7
Äsop

Der graue Schatten glitt an dem Felsvorsprung entlang, er war auf dem Weg zur Höhle. Er kreischte zornig und vor Enttäuschung – denn die Worte hatten versagt.

Die Sonne des frühen Nachmittags beleuchtete ein Gesicht, einen Kopf, einen Leib, verschwommen und nebelhaft, wabernd wie Morgennebel, der sich aus einem Flusstal erhebt.

Plötzlich endete der Vorsprung, und der Schatten duckte sich verwirrt – denn es gab dort keine Höhle. Der Felsen hörte hier auf!

Das Wesen schnellte herum, musterte das Tal. Auch der Fluss hatte sich verändert. Er zog näher an den Klippen vorbei als vorher. Und an der Felswand hing ein Schwalbennest, wo zuvor nie ein Schwalbennest gewesen war.

Der Schatten erstarrte, und die behaarten Fühler an seinen Ohren richteten sich auf und tasteten suchend umher.

Da war Leben! Sein Duft lag schwach in der Luft, seine Energie vibrierte in den Tälern der Hügelketten.

Der hingekauerte Schatten regte sich, richtete sich auf und floss den Rand des Abgrunds entlang.

Es gab keine Höhle, der Fluss war anders, und auf der Klippe klebte ein Schwalbennest.

Der Schatten bebte, von fast kindischer Freude erfüllt.

Die Worte hatten doch gestimmt. Sie waren die richtigen gewesen. Dies hier war eine andere Welt.

Eine andere Welt – anders in mehr als einer Beziehung. Eine Welt so voller Leben, dass die Luft davon erzitterte. Und Leben vielleicht, das nicht so schnell laufen, sich nicht so gut verbergen konnte.

Wolf und Bär trafen sich unter der großen Eiche und sagten sich guten Tag.

»Ich habe gehört, dass in letzter Zeit immer wieder getötet wird«, sagte Lupus.

Bruin brummte. »Eine merkwürdige Art des Tötens, mein Freund. Tot, aber nicht aufgefressen.«

»Symbolisches Töten vielleicht«, sagte der Wolf.

Bruin schüttelte den Kopf. »Mir kannst du nicht erzählen, dass es so etwas wie symbolisches Töten gibt. Die neue Psychologie, die uns die Hunde beibringen, geht ein bisschen zu weit. Wenn getötet wird, dann aus Hass oder Hunger. Mich ertappst du nicht dabei, dass ich etwas töte, was ich dann nicht fresse.« Er fügte hastig hinzu: »Nicht, dass ich töten würde, das weißt du.«

»Natürlich tust du das nicht«, sagte der Wolf.

Bruin schloss die Augen, öffnete sie und blinzelte.

»Aber gelegentlich drehe ich natürlich einen Stein um und schlecke ein, zwei Ameisen auf.«

»Ich glaube nicht, dass die Hunde das als Töten betrachten«, erklärte Lupus ernsthaft. »Insekten sind ein klein wenig verschieden von Tieren und Vögeln. Niemand hat uns je gesagt, dass wir kein Insektenleben töten dürften.«

»Da irrst du dich aber«, sagte Bruin. »Die Regel ist ganz klar. Du darfst kein Leben zerstören. Du darfst keinem anderen das Leben nehmen.«

»Ja, das ist wohl so«, gab der Wolf scheinheilig zu. »Damit hast du sicher Recht, Bruder. Aber selbst die Hunde sind bei Insekten nicht so streng. Die ganze Zeit sind sie auf der Suche nach einem besseren Flohpulver. Und wofür dient Flohpulver, frage ich dich? Na, um Flöhe zu töten. Und Flöhe leben. Flöhe sind lebende Wesen.«

Bruin schlug nach einer kleinen, grünen Fliege, die an seiner Nase vorbeisummte.

»Ich gehe zur Futterstation hinunter«, sagte der Wolf. »Vielleicht begleitest du mich?«

»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte der Bär. »Außerdem kommst du zu früh. Es ist noch nicht Essenszeit.«

Lupus fuhr sich mit der Zunge übers Maul. »Manchmal komme ich vorbei, so zufällig, und der Webster, der dort arbeitet, gibt mir extra etwas.«

»Da wäre ich lieber vorsichtig«, sagte Bruin. »Das tut er nicht umsonst. Dann hat er irgendetwas vor. Ich traue diesen Webstern nicht.«

»Der ist in Ordnung«, erklärte der Wolf. »Er leitet die Futterstation, obwohl er es nicht müsste. Das könnte jeder Roboter. Aber er hat um diesen Posten gebeten. Es war ihm zu langweilig, zu Hause herumzuhängen und nur zu spielen. Hier kümmert er sich um alles und lacht und redet wie einer von uns. Peter ist ein feiner Kerl.«

Der Bär knurrte: »Einer von den Hunden hat mir erzählt, Jenkins behaupte, Webster sei gar nicht ihr Name. Sie seien keine Webster. Sie sollen Menschen sein …«

»Was sind Menschen?«, fragte Lupus.

»Ja, eben, was ich dir sage, Jenkins meint …«

»Jenkins ist schon so alt, dass er nicht mehr richtig denken kann«, sagte Lupus. »Er hat zu viele Erinnerungen. Er muss tausend Jahre alt sein.«

»Siebentausend«, sagte der Bär. »Die Hunde wollen ihm eine Geburtstagsparty ausrichten. Sie haben sich als Geschenk einen neuen Körper für ihn aus gedacht. Der alte wird langsam unbrauchbar – jeden zweiten Monat muss er repariert werden.« Der Bär wackelte mit dem Kopf. »Alles in allem, Lupus, die Hunde haben viel für uns getan. Futterstationen, Arztroboter und alles Mögliche. Erst im vergangenen Jahr hatte ich solche Zahnschmerzen …«

Der Wolf unterbrach ihn. »Aber das Futter könnte besser sein. Sie behaupten, Hefe sei genauso gut wie Fleisch, es habe den gleichen Nährwert und so weiter. Aber es schmeckt nicht wie Fleisch …«

»Woher weißt du das?«, fragte Bruin.

Der Wolf stotterte ein wenig. »Na ja … na, mein Großvater hat es mir erzählt. Ein toller Kerl. Ab und zu gestattete er sich etwas Wild. Er erzählte mir, wie blutiges Fleisch schmeckt. Aber damals gab es auch nicht so viele Aufseher wie heute.«

Bruin schloss die Augen, öffnete sie wieder. »Ich habe mich oft gefragt, wie wohl Fisch schmeckt«, sagte er. »Im Bach unten gibt es Forellen. Ich habe sie beobachtet. Es wäre einfach, mit der Pfote hineinzulangen und ein paar herauszuholen … Natürlich habe ich das nie getan.«

»Natürlich nicht«, sagte der Wolf.

Eine Welt und dann eine andere, wie an einer Kette aufgereiht. Eine Welt, gefolgt von der nächsten. Eine Welt ist morgen, die andere Welt ist heute. Und gestern ist morgen, und morgen ist Vergangenheit.

Nur dass es keine Vergangenheit gab. Keine Vergangenheit, außer den Bildern der Erinnerung, die wie nachtflügelige Wesen in den dunklen Schatten des Verstandes umherhuschten. Keine Vergangenheit, die irgendwie erreichbar war. Keine gemalten Abbilder auf der sich entrollenden Leinwand der Zeit. Kein Film, den man zurücklaufen lassen konnte, um zu sehen, was einmal gewesen war.

Joshua stand auf, schüttelte sich, setzte sich wieder hin und kratzte sich am Ohr. Ichabod saß steif am Tisch und trommelte mit metallenen Fingern vor sich hin.

»Kein Zweifel«, sagte der Roboter. »Wir können nichts tun. Wir haben alles überprüft. Wir können nicht in die Vergangenheit reisen.«

»Nein«, sagte Joshua.

»Aber wir wissen, wo die Kobler sind«, sagte Ichabod.

»Ja, das wissen wir. Und vielleicht können wir sie erreichen, jetzt, da wir den Weg vor uns sehen.«

Ein Weg stand ihnen offen, ein anderer war ihnen verschlossen. Nicht richtig, verschlossen, das war er nie gewesen. Denn es existierte keine Vergangenheit für sie, es hatte sie nie gegeben. An ihre Stelle war eine völlig neue Welt getreten.

Wie zwei Hunde, die in denselben Fußstapfen laufen. Ein Hund tritt heraus, und ein anderer tritt hinein. Wie eine lange, endlose Reihe von Kugellagern, wie die Glieder einer endlosen Kette, die auf einem Rad mit einer Milliarde Zähne laufen.

»Wir sind spät dran«, sagte Ichabod und sah auf die Uhr. »Wir müssen uns für Jenkins' Party fertig machen.«

Joshua schüttelte sich wieder. »Ja, das sollten wir. Ein großer Tag für Jenkins, Ichabod. Stell dir das vor … siebentausend Jahre.«

»Ich bin fertig«, erklärte Ichabod stolz. »Ich habe mich heute früh poliert, aber du musst noch gekämmt werden. Du bist ganz verfilzt.«

»Siebentausend Jahre«, sagte Joshua. »So lange möchte ich nicht leben.«

Siebentausend Jahre und siebentausend Welten, in einer Spur. Obwohl es sicher mehr waren. Eine Welt pro Tag. Dreihundertfünfundsechzig mal siebentausend. Oder vielleicht eine Welt pro Minute. Oder vielleicht eine Welt pro Sekunde. Eine Sekunde hatte ein gewisses Volumen – es war umfangreich genug, um zwei Welten zu trennen, groß genug, zwei Welten in sich zu fassen. Dreihundertfünfundsechzig mal siebentausend mal vierundzwanzig mal sechzig …

Es hatte etwas Endgültiges. Denn es gab keine Vergangenheit. Es gab keine Umkehr. Man konnte nicht zurück, um das zu sehen, was Jenkins erzählt hatte – all diese Dinge, die die Wahrheit oder von siebentausend Jahren verzerrte Erinnerung sein konnte. Keine Umkehr, um die vagen Legenden zu prüfen, die von einem Haus, einer Familie von Webstern und einer geschlossenen Kuppel berichteten, die jenseits des Meeres in den Bergen stand.

