Das Freeway

 

Am nächsten Morgen verabredete ich mich mit Caitlin im Shopping Center. Ich konnte kaum erwarten ihr alles über den gestrigen Abend zu erzählen. Sie wartete schon auf mich in unserem Stammcafé. Ich bestellte mir einen Cappuccino und legte los. Als ich ihr alles erzählt hatte, breitete sich ein riesiges Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

„Das hört sich für mich so an, als hättest du deinen Spaß gehabt.“

Jetzt war ich mit dem Grinsen an der Reihe.

„Er scheint dich echt gern zu haben.“

„Meinst du wirklich?“

„Hätte er dich sonst nach einem zweiten Date gefragt?“

„Ich denke nicht. Und er scheint auch echt nett zu sein.

Oh, das hab ich vorher ganz vergessen. Er denkt auch, dass das was mit Darryl passiert ist, mit Vampiren zu tun hat.“

Caitlin machte große Augen. „Ach, sag bloß? Und du denkst das jetzt bestimmt auch, was?“

„Ich weiß es nicht. Ihr klingt alle so überzeugt davon, dass es wohl so sein wird. Ich hoffe bloß, ich begegne nie einem von diesen Monstern.“

„Seither ist so was sehr sehr selten vorgekommen. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass die wohl schon ewig lange unter uns Menschen leben. Es wurde damals ein Abkommen geschlossen, dass sie uns in Ruhe lassen, und wir lassen sie in Ruhe.“

Fragend sah ich sie an. „Was könnten wir denen denn schon tun?“

„Na ja. Vampire können ja nur während der Nacht raus. Das Sonnenlicht würde sie umbringen, sie würden verbrennen. Wenn man also tagsüber, wenn sie schlafen, in ihre Häuser geht und sie abfackelt, sind sie wehrlos. Daher das gegenseitige Abkommen.“

„Das sie jetzt gebrochen haben.“

„Es sieht ganz danach aus. Ich würde echt gerne wissen was vorgefallen ist, dass so was passieren konnte.“

Unbehagen breitete sich in mir aus. „Ich will es lieber nicht wissen“, sagte ich.

„Lass uns von was anderem reden. Ich bräuchte dringend eine neue Jeans und für dich wären wohl ein paar Knie- und Ellenbogenschoner nicht schlecht.“

Verständnislos sah ich sie an.

„Na für Mittwoch, fürs Schlittschuhlaufen.“

Sie zwinkerte mir zu.

 

Als ich vom Shopping nach Hause kam, machte ich mir erst mal einen Kaffee. Kaum zu glauben, wie anstrengend einkaufen sein kann. Meine Beute verteilte ich mitten auf dem Bett. Sie bestand aus zwei Paar Schuhen; einer edlen, Dekolleté betonenden, schwarzen Perlenkette; zwei Pullis und einem neuen Parfüm. Es nennt sich Hypnotic Poison. Anfangs machte ich mir etwas Gedanken über den Namen und die anregende Wirkung des Duftes, doch es konnte ja sicher nicht schaden. Die Knie- und Ellenbogenschoner hatte ich natürlich nicht gekauft. Ich würde mich auch ohne die Dinger schon genug vor Eric zum Affen machen. Tatsächlich bin ich seither nur ein einziges Mal auf Schlittschuhen gestanden, und das auch nur gezwungenermaßen. Es handelte sich dabei um einen Schulausflug in der 7. Klasse. Am Anfang hab ich mich auch gar nicht so blöd angestellt, doch als es dann ums Bremsen ging, habe ich kläglich versagt. Die Bande kam immer näher, doch ich wurde nicht langsamer. Und schließlich passierte das Unvermeidliche. Ich prallte mit voller Wucht direkt dagegen und konnte mein linkes Knie einige Tage nicht richtig gebrauchen. Das war es dann für mich mit dem Schlittschuhlaufen. Wer braucht in Kalifornien auch eine Eishalle? Jedenfalls hatte ich tierisch Schiss vor Mittwoch. Ich war mir ziemlich sicher, dass mir wieder so etwas Ähnliches passieren würde.

