8. KAPITEL
Jessie kam aus dem Ankleidezimmer in die Hotelsuite und kämpfte mit einem widerspenstigen Ohrring. Wie ein Kind vor dem Regal mit Süßigkeiten war sie sich vorgekommen, als das Zimmermädchen die Designerstücke ausgepackt hatte, mit denen Joshua sie für die Monacoreise überraschen wollte. Farbenfrohe Kleider, eines verführerischer als das andere. Sie hatte für heute Abend das flammend rote, rückenfreie Isaac-Mizrahi-Kleid mit dem kurzen, bauschigen Rock ausgesucht. Von vorne wirkte es ziemlich brav – zumindest so lange, bis sich der vom Hals bis zur Taille reichende Schlitz öffnete und den Blick auf zwei feste, leicht gebräunte Brüste lenkte.
„Wieso bist du noch nicht angezogen?“, fragte sie, als sie sah, dass Joshua sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf dem Bett ausgestreckt hatte. Eine Bettdecke lag auf dem Boden, und Joshua war splitternackt.
Seine dunklen Augen blickten herausfordernd. „Hast du keinen Jetlag?“, fragte er gedehnt. „Vielleicht solltest du wieder ins Bett kommen und ein Nickerchen machen.“
„O nein, wage es nicht, Joshua Falcon. Dasselbe hast du bereits vor drei Stunden gesagt.“ Unter seinem feurigen Blick begann ihr Herz zu rasen. „Wir sind erst vier Stunden in Monte Carlo und haben bereits zweimal miteinander geschlafen.“ Sie ließ ihre Hand sinken, nachdem es ihr endlich gelungen war, den Ohrring zu befestigen. „Ich dachte, du hast mich hierher gebracht, damit wir ins Spielcasino gehen.“
„Habe ich auch.“ Joshua erhob sich und näherte sich ihr geschmeidig wie ein Panther. Sie betrachtete seinen sehnigen, muskulösen Körper, und die unübersehbare Erektion. „Und damit ich dich so angezogen sehen kann. Gott, du siehst fantastisch aus.“ Er glitt mit der Hand in den Ausschnitt und streichelte ihre nackte Haut. Jessie wölbte sich ihm entgegen. „Du machst mich heiß, ganz egal, ob du angezogen oder nackt bist. Herrlich, wie deine schönen kleinen Brüste in diesem Kleid mal zu sehen sind und dann mal wieder nicht.“
Sie leckte sich über die glänzend roten Lippen. „Hör auf, mich verrückt zu machen“, warnte sie ihn und befürchtete zugleich, dass es bereits zu spät wäre. Doch sie blieb eisern. „Ich möchte ins Casino“, sagte sie lachend und packte ihn am Handgelenk. Er könnte ihr diesen Hauch von Stoff in Sekundenschnelle vom Körper reißen und sie aufs Bett werfen.
Ein Schauer erfasste sie, was ihn lächeln ließ. Sanft fuhr er mit dem Handrücken von ihrem Hals zur Taille und wieder zurück. Ihre Brustwarzen waren steil aufgerichtet und zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab.
Jessie schloss die Augen, wartete darauf, dass er ihre Brüste streicheln und ihre Nippel in den Mund nehmen würde, so wie vor etwa vierzig Minuten, kurz bevor sie unter die Dusche gegangen war. Sie hörte sein belustigtes Lachen.
„Du bist gerne Frau, nicht wahr?“ Nur mit den Fingerknöcheln berührte er den Stoff an ihrer Taille. Jessie hob eine Augenbraue, etwas, was sie von ihm abgeschaut hatte. Er tat so, als bemerke er nicht, was er mit ihr anstellte, und fuhr mit leiser, zärtlicher Stimme fort: „Ich sehe dir gerne dabei zu, wie du dich zum Ausgehen fertig machst.“ Seine Hand rutschte etwas höher. Jessie erzitterte.
„Jede deiner Bewegungen ist graziös und feminin. Vor allem beim Schminken. Du bist einfach gerne Frau, du genießt die Zeremonie, die damit zusammenhängt.“
Jessie fühlte sich vom sinnlichen Klang seiner Stimme und dem rhythmischen Streicheln seiner Fingerspitzen wie hypnotisiert. Sie machte einen Schritt nach hinten, um wieder klar denken zu können. „Du meine Güte. Was ist denn mit dir los?“
Joshua zuckte mit den Schultern. „Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der sich in seiner Haut so wohlfühlt wie du.“ Er zog sich einen Bademantel über und sah sie stirnrunzelnd an. „Wenn man bedenkt, wie du aufgewachsen bist, dann frage ich mich, woher dieses erstaunliche Selbstwertgefühl kommt.“
Jessie war etwas verlegen und zugleich geschmeichelt. Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Ein Großteil ihres Selbstbewusstseins war nichts anderes als Selbstschutz, den sie seit Jahren aufgebaut hatte. „Irgendwie ist es mir gelungen, mir selbst etwas beizubringen. Schon als Kind ist mir klar gewesen, dass das Leben meiner Mutter nichts mit meinem zu tun hat. Ich habe alles dafür getan, dass ich nie vergaß, wer ich bin.“
Joshua legte eine Hand an ihre Wange. „Ich bewundere dich maßlos, Jessica Adams.“ Er küsste sie sanft und ging dann ins Badezimmer.
