15 Magdalena
Übelkeit und Schmerzen wechselten sich in immer kürzeren Abständen ab. Clary konnte nur noch verschwommene Farben um sich herum wahrnehmen. Sie wusste, dass ihr Bruder sie trug; jeder seiner Schritte dröhnte in ihrem Kopf wie ein Schlag mit einem Eispickel. Und sie wusste auch, dass sie sich an ihn klammerte und seine kräftigen Arme sie beruhigten. Es erschien ihr bizarr, dass irgendetwas an Sebastian beruhigend sein konnte und er sich scheinbar Mühe gab, sie beim Gehen nicht allzu sehr durchzuschütteln. Wie aus großer Ferne nahm sie wahr, dass sie rasselnd nach Luft schnappte und ihr Bruder ihren Namen rief.
Danach wurde alles still. Einen Moment dachte Clary, jetzt sei alles vorbei: Sie war gestorben… im Kampf gegen Dämonen, so wie die meisten Schattenjäger. Dann spürte sie ein weiteres Brennen auf der Innenseite ihres Arms und ein Schwall flüssiges Eis schien durch ihre Adern zu schießen. Sie kniff die Augen fest zusammen, um gegen den Schmerz anzukämpfen. Doch Sebastians Kältebehandlung oder was auch immer er getan hatte, wirkte wie eiskaltes Wasser, das ihr mit Schwung ins Gesicht geschüttet wurde. Die Welt hörte allmählich auf, sich wie wild zu drehen, und Übelkeit und Schmerzen ebbten langsam ab, bis sie im Strom ihres Blutes nur noch dahinplätscherten. Endlich bekam Clary wieder Luft.
Keuchend schlug sie die Augen auf.
Blauer Himmel.
Sie lag auf dem Rücken und starrte hinauf in einen
endlosen blauen Himmel, nur durchsetzt von watteweißen Wölkchen
– wie das gemalte Firmament an der
Decke der Krankenstation im Institut. Vorsichtig streckte sie ihre
schmerzenden Arme aus. Ihr rechtes Handgelenk zeigte noch die
Saugwunden des Dämons, allerdings waren sie bereits zu einem zarten
Rosa verblasst. Auf ihrem linken Unterarm schimmerten die
verschwommenen Konturen einer Iratze
und in ihrer Ellbogenbeuge erkannte sie eine Mendelin-Rune, die nicht nur vorübergehend
unsichtbar machen konnte, sondern auch Schmerzen
linderte.
Clary atmete tief ein. Herbstluft, angereichert mit dem Geruch von
Laub. Sie konnte die Baumkronen sehen, nahm das Rauschen des
Verkehrs wahr und…
Sebastian.
Im nächsten Moment hörte sie ein leises Lachen. Clary erkannte, dass sie nicht auf dem Boden lag, sondern im Schoß ihres Bruders ruhte – Sebastian, der sich warm anfühlte, ruhig und gleichmäßig atmete und ihren Kopf hielt. Der Rest ihres Körpers lag lang ausgestreckt auf einer taunassen Holzbank. Ruckartig setzte sie sich auf.
Sebastian lachte erneut; er saß am Rand der Sitzbank, gegen die kunstvoll geschmiedete Seitenlehne gestützt und einen Arm auf der Rückenlehne der Bank. Auf seinem Schoß – dort, wo Clary gerade noch gelegen hatte – befand sich sein zusammengefalteter Schal. Sebastian hatte sein weißes Hemd aufgeknöpft, um die Dämonenflecken darauf zu verbergen; darunter trug er ein schlichtes graues T-Shirt. Das silberne Armband glitzerte an seinem Handgelenk. Seine schwarzen Augen musterten Clary belustigt, als sie hastig von ihm fortrutschte. »Ein Glück, dass du so zierlich bist«, bemerkte er. »Wenn du viel größer wärst, hätte es ziemlich anstrengend werden können, dich durch die Gegend zu schleppen.«
Clary bemühte sich um eine ruhige Stimme: »Wo sind wir?«
»Im Jardin du Luxembourg«, erklärte Sebastian. »Eine der Pariser Parkanlagen – wirklich schön hier. Ich musste dich ja irgendwohin bringen, wo du dich ausruhen konntest. Dich mitten auf der Straße liegen zu lassen, schien mir keine gute Idee zu sein.«
»Ja, dafür gibt’s ein Wort… wenn man jemanden mitten auf der Straße liegen und sterben lässt: Fahrerflucht mit fahrlässiger Tötung.«
»Das sind vier Worte und soweit ich weiß, ist es nur dann tatsächlich Fahrerflucht, wenn man den Betreffenden persönlich überfahren hat.« Sebastian rieb sich die Hände, als wollte er sie wärmen. »Aber davon mal abgesehen: Warum sollte ich dich mitten auf der Straße sterben lassen, nachdem ich mir so viel Mühe gemacht habe, dir das Leben zu retten?«
Clary musste schlucken und warf einen Blick auf ihren Arm. Die Wunden waren inzwischen noch weiter verblasst. Wenn man nicht genau wusste, wo der Dämonententakel sie erwischt hatte, würde man die Stellen wahrscheinlich überhaupt nicht mehr erkennen. »Und warum hast du das getan?«
»Warum hab ich was getan?«
»Mir das Leben gerettet.«
»Du bist meine Schwester.«
Erneut musste Clary schlucken. In der Morgendämmerung hatte Sebastians Gesicht etwas mehr Farbe bekommen. Verblassende Brandwunden schimmerten an seinem Hals, dort, wo das Dämonensekret ihn getroffen hatte. »Du hast dich doch bisher nicht dafür interessiert, dass ich deine Schwester bin«, sagte sie leise.
»Ach nein?« Seine schwarzen Augen musterten sie von Kopf bis Fuß.
Plötzlich erinnerte Clary sich wieder daran, wie Jace sie nach dem Angriff des Ravener in ihrem Elternhaus gefunden hatte. Der Dämon hatte sie mit seinem tödlichen Giftstachel erwischt und Jace hatte sie geheilt – genau wie Sebastian – und sie auf dieselbe Weise an einen sicheren Ort getragen. Vielleicht ähnelten Jace und Sebastian einander ja doch mehr, als sie wahrhaben wollte – und zwar schon seit Langem, noch bevor Liliths Beschwörungsformel die beiden miteinander verbunden hatte.
»Unser Vater ist tot«, sagte Sebastian. »Andere Verwandte gibt es nicht. Du und ich, wir sind die letzten. Die letzten der Familie Morgenstern. Du bist meine letzte Chance, jemanden zu finden, in dessen Adern dasselbe Blut fließt wie in meinen.«
»Du hast gewusst, dass ich dir gefolgt bin«, stellte Clary fest.
»Selbstverständlich.«
»Und du hast mich nicht daran gehindert.«
»Ich wollte sehen, wie weit du gehen würdest. Und ich muss gestehen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du mir die Treppe hinunter folgen würdest. Du bist mutiger, als ich dachte.« Er nahm den Schal, der noch immer auf seinem Schoß lag, und wickelte ihn sich um den Hals. Der Park füllte sich allmählich mit Besuchern: Touristen mit Stadtplänen in den Händen, Eltern mit kleinen Kindern im Schlepptau, alte Männer, die sich auf den anderen Bänken niederließen und eine Pfeife rauchten. »Aber diesen Kampf hättest du niemals gewinnen können«, fügte Sebastian hinzu.
