Zitate aus
Der Ring der Kraft
Das Selbstvertrauen des Kriegers ist nicht das Selbstvertrauen des gewöhnlichen Menschen. Der gewöhnliche Mensch sucht Sicherheit in den Augen des Betrachters und nennt es Selbstvertrauen. Der Krieger sucht Makellosigkeit in seinen eigenen Augen und nennt es Demut. Der gewöhnliche Mensch ist an seine Mitmenschen gebunden, während der Krieger nur an das Unendliche gebunden ist.
Es gibt viele Dinge, die ein Krieger zu gegebener Zeit tun kann, und die er vor Jahren nicht tun konnte. Die Dinge selbst haben sich nicht geändert; was sich verändert hat, ist seine Vorstellung von sich selbst.
Das einzig Richtige, was ein Krieger tun kann, ist konsequentes Handeln, ohne Vorbehalte. Zu gegebener Zeit weiß er genug über den Pfad der Krieger, um entsprechend zu handeln, doch seine alten Gewohnheiten und seine Routine können ihm im Weg stehen.
Wenn einem Krieger etwas gelingen soll, muss der Erfolg allmählich kommen, mit großen Mühen, doch ohne Stress oder Besessenheit.
Der Innere Dialog ist es, der uns Menschen in der Welt verankert. Die Welt ist so und so, nur weil wir uns vorsagen, dass sie so und so sei. Der Durchgang in die Welt der Schamanen öffnet sich erst, nachdem der Krieger gelernt hat, seinen inneren Dialog abzustellen.
Unsere Vorstellung von der Welt zu ändern, das ist die Crux beim Schamanimus. Und das Abstellen des inneren Dialogs ist die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen.
Wenn ein Krieger lernt, den inneren Dialog abzustellen, wird alles möglich; die ausgefallensten Vorsätze werden durchführbar.
Ein Krieger nimmt sein Los auf sich und akzeptiert es in äußerster Demut. Demütig akzeptiert er, was er ist, und dies ist ihm kein Anlass zur Trauer, sondern eine lebendige Herausforderung.
Die Demut eines Kriegers ist nicht die Demut eines Bettlers. Der Krieger beugt den Kopf vor niemandem, doch gleichzeitig erlaubt er niemandem, den Kopf vor ihm zu beugen. Der Bettler dagegen fällt bei jeder Gelegenheit auf die Knie und kriecht vor jedem, den er höher gestellt glaubt, im Staub. Gleichzeitig verlangt er aber, dass ein Geringerer vor ihm im Staub kriecht.
Trost, Zuflucht, Furcht - all diese Wörter erzeugen Stimmungen, die wir zu akzeptieren gelernt haben, ohne nach ihrem Wert zu fragen.
Unsere Mitmenschen sind Schwarzmagier. Und jeder, der sich mit ihnen einlässt, wird auf der Stelle zum Schwarzmagier. Denk einmal nach. Kannst du von dem Weg abweichen, den deine Mitmenschen dir vorgezeichnet haben? Und wenn du bei ihnen bleibst, sind deine Gedanken und dein Handeln für immer zu ihren Bedingungen festgelegt. Das ist Sklaverei. Der Krieger dagegen ist frei von all dem. Freiheit ist teuer, aber der Preis ist nicht unerschwinglich. Fürchte also deine Sklavenhalter, deine Herren. Vergeude nicht deine Zeit und deine Kraft, indem du die Freiheit furchtest.
Der Fehler an den Worten ist, dass sie uns glauben machen, wir seien erleuchtet, doch wenn wir uns umdrehen und die Welt anschauen, lassen sie uns stets im Stich und wir sehen schließlich die Welt, wie wir sie immer gesehen haben, ohne Erleuchtung. Aus diesem Grund sucht ein Krieger lieber zu handeln als zu reden, und zu diesem Zweck übernimmt er eine neue Beschreibung der Welt - eine neue Beschreibung, wo Reden nicht so wichtig ist und neue Taten neue Betrachtungen nach sich ziehen.
Ein Krieger sieht sich bereits als tot, darum hat er nichts zu verlieren. Das Schlimmste ist ihm bereits geschehen, darum bleibt er klar und ruhig; nach seinen Taten oder seinen Worten zu urteilen, käme niemand auf den Verdacht, dass er alles miterlebt hat.
Das Wissen ist eine ganz besondere Sache, vor allem für einen Krieger. Für einen Krieger ist das Wissen etwas, das plötzlich kommt, ihn überfällt und weiterzieht.