 

In dieser Nacht konnte ich ewig nicht einschlafen. Ich war mir nicht sicher, ob es der Kaffee war der mich wach hielt, oder vielleicht der Gedanke an Eric? Caitlin meinte, dass er mich gern hat. Ob es wohl stimmt? Ich jedenfalls hatte ihn schon viel zu gern. Doch eigentlich wusste ich noch kaum etwas über ihn. Er wich meinen Fragen jedes Mal geschickt aus und ließ dann immer mich etwas erzählen. Am Mittwoch würde ich nicht so leicht aufgeben.

 

Sonntags schliefen wir immer etwas länger. So gegen 10 Uhr standen wir auf und machten uns zusammen das Frühstück. Es gab mir immer ein wohliges Gefühl, mit meiner Tante zu frühstücken und ein bisschen mit ihr zu quatschen.

„Wie lief dein Date am Freitag?“

„Oh, es war schön. Am Mittwoch holt mich Eric um acht ab, wir gehen Schlittschuh laufen.“

Lori lachte. „Du und Schlittschuh laufen?“, fragte sie sichtlich amüsiert.

„Ja, ich werd es zumindest versuchen. Außerdem hab ich ihm schon gesagt, dass ich nicht so gut darin bin“, sagte ich kleinlaut

„Nicht so gut, hm? Dann wirst du dich einfach an Eric krallen müssen, um nicht umzufallen.“

Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Als er mich damals in seinem Auto nur kurz unabsichtlich berührt hatte, stand ich total unter Strom. Ich würde ihn gerne wieder berühren oder einfach nur in seiner Nähe sein. Oder beides.

 

 

***

 

 

Am Montagmorgen holte ich Caitlin wie gewöhnlich auf dem Weg zum College ab. Es war ein sehr milder Morgen, für einen Oktobertag in Schottland. Die Sonne strahlte fröhlich auf uns herab. Sie verlieh dem heruntergefallenen Laub auf den Straßen einen nahezu goldenen Glanz. Ich war mir dennoch sicher, dass dies einer der letzten milderen Tage sein würde, denn der Geruch nach Winter und Kälte lag bereits in der Luft. Ich konnte mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal Schnee gesehen hatte. Zuhause in Kalifornien schneit es eigentlich nie. Wir waren früher mal zur Weihnachtszeit in New York gewesen. Da hatte ich zum ersten Mal Schnee gesehen und auch angefasst. Das ist über zehn Jahr her, bevor mein Dad uns verlassen hat.

Langsam schlenderten wir in Richtung College.

„Woran denkst du?“, fragte Caitlin.

„Dass es bestimmt bald schneit und ich mich darauf freue.“

Kopfschüttelnd sah sie mich an. „Man merkt wieder mal, dass du nicht von hier bist. Im Winter herrscht hier oft ein übles Chaos. Teilweiße ist es so schlimm, dass man tagelang nicht Auto fahren kann.“

„Aber es sieht doch schön aus, überall der ganze Schnee.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie mich an. „Das schon, aber es ist auch kalt. Und es ist dann noch früher dunkel als sonst und die Sonne lässt sich kaum mehr blicken.“

„Bist du heute irgendwie schlecht drauf?“

„Tut mir leid, ich hatte einen riesigen Streit mit meiner Mom. Sie will, dass ich die Weihnachtsferien mit ihr und Dad in Irland verbringe.“

„Das ist doch toll. Worüber habt ihr euch denn gestritten?“

„Toll?“, rief sie entsetzt. „Was kann daran toll sein, ein paar Wochen in einer kleinen Hütte mitten in der Pampa mit meinen Eltern gefangen zu sein? Es hat dort noch nicht mal einen Fernseher!“

Mitleidig sah ich sie an. „Dann lass deine Eltern einfach allein dorthin gehen und du kommst solang zu mir und Lori.“