»Vielleicht ja doch.«
Er grinste, ein kurzes schiefes Grinsen. »Vielleicht.«
Clary streifte mit ihren Stiefeln durch das taufeuchte Gras unter der Bank. Sie würde sich bei Sebastian nicht bedanken. Für gar nichts. »Warum gibst du dich mit Dämonen ab?«, fragte sie stattdessen fordernd. »Ich hab gehört, wie sie über dich geredet haben. Ich weiß, was du vorhast…«
»Nein, das weißt du nicht.« Sebastians Grinsen war schlagartig verschwunden und in seinem typischen, überheblichen Ton fuhr er fort: »Erstens waren das nicht die Dämonen, mit denen ich Kontakt hatte, sondern lediglich ihre Wachen. Deshalb befanden sie sich in einem anderen Raum und deswegen war ich auch nicht dort. Dahak-Dämonen sind nicht besonders clever, dafür aber bösartig und zäh, also gut zur Verteidigung geeignet. Und aus diesem Grund wussten sie nicht, was wirklich Sache ist. Sie haben einfach nur irgendwelchen Tratsch wiederholt, den sie von ihren Gebietern aufgeschnappt haben. Dämonenfürsten. Mit denen hatte ich ein Treffen.«
»Und mit diesem Wissen soll ich mich jetzt besser fühlen?«
Sebastian beugte sich in Clarys Richtung. »Mir geht es nicht darum, dass du dich besser fühlst. Ich versuche lediglich, dir die Wahrheit mitzuteilen.«
»Die Wahrheit? Kein Wunder, dass es so aussieht, als hättest du eine allergische Reaktion«, bemerkte Clary, auch wenn das nicht ganz stimmte. Denn Sebastian wirkte aufreizend ruhig, obwohl seine angespannte Kiefermuskulatur und sein pulsierender Herzschlag an der Schläfe verrieten, dass er nicht ganz so gelassen war, wie er vorgab. »Die Dahak haben gesagt, du würdest diese Welt den Dämonen übergeben«, fügte sie hinzu.
»Und, klingt das etwa nach mir? Würde ich so etwas tun?«
Clary warf ihm nur einen kühlen Blick zu.
»Hattest du nicht gesagt, du wolltest mir eine Chance geben?«, bemerkte Sebastian. »Ich bin nicht mehr der Junge, der ich noch in Alicante war.« Er schaute sie ruhig an. »Außerdem bin ich nicht der Einzige aus deinem Bekanntenkreis, der an Valentin geglaubt hat. Er war mein Vater. Unser Vater. Und es ist nicht leicht, die Dinge infrage zu stellen, mit denen man aufgewachsen ist.«
Mürrisch verschränkte Clary die Arme vor der Brust; die Luft war klar, aber kalt, mit einer winterlich frostigen Note. »Kann sein.«
»Valentin hat sich geirrt«, fuhr Sebastian fort. »Er war so davon besessen, welch großes Unrecht der Rat ihm angeblich angetan hatte, dass er an nichts anderes mehr denken konnte, als den Ratsmitgliedern zu beweisen, dass er recht hatte. Er wollte, dass der Engel erschien und ihnen mitteilte, dass er, Valentin, Jonathan Shadowhunters rechtmäßiger Nachfolger sei… dass er ihr Anführer sei und dass sein Weg der richtige wäre.«
»Tja, aber dann ist es doch etwas anders gekommen.«
»Ich weiß, was passiert ist. Lilith hat mir davon erzählt«, erwiderte Sebastian leichthin, als wären Gespräche mit der Mutter aller Hexenwesen vollkommen normal. »Bild dir ja nicht ein, Raziel hätte aus tiefem Mitgefühl gehandelt, Clary. Engel sind kalt wie Eis. Raziel war zornig, weil Valentin den Auftrag aller Nephilim vergessen hatte.«
»Und der wäre?«
»Dämonen zu töten. Das ist unsere Aufgabe. Du hast doch bestimmt davon gehört, dass in den letzten Jahren immer mehr Dämonen in diese Welt eingedrungen sind, oder? Und dass wir keine Ahnung haben, wie wir sie daran hindern sollen?«
Vage erinnerte Clary sich an etwas, das Jace ihr einmal gesagt hatte… vor einer gefühlten Ewigkeit, als sie zum ersten Mal gemeinsam zur Stadt der Stille gefahren waren. Wir könnten sie vielleicht aufhalten und verhindern, dass sie hierherkommen, aber bisher ist es niemandem gelungen herauszufinden, wie das gehen soll. Inzwischen kommen immer mehr. Früher gab es nur kleine Invasionen von Dämonen, mit denen man leicht fertig werden konnte. Aber allein seit dem Jahr meiner Geburt sind mehr Dämonen durch die Schranken gedrungen als in allen Jahren davor zusammengenommen. Der Rat muss ständig Schattenjäger entsenden und sehr oft kehren sie nicht zurück.
»Uns steht ein grausamer Krieg gegen die Dämonen bevor und der Rat ist kein bisschen darauf vorbereitet«, verkündete Sebastian. »In dieser Hinsicht hatte mein Vater absolut recht. Die Ratsmitglieder sind zu festgefahren in ihren Vorstellungen, um warnende Stimmen zu hören und sich selbst noch verändern zu können. Ich wünsche mir zwar nicht die Vernichtung aller Schattenweltler, so wie Valentin es gefordert hat, aber manchmal fürchte ich, dass die Verblendung des Rats noch einmal den Untergang dieser Welt bedeuten wird – der Welt, die die Nephilim beschützen sollen.«
»Willst du mir ernsthaft weismachen, es würde dich interessieren, ob diese Welt zerstört wird?«
»Na ja, schließlich lebe ich hier«, gab Sebastian deutlich sanfter zu bedenken, als Clary gedacht hätte. »Und manchmal erfordern extreme Situationen nun einmal extreme Maßnahmen. Um den Feind zu vernichten, kann es notwendig sein, ihn besser zu verstehen und sogar mit ihm zu verhandeln. Wenn ich diese Dämonenfürsten dazu bringen kann, mir zu vertrauen, dann kann ich sie auch hierherlocken, wo sie vernichtet werden können… sie und ihre Anhänger. Dann würde sich das Blatt wenden. Von da an werden alle Dämonen wissen, dass diese Welt keine so leichte Beute ist, wie sie sich das vorstellen.«
Clary schüttelte den Kopf. »Und das alles willst du allein durchziehen? Nur du und Jace? Versteh mich nicht falsch: Du kannst zwar ziemlich einschüchternd sein, aber nicht einmal ihr beide gemeinsam hättet eine Chance…«
Sebastian stand auf. »Du kannst dir wirklich nicht vorstellen, dass ich die Sache vollständig durchdacht haben könnte, stimmt’s?« Er schaute auf Clary hinab; der Herbstwind wehte ihm die weißblonden Haare ins Gesicht. »Dann komm mal mit. Ich möchte dir etwas zeigen.«
Clary zögerte. »Jace…«
»Schläft noch. Vertrau mir, ich weiß es einfach.« Sebastian streckte seine Hand aus. »Komm mit mir, Clary. Wenn ich dich schon nicht davon überzeugen kann, dass ich einen Plan habe, kann ich es dir ja vielleicht beweisen.«
Unschlüssig starrte Clary ihn einen Moment an, während ihr zahlreiche Bilder wie buntes Konfetti durch den Kopf wirbelten: der Trödelladen in Prag; ihr Goldring, der sich scheinbar in nichts aufgelöst hatte; Jace, der sie in dem Alkoven des Nachtclubs an sich gepresst hatte; die Wasserbecken mit den darin treibenden Leichen; Sebastian mit einer leuchtenden Seraphklinge in der Hand.
