwei Becher Cola mit.

„Danke. Ich liebe Popcorn.“

„Ich weiß“, sagte er und lächelte mich an.

Wir liefen in Richtung Kinosaal.

„Was hältst du davon, wenn ich dich nach dem Film noch auf einen Drink einlade?“, fragte ich ihn.

„Klingt gut. Hier ganz in der Nähe gibt es einen Mexikaner. Die machen tolle Cocktails.“

Wir setzten uns auf unsere Plätze, Eric rechts neben mir.

„Interessiert dich der Film eigentlich auch?“, fragte ich ihn.

„Er wäre jetzt nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich wusste, dass er dir gefallen würde.“

„Das ist echt nett von dir. Ich hoffe, er gefällt dir trotzdem.“

„Hauptsache ich kann ihn mit dir zusammen anschauen, der Rest ist nicht so wichtig.“

Das kam mir irgendwie bekannt vor. Doch es aus seinem Mund zu hören, klang schöner als ich es mir hätte vorstellen können.

Die Werbung begann, ich fing an mich über mein Popcorn herzumachen.

„Nein danke“, sagte Eric, als ich ihm etwas davon anbot.

„Wie, du magst kein Popcorn? Das gibt’s doch gar nicht.“

„Tut mir leid, dass ich dich in der Hinsicht enttäuschen muss.“

„Dann bleibt schon mehr für mich.“

Das entlockte ihm ein Lachen.

Als der Film endlich begann, hatte ich das Popcorn schon fast komplett aufgegessen. Es waren nur noch ein paar kleine Popcornbrösel und Maiskörner, die nicht aufgegangen waren in der Tüte. Also stellte ich sie unter den Sitz und trank einen Schluck von meiner Cola. Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück und konzentrierte mich wieder auf die Leinwand.

Nach einer Weile neigte er sich zu mir und fragte:

„Hast du was dagegen, wenn ich jetzt deine Hand nehme?“

Seine geflüsterten Worte ließen mich innerlich erschauern.

„Nein, nichts dagegen“, brachte ich bloß hervor.

Er berührte mit seinen kalten Fingern meine Hand, ließ seine Finger darüber streichen. Dann nahm er meine Hand in seine und legte sie auf seinen Oberschenkel. Dort verweilte seine Hand auf meiner. Um der Anspannung in meinem Arm nachzugeben, musste ich mich zwangsläufig weiter in seine Richtung lehnen. Nach einer Weile legte ich meinen Kopf an seine Schulter. Es war traumhaft, so mit Eric dazusitzen, ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden. Der Film war auf einmal weit weg.

 

„Und, wie hat er dir gefallen?“

„Also ich fand ihn toll. Und er hatte ein Happy End. Danke, dass du ihn dir mit mir angesehen hast Eric.“

„Du brauchst mir nicht zu danken. Es war mir ein Vergnügen.“

„Dann lass uns jetzt zu dem Mexikaner gehen ja?“

„Klar. Es ist nicht weit, wir können zu Fuß gehen.“

„Das ist eine gute Idee. Frische Luft tut mir jetzt ganz gut.“

Wir verließen die Fußgängerzone und bogen in eine leere Seitenstraße ein.

„Was würdest du als erstes verhexen, wenn du plötzlich Zauberkräfte hättest?“, fragte mich Eric.

Am liebsten hätte ich geantwortet `dich`, aber das tat ich natürlich nicht.

„Hm, ich glaube, als erstes würde ich die Temperaturen hier anheben. Um mindestens zehn Grad, wenn nicht sogar fünfzehn.“

„Ist dir kalt?“

„Nur ein bisschen.“ Das war nicht ganz richtig, denn ich fühlte mich wie ein Eiszapfen. Aber ich wollte ja kein Weichei sein.

„Hier, nimm meine Jacke.“

Er machte bereits Anstalten sie auszuziehen.

„Nein, dann ist dir doch viel zu kalt. Es geht schon, ehrlich.“

Es ging ja auch irgendwie.

Er legte die Jacke und seinen Arm um mich. Das war ohnehin viel besser als nur die Jacke. Wir gingen eine Zeit lang schweigend nebeneinander her. Ich überlegte, ob ich ihn nachher noch zu mir nach Hause einladen sollte, Lori war ja nicht da. Aber es sollte keinesfalls falsch rüber kommen. Er sollte einfach nur noch ein bisschen mit zu mir kommen, ohne Hintergedanken. Ich machte gerade den Mund auf um ihn zu fragen. Dann ging alles ganz schnell.