Jessie ließ sich aufs Bett fallen und starrte auf die geschlossene Tür.
Das Casino war ganz in Mahagoni und Gold gehalten, es strahlte dieselbe vornehme Eleganz aus wie vermutlich zu der Zeit, als es gebaut wurde, in den frühen Sechzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts. Jessie war hingerissen. „Es ist nicht fair, dass die Einwohner Monte Carlos hier nicht reindürfen.“ Am liebsten hätte sie nicht mal geblinzelt, so versessen war sie darauf, alles zu betrachten. „Da bleibt ihnen ein herrlicher Teil ihres Kulturerbes vorenthalten.“
„Das ist ein vergleichsweise kleiner Preis in Anbetracht der Tatsache, dass in Monaco keine Steuern gezahlt werden müssen“, entgegnete Joshua trocken.
„Es geht um ihre Kultur …“, Jessie blickte sich um, „nicht um Geld.“
„Sag das mal denen, die eine Familie ernähren müssen. Die wenigsten Menschen verlassen ein Casino mit mehr Geld in der Tasche, Jess. Den Einwohnern tut man damit einen Gefallen.“
„Wie zynisch. Und ich finde es trotzdem nicht in Ordnung“, sagte sie, abgelenkt von den Sehenswürdigkeiten und Geräuschen im Casino. Elegant gekleidete Frauen und gut aussehende Männer im Smoking spazierten durch die ausgedehnten Räume, alle erdenklichen Sprachen waren zu hören. Als sie in einen Raum kamen, in dem sich Dutzende Roulettetische befanden, leuchteten ihre Augen auf.
„Sie dürfen nur nicht in die Spielräume, kleine Miss Mitleid.“ Er spielte mit einer Haarsträhne, die sich in ihrem Nacken gelöst hatte. „Aber jeder kann im Grand Theater Ballett- oder Opernaufführungen sehen.“ Er zog ihre Hand an seine Lippen und küsste jeden einzelnen Finger. Sie schloss die Augen, bat ihn flüsternd und errötend, aufzuhören, zog die Hand aber nicht weg.
Jessie spürte seine harten Muskeln, als er sich an sie drückte. Schnell ging sie einen Schritt zurück und betastete ihre Hochfrisur. Als sie dieses Kleid ausgewählt hatte, war ihr klar gewesen, dass sie mit dem Feuer spielte. Ich habe aber nicht gleich mit einem Waldbrand gerechnet, dachte sie, als sie seinen brennenden Blick auf ihren fast entblößten Brüsten spürte.
„Benimm dich“, schalt sie ihn und holte zitternd Luft.
Lächelnd hakte er sich bei ihr ein. „Du bist eine strenge Frau.“
„Pst, ich will die Atmosphäre in mich aufnehmen.“ Den Geruch nach Reichtum in der diskret parfümierten Luft. Das Aroma von Macht und Geld gemischt mit dem Duft frischer Blumen, die aus den kostbaren Vasen in den beleuchteten Wandnischen quollen.
Jessies goldene Absätze versanken in dem dicken blauschwarzen Orientteppich. Gedämpftes Murmeln wob sich unter die dezenten Melodien eines kleinen Orchesters.
Joshuas Hand lag leicht auf ihrer Hüfte, er liebkoste sie gedankenverloren, während sie durch das riesige Casino spazierten. Vermutlich merkte er gar nicht, dass er sie nun viel öfter in der Öffentlichkeit berührte. Diese Tatsache bedeutete ihr mehr, als sie jemals für möglich gehalten hätte.
„Wieso strahlst du wie ein Honigkuchenpferd?“, fragte Joshua und führte sie in den nächsten Raum.
Sie betrachtete ihn mit funkelnden Augen. „Ich bin glücklich.“
Er berührte ihr Gesicht, als ob er einfach nicht anders könnte. „Das Gebäude existiert schon weit über hundert Jahre, Jess. Wir müssen uns nicht beeilen.“
„Jemand könnte mir meinen Platz wegschnappen.“ Sie zügelte ihr Tempo und blickte sich so lässig wie möglich um.
„Such dir einen Tisch aus. Ich hole die Chips.“
Sie biss sich auf die Lippen. „Nicht zu viele“, warnte sie ihn. „Ich will nur eine Stunde oder so spielen.“
Kurz darauf kam Joshua zurück. Jessie verstaute die Chips in ihrer Handtasche, machte eine kleine Pirouette, inspizierte die Tische und wählte dann einen aus.
„Bin ich gestorben und direkt in den Himmel gekommen?“ Sie grinste, öffnete ihre kleine Chaneltasche und nahm eine Handvoll schwarze und goldene Chips heraus. „Komm, spiel mit mir.“
Joshua beugte sich nach vorne, seine Lippen streiften ihr Ohr. „Ich möchte lieber oben mit dir spielen.“ Er schob ihr einen eleganten Brokatstuhl hin.
„Geduld wird meist belohnt“, wisperte sie und türmte die Chips ordentlich vor sich auf dem grünen Tisch auf. Sie spürte Joshuas Anwesenheit hinter sich und versuchte, sich auf das Spiel zu konzentrieren.
