Kapitel 8: Wie der Skorpion an den Sternenhimmel kommt
Leidenschaftlichkeit sagt man den Skorpionen nach – und so ist
es kein Wunder, dass ein liebestoller Jäger die Hauptrolle in der
Sage spielt, die den Skorpion zum Sternzeichen machte. Wenn Sie den
Namen Orion nicht nur von der gleichnamigen deutschen
Science-fiction-TV-Serie aus den 60er Jahren kennen (oder vom
Sex-Versandhandel), wissen Sie vielleicht, was die alten Griechen
über diesen (selbstverständlich außerehelichen!) Sohn ihres
Meeresgottes Poseidon erzählten. Oder doch nicht?
Orion war ein schöner Jäger von gewaltiger Körpergröße (ein
antiker Arnold Schwarzenegger, sozusagen!). Er gab nicht nur mit
seinem Sexappeal an, sondern brüstete sich außerdem, er könne jedes
Tier auf der Erde erlegen, keines könne ihn besiegen. Diese
Protzerei konnte natürlich nicht gut gehen, und so gibt es gleich
mehrere Versionen, wie Orion zu Tode kam.
In der ersten Geschichte wird berichtet, dass die Erdmutter Gäa
sauer über die Jagdambitionen des Orion war und einen Skorpion
schickte, den der Jäger nicht erlegen konnte. An seinem Biss bzw.
Stich er starb sogar. Die anderen bekannten Sagen beschäftigen sich
mehr mit dem Liebesverhalten des schönen Weidmannes. Orion neigte
nämlich stark dazu, sich keinen Pfifferling darum zu scheren, wenn
eine Dame nicht so wollte wie er. Dabei machte er keinen
Unterschied, ob es sich um Prinzessinnen wie Merope handelte, um
Göttinnen wie Artemis oder um die sieben (!) Töchter des
Himmelsträgers Atlas, die Plejaden.
Um auf den Punkt zu kommen: Orion fand die Mädels nett, und so
hatten sie ihm gefälligst zu Willen zu sein. Wenn nicht, wurden sie
kurzerhand vergewaltigt. Sowohl der Vater von Merope wie die
Jagdgöttin Artemis und selbstverständlich auch Zeus, der Opa der
Plejaden, fanden dieses Verhalten einfach unmanierlich. Und so
blendete man den Helden (wie der Papa von Merope!), sandte entweder
einen Skorpion aus (wie Artemis!), um den Wüstling zu stoppen oder
versetzte (wie Göttervater Zeus!) Orion samt Plejaden und Skorpion
an den Himmel. Die Moral von der Geschicht’ in allen bekannten
Fällen: Orion musste für seine Angeberei büßen...
Der Skorpion am Himmel war früher – zu Zeiten der griechischen
Helden – wesentlich größer als heute. Denn er bestand aus zwei
Hälften: die eine umfasste Körper und Stachel, die andere lediglich
seine Scheren. Genau diese trennten die Römer im ersten
nachchristlichen Jahrhundert ab und machten daraus ein eigenes
Sternbild: die Waage.
Die Geschichte von Orion und dem Skorpion gehört wohl zu den ältesten griechischen Mythen. Die beiden Sternbilder liegen am Himmel einander gegenüber: Der lustvolle Jäger geht auf, wenn sein Widersacher Skorpion untergeht. Auf alten Sternenkarten ist ein Fuß Orions so dargestellt, dass er sich sogar mit dem Körper des giftigen Skorpions überschneidet.
Das Sternbild weist bis weit in die vorgriechische Zeit zurück: Schon die Sumerer kannten es vor über 5000 Jahren als „Gir-tab“: der Skorpion. Der hellste Stern des Tierkreiszeichens ist Antares, was – aus dem Griechischen übersetzt – etwa bedeutet „wie Mars“ oder „Gegenspieler des Mars“. Der Name weist auf die rot-orange Farbe des Sterns hin – sie ähnelt nämlich unserem Planeten Mars – und fügt sich in die alte astrologische Überlieferung ein, dass im Skorpion der Mars sein Haus hat. Antares ist eigentlich ein Doppelsternsystem, dessen hellerer Stern, ein „Überriese“, unsere Sonne mehrere hundert Mal an Größe übertrifft.