Vielleicht kann ich es dir ja beweisen.
Entschlossen nahm sie seine Hand und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen.
Nach kurzer Diskussion kamen Magnus und die anderen zu dem Beschluss, dass man einen abgeschiedenen Ort benötigte, um Raziel herbeizurufen. »Schließlich können wir keinen zwanzig Meter großen Engel mitten im Central Park erscheinen lassen«, bemerkte Magnus trocken. »Das würde möglicherweise Aufmerksamkeit erregen – selbst in New York.«
»Raziel ist zwanzig Meter groß?«, fragte Isabelle; sie lungerte in einem Sessel, den sie sich an den Tisch gezogen hatte. Dunkle Ringe unter ihren Augen zeugten davon, wie erschöpft sie war – genau wie Alec, Magnus und Simon.
Sie alle saßen seit Stunden zusammen und hatten etliche von Magnus’ uralten Büchern gewälzt, deren Seiten so dünn waren wie Luftpostpapier. Sowohl Isabelle als auch Alec beherrschten Griechisch und Latein und Alec besaß ein recht umfassendes Wissen über Dämonensprachen, aber dennoch blieben viele Werke übrig, die nur Magnus verstand. Maia und Jordan, denen bewusst geworden war, dass sie an anderer Stelle mehr gebraucht wurden, waren zur alten Polizeiwache zurückgekehrt, um sich nach Lukes Gesundheitszustand zu erkundigen. Simon hatte ebenfalls versucht, sich auf andere Weise nützlich zu machen: Er hatte für Gebäck und Kaffee gesorgt, auf Magnus’ Anweisung Symbole aus den Büchern abgezeichnet, zusätzliche Stifte und Papier geholt und sogar Miau Tse-tung gefüttert, der ihm seine Mühe dadurch dankte, dass er ein Haarknäuel hochwürgte und auf Magnus’ Küchenboden ausspuckte.
»Genau genommen, ist er nur neunzehn Meter groß, aber er übertreibt gern«, erwiderte Magnus. Die Müdigkeit trug nicht gerade zur Verbesserung seiner Laune bei. Seine Haare waren verfilzt und standen steil nach oben und an seinen Händen klebte Glitter, seit er sich ausgiebig die Augen gerieben hatte. »Raziel ist ein Engel, Isabelle. Hast du denn gar nichts im Unterricht gelernt?«
Verärgert schnalzte Isabelle mit der Zunge. »Valentin hat einen Engel in seinem Keller herbeibeschworen. Daher wüsste ich nicht, wofür du den ganzen Platz brauchst…«
»Ich brauche den Platz, weil Valentin einfach VIEL COOLER war als ich«, fauchte Magnus und ließ seinen Stift fallen. »Hör zu, ich…«
»Brüll meine Schwester nicht an«, unterbrach Alec ihn ruhig, aber bestimmt. Verwundert warf Magnus ihm einen Blick zu, doch Alec fuhr fort: »Isabelle, die Größe der Engel hier auf Erden hängt von ihrer himmlischen Macht ab. Der Engel, den Valentin herbeibeschworen hat, war rangniederer als Raziel. Und wenn man einen Engel von noch höherem Rang rufen wollte, wie beispielsweise Michael oder Gabriel…«
»Ich wäre gar nicht in der Lage, eine Beschwörungsformel zu kreieren, die sie binden könnte, nicht einmal für einen kurzen Moment«, räumte Magnus in gedämpftem Ton ein. »Wir haben Raziel unter anderem deswegen ausgesucht, weil wir hoffen, dass er als Schöpfer der Schattenjäger ein besonderes Mitgefühl – oder überhaupt Mitgefühl – mit eurer Situation empfindet. Außerdem besitzt er ungefähr den richtigen Rang. Ein Engel mit geringerer Machtbefugnis könnte uns vielleicht gar nicht helfen, während ein deutlich mächtigerer Engel… na ja, wenn da irgendetwas schiefginge…«
»Dann wäre ich möglicherweise nicht der Einzige, der dabei sein Leben verliert«, ergänzte Simon.
Magnus zog eine betretene Miene und Alec blickte starr auf die Papiere und Bücher, die über den Tisch verstreut lagen. Dagegen schob Isabelle ihre Hand über Simons Finger. »Ich kann kaum glauben, dass wir hier sitzen und tatsächlich darüber reden, einen Engel herbeizurufen«, sagte sie. »Mein ganzes Leben lang haben wir Eide auf den Namen des Engels geschworen. Und wir wissen, dass unsere Kraft direkt von den Engeln stammt. Aber der Gedanke, tatsächlich einen zu Gesicht zu bekommen… ich kann’s mir einfach nicht vorstellen. Jedes Mal, wenn ich versuche, darüber nachzudenken, setzt mein Verstand aus… das Ganze ist einfach unvorstellbar.«
Stille breitete sich am Tisch aus. Magnus’ Augen funkelten so dunkel, dass Simon sich fragte, ob er je einen Engel gesehen hatte. Einen Moment überlegte er, ob er ihn fragen sollte. Doch dann wurde ihm die Entscheidung abgenommen, als plötzlich sein Mobiltelefon brummte.
»Entschuldigt mich ’ne Sekunde«, murmelte er und erhob sich. Er klappte das Handy auf, lehnte sich gegen einen der Stützpfeiler und warf einen Blick auf das Display: eine SMS von Maia.
GUTE NACHRICHTEN: LUKE IST AUFGEWACHT UND ANSPRECHBAR. SIEHT SO AUS, ALS WÄRE ER ÜBER DEN BERG.
Enorme Erleichterung erfasste Simon. Endlich einmal positive Nachrichten! Er klappte das Telefon zu und berührte den Ring an seiner Hand. Clary?
Keine Antwort.
Simon schluckte nervös und versuchte, sich zu beruhigen. Wahrscheinlich schlief Clary noch. Als er aufschaute, sah er, dass die drei ihn gespannt anblickten.
»Wer war das?«, fragte Isabelle.
»Maia. Sie schreibt, Luke ist wach und ansprechbar. Und dass er wohl überleben wird.« Während die anderen ihrer Erleichterung Luft machten und durcheinanderredeten, starrte Simon weiterhin auf den Ring an seiner Hand. »Das bringt mich auf eine Idee«, murmelte er.
Im gleichen Moment war Isabelle aufgesprungen und auf ihn zugekommen, aber bei diesen Worten hielt sie inne und musterte ihn besorgt. Simon konnte es ihr nicht verübeln – in letzter Zeit waren seine Ideen schlichtweg selbstmörderisch gewesen. »Was für eine Idee?«, erkundigte sie sich.