In Wahrheit hatte sie überhaupt keine Ahnung, wie man Roulette spielte. Sie legte die Chips einfach auf Rot oder Schwarz oder Doppel-Null und genoss den Adrenalinstoß, wenn die Chips entweder vom Tisch geschabt oder ihr zugeschoben wurden.
Als sie keine Lust mehr hatte, besaß sie einige Chips mehr als zuvor. Joshua hatte die ganze Zeit hinter ihr gestanden, die Hand besitzergreifend auf ihre Schulter gelegt, und kein Wort gesagt.
„Ich verhungere.“ Jessie stand auf. Joshua half ihr lachend, die Chips einzusammeln.
„Du bist so leicht zu durchschauen.“ Er dirigierte sie zu dem Fünfsternerestaurant, von dem aus man einen herrlichen Blick über die Meeresbucht hatte. „Immer hungrig. Komm. Ich mache dich satt, und du bringst mir Glück.“
Als sie an einem Tisch Platz genommen hatten, holte Jessie eine Handvoll Chips aus der Tasche. „Die sind so hübsch, ich glaube, ich nehme sie einfach mit nach Hause zur Erinnerung an diese wunderbare Reise.“
Joshua verschluckte sich beinahe an seinem Wein. Jessie hob die Augenbrauen. „Was ist?“
„Hast du eine Ahnung, wie viel diese Chips wert sind, Jessie?“ Joshua tupfte sich den Mund mit der Serviette ab.
Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Fünf Dollar?“
„Jeder Chip ist zehntausend Dollar wert!“
„Wie bitte!“, quiekte Jessie. „Du machst Witze. Das müssen … o mein Gott Joshua, das sind mindestens fünfunddreißig Chips.“
„Wir sind hier nicht in Reno. Der Scheich, der rechts neben dir saß, hat mit 100 000-Dollar-Chips gespielt.“
„Du meine Güte.“ Jessie stopfte die Chips in die Tasche, die sie dann sorgsam direkt vor sich auf den Tisch legte. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich niemals gespielt.“
„Es hat dir doch Spaß gemacht. Was für einen Unterschied macht es, ob sie mehr oder weniger wert sind? Es ist doch bloß Geld.“
„Und wenn ich verloren hätte?“ Jessie wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, sie musste kurz die Augen schließen, bevor sie ihn wieder ansah. Er lächelte noch immer.
„Es ist bloß Geld, Jess.“
„Dein Geld, Joshua. Nicht meines. Ich hätte ein Leben lang gebraucht, dir das zurückzuzahlen, wenn ich verloren hätte.“
„Hast du aber nicht.“ Sein Lächeln verschwand; ein seltsamer Ausdruck lag mit einem Mal auf seinem Gesicht. Er reichte ihr die mit großen Quasten ausstaffierte Speisekarte. „Schau, was du essen möchtest, und denk nicht mehr drüber nach.“
Jessie versteckte sich hinter der Karte. Ihr Appetit war verschwunden. Sie fühlte sich so dumm, sie hatte ja keine Ahnung gehabt! Dabei hätte sie doch wissen müssen, dass es in einer derart vornehmen Umgebung keine Fünfdollarchips geben würde.
Sie fühlte sich wie eine Hochstaplerin. Sie saß auf der Terrasse des bekanntesten Spielcasinos der Welt und trug ein Designerkleid. Wer glaubte sie eigentlich zu sein?
Sie war niemand anderes als Jessie Adams, die Tochter einer Prostituierten aus Bakersfield.
Das Undenkbare war geschehen. Sie hatte geglaubt, sie würde sich niemals in ihn verlieben. Sie hatte gedacht, dass das nicht möglich wäre. Dass sie immun wäre. Als ob es einen Impfschutz gegen die Liebe gäbe!
Ich liebe ihn.
Sie probierte diese Worte in ihren Gedanken aus, konnte sie bittersüß auf ihrer Zunge schmecken.
O mein Gott. Wie hatte das nur geschehen können? Die Gefühle hatten sich so hinterrücks eingeschlichen, dass sie es nicht einmal bemerkt hatte.
Ganz egal, wie sehr sie sich wünschte, dass alles anders wäre, ein Happy End war nicht in Sicht. Er war ein Penthouse und sie nicht mehr als eine Sozialbauwohnung. Vermutlich war sie ihm nicht egal, aber er würde sich in einer Million Jahren nicht in eine Frau wie sie verlieben. Dazu würde er sich lieber jemanden aus seinen eigenen Kreisen suchen.
Sie würde also nicht nur kein Kind von ihm haben – es war noch viel schlimmer. Denn am dreiundzwanzigsten Dezember würde sie auch noch Joshua verlieren.
Der Zauber des Abends war verschwunden.
Sie bat Joshua, das Essen auszusuchen. Die Speisekarte war auf Französisch, sie verstand also sowieso kein Wort. Er bestellte in fließendem Französisch, beugte sich dann nach vorne und ergriff ihre Hand. „Was ist los?“ Seine blassen Augen blickten sie forschend an. Sie fragte sich, was er wohl sah. „Also doch Jetlag?“
„Ich gehöre nicht hierher, Joshua.“ Jessies Augen brannten, ihre Lippen bebten. Gott, hoffentlich fing sie nicht auch noch an zu heulen. Nicht jetzt, nicht hier, nicht vor Joshua und all diesen reichen Menschen.