Erst tat sie es mit einer Handbewegung ab, dann jedoch sah sie mich Stirn runzelnd an. „Meinst du, das wäre okay für Lori?“

„Klar, warum nicht? Ich frag sie gleich heute Abend. Aber meinst du nicht es ist schwieriger, deine Eltern davon zu überzeugen als meine Tante?“

„Sie können mich nicht dazu zwingen, immerhin bin ich 21 Jahre alt. Aber ich möchte auch nicht unbedingt im Streit mit ihnen auseinander gehen.“

„Ich denke, das kriegen wir hin.“

Caitlin schien mich gar nicht zu beachten, sie starrte mit offenem Mund und aufgerissenen Augen direkt geradeaus.

„Was ist los?“

Sie hob ihre linke Hand und zeigte nach vorn, direkt in die Mitte des Campus.

„Das ist der Junge aus dem Freeway. Den Eric an dem Abend nach Hause gebracht hat.“

Jetzt sah ich ihn auch.

„Sollen wir mit ihm reden? Wir könnten ihn fragen, was genau an dem Abend passiert ist. Vielleicht weiß er ja auch was über Darryl?“, fragte ich.

„Ja. Aber wie? Ich meine, was sollen wir denn sagen?“

„Komm einfach mit.“

Zielstrebig lief ich auf den Jungen zu, drehte mich nicht nach Caitlin um, weil ich mich darauf verließ, dass sie mir folgen würde. Und genau das tat sie auch. Als wir näher an ihn heran traten, fielen mir seine tiefen, violetten Augenringe auf. Zudem machte er einen sehr zerbrechlichen und ausgemergelten Eindruck. Ich fasste mir ein Herz und sprach ihn einfach an.

„Hallo, ich bin Sam und das ist Cailtin. Ich weiß, du kennst uns nicht, aber wir würden uns trotzdem gerne kurz mit dir unterhalten, wenn es okay ist?“

Unsicher und etwas skeptisch sah er uns an. Nickte dann jedoch und sagte: „Okay.“

„Okay, schön. Wie heißt du?“, fragte Caitlin.

„Oh, äh, ich heiße Nathan.“

„Schön dich kennen zu lernen“, sagte ich.

Wieder nickte er. „Was genau wollt ihr denn?“

Die Frage wirkte nicht unhöflich, sondern eher ängstlich.

Caitlin kam direkt auf den Punkt. „Neulich hab ich dich in einer mir nicht klar zu deutenden Situation im Freeway gesehen. Du warst umgeben von einigen Frauen, die, so schien es mir, an dir herum geknabbert haben.“

Mit vor Angst geweiteten Augen sah er erst Caitlin und dann mich an. Er sagte aber kein Wort.

Also hakte ich nach. „Was ist da passiert Nathan?“

Wieder keine Antwort.

„Bitte sag uns was passiert ist. Ein Freund von uns ist vor Kurzem gestorben. Wir würden gerne wissen, ob es da vielleicht irgendeine Verbindung gibt“, sagte Caitlin.

„Meint ihr etwa Darryl?“

„Ja. Weißt du irgendwas darüber?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Hört zu, ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich möchte das Ganze so schnell wie möglich vergessen. Und ihr solltet euch da nicht einmischen. Es ist zu gefährlich, hört ihr. Geht da nicht mehr hin!“

Man sah ihm deutliches Entsetzen, gemischt mit Angst an.

Ich startete einen letzten Versuch. „Nathan hör zu. Wir wollen dich nicht in Schwierigkeiten bringen oder so was. Wir brauchen einfach nur deine Hilfe. Es ist uns sehr wichtig heraus zu finden, was vor sich geht. Du willst doch bestimmt auch nicht, dass noch jemand stirbt?“

Das war fast schon Erpressung, aber er ließ mir keine andere Wahl.

„Nein, natürlich nicht. Aber ihr wisst nicht, worauf ihr euch da einlasst. Es wäre am besten für euch, wenn ihr es einfach vergessen würdet.“ Er sprach leise und gedankenverloren weiter. „Vergesst es einfach, zu eurer eigenen Sicherheit.

