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Frau Jung war ganz blass geworden. Für einen Moment schien sie nicht so streng und selbstsicher wie sonst. Dann fasste sie sich wieder. »Was tust du hier?«, fragte sie rau.

»Ich ... äh ...«, stotterte Pat, bis ihr einfiel, dass sie sich für nichts zu rechtfertigen brauchte. »Und was tun Sie hier?«, fragte sie zurück.

Aber Frau Jung ließ sich nicht einschüchtern.

»Werd' nicht frech«, fuhr sie Pat an. »Ich verlange eine Antwort. Was suchst du hier?«

»Ich wollte mich nur einmal umsehen, sonst nichts.«

Pat merkte, dass Frau Jung ihr nicht glaubte, aber das konnte sie nun nicht ändern. Verdammt, jetzt kann ich für den Hund nichts tun, dachte sie wütend. Frau Jung griff energisch nach ihrem Arm.

»Wir beide gehen jetzt nach Hause«, bestimmte sie. In der Aufregung vergaß sie, leise zu sprechen, und plötzlich schlug der Hund an.

»Wir müssen sehen, dass wir wegkommen!«, zischte Pat. Sie hatte plötzlich Angst. Eine innere Stimme sagte ihr, dass sie unter allen Umständen vermeiden musste, von den Männern im Haus gesehen zu werden.

Frau Jung nickte. Leise huschten die Lehrerin und das Mädchen über den Hof und atmeten erst auf, als sie sich jenseits des Zaunes befanden. Natürlich entdeckte Frau Jung dort sofort Fairytale.

»Du bist allein ausgeritten«, stellte sie fest. »Du weißt, dass das verboten ist?«

»Ja«, erwiderte Pat, ohne die Augen niederzuschlagen.

Frau Jung betrachtete das Mädchen mit den roten Locken und den zarten Sommersprossen auf der Nase. Eine missbilligende Falte erschien auf ihrer Stirn, die sich plötzlich wieder glättete. Ein kleiner Funke von Anerkennung stand in ihren Augen.

»Dann solltest du vorsichtig sein«, sagte sie. »Lass dich nicht von Simone erwischen. Sie nimmt es sehr genau.«

Pat nickte. Sie war überrascht. Diese Reaktion hatte sie von der strengen, unnachsichtigen Frau nicht erwartet.

Auf dem ganzen Heimweg, Pat führte das Pferd, sprach die Lehrerin kein Wort, schien auch nicht bereit, etwas über ihr eigenes seltsames Verhalten zu sagen. Pat zerbrach sich den Kopf darüber, warum wohl eine erwachsene Frau im Krähenhof herumschlich. Das alles kam ihr reichlich merkwürdig vor.

Als Pat Fairytale in den Stall führte, traf sie dort auf Simone. Die hatte sich gerade ein Pferd gesattelt, trug ihre Reithose und einen Pullover. Ihre Nervosität war wie meistens fast greifbar zu spüren.

»Du warst weder auf dem Platz noch in der Halle«, sagte sie. »Das hätte ich gemerkt. Also, wo kommst du her?«

Pat hasste Ausflüchte. »Ich bin ausgeritten«, erklärte sie.

Simone nickte. »Das dachte ich mir. Allein natürlich.«

»Ja.«

»Du hast dich damit über eines unserer Grundsatzgebote hinweggesetzt, Patricia. So leid es mir tut, ich werde daraus meine Konsequenzen ziehen müssen. Ich schließe dich von der Teilnahme an unserem Turnier aus!«

Das war eine harte Strafe. Beim Springen hätte Fairytale gute Chancen gehabt. Aber Pat zeigte nicht, wie getroffen sie war. Sie schluckte nur einmal etwas krampfhaft. Simone verschwand. Angie, die zufällig in der Nähe gestanden und alles mitangehört hatte, trat heran.