„Du bist heute Abend die schönste Frau, Jessie. Natürlich gehörst du hierher.“ Er nahm ihre Hand, und Jessie fiel zu spät auf, dass sie vergessen hatte, den roten Nagellack aufzutragen, den sie extra mit auf die Reise genommen hatte. Ihre Nägel waren kurz. Ihr Hals wurde eng. Verdammt, sie konnte die Tränen nicht zurückhalten.
„Jessie, sieh mich an.“
Unter Tränen gehorchte sie ihm.
„Worum genau geht es?“, fragte er sanft, mit dem Daumen malte er Kreise auf ihre Handfläche. Sie biss sich hilflos auf die Lippen. „Das mit den Chips ist doch nicht so schlimm …“
„Tut mir leid.“ Sie presste die Serviette gegen ihren Mund. „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Muss doch am Jetlag liegen.“ Der Ober brachte den ersten Gang, und sie blickte auf. „Hier kommt meine Rettung.“ Sie versuchte, fröhlich zu klingen.
Fest entschlossen, diesen ansonsten fantastischen Abend nicht zu verderben, unterdrückte sie ihre Gefühle und griff nach der Gabel.
Vermutlich schmeckte das Bœuf Alexandra hervorragend. Sie mochte Artischocken, der Trüffel war bestimmt interessant, aber sie merkte nicht viel davon. Verdammt. Sie wollte nicht über das Ende nachgrübeln, nachdem sie noch viele gemeinsame Wochen vor sich hatten.
Ganz kurz dachte sie darüber nach, doch nicht länger zu verhüten. Das war sowieso total unbequem und vielleicht … nein. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und würde sie nicht mehr ändern.
Als sie das Restaurant verließen, hakte sie sich bei Joshua unter. „Wohin gehen wir jetzt?“
„Bist du sicher, dass du nicht doch noch ein wenig Roulette spielen willst?“
Jessie tat, als ob sie erschauerte. „Da steht für meinen Geschmack viel zu viel Geld auf dem Spiel. Ach so, hier.“ Sie reichte ihm ihre kleine Handtasche. „Steck das ein, dann muss ich mir nicht länger Sorgen darum machen. Ich schau dir zu, wenn du noch mal spielst.“
„Chemin de fer. Siehst du diese Tische dort auf dem Podium?“ Joshua dirigierte Jessie durch den von großen Lüstern erhellten Raum. Er sprach mit dem Mann, der den Eingang bewachte und sich schließlich tief vor ihnen verbeugte. Chemin de fer war ein kompliziertes Kartenspiel mit hohem Einsatz. Ähnlich wie Baccara, erklärte Joshua ihr flüsternd. Er nahm seinen Platz ein, und Jessie unterließ es, ihn zu fragen, wie viel seine Chips wert waren. Das wollte sie gar nicht wissen.
Die anderen Stühle waren mit Zuschauern besetzt. Jessie stellte sich hinter ihn.
Es machte ihr Spaß, zuzusehen. Auch wenn sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie das Spiel funktionierte, so fand sie es doch spannend. Irgendwann schlüpfte sie sogar aus ihren hohen Schuhen. Der Teppich fühlte sich herrlich weich unter ihren Füßen an.
Der Ober brachte ihr ein Getränk. Das Abendessen lag ihr schwer im Magen, und sie war durstig. Allerdings hätte sie lieber Wasser als Alkohol getrunken. Sie blickte sich um.
Plötzlich wurde ihr schwarz vor Augen, Speichel sammelte sich in ihrem Mund. Sie schluckte krampfhaft, und ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Die Schuhe glitten ihr aus den Händen und fielen zu Boden. Wie blind tastete sie nach der samtbezogenen Lehne. „Ich … m-muss mich setzen …“ Das Licht wurde schwächer und erlosch dann vollständig.
„Jessie?“ Sie hörte die Angst in seiner Stimme, die von weit, weit weg an ihr Ohr drang … Etwas Kaltes und Feuchtes strich über ihr Gesicht. „Mach die Augen auf, Liebes.“
Das konnte nicht Joshua sein. Er hatte sie noch nie zuvor Liebes genannt, und seine Stimme würde auch niemals so panisch klingen. Jessie ließ sich treiben.
„Jessie, mach die Augen auf. Jetzt!“ Typisch Joshua. Er befahl ihr, das Bewusstsein wiederzuerlangen.
Seine Lippen. Joshuas Lippen. Er küsste ihre Hand. Sein Griff fühlte sich sicher und fest an. Jessies Wimpern flatterten, es gelang ihr, die Augen zu öffnen. Joshua kniete neben dem Sofa, auf dem sie lag, den Blick auf ihr Gesicht geheftet. „Was zum Teufel ist geschehen?“, fragte er.
Seine Lippen waren ganz verkniffen, sein Haar sah zerzaust aus, als ob er es sich gerauft hätte. Zwischen seinen aristokratischen Augenbrauen war sogar eine Sorgenfalte zu sehen. Er verstärkte seinen Griff, sie wimmerte auf, und er ließ ein wenig locker. Nur ein wenig.
