23. Kapitel
Alex sah seine Tochter und diesen blonden Kerl an, der es wagte, ihre Hand zu küssen. Innerlich kochte er und wäre dem anderen am liebsten an die Gurgel gegangen. Aber er hatte sie beschützt. Cassandra hatte ihm eben gesagt, dass dieser Mann Erik hieß und der jüngere Bruder von Josh war.
Ein Grund für sie, im Auto auf ihn zu warten. Nachdem Josi mit diesem Joel, ihrem Halbbruder, geredet hatte, kam sie nun schließlich auf ihn zu und sah ihn unter gesenkten Wimpern an. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Gut.
»Weißt du eigentlich, was wir uns für Sorgen um dich gemacht haben? Wie kannst du einfach so, ohne jemanden bescheid zu geben, nach Amerika fliegen? Und das auch noch mit einer Verletzung!« Dieser Erik sah Josi verwundert an.
»Du warst verletzt?« Er klang ernsthaft besorgt, was Alex aufhorchen ließ.
»Ich war nur mit dem Fuß umgeknickt. Mein Vater übertreibt.« Sie hatte den Fauxpas sofort bemerkt und sah ihren Vater entschuldigend an. »Ich hab etwas dick aufgetragen, damit ich einen besseren Vorsprung ergattern konnte.« Nun griff sie auch mit der anderen Hand nach der von Erik und klammerte sich regelrecht an ihm fest.
Er hatte immer Angst davor gehabt, dass irgendwann der Zeitpunkt käme, an dem Josi einen Mann kennenlernen würde. Am liebsten hätte er das nie zugelassen. Aber nun war es passiert und er würde es nicht erlauben.
»Josi! Was soll das?« Er deutete auf ihre ineinander verschränkten Hände. Sie umklammerte Eriks Hand noch fester und sah ihrem Vater entschlossen in die Augen.
»Ich liebe Erik und ich werde bei ihm bleiben.« Nach einem kurzen und unsicheren Blick auf Erik fügte sie etwas leiser hinzu: »Wenn er mich noch will.« Er drückte ihre Hand und gab ihr einen Kuss an die Schläfe.
»Du hast mir schon vom ersten Moment an gehört.« Sie grinste.
»Als ich dir deinen Hintern gerettet hab?« Alex schnaubte und sah Erik böse an. Er wollte seine Tochter nicht verlieren. Sicher war sie vor Angst noch völlig durch den Wind. Wenn sie erst einmal ein paar Stunden ohne diesen Hurensohn von Caviness verbracht hätte, würde sich ihr klarer Verstand wieder einschalten.
Also machte er gute Miene zum bösen Spiel und sagte an seine Tochter gewandt: »Würdest du Cassandra und mich ins Hotel begleiten? Wir haben noch einiges zu besprechen.« Dann sah er zu Erik, der schon zu Widerworten ansetzte. »Du kannst sie morgen früh abholen. Heute will ich mich in Ruhe, und ohne Störung mit ihr unterhalten.« Josi strich ihm über den Arm und zog ihn dann an den Haaren zu sich herunter.
»Keine Angst. Ich werde nicht weglaufen.« Dann gab sie ihm einen tiefen Kuss, der Alexej Übelkeit verursachte, und wuschelte Erik durch die Haare. »Bis morgen.«
Als er den verträumten Ausdruck in den Augen des Mannes sah, der soeben seiner Tochter über die zierliche Hüfte gestrichen hatte, wusste er augenblicklich, dass er sie in sein Bett geholt hatte.
Im Stillen fluchte Alex vor sich hin und sah sich nach Cass um. Sie war schon im Wagen. Der vermummte Krieger hatte wieder bei Joel Stellung bezogen und Alex sah zu, wie sie den Schauplatz des Kampfes verließen.
Erik sah Josi und ihrem Vater leicht säuerlich hinterher und wünschte sich, endlich in Ruhe mit ihr reden zu können. Sie mussten noch so viel klären, aber dass sie vor ihrem Vater gesagt hatte, dass sie ihn lieben würde, hatte ihn beruhigt. Sie würde bei ihm bleiben oder er käme mit ihr nach Russland, wenn sie es so wollte.
Ein ganz anderes Thema war Cassandra und Josis Vater. Er hatte sie nur kurz zusammen gesehen, aber das, was er mitbekommen hatte, sah sehr vertraut aus. Hatte sie sich so schnell über Josh hinweggetröstet? Wusste er überhaupt von Alexej?