„Okay, wenn du uns nicht weiter helfen willst, dann müssen wir eben selbst Nachforschungen anstellen – im Freeway“, sagte Caitlin.

Wohl wissend, was sie damit bezwecken wollte, hoffte ich, dass es funktioniert.

„Nein! Tut das auf keinen Fall!“

„Tja, leider lässt du uns keine andere Möglichkeit. Komm Sam, wir gehen zum Unterricht.“

Ich trat auf sie zu und wartete gespannt auf Nathans Reaktion.

„Wartet! Das kann ich nicht zulassen. Ihr habt gewonnen. Aber lasst uns nicht hier reden. Treffen wir uns in der Mittagspause im Probenraum des Orchesters, okay?“

„Wir werden da sein“, sagte Caitlin, die das `wir` meiner Meinung nach etwas zu stark betonte.

Und so machten wir uns auf zu unseren Montagmorgen-Qualen:

Innerbetriebliche Finanzplanung.

Ich konnte mich noch weniger konzentrieren als sonst. Meine Gedanken waren noch bei unserem Gespräch mit Nathan. Ich war so darauf gespannt, was er uns erzählen würde, dass ich gar nicht merkte, dass die Doppelstunde bereits vorbei war. Es waren somit nur noch zwei Stunden bis zu unserem Gespräch mit Nathan.

 

 

***

 

 

Er war bereits da, als wir den Probenraum über die Bühne betraten. Als wir bei ihm waren, fragte er:

„Wie kommt es eigentlich, dass ihr ins Freeway geht?“

Mit einem Blick der bedeuten sollte `sag ja nichts von Eric`, sah ich meine Freundin an. Sie erwiderte:

„Das Gleiche könnten wir dich auch fragen.“

„Was ist an dem Abend passiert?“, wollte ich wissen.

Anscheinend konnte er uns dabei nicht ansehen, denn er wendete sich halb ab und schaute aus dem Fenster, als er anfing zu erzählen.

„Ich habe einen älteren Bruder, er müsste so in eurem Alter sein. Ich habe schon öfter mit angehört, wie er und seine Kumpels über die Bar geredet haben. Wisst ihr, es ist keine normale Bar.“

„Ja, das haben wir auch schon gemerkt“, sagte Caitlin.

Nervös lief er hin und her.

„Ich weiß nicht wie ich es euch sagen soll. Ihr würdet es mir wahrscheinlich nicht glauben. Ich hätte es selbst nicht geglaubt, wenn ich da nicht mitten rein geraten wäre.“

Er atmete tief durch und schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann fuhr er fort:

„Okay, ich sag euch jetzt wie es ist, aber ich hab euch gewarnt, ihr werdet mich für verrückt halten und mir nicht glauben.“

„Das werden wir ja dann gleich sehen“, sagte Caitlin etwas ungeduldig.

„Also wie gesagt, das Freeway ist keine richtige Bar, das ist nur Tarnung.“

Fragend sah ich ihn an. „Tarnung?“

„Ja. Sie benutzen es als Tarnung. Viele Leute kommen freiwillig dort hin und bieten sich ihnen an.“

Die Sache wurde immer mysteriöser.

„Meinst du damit, dass das Freeway eine Art Bordell ist?“, fragte Caitlin sichtlich amüsiert.

„Nein. Ja. Nein, nicht auf die Art wie ihr es jetzt denkt. Ich sag es jetzt so wie es ist. Ein Teil der Leute dort sind Vampire.“

Er hielt einen Augenblick inne, als erwarte er einen Protest von uns. Nachdem dieser ausblieb, fuhr er fort:

„Der andere Teil sind Leute, die den Vampiren ihr Blut anbieten. Und dann gibt es noch einen geringen Teil Normalos, so wie wir, die entweder durch Zufall oder aus Neugierde dort gelandet sind.“

Da weder Caitlin noch ich etwas sagte, übernahm er das Reden:

„Habt ihr verstanden was ich gerade gesagt habe?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Also ich hab es gehört, aber …“

„Aber du kannst es nicht glauben“, beendete er den Satz.