Sie hatte das Gefühl, dass sich ihr gleich der Magen umdrehen würde, und dann plötzlich beruhigte er sich. So viel zum Thema Fünfsterneküche, wo die Essenspreise so hoch waren wie die Staatsverschuldung eines kleinen Landes.
„Jessie?“
„Ja?“
„Was ist passiert, verdammt noch mal?“ Er wandte sich an die schemenhafte Gestalt hinter sich. „Sie scheint bei Bewusstsein zu sein. Ich glaube nicht, dass sie …“
„Ich bin bloß ohnmächtig geworden, Joshua.“ Sie drehte den Kopf, um ihn direkt ansehen zu können, und zwang sich, zu lächeln. „Ich habe keine Gehirnerschütterung – mir geht’s gut.“ Sie kämpfte sich hoch, dankbar, dass Joshua ihr dabei half. Sie befanden sich in einem Büro. Zwei Männer standen diskret auf der anderen Seite des Zimmers.
„Ich glaube, das viele Essen und die Aufregung haben mir nicht gutgetan. Tut mir leid, dass ich dich in so eine Situation gebracht habe.“
„Unsinn“, entgegnete Joshua knapp. „Mein Gott, du bist weiß wie eine Wand.“
„Das liegt nur daran, dass du mein Make-up abgewischt hast.“ Jessie lehnte den Kopf an seine Schulter. Es ging ihr schon viel besser, sie genoss es, das Joshua so besorgt um sie war. „Bitte sag, dass mein Kleid nicht verrutscht ist und ich hingefallen bin wie eine Lady.“
„Die Männer waren so wild darauf, dich hochzuheben, dass ich beinahe nicht sehen konnte, wo genau du hingefallen bist.“ Joshua strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Haut war klamm.
„Könnten wir zurück auf unser Zimmer, bevor ich mich hier noch weiter blamiere?“
„Ich werde den Arzt bitten, dich dort zu untersuchen.“
„Ich brauche keinen …“
Joshua gab dem Arzt in tadellosem Französisch Anweisungen, dann hob er Jessie hoch, als sei sie so leicht wie eine Feder. Ihre Augen wirkten riesig in dem blassen Gesicht.
„Aber sorge dafür, dass mein Hintern nicht zu sehen ist.“ Jessie schloss die Augen, als er sie durchs Casino zum Fahrstuhl trug.
„Du bist sittsam bedeckt“, sagte er lächelnd.
„Ich komme mir so blöd vor.“ Jessie versteckte ihr Gesicht an seiner Brust.
„Alle sind der Meinung, dass du recht elegant ohnmächtig geworden bist“, neckte er sie und manövrierte sie ins Hotelzimmer.
„Ich weiß, dass du lügst. Ich bin vor Tausenden gut gekleideter Millionäre und ihren mit Diamanten behängten Frauen platt auf die Nase gefallen. Ich könnte wetten, dass jeder meine Unterwäsche sehen konnte.“ Ihre Unterlippe bebte, und sie hatte Tränen in den Augen, als sie ihn ansah. „Es tut mir so leid, dass ich dich blamiert habe.“
Er wischte ihr die Tränen weg. „Das kommt nur dir so schlimm vor, Jessie. Dabei hat es kaum jemand bemerkt, ich schwöre es. Sekunden bevor du ohnmächtig wurdest, sind der Prinz und sein Gefolge gekommen. Alles haben ihn angesehen, nicht dich.“
„Es wird wieder schlimmer“, sagte sie plötzlich, alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Bring mich schnell ins Badezimmer.“
Joshua setzte sie gerade noch rechtzeitig ab und hielt ihren Kopf. Sie übergab sich krampfartig. Danach stützte er sie, als sie sich das Gesicht wusch und die Zähne putzte, und trug sie anschließen zum Bett.
„Nicht“, stöhnte sie, als er ihr Gesicht mit einem kalten Handtuch abtupfte. Joshua war erleichtert, als Minuten später der Arzt klopfte.
Er empfahl Jessie ein paar Tage Ruhe und leichtes Essen und verabschiedete sich wieder. Joshua half Jessie, sich auszuziehen, und steckte sie unter die Bettdecke.
Als er sich auf die Bettkante zu ihr setzte, sah sie ihn mit diesen großen braunen Augen an.
„Soll ich dir was bringen?“
„Nein, danke. Ich komme mir total bescheuert vor. Warum gehst du nicht zurück ins Spielcasino? Wir sehen uns dann später.“
„Ich bleibe bei dir.“ Er zog sie vorsichtig in seine Arme. „Versuch zu schlafen.“
Jessie weckte ihn am nächsten Morgen; hellwach, mit leuchtenden Augen lag sie quer über seiner Brust. Er ächzte. „Du bist krank. Schlaf weiter.“
„Keinesfalls.“ Sie drückte sich fester an ihn. „Es geht mir großartig, und du hast versprochen, dass wir heute eine Bootsfahrt machen.“
„Das mit dem ‘großartig’ kann ich bestätigen.“ Er ließ seine Hand über ihren Rücken auf ihren Po wandern.