Er sah sich um. Die Raben waren verschwunden und Josi war ebenfalls weg. Sollte er es riskieren, allein nach Hause zu gehen und eventuell die Zielscheibe dieser Dämonen zu werden? Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte Joshs Nummer.
»Was gibt es?« Oh, schlechte Laune bei seinem Bruder. Und sie würde sich in absehbarer Zeit nicht bessern. Ganz im Gegenteil. Seine Laune würde auf einem neuen Tiefpunkt sein, wenn Erik ihm seine Beobachtungen erläutert hatte.
»Kannst du mich beim Rummel abholen?«
»Nimm dir ein Taxi oder lauf. Der Weg ist nicht so weit.« Ja. Definitiv schlechte Laune.
»Wir wurden von Dämonen angegriffen und ich hab keine Lust zu laufen.« Es herrschte kurz Stille, dann fragte Josh aufgebracht: »Ist euch etwas passiert? Soll ich die anderen mitbringen?«
»Keine Sorge. Wir haben sie vertrieben. Ich brauch nur eine Mitfahrgelegenheit.«
»Ich bin gleich da.« Und damit hatte er schon aufgelegt. Große Brüder waren schon was Tolles. Er kalkulierte kurz, wie lange Josh für den Weg bis hier benötigen würde und setzte sich schließlich auf einen Bordstein.
Ungefähr sieben Minuten später hielt ein Wagen neben Erik und ein verwunderter Josh sah aus dem Fahrerfenster.
»Wo ist Josephine?« Erik stand auf und ging zur Beifahrertür, um einzusteigen und als er schließlich saß, antwortete er trocken: »Sie ist mit ihrem Dad ins Hotel.«
»Und warum bist du hier und nicht bei ihr?«
»Ihr Dad wollte mit ihr allein reden. Du weißt schon. Sie ist von Zuhause weggelaufen und sie haben sich sorgen gemacht. Das übliche Vater-Tochter-Ding.«
»Vater-Tochter-Ding?« Josh musste schmunzeln. Jetzt kam der weniger lustige Teil der Geschichte.
»Cass war bei Josis Dad. Und sie sahen sehr ... vertraut aus.« Er hatte es etwas leiser gesagt, aber sein Bruder war sofort blass geworden. Trotzdem schien es ihn nicht sonderlich zu überraschen. »Du wusstest es schon, oder?«
»Ich wusste nicht, dass Alexej Josephines Vater ist, aber ich wusste, dass Cass ihn kennt.« So wie er es sagte, klang es, als würde noch etwas fehlen. Als wäre die Aussage nicht komplett.
»Du kennst ihn also auch?« Josh startete den Motor und fuhr los, als er erwiderte: »Ich hab mit seiner Frau geschlafen. Was wollten die Dämonen von euch?« Was sollte denn das? Er erzählte so ganz nebenbei, dass er seinem zukünftigen Schwiegervater die Frau ausgespannt hatte und dann lenkte er einfach vom Thema ab? So einfach kam er ihm nicht davon.
»Wie meinst du das, du hast mit seiner Frau geschlafen?« Sein Bruder rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her.
»Ich war damals noch jung. In meiner Sturm und Drang Zeit. Ich war mit Alexej befreundet und er lud mich für ein paar Wochen ein, um seine Familie kennenzulernen. Seine Frau war damals sehr unglücklich in der Ehe mit ihm und hat alles versucht, um von ihm loszukommen. Und ich war ihren Reizen erlegen.«
»So wie bei Lydia?« Josh stöhnte hilflos auf.
»Das ist nicht fair. Ich war damals nicht verheiratet und sie hat mich verführt. Bei Lydia haben so viele andere Faktoren mitgespielt, das kann ich nicht so einfach erklären oder analysieren.« Für Erik hörte es sich zwar trotzdem wie eine Ausrede an, aber er wollte seinen Bruder nicht mehr quälen als nötig.
»Die Dämonen waren hinter Josi her und wie es aussieht auch hinter Joel. Sie sagten etwas von ihrer Blutlinie. Joel hat mir gegenüber mal erwähnt, dass er der letzte seiner Familie wäre. Also sind die beiden in unmittelbarer Gefahr.« Josh nickte. »Er wird morgen kurz im Herrenhaus vorbei kommen und mit Josi reden, wenn ich sie aus dem Hotel abgeholt habe.« Josh trat mit einem Mal auf die Bremse und legte somit eine Vollbremsung hin, die Erik hart in seinen Gurt warf.
»Raben in meinem Haus?«
»Ach bitte. Reg dich nicht so auf. Es war sogar schon eine Hexe bei uns.« Josh knurrte und seine Hände schlossen sich fester um das Lenkrad.