Das Wissen kommt schwebend zu einem Krieger, wie Flocken von Goldstaub, wie Staub auf den Flügeln von Schmetterlingen. Darum ist Wissen für einen Krieger gleich als nähme er eine Dusche, als ließe er sich beregnen von Flocken dunklen Goldstaubs.
Wann immer der innere Dialog aufhört, bricht die Welt zusammen, und außerordentliche Seiten unseres Selbst werden sichtbar, äs wären sie von unseren Worten streng bewacht gewesen.
Die Welt ist unergründlich. Wir sind es auch, genau wie alle Wesen, die es auf dieser Welt gibt.
Krieger erringen Siege nicht, indem sie den Kopf gegen die Mauer stoßen, sondern indem sie Mauern überwinden. Krieger springen über Mauern; sie reißen sie nicht nieder.
Ein Krieger muss das Gefühl entwickeln, dass er alles hat, was er für die außerordentliche Reise seines Lebens braucht. Für einen Krieger zählt einzig, dass er am Leben ist. Das Leben an sich genügt, es erklärt sich selbst und ist vollkommen. Daher kann man ohne Anmaßung sagen, dass es die Erfahrung aller Erfahrungen ist, am Leben zu sein.
Der gewöhnliche Mensch hält es für ein Zeichen von Sensibilität, von Spiritualität, sich Zweifeln und Trübsal hinzugeben. In Wahrheit ist der gewöhnliche Mensch alles andere als sensibel. Seine kleinliche Vernunft bläht sich willkürlich zu einem Monstrum oder einem Heiligen auf, aber wahrhaftig, sie ist zu klein für die große Rolle eines Monsters oder eines Heiligen.
Um ein Krieger zu sein, ist es nicht damit getan, einer sein zu wollen. Vielmehr ist es ein endloser Kampf, der bis zum allerletzten Moment unseres Lebens währt. Niemand wird als Krieger geboren, wie auch niemand als gewöhnlicher Mensch geboren wird. Wir machen uns zu dem einen oder dem anderen.
Ein Krieger stirbt auf schwere Art. Sein Tod muss kämpfen, um ihn zu holen. Ein Krieger überlässt sich dem Tod nicht so leicht.
Die Menschen sind keine festen Objekte und haben keine Substanz. Sie sind runde leuchtende Wesen; sie sind grenzenlos. Die Welt der festen Objekte ist nur eine Beschreibung, die geschaffen wurde, um ihnen zu helfen, um ihre Durchreise auf Erden angenehmer zu machen.
Ihre Vernunft lässt die Menschen vergessen, dass die Beschreibung nur eine Beschreibung ist, und bevor sie es merken, sind sie mit der Ganzheit ihres Selbst in einem Teufelskreis gefangen, aus dem sie ihr Leben lang kaum mehr entrinnen werden.
Menschen sind wahmehmende Wesen, aber die Welt, die sie wahmehmen, ist eine Illusion: eine Illusion, geschaffen durch die Beschreibung, die ihnen seit dem Augenblick ihrer Geburt erzählt wurde.
Im Grunde ist jene Welt, die sie mit ihrer Vernunft aulrechterhalten möchten, eine Welt, geschaffen durch eine Beschreibung und deren dogmatische und unumstößliche Regeln, die ihre Vernunft zu akzeptieren und zu verteidigen gelernt hat.
Der heimliche Vorteil leuchtender Wesen ist, dass sie etwas haben, was nie benutzt wird: ihr Wollen. Die Taktik der Schamanen ist die gleiche wie die Taktik gewöhnlicher Menschen. Beide haben eine Beschreibung der Welt. Der gewöhnliche Mensch erhält sie mit seiner Vernunft aufrecht; der Schamane hält sie mit seinem Wollen aufrecht. Beide Beschreibungen haben ihre Regeln; doch der Vorteil des Schamanen ist, dass das Wollen umfassender ist als die Vernunft.
Nur als Krieger kann man den Weg des Wissens ertragen. Ein Krieger darf nichts bereuen und nichts beklagen. Sein Leben ist eine endlose Herausforderung, und Herausforderungen sind niemals gut oder schlecht. Herausforderungen sind einfach Herausforderungen.
Der grundlegende Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Menschen und einem Krieger ist, dass ein Krieger alles als Herausforderung annimmt, während ein gewöhnlicher Mensch alles als Segen oder Fluch hinnimmt.
Der Trumpf des Kriegers ist, dass er glaubt, ohne zu glauben. Aber natürlich kann ein Krieger nicht einfach sagen, er glaubt, und es damit bewenden lassen. Das wäre allzu leicht. Einfach zu glauben, ohne sich anzustrengen, würde ihn von der Pflicht entbinden, seine Situation zu überprüfen. Immer wenn sich ein Krieger aufs Glauben einlassen muss, tut er es aus freier Wahl. Ein Krieger glaubt nicht, ein Krieger muss glauben.