„O nein, jetzt nicht.“ Jessie rollte sich zur Seite, warf die Decke von sich und sprang hastig aus dem Bett. An der Badezimmertür drehte sie sich in ihrer ganzen nackten Pracht noch einmal um.
„Komm schon, Joshua, zieh dich bitte an, ja?“ Sie klimperte mit den Wimpern und wich ihm aus, weil er bereits vor ihr stand und sie gegen die Louis-Quatorze-Anrichte drängen wollte. „Ich werde ganz schnell duschen, und dann möchte ich irgendwo schön frühstücken gehen.“
Später suchten sie die Jacht und die Crew, die Joshua für diesen Tag angeheuert hatte. In kurzen weißen Shorts, die ihre prachtvollen Beine wunderbar zu Geltung brachten, und einem knappen Oberteil, das ihm den Mund wässrig machte, streckte Jessie sich auf einem Liegestuhl neben ihm aus. Der Pferdeschwanz, den sie sich mit einem pinkfarbenen Tuch zusammengebunden hatte, saß wie immer etwas schief. Sie hatte Farbe bekommen, sah gesund und verteufelt sexy aus.
Die Crew kümmerte sich um die Arbeit und hielt sich diskret im Hintergrund, während sie gemächlich die Küste entlangschipperten.
Joshua hatte seine schwarzen Shorts ausgezogen und machte es sich seufzend in den weichen Kissen bequem. Die wärmende Sonne, der Geruch des Meers gemischt mit Jessies feinem Duft ließen ihn schläfrig werden. Als er etwas später weiche Lippen auf seiner Wange spürte, öffnete er die Augen.
„Du verschläfst ja diesen herrlichen Tag“, beschwerte Jessie sich und streichelte seine warme Brust. In ihrer Sonnenbrille spiegelte sich sein müdes Gesicht. Möwen flogen durch den knallblauen Himmel, die weißen Segel blähten sich in einer Brise, die er nicht spürte.
„Unten gibt es einen schönen großen Raum“, schlug er vor und ließ seine Hand unter ihr Oberteil gleiten. Sie trug keinen BH. Ihre Haut war heiß, weich und ein bisschen verschwitzt.
Sie krümmte den Rücken. „Mit einem hübschen großen Bett, wie ich vermute?“
„Wahrscheinlich.“
„Wie wäre es erst mal mit Mittagessen?“ Sie wackelte mit den Augenbrauen.
Jessie wieder. Lachend nahm er ihre Hand und ging mit ihr unter Deck.
Eisgekühlter Hummer, jede Menge Salate, frische Früchte und verschiedene Desserts waren kunstvoll auf einem langen Büffet angerichtet.
Er beobachtete, wie sie sich von allem etwas nahm. Als sie sich schließlich an den kleinen Tisch vor dem Fenster setzte, quoll ihr Teller fast über.
„Dir wird wieder schlecht werden, wenn du das alles isst“, warnte er sie, als sie sich ein Stück Hummer in den Mund schob. Sie sah so gesund und munter aus. Schwer vorstellbar, dass er diese Frau erst gestern Nacht ins Bett hatte tragen müssen. Nie zuvor hatte er ein solches Entsetzen empfunden, wie in dem Moment, als Jessie im Casino am Boden lag. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht, damit er jederzeit den Arzt hätte rufen können.
„Nein, nein.“ Jessie tröpfelte Mayonnaise auf das saftige weiße Fleisch und schob sich dann ein weiteres Stück in den Mund.
Sie war so verdammt dickköpfig. Joshua strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, lehnte sich zurück und sah ihr beim Essen zu.
Sie ließ nicht einen Krümel übrig, wusch sich die Hände in der Fingerschale neben dem Teller und gähnte. „Ich werde mich nicht hinlegen“, erklärte sie gleich, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. Mit der Serviette, die er ihr reichte, trocknete sie sich die Hände, ihre eigene Serviette lag vermutlich irgendwo auf der Erde.
Er warf ihr einen kühlen Blick zu. „Wer hat hier was von Hinlegen gesagt?“
„Du hast diesen Lass-uns-ins-Bett-gehen-Gesichtsausdruck.“ Sie war völlig ungeschminkt und so schön, dass ihm der Atem stockte.
„Gestern Nacht habe ich keine Sekunde geschlafen, Jess. Hab Mitleid.“
„Du willst nur anstößige Dinge mit meinem Körper anstellen.“
„Das auch.“
Welch ein Glück, dass sie nach dem Liebesspiel tatsächlich noch ein Nickerchen gemacht hatten. Vermutlich hatte er wieder eine lange Nacht vor sich. Denn als sie abends zurück ins Hotel kamen, war Jessie wieder unglaublich schlecht.
Mit bleichem Gesicht kam sie aus dem Badezimmer. „Komm mir nicht von wegen ‘ich hab’s dir doch gesagt’.“
„Geh ins Bett, Jess. Ich rufe den Arzt.“ Gott, wie er das hasste. Die Angst um sie brachte ihn fast um.
Während der Arzt sie untersuchte, ging er im Zimmer auf und ab.