Ohne, dass ich eine Bewegung wahrgenommen hatte, wurde Eric von jemandem angefallen und von mir weggerissen. Die Wucht des Aufpralls ließ uns beide zu Boden gehen. Ich wollte sofort wieder aufstehen, um zu sehen was los war. Doch als ich aufblickte, war ich starr vor Schreck, ich konnte mich nicht bewegen.

Eric lag immer noch auf dem Rücken auf dem Boden. Der Angreifer saß auf ihm drauf.

„Rück endlich die Formel raus, oder ich bring dich um!“

Als ich ihn erkannte, wurde mir ganz anders. Es war Evan, Erics Bruder.

Eric schleuderte ihn von sich und stand auf. Doch Evan ließ nicht locker, er rannte auf Eric zu. Seine Augen blitzten gefährlich auf, seiner Kehle entrang ein Geräusch, eine Art Knurren. Mit einer einzigen fließenden Bewegung sprang er aus ungefähr fünf Metern Entfernung direkt auf Eric zu. Es sah aus als schwebte er in der Luft, wie in dem Film Matrix. Es sah völlig unecht aus. Er bewegte sich so schnell, dass seine Umrisse verschwammen. Doch Eric kam ihm zuvor. Er setzt ebenfalls zum Sprung an, beide trafen sich in der Luft. Evan ging zu Boden, Eric hielt ihn mit seinen Knien auf den Boden gedrückt.

Als ich sein Gesicht sah, schrie ich erschrocken auf. Seine Augen waren nicht mehr schwarz, sondern schimmerten violett. Sie funkelten vor Wut, wie die Augen eines wilden Tieres. Seiner Kehle entrang ein tiefes Knurren, das mir durch Mark und Bein drang. Doch das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste waren seine Zähne. Er hatte plötzlich zwei Reißzähne. Diese Erkenntnis nahm mir den Atem. Er war ein Vampir. Ein Monster. Einer von denen.

Er sah mich an als wollte er mir irgendetwas sagen. Das tat er dann mit fremder, tiefer Stimme:

„Sam, lauf weg! Schnell!“

Doch dann traf ihn Evans Faust mit voller Wucht ins Gesicht. Er fiel hinten über, lag am Boden.

Währenddessen sah Evan mir direkt in die Augen. In ihnen war nichts Menschliches mehr zu erkennen. Er fauchte mich an. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ich musste hier weg, das war mein einziger Gedanke.

Evan kam auf mich zu. Bewegungslos saß ich auf meinen Knien. Ich wollte weglaufen, doch ich konnte nicht. Er ließ es nicht zu.

Eric schlich sich von hinten an ihn ran und warf ihn zu Boden. Den Moment nutze ich und rannte los. Ich wusste nicht wo ich war, noch wo ich hin lief. Ich wollte nur weg von hier. In meinen Augen brannten Tränen des Entsetzens. Doch ich war schneller, wenn ich jetzt nicht weinen würde. Also blinzelte ich sie weg. Ich sah nach hinten, doch es folgte mir niemand. Dennoch konnte ich nicht aufhören zu rennen.

Als ich wieder in die Fußgängerzone einbog und einige Leute sah, verfiel ich in ein normales Tempo.

Was war gerade passiert? Mein Verstand weigerte sich, das eben Gesehene zu glauben.

Eric konnte kein Vampir sein. Er durfte keiner sein. Nicht Eric.

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Geistesabwesend setzte ich mich auf einen Sitzstein, direkt vor einer Pizzeria. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich nur darauf zu atmen, was ich viel zu schnell tat. Wenn es mir nicht gelingen würde mich zu beruhigen, dann würde ich hyperventilieren.

Ich würde einfach Caitlin anrufen und sie bitten mich abzuholen.

Mit zitternden Fingern holte ich mein Handy aus der Tasche. Vor lauter Aufregung ließ ich es fast fallen. Ich wählte Caitlins Nummer. Es klingelte. Einmal, zweimal, dreimal. Nach dem zehnten Mal legte ich auf. Verfluchter Mist, sie ging nicht ran. Was sollte ich jetzt bloß tun? Ich würde es einfach später noch mal probieren.