Ichabod kam mit Kamm und Bürste auf ihn zu, und Joshua wich zurück.

»Na, komm schon«, sagte Ichabod, »ich tue dir nicht weh.«

»Beim letzten Mal hast du mir beinahe die Haut abgezogen«, beklagte sich Joshua. »Sei vorsichtig.«

Der Wolf war in der Hoffnung auf eine Zwischenmahlzeit eingetroffen, aber sie war ihm nicht angeboten worden, und die Höflichkeit erlaubte ihm nicht, darum zu bitten. Er saß da, den buschigen Schweif artig um die Beine geringelt, und sah Peter zu, der mit dem Messer an einem schlanken Stab herumschnitzte.

Fatso, das Eichhörnchen, ließ sich von einem Ast herunterfallen und landete auf Peters Schulter.

»Was hast du da?«, fragte Fatso.

»Einen Wurfstock«, sagte Peter.

»Werfen kannst du jeden Stock«, sagte der Wolf. »Dafür brauchst du nicht einen zu schnitzen. Du kannst irgendeinen aufheben und ihn werfen.«

»Das ist etwas Neues«, sagte Peter. »Etwas, das mir eingefallen ist. Aber ich weiß nicht, was es ist.«

»Es hat keinen Namen?«, fragte Fatso.

»Noch nicht«, sagte Peter. »Ich muss mir einen ausdenken.«

»Aber man kann doch jeden Stock werfen«, wiederholte der Wolf.

»Nicht so weit und nicht so fest«, sagte Peter. Er drehte den Stab zwischen den Fingern, fühlte die Glätte, die Rundung, hob ihn vor die Augen und prüfte, ob er gerade war. »Ich werfe ihn nicht mit dem Arm. Ich werfe ihn mit einem anderen Stock und mit einer Schnur.« Er nahm das Ding, das am Baumstamm lehnte.

»Ich versteh nur nicht, wozu du einen Stock werfen willst«, sagte Fatso.

»Ich weiß nicht«, sagte Peter. »Es macht Spaß.«

»Ihr Webster seid komische Tiere«, erklärte der Wolf streng. »Manchmal frage ich mich, ob ihr überhaupt bei Verstand seid.«

»Man kann alles treffen, worauf man zielt«, sagte Peter, »solange der Stock gerade ist und die Schnur etwas taugt. Man kann nicht einfach irgendein Stück Holz nehmen. Man muss suchen und suchen …«

»Zeig es mir«, sagte Fatso.

»So«, sagte Peter und hob den Schaft. »Er federt, weißt du. Man kann ihn biegen, und er kehrt in seine alte Form zurück. Ich habe die beiden Enden mit einer Schnur zusammengebunden und lege den Wurfstock mit einem Ende an die Schnur, so, und dann ziehe ich …«

»Du hast gesagt, du triffst, was du willst«, sagte der Wolf. »Na los, zeig es uns.«

»Was soll ich denn treffen?«, fragte Peter. »Ihr könnt es euch aussuchen …«

Fatso hob die Pfote. »Das Rotkehlchen, da oben auf dem Baum.«

Peter hob die Hände, die Schnur spannte sich, und der Schaft, an dem die Schnur befestigt war, bog sich. Der Wurfstock pfiff durch die Luft. Der Vogel fiel in einem Wirbel von fliegenden Federn vom Ast. Mit leisem, dumpfen Aufprall fiel er auf die Erde – lag auf dem Rücken, winzig, hilflos, die Krallen zu den Wipfeln erhoben. Blut rann aus seinem Schnabel, befleckte das Blatt unter seinem Kopf.

Fatso erstarrte auf Peters Schulter, der Wolf war aufgesprungen. Es wurde still, kein Blatt rührte sich, die Wolken am blauen Himmel zogen lautlos dahin.

Das Entsetzen schlug sich in Fatsos Worte nieder. »Du hast ihn umgebracht! Er ist tot! Du hast ihn getötet!«

Peter protestierte, betäubt vor Angst: »Das habe ich doch nicht wissen können. Ich habe noch nie zuvor versucht, etwas Lebendiges damit zu treffen. Ich habe den Stock immer nur auf tote Gegenstände geworfen …«

»Aber du hast ihn umgebracht. Und das darf man nicht!«

»Ich weiß«, sagte Peter. »Ich weiß, dass man nicht töten darf. Aber du hast gesagt, dass ich ihn treffen soll. Du hast auf ihn gezeigt. Du …«

»Ich wollte doch nicht, dass du ihn umbringst«, schrie Fatso. »Ich dachte, du streifst ihn nur, du machst ihm Angst. Er war so dick und frech …«

»Ich hatte dir doch gesagt, dass der Stock trifft.«

Der Webster stand da wie angewurzelt.

Weit und fest, dachte er. Weit und fest – und schnell.

»Nur keine Aufregung, mein Freund«, sagte der Wolf leise. »Wir wissen, dass es nicht Absicht war. Es bleibt unter uns. Ich erzähle es niemandem.«

Fatso sprang von Peters Schulter auf einen Ast. »Ich schon«, kreischte er. »Ich sage es Jenkins.«

Der Wolf knurrte ihn in plötzlicher Wut an; seine Augen wirkten blutunterlaufen. »Du dreckiger kleiner Petzer. Du lausiges Klatschmaul.«

»Ich tu es«, schrie Fatso. »Warte nur. Ich sage es Jenkins.« Er raste den Baum hoch, lief über einen Ast, sprang auf einen anderen Baum.

Der Wolf setzte sich blitzschnell in Bewegung.

»Warte«, sagte Peter scharf.

»Er kann nicht immer auf den Bäumen bleiben«, stieß der Wolf hervor. »Er muss auf den Boden runter, um über die Wiese zu kommen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

»Nein«, sagte Peter. »Kein Töten mehr. Ein Tod ist genug.«

»Er wird dich verraten.«

Peter nickte. »Ja, ich weiß.«

»Ich könnte ihn daran hindern.«

»Jemand würde dich sehen und verraten«, sagte Peter. »Nein, Lupus, ich lasse das nicht zu.«

»Dann machst du dich aber am besten schnell auf die Socken«, sagte Lupus. »Ich weiß ein Versteck für dich. Da findet man dich in tausend Jahren nicht.«

»Ich käme nicht davon«, sagte Peter. »Der Wald hat Augen. Zu viele Augen. Sie würden melden, wo ich bin. Der Tag, an dem man sich verstecken konnte, ist vorbei.«

»Da hast du wohl Recht«, sagte der Wolf langsam. »Ja, da hast du Recht.« Er drehte sich um und starrte den toten Vogel an. »Sollen wir den Beweis beseitigen?«, fragte er.

»Den Beweis …«

»Ja, sicher …« Der Wolf trat vor, senkte den Kopf.

Ein kleines Knacken. Lupus leckte sich das Maul und setzte sich wieder hin, den Schwanz um die Beine geringelt. »Wir beide kämen gut miteinander aus«, sagte er. »Oh, Mann, ich habe das Gefühl, dass wir enorm gut miteinander auskämen. Wir sind uns sehr ähnlich.«

Eine kleine Feder flatterte auf seiner Schnauze.

Der Körper war großartig.

Ein Schmiedehammer konnte ihn nicht beschädigen, der Rost vermochte ihm nichts anzuhaben. Und er verfügte über mehr Raffinessen, als man aufzählen konnte.

Es war das Geburtstagsgeschenk für Jenkins. Auf dem Brustkasten war eingraviert:

Für Jenkins, von den Hunden

Aber ich werde ihn nie tragen, sagte sich Jenkins. Er ist zu luxuriös für mich, zu ausgefallen für einen Roboter, der so alt ist wie ich. Ich käme mir komisch vor.

Er schaukelte mit dem Stuhl langsam hin und her, hörte dem Jammern des Windes zu.

Sie meinten es gut. Und ich möchte sie um nichts in der Welt kränken. Ich muss ihn ab und zu tragen, damit sich die Hunde freuen. Es wäre nicht richtig von mir, ihn nie zu tragen, da sie sich so viel Mühe gemacht haben. Aber nicht jeden Tag – nur bei besonderen Gelegenheiten.

Vielleicht zum Webster-Picknick. Da muss ich gut aussehen; wird eine große Sache. Ein Familientreffen, bei dem sich alle Websters auf der Welt, alle lebenden Websters, versammeln. Und sie wollen mich dabeihaben. Ach ja, sie wollen mich immer dabeihaben. Denn ich bin ein Webster-Roboter. Ja, Sir, das war ich und werde es immer bleiben.

Er ließ den Kopf auf die Brust sinken und murmelte Worte, die durch das Zimmer wehten. Worte, die er und das Zimmer kannten. Worte von früher.

Der Schaukelstuhl knarrte, und das Geräusch war eins mit der Zeit, die durch diesen Raum gegangen war. Eins mit dem Wind im Dachgebälk und dem Murren des Kamins.

Feuer, dachte Jenkins. Es ist lange her, seit wir ein Feuer angemacht haben. Die Menschen starrten ins Feuer. Sie saßen davor und sahen Bilder in den Flammen. Und träumten.

Aber die Träume der Menschen, dachte Jenkins – sie sind dahin. Sie sind mit auf den Jupiter gezogen und in Genf begraben, und sie keimen, ganz schwach nur, in den Webstern von heute wieder auf.