»Was genau brauchen wir, um Raziel herbeizurufen? Wie viel Platz ungefähr?«, fragte Simon.
Magnus beugte sich über eines der Bücher. »Einen Umkreis von mindestens einer Meile. Wasser wäre gut. Wie beim Lyn-See…«
»Lukes alte Farm im Norden«, sagte Simon. »Etwa ein oder zwei Stunden von der Stadt entfernt. Wahrscheinlich hat er sie bereits winterfest gemacht, aber ich weiß, wie man hinkommt. Und da gibt es auch einen See. Zwar nicht so groß wie der Lyn-See, aber immerhin…«
Entschlossen klappte Magnus das Buch zu, das er in den Händen hielt. »Keine schlechte Idee, Seamus.«
»Ein oder zwei Stunden entfernt?«, hakte Isabelle nach und warf einen Blick auf die Uhr. »Wenn wir jetzt aufbrechen, könnten wir…«
»Oh, nein!«, unterbrach Magnus sie resolut und schob das Buch von sich weg. »Deine grenzenlose Begeisterung ist wirklich sehr beeindruckend, Isabelle, aber ich bin viel zu erschöpft, um jetzt eine derartige Beschwörungsformel zu sprechen. Und glaub mir: Dabei darf ich absolut kein Risiko eingehen. Da stimmt ihr mir vermutlich alle zu.«
»Also wann dann?«, fragte Alec.
»Wir brauchen erst einmal ein paar Stunden Schlaf«, erklärte Magnus. »Ich schlage vor, wir brechen am frühen Nachmittag auf. Sherlock – entschuldige, Simon – ruf Jordan an und frag ihn, ob du seinen Transporter leihen kannst. Und jetzt…«, verkündete er und schob die Papiere beiseite, »werde ich mich aufs Ohr hauen. Isabelle, Simon, ihr seid herzlich eingeladen, noch mal das Gästezimmer zu benutzen, wenn ihr wollt.«
»Getrennte Zimmer wären besser«, murmelte Alec.
Isabelle warf Simon mit ihren dunklen Augen einen fragenden Blick zu, doch er tastete bereits nach dem Handy in seiner Jackentasche. »Okay«, sagte er. »Ich bin dann gegen zwölf wieder hier, aber in der Zwischenzeit muss ich noch was Wichtiges erledigen.«
Paris bei Tage war eine Stadt aus engen, geschwungenen Gassen und breiten Alleen, mit goldbraun schimmernden Gebäuden und schieferfarbenen Dächern und einem glitzernden Fluss, der die Metropole wie eine Narbe zerschnitt. Nach seiner Behauptung, er könne Clary beweisen, dass er einen Plan habe, redete Sebastian kaum mehr. Gerade gingen sie durch eine Straße, die von Kunstgalerien und Antiquariaten gesäumt war, und dann erreichten sie endlich den Quai des Grands Augustins, am Rande der Seine.
Ein kalter Wind wehte vom Fluss herauf und Clary fröstelte. Sebastian nahm seinen Schal ab und reichte ihn ihr. In dem schwarz-weiß gesprenkelten Tweed-Gewebe hing noch die Wärme seiner Haut. »Zieh ihn an«, forderte er Clary auf. »Dir ist doch kalt. Also sei vernünftig.«
Clary wickelte sich den Schal um den Hals. »Danke«, sagte sie automatisch und zuckte dann zusammen. Jetzt war es passiert: Sie hatte Sebastian gedankt. Irgendwie rechnete sie damit, dass gleich ein Blitz aus den Wolken zucken und sie tödlich treffen würde. Doch nichts dergleichen geschah.
Sebastian warf ihr einen verwunderten Blick zu. »Alles in Ordnung? Du siehst aus, als müsstest du niesen.«
»Mir geht’s gut«, winkte Clary ab. Der Schal roch nach zitronigem Eau de Toilette und nach jungem Mann. Wonach hätte das Tweed-Gewebe auch sonst riechen sollen? Sie war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte.
Gemeinsam setzten sie sich wieder in Bewegung, wobei Sebastian sein Tempo dem von Clary anpasste und langsam neben ihr herging. Diesmal erzählte er ihr, dass die Pariser Stadtbezirke nummeriert waren und sie gerade vom sechsten ins fünfte Arrondissement wechselten, das unter anderem das Quartier Latin umfasste. Und dass es sich bei der Brücke, die die Seine in der Ferne überspannte, um die Pont Saint-Michel handelte. Während sie weitergingen, bemerkte Clary, dass ihnen unglaublich viele junge Leute entgegengeschlendert kamen. Mädchen in ihrem Alter oder älter, unfassbar stylisch in eng anliegenden Hosen und himmelhohen Pumps, die langen Haare im Wind wehend. Nicht wenige warfen Sebastian im Vorbeigehen bewundernde Blicke zu, doch das schien er nicht zu bemerken.
Jace hätte es registriert, überlegte Clary. Sebastian war wirklich auffallend mit seinen weißblonden Haaren und den schwarzen Augen. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte sie ihn als attraktiv eingeschätzt – nur damals hatte er die Haare schwarz getönt, was ihm eigentlich nicht stand. Mit seiner natürlichen hellen Haarfarbe sah er besser aus, da seine Haut dadurch ein wenig Farbe bekam und der Blick auf seine leicht geröteten Wangenknochen und seine elegante Gesichtsform gelenkt wurde. Außerdem besaß ihr Bruder außergewöhnlich lange Wimpern, eine Nuance dunkler als seine Haare und an den Spitzen leicht nach oben geschwungen, genau wie Jocelyn – das war so unfair. Warum hatte nicht sie die langen, geschwungenen Wimpern in der Familie geerbt? Und weshalb hatte Sebastian nicht eine einzige Sommersprosse abbekommen?
»Also«, sagte Clary abrupt und unterbrach ihn mitten im Satz, »was sind wir?«
Sebastian warf ihr einen verwunderten Seitenblick zu. »Was meinst du mit: ›Was sind wir?‹«
»Du hast gesagt, wir beide wären die letzten der Familie Morgenstern. Und Morgenstern ist ein deutscher Name«, erklärte Clary. »Also was sind wir? Sind wir deutscher Herkunft? Was ist passiert? Warum gibt es niemanden mehr außer uns?«
»Du weißt echt nichts über Valentins Familie?«, fragte Sebastian ungläubig. Er war an der Kaimauer stehen geblieben, die entlang der Seine verlief. »Hat deine Mutter dir denn gar nichts erzählt?«
»Erstens: Sie ist auch deine Mutter. Und zweitens: Nein, sie hat mir nichts erzählt. Valentin gehört nicht gerade zu ihren Lieblingsthemen.«
»Schattenjägernamen sind aus mehreren Worten zusammengesetzt«, erläuterte Sebastian, während er auf die Kaimauer kletterte. Dann streckte er Clary eine Hand entgegen und nach kurzem Zögern ließ sie sich von ihm auf die Mauer hinaufhelfen. Die Seine floss graugrün unter ihnen, während flache Ausflugsboote in gemächlichem Tempo vorbeizogen. »Fair-child, Light-wood, White-law. Morgen-stern. Das ist zwar ein deutscher Name, aber ursprünglich kam unsere Familie aus der Schweiz.«
»Kam?«
»Valentin war ein Einzelkind«, sagte Sebastian. »Sein Vater – unser Großvater – wurde von Schattenweltlern getötet und unser Großonkel starb im Kampf. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Das hier…«, erklärte er und berührte Clarys Haare, »stammt von der Linie der Fairchilds. In ihren Adern fließt angelsächsisches Blut. Dagegen besitze ich größere Ähnlichkeit mit der Schweizer Seite der Familie. Genau wie Valentin.«
»Weißt du irgendetwas über unsere Großeltern?«, fragte Clary fasziniert – sie konnte einfach nicht anders.