Der Tod ist ein unentbehrlicher Bestandteil des Glaubenmüssens. Ohne das Bewusstsein vom Tode ist alles gewöhnlich, banal. Nur deshalb, weil der Tod uns umschleicht, ist die Welt ein unergründliches Mysterium. Auf diese Weise glauben zu müssen ist Ausdruck der innersten freien Wahl eines Kriegers.
Die Kraft bietet dem Krieger immer das Quäntchen einer Chance. Es ist die Kunst des Kriegers, immer beweglich zu sein, um es aufzusammeln.
Der gewöhnliche Mensch ist sich der Dinge nur bewusst, wem er glaubt, er solle es sein. Die Lebensbedingung eines Kriegers ist aber, aller Dinge zu jeder Zeit bewusst zu sein.
Die Ganzheit unseres Selbst ist eine sehr geheimnisvolle Sache. Wir brauchen nur einen kleinen Teil davon, um die kompliziertesten Aufgaben des Lebens zu vollbringen. Doch wenn wir sterben, sterben wir mit der Ganzheit unseres Selbst.
Als Faustregel soll ein Krieger seine Entscheidungen so sorgfältig treffen, dass nichts, was aus ihnen folgen mag, ihn überraschen, geschweige denn seine Kraft erschöpfen kann.
Wenn ein Krieger die Entscheidung trifft, zur Tat zu schreiten, soll er bereit sein zu sterben. Ist er bereit zu sterben, dann sollte es keine Irrtümer, keine unliebsamen Überraschungen, keine unnötigen Taten geben. Alles sollte sich von selbst ergeben, fugen, weil er nichts erwartet.
Als Lehrer sollte ein Krieger die Möglichkeit lehren, zu handeln, ohne zu glauben, ohne Belohnung zu erwarten - einfach drauflos zu handeln. Sein Erfolg als Lehrer hängt davon ab, wie gut und harmonisch er seine Schützlinge in dieser Hinsicht leitet.
Um dem Schüler zu helfen, seine persönliche Geschichte auszulöschen, zeigt ihm der Krieger als Lehrer drei Techniken: wie man die Selbstgefälligkeit ablegt, wie man Verantwortung für seine Taten übernimmt und wie man den Tod als Ratgeber nutzt. Ohne die förderliche Wirkung dieser drei Techniken würde das Auslöschen der persönlichen Geschichte zu Wankelmut und Flüchtigkeit führen, zu unnötigen Zweifeln an sich selbst und den eigenen Taten.
Es ist unmöglich, das Selbstmitleid für immer loszuwerden. Es hat einen bestimmten Platz und Charakter in unserem Leben, eine bestimmte Fassade, die erkennbar ist. Darum wird jedes Mal, wenn sich Gelegenheit bietet, die Fassade des Selbstmitleids aktiv. Sie hat eine Geschichte. Doch wenn man die Fassade ändert, verändert man ihre Vorrangstellung. Man ändert Fassaden, indem man die Bestandteile der Fassade selbst verändert. Selbstmitleid ist nützlich für den, der es braucht, weil er sich wichtig fühlt und meint, bessere Bedingungen und bessere Behandlung zu verdienen, oder weil er nicht bereit ist, die Verantwortung für die Taten zu übernehmen, die ihn in jenen Zustand brachten, der das Selbstmitleid auslöste.
Die Fassade des Selbstmitleids ändern heißt nur, einen früher wichtigen Bestandteil auf einen untergeordneten Platz zu verweisen. Das Selbstmitleid ist noch vorhanden, jetzt aber in den Hintergrund getreten, wie die Idee des bevorstehenden Todes, die Idee der Demut eines Kriegers, die Idee der Verantwortung für die eigenen Taten einst für den Krieger im Hintergrund standen, ohne genutzt zu werden - bis er ein Krieger wurde.
Ein Krieger bekennt sich zu seinem Schmerz, aber er schwelgt nicht darin. Die Stimmung eines Kriegers, der in das Unbekannte zieht, ist nicht Traurigkeit; im Gegenteil, er ist fröhlich, weil er sich durch sein Glück begnadet fühlt, weil er auf seinen makellosen Geist vertraut und vor allem, weil er sich seiner Tüchtigkeit bewusst ist. Die Fröhlichkeit eines Kriegers kommt aus der Annahme seines Schicksals und aus der ehrlichen Einschätzung dessen, was vor ihm liegt.