Die Vergangenheit … Die Vergangenheit ist immer bei mir. Sie hat mich nutzlos gemacht. Ich muss mich an zu viel erinnern – so oft erinnern, dass es mir wichtiger wird als die Dinge, die getan werden müssen. Ich lebe in der Vergangenheit, und das ist keine Art zu leben.

Denn Joshua sagt, dass es keine Vergangenheit gibt, und Joshua muss es wissen. Von allen Hunden weiß er es am besten. Er hat sich bemüht, eine Vergangenheit zu finden, in die man reisen kann – in der Zeit rückwärts reisen und nachprüfen, was ich ihm erzählt habe. Er glaubt, dass mein Verstand nachlässt und dass ich Roboterlatein von mir gebe, halb Wahrheit, halb Fantasie, ausgeschmückt, um eine größere Wirkung zu erzielen.

Er würde es nie zugeben, aber das glaubt der Gauner. Er meint, ich wüsste es nicht.

Mich kann er nicht zum Narren halten, dachte Jenkins und lachte leise. Keiner von ihnen kann das. Ich kenne sie von Grund auf – ich weiß, was in ihnen steckt. Ich habe Bruce Webster beim allerersten geholfen. Ich habe das erste Wort gehört, das einer von ihnen gesprochen hat. Sie mögen es vergessen haben, aber ich nicht – keinen Blick, kein Wort, keine Geste.

Vielleicht ist es natürlich, dass sie vergessen. Sie haben Großes geleistet. Ich habe mich kaum eingemischt, und das war gut so. Das meinte Jon Webster damals, in der längst vergangenen Nacht. Deshalb hat Jon Webster getan, was getan werden musste, um die Stadt einzuschließen. Denn er war es gewesen. Es musste so sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.

Er schloss die Menschheit ein, um die Erde für die Hunde freizugeben. Aber er vergaß etwas. O ja, dachte Jenkins, er hat etwas vergessen. Seinen eigenen Sohn und die kleine Schar von Pfeil- und BogenAnhängern, die an jenem Morgen hinausgezogen waren, um Höhlenmenschen zu spielen – Höhlenmann und Höhlenfrau.

Und was sie spielten, wurde bitterer Ernst, dachte Jenkins. Und dauerte beinahe tausend Jahre. Bis wir sie fanden und heimbrachten. Zurück zum Webster-Haus, dorthin zurück, wo alles angefangen hatte.

Jenkins faltete die Hände im Schoß, senkte den Kopf und schaukelte. Der Schaukelstuhl knarrte, der Wind heulte im Giebel, und ein Fenster klirrte. Der Kamin sprach mit seiner rußigen Kehle, erzählte von an deren Tagen und anderen Leuten, von anderen Winden, die von Westen gekommen waren.

Die Vergangenheit, dachte Jenkins. Ein albernes Ding, wenn es doch so viel zu tun gibt. So viele Probleme, mit denen die Hunde noch fertigwerden müssen.

Übervölkerung, zum Beispiel. Darüber ist zu lange nachgedacht, zu viel geredet worden. Zu viele Kaninchen, weil kein Wolf oder Fuchs sie töten darf. Zu viele Rehe, weil die Berglöwen und Wölfe kein Wild fressen durften. Zu viele Stinktiere, zu viele Mäuse, zu viele Wildkatzen. Zu viele Eichhörnchen, Igel, zu viele Bären.

Verbiete dem großen Gleichmacher das Töten, und zu viele bleiben am Leben. Beseitige Krankheiten, heile Verletzungen mit schnellen Arztrobotern, und wieder ist ein Hindernis beseitigt.

Darum hatte sich der Mensch gekümmert, dachte Jenkins. Ja, der Mensch hatte dafür gesorgt, dass ein solches Problem nicht auftauchte. Der Mensch tötete, was ihm im Weg war – Menschen ebenso wie Tiere.

Der Mensch hat sich nie Gedanken über eine große Tiergesellschaft gemacht, nie daran gedacht, dass Stinktier, Waschbär und Braunbär den Weg des Lebens gemeinsam gehen könnten, gemeinsam planend, einander helfend – dass alle natürlichen Unterschiede eines Tages nicht mehr zählten.

Aber die Hunde hatten daran gedacht. Und die Hunde hatten es getan.

Wie eine Kindergeschichte, dachte Jenkins. Wie die Geschichte im Großen Buch von Löwe und Lamm. Wie ein Walt-Disney-Trickfilm, nur dass das nie echt geklungen hatte, denn es war auf der Philosophie der Menschen gegründet gewesen.

Die Tür öffnete sich knarrend, Schritte waren zu hören. Jenkins blickte auf.

»Na, Joshua«, sagte er. »Hallo, Ichabod. Kommt doch herein. Ich habe nachgedacht.«

»Wir sind vorbeigekommen und haben Licht gesehen«, sagte Joshua.

»Ich musste an all die Lichter denken«, sagte Jenkins ernst. »An diese Nacht vor fünftausend Jahren. Jon Webster war von Genf gekommen, der erste Mensch seit vielen Jahren. Und er lag oben im Bett, alle Hunde schliefen, und ich stand dort am Fenster und sah auf den Fluss hinunter. Da gab es keine Lichter, überhaupt keine. Nur undurchdringliche Dunkelheit. Und ich stand da, erinnerte mich an die Zeit, als noch Lichter gebrannt hatten, und fragte mich, ob sie jemals wieder leuchten würden.«

»Jetzt gibt es wieder Lichter«, sagte Joshua ganz leise. »Auf der ganzen Welt brennen heute Nacht Lichter. In jeder Höhle, jedem Bau.«

»Ja, ich weiß«, sagte Jenkins. »Es ist wirklich besser geworden.«

Ichabod stapfte zu dem schimmernden Roboterleib in der Ecke, streckte die Hand aus und streichelte die Metallhaut.

»Es war sehr nett von den Hunden, mir den Körper zu schenken«, sagte Jenkins. »Aber das hätten sie nicht tun sollen. Der alte ist immer noch ganz gut, wenn man ihn hin und wieder flickt.«

»Wir haben es getan, weil wir dich sehr gerne mögen«, sagte Joshua. »Es war das Geringste, was die Hunde tun konnten. Wir haben öfter versucht, etwas anderes für dich zu tun, aber das hast du nie zugelassen. Wir würden dir so gern ein neues Haus bauen, mit allen neuen technischen Errungenschaften.«

Jenkins schüttelte den Kopf. »Das hätte keinen Zweck, weil ich dort nicht leben könnte. Weißt du, dieses Haus hier ist meine Heimat. Es war immer meine Heimat. Ihr braucht es nur instand zu halten wie meinen Körper, dann bin ich schon zufrieden.«

»Aber du bist ganz allein.«

»Nein, das bin ich nicht«, sagte Jenkins. »Das Haus ist überfüllt.«

»Überfüllt?«

»Mit Leuten, die ich gekannt habe«, erwiderte Jenkins.

»Donnerwetter!«, rief Ichabod. »Was für ein Körper! Wenn ich den einmal ausprobieren könnte.«

»Ichabod!«, rief Joshua. »Komm sofort her. Lass die Pfoten von dem Körper …«

»Lass ihn nur«, sagte Jenkins. »Wenn er einmal herkommt und ich nichts zu tun habe …«

»Nein«, sagte Joshua.

Ein Zweig scharrte an der Mauer entlang, tappte mit sanften Fingern an die Fensterscheibe. Eine Schindel klapperte, und der Wind lief mit raschen, tanzenden Füßen über das Dach.

»Ich bin froh, dass ihr vorbeigekommen seid«, sagte Jenkins. »Ich muss mit euch reden.« Er schaukelte, und der Stuhl knarrte. »Es wird nicht ewig so weitergehen. Siebentausend Jahre sind weit mehr, als ich erwarten durfte.«

»Mit dem neuen Körper schaffst du noch dreimal so viel«, erklärte Joshua.

Jenkins schüttelte den Kopf. »Ich meine nicht den Körper, sondern meinen Kopf. Mein Gehirn arbeitet mechanisch, weißt du. Es ist gut gebaut worden, für eine lange Lebensdauer, aber nicht für ewig. Eines Tages wird etwas in mir aussetzen, und das Gehirn funktioniert nicht mehr.«

Der Schaukelstuhl knarrte im stillen Zimmer.

»Das wird der Tod sein«, fuhr Jenkins fort. »Das wird mein Ende sein. Und es ist richtig so. So muss es sein. Denn ich tauge nichts mehr. Früher war das anders, da hat man mich gebraucht.«

»Wir brauchen dich noch immer«, sagte Joshua leise. »Wir könnten nicht ohne dich auskommen.«

Aber Jenkins sagte, als habe er ihn nicht gehört: »Ich will euch von der Familie Webster erzählen. Ich muss das, denn ihr sollt alles begreifen lernen.«

»Ich werde mir Mühe geben«, sagte Joshua.

»Ihr Hunde nennt sie Websters, und das ist richtig so«, sagte Jenkins. »Es spielt keine Rolle, wie ihr sie nennt, solange ihr wisst, was sie sind!«

»Manchmal nennst du sie Menschen und manchmal Websters«, sagte Joshua. »Das verstehe ich nicht.«

»Sie waren Menschen, und sie haben die Erde beherrscht. Eine Familie trug den Namen Webster. Und aus ihr entstanden die Wesen, die die große Tat für euch getan haben.«

»Was meinst du damit?«

Jenkins beugte sich vor. »Ich vergesse alles«, murmelte er. »Ich vergesse so leicht. Und ich irre mich.«

»Du hast von der großen Tat gesprochen, die die Websters für uns getan haben.«

»Ah«, sagte Jenkins. »O ja. Richtig. Ihr müsst sie beobachten. Ihr müsst für sie sorgen und sie beobachten. Vor allem beobachten.«

Er schaukelte langsam hin und her, und Erinnerungen und Gedanken stiegen in ihm auf.