Sebastian ließ seine Hand sinken und sprang von der Kaimauer. Erneut reichte er Clary die Hand und sie nahm sie ein weiteres Mal – um sich abzustützen, während sie hinunterhüpfte. Dabei prallte sie gegen Sebastians Brust, die sich hart und warm unter seinem T-Shirt anfühlte. Ein vorbeischlenderndes Mädchen warf Clary einen belustigten und zugleich neidischen Blick zu, woraufhin Clary hastig einen Schritt zurücktrat. Am liebsten hätte sie dem Mädchen nachgerufen, dass Sebastian ihr Bruder war und dass sie ihn im Übrigen hasste. Doch sie schwieg.
»Über unsere Großeltern mütterlicherseits weiß ich nichts«, sagte er. »Woher denn auch?« Er schenkte Clary ein schiefes Lächeln. »Komm. Ich möchte dir einen meiner Lieblingsorte in Paris zeigen.«
Clary zögerte. »Ich dachte, du wolltest mir beweisen, dass du einen Plan hast.«
»Alles zu seiner Zeit.« Sebastian setzte sich in Bewegung.
Nach kurzem Zögern folgte Clary ihm. Finde heraus, was er vorhat, und bis dahin mach gute Miene zum bösen Spiel, ermahnte sie sich.
»Valentin war seinem Vater sehr ähnlich«, fuhr Sebastian fort. »Er glaubte an Kraft und Stärke. ›Wir sind Gottes auserwählte Krieger.‹ Davon war er felsenfest überzeugt. Schmerz macht einen nur stärker. Verlust macht nur noch mächtiger. Als er starb…«
»Valentin hatte sich verändert«, warf Clary ein. »Das hat Luke mir erzählt.«
»Er hat seinen Vater geliebt und ihn gleichzeitig gehasst. Das hast du vielleicht auch schon bei Jace beobachtet. Valentin hat uns auf dieselbe Weise erzogen wie sein Vater ihn. Man greift immer auf das zurück, was man kennt.«
»Aber Jace hat Valentin mehr als nur das Kämpfen beigebracht. Er hat ihn Fremdsprachen gelehrt und ihm Klavierunterricht gegeben…«, überlegte Clary.
»Das war Jocelyns Einfluss.« Sebastian stieß ihren Namen hervor, als wäre ihm allein schon der Klang zuwider. »Sie dachte, Valentin müsse in der Lage sein, auch über Literatur, Kunst und Musik reden zu können – nicht nur über das Töten von Dämonen. Und das hat er an Jace weitergegeben.«
Links von ihnen tauchte ein blaues schmiedeeisernes Tor auf. Sebastian tauchte unter dem Torbogen hindurch und bedeutete Clary, ihm zu folgen. Sie brauchte sich zwar nicht zu bücken, als sie das Tor passierte, stapfte aber nur widerstrebend hinter ihm her. »Und was ist mit dir?«, fragte sie, die Hände in den Taschen vergraben.
Sebastian hob die Arme. Er hatte unverkennbar Jocelyns Hände – lange, geschickte Finger, wie geschaffen zum Halten eines Pinsels oder Stiftes. »Ich habe gelernt, die Instrumente des Kriegs zu spielen«, sagte er, »und mit Blut zu malen. Ich bin nicht wie Jace.«
Sie befanden sich nun in einer schmalen Gasse zwischen zwei Häuserreihen, die aus dem gleichen goldbraunen Stein errichtet waren wie viele andere Gebäude in Paris. Ihre Kupferdächer funkelten grünlich im Sonnenschein. Weit und breit war kein Fahrzeug zu sehen. Links von Clary baumelte ein Holzschild mit der Aufschrift »Café« an einer Hauswand – der einzige Hinweis darauf, dass es irgendwelche Geschäfte oder Betriebe in der gewundenen Straße gab.
»Mir gefällt es hier, weil man fast das Gefühl hat, sich in einem vergangenen Jahrhundert zu befinden«, erklärte Sebastian, der Clarys Blick gefolgt war. »Kein Autolärm, keine Neonreklamen. Hier ist es einfach nur… friedlich.«
Verwundert starrte Clary ihn an. Er lügt, schoss es ihr durch den Kopf. Der Sebastian, den ich kenne, denkt so etwas nicht. Der Sebastian, der versucht hat, Alicante niederzubrennen, interessiert sich nicht für Frieden. Dann dachte sie darüber nach, wo er aufgewachsen war. Sie hatte den Ort zwar nie selbst gesehen, aber Jace hatte ihn ihr beschrieben: ein kleines Haus – im Grunde eher eine Hütte – in einem Tal außerhalb von Alicante. Dort musste es nachts ziemlich still gewesen sein und der Himmel voller Sterne. Aber vermisste Sebastian das alles wirklich? Konnte er das überhaupt? War dies die Art von Gefühl, zu der jemand fähig war, der nicht einmal zu hundert Prozent als Mensch bezeichnet werden konnte?
Macht dir das eigentlich nichts aus?, hätte Clary ihn am liebsten gefragt. Dass du dich in derselben Stadt aufhältst, in der der richtige Sebastian Verlac aufgewachsen ist und gelebt hat – bis du ihm das Leben genommen hast? Dass du durch dieselben Straßen läufst, seinen Namen trägst und weißt, dass irgendwo eine Tante um ihn trauert? Und was soll das überhaupt heißen: Er hätte sich eben nicht wehren dürfen?
Sebastian musterte sie nachdenklich aus seinen schwarzen Augen. Er hatte durchaus Sinn für Humor, das wusste Clary genau – ein beißender Humor, der sie manchmal an Jace’ Sarkasmus erinnerte. Aber er lächelte nicht dabei.
»Komm schon«, riss er Clary in diesem Moment aus ihren Gedanken. »Hier gibt es die beste heiße Schokolade von ganz Paris.«
Clary war sich nicht ganz sicher, wie sie das beurteilen sollte. Sie besuchte die französische Hauptstadt schließlich zum ersten Mal. Doch nachdem sie einen Platz gefunden hatten, musste Clary einräumen, dass die heiße Schokolade wirklich hervorragend schmeckte. Sie wurde in einer blauen Keramikkanne direkt an ihrem kleinen Tisch mit den altmodischen Holzstühlen zubereitet: aus frischer Sahne, Schokolade und Zucker. Dieses Rezept ergab einen Kakao, der so dickflüssig war, dass der Löffel aufrecht darin stehen konnte. Dazu bestellten sie Croissants, die sie in das heiße Getränk tauchten.