„Das ist nicht fair. Ich habe kein einziges Wort von dem verstanden, was ihr gesagt habt“, beschwerte sich Jessie, nachdem der Arzt ihm die Rechnung überreicht hatte und gegangen war.
„Er meint noch immer, dass das eine Art Lebensmittelvergiftung ist.“ Sie hatte wieder etwas Farbe bekommen, wirkte aber immer noch erschöpft und schwach.
„Danke, dass du so gut zu mir bist, Joshua.“ Als sie das sagte, wurde ihm klar, dass wahrscheinlich noch nicht viele Menschen gut zu ihr gewesen waren. Diese Vorstellung machte ihn wütend. Und schon übermannte ihn ein verdammt herzerweichendes Gefühl, das er vor Jessie niemals empfunden hatte.
Er berührte die dunklen Ringe unter ihren Augen. Hatte der Arzt recht? Handelte es sich wirklich um eine Lebensmittelvergiftung und Jetlag? Vielleicht hatte sie sich auch letzten Monat von ihm diesen verdammten Virus eingefangen.
„Ich bin daran schuld“, sagte er. Er fühlte sich so hilflos. Es gab nichts, was er tun konnte.
„Du machst mich nicht krank.“ Sie schenkte ihm dieses ganz spezielle Lächeln, das ihm immer einen Stich versetzte.
„Ich habe dich vermutlich angesteckt.“ Joshua streichelte mit dem Daumen über ihre Augenbraue, ihre Lider zuckten. „Mach die Augen zu. Ruh dich aus.“
„Ich will einfach nur nach Hause. Es wäre mir zu peinlich, mich wieder auf einer todschicken Toilette zu übergeben“, erklärte sie traurig, und beinahe hätte er gelächelt. „Ich will das auf meiner eigenen Toilette tun und in meinem eigenen Bett schlafen.“
„Dann geht’s eben zurück“, erklärte er schroff. Sie blickte mit dem grenzenlosen Vertrauen eines Hundebabys zu ihm hoch. „Schlaf jetzt. Ich kümmere mich um alles.“
Seltsamerweise ging es ihr in der Sekunde, in der das Flugzeug abhob, wieder gut. Joshua hatte sie auf ein Sofa gelegt, wo sie sich ausruhen sollte. „Was tust du?“, fragte sie ihn.
„Papierkram. Wieso schläfst du nicht?“
„Ich bin einsam.“
„Ich bin nur wenige Meter von dir entfernt, Jess.“ Sie versuchte, mitleiderregend auszusehen. Er lächelte und streckte ihr eine Hand entgegen. „Möchtest du auf meinen Schoß?“, fragte er sanft. Ihr Herz machte einen Sprung.
„Zuerst muss ich auf die Toilette.“ Sie warf die dünne Decke von sich und schnappte ihre Handtasche.
„Bist du in Ordnung?“
„Ich bin gleich wieder da.“
Jessie beeilte sich mit den Verhütungsmaßnahmen. Dann ging sie zurück, ließ die Toilettentür hinter sich zuschnappen, warf ihre Handtasche aufs Sofa und spazierte auf Joshua zu, der sie mit seinen blassen Augen beobachtete. Sein Haar war ordentlich zurückgekämmt, er trug ein gelbes Hemd und Jeans. Vorsichtig nahm sie ihm die Papiere vom Schoß und legte sie auf den Tisch.
Die Motoren dröhnten, als sie sich mit gegrätschten Beinen auf seinen Schoß setzte. Er lehnte sich zurück und zog sie an sich. Einen Arm um seinen Hals, den anderen um seine Hüfte geschlungen, legte sie ihren Kopf an seine Brust. „Liebe mich“, forderte sie leise und tastete über den Reißverschluss seiner Jeans.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute …“
Ihr Kuss schnitt ihm das Wort ab. Sie rieb sich lasziv an seiner augenblicklichen Erektion, ließ aber keine Sekunde von seinen Lippen ab. Mit beiden Händen hielt sie seinen Kopf fest und küsste ihn hart und fordernd.
Es dauerte nur Sekunden, dann übernahm er die Führung.
„Und wenn Joe hereinkommt …?“, fragte sie plötzlich.
„Wird er nicht. Du hast damit angefangen, Jessie. Nun bring es auch zu Ende.“
„Ist das eine Drohung?“ Sie fuhr mit ihren Fingernägeln sanft unter sein geöffnetes Hemd, er zuckte zusammen. Er roch nach Seife und dem Brandy, den er vorhin getrunken hatte.
Ihr Haar floss ihr in wilden Locken über die Schultern. Sie musste aussehen wie eine Wilde. „Dann liebe mich. Jetzt.“
Sie öffnete den obersten Knopf seiner Jeans und ließ ihre Hand hineingleiten. Er gab ihr einen versengenden Kuss und hielt sie am Handgelenk fest.
„Nichts würde ich jetzt lieber tun. Aber lass es uns hinauszögern.“ Joshua zog ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. Seine Wangen waren stoppelig, er konnte eine Rasur brauchen. Als er an ihrem Daumen knabberte, begann ihre Haut zu prickeln.