Beinahe hättest du es getan, dachte er. Beinahe hättest du den großen Traum zerstört.

Aber es ist mir noch rechtzeitig eingefallen. Ja. Jon Webster, ich habe mich zur rechten Zeit erinnert. Ich halte mich daran, Jon Webster.

Ich habe Joshua nicht erzählt, dass die Hunde einmal die Lieblingstiere des Menschen waren und dass Menschen sie an die Stelle gesetzt haben, die sie heute einnehmen. Denn das dürfen sie nie erfahren. Sie müssen ihren Kopf hoch tragen. Sie müssen ihre Arbeit fortsetzen. Die alten Lieder sind gesungen.

Obwohl ich es ihnen sagen möchte; der Himmel weiß, wie gerne ich es ihnen sagen möchte. Sie warnen. Ihnen erzählen, wie wir die alten Vorstellungen und Lebensweisen aus den Höhlenmenschen entfernt haben, die wir von Europa hierherbrachten. Wie wir ihnen ihr überkommenes Wissen nahmen. Wie wir Feindseligkeit und Waffen aus ihrer Gedankenwelt entfernten, wie wir sie Liebe und Frieden lehrten.

Und dass wir sie genau beobachten müssen, um sofort zu erkennen, wenn die alte menschliche Denkweise eines Tages wieder bei ihnen durchbricht.

»Aber du hast doch gesagt …«, sagte Joshua.

Jenkins wedelte mit der Hand. »Es bedeutete nichts, Joshua. Nur das Gerede eines alten Roboters. Manchmal bin ich ein wenig durcheinander und sage Dinge, die ich nicht meine. Ich denke so viel an die Vergangenheit – und du sagst, dass es sie nicht gibt!«

Ichabod setzte sich auf den Boden und sah zu Jenkins hinauf. »Ganz bestimmt nicht«, sagte er. »Wir haben es immer wieder nachgeprüft, und übereinstimmend herausgefunden, dass es keine Vergangenheit gibt.«

»Es gibt keinen Platz dafür«, sagte Joshua. »Man reist entlang der Zeitlinie zurück und findet nicht die Vergangenheit, sondern eine andere Welt, ein anderes Bewusstseinsgefüge. Die Welt wäre gleich geblieben, verstehst du, oder fast gleich. Dieselben Bäume, dieselben Flüsse, dieselben Berge, aber nicht in der Welt, die wir kennen. Denn sie hat ein anderes Leben geführt, hat sich anders entwickelt. Die Sekunde hinter uns ist nicht einfach die Sekunde hinter uns, sondern eine andere Sekunde, ein völlig anderer Zeitsektor. Wir leben die ganze Zeit in derselben Sekunde. Wir bewegen uns innerhalb der Begrenzung dieser Sekunde, jenes winzigen Zeitabschnitts, vorwärts, der unserer Welt zugehört.«

»Schuld ist die Art, wie wir die Zeit gemessen haben«, sagte Ichabod. »Genau das hat uns daran gehindert, zu erkennen, wie sie wirklich war. Wir glaubten immer, wir bewegten uns durch die Zeit, obwohl das gar nicht stimmt, nie gestimmt hat. Wir haben uns mit der Zeit bewegt. Wir haben gesagt, jetzt ist wieder eine Sekunde vergangen, eine Minute, eine Stunde und ein Tag, obwohl in Wirklichkeit die Sekunde, die Minute, die Stunde nie vergangen ist. Es war immer dieselbe. Sie hatte sich nur vorwärtsbewegt, und wir uns mit ihr.«

Jenkins nickte. »Ich verstehe. Wie Treibholz auf dem Fluss. Äste, die mit dem Strom dahingleiten. Die Szenerie verändert sich am Ufer, aber das Wasser bleibt dasselbe.«

»So ungefähr«, sagte Joshua. »Nur ist die Zeit ein starrer Strom, die verschiedenen Welten sind fester angekettet als das Treibholz auf dem Fluss.«

»Und in den anderen Welten leben die Kobler?«

Joshua nickte. »Ich bin überzeugt davon.«

»Und jetzt überlegt ihr euch wohl, wie man zu diesen anderen Welten gelangen kann?«, sagte Jenkins.

»Gewiss«, sagte Ichabod. »Wir brauchen mehr Platz.«

»Aber die Kobler …«

»Die Kobler sind vielleicht nicht in allen Welten, es muss auch leere Welten geben«, sagte Joshua. »Wir brauchen sie, wenn wir sie finden können. Wenn nicht, sitzen wir in der Patsche. Der Bevölkerungsdruck würde zu einem sinnlosen Töten führen, und eine Welle des Tötens uns dorthin zurückwerfen, wo wir angefangen haben.«

»Es wird schon getötet«, sagte Jenkins ruhig.

Joshua runzelte die Stirn und legte die Ohren an. »Merkwürdiges Töten. Tot, aber nicht gefressen. Kein Blut. Als seien sie einfach umgefallen. Unsere Mediziner sind ganz durcheinander. Keinem fehlt etwas. Man sieht nicht ein, warum sie gestorben sind.«

»Aber sie sind tot«, sagte Ichabod.

Joshua senkte die Stimme. »Ich habe Angst, Jenkins. Ich befürchte, dass …«

»Es gibt nichts, wovor du dich fürchten müsstest.«

»Doch. Angus hat es mir gesagt. Angus fürchtet, dass einer der Kobler – dass einer der Kobler durchgebrochen ist.«

Ein Windstoß fuhr in den Kamin, heulte auf, schien den Ausgang nicht mehr zu finden. Die Angst verließ ihre Schlupfwinkel, marschierte über das Dach, marschierte mit polternden, dumpfen Schritten über die Schindeln.

Jenkins schauderte. Seine Stimme knarrte, als er zu einer Erklärung ansetzte. »Niemand hat je einen Kobler gesehen.«

»Vielleicht ist er auch nicht zu sehen«, erwiderte Joshua.

»Nein«, sagte Jenkins. »Vielleicht sieht man ihn nicht.«

Der Mensch hatte das auch gesagt – man sieht ein Gespenst nicht, aber man spürt, dass es da ist. Der Wasserhahn tropfte weiter, obwohl er fest zugedreht war, an der Fensterscheibe kratzten Finger, die Hunde heulten in der Nacht, im Schnee waren keine Spuren.

Und an der Fensterscheibe kratzten Finger …

Joshua sprang auf und erstarrte, eine Pfote erhoben, ein Knurren tief in der Kehle. Ichabod duckte sich – lauschte, wartete.

Wieder ein Kratzen.

»Mach die Tür auf«, sagte Jenkins zu Ichabod. »Draußen ist etwas, das hereinmöchte.«

Ichabod richtete sich auf und ging zur Tür. Sie knarrte, als er die Klinke herunterdrückte. Als er sie öffnete, sprang das Eichhörnchen herein, rannte zu Jenkins, sprang auf seinen Schoß.

»Na, Fatso«, sagte Jenkins.

Joshua setzte sich wieder, Ichabod lächelte angestrengt.

»Ich habe ihn gesehen!«, rief Fatso. »Ich habe gesehen, wie er das Rotkehlchen umgebracht hat. Mit einem Wurfstock. Die Federn sind geflogen. Und auf dem Blatt war Blut.«

»Ruhig«, sagte Jenkins leise. »Lass dir Zeit und erzähl mir alles. Du bist zu aufgeregt. Du hast jemanden ein Rotkehlchen töten sehen?«

Fatso atmete tief, seine Zähne klapperten. »Es war Peter«, sagte er.

»Peter?«

»Peter, der Webster.«

»Er hat einen Stock geworfen?«

»Ja, mit einem anderen Stock. Er hat die beiden Enden mit einer Schnur zusammengebunden, an der Schnur gezogen, und der Stock bog sich …«

»Ich weiß«, sagte Jenkins. »Ich weiß.«

»Du weißt! Du weißt Bescheid?«

»Ja«, sagte Jenkins. »Ich weiß genau Bescheid. Das waren ein Pfeil und ein Bogen.«

Und die Art, wie er es sagte, ließ die anderen drei verstummen. Das Zimmer wirkte groß und leer, das Tappen des Zweiges an der Fensterscheibe schien von weither zu kommen, eine hohle, tickende Stimme, die sich beklagte, ohne Hoffnung auf Hilfe.

»Pfeil und Bogen?«, fragte Joshua schließlich. »Was ist Pfeil und Bogen?«

Und was bedeutete es wirklich?, dachte Jenkins.

»Was ist Pfeil und Bogen?«

Der Anfang vom Ende. Es ist der Weg, der zur brüllenden Straße des Krieges führt.

Es ist ein Spielzeug und eine Waffe und ein Triumph menschlichen Verstandes.

Es ist die erste Regung einer Atombombe.

Es ist ein Symbol für eine Lebensanschauung.

Es war vergessen und ist neu erfunden.

Es ist das, wovor ich Angst hatte …

Er richtete sich auf, verließ den Stuhl.

»Ichabod«, sagte er, »ich brauche deine Hilfe.«

»Klar«, sagte Ichabod. »Was immer du willst.«

»Den Körper«, sagte Jenkins. »Ich will meinen neuen Körper tragen. Du musst mein Gehirn umsetzen …«

Ichabod nickte. »Ich weiß, wie man das macht, Jenkins.«

Joshuas Stimme klang plötzlich verängstigt. »Was ist, Jenkins? Was hast du vor?«

»Ich werde die Mutanten aufsuchen«, sagte Jenkins langsam. »Nach all den Jahren. Ich brauche ihre Unterstützung.«

Der Schatten glitt den Hügel hinab, umging die Lichtungen, auf die der Mond schien. Er durfte nicht gesehen werden. Er durfte nicht den anderen, die nach ihm kamen, die Jagd verderben.