»Wenn du noch ein Croissant möchtest, brauchst du es nur zu sagen«, meinte Sebastian und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Die beiden waren die mit Abstand jüngsten Gäste in dem Café, registrierte Clary. »So wie du über dieses arme Croissant herfällst.«
»Ich hab eben Hunger«, erwiderte Clary achselzuckend. »Hör zu, wenn du mit mir reden willst, dann schieß los. Überzeug mich.«
Sebastian beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Dabei musste Clary unwillkürlich an die Nacht zuvor denken, als sie ihm in die Augen gesehen und den dünnen Silberring um seine Iris bemerkt hatte. »Ich habe darüber nachgedacht, was du letzte Nacht gesagt hast«, setzte er an.
»Letzte Nacht hab ich halluziniert. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe.«
»Du hast mich gefragt, zu wem ich gehöre«, erklärte Sebastian.
Bei diesen Worten zuckte Clary zusammen, die Tasse unschlüssig in der Hand. »Wirklich?«
»Ja.« Eingehend studierte er ihr Gesicht. »Und ich habe darauf keine Antwort.«
Vorsichtig stellte Clary die heiße Schokolade ab; sie fühlte sich plötzlich extrem unwohl. »Du musst ja auch nicht unbedingt zu jemandem gehören«, sagte sie. »Das ist doch nur eine Redensart.«
»Okay, dann möchte ich dich etwas fragen«, erwiderte Sebastian. »Denkst du, dass du mir verzeihen kannst? Ich meine, glaubst du, dass für jemanden wie mich Vergebung überhaupt möglich ist?«
»Keine Ahnung.« Clary klammerte sich an die Tischkante. »Ich… ich kenne mich mit Vergebung nicht so aus, also mit dem religiösen Konzept der Vergebung; ich weiß nur über die herkömmliche Versöhnung Bescheid, wenn Leute jemandem verzeihen.« Sie stockte und holte tief Luft; ihr war bewusst, dass sie unzusammenhängendes Zeug plapperte. Vermutlich lag das an Sebastians unverwandtem Blick, als erwartete er von ihr Antworten auf Fragen, die niemand anderes beantworten konnte. »Ich weiß, dass man etwas dafür tun muss, um sich Vergebung zu verdienen. Sich selbst verändern. Gestehen, Reue empfinden – und Buße tun«, fuhr Clary fort.
»Buße tun«, wiederholte Sebastian.
»Um das, was man getan hat, wiedergutzumachen.« Betreten blickte Clary in ihre heiße Schokolade. Für die Dinge, die Sebastian getan hatte, gab es keine Wiedergutmachung – jedenfalls keine, die auch nur ansatzweise Sinn ergab.
»Ave atque vale«, sagte Sebastian und schaute auf seine Tasse.
Clary erkannte den traditionellen Abschiedsgruß der Nephilim, den sie bei Begräbnissen oder im Schlachtengetümmel sprachen. »Warum sagst du das jetzt? Ich bin doch nicht tot.«
»Wusstest du, dass diese Worte aus einem Gedicht stammen?«, bemerkte er. »Ein Gedicht von Catull. ›Frater, ave atque vale.‹ ›Sei gegrüßt und leb wohl, mein Bruder.‹ Catull redet von Asche, von Begräbnisriten und seiner Trauer um den toten Bruder. Ich hab dieses Gedicht schon als kleiner Junge auswendig gelernt, es aber nie richtig nachempfinden können – weder seinen Kummer noch seinen Verlust. Auch nicht, wie es wohl wäre, wenn man stirbt, aber niemand da ist, der um einen trauert.« Unvermittelt schaute er auf und blickte Clary an. »Was glaubst du, wie es wohl gewesen wäre, wenn Valentin dich zusammen mit mir aufgezogen hätte? Hättest du mich dann geliebt?«
Clary war froh, dass sie die Tasse bereits abgestellt hatte, sonst wäre sie ihr jetzt bestimmt aus der Hand gefallen. Sebastian musterte sie eindringlich – ohne jede Verlegenheit, die mit einer solch bizarren Frage üblicherweise verbunden war. Er studierte ihr Gesicht, als wäre sie eine seltsame, fremde Lebensform. »Na ja«, setzte Clary bedächtig an. »Du bist mein Bruder. Ich hätte dich geliebt. Ich hätte wohl… gar nicht anders gekonnt.«
Sebastian schaute sie weiterhin unverwandt an.
Einen Moment lang überlegte Clary, ob sie ihm eine Gegenfrage stellen sollte: Dachte er vielleicht, dass er sie dann ebenfalls geliebt hätte, als seine Schwester? Doch irgendetwas sagte ihr, dass er keine Ahnung hatte, was das bedeutete. »Valentin hat mich aber nun mal nicht großgezogen«, erwiderte sie stattdessen. »Genau genommen, hab ich ihn getötet.« Sie war sich nicht sicher, warum sie das gesagt hatte. Vielleicht wollte sie ja nur herausfinden, ob es möglich war, Sebastian aus der Fassung zu bringen. Schließlich hatte Jace ihr einmal erzählt, dass Valentin möglicherweise der einzige Mensch war, der Sebastian jemals etwas bedeutet hatte.
Doch Sebastian verzog keine Miene. »In Wahrheit hat der Erzengel ihn getötet. Auch wenn du der Grund dafür warst«, entgegnete er. Seine Finger zeichneten ein Muster auf der abgenutzten Tischplatte nach. »Als ich dich in Idris kennenlernte, hatte ich große Hoffnungen – ich dachte, du wärst genau wie ich. Aber als ich festgestellt habe, dass du kein bisschen so warst wie ich, da hab ich dich gehasst. Und dann, als ich von den Toten wiedererweckt war und Jace mir erzählte, was du getan hast, ist mir klar geworden, dass ich mich geirrt hatte: Du bist sehr wohl genau wie ich.«
»Das hast du vergangene Nacht schon gesagt«, widersprach Clary, »aber ich bin nicht…«
»Du hast unseren Vater getötet«, unterbrach Sebastian sie sanft. »Und es ist dir vollkommen egal. Du hast keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, stimmt’s? Valentin hat Jace in dessen Kindheit blau und grün geprügelt und trotzdem vermisst Jace ihn noch immer. Er hat um ihn getrauert, obwohl sie nicht blutsverwandt sind. Aber Valentin war dein leiblicher Vater und du hast ihn getötet und nicht eine einzige schlaflose Nacht deswegen gehabt.«
Mit offenem Mund starrte Clary ihn an. Das war unfair. So unfair. Valentin war nie ein Vater für sie gewesen… er hatte sie nicht geliebt… er war ein Monster gewesen, das sterben musste. Sie hatte ihn getötet, weil ihr keine andere Wahl geblieben war. Unwillkürlich tauchte vor ihrem inneren Auge Valentins Bild auf: wie er Jace die Klinge in die Brust gerammt und ihn in den Armen gehalten hatte, als Jace starb. Valentin hatte über den Sohn geweint, den er eigenhändig umgebracht hatte. Doch sie selbst hatte keine einzige Träne über ihren Vater vergossen. Hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht.
