Zitate aus
Reise nach Ixtlan
Kaum je erkennen wir, dass wir alles aus unserem Leben ausschließen können, jederzeit, in einem Augenblick.
Man sollte sich nicht dämm kümmern, Foto- oder Tonbandaufnahmen festzuhalten. Dies sind überflüssige Dinge des sesshaften Lebens. Man sollte sich um den Geist kümmern, der immer flüchtig ist.
Ein Krieger braucht keine persönliche Geschichte. Eines Tages findet er, dass er sie nicht mehr braucht, und er wirft sie weg.
Die persönliche Geschichte muss stets erneuert werden, indem man Eltern, Verwandten und Freunden alles erzählt, was man tut. Ein Krieger dagegen, der keine persönliche Geschichte hat, braucht keine Erklärungen zu geben; niemand ist böse oder enttäuscht über seine Taten. Und vor allem, niemand legt ihn mit Gedanken und Erwartungen fest.
Wenn nichts sicher ist, bleiben wir wachsam, stets auf der Hut. Es ist spannender, nicht zu wissen, hinter welchem Busch sich der Hase versteckt, als so zu tun, als wüssten wir alles.
Solange der Mensch glaubt, er sei das Wichtigste auf der Welt, kann er die Welt, die ihn umgibt, nicht wirklich würdigen. Er ist wie ein Pferd mit Scheuklappen; er sieht nur sich selbst, getrennt von allem anderen.
Der Tod ist ewig unser Gefährte. Er ist immer zu unserer Linken, eine Spanne weit hinter uns. Der Tod ist der einzige weise Ratgeber, den ein Krieger hat. Immer wenn er glaubt, dass alles schief geht und seine Vernichtung droht, kann er sich an seinen Tod wenden und fragen, ob dem so ist. Sein Tod wird ihm sagen, dass er sich irrt, dass nichts von Bedeutung ist außer der Berührung des Todes. Sein Tod wird ihm sagen: »Noch habe ich dich nicht berührt. «
Immer wenn ein Krieger beschließt, etwas zu tun, muss er die Sache durchführen, aber er muss für das, was er tut, die Verantwortung übernehmen. Ganz gleich, was er tut, er muss vor allem wissen, warum er es tut, und dann muss er seine Taten durchführen, ohne an ihnen zu zweifeln oder sie zu bereuen.
In einer Welt, wo der Tod der Jäger ist, gibt es keine Zeit für Reue oder Zweifel. Es gibt nur Zeit für Entscheidungen Welche Entscheidungen, das spielt keine Rolle. Nichts könnte wichtiger oder weniger wichtig sein als alles andere. In einer Welt, wo der Tod der Jäger ist, gibt es keine kleinen oder großen Entscheidungen. Es gibt nur Entscheidungen, die ein Krieger im Angesicht seines unausweichlichen Todes trifft.
Ein Krieger muss lernen, an der richtigen Wegbiegung erreichbar oder unerreichbar zu sein. Für einen Krieger ist es nutzlos, ungewollt jederzeit erreichbar zu sein, wie es für ihn nutzlos ist, sich zu verstecken, wenn jedermann weiß, dass er sich versteckt.
Nicht verfügbar zu sein bedeutet für den Krieger, dass er die Welt, die ihn umgibt, nur behutsam berührt. Vor allem vermeidet er achtsam, sich oder andere zu erschöpfen. Er benutzt Menschen nicht und presst sie nicht aus, bis sie zum Nichts schrumpfen, besonders nicht Menschen, die er liebt.
Sobald der Mensch sich sorgt, klammert er sich aus Verzweiflung an alles; und sobald er sich anklammert, erschöpft er unweigerlich sich selbst oder denjenigen, dasjenige, woran er sich anklammert. Ein Jäger-Krieger hingegen weiß, dass ihm das Wild immer wieder in die Falle gehen wird, darum sorgt er sich nicht. Sich sorgen heißt, sich verfügbar, ungewollt verfügbar machen.
Ein Jäger-Krieger steht auf vertrautem Fuß mit seiner Welt, und doch ist er nicht verfügbar für diese Welt. Er klopft leise an, bleibt so lange wie nötig und geht rasch wieder fort, kaum eine Spur hinterlassend.
Ein Jäger-Krieger sein heißt nicht nur, das Wild zu fangen. Ein Jäger- Krieger fängt nicht deshalb Wild, weil er Fallen stellt oder weil er die Gewohnheiten seiner Beute kennt, sondern weil er selbst keine Gewohnheiten hat. Dies ist sein Vorteil. Er ist anders als die Tiere, denen er nachstellt und die durch schwerfällige Routine und berechenbare Gewohnheiten festgelegt sind; er ist frei, beweglich, unberechenbar.
Für einen gewöhnlichen Menschen ist die Welt unheimlich, weil er, falls er ihrer nicht überdrüssig ist, mit ihr hadert. Für einen Krieger ist die Welt unheimlich, weil sie erstaunlich, Ehrfurcht gebietend, geheimnisvoll, unergründlich ist. Ein Krieger muss die Verantwortung dafür übernehmen, dass er hier ist in dieser wunderbaren Welt, zu dieser wunderbaren Zeit.
Ein Krieger muss lernen, so zu handeln, dass jede Tat zählt, denn er wird nur noch kurze Zeit hier sein in dieser Welt, tatsächlich zu kurz, um all ihre Wunder zu erleben.
Taten haben Macht. Besonders wenn der handelnde Krieger weiß, dass diese Taten sein letztes Gefecht sind. Das ist ein sonderbares, verzehrendes Glück, zu handeln im vollen Wissen, dass dies, was immer er tut, seine letzte Tat auf Erden sein kann.