„Ja.“

„So ging es mir am Anfang auch, als ich das Gerede von meinem Bruder und seinen Kumpels gehört habe. Aber ich war dort. Versteht ihr? Mitten drin. Caitlin, du hast mich doch gesehen.“ Seine Augen flehten um Bestätigung.

„Und warum kommen die da freiwillig hin und wollen Blut spenden?“, wollte sie wissen.

„Das hab ich mir auch schon überlegt. Nervenkitzel? Vielleicht werden sie gut dafür bezahlt? Oder vielleicht stehen sie auf Vampire? Vielleicht werden sie von ihnen gezwungen? Ich weiß es nicht.“

„Wie war es denn bei dir?“, fragte ich.

„Es war ganz merkwürdig. Ich ging hin, weil ich neugierig war. Dann waren auf einmal diese scharfen Frauen um mich rum. Als nächstes erinnere ich mich erst wieder daran, wie Eric mich da rausgeholt hat. Es war so als hätten sie mich hypnotisiert.“

„Sam, was ist los? Du bist so blass?“, fragte Caitlin besorgt.

„Es gibt sie also wirklich. Vampire.“

Jetzt konnte auch ich nicht mehr um den Gedanken herum kommen, es tatsächlich in Betracht zu ziehen.

„Sie sind gefährlich, aber soviel ich weiß haben auch sie Gesetze. Sie dürfen Menschen nicht umbringen. Und die Meisten trinken Tierblut. Kein Menschenblut“, sagte Nathan.

„Und was war das dann in der Bar? Haben sie nicht auch von dir getrunken?“, fragte ich aufgebracht.

„Ja, das haben sie. Ich erinnere mich nur an nichts mehr. Vielleicht habe ich ihnen ja auch mein Einverständnis gegeben. So läuft das da wohl. Die Meisten sind eben freiwillig da und bieten ihr Blut an. Die saugen sie ja auch nicht komplett aus, nur ein bisschen, das einem nicht schadet.“

„Das ist ja widerlich!“, fand Caitlin.

„Na ja, sie leben davon. Es ist ihre Nahrung“, war Nathans Antwort. „Und es sind ja auch nicht alle so wie sie. Manche sind richtig nett. Man merkt ihnen auch nicht an, was sie sind.“

„Woher weiß man denn dann, wann man es mit einem von ihnen zu tun hat?“, fragte ich.

„Du meinst mit Vampiren? Also, erst mal können sie nur im Dunkeln raus, denn die Sonne würde sie umbringen. Dann sind sie auffallend bleich. Und sie erscheinen einem außergewöhnlich schön. Man könnte noch so gestylt sein, neben einem Vampir wirkt man immer unscheinbar.

Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten. Fast alle können einen aber mit den Augen hypnotisieren, viele können Gedanken lesen. Aber wie gesagt, jeder hat andere Fähigkeiten. Das hängt auch davon ab, wie lange sie schon ein Vampir sind. Je älter, desto mehr Fähigkeiten. Woran man sie natürlich auch erkennt, sind die spitzen Eckzähne. Die erscheinen allerdings nur, wenn sie trinken oder kämpfen.“

Es kam mir immer noch so vor, als würde er über ein Buch oder einen Film reden.

„Ich find das richtig unheimlich“, gab ich zu.

„Solange ihr nicht mehr ins Freeway geht, müsstet ihr einigermaßen sicher sein.“

„Weißt du was mit Darryl passiert ist?“, wollte Caitlin wissen.

„Nein, tut mir leid“, das meinte er tatsächlich so.

„Danke, dass du mit uns geredet hast. Geht es dir soweit wieder gut? Hast du den Schock von neulich überwunden?“, fragte ich ihn.