Er griff über sie hinweg nach dem Wandtelefon. Während er der Besatzung Instruktionen gab, zog er ihr das T-Shirt über den Kopf. Sein Atem streifte heiß ihre Haut. Dann hob er sie an den Hüften hoch und stellte sie auf die Füße. Mit einer schnellen Bewegung zog er ihr Jeans und Slip aus. Jessie hantierte an seiner Hose herum.
„Lass mich das tun, Darling.“ Er erhob sich, streifte Jeans und Hemd ab, setzte sich wieder und zog sie auf seinen Schoß.
„Hier?“ Jessie blickte über die Schulter. Die Tür zum Cockpit war nur wenige Schritte entfernt.
„Sie können uns nicht hören.“ Er drückte die Lippen auf die empfindsame Stelle neben ihrem Ohr.
Jessie schlang die Arme um seinen Hals, er drückte sie nach unten. Das Leder fühlte sich kühl an ihren Beinen an, seine Schenkel heiß. Sie wölbte sich nach hinten, als er sie ganz ausfüllte. Er umfasste ihre Hüften. „Beweg dich nicht“, flüsterte er an ihren Lippen.
„O Gott.“ Jessie schloss die Augen. Ihn so in sich zu spüren war ein herrliches Gefühl. Seine Hände streichelten über ihre Arme, wanderten dann zu ihren Brüsten. Er nahm eine Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger und rieb sie, bis Jessie laut stöhnte. Instinktiv wollte sie sich auf ihm bewegen.
Doch er hielt sie auf. „Das ist Folter“, beklagte sie sich schwer atmend; ihr Körper stand in Flammen. Blindlings suchte sie seinen Mund, stürzte sich auf ihn und erschauerte, als sie seinen köstlichen Geschmack auf der Zunge spürte. Zugleich quälte sie ihn mit ihren Händen. Seine Brustwarzen waren genauso hart wie ihre, er stöhnte lustvoll auf.
Jessie grub die Zähne in seine Schulter, sie konnte spüren, wie er in ihr zuckte. Bebend drückte sie sich weiter nach unten, begierig, sich endlich zu bewegen und den Rhythmus zu finden, der sie beide erlösen würde.
Doch er hielt sie noch immer an den Hüften fest. Das Blut schien durch ihren Körper zu schießen, glühend und elektrisierend.
Joshua bewegte sich ein wenig, hob sie gerade so weit nach oben, dass er ihre Brüste küssen konnte. Sie klammerte sich an seiner Schulter fest, grub ihre kurzen Nägel in seine Haut, fast besinnungslos vor Lust.
Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich, hätte sie am liebsten gerufen. Stattdessen biss sie sich auf die Lippen, in ihrem Kopf drehte sich alles, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wehrte sich gegen den eisernen Griff seiner Hände.
Als er schließlich tief in sie stieß, presste er ihren Kopf an seine Brust, um ihren Schrei zu dämpfen. Das Gefühl war so intensiv und fantastisch, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Jeder Muskel, jeder Nerv in ihrem Körper zuckte vor Verlangen. Sie bog den Rücken durch und spürte, wie sich die Wellen der Ekstase auftürmten.
Joshuas Gesicht war schweißnass, seine Augen glühten fiebrig. Ihre Muskeln zogen ihn tiefer in sich hinein. Durch Tränen und Schweiß hindurch sah sie, wie sein Kinn unnachgiebig wurde und die Sehnen an seinem Hals anschwollen.
Sie kamen gleichzeitig, der Höhepunkt schien ewig zu dauern, sie hielten sich umklammert, bis sie satt und erschöpft zusammensanken.
Mit bleischweren Gliedern lehnte sie sich an ihn. Schweiß kühlte ihre brennende Haut. Kleine Nachbeben erschütterten ihren Körper.
Und dann schlief sie ein, als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Die Hand auf seine Brust gelegt atmete sie tief und gleichmäßig. Joshua hatte ein bittersüßes Gefühl im Magen. Er streichelte über ihren Arm. Sie rührte sich nicht. Er war noch immer in ihr. Als er sie schließlich nach hinten zum Bett trug, zuckte sie nicht einmal.
In diesem flüchtigen Moment war sie für ihn wertvoller als seine unbezahlbarsten Kunstwerke. Sie wurde ihm immer wichtiger – und zwar nicht nur diese lebhafte Frau, die sie für die anderen war, sondern vor allem auch die private, zarte Frau, die sie war, wenn niemand zusah.
Inzwischen war es im Grunde unmöglich, sie emotional auf Distanz zu halten. Jessie brachte ihn zum Lachen. Und jedes Mal, wenn sie zusammen waren, spürte er, wie er weich und offen wurde. Er war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel, wusste allerdings auch nicht, was er dagegen unternehmen sollte.
Am liebsten hätte er sie fest an sich gedrückt und nie mehr losgelassen. Mit diesem wertvollen Schatz war er die ganze Zeit so selbstgefällig und gedankenlos umgegangen. Bis er Jessie plötzlich so schwach und blass erlebt hatte.
Erst da war ihm schlagartig und schmerzhaft bewusst geworden, dass er Jessie im Gegensatz zu seinen Kunstwerken verlieren konnte. Durch Geschehnisse, die nicht einmal er ändern konnte, die nicht verhandelbar oder gar mit Geld zu ändern waren.