Denn es würden ihm andere nachfolgen. Nicht in Scharen und alle auf einmal natürlich, sondern in Abständen, vereinzelt, damit es niemand in dieser wundervollen Welt merkte. Denn wenn das geschah, würde es das Ende bedeuten.

Der Schatten kauerte in der Dunkelheit, eng an den Boden gedrückt, horchte in die Nacht hinaus. Er filterte die bekannten Impulse heraus, ordnete sie in seinem messerscharfen Gehirn.

Manche kannte er, manche waren ihm ein Rätsel, andere konnte er erraten. Aber einen gab es, der Entsetzen in ihm auslöste.

Er presste sich flach auf den Boden, reckte seinen hässlichen Schädel und verschloss seine Sinne vor dem Pulsieren der Nacht, konzentrierte sich auf das Wesen, das den Hügel heraufkam.

Es waren zwei, und diese beiden unterschieden sich von allen anderen. Ein Fauchen stieg in ihm auf, staute sich in seiner Kehle, und sein fast durchsichtiger Körper spannte sich halb in gieriger Erwartung, halb in bebender Angst.

Er richtete sich langsam auf, schoss den Hügel hinunter und schlug einen Haken, um den beiden den Weg zu versperren.

Jenkins war wieder jung, jung und stark und schnell – schnell von Verstand und Körper. Schnell schritt er über die im Mondlicht schimmernden Hügel. Er hörte das Laub flüstern, die Vögel schläfrig tschilpen – und noch mehr.

Ja, weit mehr, gab er zu.

Der Körper war großartig. Ein Schmiedehammer konnte ihn nicht beschädigen, er war gegen Rost gefeit. Aber das war noch nicht alles.

Er hätte nie geglaubt, dass ein neuer Körper so viel ausmachen würde. Hatte nicht gewusst, wie erschöpft der alte war. Eine mäßige Arbeit von Anfang an, doch für die damalige Zeit das Beste, das sich herstellen ließ.

Die Roboter, natürlich. Die wilden Roboter. Die Hunde hatten den Körper bei ihnen bauen lassen. Es kam nicht oft vor, dass sich die Hunde mit den Robotern abgaben. Sie kamen alle einigermaßen gut miteinander aus – aber nur, weil sie sich gegenseitig in Ruhe ließen und sich niemand in die Angelegenheiten des anderen einmischte.

Ein Hase bewegte sich in seinem Nachtlager – und Jenkins wusste es. Ein Waschbär unternahm einen Streifzug – und Jenkins wusste auch das, kannte die Neugierde und Schläue, die das Gehirn hinter den kleinen Augen, die ihn aus einem Haselstrauch beobachteten, erfüllte.

Und zur Linken, zusammengerollt unter einem Baum, schlief ein Braunbär und träumte – den Traum eines Genießers, von wildem Honig und großen Fischen, aus einem Bach geschöpft, von Ameisen, von der Unterseite eines umgeworfenen Steinblocks geleckt.

Und es war verblüffend – aber natürlich. So natürlich wie das Heben der Beine beim Gehen, so natürlich wie das normale Hören. Aber es war nicht Hören, war nicht Sehen. Aber auch nicht Einbildung. Denn Jenkins wusste mit kühler, klarer Gewissheit um den Hasen und seine Schlafstatt, den Waschbären im Unterholz und den Braunbären, der unter dem Baum träumte.

Und solche Körper haben die wilden Roboter, dachte er – denn wenn sie sie für andere machen konnten, dann erst recht für sich selbst.

Sie haben einen weiten Weg zurückgelegt, in siebentausend Jahren, wie die Hunde auch, seit dem Exodus der Menschen. Aber wir kümmerten uns nicht um sie, denn so sollte es sein. Die Roboter gingen ihren Weg und die Hunde einen anderen, und sie stellten nicht infrage, was der andere tat, waren noch nicht einmal neugierig. Während die Roboter Raumschiffe bauten und nach den Sternen griffen, während sie neue Körper konstruierten, während sie mit Mathematik und Mechanik experimentierten, hatten die Hunde mit den Tieren eine Bruderschaft der Wesen geschaffen, die zur Zeit des Menschen wild gewesen und gejagt worden waren, hatten die Kobler belauscht und die Tiefen der Zeit auszuloten versucht, nur um herauszufinden, dass es keine Zeit gab.

Wenn schon die Hunde und Roboter so viel erreicht hatten, mussten die Mutanten noch viel weiter vorangekommen sein. Und sie werden mich anhören, dachte Jenkins. Sie werden mich anhören müssen, denn ich stelle ihnen ein Problem vor, für das sie zuständig sind. Denn die Mutanten sind Menschen – trotz ihrer ganz eigenen Art sind sie Kinder der Menschen. Sie können keinen Groll mehr fühlen, denn der Name des Menschen ist Staub, verweht mit dem Wind, ein Flüstern des Laubs an einem Sommertag – nicht mehr. Außerdem habe ich sie siebentausend Jahre nicht belästigt – nicht, dass ich zuvor jemals etwas von ihnen gewollt hätte. Joe war mein Freund, ich war ihm ein Freund, soweit ein Mutant Freunde brauchte. Er unterhielt sich mit mir, er, der mit Menschen nicht gesprochen hätte. Sie werden mich anhören – sie werden mir sagen, was zu tun ist. Und sie werden nicht lachen.

Denn es ist nicht lächerlich. Es geht nur um Pfeil und Bogen, aber es ist nicht lächerlich. Das konnte es früher einmal gewesen sein, aber die Geschichte nimmt vielen Dingen den Witz. Wenn der Bogen ein Witz ist, ist es auch die Atombombe, ist es der giftgeladene Staub, der ganze Städte ausgelöscht hat, ist es die kreischende Rakete, die sich durch den Himmel schraubt, zwanzigtausend Kilometer später hinabstürzt und eine Million Menschen tötet.

Obwohl es jetzt keine Million Menschen mehr gibt. Ein paar Hundert, mehr oder weniger, die in den Häusern leben, die die Hunde für sie gebaut haben, weil damals die Hunde noch wussten, was menschliche Wesen waren, und den Zusammenhang zwischen sich und den Menschen noch kannten und die Menschen als Götter betrachteten. Sie als Götter ansahen und die alten Geschichten an Winterabenden vor dem Feuer erzählten und auf jenen Tag warteten, da der Mensch zurückkehren, ihnen über den Kopf fahren und sagen würde: »Wohlgetan, du guter und treuer Diener.«

Und das war nicht richtig, dachte Jenkins, der den Hügel hinabschritt, das war nicht richtig. Denn die Menschen verdienten diese Verehrung nicht, verdienten eine solche Vergöttlichung nicht. Der Himmel weiß, dass ich sie sehr geliebt habe, dass ich sie immer noch liebe – aber nicht, weil sie Menschen sind, sondern um der Erinnerung an ein paar dieser Menschen willen.

Es war nicht richtig, dass die Hunde Häuser für Menschen bauten. Denn sie waren den Menschen weit überlegen. Ich löschte also die Erinnerung aus. Und das war eine mühsame, langwierige Arbeit. Im Laufe der Zeit nahm ich ihnen die Legenden, verdunkelte ihre Erinnerung, und jetzt nennen sie die Menschen »Webster« und glauben, dass sie nichts anderes seien.

Ich hatte mich gefragt, ob das richtig gewesen ist, und kam mir manchmal vor wie ein Verräter. Ich verbrachte bittere Nächte, wenn die Welt schlief und dunkel war, saß im Schaukelstuhl und hörte nur das Stöhnen des Windes. Denn vielleicht hatte ich nicht das Recht gehabt, so etwas zu tun. Der Familie Webster hätte das vielleicht nicht gefallen. Denn das ist die Macht, die sie über mich hatten, die sie immer noch über mich haben – dass ich, auch nach Tausenden von Jahren, etwas tun und mich sorgen könnte, dass es ihnen nicht gefiele.

Aber jetzt weiß ich, dass ich Recht hatte. Pfeil und Bogen sind ein Beweis dafür. Einmal glaubte ich, der Mensch könnte auf dem falschen Weg vorangeschritten sein, irgendwo in der trüben, dunklen Wildheit, die seine Wiege, sein kindlicher Tummelplatz war, könnte einen falschen Schritt getan, die falsche Abzweigung genommen haben, aber ich sehe, dass ich mich getäuscht habe. Es gibt einen Weg, den einzigen, den der Mensch begehen kann – den Weg des Pfeil und Bogens.

Ich habe mich genügend bemüht, der Himmel weiß es!

Als wir die Versprengten einsammelten und zum Webster-Haus zurückbrachten, nahm ich ihnen ihre Waffen weg, nicht nur aus den Händen, sondern auch aus ihrem Kopf. Ich schrieb die Literatur um, die sich umschreiben ließ, und verbrannte alles Übrige. Ich lehrte sie wieder Lesen und Singen und Denken. Und in den Büchern stand nichts über Krieg oder Waffen, keine Spur von Hass oder Geschichte, denn Geschichte ist Hass – es gab keine Schlachten, kein Heldentum, keine Fanfaren mehr!

Aber es war vergeudete Zeit, dachte Jenkins. Ich weiß jetzt, dass es verlorene Zeit war. Denn der Mensch wird Pfeil und Bogen immer wieder erfinden, gleichgültig, was man dagegen tut.