»Ich habe recht, oder?«, bemerkte Sebastian. »Sag mir, dass ich mich irre. Sag mir, dass du nicht genauso bist wie ich.«
Clary blickte auf ihren kalt gewordenen Kakao. Sie hatte das Gefühl, als würde sich in ihrem Kopf ein Strudel bilden und all ihre Gedanken und Worte mit sich in die Tiefe reißen. »Ich dachte, du wärst der Meinung gewesen, Jace sei wie du«, brachte sie schließlich mit erstickter Stimme hervor. »Ich dachte, das sei der Grund, warum du ihn bei dir haben wolltest.«
»Ich brauche Jace«, erklärte Sebastian. »Doch tief in seinem Herzen ist er nicht wie ich – im Gegensatz zu dir.« Sebastian stand auf; offenbar hatte er irgendwann die Rechnung beglichen, aber Clary hatte es nicht mitbekommen. »Komm mit«, forderte Sebastian sie auf und streckte ihr seine Hand entgegen.
Schweigend erhob Clary sich, ohne seine Hand auch nur zu berühren, und wickelte sich mechanisch seinen Schal um den Hals; der Kakao rumorte wie brennende Säure in ihrem Magen. Sie folgte Sebastian aus dem Café hinaus in die Gasse, wo er einen Moment stehen blieb und zum strahlend blauen Himmel hinaufschaute. »Ich bin nicht wie Valentin«, sagte Clary. »Unsere Mutter…«
»Deine Mutter«, berichtigte er sie, »hat mich gehasst. Hasst mich noch immer. Du hast es selbst gesehen: Sie hat versucht, mich zu töten. Du willst mir also sagen, dass du nach deiner Mutter kommst? Prima. Jocelyn Fairchild ist skrupellos. Ist es schon immer gewesen. Sie hat so getan, als würde sie unseren Vater lieben, und zwar monatelang, wenn nicht sogar jahrelang, damit sie genügend Informationen sammeln konnte, um ihn dann zu hintergehen. Sie hat den Aufstand verraten und zugesehen, wie alle Freunde ihres Ehemannes brutal niedergemetzelt wurden. Und sie hat dir deine Erinnerungen geraubt. Hast du ihr das etwa schon verziehen? Und als sie aus Idris geflohen ist, glaubst du ernsthaft, sie hätte jemals vorgehabt, mich mitzunehmen? Sie muss enorm erleichtert gewesen sein bei der Vorstellung, dass ich tot sei…«
»Das stimmt nicht!«, fauchte Clary. »Sie hatte ein Kästchen, in dem sie deine Babysachen aufbewahrt hat. Und sie hat es regelmäßig hervorgeholt und jedes Mal fürchterlich geweint. Jedes Jahr an deinem Geburtstag. Dasselbe Kästchen, das du übrigens in deinem Zimmer stehen hast.«
Seine dünnen, eleganten Lippen zuckten. Dann wandte er sich abrupt ab und marschierte los.
»Sebastian!«, rief Clary ihm nach. »Sebastian, warte.« Sie konnte nicht sagen, warum sie wollte, dass er zurückkehrte. Zugegeben, sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand und wie sie wieder zur Wohnung zurückfinden sollte, doch das war nicht der einzige Grund. Sie wollte sich verteidigen, ihm beweisen, dass sie nicht so war, wie er behauptete. Sie hob die Stimme und rief: »Jonathan Christopher Morgenstern!«
Er hielt inne, warf einen Blick über die Schulter und drehte sich langsam zu ihr um.
Clary ging auf ihn zu, während er sie beobachtete, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die schwarzen Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. »Ich wette, du weißt meinen zweiten Vornamen nicht«, sagte Clary.
»Adele.«
In der Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, lag eine solche Vertrautheit, dass sich Clary dabei unwohl fühlte.
»Clarissa Adele.«
Als sie ihn erreicht hatte, fragte sie: »Warum Adele? Ich hab nie herausgefunden, warum.«
»Keine Ahnung«, erwiderte Sebastian achselzuckend. »Ich weiß nur, dass Valentin diese Namen nie gewählt hätte. Er hätte dich lieber Seraphina genannt, nach seiner Mutter. Unserer Großmutter.« Sebastian drehte sich um und setzte sich erneut in Bewegung. Dieses Mal hielt Clary mit ihm Schritt. »Nachdem unser Großvater umgebracht worden war, ist sie gestorben – Herzinfarkt. Vor Kummer gestorben, das hat Valentin immer gesagt.«
Clary musste an Amatis denken, die über den Verlust ihrer ersten großen Liebe – Stephen – nie hinweggekommen war; an Stephens Vater, der vor Gram gestorben war; an die Inquisitorin, die ihr ganzes Leben dem Wunsch nach Vergeltung gewidmet hatte. An Jace’ Mutter, die sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, nachdem ihr Mann gestorben war. »Bevor ich die Nephilim kennengelernt habe, hätte ich steif und fest behauptet, dass niemand vor Kummer sterben könne.«
Sebastian lachte trocken. »Die Beziehungen, die wir eingehen, unterscheiden sich von denen der Irdischen«, sagte er. »Zumindest in den meisten Fällen. Schließlich sind nicht alle gleich. Aber die Bande, die zwischen uns entstehen, sind in der Regel leidenschaftlich und unzerbrechlich. Aus diesem Grund vertragen wir uns auch nicht so gut mit denjenigen, die nicht zu unserer Art gehören: Schattenwesen, Irdische…«
»Meine Mutter hat vor, einen Schattenweltler zu heiraten«, warf Clary getroffen ein. Sie befanden sich fast am Ende der Gasse und standen vor einem breiten Steinhaus mit blauen Fensterläden.
»Aber er war früher einmal ein Nephilim«, erwiderte Sebastian. »Und sieh dir mal unseren Vater an: Deine Mutter hat ihn hintergangen und verlassen. Trotzdem hat er den Rest seines Lebens versucht, sie wiederzufinden und sie davon zu überzeugen, zu ihm zurückzukehren. Dieser riesige Schrank voller Klamotten…« Er schüttelte den Kopf.
»Aber Valentin hat Jace erzählt, dass Liebe eine Schwäche sei. Dass sie den Betreffenden zerstören würde«, hielt Clary ihm entgegen.
»Würdest du das etwa nicht glauben, wenn du dein halbes Leben einer Frau nachgejagt wärst, weil du sie einfach nicht vergessen konntest – auch wenn sie dich abgrundtief hasst? Wenn du jeden Tag daran erinnert worden wärst, dass der Mensch, den du am meisten geliebt hast, dir ein Messer in den Rücken gerammt und es noch einmal genüsslich umgedreht hat?« Sebastian beugte sich einen Moment vor und war Clary auf einmal so nahe, dass sein Atem ihre Haare tanzen ließ. »Vielleicht besitzt du ja mehr Ähnlichkeit mit deiner Mutter als mit unserem Vater. Aber was spielt das schon für eine Rolle? Tief in dir drin bist du skrupellos und eiskalt, Clarissa. Und versuch nicht, mir was anderes zu erzählen.« Dann drehte er sich auf dem Absatz um und stieg die Stufen zu dem Haus mit den blauen Fensterläden hinauf. An der Wand neben dem Eingang schimmerte eine Reihe von Türklingeln, jede mit einem handgeschriebenen Namensschild versehen. Sebastian drückte auf den Knopf neben dem Namen »Magdalena« und wartete.