Ohne groß darüber nachzudenken, lief ich an der Hauptstraße entlang, in der Hoffnung, Caitlin würde mich so schnell wie möglich zurückrufen.

„Hey, ist alles in Ordnung mit dir?“

Als ich aufschaute, sah ich zwei Mädchen auf mich zukommen.

„Ist alles okay?“

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich am ganzen Körper zitterte und wohl auch ziemlich weggetreten aussehen musste.

„Ja. Danke. Mir geht’s gut.“

Ich brachte sogar ein kleines Lächeln zustande.

Es musste wohl glaubhaft rüber gekommen sein, denn sie gingen nach einem letzten mitleidigen Blick auf mich weiter.

Ich schlich immer weiter die Straße entlang und wartete auf Caitlins Anruf. Sie musste ja irgendwann sehen, dass ich versucht habe sie zu erreichen. Bitte beeil dich, flehte ich stumm.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich in diesen Schuhen noch weiter laufen könnte.

Neben mir führ ganz langsam ein Auto her. Ich erkannte es sofort. Es war Erics Auto.

Eine innere Stimme sagte, ich solle weglaufen. Aber ich blieb einfach stehen.

„Sam, steig ein. Bitte.“

Jetzt sah er nicht mehr Furcht einflößend, sondern unglaublich traurig aus.

„Glaubst du wirklich, dass ich nach alldem, was ich gerade gesehen habe, noch mal zu dir ins Auto steige?“

Es kam hysterischer und schriller über meine Lippen als beabsichtigt.

„Lass mich dir alles erklären.“

„Weißt du was, das kannst du dir sparen. Wie konntest du mich nur so belügen? Hast dich bestimmt über mich kaputt gelacht. Wie konnte ich nur so blöd sein?“

Voller Enttäuschung bedeckte ich mit meinen Händen mein Gesicht.

„Sam, bitte. Bitte steig ein. Lass mich dich nach Hause bringen. Du musst keine Angst vor mir haben.“

„Fällt mir irgendwie schwer das zu glauben.“

„Ich will dich nur nach Hause bringen. Ich könnte dir nie was tun. Niemals.“

Als ich in seine Augen sah, wusste ich, dass er die Wahrheit sagte. Ich wusste, ich sollte einfach weiter gehen, ihn ignorieren. Aber ich konnte es nicht.

Langsam öffnete ich die Tür und stieg ein.

„Bist du in Ordnung?“

Er beugte sich zu mir rüber. Doch ich streckte ihm abwehrend meine Hände entgegen. Bedrückt zog er sich zurück.

„Hast du mich mit deiner Gedankenkontrolle dazu gebracht, dass ich in dein Auto steige?“

Entsetzen spiegelte sich in seinem Blick. „Sam glaub mir, ich würde dir niemals meinen Willen aufzwingen.“

Ich nickte. „Mir fehlt nichts, glaub ich.“

Schweigend fuhr er los. Als er merkte wie ich zitterte, schaltete er die Heizung ein.

„Danke.“

„Sam, gib mir bitte die Möglichkeit dir alles zu erklären.“

„Ich denke, ich hab alles gesehen was ich wissen muss. Fahr mich nur nach Hause.“

 

Als er vor dem Haus meiner Tante anhielt, fragte ich:

„Sag mir nur eins Eric. War irgendwas von dem hier echt, oder hast du das nur gemacht um … um mein Blut zu trinken?“

Als ich seinen Gesichtsausdruck sah, taten mir meine Worte schon fast wieder leid.

„Ich hatte nie vor, dich in Gefahr zu bringen. Es tut mir leid.“

Ich nickte nur und stieg aus.

Nachdem die Tür hinter mir ins Schloss fiel, sackte ich dagegen. Die Tränen konnte ich nicht mehr zurück halten. Das durfte alles nicht wahr sein.

Nach einer Weile stand ich auf und ging in mein Zimmer, zog meine Stiefel aus und rollte mich in meinem Bett so eng wie möglich zusammen.