Er war den Hügel hinuntergegangen, hatte den Bach überquert und stieg jetzt wieder bergaufwärts, stieg den dunklen, steilen Hang des felsgekrönten Berges hinauf.

Irgendwo raschelte es, und sein neuer Körper meldete seinem Gehirn, dass es Mäuse seien, Mäuse, die durch kleine Tunnel unter dem Gras hasteten, und für einen Augenblick fing er das winzige Glück auf, das die rennenden, verspielten Mäuse empfanden, vernahm die ungeformten, verschwommenen Gedanken glücklicher Mäuse.

Ein Wiesel kauerte eine Sekunde auf einem umgestürzten Baumstamm und war erfüllt von tödlichen Gedanken über Mäuse, die aus der Zeit stammten, als Wiesel sich von Mäusen ernährten. Blutiger Hunger und Angst, Angst davor, was die Hunde tun würden, wenn es eine Maus tötete. Angst vor den hundert Augen, die Wache hielten gegen den Tod, der früher die Erde bewohnte.

Aber nun hatte ein Mensch getötet. Ein Wiesel würde es nicht wagen, aber ein Mensch hatte getötet. Ohne Absicht, ohne bösen Sinn. Aber er hatte getötet, und die Bestimmungen lauteten, dass man keinem Wesen das Leben nehmen durfte.

In den vergangenen Jahren hatten schon andere getötet, und sie waren alle bestraft worden. Auch dieser Mensch musste bestraft werden. Nur, Strafe war nicht genug. Strafe allein brachte keine Lösung. Die Antwort durfte sich nicht nur mit einem Menschen alleine befassen, sondern mit allen, mit der gesamten Menschheit. Denn was einer von ihnen getan hatte, konnten auch die anderen eines Tages tun. Ja, sie konnten es nicht nur, sie mussten es tun – denn sie waren Menschen. Der Mensch hatte früher getötet und würde wieder töten.

Die Burg der Mutanten reckte sich schwarz glänzend in den Himmel, so schwarz, dass sie im Mondschein schimmerte. Kein Licht war zu sehen, aber das verwunderte nicht, denn von dort hatte nie ein Licht geleuchtet. Auch die Tür hatte sich nie zur Außenwelt hin geöffnet, soviel man wusste. Die Mutanten hatten auf der ganzen Welt ihre Burgen gebaut, waren darin verschwunden, und das war das Ende gewesen. Die Mutanten hatten sich in die Angelegenheiten der Menschen eingemischt, hatten eine Art von belustigtem Krieg mit den Menschen geführt, doch als die Menschen fort waren, hatten sich auch die Mutanten zurückgezogen.

Jenkins stand zu Füßen einer breiten Steintreppe und blieb stehen. Er legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Bau hinauf. Joe wird wohl tot sein, dachte er. Joe war langlebig, aber nicht unsterblich. Er konnte nicht immer leben. Es würde eigenartig sein, plötzlich einem anderen Mutanten als Joe gegenüberzustehen.

Er stieg hinauf, ganz langsam, jeder Nerv angespannt, wartete auf das erste Anzeichen von Gelächter. Aber nichts geschah.

Er stieg die Stufen hinauf, stand vor der Tür und suchte nach einem Weg, den Mutanten zu verkünden, dass er eingetroffen sei.

Aber es gab keine Glocke, keinen Summer, keinen Türklopfer. Die Tür war einfach, mit einer simplen Klinke. Das war alles.

Zögernd hob er die Hand und klopfte, klopfte wieder, wartete. Keine Antwort. Die Tür blieb stumm und reglos.

Er klopfte wieder, diesmal lauter. Auch diesmal keine Antwort.

Langsam und vorsichtig streckte er die Hand aus, ergriff die Klinke, drückte sie nieder.

Die Klinke gab nach, die Tür ging auf, und Jenkins trat ein.

»Du bist nicht ganz bei Trost«, sagte Lupus. »Ich würde sie dazu bringen, zu mir zu kommen. Ich würde sie so an der Nase herumführen, dass sie es nie vergessen würden. Ich würde es ihnen schwermachen.«

Peter schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das deine Art, Lupus, und vielleicht wäre es so für dich richtig. Aber Webster laufen nicht davon.«

»Woher weißt du das?«, fragte der Wolf unbarmherzig. »Das ist doch nur Gerede. Kein Webster musste bisher weglaufen, woher willst du also wissen, dass sie nie …«

»Ach, halt den Mund«, sagte Peter.

Sie wanderten stumm den felsigen Pfad hinauf.

»Irgendetwas verfolgt uns«, sagte Lupus.

»Das bildest du dir ein«, erwiderte Peter. »Was sollte uns denn schon verfolgen?«

»Ich weiß nicht, aber …«

»Riechst du etwas?«

»Nein, eigentlich nicht.«

»Hast du etwas gehört oder gesehen?«

»Nein, aber …«

»Dann folgt uns auch nichts«, erklärte Peter entschieden. »Niemand tut heutzutage noch so etwas.«

Der Mondschein glitt durch die Baumwipfel, warf ein schwärzlich-silbernes Netz über den Wald. Vom Flusstal tönte das dumpfe Quaken von Enten herauf. Ein sanfter Wind wehte über den Hügel, brachte Nebel vom Fluss mit. Peters Bogensehne verfing sich in einem Strauch, und er blieb stehen, um sie loszumachen. Er ließ ein paar Pfeile fallen und bückte sich, um sie aufzuheben.

»Du musst dir irgendetwas ausdenken«, knurrte Lupus. »Die ganze Zeit bleibst du hängen oder lässt sie fallen …«

»Ich habe schon darüber nachgedacht«, erwiderte Peter. »Vielleicht irgendeine Tasche, die man über die Schulter hängen kann.«

Sie marschierten weiter.

»Was wirst du tun, wenn du das Webster-Haus erreicht hast?«, fragte Lupus.

»Ich spreche mit Jenkins«, sagte Peter. »Ich werde ihm sagen, was ich getan habe.«

»Das hat Fatso schon getan.«

»Aber vielleicht nicht richtig. Vielleicht hat er es falsch geschildert. Fatso war aufgeregt.«

»Dumm ist er auch«, sagte Lupus.

Sie schritten über eine mondbeschienene Lichtung und tauchten wieder ins Dunkel.

»Ich werde nervös«, sagte Lupus. »Ich kehre um. Das ist doch verrückt, was du da machst. Ich habe dich ein Stück begleitet, aber …«

»Dann kehr doch um«, sagte Peter scharf. »Ich bin nicht nervös, ich …«

Er fuhr herum, die Haare an seinem Nacken richteten sich auf.

Denn er fühlte etwas – etwas in der Luft, die er atmete, etwas in seinem Verstand –, ein unheimliches, verwirrendes Gefühl der Gefahr und, weit mehr noch als Gefahr, eine ekelerregende Empfindung, die sich in seine Schulterblätter krallte und mit Millionen prickelnder Beine über seinen Rücken lief.

»Lupus!«, schrie er. »Lupus!«

Unter ihm geriet ein Busch in heftige Bewegung, und Peter begann zu laufen, stürmte den Pfad hinunter. Er lief in einen Strauch und bremste in vollem Lauf. Er riss den Bogen hoch, nahm einen Pfeil und legte ihn auf die Sehne.

Lupus lag auf dem Boden ausgestreckt, halb im Schatten, halb im Mondlicht mit gebleckten Zähnen und zum Angriff erhobener Pfote.

Über ihn beugte sich eine Gestalt. Eine Gestalt – und nichts sonst. Eine Gestalt, die spuckte und fauchte, einen Strom zorniger Laute von sich gab, der sich kreischend in Peters Gehirn ergoss. Ein Ast bog sich im Wind zur Seite und gab den Mond frei, und Peter sah den Umriss des Gesichts – einen vagen Umriss, wie halb verwischte Kreidestriche auf einer verstaubten Tafel. Ein totenschädelähnliches Gesicht mit verzogenem Mund, geschlitzten Augen und Ohren, auf denen sich Fühler reckten.

Die Sehne summte, und der Pfeil fetzte in das Gesicht, fetzte hinein, glitt hindurch und fiel auf den Boden. Das Gesicht war immer noch da, fauchte ihn an.

Ein zweiter Pfeil an die Sehne und gespannt, gespannt bis fast ans Ohr, ein Pfeil, getrieben von der peitschenden Kraft des federnden Bogens – vom Hass, von der Furcht, vom Ekel des Menschen, der die Sehne hielt.

Der Pfeil klatschte gegen die hellen Umrisse des Gesichts, wurde langsamer, zitterte, fiel.

Noch einen Pfeil auf die Sehne gelegt. Weiter noch diesmal, weiter, mehr Kraft, um das Wesen zu töten, das nicht sterben wollte, wenn es ein Pfeil traf. Ein Wesen, das einen Pfeil nur aufhielt, zum Zittern brachte und ihn dann durchließ.

Noch einmal und noch einmal und wieder – und dann geschah es.

Die Sehne riss.

Einen Augenblick lang stand Peter mit der nutzlosen Waffe in einer, dem nutzlosen Pfeil in der anderen Hand da. Stand da und schaute hinüber zu dem schrecklichen Schatten, der sich über den grauen Leib des Wolfes beugte.

Und er hatte keine Furcht. Überhaupt keine, obgleich die Waffe nutzlos geworden war. Flammender Zorn schüttelte ihn, und eine Stimme hämmerte unablässig ein Wort in seinen Kopf:

Töte – töte – töte!

Er warf den Bogen weg und trat vor, die Hände halb erhoben, die Finger wie Krallen gekrümmt.