Nach einer Weile meldete sich eine krächzende Stimme durch die Sprechanlage: »Qui est là?«
»C’est le fils et la fille de Valentin«, sagte Sebastian. »Nous avons rendez-vous?«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann brummte der Türöffner. Sebastian hielt die Tür auf, um Clary vorgehen zu lassen. Die Stufen der Holztreppe waren abgewetzt und glatt wie die Planken eines Schiffs. Schweigend stiegen sie hinauf, bis sie das oberste Stockwerk erreichten, wo eine Wohnungstür einen Spalt offen stand. Sebastian trat als Erster ein und Clary folgte ihm.
Sie befanden sich in einem großen luftigen Raum mit weißen Wänden, hellen Vorhängen und glänzendem Parkettboden. Durch eines der Fenster konnte Clary hinunter auf eine Straße mit Restaurants und Boutiquen schauen. Zwar fuhren Autos vorbei, doch das Geräusch der Motoren drang nicht bis in die Wohnung. Weiße Möbel und Polstersofas mit bunten Zierkissen bildeten eine Sitzecke, während eine andere Ecke des Raums als Atelier zu dienen schien: Tageslicht fiel durch ein Dachfenster auf einen großen Holztisch. Dahinter standen mehrere, mit Tüchern verhängte Staffeleien. Ein Kittel, mit bunten Farbspritzern übersät, hing an einem Haken an der Wand.
Neben dem Tisch erwartete sie eine Frau. Auf den ersten Blick schätzte Clary, dass sie ungefähr im selben Alter wie Jocelyn war – aber mehrere Faktoren verschleierten die tatsächliche Anzahl ihrer Lebensjahre. Sie trug einen unförmigen schwarzen Kittel, der ihre Figur verhüllte. Nur ihre weißen Hände sowie Gesicht und Hals waren darunter zu sehen. Auf beiden Wangen prangte jeweils eine dicke schwarze Rune, die sich vom Auge bis zum Mundwinkel erstreckte. Clary hatte solche Runenmale noch nie gesehen, konnte ihre Bedeutung aber erahnen: Macht, Geschick, Kunstfertigkeit. Die Frau besaß dichtes kastanienbraunes Haar, das ihr bis zur Taille ging. Ihre Augen leuchteten in einem matten orangefarbenen Ton, der Clary an eine erlöschende Flamme erinnerte. Und die Hände hielt sie locker verschränkt vor ihrem Schoß.
Mit nervöser, melodischer Stimme bemerkte sie: »Tu dois être Jonathan Morgenstern. Et elle, c’est ta sœur? Je pensais que…«
»Ja, ich bin Jonathan Morgenstern«, bestätigte Sebastian. »Und das hier ist tatsächlich meine Schwester. Clarissa. Bitte sprich Englisch; sie versteht kein Französisch.«
Die Frau räusperte sich. »Mein Englisch ist ein wenig eingerostet. Es ist Jahre her, seit ich es zuletzt gesprochen habe.«
»Mir erscheint es immer noch gut genug. Clarissa, das hier ist Schwester Magdalena. Eine der Eisernen Schwestern.«
Clary war so verwundert, dass sie stotterte: »A-aber… aber ich dachte, die Eisernen Schwestern würden ihre Festung niemals verlassen…«
»Das tun sie auch nicht«, erklärte Sebastian. »Es sei denn, ihre nicht ganz so ehrenhafte Beteiligung am Aufstand wird bekannt. Was glaubst du, wer den Kreis mit Waffen versorgt hat?« Er schenkte Magdalena ein freudloses Lächeln. »Die Eisernen Schwestern sind Schöpferinnen, keine Kriegerinnen. Aber Magdalena ist aus der Festung geflohen, ehe ihre Beteiligung am Aufstand aufgedeckt werden konnte.«
»Fünfzehn Jahre lang hatte ich keinen einzigen Nephilim zu Gesicht bekommen – bis dein Bruder mich kontaktiert hat«, fügte Magdalena hinzu. Es ließ sich nur schwer sagen, wen sie beim Reden anschaute; ihre ausdruckslosen Augen zuckten hin und her, obwohl sie eindeutig nicht blind war. »Und, stimmt es wirklich? Hast du das… Material?«
Sebastian griff in den Beutel, der an seinem Waffengurt hing, und holte einen Gesteinsbrocken hervor, der im ersten Moment an Quarz erinnerte. Vorsichtig legte er ihn auf den großen Tisch und ein Sonnenstrahl, der durch das Dachfenster fiel, ließ den Brocken scheinbar von innen aufleuchten.
Einen Moment lang stockte Clary der Atem: der Adamant aus dem Trödelladen in Prag.
Auch Magdalena sog scharf die Luft ein.
»Reiner Adamant«, verkündete Sebastian. »Bisher von keiner Rune berührt.«
Die Eiserne Schwester trat an den Tisch und legte ihre Finger um den Gesteinsbrocken. Ihre mit zahlreichen Runenmalen übersäten Hände zitterten. »Adamant pur«, wisperte sie. »Es ist viele Jahre her, seit ich das heilige Material zum letzten Mal berührt habe.«
»Es gehört dir – du kannst damit arbeiten«, sagte Sebastian. »Wenn du fertig bist, werde ich dich mit weiterem Adamant bezahlen. Das heißt, sofern du erschaffen kannst, worum ich dich gebeten habe.«
Magdalena richtete sich auf. »Bin ich etwa keine Eiserne Schwester? Habe ich etwa keine Gelübde abgelegt? Haben meine Hände etwa nicht jahrelang den Urstoff des Himmels geformt? Ich kann dir durchaus liefern, was ich dir zugesagt habe, Valentins Sohn. Daran solltest du nicht zweifeln.«
»Freut mich zu hören.« Ein Hauch von Belustigung schwang in Sebastians Stimme mit. »Dann werd ich also heute Abend wieder vorbeikommen. Du weißt ja, wie du mich erreichen kannst, falls du mich brauchst.«
Magdalena nickte geistesabwesend: Sie hatte ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder auf die durchsichtige Substanz gerichtet und streichelte den Adamant mit den Fingern. »Ja, ja. Ihr könnt jetzt gehen.«
Sebastian nickte und trat einen Schritt zurück. Doch Clary zögerte. Sie hätte die Frau am liebsten an den Schultern gepackt und sie gefragt, womit Sebastian sie beauftragt hatte und warum sie gegen den Bündnisvertrag verstoßen und mit Valentin zusammengearbeitet hatte.
Magdalena schien ihr Zögern zu spüren, hob den Kopf und lächelte matt. »Ihr zwei…«, setzte sie an.
Einen Moment lang dachte Clary, die Eiserne Schwester würde nun etwas sagen wie: Sie könne gar nicht verstehen, warum Sebastian und Clary überhaupt zusammen bei ihr aufgetaucht waren; sie habe doch gehört, dass sie einander hassen würden. Und dass Jocelyns Tochter eine Schattenjägerin sei, während Valentins Sohn ein Verbrecher war.
Doch Magdalena schüttelte nur den Kopf. »Mon Dieu«, stieß sie hervor, »ihr zwei seid euren Eltern wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.«