»Pat, das ist ja furchtbar!«, rief sie. »Meinst du nicht, wir können Simone noch umstimmen? Ach, warum kannst du dich nie an eine Vorschrift halten?«

»Ich werde nicht bitten und betteln«, gab Pat zurück. »Es ist mir ganz gleich, ob ich bei diesem dummen Turnier mitmache oder nicht. Und ich werde auch weiterhin mit Fairytale ausreiten, so viel ich will!«

Angie seufzte. »Du bist ein Dummkopf, Pat«, sagte sie freundschaftlich. »Aber ein lieber. Wo warst du eigentlich? Uns war es am Strand zu heiß, deshalb sind wir zurückgekommen.«

Pat schwieg beharrlich. Der Hund war ihre Sache, und über Frau Jung und die merkwürdige Unterhaltung der beiden Fremden musste sie erst noch allein nachdenken.

Angie, Diane und Kathrin hatten am nächsten Morgen keinen Stalldienst und konnten daher in Ruhe aufstehen. Kathrin hatte sich einen blauen Pullover gekauft, der einem von Simone aufs Haar glich. Obwohl es heute wieder heiß zu werden versprach, zog sie ihn an.

Angie spottete mitleidslos. »Findest du das bei dem Wetter nicht selber verrückt?«, fragte sie. »Und glaubst du, Simone findet es toll, wenn du jeden Tag in einer Kopie eines ihrer Kleider erscheinst?«

»Simone und ich verstehen uns«, erwiderte Kathrin, die wie keine sonst von Simone verachtet und fortwährend kritisiert wurde, eine solche Behandlung aber offenbar brauchte.

»Wir beide sind ausgesprochene Individualisten und ...« Sie brach ab, als an die Tür geklopft wurde.

»Angie, Diane! Seid ihr wach?«

Das war Toms Stimme. Diane öffnete und Tom und Chris traten ein.

Kathrin kicherte nervös. »Also, das geht ein bisschen zu weit«, sagte sie. »Die Jungen dürfen nicht in die Mädchenzimmer!«

»Sei nicht albern«, wies Angie sie zurecht. »Bleibt nur, ihr beiden. Kathrin kann ja gehen!«

Kathrin blieb natürlich. Sie musste sowieso noch ihre Frisur mit Haarspray festkleben. Chris und Tom wirkten sehr aufgeregt.

»Ratet, was passiert ist«, sagte Chris. »Ich habe euch doch von den reichen Amerikanern erzählt, die bei uns wohnen. Nun, sie sind heute Nacht ausgeraubt worden. In unserem Haus. Und keiner hat etwas gemerkt!«

»Die Täter haben das Schloss der Kellertür aufgebrochen«, fuhr Tom, der bereits alle Einzelheiten kannte, fort, »und dann sind sie direkt in das Zimmer der Nortons geschlichen und haben Geld und Juwelen gestohlen.«

»Und die beiden sind nicht aufgewacht?«, fragte Diane ungläubig.

Chris schnippte mit den Fingern. »Das ist es eben! Die beiden waren gar nicht da! Sie hatten Freunde besucht, die sehr weit weg wohnen, und kamen erst gegen vier Uhr morgens zurück. Wisst ihr, was das bedeutet?«

»Nein, was denn?«, fragte Kathrin vom Spiegel her.

»Die Täter waren gut informiert», sagte Angie langsam.

»Zu gut«, ergänzte Tom. Er blickte von einem zum anderen. »Wie bei den Sterns vor einer Woche. Damals wunderte es alle, wie jemand wissen konnte, dass es in diesem unscheinbaren Pförtnerhäuschen etwas Wertvolles zu holen gab. Und diesmal wieder. Die Einbrecher wussten, dass reiche Amerikaner im ›Leuchtfeuer‹ wohnen, sie wussten, dass sie in dieser Nacht weg waren. Sie müssen sogar gewusst haben, wo sie ihr Zimmer haben. Fast so, als ob ...« Er brach ab, als habe er eine Scheu auszusprechen, was er dachte.

Angie machte große Augen. »Als ob es jemanden gäbe, der alle diese Einzelheiten auskundschaftet und weitergibt«, flüsterte sie.

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