Das Wesen wich zurück – wich zurück in der aufbrandenden Angst, die über ihm zusammenzuschlagen drohte, Angst und Entsetzen vor dem flammenden Hass, der ihm aus dem sich ihm nähernden Geschöpf entgegenschlug. Ein Hass, der ihn packte und mit würgendem Griff umklammerte. Er hatte diese Gefühle auch vorher schon gekannt, Angst und Schrecken und Verzagtheit – aber das war etwas Neues. Ein folternder Peitschenschlag, der seine Nerven zu zerfetzen, sein Gehirn zu versengen drohte.

Dies war wirklicher Hass.

Das Schattenwesen jammerte – jammerte und schrie und wich zurück und suchte mit fliegenden Gedankenfingern in seinem betäubten Gehirn nach den Symbolen, die ihm die Flucht ermöglichten.

Der Raum war leer – leer und alt wie eine Höhle. Ein Raum, der das Knarren der Tür auffing und ihn dumpf zurückwarf. Ein Raum voll vom Staub der Vergessenheit, voll der brütenden Stille zahlloser Jahrhunderte.

Jenkins hatte die Klinke immer noch in der Hand, stand da und sandte die hoch konzentrierte Aufmerksamkeit der neuen Maschine seines Körpers in alle Ecken und dunklen Alkoven. Dort war nichts. Nichts als die Stille und der Staub und die Dunkelheit. Nichts, was darauf schließen ließ, dass hier viele, viele Jahre noch etwas anderes gewesen war als Stille, Staub und Dunkelheit. Nicht das leiseste Beben eines verweilenden Gedankens, keine Fußabdrücke auf dem Boden, keine Spuren auf dem Tisch.

Ein altes Lied, ein unglaublich altes Lied – ein Lied, das bereits alt gewesen war, als Jenkins geschmiedet wurde – kam aus einem vergessenen Winkel seines Geistes gekrochen. Er war überrascht, dass es dort ausgeharrt hatte, überrascht, dass er es überhaupt gekannt hatte. Und als er sich jetzt darauf besann – bekümmert über den Strudel der Jahrhunderte, den es heraufbeschwor, über die Erinnerung an die hübschen weißen Häuser, die eine Million Hügel gekrönt hatten, über die Erinnerung an die Menschen, die ihre geliebten Äcker mit der ruhigen Gelassenheit des Besitzers abgeschritten hatten.

Annie doesn't live here anymore …

Wie albern, sagte Jenkins sich. Wie albern, dass mich jetzt solch ein absurdes, längst vergessenes Überbleibsel einer fast schon verschwundenen Gattung heimgesucht hat. Wirklich albern, diese alten Lieder.

Annie doesn't live here anymore …

Who killed Cock Robin? I, said the sparrow …

Er schloss die Tür hinter sich und betrat das Zimmer.

Staubbedeckte Möbel warteten auf einen Mann, der nicht zurückgekehrt war. Staubbedeckte Werkzeuge und Geräte lagen auf den Tischen. Staub bedeckte die Bücher in den großen Regalen.

Sie sind fort, dachte Jenkins, und niemand kannte die Stunde oder den Grund, warum sie gegangen waren. Niemand wusste, wohin sie sich gewandt hatten. Sie waren in der Nacht verschwunden und hatten es niemandem gesagt. Manchmal werden sie wohl noch an uns zurückdenken und sich darüber lustig machen – weil wir glauben, dass sie noch hier sind.

Der Raum hatte noch andere Türen, und Jenkins ging auf eine von ihnen zu. Während er die Hand auf die Klinke legte, dachte er, wie nutzlos es sei, sie zu öffnen, wie nutzlos, weiterzusuchen. Wenn dieser eine Raum alt und leer war, würden es auch alle anderen sein.

Er drückte die Klinke nach unten, die Tür ging auf, und ein Hitzeschwall warf sich ihm entgegen, aber dort befand sich gar kein Zimmer. Dort war Wüste – eine gelb-goldene Wüste, deren Horizont in der Hitze einer großen, blauen Sonne flimmerte.

Ein grünlich-purpurnes Wesen, das eine Eidechse hätte sein können, aber nicht war, zuckte wie ein Blitz über den Sand, und seine winzigen Füße riefen einen unheimlichen, pfeifenden Laut hervor.

Jenkins schlug die Tür zu, betäubt an Verstand und Körper. Eine Wüste. Eine Wüste und ein Wesen, das über den Sand zuckte. Kein Zimmer, keine Diele, keine Veranda – eine Wüste.

Und die Sonne war blau – blau und brennend heiß.

Langsam und vorsichtig öffnete er die Tür wieder, zuerst einen Spalt, dann etwas weiter.

Die Wüste war immer noch da.

Jenkins warf die Tür zu und lehnte sich mit dem Rücken daran, als brauche er die Kraft seines metallenen Körpers, um die Wüste fernzuhalten.

Sie waren gewitzt, gewitzt und überaus schnell. Zu gewitzt und zu schnell für normale Menschen. Wir haben nie gewusst, wie sehr. Aber jetzt weiß ich, dass sie noch gewitzter waren, als wir dachten.

Dieses Zimmer ist nur ein Vorraum zu vielen anderen Welten, ein Schlüssel, der über unergründliche Weiten hinweg andere Planeten erschließt, die um unbekannte Sonnen kreisen. Ein Weg, um diese Erde zu verlassen, ohne sie jemals wirklich zu verlassen – ein Weg, den Abgrund zu überwinden, indem man durch eine Tür tritt.

Es gab noch mehr Türen, und Jenkins starrte sie an, starrte sie an und schüttelte den Kopf.

Langsam ging er durch das Zimmer zur Eingangstür.

Leise, um nicht die Stille des in seinem Staub vor sich hin dämmernden Zimmers zu stören, drückte er die Klinke hinunter, trat hinaus in die vertraute Welt. Die Welt von Mond und Sternen, von Flussnebeln, die zwischen den Hügeln heraufschwebten, von Wipfeln, die miteinander sprachen.

Die Mäuse eilten immer noch durch ihre Gänge, mit glücklichen Mäusegedanken, die kaum Gedanken waren. Eine Eule saß brütend auf einem Baum und dachte über das Töten nach.

So nah, dachte Jenkins, so nah der Oberfläche noch, der alte blutige Hunger, der alte, eingefleischte Hass. Aber wir geben ihnen einen besseren Start, als ihn der Mensch hatte – obwohl es wahrscheinlich gleichgültig gewesen wäre, welchen Start die Menschheit bekommen hätte.

Und hier ist sie wieder, die alte Blutgier des Menschen, der Drang, anders und stärker zu sein, seinen Willen durchzusetzen mit Dingen, die er selbst entwirft, Dingen, die seinen Arm stärker als jeden anderen Arm, als jede Tatze machen, die seine Zähne tiefer greifen lassen als jedes natürliche Gebiss, die über Entfernungen hinweg verletzen, deren Maß nicht die Reichweite seiner Arme ist.

Ich dachte, ich würde hier Hilfe finden. Deswegen bin ich hergekommen. Aber hier gibt es keine Hilfe.

Nirgends Hilfe.

Die Mutanten waren die Einzigen gewesen, die ihm hätten helfen können, und sie waren fort.

Es liegt an dir, sagte sich Jenkins, als er die Treppe hinunterstieg. Die Menschheit hängt von dir ab. Du musst sie irgendwie aufhalten. Du musst sie irgendwie verändern. Du darfst nicht zulassen, dass sie die Welt wieder in eine Pfeil-und-Bogen-Welt verwandeln.

Er ging durch die belaubte Dunkelheit und unterschied den Geruch faulender Blätter vom frischen Grün wachsender Pflanzen, und das hatte er noch nie zuvor gekonnt.

Sein alter Körper hatte kein Riechvermögen besessen.

Riechen können und ein besseres Sehvermögen haben und ein Gefühl des Wissens, des Wissens, was ein anderes Wesen dachte: die Gedanken von Waschbären lesen, die Gedanken von Mäusen erraten, die Mordlust in den Köpfen von Eulen und Wieseln erkennen.

Und mehr noch – schwacher, vom Wind zu ihm hingewehter Hass, ein Schrei des Entsetzens.

Er zuckte durch ihn hindurch und brachte ihn zum Stehen; und dann begann er zu laufen, stürmte den Hügel hinauf, nicht wie ein Mensch im Dunkeln, sondern wie ein Roboter läuft, im Dunkeln sehend und mit der Stärke des Metalls, das keine schmerzenden Lungen, keinen keuchenden Atem kennt.

Hass – und es konnte nur einen Hass geben, der so war.

Die Empfindung wurde tiefer und schärfer, als er mit großen Sprüngen den Pfad hinaufhetzte, und sein Verstand stöhnte vor Angst, einer Angst darüber, was er finden würde.

Er hastete durch die Büsche und blieb stehen.

Der Mensch machte mit geballten Fäusten ein paar Schritte nach vorn. Im Gras lag der zerbrochene Bogen. Der graue Körper des Wolfs lag halb im Mondschein, halb im Schatten, und dahinter wich ein schemenhaftes Wesen zurück, halb Licht, halb Schatten, fast erkennbar, aber nie ganz, wie ein Phantomgeschöpf, das durch Träume geistert.

»Peter!«, rief Jenkins, aber die Worte blieben stumm.

Denn er spürte das Wüten im Gehirn des unnennbaren Wesens, ein Wüten unerträglichen Schreckens, gegen den Hass des Menschen ankämpfend, der auf den schäumenden, spuckenden Schatten zuging. Lähmendes Entsetzen und verzweifeltes Suchen – des Findens, des sich Erinnerns.

Der Mensch hatte ihn fast erreicht, ging hoch aufgerichtet – ein Mensch mit schwächlichem Körper und lächerlichen Fäusten – und mit Mut auf ihn zu. Mut, dachte Jenkins, Mut, es selbst mit der Hölle aufzunehmen. Mut, in die Grube hinabzufahren und dem Hüter der Verdammten einen Fluch ins Gesicht zu schleudern.