Ein Krieger soll seine Aufmerksamkeit auf die Verbindung zwischen ihm selbst und dem Tod konzentrieren. Ohne Reue oder Trauer oder Sorge soll er seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, dass er keine Zeit hat, und seine Taten entsprechend fließen lassen. Er soll dafür sorgen, dass jede seiner Taten sein letztes Gefecht auf Erden sein könnte. Nur unter dieser Bedingung werden seine Taten die Macht haben, die ihnen gebührt. Sonst werden sie, solange er lebt, die Taten eines Narren sein.
Ein Jäger-Krieger weiß, dass sein Tod auf ihn wartet und dass die Tat, die er gerade ausfuhrt, sein letztes Gefecht auf Erden sein kann. Er nennt sie Gefecht, weil sie ein Kampf ist. Die meisten Menschen schreiten kampflos und gedankenlos von Tat zu Tat. Ein Krieger hingegen bewertet jede Tat. Und da er mit seinem Tod auf vertrautem Fuß steht, handelt er wohl überlegt, als sei jede Tat sein letztes Gefecht. Nur ein Narr wird nicht bemerken, welchen Vorteil ein Jäger-Krieger vor seinen Mitmenschen hat. Ein Jäger-Krieger zollt seinem letzten Gefecht die gebührende Achtung. Es versteht sich von selbst, dass seine letzte Tat auf Erden seine beste sein sollte. So ist es gut, und es nimmt seiner Furcht den Stachel.
Ein Krieger ist ein untadeliger Jäger, der auf Macht ausgeht. Er ist weder trunken noch verrückt, auch hat er weder Zeit noch Neigung, zu bluffen oder sich selbst zu belügen oder einen falschen Schritt zu tun. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Was auf dem Spiel steht, ist sein klares, geordnetes Leben, das zu straffen und zu vervollkommnen er so lange brauchte. Er wird es nicht wegwerfen, indem er einen dummen Irrtum begeht, indem er etwas mit etwas anderem verwechselt.
Ein Mensch, jeder Mensch, verdient all das, was des Menschen Schicksal ist, Freude, Traurigkeit und Mühe. Welcher Art seine Taten sind, ist unwichtig, solange er sie als Krieger tut. Ist sein Geist aus dem Lot, sollte er ihn einfach reparieren - ihn läutern, ihn vervollkommnen -, weil es im Leben keine Aufgabe gibt, die lohnender wäre. Nicht den Geist zu reparieren heißt den Tod suchen, und das ist dasselbe wie nichts zu suchen, denn der Tod wird uns ohnehin einholen, egal wie und wann. Die Vervollkommnung des Krieger-Geistes zu suchen ist die einzige Aufgabe, würdig unserer Vergänglichkeit, unseres Menschseins.
Das Schwerste auf der Welt ist es, sich in die Stimmung eines Kriegers zu versetzen. Es hat keinen Sinn, traurig zu sein und zu klagen - und sich dazu berechtigt zu fühlen im Glauben, dass immer irgendjemand uns irgendetwas angetan hat. Niemand tut jemandem etwas an, am wenigsten einem Krieger.
Ein Krieger ist ein Jäger. Er kalkuliert alles. Das ist seine Kontrolle. Sobald er seine Kalkulation abgeschlossen hat, handelt er. Er lässt los. Das ist seine Hingabe. Ein Krieger ist kein Blatt im Wind. Niemand kann ihn herumstoßen; niemand kann ihn zwingen, etwas gegen seinen Willen oder gegen seine bessere Einsicht zu tun. Ein Krieger ist auf Überleben eingestellt, und er überlebt auf die bestmögliche Art.
Ein Krieger ist nur ein Mensch, ein demütiger Mensch. Er kann die Pläne seines Todes nicht ändern. Aber sein makelloser Geist, der nach ungeheuren Mühen Kraft aufgespeichert hat, kann gewiss den Tod einen Moment aufhalten, lange genug, um ein letztes Mal frohlockend seiner Kraft zu gedenken. Man könnte sagen, dies ist eine Geste des Todes gegenüber denen, die einen makellosen Geist haben.
Es spielt keine Rolle, wie man erzogen wurde. Entscheidend für die Art, wie man etwas tut, ist die persönliche Kraft. Ein Mensch ist nur die Summe seiner persönlichen Kraft, und diese Summe entscheidet darüber, wie er lebt und wie er stirbt.
Persönliche Kraft ist ein Gefühl. Etwas wie Glücklichsein. Oder man könnte es eine Stimmung nennen. Persönliche Kraft ist etwas, das man durch einen lebenslangen Kampf gewinnt.
Ein Krieger handelt, als wüsste er, was er tut, auch wenn er in Wirklichkeit nichts weiß.
Ein Krieger bereut nichts, was er getan hat, denn die eigenen Taten als böse, hässlich oder schlecht herauszustellen, heißt, dem eigenen Selbst eine ungebührliche Bedeutung beizumessen.
Der Trick besteht darin, was wir in den Vordergrund stellen. Entweder wir machen uns elend, oder wir machen uns stark. Der Arbeitsaufwand ist der gleiche.
Die Leute sagen uns seit dem Tag unserer Geburt, die Welt sei so und so beschaffen, und natürlich haben wir keine Wahl, als zu akzeptieren, dass die Welt so ist, wie die Leute es uns sagen.
Es ist die Kunst des Kriegers, den Schrecken, ein Mensch zu sein, und das Wunder, ein Mensch zu sein, im Gleichgewicht zu halten.