 

 

***

 

 

Auf einmal war es fürchterlich kalt in meinem Zimmer. Ich wollte die Decke höher ziehen als ich bemerkte, dass ich gar nicht mehr in meinem Zimmer, in meinem Bett war. Panisch schaute ich mich um. Oh nein, ich war mitten in unserem Irrgarten. Was vielleicht gar nicht so schlecht war, denn dann war ich nicht weit entfernt von unserem Haus. Erkennen konnte ich kaum etwas als ich mich umsah, stellte jedoch fest, dass alles voller Nebel war. Das ließ mich schaudern. Aber es brachte alles nichts, ich musste irgendwann loslaufen. Inzwischen kannte ich den Weg hinaus. Nach ein paar Metern stolperte ich plötzlich über etwas. Als ich es aufhob und erkannte was es war, war ich etwas verwirrt. Es war der alte Teddy, den Lori und Ben mir bei einem Besuch bei ihnen geschenkt hatten, den ich damals im Labyrinth bei mir hatte, als ich nicht mehr alleine den Weg nach draußen fand. Ich hatte ihn gar nicht hier her mitgebracht. Er war daheim in L.A. in einer Kisten in meinem Zimmer. Wie konnte das sein? Wirklich Angst vor dem Teddy hatte ich nicht, eher vor der Tatsache, dass er jetzt hier war. Doch darüber konnte ich mir später immer noch Gedanken machen, jetzt musste ich weiter, raus aus dem Irrgarten.

Langsam und mechanisch setzte ich einen Fuß vor den anderen. Eine Weile ging das auch gut, bis mich ein seltsamer Anblick in seinen Bann riss. Irgendetwas hatte sich in einem Busch links neben mir verfangen und flatterte jetzt wild mit jedem neuen Windstoß in der Luft umher. Als ich näher kam, erkennte ich es. Es war der rote Seitenschal meiner Mom. Den hatte ich ihr letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt. Sie war seither nicht mehr hier gewesen. Wie konnte also ihr Schal hier sein?

Die ganze Sache wurde immer unheimlicher. Ich nahm den Schal in meine linke Hand neben den Teddy und ging weiter, angespannt vor Angst, was wohl als nächstes passieren würde. Hinter der nächsten Kurve sah ich wieder etwas am Boden liegen. Es war sehr flach und auch sehr lang. Bereits bevor ich es aufhob konnte ich erkennen, dass es sich um ein schwarz-weißes Portrait handelte. Doch als ich die Personen, die darauf dargestellt waren, erkannte, wurde mir noch mulmiger zumute. Die Person in der Mitte kannte ich nicht. Es war ein junges, auffallend hübsches Mädchen. Links neben ihr erkannte ich meinen Albtraum, Evan. Auf der rechten Seite sah ich Eric. Auf dem Portrait sah er jünger aus als ich ihn kannte. Das musste aus der Zeit stammen, bevor er zum Vampir wurde. Dann musste das Mädchen seine Schwester Sheila sein. Das Portrait war von allen Dingen das Merkwürdigste. Ich nahm es ebenfalls mit. Morgen würde ich Caitlin fragen ob sie irgendeine Erklärung dafür hat. Ich hatte ihr sowieso noch einiges zu erzählen. Ich fragte mich, ob das jetzt alle Überraschungen waren, oder ob noch etwas auf mich wartete.

Vorsichtig setzte ich meinen Weg fort. Kurz bevor ich den Ausgang erreicht hatte, sah ich zwei rote Augen vor mir. Als ich genauer hinschaute, konnte ich die Umrisse einer großen Gestalt erkenne. ´Evan`, schoss es mir durch den Kopf. Doch genau in dem Moment war die Gestalt weg. Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste an der Stelle vorbei, an der gerade eben noch Evan gestanden hatte, um aus dem Labyrinth zu entkommen.

Plötzlich hörte ich ganz nah hinter mir ein Knurren und dann das gleichmäßige Atmen von jemandem. Ich wusste ohne mich umzudrehen, dass es Evan war. Ich saß in der Falle. Bevor mein Verstand realisierte was los war, rannten meine Beine bereits von selbst drauf los. Ich musste wahnsinnig sein wenn ich dachte, ich könnte jemandem wie ihm entkommen. Doch ich würde nicht kampflos aufgeben, musste es einfach versuchen. Schnell bekam ich Seitenstechen, doch anhalten kam nicht infrage, denn es bedeutete den sicheren Tod.

Als ich die letzte Kurve hinter mich gebrachte hatte und den Irrgarten endlich verließ, stand Evan bereits da und wartete auf mich. Mit geschlossenen Augen wich ich vorsichtig zurück, bis ich gegen das nächste Gebüsch stieß. Reflexartig öffnete ich die Augen und stellte fest, dass ich schweißgebadet in meinem Bett saß. Es war nur ein Traum.