Dann hatte das Wesen gefunden, wonach es suchte, wusste, was es tun musste. Jenkins spürte die Erleichterung, die sein ganzes Sein durchflutete, hörte den Ausdruck, teils Wort, teils Symbol, teils Gedanke. Wie geheimnisvolles Gemurmel, wie ein Zauberspruch, wie eine Beschwörung, aber das traf das Wesentliche nicht. Eine geistige Übung, ein Gedanke, der die Herrschaft über den Körper übernahm – das kam der Wahrheit näher.

Denn es funktionierte.

Das Wesen verschwand. Verschwand und war fort, fort aus der Welt. Keine Spur war geblieben, kein Hauch, als habe es den Schemen nie gegeben.

Und der Ausdruck, den es benutzt, der Ausdruck, den es gedacht hatte? Er ging so. So …

Jenkins nahm sich zusammen. Er hatte ihn sich eingeprägt und kannte ihn, kannte die Worte, den Gedanken, die richtige Betonung – aber er durfte ihn nicht verwenden, musste ihn vergessen, musste ihn tief in sich verschlossen halten.

Denn er hatte bei dem Kobler gewirkt. Und er würde bei ihm wirken. Er wusste, dass er wirken würde.

Der Mensch hatte sich umgedreht, und jetzt stand er da, müde, mit hängenden Armen und starrte Jenkins an.

Seine Lippen bewegten sich im blassen Gesicht. »Du … du …«

»Ich bin Jenkins«, sagte Jenkins. »Das ist mein neuer Körper.«

»Hier war etwas«, sagte Peter.

»Ein Kobler«, erwiderte Jenkins. »Joshua hat mir erzählt, dass einer zu uns durchgebrochen ist.«

»Er hat Lupus umgebracht«, sagte Peter.

Jenkins nickte. »Ja, er hat Lupus umgebracht und noch viele andere. Er war das Wesen, das die Morde verübt hat.«

»Und ich habe es umgebracht«, flüsterte Peter. »Ich habe es umgebracht … oder fortgetrieben …«

»Du hast es vertrieben«, sagte Jenkins. »Du warst stärker. Es hat sich vor dir gefürchtet. Es ist vor Angst in seine eigene Welt zurückgeflüchtet.«

»Ich hätte es gewiss umgebracht«, rühmte sich Peter, »aber die Sehne riss …«

»Beim nächsten Mal musst du eine stärkere Sehne nehmen«, sagte Jenkins leise. »Ich zeige dir, wie man das macht. Und eine Stahlspitze für deinen Pfeil …«

»Für meinen was?«

»Für deinen Pfeil. Der Wurfstock ist ein Pfeil. Stock und Sehne, mit dem du ihn wirfst, nennt man Bogen. Das Ganze heißt Pfeil und Bogen.«

Peter ließ den Kopf hängen. »Man hat das also schon früher erfunden. Ich bin nicht der Erste?«

Jenkins schüttelte den Kopf. »Nein, du warst nicht der Erste.« Er legte Peter die Hand auf die Schulter. »Komm mit mir nach Hause, Peter.«

»Nein. Ich bleibe bis zum Morgen hier bei Lupus. Dann rufe ich seine Freunde zusammen, und wir werden ihn begraben.« Peter hob den Kopf, um Jenkins anzusehen. »Lupus war mein Freund, mein bester Freund, Jenkins.«

»Ja, das sehe ich wohl«, sagte Jenkins. »Sehen wir uns dann später?«

»O ja«, sagte Peter. »Ich komme zum Picknick. Zum Webster-Picknick. Das ist in einer Woche.«

»Allerdings«, sagte Jenkins langsam, während er nachdachte. »Dann sehen wir uns also dort.«

Er drehte sich um und ging langsam den Hügel hin auf.

Peter setzte sich neben den toten Wolf und wartete auf die Morgendämmerung. Ein paarmal hob er die Hand, um sich die Augen zu wischen.

Sie saßen im Halbkreis vor Jenkins und hörten ihm zu.

»Ihr müsst aufpassen«, sagte der Roboter. »Das ist ungeheuer wichtig. Ihr müsst aufpassen und euch richtig anstrengen und dafür sorgen, dass ihr nichts verliert – eure Esskörbe, die Bogen und Pfeile und alles andere.«

Eines der Mädchen kicherte. »Ist das ein neues Spiel, Jenkins?«

»Ja«, sagte Jenkins, »so kann man es nennen. Das trifft es ziemlich gut. Ein neues Spiel. Ein sehr aufregendes.«

Jemand sagte: »Jenkins denkt sich für das Webster-Picknick immer ein neues Spiel aus.«

»Und jetzt«, erklärte Jenkins, »konzentriert euch bitte. Ihr müsst mich ansehen und herauszufinden versuchen, was ich denke …«

»Ein Ratespiel!«, kreischte ein Mädchen. »Ich mag Ratespiele.«

Jenkins zwang seinen Mund zu einem Lächeln. »Du hast Recht«, sagte er, »genau das ist es – ein Rate spiel. Passt also gut auf und schaut mich an.«

»Ich will die Bogen und Pfeile ausprobieren«, sagte einer der Männer. »Wenn das vorbei ist, dürfen wir, nicht wahr, Jenkins?«

»Ja«, sagte Jenkins geduldig. »Wenn das vorbei ist, könnt ihr sie ausprobieren.«

Er schloss die Augen und ließ sein Gehirn nach jedem Einzelnen hinausgreifen, zählte sie einzeln ab, spürte ihre freudige Erwartung, fühlte die kleinen tastenden Gedankenfinger, die sein Gehirn berührten.

Stärker, dachte Jenkins. Stärker! Stärker!

Ein Beben ging durch seinen Verstand, aber er wischte es fort. Nicht Hypnose, auch nicht Telepathie, einfach das Beste, das er zustande brachte. Ein Zusammenrücken – ein Treffen der Gedanken – und alles war ein Spiel.

Langsam und vorsichtig holte er das tief in sich verschlossene Symbol hervor – die Worte. Geschickt ließ er sie in sein Gehirn gleiten, eins nach dem anderen, wie man mit einem Kind spricht, versuchte, den genauen Tonfall zu lehren, die Bewegung der Zunge.

Er ließ sie dort für einen Augenblick liegen, spürte, wie die anderen sie ergriffen, dann dachte er sie laut – dachte sie, wie der Kobler sie gedacht hatte.

Und nichts geschah.

Überhaupt nichts. Kein Zucken in seinem Gehirn. Kein Gefühl des Fallens, kein Schwindel, keine Empfindung.

Es war misslungen. Er hatte es nicht geschafft. Das Spiel war vorbei.

Er öffnete die Augen, und die Landschaft war wie vorher. Die Sonne schien immer noch, und der Himmel war blau.

Er saß starr und stumm und fühlte, dass sie ihn ansahen.

Alles war genau wie vorher.

Bis auf …

Dort, wo vorher Oswegotee rötlich geblüht hatte, standen jetzt Gänseblümchen. Und neben ihm blühte eine Virginiarose, die noch nicht da gewesen war, als er die Augen geschlossen hatte.

»War das alles?«, fragte das kichernde Mädchen enttäuscht.

»Das war alles«, sagte Jenkins.

»Können wir jetzt Pfeil und Bogen ausprobieren?«, fragte einer der Jünglinge.

»Ja«, sagte Jenkins, »aber seid vorsichtig. Zielt nicht aufeinander. Sie sind gefährlich. Peter wird euch zeigen, wie man damit umgeht.«

»Wir packen das Essen aus«, sagte eine der Frauen. »Hast du auch einen Korb mitgebracht, Jenkins?«

»Gewiss«, sagte Jenkins. »Esther hat ihn. Sie hat ihn gehalten, während wir das Spiel spielten.«

»Das ist fein«, sagte die Frau. »Du überraschst uns jedes Jahr mit den Sachen, die du mitbringst.«

Und dieses Jahr werde ich euch besonders überraschen, sagte sich Jenkins. Ihr werdet überrascht sein von den säuberlich beschrifteten Samenpäckchen. Denn wir brauchen Samen, dachte er. Samen, um neue Gärten, neue Felder anzulegen – um wieder Nahrung anzupflanzen. Und wir brauchen Pfeile und Bogen, um uns Fleisch zu beschaffen. Und Speere und Haken für Fische …

Nun begannen sich noch andere Veränderungen zu zeigen. Die Art, wie ein Baum am Rande der Wiese seine Äste streckte. Und eine neue Biegung im Fluss, tief unten.

Jenkins saß still in der Sonne, hörte die Rufe der Männer und Jungen, die Pfeil und Bogen ausprobierten, hörte das Plaudern der Frauen, als sie die Tücher ausbreiteten und das Essen auspackten.

Ich muss es ihnen bald sagen, dachte er, sie darauf hinweisen, dass sie das Essen einteilen – dass sie es nicht auf einmal hinunterschlingen. Denn wir brauchen Nahrung für einen oder zwei Tage, bis wir Wurzeln ausgraben, Fische fangen und Beeren pflücken können. Ja, bald muss ich sie um mich versammeln und ihnen alles sagen, ihnen auseinandersetzen, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Und ihnen sagen, warum. Muss ihnen sagen, dass sie tun können, was sie wollen, denn dies ist eine völlig neue Welt.

Ich sollte sie auch vor den Koblern warnen.

Obwohl das weniger wichtig ist. Der Mensch hat eine Art an sich – eine sehr erbarmungslose Art. Eine Art, mit allem fertigzuwerden, das sich ihm in den Weg stellt.

Jenkins seufzte.

Gnade Gott den Koblern, dachte er.