„Es geht schon wieder. Aber ich habe immer noch Albträume davon. Doch körperlich hab ich mich schon ganz gut erholt.“

„Das freut mich“, das meinte ich ernst, denn er tat mir irgendwie leid. Er hat viel mitgemacht. Wäre Eric nicht gewesen, wer weiß was passiert wäre.

„Nathan, ich hätte noch eine Frage, wenn es okay ist?“, fragte ich.

„Klar.“

„Was für eine Rolle spielt Eric im Freeway? Warum ist er dort?“

„Er ist einer von den Guten, das musst du mir glauben. Er arbeitet dort, sonst nichts.“

„Und ist er auch einer von denen?“ Bei dieser Frage schlug mir das Herz so heftig, dass es für jeden sichtbar gewesen sein musste.

„Du kannst es nicht aussprechen hm? Ich weiß es nicht. Tut mir leid.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ist schon okay, danke.“

„Gern geschehen. Wenn irgendwas sein sollte und ich kann euch weiter helfen, dann kommt einfach auf mich zu.“

„Das werden wir, danke.“

 

„Ich weiß was du jetzt denkst Sam“, sagte Caitlin, nachdem Nathan den Raum verlassen hatte.

„Wie könntest du? Ich weiß es ja selber nicht.“

„Du fragst dich, ob Eric ein Vampir ist.“

„Das klingt so unglaubwürdig. Eric kann kein Vampir sein. Er verhält sich überhaupt nicht so.“

„Nein, das tut er nicht. Aber woher sollten wir auch wissen wie sie sich verhalten, er könnte ja auch einer von den Guten sein. Aber wenn du es sicher wissen willst, dann frag ihn doch am Mittwoch danach“, sagte sie schmunzelnd.

„Ja klar. Und wenn es tatsächlich so ist muss er mich anschließend umbringen, weil ich dann sein Geheimnis kenne“, sagte ich sarkastisch.

„Das ist nicht witzig Sam.“

„Macht es denn den Eindruck, als wäre mir nach lachen zumute?“

Schuldbewusst sah sie mich an. „Nein, natürlich nicht. Tut mir leid. Das war nur gerade alles etwas zu viel, verstehst du?“

Ich nickte.

„Mir geht es auch so. Ich weiß gar nicht, wie ich die restlichen Vorlesungen überstehen soll.“

„Genauso wie heute Morgen.“

„Aber ist schon komisch, dass Eric und ich uns immer nur treffen, wenn die Sonne untergegangen ist oder?“

„Vielleicht ist er ja lichtscheu oder sieht im Tageslicht nicht so gut aus?“

„Das wird es sein“, sagte ich scherzhaft.

 

Tante Lori reagierte genauso wie ich es mir gedacht hatte. Auf sie war einfach immer Verlass.

„Also wenn Caitlins Eltern einverstanden sind, werde ich bestimmt nicht nein sagen.“

Strahlend sah ich sie an. „Das ist echt lieb von dir, danke.“

„Ich denke, es könnte sogar ganz witzig mit uns drei Mädels werden.“

„Darauf kannst du wetten.“

„Deine Mom hat übrigens vorher angerufen. Sie meldet sich morgen noch mal, sie ist jetzt zur Arbeit gegangen.“

„Okay.“

„Ich soll dich aber ganz lieb von ihr grüßen. Und Jessy hat auch angerufen. Sie meinte, ihr würdet euch ständig verpassen. Das ist die Zeitverschiebung. Aber ihr geht es soweit ganz gut. Sie schickt dir eine E-Mail.“

Es tat mir so leid, Jessy schon wieder verpasst zu haben. Ich wollte so gerne mit ihr reden und all die Neuigkeiten erzählen. Na ja, nicht alles. Es kam mir bereits vor wie eine Ewigkeit, seit ich Kalifornien verlassen hatte, dabei war es erst gut einen Monat her. Doch seitdem war so viel passiert, dass es mir viel länger vorkommt. Sobald es die Zeitverschiebung zuließ, würde ich Jessy anrufen.